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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : [Story]Tyr~Fasul - Liebelei der Narretei



Solaufein
28.11.2004, 20:56
Große Mauern, große Seele.
Großes Herz und großer Wall.
Ein Samenkorn ging einst zur Erde und verband sich mit ihr.
Das Samenkorn ging auf und entließ das Leben hinaus.
Fortan blühte die Pflanze, sie blühte und wuchs.
Die Urzeit selbst schuf mächtige Wurzeln, bis tief zum Erdenmantel hinab.
Die dichte Rinde des knorrigen Stammes mahnt weise und heilt Kranke.
Die dicken Äste widerstehen allem Feuer, Wind und Wasser.
Sie tragen schwere Lasten, ob Schnee oder Leben, gar Verantwortung.
Doch der Lohn ist üppig. Das Blattwerk wuchert lebendig. Im Sommer wie im Winter.
Ein einziges Samenkorn erschuf den Baum,
wie ein einzelner Mann die Stadt erschuf.
So lebendig, mächtig und blühend sie auch sein mögen,
so unterschiedlich ihr Dasein ist.
Sie teilen alle Aos Weg.
Sie sind alle verletzbar und dem Untergang geweiht,
denn Schönheit muss stets verteidigt werden,
denn Schönheit gönnt man nicht, man neidet sie.
Und so erschuf der Neid die Feinde aller Schönheit,
doch wer erschuf die Feinde des Neides?

Balthasar Bortkan, 703 TZ



http://home.arcor.de/solaufe-in/Tyr~Fasul---Liebelei-der-Na.jpg

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Solaufein
29.11.2004, 22:13
Die Menge hatte sich nicht sehr vorbereitet, fast der ganze Thronsaal war unbesetzt. Ein kleiner Teppich aus rotem Samt war ausgerollt und Kerzenleuchter brannten ein wahres Lichtfeuerwerk ab. Der hohe Adel hatte sich wohl angekündigt, allerdings war kaum einer aus der verlogenen Bande da. Die paar Vertreter hatten allesamt Anliegen, bei denen sie auf ein gutes Wort hofften, aber das hätten sie sich auch sparen können. Ein paar Vertreter der Zünfte und Gilden fanden sich ebenfalls ein, jedoch eher zufällig und ungebunden. Zum Glück konnten der Adel und die Stadtverwaltung nicht auch noch den Prinzenpalast abriegeln, so weit kam es noch. Solaufein war pünktlich, allerdings auf seine ganz eigene Art und Weise. Als er den Magiestein aktiviert hatte, da wollte er schließlich auch ankommen, was natürlich nicht hieß, daß er irgendwem etwas von seiner Ankunft mitgeteilt hatte. Wie so oft kam er unangekündigt, in Gorthar brannte ihm die halbe Bude ab und außerdem machte ihm die Stadtwache mal wieder Feuer unterm Hintern. Mit dieser Bande würde er nie zurecht kommen, die hielten ihn immer noch für einen steuerpflichtigen Steuersünder, dabei hatte er gar nichts zu versteuern und seine Bierpreise zahlte er auch immer. Manchmal ähnelten sich die beiden Großstädte doch sehr, die Verwaltung war jedenfalls sowohl hüben wie drüben verlogen und korrupt. Wenn er nur dran dachte konnte er kotzen, Verwaltung, als ob es das bringen würde. Alles schön aufschreiben, wo sowieso die große, Betonung liegt auf große, Mehrheit der Bevölkerung nicht lesen konnte. Das war in der Stadt nicht anders als auf dem Land, dabei musste er sich unwillkürlich fragen, woher er eigentlich das Lesen lernte. Die Antwort war irgendwie klar, denn die Weisen hatten ihm alles beigebracht. Außer dem Kämpfen. Meine Güte, wie alt musste er da gewesen sein. Seit er sechs oder sieben war, hatte er doch jeden Tag nur noch wie ein Blöder trainiert. Danach kam die Zeit der Verantwortung, selber jagen und bei Jagten dabei sein, aber da mussten ihm die Weisen schon alles beigebracht haben. Komischerweise konnte nicht mal sein Vater lesen, nun ja, er war nicht stolz drauf, aber es war ganz nützlich.

Die grüne Staubwolke verzog sich langsam, während er sich noch fragte, warum es dauernd grün war. Er liebte Grün, aber Blau wäre sicher auch nicht schlecht gekommen. Es roch auch leicht moosig, ein Schelm wer Böses dabei dachte. Er tat es jedenfalls nicht, genau genommen dachte er gar nichts. Mit großen Schritten ließ er den Platz hinter sich, sein schwerer Mantel wirbelte zusätzlich den Staub weg. Neben ihm kam gleichzeitig Kara zum Vorschein, die mit ihm gereist war. Sie hatten eigentlich vor gehabt mal aus diesem Rattenloch Gorthar raus zukommen, die Frage war nur, ob sie nicht direkt im nächsten gelandet waren.

Sofort hörte man eifriges Tuscheln zwischen den Anwesenden, aber den Nordmann interessierte nur eines.
»Ist Dekahn da?« Ein wohlhabend aussehender Händler fühlte sich gleich angesprochen.
»Nein Herr, wir warten auf ihn.«
Durchs eine Ohr rein, durchs andere wieder raus. So musste das laufen. Genau im selben Moment fiel ihm ein bekanntes Gesicht auf.
»Kippo, Gruß auf, sind meine Spiegelgläser fertig?«
»Jawohl Herr, geschliffen und poliert. Sie sind abholbereit.«
»Wunderbar, ihr seid ein Genie.«
»Sagt Großmeister, wäre es möglich dem Prinzen zu sagen, daß wir höhere Abgaben für Bier, Wein und Getreide brauchen?«
Mit einem engstirnigen Blick musterte er den Verwaltungsbeamten. Hatte der Kerl gerade Steuern gesagt? Er konnte schon wieder fast kotzen, diese schleimigen Schleicher, wie er sie doch hasste. Sie wussten genau, daß der Prinz ein guter Freund war und versuchten genau das für ihre Zwecke einzusetzen. Seine Miene blieb versteinert, aber so sah er die Hälfte des Tages aus.
»Ich gehe!« Er machte kehrt und stieß die riesige Tür zum Saal auf.
»Wo willst du denn nur hin?«, fragte Kara, die das ganze bisher stumm mit angesehen hatte.
»Ich gehe jagen!« Und das war?s dann auch, weg war er, dieser Palast war genau so schleimig wie die meisten Besucher.

»Dann GEH doch! Ich werd jedenfalls erstmal ein schönes Zimmer suchen!« Aber die Worte der schönen Kriegerin blieben ungehört und erreichten nur die Ohren der rundum stehenden Besucher, die Kara ignorierte. Sie kannte das ja schon und verschwand ebenfalls.

Solaufein
30.11.2004, 21:23
Ein paar Stunden später, östlich des Rabengipfels, im Wald Piyrmon

Solaufein, den man hier im Osten auch Sol-aru nannte, hatte sich weit in den Wald zurückgezogen und wartete. Er war ein guter Jäger, vielleicht sogar ein sehr guter. Es gab verschiedene Arten und Weisen ein Tier zu fangen, ob man dabei agierte oder reagierte oder gar beides zusammen tat, lag in der Laune und dem Können des Jägers. Solaufein beherrschte so ziemlich jede Art des Jagens, die man in den nördlichen Graden eben kennen konnte, Hetz- und Treibjagden gehörten ebenso dazu wie auch die Pirsch und die Lauer. Noch etwas ausgelaugt der letzten Tage wegen und einfach aus Zeitverschwendung hatte er sich auf die Lauer gelegt und die Beute agieren lassen. Natürlich war so nicht garantiert, daß er etwas fangen würde, aber wirklich ums Jagen ging es ihm gar nicht. Der junge Jäger wollte einfach nur seine Ruhe haben, fern von allen Problemen und fern von allen Leuten. Schon früh hatte er eines gelernt: Wenn es ihm mal schlecht gehen würde, so sollte er an einen schönen Platz gehen und in sich kehren. Wenn man tief in sich hinein horchte, dann fand man oft schneller das Problem, als wenn man mit anderen Leuten damit redete. Das half nicht so gut, jedenfalls nicht bei ihm. So lag er also da, mitten auf dem trockenen Waldboden, gut getarnt mit Geäst und Moos und wartete. Es war nicht leicht sein Schicksal zu akzeptieren, aber noch viel schwieriger war es in den Städten zu leben. Eigentlich war er nur auf Reisen, eigentlich auch oft in Städten. Welch glückliche Kindheit er doch gehabt hatte, er wusste es inzwischen sehr zu schätzen. Manchmal hoffte er, daß alles wieder so sein könnte, wie vor den Jahren. Sol, wie ihn gute Freunde nannten, kannte die Welt schon recht gut und das trotz seiner jungen Jahre, aber er konnte sie gleichzeitig nicht verstehen, ein ewiger Fluch, eine ewige Pein, die die einfachen Leute nicht hatten.

Der junge Mann seufzte, wie sollte er etwas bekämpfen, das er nicht verstehen konnte. Ohne es zu merken hatte sich schließlich doch noch etwas genähert, was man als Beute bezeichnen konnte. Seine guten Sinne wachten endlich auf, eigentlich schon viel zu spät, und erspähten ein junges Rehkiez, die ideale Beute für einen Jäger wie ihn. Aber das kleine Geschöpf hatte Glück, der Tod meinte es gut mit ihm, denn heute war dem Jägermeister die Lust am Jagen gründlich vergangen. Es war einfach nicht sein Tag...

Zwar zielte er aus Spaß mit dem Dolch auf das Tier, warf ihn dann aber gezielt an einen Baumstamm, was das Kiez aufschreckte und flüchten ließ. Der Krieger erhob sich langsam und ächzend, schüttelte das ganze Grünzeug ab und befreite den Dolch aus seiner mißlichen Lage, danach ging er zurück in Richtung Stadt. Er brauchte jetzt einen guten Schluck Met und ein weiches Bett, diesen Tag wollte er nur noch vergessen, wie so viele zuvor...

Solaufein
01.12.2004, 20:14
Es klopfte. Einfach so, ohne Grund.
Es klopfte erneut.
Solaufein spürte, wie jemand an seinem Traum rüttelte und die unsichtbaren Mauern zum Einstürzen bringen wollte. Nervös klammerte er sich an seinen Metkrug, wollte noch unbedingt einen Schluck nehmen. Man wusste wissen, der Krieger befand sich in seinem Traum gerade in einer Taverne am Ende der Welt, mitten im Meer, unter Wasser. Er saß da drinnen und trank gerade einen Krug Met und sah gerade die anderen Gäste an, als man ihn versuchte zu wecken. Leider gelang es ihm nicht noch einmal anzuheben, schon verflüchtigte sich das Bild und verschwamm zu einer undeutlichen Masse.
Ein drittes Mal klopfte es.
Langsam, sehr langsam öffnete er die Augen und räkelte sich in seinem Bett. Vorsichtig streckte er sich, schließlich wollte er seine Muskeln nicht gleich überbeanspruchen. Er sah verdammt gut aus... irgendwie jedenfalls. Zumindest fühlte er sich ganz frisch, anscheinend war es das richtige Füßchen gewesen. Dieses Gefühl sollte sich allerdings schnell ändern.
»Hat es nicht gerade geklopft?« Verwirrt sah er zur Tür, die geschlossen war. Hatte er das Klopfen etwa nur geträumt? Oder hatte er zu viel Met getrunken? Aber das war doch auch nur im Traum...
»AAAAAAA-ufwachen, du Schlafmütze!« Der Krieger fiel um und landete mit dem Gesicht auf dem Teppich. Sein Ohr dröhnte und auf einmal fühlte er sich nur noch fertig. Ein Stöhnen und Ächzen kündigte von gebrechlichen Knochen und nur langsam sah er mal nach, was ihn da eigentlich so angefallen hatte. Es war irgendeine Person, erst später wurden die Umrisse klarer und besser. Irgendetwas erinnerte ihn an Kara, aber er war sich nicht so sicher. Als er sich wieder erhoben hatte, war kein Mensch mehr zu sehen und er musste unweigerlich an seinem Geist zweifeln. Nach diesem Schock am frühen Morgen ließ er sich zurück aufs Bett fallen und starrte die Decke an. Ein toller Anblick, besonders wenn man sich wie achtzig fühlte.
»Ohhhh, verdammt...«
Es half alles nichts, irgendwie war er wach und musste aufstehen. Das beste Mittel war da immer noch eiskaltes Wasser. Schlaftrunken taumelte er zur Waschschale und tunkte den Kopf hinein. Nach etwa zehn Sekunden kam er wieder hoch und wiederholte die Prozedur noch mal. Die beste Schocktherapie half nichts, wenn der Geist nicht willig war. So riß er sich zusammen und zwang sich selbst endlich aufzuwachen - mit großem Erfolg.

Endlich konnte er wieder klar sehen und denken und sich auch an die letzte Nacht erinnern. Er hatte sechs Metkelche getrunken, dazu zwei Bier und drei Wein. Allein vom Erinnern wurde ihm speiübel und so vergaß er es schnell wieder. Schnell legte er seine Rüstung und seinen Waffengürtel an, schlüpfte in die Stiefel und befestigte die Ärmlinge. Er zog sie extra fest, prompt war er putzmunter. Ein Kopfschütteln begleitete ihn, als er sein Quartier verließ, was für eine Schande. Er wollte jetzt endlich mit Abel oder Dekahn reden und Kara musste er auch mal wieder finden. Irgendwie sah er sich noch einmal Stirn runzelnd um. Kara? War da nicht irgendwas gerade? Er konnte sich nicht mehr erinnern, er war immer noch etwas verwirrt, aber total nüchtern und wach...

Solaufein
04.12.2004, 20:42
Ziemlich einsam war es hier in diesem Palast, wenigstens war es äußerst bequem und warm. Der Boden war mit Teppichen ausgelegt und Fackeln sorgten für helles Licht, standen aber lange nicht so nah wie anderswo, fast konnte man meinen, die Fackeln würden zuviel kosten. Nachdem er bei einer Wendeltreppe den Weg nach oben gegangen war, marschierte er nun auf einem der äußeren Gardegänge. Dort lief man direkt auf der Mauerseite des Palastes und hatte hin und wieder Gelegenheit nach draußen zu schauen, wobei ihn ein ganz bestimmtes Ziel vorantrieb, wollte er doch so schnell es ging in die Prinzengemächer kommen. Es war sehr ruhig und man merkte, daß es noch sehr früh am Morgen war. Auf seinem Weg blieb Solaufein kurz stehen und legte eine Pause ein. Ihm war einfach danach und er wollte kurz an die frische Luft. Er drehte am Knauf des schön bemalten und vergitterten Fensters und stieß es auf, nur um Sekunden später den Kopf rauszustrecken und tief ein- und auszuatmen. Er kannte den Palast ja, ansonsten hätte es ihn wohl erschreckt, sah er doch direkt in die Tiefe einer Schlucht. Wer hier hinaus fiel, kam nicht mehr unten lebendig an. Als er dann genug erfrischt war und sein Hirn mit genügend Sauerstoff ausgestattet hatte, damit es auch wach blieb, beugte er sich zurück und schloss das Fenster. Doch trotzdem wehte auf einmal ein starker Zug und in der Tat, direkt neben ihm stand ein weiteres Fenster sperrangelweit offen. Gerade wollte er es wieder schließen, als hinter ihm ein Rabe landete und mit dem Schnabel auf das Fenster pickte.
Solaufein blieb regungslos stehen und sah zu dem Raben. Es war ein sehr schönes Tier, pechschwarzes, fettiges, glattes Gefieder. Es glänzte richtig schön, doch die blauen Augen des Vogels waren noch um ein Vielfaches interessanter. Der Krieger wusste sehr wohl um die Bedeutung des Tieres, nicht jedoch um diesen Fall.

»Ihr kommt genau im richtigen Zeitpunkt Solaufein. Welch glückliche Neigung des Schicksals.«
Sofort wurde der Rabe uninteressant und er drehte sich um. Hinter ihm stand ein alter, weiser Mann, eine Federrüstung sein Eigen nennend, einen knorrigen Stab in Händen haltend. Ein Prophet, ein Weiser, vielleicht sogar ein Druide. Solaufein fluchte kaum hörbar, er war nicht gekommen, um wieder mit der Vergangenheit abzurechnen, die seine Zukunft prägen wollte.
»Verdammt, alter Mann... ich habe mich zur Ruhe gesetzt...«
»Deine Aufgabe kennt keine Ruhe. Und jetzt hör mir zu! Der Prinz ist ausgezogen, heimlich und nur mit seinen besten Männern und engsten Vertrauten. Niemand weiß etwas davon und sie wissen nicht, in welches Verderben sie laufen. Du musst ihnen folgen, zum Moor der Nebel, dort wo Kish-turas liegt. Sie kommen sie zu befreien, dabei liegt Kish-turas unter dem Bann des Skelettfürsten.«
»Pah, Dekahn ist ein großer Krieger und Träger des göttlichen Nilfhammers. Was soll ihm schon von Untoten blühen?«
»Spotte nicht Sohn, der Prinz liegt unter dem Wahn Kish-turas zu befreien, er wird in die Falle laufen, die ihm die Untoten stellen.«
»Wenn das wahr ist... muss ich dort hin.«
Solaufein überlegte kurz und grübelte und als er wieder aufschaute, da war der Prophet schon verschwunden. Wer jetzt aber dachte, daß der Nordmann sofort in Panik oder Hektik verfiel, der irrte. Im Gegenteil! Seelenruhig schlenderte er weiter, direkt zum Gemach des Prinzen, das ja eigentlich verlassen sein musste. Irgendetwas war an der Geschichte faul, er kannte Dekahn viel zu gut, als das der irgendwo was jagen würde, das einzige was der jagte war Rot- und Schwarzwild, aber keine alten Legenden...

Solaufein
07.12.2004, 21:27
Man merkte sofort, wenn man sich den Prinzengemächern näherte. Nicht, daß man auf den ganzen Prunk und die ganzen Teppiche nicht noch was draufsetzen könnte, nein, nein, es war anders. Der Prinz war ein großer Naturfreund und so schätzte er Pflanzen und Tiere ganz besonders. In seinen Gemächern war es fast wie im Wald, wilde Pflanzen wucherten dort in Töpfen und Vasen, man fühlte sich gleich viel besser, wenn man sie sehen durfte. Dies wiederum war schwierig, denn Dekahn ließ selten jemand hier her. Damit diese Weisung auch befolgt wurde, standen zwei seiner besten Wachen vor den Gemächern, aber nicht daß diese ihn irgendwie versuchten aufzuhalten, schließlich waren auch sie einst unter der Führung eines seltsamen Kommandanten... Es war schon lustig, so was wie Narrenfreiheit zu besitzen und eigentlich gab es in Tyr~Fasul zwei Prinzen, einen offiziellen und dann noch ihn. Allerdings war er viel zu selten hier und er konnte sich auch nicht vorstellen, daß er jemals hier bleiben könnte.

Als er nun durch den großen Vorhang trat, wusste er schon, was ihn erwartete. Man hörte das Kichern ja schon fast auf den Gängen. Vor ihm standen Dekahn und Abel, während Uram leicht amüsiert auf einer Liege lag und sich von seiner Nichte Trauben in den Mund stecken ließ. Wie widerlich. Aber er beachtete ihn kaum, sah nur aus den Augenwinkeln zu ihm, er mochte Uram ganz und gar nicht. Er war ein Dämonenbeschwörer, sehr gut und sehr mächtig. Er war außerdem noch Händler und hatte eine Niederlassung in der Stadt, auch wenn diese Verbindung so gar nicht passen wollte. Jedenfalls hatte er hier auch so was wie Narrenfreiheit, allerdings ohne dabei auf viel Nächstenliebe zu stoßen. Er war ein verachtenswertes Wiesel, ein verdammt mächtiges, verachtenswertes Wiesel.

»Na ihr Beiden, ihr könnt wohl gar nicht genug von euren Witzen kriegen. Mal im Ernst, habt ihr wirklich geglaubt, ich falle darauf rein? Ich würde deine Augen noch erkennen wenn ich blind wäre Mathilda. Hallo Abel, hallo Dekahn, wie geht's denn so?«
»Tut uns leid, aber dein Gesicht war teilweise echt super. Du hättest dich sehen sollen...«
»Nein danke, ich muss mich nicht mehr sehen als nötig. Die Lüge war aber auch einfach zu durchschauen.«
»Aber sie war nur zum Teil eine Lüge!«
»Was sagt ihr da?«
»Ja, Mathilda hat Recht, Sol... Kish-turas lebt. Wir planen schon seit einigen Wochen, wie wir vorgehen sollen. Es gab zwar keine Angriffe, keine besonderen Vorkommnisse, aber wir trauen dem Frieden nicht. In der Sagatu-Nacht ist sie erwacht, ich nehme an, daß es dich interessiert.«
»Du kennst meine Antwort von eben...«
»Sol... es sind nur ein paar Untote. Wir würden das schnell hinter uns bringen.«
»Und warum macht ihr es nicht alleine, wenn es so einfach ist?«
»Tja...äh...«
»Ich muss mit Kara darüber reden, du hörst von mir Dekahn. Abel. Uram. Mathilda.« Er nickte kurz zu allen, dann verließ er die Prinzengemächer. Er war - gelinde gesagt - enttäuscht. Nirgendwo hatten sie ihre Ruhe, es war zum... weglaufen.

Solaufein
09.12.2004, 21:44
Eigentlich konnte er den Prinzen verstehen, wahrscheinlich hätte er ja sogar genauso reagiert, schließlich waren sie gute Freunde, aber es war auch manchmal schwer den Leuten zu erklären, wer man doch eigentlich war und wie man doch eigentlich dachte und fühlte. Er war müde den Leuten zu erklären, was er fühlte. Sie sollten ihn verstehen, ohne das er viel sagen wollte, sie sollten seine Gesten lesen und seine Aktionen deuten. Es war schwer, er wusste es selbst und brauchte keine Belehrungen und gerade weil es gute Freunde waren viel es ihm so schwer sich gegen sie zu erheben und abzulehnen. Seine Ausrede mit Kara war natürlich nur eine Flucht. Sicherlich musste er sie fragen, aber sie hätte sicher nichts dagegen gehabt, wenn er sich Dekahn und Abel angeschlossen hätte. Er war müde. Nicht nur des Redens, auch des Kämpfens. Er hatte zu viel gesehen, er war hart geworden. Mit siebenundzwanzig... Der Nordmann wollte nur noch seine Ruhe und trug die Schwerter nur noch, weil er sie niemals ablegen konnte. Selbst wenn er gewollt hätte...
Er konnte es sich vorstellen seinen Freunden den Dienst zu erweisen, aber er war sich nicht sicher, er schwankte hin und her, mit größerer Unsicherheit als ein Schiff auf hoher See. Vielleicht sollte er die Götter befragen.
»Ach, wäre doch nur Shan-Muir da.«, er seufzte. Shan-Muir war eine Seherin, einige nannten sie auch Hexe, aber sie trug viele Titel. Seherin, Hexe, Schamanin, Kräuterfrau, weise Frau, ja gar Druidin. Es kam immer darauf an, wer über sie sprach. Für Solaufein war sie die Seherin, er sah hinter ihr nicht die Frau mit den Fertigkeiten der Heilung, sondern die Frau mit dem Wissen. Sie konnte aus den Eingeweiden von Tieren die Zukunft ablesen und kannte die Sterne besser als jede andere, sie wusste sogar wo Walhalla lag. Aber diese alte Frau war nun mal nicht hier, er wusste ja nicht einmal, ob sie noch lebte.
»Verdammt, jetzt bin ich aufgeschmissen...« Fluchend zog er seine Kreise durch die Stadt hindurch. War ihm doch gerade eingefallen, daß er keine Ahnung hatte, wo Kara eigentlich war. Inzwischen wusste er, daß sie es gewesen sein musste, die ihn heute Morgen geweckt hatte, aber das half ihm jetzt so wirklich gar nix. Ihm blieb nur zu hoffen, daß der Zufall gnädig mit ihm war und ging zu einem Gasthaus, das überwiegend Händler beherbergte. Es war kein teures, aber auch kein armes Haus. Es war eine mittlere Lösung, für alle mit gutem Gewissen. Er hatte sowieso freie Kost und Logis in allen Gasthäusern hier in Tyr~Fasul, aber er zahlte aus Trotz trotzdem immer seine Rechnungen. Der "fröhliche Halunk" war seine einzige Hoffnung seine Begleiterin zu treffen, denn er war sicher nicht so blöd die ganze Stadt abzusuchen, da wäre er drei Tage und Nächte dran. Nicht mal der Prinz kannte alle Viertel der östlichen Metropole.
Als er die Herberge betrat, grüßten die meisten Gäste freundlich, er erwiderte den Gruß und grüßte dezent zurück, wobei er das ganze einmal machte und dann nicht jeden noch mal einzeln, er mochte diese Aufmerksamkeit nicht, er hatte der Stadt schon einige Male die Pest an den Hals gewünscht.
Tatsächlich fand er Kara, sie saß etwas abseits an einem Tisch und zeichnete. Sie war eine begnadete Zeichnerin und er mochte ihre Werke wirklich sehr. Meistens zeichnete sie Naturlandschaften, aber auch detaillierte Waffen und Rüstungen. Warum sie das tat das wusste er nicht, er hatte nie gefragt und hatte es auch nicht vor, aber ihre Zeichnungen waren schön, das reichte und Punkt. Er sah ihr etwas über die Schulter, aber die Kriegerin hatte ihn schon längst bemerkt, immer bemerkte man ihn schon längst, er war in dieser Stadt nie ungesehen.

»Schon zurück vom Prinzen? Was willst du?« Ihr abweisender Ton wirkte fremd, aber Sol-aru, wie sie ihn hier nannten, hatte die seltene Gabe das einfach zu ignorieren.
»Ich möchte mit dir ausreiten.« Er sprach leise, fast nicht hörbar, neben dem Effekt, daß es so kaum einer hörte, drückte es seine momentane Gemütsstimmung aus, er war müde...
»Was? Ausreiten?«
»Bitte...« Er flehte beinahe um diesen Gefallen, aber manchmal hatte er wirklich immer noch die Züge eines kleinen Kindes. Meistens dann, wenn er etwas spürte, etwas Untergehendes.
»Na gut, dann lass uns gehen. Ich räum nur noch das Zeug weg, dann komm ich.«
Solaufein nickte erleichtert und ging nach draußen, um dort zu warten. Kurz danach kam Kara und zusammen gingen sie zu den Stallungen des Prinzen, wo ihre beiden Pferde unter bester Behandlung lebten. Manchmal hatte es wirklich Vorteile ein unscheinbarer Prinz zu sein...

Solaufein
10.12.2004, 21:24
Er spürte schon auf dem Weg zu den Stallungen, daß es eine gute Entscheidung war. Die Vorfreude auf seinen schwarzen Hengst war sehr groß. Als er sich das Pferd ausgesucht hatte, hatten ihn der Stallmeister und der Prinz nach einem Namen gefragt. Sol-aru hatte bewusst keine Antwort gegeben. Für ihn war es einfach ein schwarzes Pferd, ein wundervolles, schönes Tier, voller Stolz und Selbstbewusstsein. Er war ganz schön stur und es hatte auch einige Zeit gedauert, bis er gelernt hatte auf ihm zu reiten und ihn zu verstehen, aber inzwischen waren die zwei ganz dicke Freunde. Der Krieger hatte dem Pferd versprochen, daß er es nach sieben Jahren in die Freiheit entlassen würde, diese Zeit war in etwa einem Jahr schon vorüber, aber er war nicht traurig, im Gegenteil, er freute sich schon so sehr darauf, wenn er endlich wieder frei wäre. Es war ein Steppenpferd und dort wollte er es auch wieder aussetzen, in der östlichen Steppe, die ein Traum für Pferde war, wenn man sie nicht fing.

Auch Kara hatte ihr eigenes Pferd und genau wie es für sie typisch war, ritt sie eine Stute. Kara hatte ihrem Pferd auch keinen Namen gegeben, sie war was das anging irrsinnig stur und unflexibel, aber er hatte nichts dagegen, so war sie schon immer gewesen, seit er sie in dieser unseligen Stadt kennen- und schätzen gelernt hatte, Gorthar, die Hafenstadt. Das war jetzt auch schon wieder sieben Jahre her, wie die Zeit verging...

Gemeinsam ritten sie Seite an Seite durch ein kleines, unauffälliges Tor aus der Stadt, weg von den Menschen und weg von den Problemen die sie hatten. Er wusste nicht so genau, was Kara bei ihrem Ritt empfand, aber für ihn war es eine Befreiung endlich in die weite Einsamkeit auszureiten. Aber eigentlich war er ja gar nicht mehr so einsam. Hätte die Kriegerin allerdings abgelehnt, so wäre er wohl alleine geritten. Die Meisten ahnten gar nicht, was für ein guter Zuhörer so ein Pferd sein konnte. Und man spürte sehr genau, wenn es zustimmte, wann es abgelenkt war und wenn es sauer auf einen war. Man konnte mit Pferden vielleicht nicht reden, aber trotzdem konnte man Gefühle vermitteln und erkennen. Und trotzdem war es Einsamkeit in die sie ritten. Sie konnten nun kaum mehr Menschen begegnen, denn er trieb seinen Hengst an und ritt mit einem wahnsinnigen Tempo hinaus. Kara konnte kaum folgen, dabei wusste er, daß sein Freund noch viel schneller konnte, wenn es nur nötig gewesen wäre. Und doch, er beließ es bei ein paar Minuten, vielleicht einer Viertelstunde, dann waren sie weit genug von den negativen Strömen der Stadt entfernt. Während des ganzen Rittes hatten sie kaum geredet, nun erklärte er Kara stichwortartig, warum er in den Wald wollte. Sachlich gesehen war dort eine Wasserquelle für die Pferde, doch eigentlich wollte er nur dem Rauschen des Wassers lauschen. Er kannte sich wirklich gut aus, wenn es um die Gegend um die Stadt ging. Er hatte schon viele Ausritte hinter sich, in all den Jahren.

Im Wald konnten sie nur sehr langsam voran, aber er hatte auch keine Eile mehr. Irgendwann am Fluss stieg er dann ab und klopfte dem Hengst ein bißchen auf die Schultern, ehe er zu Kara ging und sich ihre Hand schnappte. Er erinnerte sich nicht daran, daß er schon irgendwann einmal mit ihr hier, an dieser Stelle, war. Der Nordmann führte sie zu der Wasserquelle, die gar nicht mal so klein war. Vier Ellen konnte das Bächchen breit werden. Er setzte sich auf einen flachen, blanken Stein, Kara neben ihn. Lange Zeit blickte er auf das Wasser, wie es sich dort spiegelte und immer mal wieder den Ton veränderte, es war sehr schön hier, auch wenn diesem Ort die Vergänglichkeit beschert war.

Solaufein
11.12.2004, 22:16
»Endlich alleine. Ich konnte keine Sekunde länger in dieser Stadt verbleiben. Es war keine gute Idee von mir, ausgerechnet in Tyr~Fasul nach Ruhe zu suchen. Wir hätten ebenso gut in Gorthar bleiben können, ich fühle mich schon wieder so verdammt ausgelaugt. Ich Idiot...«
»Was hat Dekahn denn gemeint?«
»Ach, eine Abenteuergeschichte. Es geht um Kish-turas, sie sagen, sie wäre erwacht. Sie wollen zu ihr, wollen, daß ich mitkomme, wollen gegen die Untoten kämpfen. Das ist eine dieser Geschichten, die ich endlich los sein hoffte. Untote, Echsen, Orks, der ganze Mist. Aber ich fühle mich schuldig, wenn ich Abel und Dekahn nicht helfe. Verdammtes Tyr~Fasul...«
»Gräme dich nicht. Es ist dein Schicksal, hast du das vergessen?«
Solaufein schüttelte langsam den Kopf und verneinte ihre Aussage. Er wusste, daß sie Recht hatte, doch sie wussten beide, daß sie es nicht wollten, daß sie nicht ihre Wege gehen wollten.
»Nein, mein Schicksal ist es bei dir zu sein.«
Er küsste sie, tief und innig. Wie in sanftem Samt versank er in ihren Lippen und sah vor seinem inneren Auge für ein paar Sekunden das vollkommene Glück. Ihre Arme umschlangen die Körper, ohne sie an sich zu drücken. Auf eine gewisse Distanz von minimaler Weite ließen sie sich Abstand und küssten sich jedoch immer wieder. Es waren kaum mehrere Küsse und doch nahmen ihre Lippen immer wieder neue Ansätze. Ihre Finger streichelten über das Gesicht und über das Haar und ihre Füße bändelten scheu miteinander an, wie Schwarz und Weiß waren sie, wie zwei Gegensätze, wie zwei vollkommen Unterschiedliche, wie die Nacht und der Tag und doch waren sie miteinander verbunden, als ob man sie nicht trennen konnte, nicht trennen durfte, wie die Wurzeln und der Stamm, wie das Fell und die Haut.
Für ein paar Sekunden bloß, für einen winzigen Teil des Lebens kannte Sol keine Fragen mehr, keine Antworten und keine Bestimmung, es gab nur die Natur und diese eine Frau, nur diese eine Wolke in der frei schwebenden Welt. Doch man durfte nicht zu viel Nektar trinken, sonst wurde man trunken und gierig. Es fiel ihnen schwer sich zu lösen und noch immer suchten sich ihre Lippen, bis sie es akzeptierten und wieder einsam und alleine in der Stille fristeten. Und war er noch so schnell verstummt, so hörte man ihn jetzt wieder, den kleinen Bach neben ihnen, wie er vor sich hin plätscherte. Er brauchte nicht zu sagen, wie glücklich er war, doch er konnte nicht mehr genießen, die Fragen und Antworten kamen zurück und wie des Teufels Gedanken hörten sie Hufgeklapper.
Ein Pferd wieherte und sie blickten zu den Ihren. Ein dumpfes Geräusch im Boden kündigte den Reiter an und ehe sie sich versahen stand ein junger Mann vor ihnen, der in ein wütendes Gesicht des Nordmannes blickte.
»Was zum... warum stört ihr uns?«
»Verzeihung Herr, der Prinz schickt mich. Er lässt höflich bitten euch zu sehen. Seine Kämpfer wollen noch heute losziehen und er brauch eine Antwort, ob er noch warten soll.«
»Und deswegen... das darf doch nicht wahr sein. HINFORT mit euch Bote!« Sein Schrei musste noch in Tyr~Fasul zu hören gewesen sein und ängstlich rannte der Bote los, aber was sollte er schon groß tun.
»Dekahn, dieser...«
»Sol, komm schon, wir tun ihm den Gefallen. Das sind wir dem Prinzen schuldig.«
»Was? Du willst...« Der Krieger stupste ihre Nase und kehrte über ihre Schulter. »Aber nur, wenn du mit mir gehst. Und nur dem Prinzen zuliebe.«
»In Ordnung, lass es uns genau so machen.«
»Na dann...«

Schnell standen sie auf und sattelten die Pferde, schnell war ihr Ritt, denn sie wollten Dekahn nicht warten lassen. Schon nach kurzer Strecke überholten sie grinsend den Boten, der auch nicht schlecht ritt, aber gegen ihre Pferde hatte er keine Chance, es waren die treuesten, schönsten und schnellsten Pferde Tyr~Fasuls und zwar nicht aus Prinzip, sondern aus Vertrauen und Liebe.

Solaufein
13.12.2004, 21:51
Schweres Hufklappern kündigte die Ankunft der Beiden an, die sich durch das kleine Tor der Stadt stürzten, vorbei an den wartenden Wachen und den Pagen, vorbei an neugierigen Blicken und desinteressierter Melancholie. Ein Jeder hatte mal einen schlechten Tag, oder zwei, oder drei...
Als sie bei den Stallungen angekommen waren, stiegen sie noch beim Austraben ab und übergaben die beiden Pferde an die Stallburschen, natürlich nicht ohne sie noch ein letztes Mal zu drücken. Sie würden sie ja bald wieder sehen und so fiel der Abschied nicht so schwer. Es lag schwere Luft über ihnen, der Himmel war gänzlich grau und in absoluten Nebel getaucht. Solaufein ging ein paar Schritte zur Treppe hoch und sah hinunter zu Kara. Er konnte sie kaum erkennen, die Sicht war miserabel und undurchsichtig. Selbst der höchste Gipfel des Landes, der alle Zeit von Schnee verdeckt war, er war verschwunden. Nichts war mehr zu erkennen und sie fragten sich zu Recht, ob dieser Nebel natürlichem Ursprung entsprang.
»Geh du schon mal vor, ich hole meine Sachen noch.«
»Nein warte Kara! Geh danach zu Dekahn und sag ihm, daß ich mich etwas verspäte. Wir sehen uns später.« Er gab der Kriegerin noch einen flüchtigen Kuss und eilte zum Eckturm des siebten Mauerecks hin, es war ein Turm wie jeder andere auch, er markierte eine Ecke im dichten Mauerwerk der Stadt, aber Solaufein wusste genau, daß es nicht irgendein Turm war. Tyr~Fasul war ihm nicht mehr so fremd wie noch vor vielen Jahren und so manches Geheimnis war schon gelüftet worden. Er wusste, daß unter dem siebten Eckturm ein ganz besonderer Gast lebte, ein kleines Nagetier mit Namen Hallifer. Und er wusste noch mehr, denn nur der siebte Eckturm war es, unter dem die Wurzeln des Götter gespeisten Riesengipfels verliefen. Es war zwar nicht Nidhöggr, aber auch Hallifer hatte große Macht inne. Als göttliche Eingebung war er verschrien und so seltsam es war, der Krieger schätzte den Rat des kleinen Nagers sehr. Es war wirklich erstaunlich, wie viel göttliche Konzentration in und um Tyr~Fasul stattfand, auch deswegen war es ihm manchmal unheimlich hierher zu kommen.
Vor jedem Turm standen zwei Wachen, das war schon immer so in der Stadt und sollte verhindern, daß die Türme ausgeräumt wurden oder sich fremdes Gesocks darin breit machte, aber als ehemaliger Kommandant aller Militärkräfte und bekanntes Gesicht der Stadt hatte er keine Mühen die beiden Männer loszuwerden. Ohne Widerspruch verließen sie ihren Wachposten und verschwanden in der Kaserne, nun hatte er den Turm ganz für sich alleine.
Mit leichtem Zögern zwar, betrat er den Turm dann doch. Wenn man sich mit den Göttern einließ, dann begab man sich auf glattes Eis.

Im Turm war es leer und beinahe eine gespenstische Atmosphäre. Es war nicht unbedingt sauber und so wirbelte Staub über und über, ein dünner Lichteinfall einer Ritze brachte kaum Licht, denn die Sonne schien nicht. Der Turm wirkte alt und mehr einer Ruine gleich, der Boden war zerstört und besaß zahlreiche Löcher, noch immer waren die Folgen der Belagerung von vor vielen Jahren zu sehen. Der Krieger zögerte erneut, ein nervöses Zucken begleitete den gestandenen Mann, als er einen Windhauch im Nacken verspürte. Kein Zweifel, Hallifer hatte ihn längst bemerkt. Solaufein ging in die Offensive und rief den Namen des kleinen Nagetiers laut aus, damit er ihn auch ja nicht überhören konnte.
»Hallifer, komm raus! Hallifer! Ich bin's!« Für einen Moment von wenigen Herzschlägen stellte sich Stille ein, dann klapperte es am Boden und der Nager ließ sich blicken.
»Ah, der Nordmann aus dem ewigen Eis. Solaufein, ihr seid wieder hier...« Eben war er noch ein kleines Nagetier, nun blickte er in die toten Augen des einstigen Kriegers. Ein Mann, nicht viel älter als er, gepanzert und gestählt, eines Kriegers würdig, eines Helden edel. Seine Augen sahen nichts mehr, daran änderte auch seine göttliche Kraft nichts mehr. Hallifer war erblindet und das sein ewiger Makel, für alle Ewigkeit, denn niemand vermochte ihn zu heilen.
»Hallifer, wie geht es euch?« Der Krieger zögerte, Hallifer war ein Gott... und doch ein guter Freund. Sein Herz ward schwer.
»Es geht mein Freund, es muss. Aber ich will nicht klagen. Die Wurzeln des Riesengebirges sagen mir mehr und mehr. Doch die Welt stöhnt... aber deswegen seid ihr nicht hier. Der Prinz möchte, daß ihr ihn ins Ödland begleitet, um dort Kish-turas zu finden. Und ihr seid euch unsicher, ob ihr wirklich wieder kämpfen sollt. Schwierige Situation... Solaufein, ihr wisst, daß euch die Götter mögen, sie schauen belustigt oder stolz auf euch...«
»Oh nein... ich habe es geahnt... ich... Hallifer, nein...«
»Tut mir leid mein Freund. Habt ihr den Nebel gesehen? Kish-turas lebt, aber nicht so, wie sich das Dekahn wünschen wird. Kish-turas hat den Bund zu Hel gelöst und diese jagt sie nun. Ohohoho, gar nicht mal so übel. Ihr solltet euch darüber klar werden, daß die Dämonen dort sein werden. Ich würde das Spektakel zu gern sehen... andererseits, die Götter schützen euch, ihr besitzt schon so viele beseelte Artefakte, ihr könntet selbst ein Gott sein. Sol, wenn ihr gehen wollt, dann solltet ihr auf jeden Fall zur Turmplattform gehen und nach euren toten Raben rufen.«
»Was? Revin und Tevin? Nein, das gibt's doch gar nicht!«
»Ein kleines Geschenk von Dag, er sieht euch jeden Tag.«
»Dag also... danke Hallifer, ich werde mein Schicksal noch einmal bedienen. Noch einmal...«
»Dann viel Glück, ich werde eure Taten weiter verfolgen.«

Solaufein
14.12.2004, 20:57
Etwas übermütig stolperte er die Treppen hoch und klemmte sich an der vorletzten ein, so daß es einen gewaltigen Ruck gab und er fiel, zum Glück aber klammerten sich seine Hände noch irgendwie an einen Balken, wodurch der große Sturz ausblieb und alles heil blieb. Etwas dumm stand er da und sah sich an, besser gesagt seinen Körper von abseits des Halses. Manchmal mochte er nicht glauben, was ihm die Götterboten und Götter sagten. Wenn Hallifer zum Beispiel meinte, daß die Götter ihn mochten, dann schmeichelte ihm das zwar, doch so recht mochte er nicht daran glauben. Was hatte er schon groß getan, im Gegensatz zu all den großen Kriegern seiner fernen Heimat. Er war ein winziger Wurm gegen sie, aber vielleicht war es das, was die Götter so mochten, er wusste es nicht.

Eben noch wollte er seine Raben rufen, die er vor vier Jahren erst mehr oder weniger gefunden hatte, besser gesagt, sie hatten ihn gefunden, doch in einem Kampf mit räudigen Banditensöhnen wurden sie durch zwei absichtlich gezielte Schüsse getötet, die beiden waren seine Augen gewesen, seine Späher, er konnte ihre Laute verstehen und durch sie Gefahren besser einschätzen. Es war genauso verwunderlich wie die Magie. Kein Mensch konnte ihm logische Worte auf das Krächzen der Beiden nennen und er meinte wirkliche Worte zu verstehen. Er glaubte selber nicht dran, daß er es konnte, aber seine Einbildungen hatten ihn noch nie getäuscht. Er war damals unglücklich gewesen, hatte aber den Schmerz vergessen können, nicht jedoch die Erinnerung. Doch jetzt schwankte er wieder. Der Krieger lehnte sich an den Turm und sah in den weiten Nebel, der auch die Stadt verdeckte. Es war ein schönes, wenn auch gefürchtetes Bild, doch man merkte schnell, daß es kein Kältenebel war, denn man konnte seinen Atem noch sehen und man fror nur bedingt, so wie man auch davor schon fror.

Solaufein musste an Kara denken, an ihren kleinen Ausflug, doch sein Reflex des Lächelns blieb unterdrückt und endete in starren Blicken, die einen Berg erkennen mochten, obwohl man ihn nicht sehen konnte, doch er hatte ihn viel zu oft gesehen, als das er ihn vergessen konnte. Er wollte nicht wieder sein Schwert gegen Feinde erheben, nur noch Wild jagen und selbst das nur für den Eigenbedarf und nicht für Dritte. Die Waffe war schon lange nicht mehr durstig, seid er sie bezwungen hatte. Jetzt aber, jetzt ward ihm wieder schwer ums Herz und ein tiefer Gedanke begann zu reifen. Es war eine Entwicklung über Monde und Jahreszyklen, aber vielleicht war es ja der Moment auf dem Turm, der das Samenkorn keimen ließ. Ja... er wollte wieder nach Hause. Zurück zu den Wurzeln seiner Ahnen, weg von den Städten, wenigstens ein paar Jahre. Zusammen mit Kara natürlich, und den Pferden, um ihnen die Freiheit zu schenken. Er wollte wieder träumen, von alten, langweiligen Sachen, keine Kämpfe mehr, das Schwert an den Nagel hängen. Nun konnten sie nicht mehr weg, nachdem er dem Vorschlag der Kriegerin zugestimmt hatte, aber danach... würde sie niemand mehr aufhalten. Es würde niemand mehr einen Wunsch fordern, Tyr~Fasul durfte alleine zurecht kommen. Ja, die Idee keimte, schneller als man hinsehen konnte. Schon waren die Wurzeln fest gezogen, tief in ihm drinnen.
»Dieses Mal wird mich niemand aufhalten. Das soll mein letzter Kampf werden. Ihr Götter, schaut zu mir, schaut auf diesen Fleck Land. Dieser Kampf wird mein Ende sein, mein Ende mit meinem Schicksal, hört ihr! Ich bin müde, aber dieser Kampf wird euch gewidmet, ihr, ihr großen Edlen. Ihr, meine Wächter und Ziehväter. Revin! Tevin! Eilt zu mir, kommt an meine Seite und seid meine Augen, seid meine Späher, seid meine Raben!«

Und sie kamen, die Raben. Erst Revin und dann Tevin. Beide waren sie ohne Haut und ohne Fleisch, ohne Federn und ohne Augen. Es waren die knöchernen Überreste der Tiere, aber Dag, der Große, erlaubte sich keinen Scherz, sondern nur die Wahrheit. Als die Knochen auf seinen Schultern, links und rechts, landeten, verspürte er ein scharfes Zusammenzucken seiner Muskeln, sein Fleisch verkrampfte innerlich, ohne daß sich ihre Krallen in jenes bohrten. Wie aus dem Nichts bildete sich das Fleisch, die Haut, die Sehnen, die Organe... und zum Schluß wuchsen ihnen straffe, stolze, glänzende und prächtige Federn aus dem Körper. Sie wirkten stumm und starr, aber nach dem Prozeß rissen ihre Schnäbel weit auf und ihr Krächzen ging durch Mark und Bein. Solaufein nickte glücklich und kehrte mit Stolz geschwellter Brust zurück nach unten, wo er nicht lange blieb, sondern den direkten Weg zum Prinzenpalast suchte.

Solaufein
18.12.2004, 20:06
Auf seinem Wege starrten ihn viele Leute an, denn noch immer saßen ja die beiden Raben auf seiner Schulter, allerdings alles andere mehr als unbeweglich. Sie streckten ihre Köpfe inzwischen zu allen Seiten und erlaubten sich so manchen Laut auszustoßen. Der Krieger hatte erst vor gehabt, sie mit in den Prinzenpalast zu nehmen, entschied sich dann aber anders. Kurz streckte er die Arme hoch und schon flogen Revin und Tevin auf das Zeichen in die Lüfte, wo sie ihre Kreise zogen und auf ihn warteten. Er ging alleine in die Vorhalle, denn inzwischen war es Zeit Kara und Dekahn zu treffen. Noch immer hatte er dieses mulmige Bauchgefühl, aber es konnte kein Zurück mehr geben, dafür war es längst zu spät. Die Zusage galt und war nicht mehr rückgängig zu machen, Solaufein war bereit auszuziehen.

Der erste Diener auf seinem Wege wurde herbeidiktiert und nach dem Prinzen ausgefragt, anschließend ließ er sich zu ihm bringen. Selbst er, der sich hier sehr gut auskannte, hätte sich im Prinzenpalast verlaufen können. Es war einfach zu groß und zu vergängelt, als das man mal eben leichte Suche gehabt hätte. Er hätte wohl im Thronsaal angefangen zu suchen, wäre aber dort niemanden begegnet. Sowohl der Prinz, als auch Kara, sowie Abel und einige Ritter befanden sich in einem der zentralen Verhandlungsräume, einen riesigen, rechteckigen Tisch mit zahlreichen Stühlen mit weichem Samt, ein paar nette Gemälde, dazu ein paar Pflanzen in Kübeln, einem Kamin, etwas Teppich und zahlreiche Lampen konnte man dort finden. Kurzerhand wollte sein Bote ihn ankündigen, doch dies war nicht mehr nötig. Die Tür fiel schwer hinter ihm zu und der Diener wurde kurzerhand zur Seite gedrängt, die meisten Teilnehmer hatten ihn sowieso schon längst bemerkt. Kara lächelte als sie ihn sah und er erwiderte es kurz, aber wirklich nur kurz, denn es gab keinen Grund sich zu freuen, selbst nicht für sie.

Dekahn freute sich zwar, konnte seine Nervosität aber nicht unterdrücken. Abel schien ruhig, die anderen Ritter schätzte er nicht ein. Sofort kam man zur Sache.

»Ah, Sol-aru, gut das du endlich gekommen bist, wir erwarteten dich längst.«
»Ja, jetzt bin ich ja da. Bevor ihr anfangt solltest du meine Meinung hören. Ich wäre dafür nichts zu tun. Kish-turas ist nicht die, die ihr hofft zu finden. Die Untoten sind stärker als gedacht. Das Ganze ist zu gefährlich.«
»Was? Die Untoten? Die paar Skelette und Zombies? Nein, sie ist erwacht und ich muss sie finden. Wir gehen auf jeden Fall Sol, du begleitest uns doch oder?«
»Ja... ich begleite dich Dekahn. Aber ich sage dir gleich, das ist das letzte Mal, daß ich dir oder der Stadt helfen werde. Es wird für viele Jahre mein letzter Dienst sein, denn ich werde für lange Zeit, vielleicht für immer, aus diesen Breitengraden verschwinden.«
»Das ist bedauerlich Sol, aber vielleicht können wir ja noch mal drüber reden. Jedenfalls muss das warten. Wir waren uns hier einig, daß wir von Nordwesten zustoßen. Wir reiten sofort los, ich nehme zehn Ritter und zwölf Knappen mit. Das sollte ausreichen, um zu gewinnen, unsere Späher sagen kein großes Aufkommen der Feinde voraus.«
»Ohhhh... von mir aus.«
Solaufein konnte es zwar nicht glauben, daß seine gesamten Warnungen in den Wind geschlagen wurden, aber er wehrte sich nicht weiter dagegen. Er konnte ohnehin nichts mehr an der Meinung des Prinzen achten, er war immer noch wie verbohrt.

Als sie wieder bei den Stallungen waren, auf ihren Pferden saßen und sich zum Ausritt bereit machten, schnappte er sich noch einmal Kara und sah sie besorgt an.

»Das Ganze ist Wahnsinn, Liebste. Dekahn unterschätzt den Feind vollkommen. Kish-turas ist nicht mehr sie, sie ist genauso untot wie der Rest. Ein Geist, ein Schemen ihres Selbst. Ich habe kein gutes Gefühl bei der Sache.«
»Ich weiß was du meinst. Ich fühle es auch. Aber wir können sie jetzt nicht im Stich lassen. Lass uns vorsichtig sein, so gut es geht.«
»Wir haben keine andere Wahl, Revin und Tevin werden unsere Vorsicht sein.«
»Deine toten Raben?«
»Sie sind zurückgekehrt! Dag hat sie mir geschickt. Dort oben kreisen sie, wäre der Nebel nicht, du könntest sie sehen.«
»Ja, der Nebel ist wirklich dicht.«
»Und er riecht nach Verwesung. Dieser Nebel stammt von Kish-turas. Ich bin mir sicher.«
»Vielleicht hattest du Recht mit den Worten am Fluss Liebster.«
»Es ist zu spät. Komm, die anderen brechen auf.

Solaufein
19.12.2004, 18:28
Es sollte kein langer Ritt werden, doch das Gebiet der Untoten lag in der tristen Einöde von Kil'jalum, eine felsige, zerklüftete Gegend, wo sich grüne Täler mit grauem Tode abwechselten, wo uralte Steine vom Beginn der Welt erzählten und wo zu Zeiten des Großvaters von Dekahn noch Erz für die Menschen von Tyr~Fasul geschürft wurde. Man rechnete allgemein mit drei bis vier Tagesreisen, aber Solaufein war skeptisch. Der Nebel lag zu zäh und machte keine Anstalten sich wieder aufzulösen. Überhaupt lag eine gespannte Aura in der Luft, nicht die normale des Nebels. Es schien fast so, als ob die Untoten etwas vorhaben würden, dabei hatten sie keine Hinweise der Späher bekommen. Wie zähe Milch lag er über dem Land, ihre Sicht war grausam und kalt, sie konnten kaum den Reiter vor ihnen erkennen. Bei diesen Witterungsverhältnissen wäre es kein Wunder, wenn sie sich verirrten, einen falschen Weg einschlugen. Triefende Nasen waren keine Seltenheit, schnell hatte das klamme Gefühl ihre Sachen ergriffen, ließ sie nass werden und zu allem Unheil kam auch noch eine Windstille hinzu, also keine Möglichkeit auf Besserung. Diese Nebelbank schien sich auch davon nicht beeindruckt zu zeigen, der Verdacht eines Unnatürlichen erhärtete sich nur noch.

Sie ritten an der Spitze, Kara und er. Direkt daneben war Dekahn und rechts außen schließlich Abel. Solaufein war nicht nur der Untoten wegen besorgt, diese Mission lud zu Problemen förmlich ein. Er kannte nicht alle Ritter und schon gar nicht alle Knappen die sie begleiteten, die Gefahr eines Verrats oder eines Attentats war somit gegeben. Es gab nicht viele, denen er vertraute, sie alle ritten neben ihm in einer Reihe. Vorsicht war also geboten. Es gab zwar nur wenige Motive für die Mitreisenden, doch es konnte sich auch ein Spion unter sie gemischt haben. Zwar hatten die Untoten allgemein keine Freunde, doch man hörte von so manch bösem Geist, der Verführung pries. Jedenfalls unterschätze er das Phänomen der Magiegeschöpfe nicht. Sie alle hatten einen Meister, der sie erschuf. Kein Mensch wusste, wer dieser Meister war und ob er noch lebte. Viele Magier waren in der Lage - nach eingängigem Studium - ein Skelett oder einen Zombie zu erschaffen, doch nur Meister konnten mehrere gleichzeitig kontrollieren und nur Meister mit göttlicher Kraft oder göttlichen Artefakten konnten eine Armee befehligen. Zwar lehnte der Nordmann jegliche Magie ab, doch im Laufe der Jahre hatte er gelernt mit ihr zu leben. Sie war so gesehen kein vollständiger Mythos mehr für ihn. Deswegen wusste er auch mehr als so mancher dachte. Jedenfalls hoffte er, bei dieser einen, letzten Reise nicht dem Schöpfer zu begegnen, denn das war doch eine Nummer zu groß, selbst für ihn. Es hieß in Sagen, daß der große Magier schon lange fort sei, doch die Untoten hätte er hier gelassen. Nach seinem Tode löste sich das Zwangsband, das sie an den Meister band und sie wurden frei. In den Stadtchroniken gab es einige Verzeichnisse von vereinzelten Angriffen, ein paar freie Jäger wollten sie gesehen und mit ihnen gekämpft haben, sogar ein paar Abenteurer und Ritter gab es, die sie alle "abschlachten" wollten, doch bis heute blieben sie. Kaum Menschen wagten sich mehr nach Kil'jalum und so weiß keiner so recht, wie weit ihr Gebiet reicht und wie viele es sind. Wenn man den Spähern glauben durfte, so waren es nur ein paar Duzend... wenn man den Spähern glauben konnte...

Der Ritt durch die Suppe ging weiter und Solaufein blieb wachsam. Über ihm kreisten Revin und Tevin, quasi unsichtbar und doch immer wieder hörbar. Sie waren in der Tat sehr nützlich und die einzigen Späher, zu denen er vollkommenes Vertrauen hatte. Er würde sie noch brauchen, er spürte die Gefahr an jeder Stelle des Körpers, es war viel zu ruhig, unheimlich ruhig fast...

Solaufein
20.12.2004, 19:34
Seine schlechte Vorahnung bestätigte sich, aber anders als er es gedacht hatte. Auf ihrem Wege hörten sie einen plötzlichen Schrei und sofort begannen viele nervös nach dem Grund Ausschau zu halten. Manchmal lag das Offensichtliche sehr nahe und musste nicht in der Fremde gesucht werden. Einer ihrer Ritter lag am Boden, sein Pferd scheute und schien nervöser als die anderen. Der Ritter aber wand sich vor Schmerzen am Boden und im ersten Moment dachten alle an einen Hinterhalt, ein Pfeilgift oder Ähnliches. Die Mannschaft machte gemeinsam Halt, ein gutes Duzend stieg ab, um nach dem Ritter zu sehen. Solaufein blieb im Sattel sitzen, es interessierte ihn schlichtweg nicht. Stattdessen rief er nach seinen Raben und ließ sie auf beiden Schulterhälften sanft landen und neue Nachrichten verkünden. So erfuhr er, daß der Nebel über ihnen nicht mehr vorhanden war und nur geringe Höhe erreichte, was ebenfalls nicht normal war. Sogleich gab er ihnen neue Anweisungen weiter wachsam zu sein und ließ sie wieder in der Dunstsuppe verschwinden. Für einen Moment trafen sich seine Augen mit denen von Kara. Sie war so süß, aber er durfte nicht daran denken.
Der Ritter hatte keinen Pfeil im Körper und auch kein Gift und doch schien sein Leiden maßlos zu sein. Skeptisch sah er dem regen Treiben zu, wie die versammelte Riege ihm hoch half, erst mal stehen, dann sah man weiter. Nicht mal einen Feldscher hatte man dabei, es war eine einzige Trauergemeinde, das überstürzte Aufbrechen fing an sich zu rächen. Der Ritter klagte weiter, heulte fast wie ein kleines Kind. Schlußendlich befahl Dekahn einem Knappen den Ritter zur Stadt zurückzubringen und gemeinsam ritten sie davon. Noch immer skeptisch traute er dem Treiben nicht. Der Verletzte konnte der gesuchte Spion sein, aber er war sich nicht sicher.
Auch ihr weiterer Weg bestimmte das Leid, aber in anderer Hinsicht. Je weiter sie mit den Pferden in das Land ritten, desto näher kamen sie an die Grenzen des Kil?jalum. Es wurde kalt. Bitterkalt. Jede Meile ein Grad. Er war dankbar für die warmen Sachen an seinem Leibe, dachte aber mit Sorge an die weiteren Tage. Der ganze Tross war zu selbstsicher. Die Ritter spotteten über ihre Feinde, in seinem Rücken erklangen Rufe wie »Das Pack machen wir fertig!« oder »Die werden vor uns weglaufen!«. Nicht alle hatten diese Arroganz an sich, aber viele. Dekahn war ein naiver Narr, doch nur um Kish-turas wegen, normalerweise war er es doch, der alles und jeden anzweifelte. An seiner Seite dann Abel, sein treuer Freund aus langen Jahren. Er war älter geworden, wie sie alle, doch seine Kampfkunst war immer noch ungebrochen. Der Kommandant schien noch der Klarste im Kopf, ruhig und besonnen, wie er ihn kennen lernte. Es war die Zeit der Beobachtung, der Aussortierung, der Einschätzung. Es sollte sein letzter Feldzug werden, den Gedanken bekräftigte er immer wieder, doch gerade deshalb ging es ihm mies. Dem Krieger beutelten bittere Gedanken, denn das Schwert war nicht mehr seine Seele und er hatte große Angst zu versagen. So blieb ihm mehr die Wachsamkeit und das Berufen auf den Verstand. Eine Hoffnung auf Glück gab es nicht. Schon drangen vereinzelte Knospen des Todes zu ihm, Faltenflieger und Samenkörner. Daß sie blind in eine Fallen liefen, das schien kaum jemanden zu stören, wie getreue Diener, die den lange geflüchteten Herrn verteidigten. Seine Kraft war verloren, aber seine Sehnsucht ward erst gefunden.

Solaufein
24.12.2004, 01:53
Unauffällig weil so sanft und lautlos begann es zu schneien. Kein Sturm oder Orkan, der die weißen Flocken in ihre Gesichter peitschte, sondern ein ruhiger, beinahe kerzengerader Fall aus nicht zu erblickenden Wolken. Die dünnflächigen Flocken setzten auf die Erde auf und wurden vom kalten Boden angenommen, konnten aber noch keine Schneefläche bilden, stattdessen begannen ihre Nacken, Rücken und Häupter zunehmend weißer zu werden. Ihren getreuen Pferden war es sichtlich egal, sie waren an die Kälte gewöhnt, bis zu bestimmten Temperaturen schützte sie ihre Haut und ihr wärmender Körperblutkreislauf. Einige schnaubten ab und zu, wenn die Flocken auf ihre Augen niedergingen oder das Schmelzwasser in den Mund tropfte. Der Krieger fragte sich, ob auch der Schnee eine unnatürliche Erscheinung wäre, schmeckte aber keine Unterschiede im Gegensatz zu Echten. Fast schon war es eine willkommene Abwechslung, kannte der Nebel doch kein Erbarmen mit ihnen, erschuf keine Nebellöcher, keine Lichtungen des Lichts. Wenn er sich umdrehte sah er nur ein paar Schemen von Rittern und Knappen, eine gefährliche Situation. Die alte Präzision, die alten Fähigkeiten halfen ihm bei der Vorsorge, doch man merkte ihm an, daß er sichtlich nervös war. Seine Gedanken waren nicht kräftig genug, um die Vorsorge so lange zu gewährleisten, er war schlichtweg am Ende, was zu einem Zwangsvertrauen mit seinen Hintermännern führte. Dennoch gab es Gründe die positiv stimmten, die aber nicht aktiv eine Rolle spielten und in der Tiefe zu finden waren.

Auch war es anstrengend die ganze Zeit nur im Sattel zu sitzen. Ohne die Pferde wären sie zwar aufgeschmissen, hätten einen viel längeren Weg zu gehen und trotzdem, manchmal wäre ein gesunder Fußmarsch angebracht. Inzwischen waren auch die meisten Stimmen verstummt, es gab nur wenige Fragen und Neugierde, auch die Spottsprüche ebbten immer mehr ab. Dekahn sagte seit langem kein Wort mehr. Solaufein beobachtete seinen Freund, er war anders als vor einigen Jahren. Schon immer ein großer Krieger band ihn die Pflicht des Prinzen der Stadt an selbige. Er vermochte nicht zu sagen, ob es mehr Segen oder Fluch für ihn war, doch vollkommen zufrieden war Dekahn nie gewesen. Er wusste, wie sein Freund die Abenteuer liebte und suchte, seine Pflicht es aber immer wieder wusste zu verhindern. Nach dem Tod seiner Eltern war er zum höchsten Befehlshaber aufgestiegen, ihm gehörte praktisch alles und jeder in der Stadt und Tyr~Fasul war kein Dorf wie es Solaufein Zuhause nannte. Es war ein schweres Schicksal, an das er geschmiedet wurde, aber genau jenes Schicksal drohte immer mehr zu verblassen. Dekahn schuf sich seine Freiheiten selber, er brach immer häufiger aus dem Eisenkorsett des Prinzen aus. Nun aber sorgte er sich um ihn. Nicht seiner überragenden Kampffähigkeiten wegen, sondern wegen seinem übergroßen Ehrgeiz. Kish-turas... bedeutete ihm zu viel, als das er noch einen klaren Kopf bewahren konnte, doch vorerst schwieg der Nordmann und blieb weiter in der Rolle des vom Schmerz der Ungewißheit erfüllten Unnahbaren. Der Widerspruch zog selten unter seinem Banner, ließ sich nun jedoch nicht mehr verdrängen. Noch nicht.

Solaufein
26.12.2004, 20:58
Schon viele Stunden waren vergangen und die Männer wurden allmählich müde und sehnten sich nach einer Rast. Nicht jeder kam mit der Kälte, dem Schnee und dem ziehenden Nebel so gut zurecht wie die Pferde oder wie auch er selbst. Er konnte sie durchaus verstehen, aber noch hielt er es für angebracht weiter zu ziehen, obwohl das endgültige Kommando sowieso bei Dekahn lag. Er wollte nicht schon wieder Befehle sprechen und Entscheidungen befehlen, die Rolle lag ihm schon lange nicht mehr.
Die ganze Zeit über hatten sie sich im Sattel gehalten, es war ruhig und kalt, wie in einem Wintermärchen. Die Schönheit von kristallenem Schnee und mystischen Nebel war trotzdem eine andere. Seit dem Vorfall mit dem gestürzten Ritter hatten sie schier nichts mehr erlebt, dabei mussten sie längst an den Wäldern vorbei sein, selbst der letzte Baum schien meilenweit entfernt. Noch immer schien kaum jemand die Gefahr zu erahnen, als aus heiterem Himmel ein hoher, verzogener Schrei aus den Wolken - oder besser gesagt, aus der Nebelbank - kam. Beide Raben krallten sich auf seiner Schulter fest und wirkten unruhig und aufgeregt und was sie erzählten gab ihnen auch allen Anlaß dazu. Sie berichteten ihm von einem Schlachtfeld, keine zwei Meilen entfernt, auf dem der Gestank des Todes noch immer lag und wo sie eine große Gefahr ausgemacht hatten. Zwar konnten sie nicht sagen was, aber das reichte trotzdem für Besorgnis. Solaufein konnte noch nichts dergleichen wahrnehmen, doch er hatte keine Zweifel an ihren Beobachtungen.
Zunächst wandte er sich an Kara, ritt etwas näher zu ihr hin und beugte sich leicht über, um ihr die Neuigkeiten ins Ohr zu flüstern. Auch sie bestätigte ihm, daß es keine Anzeichen gab oder sie nichts wahrnahm, trotzdem habe sie ein ungutes Gefühl seit langem schon. Er nickte kurz, unterdrückte aber alle anderen Emotionen und machte kehrt zu Dekahn. Auch ihm erzählte er die Neuigkeiten, denn er hatte ein Recht daraus es zu erfahren. Zwar mahnte er weiter zur Vorsicht, hielt es aber nicht für nötig das Tempo zu drosseln. Als letzter erfuhr Abel davon, es war zwar unnötig, doch Solaufein wollte seinen Freund nicht ausschließen, schließlich war er der Anführer ihrer begleitenden Ritterschar. Abel nickte nur und blieb stumm. Bestimmt arbeitete es in ihm schon. Es half alles nichts, sie mussten weitergehen.

Eine Meile waren sie gegangen, ein Bild war geblieben. Der Nebel lag schwer über ihnen, der Schnee fiel, es war kalt. Doch Halt! Solaufein stoppte seinen Hengst und lehnte sich an seinen Hals, lag nun fast auf ihm. Wie ein Adler spähte er in die wabernde Masse vor ihnen, die scheinbar immer gleich aussah. Erst als er nicht mehr neben ihnen stand und die Reiter hinter ihnen auf ein reflexartiges Handzeichen stoppten, zügelten auch Kara, Abel und Dekahn. Was sah er? Oder hoffte er zu sehen? Zunächst einmal gar nichts. Aber seine Sinne waren mehr als Augen. Seine Nase, leicht erkältet, errötet der Kälte wegen, nahm Duftschwaden war, die auf Schweiß hindeuteten, aber nicht von ihm stammten, denn er schwitzte nicht. Er roch den unverwechselbaren Geruch von Blut, aber er blutete nicht. Etwas Aasiges vermochte er zu schmecken, aber er verweste nicht. Die Fliegen fehlten, wären sie wohl schon längst erfroren. Nein, etwas stimmte nicht und er sah ein zweites Mal hin. Vor seinen Augen begann sich der Nebel zu bewegen, nicht mehr wie ein großer Stein starr zu liegen, sondern kreisförmige Wellen zu schlagen. Alle um ihn herum blieben stumm, gaben ihm Zeit, erst jetzt fragte ihn Kara: »Was siehst du?«
Stille. Er wollte sich vergewissern. Plötzlich tat das Pferd von Abel einen kleinen Schritt nach vorn und ein Knacken ertönte. Schwer erkennbar, doch instinktiv trieb er sein Pferd zu ihm und stieg ab. Abels Pferd wich zurück und Solaufein begann zu suchen. Die Erde war steinhart und eine dünne Eisschicht lag über ihr, doch die obersten Stücke lagen frei. Er wühlte und scharrte, dann endlich hatte er den Schädel in der Hand. Der Schädel eines Menschen.
»Wir müssen vorsichtiger sein! Was uns in diesem Nebel dort erwartet, das lebt und wartet auf uns, also haltet euch alle bereit und achtet auf euch!«

Solaufein
02.01.2005, 22:48
Noch langsamer als zu Beginn ihrer Reise bewegten sich jetzt die Pferde, wurden streng zu dieser Vorsicht gezügelt. Es herrschte eine Totenstille, selbst das Schnaufen der Tiere wurde gespenstisch ruhig. Kein Mensch traute zu sprechen, nur der brechende Schnee verursachte ein Geräusch, ein sägendes Zusammenpressen. Solaufein schloss die Augen und ruhte, sein Kopf lag auf dem Hals des Hengstes und einzig seine Hände führten ihn voraus. Sein Mund war halb geöffnet und die Zähne fühlten sich kalt an, doch immer beim Ausatmen drang warme Luft nach außen. Auf seiner Zunge lag die Kälte, sie war trocken trotz des gefrorenen Wassers um sie herum. Der Nebel begann sich weiter zu bewegen und instinktiv hatten ein paar Ritter ihre Waffen gezogen, ohne sie auch nutzen zu können. Solaufein schwieg und versuchte seine Umgebung zu studieren. Er konnte nichts sehen, also musste er die Gefahr hören. Die Gruppe trat ein in den Kreis des wabernden Nebels, konnte einen Zug an ihren Gesichtern spüren. Ein Wind trieb den Nebel hier und veränderte ihn kaum und doch so sehr. Noch immer war die Sicht miserabel, aber man erkannte einzelne Stücke, sah Lücken. Immer weiter zog es ihn, ein großes Gespinst der Natur, herfallend über alles. Gerüche wurden intensiver, ein großer Berg Fleisch...Stille.
»Halt!« Sein Befehl war Mark erschütternd, seine Hand eisern gen Himmel. Sein Körper richtete sich auf und widmete sich doch nur selbst. Keiner fragte, alle warteten. Der Krieger studierte weiter die Luft, weiter die Lücken und schwieg. Wie in einem Kreis hatten sich die Pferde versammelt, wie ein Fänger hatte sie der Nebel gefangen und tanzte nun um sie herum. Was für ein Spiel mochte es sein? Noch immer hörte man nichts, eine Zeit lang, doch dann... ein knackender Ast verriet das Untier, aber zu spät für einen Ritter und sein Pferd. Mit einem gewaltigen Hieb schleuderte es Reiter und Tier durch die Luft, ließ Knochen knacken und Muskeln reißen. Die Keule mit einem Ausmaß von mehreren duzend Fuß hatte ihr erstes Opfer gefunden, doch Blut war ihr nicht fremd. Durch den Sog zog es den Nebel fort, als ob es ihn nie gegeben hätte und sie sahen sich dem Riesen gegenüber. Ein Riese von gut dreißig Fuß, er war häßlich und dick, wirkte plump und unscheinbar, war aber lautlos geschlichen wie eine grazile Katze. Nun aber war es damit vorbei und sein zweiter Schlag verfehlte ihn nur knapp. Gemeinsam retteten sich Reiter und Pferd, ließen der Keule nur den leeren Raum, wo der Boden zu erzittern drohte. Der Riese lachte nur spottend und holte erneut aus, während Solaufein einen Blick über die Gegend warf, seit langer Zeit wieder klare Sicht und alles war voller Knochen und Körper...

Solaufein
03.01.2005, 22:28
Schlagartig brach Tumult aus, sofort war es aus mit der langen Ruhephase. Mehrere Pferde sträubten sich gegen die Befehle ihrer Reiter, schnauften und wieherten unruhig, waren kaum zu bändigen. Erste Fluchtversuche waren erkennbar, auch Solaufein, Kara, Dekahn und Abel wichen zunächst zurück. Nur wenige Streiter wagten einen Angriff, der Anzahl vier. Zwei von ihnen bezahlten den törichten Versuch ein Held zu sein mit ihrem Leben, einer wurde von der Keule gestreift und brach sich den Arm, der Letzte konnte unter der Keule hindurchtauchen und das Weite suchen. Aus dem Maul des Riesen tropfte gieriger Sabber, ein Speichel der es kaum erwarten konnte Fleisch zu kosten. Mittlerweile hatten sie es geschafft ihn einzukreisen, doch noch immer schwang die Keule gefährlich über ihre Köpfe, wen sie erwischte, der hatte nur wenige Chancen auf ein Weiterleben. Der Krieger hatte lange genug gewartet. Mit so einer Gefahr schon gerechnet. Es war einfach zu ruhig. Nun aber war es Zeit dieses Abschlachten zu beenden. Ein Riese war ein Gegner, wie es sich kein Streiter wünschen konnte, ihre Kraft war dem von zehn Bären gleich und ihre Nehmerqualitäten überstiegen die eines Menschen bei Weitem. Und doch, die Riesen hatten eines nicht. Augen und Hirn für Ideen.
»Genug jetzt, wir müssen weiter Dekahn. Sagt euren Männern, sie sollen sich zurückziehen. Abel, Kara. Lenkt ihn ab!«
Mit einem Sprung verließ er den Sattel seines Pferdes, nicht jedoch ohne das Seil mitzunehmen. Gemeinsam ritten Kara und Abel mit ihren Pferden in unterschiedliche Richtungen, bewarfen den Koloss mit Steinen und fuchtelten mit ihren Schwertern umher. Genau wie geplant wurde der Riese wütend und schwang fürchterlich wild die Keule nach den beiden flinken Reitern. In der Zeit huschte Solaufein zu ihm hin, ein lebensgefährliches Unternehmen, denn der Riese konnte ihn zerquetschen. Eilig rannte er um die Füße herum, legte dabei das Seil um sie und spannte es immer fester. Erst als es zu spät war sah das Monstrum nach unten und schlug sich selbst auf die Zehen, schon begann er das Gleichgewicht zu verlieren, fing sich aber noch einmal ab.
»Dekahn, fangt und bindet es am Sattel fest!«
Er warf das Ende des Seils zu dem berittenen Prinzen und zog sein Schwert. Er wollte den Riesen ablenken und schwächen, aber dieser war schneller. Seine Keule galt nicht mehr Abel oder Kara, die wirklich alles taten. Der Riese war so sauer, daß er nur noch den Nordmann selbst wollte. Wie aus dem Nichts tauchte deshalb die Keule vor ihm auf, er war auf dem falschen Fuß und konnte nur noch springen. Es gelang nicht ganz. Sein linkes Bein wurde vom Holz der Keule herunter gedrückt und gequetscht, noch in der Luft spürte er den brennenden Geschmack des Schmerzes auf seiner Zunge und mit einem Schrei empfing ihn die Erde wieder. Für einen Moment wollte er die Stelle fühlen von der es kam, als die Keule als bedrohlicher Schatten auftauchte. Wie die Sonne an einem Frühlingstag, man schloss leicht die Augen, um nicht von ihrem Glanze geblendet zu werden. Da endlich, wenn nicht schon im letzten Moment, zogen alle drei Pferde an dem stabilen Seil. Die Kraft der Pferde reichte, um den Riesen zu Fall zu bringen, nicht jedoch ihn zu töten.
Die Brust des Kriegers bebte rasch auf und ab und er schloss die Augen, den Göttern für die Rettung still dankend. Schon griffen gierige Finger nach dem Schwertgriff und nahmen es klimpernd auf. Schwere Atemgeräusche kamen von dem zu Fall gebrachten Riesen, als Solaufein sich seinem Kopf näherte, er hob zum Schlag an und wollte ihn fällen, als die müden Augen des Ungetüms die Seinen trafen. Den Moment wollte er niemals mehr erleben, es war kein schöner Anblick und erhob schwere Fragen und Zweifel an seinem Vorgehen, aber das Schicksal kannte keine Gnade, keinen Aufschub, keine Antworten. Das Schwert fiel und warmes, ausgedientes, erlöstes Blut rann über den Schnee.
Wut.
Es war alles, was er im ersten Moment fühlte.
Dann Schmerz.
Als Letztes Sehnsucht und Müdigkeit.
Nicht die des Körpers.
Nicht die des Geistes.
Die der Seele. Seine Augen hatten genug Sterbende gesehen.
Plötzlich erreichte eine Hand seine Schulter. Es war Kara.
»Verstehst du jetzt meine Entscheidung?«
»Pssst. Nicht sprechen...« Sie legte ihren Zeigefinger auf seine Lippen.
Derweilen legte auch Dekahn seine Hand auf den leer gewordenen Platz an der Schulter
»Ich muss euch danken, mein Freund. Zum Glück können wir nun die Reise fortsetzen.«
»Seht! Dort! Der Nebel ist weg!«, schrie es von weiter hinten, wo die Ritter und Knappen standen. Und sie hatten Recht. Der Nebel war tatsächlich weg.
Solaufein schnaufte kurz, dann bestieg er wieder sein Pferd. Er roch sie schon, die ganze Bande. Der Gestank des Todes wurde stärker. Die Untoten waren hier, aber er schwieg. Stattdessen behandelte er erst einmal seine Verletzung. Es brannte, doch es war nichts gebrochen.
Der Weg schien nun klarer zu werden als zuvor, verweilten sie ja an einem Ort der Blindheit. Doch sah man genauer hin, dann erkannte man den alles umfaßenden Schatten jenes Ortes, eine Schwärze wie Ruß und eine Kälte wie der Tod. Es war kein guter Ort, um zu sterben.

Solaufein
07.01.2005, 00:22
Wenn es dunkel wird...

»Wir müssen rasten, die Nacht bricht über uns herein.« Wie damals hob er die Hand hinauf und die Menschen, die unter dem Banner des Prinzen standen, standen fortan unter dem Seinen, unter dem Befehl des Nordmanns.
»Wenn wir rasten verlieren wir Zeit mein Freund. Wir müssen Kish-turas so schnell es geht finden!« Auch die Worte von Dekahn waren überzeugend, aber niemand wagte es weiter zu reiten. Der Prinz war noch immer getrieben von dem Wahn die Frau zu finden, die er einst verlor, doch der Krieger konnte das nicht zulaßen.
»Bitte... dann reite Dekahn, reite den Untoten ins Messer, lauf in ihre Falle. Es ist anders als wir dachten!« Seine Stimme wurde lauter, so daß sie alle hörten. »Wir sind hier in ihrem Gebiet, es ist ihr verdorbenes Reich. Die Untoten von einst gibt es nicht mehr. Sie sind hierher geströmt, aus allen Teilen des Landes und Gegenden, die ich nicht kenne. Riechst du es denn nicht? Der Tod lebt hier und hat sich ausgeweitet. Nein,« Er schüttelte den Kopf »Hier werden wir keine wartenden Skelette vorfinden, deren Strom es nicht mit unserer Anzahl aufnehmen kann und schnell abreißt. Wir werden gegen viele kämpfen, vielleicht sogar gegen Kreaturen, die wir noch nie gesehen haben, vielleicht werden wir auch alle sterben. Also... reite denn in das Verderben, oder bleib hier und sammle deine Kräfte. In der Nacht werden wir alle Scheitern, hier an ihrer Grenze werden wir noch ein letztes Mal ruhen und uns stärken.«
»Aber... aber... nein, ich m u ß sie finden!«
»Du wirst sie finden.«, entgegnete er ihm. Es war nur die Frage, ob sie noch die war, die er einst kannte. Solaufein glaubte nicht daran, daß sie Kish-turas finden würden. Nur das, was aus ihr geworden war, von ihr übrig geblieben. Und er sah sich schon seinen Freund beschützen, ehe er in seinen Tod mit verbundenen Augen lief. Er würde für sie wohl selbst das tun. Und Solaufein fragte sich auch, ob er es nicht zulassen sollte. Wenn sich seine Vermutung bestätigen würde und die Frau die der Prinz so liebte nicht mehr die war, die sie sein sollte, dann wäre es für Dekahn vielleicht besser, wenn er den Schmerz nicht ertragen musste. Doch er war der Prinz, der Herr von Tyr~Fasul und... sein Freund.
Solaufein nimmt Dekahn zur Seite, die mittlerweile vom Pferd abgestiegen sind.
Er spricht in gedämpfter Stimme.
»Ich bin nur hier wegen dir. Ein letztes Mal, ein letztes Versprechen. Es wird mein letzter Kampf sein und du solltest an Tyr~Fasul denken. Was wird aus der Stadt, wenn du nicht mehr bist?«
Der Prinz sieht ernst zum Himmel und streicht seinem Pferd über den Kopf.
»Ich würde für sie auch durch Hels Reich gehen.«
Dann wendet er sich ab und geht nachdenklich ein paar Schritte in Richtung Untotengebiet.

Es dauerte nicht mehr lange, bis aus der Dämmerung Nacht wurde, doch die Männer arbeiteten diszipliniert und schnell und so standen ihre Zelte rasch. Vier Feuer wurden entzündet, zum Schutz gegen Tiere und zum Wärmen und Kochen. Das sie dadurch auch die Untoten anlockten war ihnen bewußt, außerdem gab es hier sicher kaum mehr Tiere. Sie hatten nur wenig Proviant dabei, denn sie wussten, daß es keine lange Reise werden würde und doch, es reichte um noch einmal satt zu werden. Vielleicht war es eine Henkersmahlzeit, wer wusste es schon. Nur die Sterne kannten die Antwort.
Vielleicht hätte er auch eine Lagebesprechung einberufen, oder den letzten Abend seines Lebens mit seiner Liebsten verbringen sollen, doch er zog es vor den Männern noch etwas Hoffnung zu lassen und Kara nicht die Wahrheit über sein Gefühl sagen zu müssen. Er glaubte nicht an ein Morgen. Nicht für ihn. Zu sehr deutete ihm das der Himmelstrabant.
Nein, Solaufein hatte sich zurückgezogen, auf einen einsamen Felsen, der aussah wie die Rampe hin zu den Göttern. An seiner Seite saß Abel, sein langjähriger Freund. Ein wahrer Freund, neben all den Lügnern und um Gunst Werbenden. Ein letztes Mal saßen sie vielleicht zusammen, rauchten Pfeife und redeten ein wenig.
Wenn die Männer vom Lager zu ihnen schauten, dann sahen sie nur zwei pechschwarze Silhouetten, die vor dem riesigen Mond standen und mit ihm zu reden schienen. Zwei Schatten... ja, das waren sie wohl.

Solaufein
07.01.2005, 23:59
Der Mond war so nah, daß sie seine ganzen Krater gut erkennen konnten. Sie sahen aus wie Wunden, die man dem einst perfekten Kreis angetan hatte. Jede hatte eine andere Form, die einen waren tiefer, die anderen breiter, wiederum andere waren kaum zu sehen und einige waren so klein, daß man sie mit einem Erdloch auf ihrer Welt vergleichen konnte. Von unten drang noch der Klang einer Laute nach oben, anscheinend spielte einer der Ritter oder Knappen eine Ballade auf ihren morgigen Tod. Solaufein war keinesfalls deprimiert oder mutlos, viel mehr ruhig und gespannt. Auch wenn er nicht sterben wollte, so war der Tod im Kampfe ein Geschenk für jeden Mann und er war neugierig auf das Danach. Er hatte wahrlich lange genug gelebt.
Er nahm einen weiteren Zug aus der Kastanienpfeife und entließ einen unförmigen Schwall des Rauches in die hell erleuchtete Umgebung. Der Mond machte es so hell, heller wie es keine Fackel im Stande wäre.
»Was denkst du Abel, werden wir morgen Abend leben oder tot sein?« Er sah zu ihm, in sein Gesicht, das da keinesfalls große Reaktionen zeigte, wie in einem normalen Gespräch üblich.
»Tja...« Es wurde ruhig. Man hörte, wie der Kommandant immer wieder leicht Luft holte, um zu antworten, doch lange hörte man ihn nichts sagen. »Kommt ganz drauf an, wie die Feinde sich verhalten.«
Solaufein sah auf und hob eine Braue. Auch Abel sah nachdenklich in die Augen seines Freundes.
»Könnte ja sein, daß sie uns weiter ins Land locken wollen.«
»Nein, das glaube ich nicht.«, wiegelte der Nordmann schnell ab. »Sie wissen längst, daß wir hier sind. Sie haben keine Angst vor uns, denn sie sind uns überlegen.«
Schweigen.
Beide ziehen genüßlich an den Pfeifen und sehen zum Mond und zu den Sternen.
Feuerscheite knacken und ächzen, stöhnen und brechen.
»Haben wir denn eine Chance?«, fragte Abel, ohne auch nur einmal den Blick von den Sternen abzulassen.
»Hm!« Solaufein schnaubte vergnügt. »Wenn ein jeder Mann zehn von ihnen erledigt, dann ja.«
»Sol, du hältst das Unternehmen für ausweglos, du willst sterben, hab ich Recht?«
Ein halb verstummtes Lachen später wurde die Miene des Kriegers wieder eisern.
»Nein, nicht ganz. Die Frage ist eher, ob Dekahn seine Liebe überleben wird.«
»Ich kann den Narr sogar verstehen. Ich würd 's auch machen. Wir alle... würden 's tun.«
»Wir alle.«
Abel zieht sein Schwert aus der Scheide und lässt es ein paar Mal in der Hand kreisen. Dabei denkt er an die Abenteuer und Schlachten, die er mit diesem schon bestritten hat. Seine Gedanken gehen aber auch nach Tyr~Fasul.
»Zehn sagst du? Ich gebe zwölf!«
Solaufein grinst und zieht ebenfalls eines seiner Schwerter, das Ältere.
»Zwölf!« Die beiden Klingen treffen kurz aufeinander, dann steht Abel auf und macht sich auf zu gehen.
»Ich werde es den Männern mitteilen. Zwölf wollen wir fällen! Pro Kopf.«
Der Nordmann dabei nickend »Ja, ich werde hier oben bleiben.«
Abel ab.
Als sein Freund außer Reichweite, längst bei den Männern im Lager ist, wendet er wieder seinen Blick zu den Sternen hin.
»Wenn die Geschichten wahr sind, werde auch ich bald mit euch speisen. Ich bin bereit zu gehen Allvater, ich... möchte dir danken, du weißt ja wofür.«

Solaufein
17.01.2005, 21:25
Der nächste Morgen war ein düsterer, Wolken verdeckter Tag. Es war kalt in der Nacht gewesen und so lag Tau auf dem Boden und machte ihn hart wie Stein. Durch die Kälte hatte es der Nebel leicht zurückzukehren, doch im Gegensatz zu vorher vibrierte und kreiste er, wurde durch Winde aufgenommen und hatte längst nicht die Dichte wie der Letzte. Es war ein natürlicher Nebel, in dem man durchaus sehen konnte.
Sie hatten sich alle zusammengefunden, ihre Zelte gepackt und die letzten Reste an Vorrat auf die Pferde verstaut. Jeder war abmarschbereit, aber man konnte die Furcht in einigen Augen sehen. Bei einigen mehr, bei anderen weniger. Drei Männer hatten sich vor dem Troß aufgestellt, in der Mitte der Prinz, daneben der Kommandant und leicht abseits der Nordmann. Er wollte nicht bei ihnen stehen, hatte nichts mehr mit der Stadt oder ihren Truppen zu tun, aber er wusste, daß sie sein Wort schätzten. Kara war nicht mehr an seiner Seite, sie stand weit weg bei ihrem Pferd und schien desinteressiert. Er konnte es ihr nicht verdenken. Zuerst erhob der Prinz das Wort.
»Meine getreuen, mutigen, tapferen und furchtlosen Männer. Es ist nun soweit. Die Zeit des Reisens und des Wartens ist vorbei. Wir werden uns nun in die Höhle der Feinde begeben. Rechnet jederzeit mit einem Angriff. Wenn ich das Zeichen gebe, dann greifen wir an. Für euren Mut und eure Treue wird jeder Ritter nach der Rückkehr in die Stadt tausend Taler erhalten. Die Knappen werden geadelt und zum Ritter geschlagen, beweisen sie ihre Fähigkeiten doch hier und jetzt. Ich frage euch, seid ihr bereit mir in die Schlacht zu folgen?«
»Jawohl mein Prinz!«, schallte es überzeugend zurück. Solaufein wollte den Kopf schütteln, tat es aber aus Gründen des Anstands nicht. Dekahn wickelte die Männer mit vollmundigen Versprechungen ein, dabei wusste er genau, daß viele nicht überleben würden. Aber sie brauchten sie als Unterstützung und Ablenkung. Dekahn war nicht dumm, nur verblendet.
»Und nun wird euch Solaufein noch etwas sagen.« Wollte er das wirklich? Natürlich wollte er nicht.
»Nun, Männer. Viele von euch haben schon so manche Schlacht geschlagen, so manches überlebt. Einige andere sehe ich das erste Mal hier stehen. Gewiß seid auch ihr gute Kämpfer. Doch es wird wichtig sein auch den Kopf und den Verstand zu gebrauchen. Allein mit dem Schwert werden wir nicht gewinnen. Unsere Moral muss standhaft bleiben, egal wie viele Untote es wirklich sind. Wenn ihr furchtsam seid, dann kehrt lieber um. Es nützt niemanden was, wenn ihr beim Anblick dieser Kreaturen vor Angst blind um euch schlägt. Dennoch bin ich mir sicher, daß wir gewinnen können, egal... wer oder wie viele von uns ihr Leben lassen müssen.« In jenem Moment musste er an seine Worte von letzter Nacht denken. Ob Allvater ihn gehört hatte? »Doch denkt immer daran: Es ist eine Ehre im Kampf zu fallen und bedeutet mehr Ruhm als alt und grau als Greis in einem Bett zur Ruhe zu kommen. Hier sind wir am Leben und wissen was wir tun. Und wenn nur einer von uns noch am Leben sein wird, so wird er von den Heldentaten eines jeden hier erzählen.«
Solaufein beendete damit seine Rede und überließ Abel das Wort, der die Männer in Gruppen unterteilte, denn sie konnten nicht in einem Pack angreifen. Ihr größter Vorteil waren die Pferde, doch auch dieser Vorteil würde schwinden. Der Nordmann machte sich bereit und bestieg sein Pferd und schon kurz darauf ritten sie los, gen Osten, ins Reich der Untoten. Er ritt vorne, Kara hinten. Sie suchten keine Nähe, es schien alles so zu sein, wie er glaubte.

Solaufein
27.01.2005, 22:50
Anders als zuvor schienen die Hufe ihrer Pferde zu schallen. Man konnte es den Tieren ansehen. Sie witterten die Gefahr viel früher als die Menschen, aber im Laufe der Jahre hatte Solaufein gelernt die Sprache der Tiere zu deuten. Es bedeutete nicht, daß er mit ihnen sprechen konnte, aber er hatte oft die richtige Vermutung, was sie dachten. Ein Pferd zum Beispiel witterte Gefahr, für sich selbst und für seinen Reiter. Und Raben berichteten unterschiedlich, wenn es friedlich war und wenn etwas passiert sein musste. Leider hatten die meisten Menschen ihre Sinne oft woanders, nur nicht dort, wo es wichtig war. Vielleicht hatte er in seinem ganzen Leben nie das Wissen angehäuft, was ein guter Städter anhäufen konnte, doch er hatte auf seine Weise vieles gelernt, was ihm viel bedeutete und stolz machte.

Es dauerte noch etwa zwei volle Stunden, bis sie endlich an die Grenzen der ewigen Einöde stießen. Wenn man diese Grenzen überschritt, konnte niemand mehr helfen, man gab sein Leben dann in die Hand des Schicksals.
Vorsichtig ritten sie weiter, schon längst kamen sie nur äußerst langsam voran, konnten lange nicht die Geschwindigkeit ihrer Tiere nutzen. Als sie von einem Hügel in ein Tal folgten, lichtete sich der Nebel etwas. Sie waren die ganze Zeit in ihm geritten, in diesem Tal waren die Sichtverhältnisse sehr viel besser. Aber was sie sahen, konnte ihnen keine Freude in die Gesichter zaubern.

Totes Land, soweit ihre Augen sehen konnten. Die einst so saftigen, grünen Wiesen waren verschwunden, stattdessen sahen sie nur kargen Boden, über den ein grobkörniger Sand wehte. Es war ein schrecklicher Anblick die Reste einer einst blühenden Fauna und Flora zu sehen. Leben konnte in diesem Land nicht existieren, dabei war das Problem nicht der Boden, sondern einzig und alleine diejenigen, die es dazu kommen ließen. Man hätte längst etwas dagegen tun können, vielleicht sogar müssen, doch nahm man damit die Vernichtung der untoten Rasse in Kauf, ohne sicherzugehen, daß es nicht noch irgendwo mehr von ihnen gab. So dicht an den Mauern von Tyr~Fasul, so wenige Tagesmärsche... er konnte Dekahn verstehen, unbeabsichtigt tat er noch etwas für den Schutz der Stadt. Außerdem hatten die Untoten keine Daseinsberechtigung, denn sie waren schon tot, Geister von Hel und Gespenster der unsäglichen Magie. Sie zerstörten die Natur und dafür wollte er sie zerstören, so viele es auch ging.
Daß kein Leben existieren konnte, das belegte auch der Anblick eines Pferdes. Besser gesagt, der Leiche eines Pferdes. Er fand den Reiter nur wenige Meter davon entfernt. Auch er war tot. Sie waren beide schon sehr lange tot, die Knochen waren sauber abgenagt und hatten sich schon tief in den Boden geschoben. Jeder musste nun wissen, welcher Gefahr er sich hier aussetzte und das alles nur für ein Gespinst...

Plötzlich riss er die Zügel seines Pferdes rasch herum. Ungläubig sahen ihn die anderen an und jeder wusste, daß der Nordmann etwas gefunden hatte. Und das hatte er tatsächlich. Ein Geräusch, nur schwach, aber voller Bosheit und wohl bekannt. Kiefermahlen und das Reißen von Sehnen. Seine Sinne waren schärfer als die von anderen Menschen, aber natürlich war er deshalb nicht unantastbar. Dennoch, dieser Spur musste er nachgehen. Ohne Rücksicht auf den Lärm zog er die Zügel an, klopfte seinem Hengst auf den Hals und preschte los. Die Anderen waren sich uneins, folgten dann aber rasch dem Nordmann, der auf einen nahen Hügel ritt und wie ein Besessener sein Pferd vorantrieb. Kein Zweifel, er würde etwas finden, nur was...

Solaufein
28.01.2005, 18:22
Als er knapp unter dem Gipfel die Wende des Hügels nahm, sah er es schon von weitem klar und deutlich. Eine kleine Horde von Untoten, die sich über etwas beugte und mit sabbernden und stöhnenden Lauten zu essen schien. Er konnte sich schon denken, daß sie kein Gras verspeisten, sondern eher Fleisch bevorzugten. Ohne irgendwelche möglichen Opfer zu erkennen, hielt er die Zügel fester und blieb auf der Kuppe stehen. Er beobachtete die Untoten eine Zeit, zählte sie durch und versuchte irgendwelche Waffen zu erkennen. Außerdem sah er sich um. Im Norden lag noch immer dichter Nebel, im Süden lagen grobe Felsbrocken, nur der Osten schien sauber. Er wollte nicht in einen Hinterhalt geraten, ließ sich aber schnell davon überzeugen, daß es sicher war.
Gerade in dem Moment, als die Speerspitze unter Abel und Kara bei ihm eintraf, ritt er wieder los. Die angebrochenen Rufe seines Namens blieben schnell in den Hälsen der Reiter stecken, mussten sie sich doch erst selbst ein Bild von der Situation machen. Und als sie sahen, auf was der Nordmann da zuriet, herrschte Unentschlossenheit. Die einen wollten warten, andere wollten ihm zur Hilfe eilen. Ob es die Freude an der Aussicht eines Kampfes, der Reflex der Hilfe oder nur der Unglaube an die Kräfte des Kriegers. Nur Kara ritt sofort weiter, egal wie es um sie stand, konnte sie es nicht ertragen anzusehen, wie ihr Liebster alleine in einen Kampf ritt, egal wie ungefährlich er aussehen mochte. Manchmal sah man nicht alles, es hätte auch eine Falle sein können. Zögerlich, dann aber bestimmt, folgte der restliche Troß, wobei einige Knappen und Abel und Dekahn besonders auffielen. Aber zu diesem Zeitpunkt war Solaufein schon kurz davor den Hügel zu verlassen und die Untoten zu erreichen.

Lange Zeit merkte die faule Bande nicht, was um sie geschah. Ihr Verlangen nach Fleisch war so immens groß, daß sie ihre Mahlzeit nicht unterbrechen wollten. Nur ein Zombie sah kurz vor dem Zusammenstoß auf. Die Hufe des stolzen Pferdes trampelten alles nieder und machten einen riesigen Lärm. Mit lautem, kaum auszuhaltendem Grunzen warnte der Zombie seine untoten Freunde und siehe da, einige beendeten tatsächlich ihr Mahl, während sich andere wiederum freuten jetzt mehr essen zu können. Sie hätten sich anders entscheiden sollen...
Solaufein war ein guter Reiter, so erlaubte ihm seine Reitkunst auch auf dem Pferd zu stehen. Er stand zwar nicht aufrecht, saß aber in der Hocke auf ihm und hatte so besser seine beiden Dolche ziehen können. Ungefähr zwanzig Schritt vor dem Zusammentreffen, warf er sie. Der Spitzdolch landete im Hals eines Zombies, der keuchend mit seinem grünlichen Blut rang, der Spießdolch bohrte sich in das Auge eines untoten Tieres, das nach einem Orkhund aussah. Ohne Probleme spreizte er danach die Beine wieder und gelangte so in die Grundstellung des Rittes. Nun war es an der Zeit richtig zu kämpfen. Solaufein ergriff den Knauf des Schwertes und zog es rasch heraus. Die Klinge pulsierte und war noch immer gierig, wie er es sich erhofft hatte. Wie die Kraft von mahlenden Mühlsteinen und schwingenden Sensen arbeiteten sie zusammen. Das Pferd ritt über die Untoten herüber, trampelte dabei alles nieder, was vor seine Hufe kam. Glieder wurden zerquetscht oder untote Leiber schmerzhaft zurückgestoßen. Währenddessen arbeitete sein Schwert tadellos. Die Köpfe wurden abgeschlagen von Körperfleisch, das weich wie Butter war, die Hälse wurden durchbohrt und das Blutt benetzte den Boden. Als sein erster Durchmarsch vorbei war, lebten noch vier dieser Wesen. Er ritt etwas zurück, um neuen Anlauf zu nehmen, als die kleinen, quietschenden Laute etwas taten, womit er nicht rechnete. Wandelnde Knochenhaufen bewegten sich, schnappten nach Bögen und begannen zu zielen. Außerdem blieb ihm nicht verborgen, wie Kara und der Rest vom Berge kamen und schon bald den Platz erreichen würden. Solaufein entschied sich. Gegen einen neuen Angriff. Er ließ sein Pferd so laufen, daß er es schützen konnte, aber auch so, daß die untoten Goblins die Aufmerksamkeit bei ihm ließen. So war es für Kara ein Kinderspiel in den Rücken der Bogenschützen zu fallen und sie alle niederzumetzeln. Der Krieger hatte da schon längst die Augen geschlossen und versucht von der Schlacht wegzukommen, auch wenn er nichts verlernt hatte, so wünschte er sich bloß ein Ende von alldem.

Als sie sich alle wieder versammelt hatten und die Leichen der Untoten begutachteten, hörte man auf einmal einen lauten, markdurchdringenden Schrei. Sie konnten nicht sagen, was er zu bedeuten hatte und wem die Stimme gehörte, nur woher es kam.
Dekahn, der Verblendete, wollte sofort los, aber Solaufein zügelte seinen Drang und pfiff nach seinen Raben. Revin und Tevin erschienen schon bald danach und erfüllten mit ihrem lauten, kratzigen Krähen das Gebiet, was nicht jedem zu gefallen schien. Aber sie waren angespannt, er fühlte alleine an ihren Federn und am Blick ihrer Augen, daß es ernst sein musste. Sie sagten ihm, daß es das große Lager wäre und zeigten ihm die Richtung. Dieselbe Richtung, aus der der Schrei gekommen war.
Der Nordmann fuhr beiden ein letztes Mal über die Federn, ehe er sie wieder fliegen ließ. Dann folgte ein seufzendes Atmen und Nicken, ehe er sich an Dekahn wandte.
»Also gut... dein Kampf kann beginnen...«

Solaufein
01.02.2005, 20:40
Ein letztes Mal stießen die Pferde einen der leichten Hügel hinauf. Der Sand war gespickt mit Asche von verbrannten Toten und gab dem Untergrund ein überwiegend graues Bild. Es waren Tote aus allen Zeiten der Welt, einige waren schon so alt, daß niemand mehr eine Geschichte von ihnen kannte, aus einer Zeit, aus der keine Sprache und keine Schrift überliefert waren. Andere Tote waren sogar auf ihre Art und Weise berühmt und man wusste viel von ihnen zu erzählen. Daß sie aber hier lagen, daß erzählten die Legenden und Sagen nicht. Genau wie auch die Toten aus den verschiedensten Zeiten kamen, stammten auch die Untoten von vielen Experimenten ab. Einige lebten seit Jahrhunderten hier, einige waren das Ergebnis von finsteren Magiern, die die Kontrolle über sie verloren oder ihre Macht nicht zu bändigen wussten. Auch die Untoten waren vor langer Zeit noch nicht hier gewesen, genau wie sie vor einigen Jahrhunderten noch viel zahlreicher waren. In großen Schlachten hatte man viele der Kreaturen vernichtet, doch nie hatte man sie ausgerottet. Nun waren sie hier, im Osten und es schien fast so, als ob sie sich wieder ausbreiteten und Richtung Tyr~Fasul bewegen würden.
Schnell waren die Hufe der Pferde, schon deswegen, weil sie sehr angespannt waren und es die Reiter befohlen hatten. Insgesamt waren sie mehr als zwanzig Männer und eine Frau, die schließlich auf der Hügelerhebung Stellung bezogen. Ein solches Reiterbataillon hatte eine gewisse Macht, waren es doch alles ausgebildete Kämpfer, teilweise erfahren, teilweise noch nach eben jenen Mutproben suchend. Die Angst schien in jenen Momenten verflogen, fühlten sie sich doch alle wie Helden. Es war das Kribbeln, das von den Fuß- bis in die Fingerspitzen ging. Ein großer Kampf stand bevor, eine große Schlacht und sie alle würden in ihr kämpfen.
Unter sich lag die Stadt der Untoten, wenn man es denn als Stadt bezeichnen wollte. Die Untoten hatten sich hier niedergelassen, ein Quartier errichtet und gingen von hier auf Beutezug. Obwohl sie alle unabhängig waren, hatten sie sich zu dieser Gemeinschaft zusammengeschlossen, ob sie auch einen Anführer hatten wusste er nicht. Solaufein ging aber davon aus, denn gerade die Untoten brauchten eine Kreatur, die ihnen Befehle gab. Ein besonders starker Geist mit einem großen Willen.
Sie sahen von weitem die ersten Verkrüppelten, wie sie scheinbar nichts ahnend ihre Wege zogen. Es war schwer den Sinn nachzuvollziehen, denn welchen Sinn konnte es schon haben so etwas zu tun. Manchmal sollte man nicht fragen, die Antworten konnte man nicht verstehen.
An jenem Punkt trennten sich die drei Gruppen.
»Auf meinen Befehl hin greift ihr alle an. Tötet alle Untoten, die ihr finden könnt, aber lasst diese in Ruhe, die wie eine Frau aussehen. Wie Kish-turas...«
Seine eigenen Worte hatten in ihm wieder das Herz aufgerissen und schwermütig gemacht, als er ohne einen letzten Gruß auf die linke Seite mit einem halben Duzend Männer ritt. Genau zur selben Zeit machte auch Abel kehrt, grüßte aber noch mal mit dem Gruß der Krieger. Er schlug die geballte Faust dreimal auf die gestählte Brust und streckte den Arm dann hin zu Solaufein, wobei er mit der linken Hand seine Brust berührte.
»Zwölf soll ein jeder von uns kriegen. Viel Glück, mein Freund.«
»Viel Glück, Kommandant.«
Wiederum ritten sechs Männer mit ihm auf die rechte Flanke. Zurück blieben der Nordmann, Kara und eine handvoll junger Knappen. Er hatte mal wieder den Rest bekommen. Eigentlich spielte es ja keine Rolle, er würde ohnehin sterben.
So blieb er ruhig im Sattel sitzen und senkte den Kopf. So sollte es nicht enden. Er fühlte sich schrecklich, nicht wie vor einem Kampf, mehr vor einer Hinrichtung auf dem Marktplatz. Der Scharfrichter kam langsam zu ihm und seine Gehilfen legten ihn auf die Schlachtbank. Nein, so sollte es nicht enden. Diese Untoten würden ihn nicht zu einem der Ihren machen. Er würde es nicht zulassen...
Selbst der Krieger befand sich in einem leichten Wahn, konnte nicht leugnen, daß es ihm beschissen ging und ihm schlecht war. Dieser Kampf, der sein letzter sein sollte, machte ihn fertig wie nie.
Plötzlich kam Kara näher. Den ganzen restlichen Weg hatten sie sich nicht mehr getroffen, kein Wort mehr ausgetauscht, keiner hatte den anderen eines Blickes gewürdigt. Ihre Pferde standen eng beieinander und auf einmal spürte er, wie zarte Finger über die Seinen streichelten. Sie umschlossen sie nicht und rutschten immer wieder ab, aber sie berührten sich, das war alles, was zählte. Solaufein erwiderte ihren gemachten Anfang, dennoch sahen sie sich nicht an, sprachen kein Wort miteinander.
Schließlich war der Prinz in Position, einige der Knappen berichteten alles, so auch, daß er die Hand zum Angriff hob. Die Knappen berichteten weiter, daß auch Abel die Hand hob, nun warteten alle nur noch auf ihn, doch er hob die Hand nicht, obwohl er wusste, daß es Zeit war.
»Kara... bitte vergib mir all meine Fehler, meine Missgeschicke und meine Worte. Egal was geschehen ist. Du musst eines wissen... ich liebe dich und ich werde dich immer lieben, bis in alle Zeiten, bis in alle Ewigkeit.«
Die Kriegerin schien sprachlos, doch als sie ihren Zeigefinger auf seine Lippen legte, versiegelte sie diese. Eine große, silberne Träne rann ihr die Wangen hinab und sie gab ihm einen tiefen, innigen Kuss.
Für die Knappen war das alles unangenehm, doch sie taten gut daran zu warten, zu schweigen, sich nicht einzumischen.
»Nur wenn auch du mir alle Fehler, Missgeschicke und Worte verzeihst Sol. Ich weiß, daß ich mein Glück mit dir immer wieder mit Füßen getreten habe. Aber solange du an meiner Seite bist, werde ich immer glücklich sein. Und nach dieser Schlacht werden wir gehen, zurück in die Heimat. Ich verspreche es dir, denn ich liebe dich.«
Er wagte es nicht zu sprechen, doch er nickte. Solaufein, der Versteinerte, lief ebenfalls eine Träne an der Wange hinunter.
Kara hatte ihren Kopf wieder weggedreht und sich die Augen ausgewischt. Sie starrte nun nur noch nach vorne, in das Reich der Untoten. Der Jäger hatte verstanden.
Endlich, nach grauenhaften Sekunden, die zur Minute geworden waren, hob auch er seine Hand, sie waren alle bereit.
»Männer, lasst uns den Untoten in den Hintern treten. Ein Jeder von uns soll zwölf von ihnen mit sich nehmen, lasstet uns die Schlacht gewinnen oder einen ehrenvollen Tod sterben. Für Tyr~Fasul, für den Prinzen!«
»Für den Prinzen!«
Alle sahen nun nach links, wo der Prinz bereitstand. Es dauerte ebenfalls einen Moment, doch dann hob er die Hand ein zweites Mal und ließ sie fallen, es ging los und von drei Seiten setzten sich die Tiere in Bewegung.
Es dauerte nicht lange, bis die Pferde ein beachtliches Tempo erreicht hatten, mit donnernden Hufen ließen sie das Reich der Untoten erzittern und stürmten von den Hügeln, als die ersten Skelette die Gefahr bemerkten und zu den Waffen riefen. Solaufein war wie betäubt, er wollte noch ein letztes Mal seine Schwerter in die Körper von Feinden versenken, nur um die Frau zu beschützen, die er so sehr liebte, daß er bereit war, sein Leben für sie zu geben. Kein Untoter würde zu Kara durchkommen, das schwor er noch im Ritt und machte sich gleichzeitig bereit.

Solaufein
02.02.2005, 23:01
Es war für sie alle ein Ritt ins Ungewisse, denn niemand konnte sagen, was sie nun bloß erwarten würde. Keiner kannte die Stärke der Armee, gegen die sie nun ritten, sie wussten nichts, gar nichts. Trotzdem ritten sie nun gegen den großen Unbekannten in die Schlacht und würden nicht mehr stoppen können. Es gab keine Flucht, kein Zurück und keinen Rückzug. Sie konnten und durften niemanden verraten, selbst der Prinz hatte für diesen Moment nur noch eingeschränkte Macht. Sie waren in diesem Moment alles nur noch Menschen, Männer und Frauen, die für ihre Ideale und Interessen kämpften und natürlich ums Überleben, denn in Wahrheit rechnete niemand damit hier zu sterben... bis auf Solaufein. Sie waren in diesem Moment alles Einzelgänger, keinen interessierten mehr die Stände und Ränge, alle wollten nur noch siegen. Was sie verband war ihre Rasse und ihr gemeinsamer Feind. Die Untoten.
Erste, "lahme" Kreaturen fanden den ersten Tod, wurden wie Schlachtvieh gemetzelt, sie erwischten sie im Rückzug und hatten keinerlei Probleme. Doch es waren nur Vorposten, Versprengte. Bis auf den Geruch des Todes und des Moders, des Verwesens und des Aases gab es nichts. Eine natürlich wirkende Nebeldecke schwirrte umher und lag auf dem Gebiet, doch so etwas wie Unterkünfte hatten sie noch nicht zu Gesicht bekommen.
Während Solaufein weiterhin die Speerspitze bildete, ritten Abels Männer über seltsame Hügel, die sie später von der Gruppe trennen und auf ein eigenes Schlachtfeld bringen sollte. Dekahn konnte man noch leicht erkennen, doch auch ihn drohte die Nebelbank zu verschlucken. Überhaupt achtete der Nordmann nicht sehr darauf, war nur bedacht jegliche Gefahr für die Gruppe im Allgemeinen und für Kara im Besonderen zu erkennen, was bei dem Tempo was sie vorlegten nicht gerade einfach war.
Mittlerweile waren schon zwei Minuten vergangen, seit sie angegriffen hatten und bis auf die Versprengten hatten sie niemanden gesehen, als plötzlich das Knacken von Knochen hörbar wurde. Unbewusst waren sie den flüchtenden Spähern hinterher geeilt, die besonders schnell waren. Die fleischlosen Körper der teils menschen-, teils tierähnlichen Skelette liefen alle in eine Richtung, dabei waren sie durchaus mit Waffen wie Bögen bewaffnet. Es waren etwa zwanzig Kreaturen, die aber weder ein Interesse noch eine Reaktion auf sie zeigten. Wie schon zuvor wurden sie ihren Schwertern überlassen. Diese seltsame Reaktion ließ ihn zweifeln und das zu Recht.
Wie aus dem Nichts hörte man ein lautes Wiehern um der Gruppe von Dekahn und auch Schreie. Es dauerte bloß Sekunden, bis diese Schreie einen schrecklichen Unterton annahmen und Klingengewirr zu hören war. Kein Zweifel, der Kampf tobte, mitten im dichten Nebel. Er überlegte noch, ob sie ihnen zu Hilfe eilen sollten, als plötzlich der Boden erzitterte. Solaufein brauchte nichts mehr zu wissen, denn er wusste, was das zu bedeuten hatte. Die Armee kam ihnen direkt entgegen. Er sah sich das Terrain so gut es ging an, dann fasste er einen kühnen Plan.
»Männer, ihr geht auf die rechte Flanke, Kara und ich werden uns um die linke Flanke kümmern. Lasst sie einen Kessel bilden, in den wir dann hinein stechen können.«
»Aber Herr, ihr wollt nur zu zweit...«
»Kein Aber, befolgt den Befehl!«
»Jawohl Herr! Wir nehmen die rechte Flanke! Los Männer!«
Kurzzeitig trafen sich ihre Blicke. Kara nickte nur, so als ob sie einverstanden war, doch Zeit für große Blicke hatten sie nicht, schon fielen die Untoten über sie her und sie mussten kämpfen.
Als er den riesigen Batzen sah, der da nur im Vordergrund auf sie zukam, musste er sogar hämisch grinsen. Sie hatten sich alle verschätzt, alle. Es waren Hunderte, nicht Duzende...

Solaufein
03.02.2005, 22:52
Erst jetzt wurde ihnen allen der Schrecken wieder ins Gedächtnis gerufen. In ihrer Rage hatten sie am Anfang überhaupt nicht oder nur wenig auf die Kreaturen geachtet, die sie da blindlings getötet hatten, aber jetzt war dies nicht mehr möglich. Sie waren gezwungen die Monster anzuschauen, gegen die sie kämpften. Einige waren nur noch Skelette, ohne Haut, Fleisch oder Sehnen, andere trugen Rüstungen und Kleidung aus reinster Haut, die mit ekelhaften Nähten verbunden war. Wiederum andere hatten mehrere Gliedmaßen zusammengenäht bekommen, so sah man Zombies mit zwei oder mehreren Köpfen und hundeähnliche Tiere, die mehrere Beinpaare und Schwänze hatten. An der Gefährlichkeit änderte sich jedoch nichts. Auch die teils grausamen Laute machten die Menschen fertig, das Stöhnen der Lahmen, die wimmernden Todesschreie, selbst ihre Sprache erklang ab und an, wenn die Skelette oder andere hohe Untote Befehle gaben, so gaben sie diese manchmal in ihrer Sprache ab. Doch grundsätzlich lagen die Klänge des Kampfes auf ihnen, das Geräusch der Klingen war lauter als jedes andere. Einige der Untoten kämpften nur mit bloßen Händen, wussten sie doch, daß sie damit das pulsierende Fleisch eines Lebenden lähmen konnten, andere Untote, bevorzugt die Skelette, kämpften mit großen Schwertern und anderen Waffen. Man merkte ihre Intelligenz, denn sie nutzten auch Schilde und sogar Leichen, um sich vor Angriffe zu schützen. Das Schlimmste waren aber die Gesichter. Besonders bei den Ghuls und den Zusammengenähten. Die Kreaturen in ihrem Rücken zu bekämpfen war eines, sie aber direkt von Angesicht zu Angesicht zu bekämpfen, das war eine andere Herausforderung.

Trotz all dieser Nachteile an Belastung und Terrain schlug sich seine Gruppe gut. Während Abel erst kurz davor stand auf Feinde zu treffen, nämlich die im eigentlichen Lager der Untoten und Dekahn schon einige seiner Männer verloren hatte, kämpfte doch selbst der Anführer auf jener Seite, schlugen sich die jungen Knappen besser als gedacht. Furchtlos, oder mit gutem Panzer, führten sie ihre Klingen so, wie sie es in jahrelanger Ausbildung gelernt hatten. Noch keiner war gefallen, noch niemand verletzt, während schon mehr als sieben Handvoll Feinde gefallen waren und mit ihrem dickflüssigen Blut die Erde düngten. Aber ihre Siegesfreude war zu früh. Schon als die ersten jubeln wollten, kamen die Pfeifer des Todes. Sie sahen sie erst sehr spät, aber Solaufein war die Rückzugsbewegung der Skelette aufgefallen. Auf einmal sah er die Kette der glitzernden Pfeilspitzen und reagierte sofort.
»Zur Seite! Schnappt euch die Schilde! Pfeile!« Zum Glück konnte man ihn noch verstehen, hatten sich die zwei Gruppen doch schon beachtlich getrennt. Trotzdem schafften es drei Knappen nicht. Sie wurden von der Wucht der stählernen Pfeile von ihrem Pferd gerissen und dann von den Zombies regelrecht verspeist. Der Rest kämpfte weiter, nun aber vorsichtiger und langsamer vorankommend. Auch in Solaufeins Schild waren drei Pfeile, außerdem hatte seine Hüfte nur knapp einen verfehlt. Er wusste, daß die Skelettschützen nur am nachladen waren und schlug deshalb einen Auszug vor.
»Wir müssen weg von ihrem Schussfeld, lass uns in ihren Rücken fallen!«
»Ja ist gut, los!«
Noch immer war die Sicht erbärmlich, mal wurde der Nebel schwächer, mal stärker. Kara und er ritten an einer steilen Stelle hinauf, um so in den Rücken der Schützen zu kommen, wobei sie allerdings auch die Knappen verließen, schon bald konnten sie sich nicht mehr sehen, denn der Kessel war voller Nebel und hatte sie geschluckt.
Ob sie nahe am Sieg oder der Niederlage standen, das wusste wohl keiner so genau, aber in einer Schlacht fiel man ohnehin nur Spontanentscheidungen und dachte wenig nach. Wer weiß, Abel und Dekahn konnten jederzeit zu ihnen stoßen...

Solaufein
04.02.2005, 08:43
Man spürte, wie steil der Weg wurde und sie entschlossen sich nun so zu reiten, daß sie im Rücken der Schützen wieder auftauchten, doch etwas war anders. Man hörte plötzlich keinen Ton mehr, was nicht sein konnte. Sie waren zwar ein gutes Stück aufwärts geritten, konnten aber niemals so weit weg sein, daß keine Kampfesgeräusche mehr zu ihnen dringen konnten. Sie wunderten sich zu Recht und beschlossen eng beieinander zu bleiben, denn dieses Gebiet schien ihnen nicht geheuer. Ein Zauber? Ein Trick?
Sie drosselten das Tempo der Pferde, eigentlich konnten sie sich diesen Luxus nicht erlauben, mussten an ihre kämpfenden Kameraden denken, doch das Gebiet in das sie ritten, schien eine seltsame Anziehungskraft zu haben. Sie ritten immer weiter durch den Nebel, der schon seit Beginn der Schlacht anwesend war, doch dann geschah das Unglaubliche, das Magische. Wie aus dem Nichts streckte zuerst das Pferd und dann auch der Reiter den Kopf aus der Suppe, zwar lag auch in jenem Gebiet noch feinster Nebel, doch schien er nicht einmal halb so dicht wie zuvor. Dieses Phänomen beunruhigte sie sehr, schließlich konnten sie nicht einfach aus einer Nebelbank entfliehen, wie aus einem Haus nach draußen. Zur Vorsicht hob er kurz die Hand und veranlasste sein Pferd zu warten. Kara blieb dicht neben ihm stehen. Was sie sahen konnte sie nicht erschüttern, doch vielmehr ließ es sie staunen. Sie waren direkt auf einer Allee. Es schien fast wie eine Straße, denn an ihren seitlichen Enden war die Erde höher geschüttet. Es war beinahe gerade und wies keine Spuren von Dreck oder Sonstiges auf. Nur flacher Boden. In regelmäßigen Abständen folgten Bäume, links und rechts. Die Bäume waren groß, hatten eine pechschwarze Rinde und blühten nicht. Keine Blätter, keine Triebe, kein Leben. Sie waren alle tot und dienten nicht unbedingt der Ermutigung. Auch das Gras schien abgestorben, nur tote Erde und toter Stein. Sie mussten in einem Herzstück des fremden Landes sein.
Vorsichtig ritten sie weiter und kamen so langsam höher. Als sie nach links und rechts sahen, erkannten sie Gräber und Denkmäler. Ein Friedhof. Über den Gräbern tanzte der Nebel mehr als sonst und doch sah es aus, als ob es ein Friedhof für Menschen wäre. Das Geheimnis der Untoten...
Als sie vorsichtig weiter ritten - noch immer war es totenstill und der Kampf schien vergessen - kamen sie auf ein weites Feld. Vier prächtige Säulen schienen ihn zu begrenzen, doch auch so waren die Ausmaße beeindruckend. In der Mitte befand sich ein Gebäude, das ihn sofort an eine Krypta erinnerte. Fackeln brannten vor ihr und auch eine große Schüssel mit blauem Feuer.
Als sie sich der Krypta langsam näherten, erklang zum ersten Mal ein fremdes Geräusch, das sie beide kurz erschreckte. Zwei Raben kreisten über ihnen und krähten fürchterlich. Revin und Tevin. Er ließ sie auf seiner Schulter landen und lauschte ihren Worten. Als sie fertig waren, nickte er nur und sie flogen von selbst zu der Krypta und machten es sich dort bequem.
»Was haben sie gesagt?«, wollte Kara wissen.
»Das wir Besuch kriegen...«, antwortete er leicht zynisch.
Noch bevor Kara nachfragen konnte, kam das Begrüßungskommando. Die beiden Reiter saßen stolz auf ihren Pferden etwa dreißig Schritte vom Eingang der Krypta entfernt, als diese plötzlich hell aufleuchtete, in einem grünlich bläulichen Licht. Es strömten etwa zwei Duzend Kreaturen hinaus, die sie beide noch nie gesehen hatten. Teilweise schienen sie transparent und nicht da zu sein, andererseits glühten sie wie ein brennender Kamin. Ihre Körper schienen in der Luft zu schweben und wabberten gefährlich. Sie nannten sich Banshee und waren eine Form von Geistern. Eine dieser Banshees kam gefährlich nahe zu ihnen und sprach in ihrer Sprache:
»Ah, Solaufein, schön das ihr gekommen seid. Und auch Kara ist hier. Hehehe. Der Prinz war ein Narr hierher zukommen, er hätte in seiner Stadt bleiben sollen, aber der Fürst wird sich um ihn kümmern. Euch beide aber wollen wir lebend, das heißt, ein anderer will euch lebend. Wollt ihr euch ergeben, oder müssen wir drum kämpfen?«
Der Nordmann war zunächst überrascht, der Geist wusste eine Menge, doch er antwortete nicht. Still und heimlich hatte er seinen Spießdolch genommen und wartete.
»Meine Antwort ist diese!« Er warf den Dolch auf den Geist und verletzte diesen am Arm. Es war ein guter Test, nun wusste er, daß sie verwundbar waren.
»Grrr! Schnappt sie euch!«
Auf einmal wandelten sich die Körper der Geister und zum Vorschein kamen dicht gepanzerte Skelette in schwarzen Rüstungen und mit brennenden Waffen. Doch auch dies konnte ihn nicht verunsichern, er wollte nur sein Versprechen einlösen.
»Lass uns dicht zusammenbleiben Kara, entweder sterben wir beide, oder keiner von uns!«

Solaufein
04.02.2005, 20:14
Die stark gepanzerten Skelette näherten sich rasch, sie besaßen ein ungewöhnlich hohes Tempo, dafür das sie solch große, schwere Rüstungen trugen, doch auf solche Tricks fiel er nicht herein, was für ihn zählte war, daß sie durch Waffen verletzbar waren. Außerdem hatten sie immer noch den Vorteil, daß sie auf den Pferden einen Höhenunterschied hatten. Es fiel ihm dennoch nicht leicht sein Schwert zu ziehen. Zwar war die Lust sehr groß, die Feinde zu vernichten, trotzdem hatte er Angst vor dem, was geschehen könnte. Er war sozusagen leicht gehemmt. Zudem waren die Feinde scheinbar mehr als die sonstigen Untoten. Sie schienen nicht von Menschenhand erschaffen worden zu sein. Keine Skelette, die vielleicht noch die Anweisungen ihres Erschaffers besaßen oder die Gedanken aus ihrem vormaligen Leben übernahmen. Schon gar keine fußlahmen, fast schon ungefährlichen Ghuls. Diese Geister schienen fiel schlauer und eigenständiger zu sein, als sie es sich je hätten vorstellen können.
Es gab keine Zeit mehr zum nachdenken. Sie waren zum Verzicht verdammt, mussten jetzt intuitiv und schnell handeln. Solaufein flüchtete sich wieder in einen einseitigen Blick und starrte nur auf einen seiner Feinde, murmelte dabei alte Sprüche, um sich zusätzlich anzuspornen, er machte sich heiß für den Kampf.
Schließlich konnte er es nicht mehr aushalten und ritt den Skeletten entgegen. Überrascht folgte ihm Kara, dabei hatte er nur noch Blicke für die Skelette. Er hatte den Plan gefasst, daß wenn er sie schnell schlug, sie keine Gefahr mehr für Kara darstellen würden. Welch verhängnisvoller Irrtum. Zunächst sah es gut aus, die Geister hatten nicht mit diesem Schachzug gerechnet und ließen sich überrumpeln. Dem Ersten schlitzte er den Hals auf und ließ ihn unter die Hufe des Tieres fallen, während er beim Zweiten ordentlich zulangte und gleich den Kopf mitnahm. Doch die Skelettkrieger schienen absolut unüberrascht und spalteten sich auf. Gleich zehn von ihnen kamen gleichzeitig auf ihn zu und er machte vorerst kehrt. Auf seinem Rückzug sah er noch Kara und rief ihr zu, daß sie sich ebenfalls zurückziehen sollte, aber sie konnte nicht, war mitten in einem Gefecht. Es war das letzte Mal, daß er sie sah.
Schon machte er wieder kehrt und nahm erneut Anlauf. Die Skelette waren nun noch agiler und rannten in Schar auf ihn zu und als seine Klinge ein Opfer anvisiert hatte, blockte dieses den Angriff scheinbar mühelos mit einem Schild. Er versuchte es noch weitere Male, doch immer wurden seine Angriffe geblockt, wobei er wiederum nur knapp den Kontern entgehen konnte. Dann, beim sechsen Anlauf, geschah es. Er wollte dieses Mal seitlich eine Bresche in den Pulk schlagen, als er wieder hängen blieb. Gleich zwei gute Waffen verhinderten den Stich des Schwertes, doch als er schon zurückeilen wollte, spürte er auf einmal ein großes Zucken in seiner Schulter. Unbemerkt spritzte Blut in die Luft, blieb auf der gegnerischen Waffe kleben und tropfte dann langsam und warm an seinem Arm hinunter. Erst wenige Sekunden später spürte er den darauf folgenden Schmerz. Er war verletzt. Er war getroffen. Sein Gesicht veränderte sich, er musste auf die Zähne beißen, doch auf einen Schrei warteten sie vergebens. In seiner Wut setzte sein Körper weitere Kräfte frei und die Verletzung motivierte ihn zusätzlich, auch wenn sie ein Hindernis war. So war es auch nicht verwunderlich, daß sein nächster Schlag in die Vollen traf, hatte er doch viel mehr Druck als die letzten zuvor. Trotz des Schildes, das er einfach durchbohrte, drückte er die Spitze bis in die Stirn des Feindes. Im absoluten Kampfesrausch war er drauf und dran die Macht zurückzureißen, als er plötzlich ein lautes Wiehern hörte. Gerade wieder im Rückzug, schwenkte sein Kopf zu dem Ort des Geräusches, was seine Augen sahen, machte alles zunichte. Zunächst musste er mit ansehen, wie Karas Pferd noch wimmernd und blutend zu Boden ging und er seine Geliebte nirgends sah, bis ein Schrei ihn aufschrecken ließ.
»Nein! Lasst mich los! Solaufein, hilf mir!« Ihre Stimme war klar und nah und er sah einen zappelnden Körper, der von mehreren wabernden Wesen festgehalten und verschleppt wurde. Es war Kara und es waren die Geister. Sie hatten ja gesagt, daß sie sie lebend wollten, aber das...
»Kara!« Er wusste nicht, was er sagen sollte, so rief er nur ihren Namen und saß fassungslos da, wie sie immer mehr im Nebel verschwand.
»Sol...« erklang es schon viel weiter weg. »Ich liebe dich... für immer.« Die letzten Worte waren schwach und kaum zu hören, aber er hörte sie.

Solaufein
05.02.2005, 18:47
Schon waren die neun übrigen Skelette bei ihm, die ihn natürlich auch fangen sollten, zumindest hielten sie ihn auf. Zunächst griffen sie nicht an, aber sie hatten einen Kreis gebildet, so daß er nicht entfliehen konnte. Mit hämischer Gestalt schienen sie dort auf ihn zu warten und der Nordmann hatte längst begriffen, was da gerade um ihn herum geschah, allein Karas Worte waren es, die es gebraucht hatte, jeden Zweifel zu zerstreuen. Die ganzen Wörter und Sätze das Schwert an den Nagel zu hängen, sie alle zählten jetzt nicht mehr. Wie zu seiner besten Zeit glühten die Augen, schrieen die Schwerter nach Blut.
»Ihr wollt mich aufhalten oder fangen? Dann versucht es doch...«
Unerwartet für die Geister stieg er von seinem Pferd ab und schickte es hinaus. Mit einem eleganten Sprung brachte es sich in Sicherheit, freilich hätte es diesen auch mit Reiter geschafft, aber Solaufein konnte die Wut nicht mehr stoppen.
Der Körper drehte sich langsam, um alle Feinde einmal anzuschauen. Er hatte zahlenmäßig keine Chance, aber wie oft hatte er das schon sagen müssen. Er hatte eigentlich schon vorgehabt das Schwert nie wieder zu ziehen, aber jetzt tat er es. Von seinem Rücken zog er sein zweites Langschwert, das dieselbe Biegung hatte wie das Erste, doch wohnte in ihm ein Stück des Herzes des Blutgottes.
Sofort griff er an, wartete gar nicht erst ab. Sein erstes Opfer wollte den Angriff mit einem Schild abwehren, doch als sein erstes Schwert dieses in Trümmer verarbeitete, stach das zweite quer durch das Herz, nur um sofort wieder mit dem Ersten nachzusetzen und den Schädel zu spalten. Er wusste, daß diese Kreaturen kein Herz hatten und auf andere Art und Weise unschädlich gemacht werden mussten. Scheinbar reichte der Angriff den Skeletten als Auslöser, um nun ebenfalls anzugreifen, doch da hatten sie die Rechnung ohne ihn gemacht. Schon als aus vier verschiedenen Richtungen Krieger kamen, umpackte er die Griffe der Schwerter fest und drehte sich schnell um die eigene Achse. Gleich zwei auf einen Streich erwischte er so, tauchte dann zu Boden, um mit beiden Schwertern parallel in die Brust des Dritten zu stoßen. Dem Vierten verpasste er einen Tritt vor die Rüstung, ehe er den Dritten, der noch immer an seinen Waffen hing, auf einen Fünften schleuderte. Er konnte gar nicht mehr an sich halten, voller Wut war er. Als wieder zwei auf ihn zukamen, wartete er lange und bündelte seine Kraft. Der richtige Zeitpunkt war von enormer Wichtigkeit. Als sie schon ihre Waffen nach ihm richteten, sprang er in die Luft und vollführte einen Rückwärtssalto. Mit voller Wucht schlugen sich die Skelette gegenseitig die Schwerter in den Leib, als er schon vor ihnen stand. Sein Gesicht war blutunterlaufen und voller Hass. Mit gewaltiger Wucht schlug er ihnen die Köpfe vom Körper und stieß dabei einen großen Schrei aus. Er war in absoluter Raserei und nichts und niemand konnte ihn in dem Moment mehr stoppen. Wieder versuchten es die letzten Verbliebenen ihn anzugreifen, dieses Mal ließ er sich auf einen offenen Schlagabtausch ein. Schnell wie das Licht erklangen helle Klingentöne, mit jeder Sekunde blockte er alle Angriffe und fügte ihnen trotzdem kleine Wunden zu, bis die letzten Drei nicht mehr konnten. An ihrem Körper prangten duzende Wunden, die alle von seinen Schwertern stammten. Fast symbolisch sackten alle drei fast synchron auf die Knie. Genau da, wo er sie haben wollte. Mit letzter Grausamkeit zerstörte er die Skelette und als sie alle tot waren, sah er sich noch immer hektisch nach neuen Feinden um, seine Gier war noch lange nicht gestillt.
Erst als er bemerkte, daß niemand mehr da war, regte sich sein Gemüt langsam ab. Langsam beruhigte er sich, langsam erlisch das Inferno in seinen Pupillen, langsam gelang es ihm die Schwerter fallen zu lassen. Als letzte Tat zerstörte er die harmlos aussehenden Schädel mit seinen Stiefeln, doch mehr als Symbolik hatte dies nicht.
Erst als es nichts mehr zu zerstören gab, erlosch seine Wut endgültig. Es war vorbei... Stille kehrte ein. Es schien wieder alles friedlich, doch das war es nicht.

Solaufein
07.02.2005, 11:19
Er konnte die Stille nicht lang genießen, schon kehrte die Hast zurück. Wie ein armer Narr hetzte er zu seinem Pferd und stieg auf, wollte den Entführern hinterher, als die Raben all seine Hoffnungen zunichte machten. Sie waren längst weg, auch wenn die anderen Banshees ihn nicht fangen konnten, so hatten sie ihr Ziel erfüllt, ihn lange genug aufgehalten.

Mit letzter Kraft stieg er wieder ab, aber am Boden gab es nichts mehr, was ihn hielt. Er fiel vollkommen in sich zusammen. Er konnte es nicht glauben, wollte nicht wahrhaben, daß Ao so grausam sein konnte. Nun kam alles zusammen, der Schmerz der Wunde, der Schmerz des Herzens, der Schmerz des Versagens. Er war nicht mehr als ein Häufchen elend, fast schon erbärmlich zu nennen. Und doch, so hatte er noch immer die Kraft zu sprechen, eine weitere Abrechnung, wie so viele davor...
»Ich sollte auf diesem Schlachtfeld sterben und nicht sie... was habt ihr nur getan? Was... habe ich getan? Bin ich nicht würdig zu sterben, ist es das?«
»Aber sie ist doch gar nicht tot.«, kam es sofort zurück. Erschreckt von den Worten richtete er sich auf und sah sich um.
»Wer zum...?«
»Öffne deine Augen und deine Ohren mein Freund.«
»Hallifer... du?«
Ein kleiner Mann stand hinter ihm, er trug ein Leinenkleid und sah aus wie ein Bettler, doch auf seinen Schultern saßen Revin und Tevin und auch sonst war der Mann geheimnisvoll.
»Ao ist nicht grausam, er muss nur den Ablauf des Schicksals leiten. Auch den Ablauf deines Schicksals. Du kannst Kara retten, es gibt eine Möglichkeit. Siehe es als eine weitere Aufgabe für dich. Sie ist nicht leicht, aber was gibt es, das du nicht schaffst?«
»Aber warum zerstört ihr unser Glück? Wir waren endlich so glücklich, wie wir es uns immer gewünscht haben und nun... scheint alles zerstört.«
»Glück muss man sich erkämpfen mein Freund. Glück und Frieden gibt es nicht umsonst. Nicht auf dieser oder einer anderen Welt.«
Solaufein schloss die Augen, als er sie wieder öffnete waren Hallifer und die Raben verschwunden.

»Glück muss man sich erkämpfen...«

Solaufein
07.02.2005, 22:25
Nach den Worten von Hallifer schöpfte ich wieder neue Kraft und neuen Mut. Mein Schmerz schien vergessen, eine neue Knospe war entstanden, neue Triebe, neue Blüten. Niemals hätte ich Kara aufgegeben, dafür liebe ich sie viel zu sehr. Auch wenn mir Hallifer kaum etwas sagte, so wusste ich doch, was ich tun wollte. Für meine Liebe musste ich jedoch auch Opfer bringen.
Ich nahm meine Sachen und legte sie auf das Pferd. Dann kümmerte ich mich um die Verletzung der Stute, die Kara geritten hatte. Mir gelang es die Wunde so zu behandeln, daß das Pferd zumindest wieder gehen konnte, wenn auch mit großen Schmerzen. Diesen Preis mussten wir alle bezahlen.
Dann verließ ich das Land der Untoten gen Norden, ich ignorierte den Kampf, der noch immer tobte und verriet meine Freunde. Diese Schande ist nicht zu entschuldigen, doch ich brauche keine Entschuldigung für mein Handeln. Dekahn trieb uns in diese Schlacht, weil er eine Frau retten wollte und genau aus jenem Grunde verriet ich sie alle. Meine Gedanken sind in jenen Stunden bei ihnen und ich hoffe, daß sie es überleben, doch ich kann keine Rücksicht auf sie nehmen. Für mich gibt es nur noch ein Ziel, für welches ich auch bereit bin Blut zu vergießen. Doch ich werde nicht zulassen, daß dieses Ziel jemals wieder vernichtet wird. Dafür bin ich bereit mein Schicksal zu erfüllen, was auch immer sich Ao darunter vorstellt. Die Götter werden es schon bald sehen, denn mein Plan ist längst geschmiedet...

Solaufein
08.02.2005, 11:54
Und am Ende bleibt die Erkenntnis des Weisen:


"Liebe ist das Werk des Narren, nur er kann sie erschaffen haben.
Denn wo Liebe ist, ist Neid nicht weit."

Balthasar Bortkan, 703 TZ




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