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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Der Übersetzer der Bücher von Sapkowski - Interview mit Erik Simon



meditate
08.08.2008, 17:57
wie ihr ja wisst, ist der Übersetzer der Sapkowski-Bücher ein bekannter Herausgeber und Schriftsteller. Erik Simon hat sich nun bereit erklärt, den Lesern der Bücher in unserem Forum Fragen zu beantworten.

Vorab möchte ich Euch mitteilen, dass er kaum Fragen zum Spiel beantworten kann, weil er es nicht gespielt hat. Er hat dazu keine Zeit, was wir natürlich voll in Ordnung finden, denn wir warten ja auf die Bücher.

Zuerst war er etwas misstrauisch, weil er zu Computerspielen ein etwas distanziertes Verhältnis hat, ich hab ihn aber überzeugen können, dass wir auch die Bücher lesen und es sehr viele Fans der Bücher in unserem Forum gibt.

Ich werde Eure Fragen an ihn weiterleiten und bitte also darum, Eure Fragen in diesem Thread vorzubereiten. :)

Kalyvala
08.08.2008, 20:08
Erstmal: Sehr geil, das du ihn überzeugen konntest. Ein Interview mit ihm wird bestimmt sehr interessant. Um viele und vorallem gute Fragen stellen zu können, wäre es vielleicht sinnvoll zu wissen, welche Fragen du schon vorbereitet hast. Aber eine hab ich schonmal:

Wieso wurde Dandelion in der Übersetztung durch Rittersporn ersetzt?

Abtacha
08.08.2008, 20:13
Mich würde interessieren ob er bei der Übersetzung auch mit dem Autor Sapkowski selbst in Kontakt steht, oder er "einfach nur den Text zum Übersetzen vorgelegt bekommt".

meditate
19.08.2008, 14:41
kennt eigentlich jemand von euch geschichten von erik simon? wisst ihr, wer er ist? mir fehlen noch fragen ...

Schattengreif
19.08.2008, 15:39
Es wäre mal ganz interessant, zu erfahren, was ihn an Science-Fiction so fasziniert. Er schreibt ja soweit ich weiß fast ausschließlich Science-Fiction.
Und ob er sich vorstellen könnte, vielleicht selbst mal Fantasy-Lektüre wie "The Witcher" zu schreiben - wenn nein, warum nicht?

Und: Was macht er lieber? Die Geschichten anderer Autoren zu übersetzen oder selbst schreiben. Übersetzt er überhaupt gerne oder ist das eben "nur ein Job"?

Was mich auch noch interessieren würde, auch wenn es vlt. eher weniger ins Interview passt: Warum hat er ein distanziertes Verhältnis zu Computerspielen?

Haremhab
19.08.2008, 22:29
Ist das dieser http://de.wikipedia.org/wiki/Erik_Simon?

meditate
20.08.2008, 05:47
ja das ist er, und er ist auch ein sehr guter übersetzer aus vielen sprachen

Jere
20.08.2008, 19:18
Ok, damit die mühe Ihn hierherzuholen nicht umsonst war, noch ein paar fragen von mir:
Inwiefern kommt er als übersetzer in die versuchung manche dinge etwas abzuändern um sie seiner art zu schreiben anzugleichen. Ich bin des polnischen zwar nicht mächtig, aber eine übersetzung aus einer osteuropäischen Sprache dürfte wohl etwas schwieriger sein als eben aus dem englischen. Ist es dabei manchmal eben wirklich unumgänglich einen Dialog vollkommen umzuschreiben, damit der Sinn erhalten bleibt, oder wird dort (wenn auch zähneknirschend) in kauf genommen das es eben nicht mehr wirklich sinn ergibt.
So, ich möchte mich noch für die grauenhafte Formulierung entschuldigen. Ich hab zuwenig geschlafen und bitte daher um verständnis.

Jussylein
20.08.2008, 19:26
leider sagt mir der name nichts, aber ich heise ihn Herzlich willkommen:gratz

aber jetzt auch zur meiner Frage was hat ihn dazu bewegt die Bücher zu übersetzen oder zu verfassen?

. und woher kennt er den Polnischen Autor? hatte ihn The Witcher schon länger Fasziniert...

was hält er persönlich von den büchern und würde er selber diese Geschichten den Fans empfehlen?

warum hat er sich von Computerspiele distanziert?

hat er mal von The Witcher auf Pc gehört oder gesehen was hält er von entwicklungen das viele Spiele und Film entwicklungen von den Büchern stammen?

... was haltet er davon von dem trend kann man wirklich alle inhalte in einer Software wiedergeben... Welche Bücher würder er uns empfehlen die wir User mal gelesen haben sollten...

was macht er wenn er mal nicht etwas verfasst bestimmte Vorlieben oder Hobbys?

so ich denke das wars voerst§wink

meditate
20.08.2008, 19:38
simon übersetzt ja nicht nur aus dem polnischen sondern auch aus dem russischen. und er ist vor allem herausgeber bedeutender sammlungen. ich werd miorgen mal ein bisschen zu ihm schreiben

Scofield
20.08.2008, 19:42
ich hätte da ein apel an ihn:


ich will weiter lesen! und zwar so schnell es geht also bitte überstetz so schnell wie es in deiner macht steht!

ich weiß das das ziemlich dreiß ist aber ich finde die Geralt sage so gut das ich umbedingt weiter lessen will. und richte ihm mal ein danke schön aus das er die ersten beide so gut überstzt hat und besonders sich die mühe gemacht hat. :gratz

;)

Singler
21.08.2008, 08:49
Was mich interessiert ist:

- Wie sieht sein persönlicher Geschmack an Literatur - unabhängig davon, was er selber schreibt und/oder übersetzt - aus?

- Wie ist sein Empfinden hinsichtlich des Wandels der Literatur seit der Wiedervereinigung bzw des Falles des Eisernen Vorhang in Deutschland und Europa. Ist die osteuropäische (SF-) Literatur weitgehend umberührt vom westlichen Einfluß geblieben und hat so seinen Charme behalten oder lässt sich heute kaum mehr zwischen Ost- und West-Literatur unterscheiden

- Wenn er ein Buch liest (schreibt) oder einen Film sieht, in dem ein "Held" gegen einen Bösewicht antritt, was fasziniert ihn da mehr? Welche perfiden, abgrundtief bösen, intriganten und dennoch genialen Schachzüge der "Böse" für das Erreichen seines Zieles einsetzt oder doch die Art, wie der "Gute" diese Situationen klären kann.

- Welche drei Bücher (jeweils eines aus der SF- und der Fantasy-Literatur. Das Dritte kann alles sein: Kochbuch, Krimi...) würde er für eine einsame Insel mitnehmen und welche drei Bücher (Genres egal) würde er - ohne zu zögern - jedem Lesebegeisterten ohne Zögern empfehlen.

Haremhab
21.08.2008, 09:34
Auch eine Frage von mir, wie ist er auf Sapkowski gekommen und ist es schwierig für ihn aus dem Polnischen zu übersetzen.

GenerationX
21.08.2008, 16:46
ist vielleicht auch etwas schwer zu beantworten, aber mich würde noch interessieren wie lang er etwa gebraucht hat für die beiden schon vorliegenden hexer bücher, um sie ins deutsch zu übersetzten

Crishan
09.09.2008, 21:30
Mein Frage an Erik:

Übersetzen ist in der Regel leider extrem schlecht bezahlte Knochenarbeit.
Darunter leidet ganz besonders ins deutsche übersetzte fantastische Literatur
aus dem Englischen, denn die Übersetzungen lesen sich teilweise
wie maschinär transliteriert und einmal kurz nachbearbeitet (dazu zähle ich
u.a.fast alles bei Goldmann/Blanvalet verlegte).

Deine Übersetzung hingegen sind hervoragend und heben sich über Maßen
von den Arbeitsergebnissen deiner Kollegen ab. :gratz §wink

Hattest du einfach mehr Zeit für die Übersetzungen (wobei die bisher
erschienenen Bände ja von dir schon in den 90ern übersetzt wurden)?

Hat man besser gezahlt, nachdem man verlagsseitig gesehen hat, welchen
hochqualitativen Output es von dir gibt?

Worauf ich hinaus will, warum sind Übersetzungen fantastischer Literatur
generell so erbärmlich schlecht durchgeführt? Ist dies nur eine Geldfrage?

meditate
09.09.2008, 21:49
das interview an ihn ist raus. ich kann sicher noch fragen nachschieben, wenn er geantwortet hat. der letzte post ist sehr interessant und ich werd das ganz sicher noch fragen

meditate
11.09.2008, 15:19
Hier das Interview, kommt auch als Artikel auf die Seite

Sehr geehrter Herr Simon,


vielen Dank, dass Sie unseren Lesern im Forum die Möglichkeit geben, sich mit dem Übersetzer der Bücher von A. Sapkowski zu unterhalten und Fragen loszuwerden. Mich haben die Übersetzungen neugierig gemacht und ich hab mir ein paar Bücher besorgt. Und ich freu mich, dass ich einen sehr originellen Schriftsteller kennenlernen konnte.

Zunächst möchte ich Sie vorstellen. Sie arbeiten ja nicht nur als Übersetzer aus dem Polnischen, Sie übersetzen auch aus dem Russischen und Englischen und Sie sind auch Herausgeber und Schriftsteller. Sie haben mit der Anthologie Lichtjahr und einem Lexikon zur Geschichte der DDR-SciFi auch internationale Anerkennung gefunden. In vielen renommierten internationalen Zeitschriften haben Sie mitgearbeitet und Ihr Name ist in Fachkreisen bekannt und geachtet. Außerdem gelten sie als Spezialist für die Werke der genialen Brüder Strugatzki und von Stanislaw Lem.

Schönen Dank für das Lob. Das Lichtjahr war ein Almanach, also eine Anthologie, die sowohl in- und ausländische Stories als auch Artikel über SF und Phantastik brachte. Gedacht war das als eine Art Ersatz für eine SF-Zeitschrift, die in der DDR aus politischen und aus wirtschaftlichen Gründen (Papiermangel) nicht möglich war. Klar, dass die Fans davon begeistert waren, vor allem aber, weil sie eben sonst weit und breit nichts dergleich kriegen konnten.
Ich hätte noch eine Bitte: Lassen Sie uns von Science Fiction oder SF reden. Asimov, Bradbury, Clarke, Lem und die Strugatzkis, Frank Herbert und Philip K. Dick – sie alle haben SF geschrieben. Wer seinerzeit „SciFi“ sagte, signalisierte damit, dass es vom Genre keine Ahnung hatte, „SciFi“ waren so Bücher und Filme, in denen der Held seine Freundin und nebenbei die übrige Erde vor dem Angriff schleimiger Marsmonster rettet. „SciFi“ als übliche Abkürzung für die gesamte SF ist erst vor ungefähr zwanzig Jahren aufgebracht worden, vermutlich von Journalisten, die auch keine Ahnung hatten.

Sie haben auch selbst Geschichten geschrieben, offenbar liegt Ihre eigene Erzählerzeit etwas zurück? Wie kommts?

Ich habe ungefähr hundert Erzählungen geschrieben, aber verteilt über einen Zeitraum von reichlich dreißig Jahren, also pro Jahr im Durchschnitt nur ungefähr drei. Seit 2005 hatte ich viel mit eigenen Übersetzungen und mit der Redaktion fremder Übersetzungen zu tun und zum Schreiben fast keine Zeit. Ich denke aber, das wird nur eine vorübergehende Pause sein, wie es sie auch früher schon gegeben hat.

Sie haben einige Male den renommierten Kurd-Laßwitz-Preis für deutschsprachige SF bekommen, auch als Herausgeber. Sie wurden 2003 für die Erzählungen „Sternbilder“ ausgezeichnet. Machen Sie auf dem Gebiet weiter?

Ja, wenn und falls ich wieder Zeit habe – siehe oben. Noch in diesem Jahrtausend soll Band 4 meiner Gesammelten Erzählungen erscheinen; er wäre eigentlich längst fertig, wenn ich nicht aus thematischen Gründen dort (und nicht in einem späteren Band) zwei bestimmte Geschichten haben wollte, die ich noch schreiben muss. – Den Preis 2003 gab es aber nicht für meinen Sammelband Sternbilder, sondern für eine Erzählung darin, „Spiel beendet, sagte der Sumpf“. Ein paar Jahre zuvor hatte ich in einer russischen SF-Zeitschrift eine Liste von Ideen und Themen gefunden, die so abgegriffen sind, dass man sie möglichst nicht mehr verwenden sollte; ich habe mir einen Spaß daraus gemacht, in einer kurzen Geschichte sämtliche Themen von der Liste irgendwie einzubauen, und zwar so kombiniert, dass trotzdem etwas ziemlich Unerwartetes und Schräges dabei herauskam.

Was fasziniert Sie an der SF? Die Geschichten, die ich inzwischen kennenlernte, befassen sich mit sehr ungewöhnlichen Arten der Begegnung unterschiedlicher Zivilisationen. Beschäftigt sie das? Es gibt bei Ihnen keine Gesellschaftentwürfe fremder Zivilisatoren (ich hab jedenfalls keine gelesen), es sind immer eher isolierte Begegnungen. Und sie sind immer skurril. Einmal enden sie unter dem Wischlappen der Hausfrau und ein anderes Mal verzweifeln die Fremden ob der primitiven Lebensart der Bewohner unseres Planeten.

Sie haben recht: Umfangreiche Gesellschaftsentwürfe fremder Zivilisationen kommen bei mir nicht vor, übrigens ebenso wenig ausführliche utopische oder dystopische Modelle für die irdische Zukunft. Auch auf die Beschreibung und Charakterzeichnung der handelnden Personen verwende ich meistens nicht viel Raum, das alles versuche ich mit ein paar Strichen so zu skizzieren, dass der Leser die Umwelt und die Typen erkennt und aus seiner eigenen Erfahrung heraus vervollständigt. Denn am meisten interessieren mich nicht meine Helden selbst, sondern die ungewöhnlichen Situationen, in denen sie sich befinden, mitunter auch nur eine unerwartete Sichtweise auf Vorgänge und Zustände, die der Leser aus seiner eigenen Erfahrung oder aus der Literatur schon kennt. Deswegen schreibe ich auch keine Romane, sondern Erzählungen und Kurzgeschichten. Neuerdings stoße ich mitunter auf Leser, die dieses ergänzende Mitdenken nicht mehr gewöhnt sind, weil sie in den Filmen und in den Tausend-Seiten-Romanen ja alles haarklein vorgeführt bekommen; die haben dann manchmal Schwierigkeiten mit meinen Texten. Aber es braucht ja auch nicht jedem alles zu gefallen.

Mir scheint, dass Sie an der Phantastik besonders reizt, dass man auch völlig absurde Geschichten erzählen kann. Die Tragik der Geschichte der unschuldig Verurteilten hat mich wirklich amüsiert. Klang sehr nach dem vertrauten Amtsschimmel. Wär schön, wenn sich das auch mal im wirklichen Leben so rächen würde. Schneewittchen und Rotkäppchen sind in ihrer Lesart eher haarsträubend. Und ihre Geschichte vom Schuttabladeplatz grenzt ironischerweise schon an die Realität.

Ja.

Wie ich feststellen konnte, bevorzugen Sie die kurze Form, die Sie „Miniaturen“ nennen. Sie schreiben aber auch Gedichte und Märchen. Wie sind Sie zur phantastischen Literatur gekommen?

Als Leser von Science Fiction in meiner Kindheit. Zunächst waren das natürlich die üblichen Weltraumabenteuer, Romane also, alles ziemlich heldenhaft, und bis etwa Anfang der sechziger Jahre war in der DDR-SF auch die Technik noch ungeheuer wichtig – da wurde beispielsweise das halbe Buch lang erst einmal erzählt, wie sie das Raumschiff bauen, die amerikanischen Spione und Saboteure wegfangen, starten, unterwegs mal eine Havarie haben usw., und erst gegen Ende trafen sie dann auf Außerirdische oder wenigstens auf Spuren von ihnen. Nach und nach habe ich dann gemerkt, dass es in der Science Fiction auch viel, viel originellere und raffiniertere Geschichten gibt, vor allem im anglo-amerikanischen und im russischen Bereich. Russisch habe ich ja in der Schule gelernt, aber auf dem elenden Niveau, wie es in der DDR die Regel war; es wurde erst viel besser, als ich begann, russische SF-Bücher zu lesen, die man in der DDR ziemlich leicht bekommen konnte, darunter auch viele Übersetzungen von internationaler SF – in der Sowjetunion wurde davon ziemlich viel gedruckt, weil die erst um 1973 dem Welturheberrechtsabkommen beitrat und auch danach noch für Bücher, die im Original vorher erschienen waren, den Westautoren nichts zu bezahlen brauchte.

Ihr Arbeitsgebiet und Ihre Leidenschaft ist ja offensichtlich phantastische Literatur mit einem deutlichen Schwerpunkt zur SF. Aber die Arbeit in einem Fantasy-Universum mittelalterlicher Prägung war Ihnen nicht fremd?

Ich habe erst ziemlich spät begonnen, mich für diese Art von Fantasy zu interessieren, schon allein deswegen, weil wir sowas in der DDR gar nicht hatten. Tolkiens Ring-Trilogie beispielsweise habe ich erst in den achtziger Jahren in der alten, grünen Ausgabe von Klett-Cotta in einem Antiquariat in Budapest gekauft und dann in die DDR geschmuggelt. Für Geschichte habe ich mich aber schon immer sehr interessiert, auch gern alle möglichen historischen Romane gelesen.

In Ihren Erzählungen, Märchen und Gedichten ist eine deutliche satirische und ironische Ader herauszulesen. Ich konnte mich davon überzeugen, dass sie gern Geschichten umdeuten und ihnen einen neuen Sinn geben, vorhandene berühmte Geschichten in neue Zusammenhänge stellen und sich selbst entlarven lassen. Hat Sie das an den Werken von Sapkowski interessiert? Er macht das ja auch mit dem oftmals deutlichen Bezug zu bekannten Märchen in seinen Geschichten.

Ja, besonders deutlich merkt man das in den beiden ersten Bänden, die ja im Grunde ein Erzählungszyklus sind; da ist die Anspielung auf bekannte Märchen in manchen Erzählungen ganz zentral, weil auch bei Andrzej Sapkowski der Leser einen Teil der Arbeit übernimmt, indem er aus der Kenntnis der Vorlage Einzelheiten mitdenkt, die der Autor gar nicht ausdrücklich darzustellen braucht. Der Witz ist dann allemal, dass die Geschichte in einem entscheidenden Punkt vom Vorbild abweicht oder darüber hinausgeht. In den übrigen fünf Bänden kommen solche Anspielungen auch noch vor, stehen aber weniger im Mittelpunkt, und mitunter sind sie auch raffiniert versteckt – beispielweise, wenn im Band „Feuertaufe“ (den ich gerade übersetzt habe) ein betrunkener Gnom erzählt, wie er einen wertvollen Kelch aus einem riesigen Milchopal gefunden und gegen ein Maultier vertauscht hat, wobei die Beschreibung des Kelches genau auf den Heiligen Gral zutrifft, was der Gnom in seiner Fantasywelt natürlich nicht wissen kann.
Noch viel wichtiger finde ich aber, wie Sapkowski immer wieder auf die reale Geschichte unserer Welt anspielt, wie er das wirkliche, dreckige, chaotische, kleinkarierte Mittelalter ins Spiel bringt, aber auch die Machtpolitik von der Renaissance bis in die jüngere Vergangenheit, wenn etwa die Elfen bei ihm nicht nur wie bei Tolkien langlebig, schön & edel sind, sondern gleichzeitig auch arme Schweine, die von den Menschen an den Rand gedrängt wurden und jetzt entweder wie die Indianer in der Einöde beinahe verhungern oder aber einen terroristischen „Befreiungskampf“ gegen die Menschen führen, wie wir ihn in der Realität bei verschiedenen Völkern erlebt haben und erleben. Der Realismus, der auf diese Weise in die Geschichte kommt, ist Sapkowskis größte Stärke; er hat ja auch eine Romantrilogie geschrieben, die phantastische Elemente enthält, aber in der realen Geschichte Mitteleuropas zur Zeit der Hussitenkriege spielt.

Da ich mich informiert habe, kenne ich natürlich inzwischen auch Ihre Märchen des Gebruders Simon. Dort begegnen wir ja nun den Drachen und Königstöchtern. Darf ich ein Gedicht zitieren?

Vom Ringkrieg

Nach der Melodie zu singen: Warum weinst du, holde Gärtnersfrau

Sag, was meint der Kampf um jenen Ring,
dran des wahren Westens Schicksal hing?
Ist es mehr als ein Geländespiel?
Wer da denkt, der denkt gewiss zu viel.

Einmal wurde Sauron schon besiegt,
dessen böses Reich im Osten liegt,
dessen roter Blick gen Westen schweift,
dessen Hand nun wieder westwärts greift.

Und für wen steht wohl der Saruman?
Einstmals führte er den Westen an;
Als er schlau dem Bösen sich verband,
fiel er selber prompt von Saurons Hand.

Doch ein Hobbit so wie du und ich.
Der besiegt den roten Wüterich
mit Beharrung, Glück und etwas List,
weil er selber ja nicht Tollkühn ist.

Müde kehrt der Hobbit dann nach Haus
doch das Auenland sieht anders aus;
denn daheim, wer hätte das gedacht,
kam inzwischen Labour an die Macht.

Sag, was meinst du, guter Professor,
lugt da nicht ein Stückchen Weltkrieg vor?
Bricht Geschichte sich in der Geschicht’?
„Nein, ach nein, das alles mein ich nicht.“

Können Sie sich denken, warum ich gerade dieses Gedicht ausgewählt habe? Es gibt auch ein Rollenspiel zum Herrn der Ringe und irgendwie ist das Buch der heilige Gral aller Fantasy-Freunde, und jetzt meine ich die klassischen Fantasy-Fans. Eigentlich ist das Gedicht aber auch ein schönes Beispiel dafür, wie Sie mit bekannten Inhalten spielen und diese umdeuten.

Auf die Gefahr hin, mich unbeliebt zu machen, muss ich sagen, dass ich ein paar andere Fantasybücher interessanter finde als den Herrn der Ringe, beispielsweise den Erdsee-Zyklus von Ursula Le Guin oder eben Andrzej Sapkowski. Tolkiens Hobbit habe ich mit großem Vergnügen gelesen, das ist ein bezauberndes Märchen, ganz aus einem Guss; in der Ring-Trilogie ist Tolkien dann davon ein Stückchen abgedriftet, ohne woanders richtig anzukommen, und während manche Stellen doch eher den erwachsenen Leser meinen (ein paar von den poetischen Bildern sind wirklich stark), stehen dazwischen immer wieder Passagen, die mir kindlich vorkommen, um nicht zu sagen kindisch. Bei alledem ist die Ring-Trilogie entsetzlich humorlos, obwohl Tolkien in anderen Werken (im Hobbit oder beispielsweise in „Farmer Giles of Ham“) durchaus komisch sein konnte. Ein Roman, in dem es nicht sowohl komische als auch tragische Stellen gibt, ist im Grunde nicht glaubwürdig; auch die Uniformität und Gesichtslosigkeit des Bösen deutet darauf hin, dass Der Herr der Ringe eigentlich noch keine moderne Fantasy ist, sondern näher am Märchen. Freilich wäre die moderne Fantasy ohne Tolkien nicht dort, wo sie heute ist, und es gäbe weder Le Guins Ged noch Sapkowskis Hexer.

Wenn ich richtig informiert bin, haben Sie Werke aus Polen, Schweden, Bulgarien, aus dem russischen und tschechischen übersetzt, macht Übersetzen Spaß?

Da vermengen Sie zweierlei. Erstens: Ich habe Bücher – alles Science Fiction, Fantasy oder sonstige Phantastik – aus dem Russischen, Englischen, Polnischen und Bulgarischen übersetzt, außerdem ein paar wenige Kurzgeschichten aus dem Tschechischen, Slowakischen und Niederländischen. Zweitens: Ins Schwedische, Polnische, Bulgarische und Tschechische sind Bücher mit meinen eigenen Erzählungen übersetzt worden, dazu noch einzelne Geschichten und Artikel in rund ein Dutzend weitere Sprachen.
Natürlich macht Übersetzen Spaß, soweit Arbeit eben Spaß machen kann. Sonst würde ich es ja nicht tun, zumal man dabei weniger verdient als in den meisten anderen Berufen, denen man als Inhaber eines Hochschuldiploms nachgehen kann.

Wie kann man die Arbeit eines Übersetzers verstehen? Können Sie mal schildern, wie die Arbeitsweise ist?

Das ist eine etwas ungenaue Frage, und ich fürchte, die Antwort wird auch ungenau, denn sonst müsste sie sehr lang ausfallen. Für gewöhnlich lese ich das Buch erst einmal, dann übersetze ich es Seite für Seite in den Computer, wobei ich unbekannte Wörter, die ich nicht in meinem mittelgroßen Wörterbuch finde, sachlich unklare Stellen und überhaupt alles, wonach ich den Autor fragen sollte, zunächst markiere und nur näherungsweise übersetze. Anschließend schlage ich in der Bibliothek in den großen und alten Wörterbüchern nach, recherchiere im Internet (Wie heißen deutsch die Teile eines mittelalterlichen Bogens? Wie die Lederlappen, die von manchen Sätteln zwischen den Beinen des Reiters und dem Pferdebauch herabhängen?), schreibe dem Autor Fragelisten und lese meine Übersetzung mehrmals, um Fehler zu finden und den Stil zu polieren. Wenn genug Zeit ist, geb ich’s auch meiner Freundin zu lesen, die findet immer noch was zu verbessern, mindestens Tippfehler, die ich nicht mehr sehe, weil ich ja weiß, was da stehen muss. Dann kriegt’s der Verlag.

Wie sind Sie zu der Aufgabe gekommen, sich den Werken Sapkowskis zu widmen?

Der Heyne Verlag hat seinerzeit von Sapkowskis polnischem Verlag die ersten drei Bände des Hexer-Zyklus geschickt bekommen (Der letzte Wunsch, Das Schwert der Vorsehung, Das Erbe der Elfen) – mehr waren noch nicht erschienen, es stand noch nicht einmal genau fest, wie viel Bände es ingesamt würden (nur, dass noch mindestens zwei weitere folgen sollten). Ich habe sie gelesen, ein Gutachten für den Verlag geschrieben und den ganzen Zyklus empfohlen, allerdings darauf hingewiesen, dass man die beiden ersten Bände zur Not auch einzeln lesen kann, mit dem Erbe der Elfen aber eine durchgehende Handlung beginnt; das heißt, wenn man den dritten Band bringt, muss man auch alle folgenden machen. Dazu hat sich der Verlag dann nicht entschließen können, nachdem die beiden ersten Bände in der Fantasy-Taschenbuchreihe von Heyne ziemlich unbemerkt geblieben sind, sich also nicht besonders gut verkauft haben.

Hatten Sie die Möglichkeit, mit dem Autor über verschiedene Dinge selbst zu reden, oder ging der Kontakt überwiegend über die Verlage?

Bei einzelnen Erzählungen lohnt sich der Aufwand meistens nicht, aber wenn ich ein ganzes Buch übersetze, bemühe ich mich immer, Kontakt zum Autor aufzunehmen und ihm um Rat bei Stellen zu fragen, die ich nicht recht verstehe oder die sich aus sprachlichen oder kulturellen Gründen nicht genau so übersetzen lassen wie in der Originalsprache, wo ich also am Text kleine Änderungen improvisieren muss. Kalauer beispielsweise funktionieren fast nur in der Originalsprache, der Übersetzer muss sie durch eigene Erfindungen ersetzen (und mitunter ein Stück weiteren Text abändern, damit es passt) oder sie zur Not weglassen, denn gar kein Witz ist immer noch besser als ein schlechter. Sapkowski ist zum Glück sehr kooperativ, und zum noch größeren Glück beherrscht er ebenfalls eine Menge Fremdsprachen. Für gewöhnlich korrespondiere ich polnisch mit ihm, aber besonders schwierige Stellen haben wir auch schon auf deutsch erörtert und englische oder russische Beispiele zur Erklärung herangezogen.

Wer zuerst die Bücher von Sapkowski zu lesen beginnt, wird überrascht sein von den merkwürdigen Namen der Akteure. Ist das in der polnischen Originalversion auch so?

Ja, den deutschen Merkwürdigkeiten entsprechen polnische, jedenfalls im Durchschnitt. Am eigenartigsten ist an diesen Namen, dass die meisten so ganz und gar nicht fantasymäßig exotisch sind, sondern dass Sapkowski real existierende Namen aus verschiedenen europäischen Sprachen verwendet, nur bei den Elfen hält er sich ungefähr an die von Tolkien eingeführte Tradition. Eine der Stärken Sapkowskis sind ja die unglaublich vielen Nebenfiguren, die sich dem Leser einprägen, selbst wenn sie nur in einem einzigen Kapitel auftreten; wenn der Autor für alle diese Figuren fantasytypische Kunstnamen erfunden hätte, könnte sie kein Mensch unterscheiden, und man würde bei vielen unweigerlich an ein Waschmittel, an eine seltene Krankheit und dergleichen denken („Doch Haribo wehrte mit seiner Axt den Schwertstreich ab, und Hanuta konnte den verwundeten Ariel vom Schlachtfeld tragen.“)
Im „Schwert der Vorsehung“, der Erzählung im gleichnamigen Band, gibt es einen Baron Freixenet, der seinen Namen von einer spanischen (?) Weinsorte hat. (Der Witz geht eigentlich noch tiefer, weil sich Lem einmal darüber beklagt hat, dass in polnischer oder deutscher Schundliteratur die Franzosen nach Weinsorten heißen, und sich auch in seiner Rezension zu einem fiktiven Roman Gruppenführer Louis XVI. darüber lustig gemacht hat. Sapkowski und seine polnischen Leser wissen das natürlich. Aber ich schweife zu weit ab.)
Die Kombination von Vor- und Zuname sowie die Zuordnung des Namens zu einer bestimmten Person von einer bestimmten Fantasyrasse ist oft sehr originell; der betrunkene Gnom beispielsweise, den ich vorhin erwähnt habe, heißt Percival Schuttenbach, auch im Original; das hat sowas von den Namen in den Sketches von Loriot. Relativ viele Namen kommen bei Sapkowski aus den slawischen Sprachen, insbesondere, wenn es „redende“ Namen sind, die eine Bedeutung assozieren lassen. Die habe ich dann in der Regel übersetzt oder nacherfunden. Das Polnische hat wie das Deutsche männliche, weibliche und sächliche Wörter. Geralts Freund heißt im Polnischen Jaskier, zu deutsch „Hahnenfuß“ oder „Ranunkel“. Ein Troubadour, der sich den Künstlernamen „Hahnenfuß“ zulegt, hat keine besonders ruhmreiche Karriere vor sich, von der weiblichen Ranunkel ganz zu schweigen. Also habe ich ihn „Rittersporn“ genannt, was eine ganz ähnliche Blume meint, aber viel edler klingt. Ein paar von den slawischen Namen habe ich belassen, so dass der allgemeine Eindruck beim deutschen Leser (viele deutsch klingene Namen, ein paar ungewohnt slawische) dem beim polnischen Leser (viele gut verständliche slawische Namen, ein paar „exotische“ deutsche) ungefähr entspricht. Bei manchen slawischen Namen habe ich jedoch die Schreibweise variiert, z.B., damit der deutsche Leser Geralts Ziehvater Vesemir leichter von König Wisimir unterscheiden kann und auch richtig ausspricht. (Im Original heißt der König „Vizimir“, gesprochen wird das eben „Wisimir“, aber die meisten Deutschen würden es ja wie „Witzimir“ sprechen, wenn nicht gar wie „Fitzimir“.)

Überrascht Sie der Erfolg der Bücher im Verlauf der Ankündigung des Rollenspiels „The Witcher“? In unserem Forum wurde sehr lange sehr intensiv nach den damals vergriffenen Bücher gesucht. Es wurden durchaus hohe Preise für die wenigen Bücher auf dem Markt gezahlt.

Er überrascht mich nicht, das Computerspiel ist aber nicht der einzige Grund für den Erfolg. Unter meinen Bekannten waren alle, die seinerzeit die Heyne-Bände gelesen haben, davon begeistert; das nützt freilich nichts, wenn die weitaus meisten, die vielleicht auch begeistert gewesen wären, das Buch gar nicht erst kaufen. Es haben sich auch die Zeiten ein wenig geändert. Die Fantasy-Reihe bei Heyne hat damals ein Publikum bedient, das wohl eine ziemlich enge Vorstellung davon hatte, wie Fantasy zu sein hat und die wie Autoren zu heißen haben, jedenfalls nicht -owski; auch deutsche Fantasty war damals nicht annähernd so erfolgreich wie heute. Bei DTV kommen die Bücher ja nicht in so einer durchnummerierten Schubkasten-Reihe, sondern als eine selbständige Ausgabe, zudem sind es keine Taschenbücher, sondern Paperbacks im Buchformat. Und die Buchhändler haben inzwischen mit anderen Büchern des Autors, nämlich der Hussiten-Trilogie, gute Erfahrungen gemacht.

Haben Sie nach der Einstellung der Übersetzungen beim Heyne-Verlag noch an eine Weiterführung geglaubt?

Ich habe die Einstellung bedauert, mir danach aber keine Gedanken mehr darum gemacht. In Russland und Polen, vermutlich auch in Tschechien gibt es eine Menge erstklassiger Science Fiction und Fantasy, die hierzulande keinen Verlag findet; das bin ich gewöhnt; die meisten deutschen Verlage wollen keine guten Bücher, sie wollen Starautoren, die in den Medien berühmt oder berüchtigt sind; zum Glück für die Fantasy schreibt Dieter Bohlen keine. Der Gedanke, dass Sapkowskis Hexer vielleicht eine zweite Chance in Deutschland erhalten könnte, stellte sich bei mir ein, als die Hussiten-Trilogie hierzulande auf den Markt kam und Erfolg hatte.

Wann haben Sie erfahren, dass die Übersetzungen weitergehen?

Als mich der Cheflektor des Deutschen Taschenbuch Verlags anrief und fragte, ob ich die restlichen fünf Bände übersetzen wolle. Wenn ich mich richtig erinnere, hatte sich der Verlag dazu entschlosse, weil er schon die Hussiten-Trilogie in Arbeit hatte. Dass da auch noch ein Computerspiel im Kommen war, haben sie, glaube ich, erst von mir erfahren.

Wann haben Sie erstmalig von dem Spiel erfahren? Hat Sie die Idee eines Spiels überrascht?

Vom Computerspiel habe ich im Mai 2005 erfahren. Da hat sich das polnische Unternehmen, welches das Spiel entwickelte, bei mir gemeldet und gefragt, ob sie zwei Erzählungen aus den ersten, von mir schon übersetzten Bänden für ihre Werbung bzw. für ein dem Spiel beizulegendes Booklet übernehmen dürften. Ich habe ihnen die Dateien mit den deutschen Texten geschickt, hernach aber nichts mehr von ihnen gehört. Die Texte haben sie, soviel ich weiß, nicht verwendet. Jedenfalls haben sie mir nichts bezahlt.
Besonders überrascht hat mich die Idee nicht. Es gab ja vorher in Polen schon Hexer-Spiele – nicht für den Computer, sondern als klassisches Rollenspiel mit mehreren Regelbüchlein usw. Ich habe das Buch mit der Basisversion, es stammt aus dem Jahr 2001 und scheint vor allem auf die polnische Fernseh-Verfilmung einiger Hexer-Erzählungen Bezug zu nehmen. Ich glaube, in Polen oder in Tschechien (wo die Bücher sehr frühzeitig und erfolgreich übersetzt wurden) habe ich auch mal ein anderes Hexer-Spiel gesehen, zu dem ein sehr ausführlicher Stadtplan (von Nowigrad?) gehörte. Möglicherweise war es auch nur ein Entwurf zu einem Spiel, das im Fandom kollektiv entwickelt werden sollte. Was daraus geworden ist, weiß ich nicht.

Wie sehr sind Sie vertraut mit Computerspielen im Allgemeinen und speziell mit Rollenspielen?

Meine erwachsene Tochter spielt mit Freunden Das Schwarze Auge. In den neunziger Jahren hatte ich Kontakt zu etlichen Studenten in Dresden, die sich für SF- und Fantasy-Literatur interessierten, aber auch Rollenspiele spielten, sowohl mit Buch, Würfeln usw. als auch eins im Internet, das sie wie „Matt“ aussprachen; ich vermute aber, das war irgendeine englische Abkürzung (MAT? MUD?). Ich habe sogar begonnen, mit einer der Studentinnen selbst ein Textadventure zu entwerfen, eine Art Krimi in einem mittelalterlichen Dorf, wir sind aber ziemlich früh davon abgekommen, und jetzt sind diese Leute alle in anderen Städten.
Die letzten Computerspiele, die ich selbst noch gespielt habe, stammen aus der späten DOS-Ära. Es gab da relativ einfache Strategiespiele wie „Centurio“ und dergleichen. In besonders freundlicher Erinnerung habe ich ein paar Spiele, die zwar schon animierte Grafik hatten, aber im Grunde noch wie die reinen Textadventures funktionierten; man musste eintippen, was die Spielfigur als nächstes tun sollte, und ein Teil der Arbeit bestand darin, zu erraten, auf welche Schlüsselwörter der Parser reagieren würde. Eins davon – es hieß Space Quest oder so ähnlich – war sehr witzig, es begann mit einem Überfall von fiesen Aliens auf das Raumschiff, wo der Held als Reinigungskraft (janitor) arbeitete.

Ich hatte Ihnen ja den Weg in unser Forum gezeigt und Sie meinten gleich, dass Sie nicht spielen, aber interessiert Sie die Entwicklung?

Als die Spiele grafisch aufwendiger wurden und auch nicht mehr in ein paar Stunden durchzuspielen waren, habe ich das Interesse verloren – wenn ich mehr Zeit hätte, würde ich sie lieber für andere Hobbies verwenden, und wenn ich aufwendige Filmsequenzen sehen will, kann ich gleich ins Kino gehen. Ich finde es allemal interessanter, mit Freunden (die leider auch keine Zeit mehr haben) irgendwelche klassischen Brett- oder Kartenspiele zu spielen, am liebsten exotische Brettspiele wie etwa Shogi.

Wissen Sie, dass jeder Spieler praktisch in die Rolle des Witchers schlüpft und dessen Abenteuer selbst erlebt oder durchleidet?

Ich habe es vermutet und soeben bestätigt bekommen.

Konnten Sie Einfluss auf die Lokalisierung, also die deutsche Anpassung des Spieles nehmen?

Kaum. Ich habe dem Übersetzer des Spiels eine Liste mit den Namen (Personen, Orte usw.) geschickt, die in den bis dahin von mir schon übersetzten Bänden vorkamen (das ging bis Band 4), mehr hatte ich mit der deutschen Fassung des Spiels nicht zu tun. Da das Spiel aus dem Englischen übersetzt wurde, weiß ich nicht, ob er alle Namen richtig wiedererkannt hat – zumal auch schon in der englischen Fassung des Spiels manche Namen völlig anders zugeordnet sind als in den Büchern, bzw. die betreffenden Personen haben ganz andere Charaktere, Eigenschaften und Vorgeschichten.

Haben Sie damit Probleme gehabt? Können Sie das mal für unsere Leser erklären?

Probleme eigentlich nicht, ich weiß viel zu wenig von dem Spiel, als dass bei mir mehr aufkommen könnte als hier und da eine kleine Irritation. Beispielsweise wäre es mir schon lieber, wenn wir statt vom „Witcher“ vom Hexer sprächen. Aber eines ist ganz offensichtlich, und wenn man es sich vergegenwärtigt, erledigen sich die „Probleme“ von selbst: Das Spiel und die Bücher hängen natürlich zusammen, aber es sind zwei verschiedene Dinge, schon deswegen, weil naturgemäß in den Büchern viel mehr steht. Das eine kann das andere nicht ersetzen – zum Glück, denn sonst wäre ja eins von beiden überflüssig. Ich nehme an, aus diesem grundlegenden Unterschied resultieren auch die meisten Abweichungen.

Der Prozess der Schöpfung einer deutschen Version ist doch sicher nicht konfliktfrei. Können Sie uns davon erzählen?

Die Frage ist mir ein bisschen zu allgemein. Probleme gibt es immer, ich werde ja dafür bezahlt, sie möglichst elegant zu lösen, sonst könnte auch ein Computerprogramm die Übersetzung hinschludern. Die häufigsten Probleme, die mich Zeit kosten, haben damit zu tun, dass bei Sapkowski (a) sehr spezielle alte polnische Begriffe vorkommen, die nicht einmal in hundert Jahre alten Wörterbüchern stehen, und (b) die Personensprache sehr differenziert ist.
Ein Beispiel zu (a): Da haben die Pferde vor allem der Nilfgaarder so eine Art Umhänge, die fast das ganze Pferd bedecken, auch den Kopf. Ich habe das mehrfach auf mittelalterlichen Buchillustrationen gesehen, aber nur mit Mühe herausgefunden, wie das im Deutschen heißt, nämlich gar nicht deutsch, sondern aus dem Französischen entlehnt: „Kuvertüre“. Das aber meint heutzutage einen Schokoladenüberzug oder dergleichen. Ein anderes Wort, das ich gefunden haben, nämlich „Rossmantel“, kommt mir wie eine moderne Neuschöpfung vor. Also habe ich je nachdem, wie wichtig die Sache im Zusammenhang war und ob man das Wort missverstehen konnte oder nicht, mal „Kuvertüre“ geschrieben, mal „Rossmantel“ und mal „Schabracke“; letzteres ist sachlich ungenau, aber an Stellen, wo es nicht so darauf ankommt, das am besten geeignete Wort, weil die Leser damit am ehesten etwas anfangen können.
Mit der vielfältigen Personensprache komme ich meistens gut klar, da gibt es etwa den burschikosen Ton der Zwerge, die geschraubte Sprache eines Diplomaten, die ruhmredige von manchen Rittern, den ziemlich modern klingenden Bericht eines Nilfgaarder Generals, der auffällig an des Tagesbericht des Heeresoberkommandos beim Einmarsch in Polen 1939 erinnert (den hab ich vor zehn Jahren für eine SF-Anthologie mit alternativhistorischen Texten gelesen). Mit großem Vergnügen erfinde ich für die Mottos zu den einzelnen Kapiteln Deutsch, das in jeweils unterschiedlichem Grade altertümlich klingt; hoffentlich entfernt mir da nicht ein übereifriger Korrektor die alte und noch ältere Rechtschreibung.
Abstriche machen muss ich aber bei der Sprache einfacher Landleute und Hinterwäldler, die im Polnischen auf vielerlei Arten simpel und altertümlich sprechen; da gibt das Deutsche einfach nicht so viele unterschiedliche Varianten her, die trotzdem noch so verständlich wären wie im Polnischen, und ich fände es unpassend, wenn die Leute in der Fantasywelt plötzlich in ganz typischem Baierisch oder Plattdeutsch zu reden begännen. (Ebenso unpassend finde ich es übrigens, wenn in einer Welt, die ganz entschieden nicht England ist, in einem deutschen Text haufenweise Lords, Ladies und Sirs herumlaufen.)
Ein Problem anderer Art ist die schiere Länge des gesamten Zyklus. Als ich die ersten beiden Bände übersetzt habe, waren, wie gesagt, die letzten noch gar nicht erschienen, und in Kenntnis der späteren Entwicklung hätte ich manches wohl anders übersetzt. Ein typischer Fall ist ein Ortsname, der polnisch „Rivia“ lautet und den ich in der Heyne-Ausgabe mit „Rivien“ übersetzt hatte. (Ländernamen auf -ia gibt es im Deutschen erst seit dem vorigen Jahrhundert, meistens sind das irgendwelche neuen Staaten wie Nigeria oder Namibia, aber Italia heißt deutsch eben Italien, Bulgaria Bulgarien, usw. Die Fantasy wimmelt natürlich von -ias, weil viele Übersetzer die Namen einfach englisch stehenlassen, aber ich möchte bei der Fantasy-Lektüre doch lieber an Transsilvanien erinnert werden als an Tansania.) Etliche Bände später stellt sich aber heraus, dass sowohl ein Land als auch seine Hauptstadt so heißen und Geralt seinen Namen nicht nach dem Land, sondern nach der Stadt gewählt hat, weshalb in der neuen Ausgabe aus Geralt von Rivien Geralt von Riva geworden ist. Das zugehörige Königreich heißt natürlich weiterhin Rivien.
Es gibt auch viel simplere Fälle, etwa, wenn ich mich bei einem Namen, der in Band 1 ein einziges Mal ganz beiläufig erwähnt wurde, schlicht vertippt habe und das erst in Band 5 merke, wo der Name zum erstenmal wieder auftaucht. Ich tröste mich mit dem Gedanken, dass auch im polnischen Text die Schreibweisen mitunter irrtümlich variieren, und das habe ich in der Regel gemerkt und korrigiert. Irgendwann in Band 3 oder 4 hat Sapkowski auch begonnen, die Elfensprache etwas zu vereinfachen, indem er hier und da einen Akzent wegließ; wen das stört, der möge sich vergegenwärtigen, dass es auch bei den Elfen eine Rechtschreibreform gegeben haben kann.
Übrigens tauchen Geralt, Cirilla, Yennefer absichtlich in verschiedenen Schreibweisen auf, weil manche von den handelnden Personen einfach nicht genau wissen, wie man diese Namen ausspricht bzw. schreibt. Die späteren Bände haben manchmal auch Kapitelmottos, die aus Büchern einer viel späteren Zeit stammen, in der alle Ereignisse des Zyklus weit zurückliegen und längst legendär sind, da haben sich nicht nur die Schreibweisen verändert, sondern man weiß auch nicht mehr so recht, ob es wirklich einmal Hexer gegeben hat ...

Fühlen Sie sich jetzt als Mitschöpfer des deutschen Witcher?

Als Übersetzer bin ich zweifellos Mitschöpfer des deutschen Hexers. Der Bücher.

Freuen Sie sich, dass der Leserkreis durch dieses Computerspiel offenbar gewachsen ist?

Na klar.

In unserem Forum wird sehnsüchtig auf das Erscheinen der wirklichen Witcher-Reihe gewartet, warum dauert das so schrecklich lange?

Erstens übersetze ich sorgfältig und daher ziemlich langsam, und zwischendurch muss ich ab und zu auch mal etwas für andere Verlage machen, sonst vergessen die mich, und wenn ich mit dem Hexer fertig bin, sitze ich ohne Aufträge da. Zweitens scheint es auch der Verlag nicht sehr eilig zu haben. Ich liefere dieser Tage die Übersetzung des fünften Bandes (von sieben, die beiden Prologbände mitgerechnet) ab, jetzt im Herbst erscheint der dritte, wir haben also knapp zwei Bände Vorlauf. Im Idealfall – wenn ich nicht ernstlich krank werde und wenn der Verlag glaubt, dass der Buchhandel die Bände rasch genug abnimmt – könnte also ungefähr aller halben Jahre ein neuer Band erscheinen, wahrscheinlich mit einer Pause vor dem letzten, denn der ist fast doppelt so lang wie die anderen. Noch schneller wird es jedenfalls nicht gehen.

Sind Sie zufrieden mit Ihrer Arbeit?

Ich hoffe, Andrzej Sapkowski und die deutschen Leser sind zufrieden damit.

Don-Esteban
11.09.2008, 16:10
Ist ein großartiges Interview.

Lolomoloko
11.09.2008, 16:18
Ist ein großartiges Interview.
§dito

dem kann ich mich anschließen, war sehr anregend zu lesen, auch wenn von dir weiterhin "witcher" kam, obwohl er doch gerne "hexer" gehört hätte. :D

Da kommt mir auch gleich eine frage. Nämlich wie das verfahren eines solchen intervies ist.
Schickst du ihm die fragen per mail oder läuft soetwas auch in einer art "chat", damit man auf den gegenüber besser reagieren kann?

Schattengreif
11.09.2008, 16:29
Beeindruckend, hat sich sehr gut gelesen.

Besonders hat mir seine Aussage zu SciFi/SF und The Witcher/Der Hexer gefallen. Und der Absatz über Tolkien, weil das genau meine Meinung ist.


Kann man vielleicht hier (http://www.the-witcher.de/?go=romane) eine vergleichbare Rubrik für den Übersetzer erstellen? Das würde meiner Meinung nach gut passen und wäre sehr interessant, mit den Informationen, die man jetzt hat, ist ja für ausreichend Inhalt gesorgt.

noni
11.09.2008, 18:35
§dito

dem kann ich mich anschließen, war sehr anregend zu lesen, auch wenn von dir weiterhin "witcher" kam, obwohl er doch gerne "hexer" gehört hätte. :D


Genau der Gedanke ging mir auch gerade durch den Kopf ^^
Aber ansonsten echt ein super Interview, das sehr interessant und aufschlussreich war. Und ganz großes Lob an medi (oder den Verantwortlichen, falls es nicht medi war :D), dass Erik Simon für ein solches Interview gewonnen werden konnte. Ist denke ich ein großes Plus für die Seite :)

Beeindruckend, hat sich sehr gut gelesen.

Kann man vielleicht hier (http://www.the-witcher.de/?go=romane) eine vergleichbare Rubrik für den Übersetzer erstellen? Das würde meiner Meinung nach gut passen und wäre sehr interessant, mit den Informationen, die man jetzt hat, ist ja für ausreichend Inhalt gesorgt.

Ich finde auch, dass das gut passen würde. Was haltet ihr eigentlich von der Idee ein eigenes Unterforum für die Bücher zu machen? Es gibt ja schon einige Threads zum Thema und mit den neuen Büchern werden es auf jeden Fall ja mehr, sodass es sich vielleicht lohnen würde...

Schattengreif
11.09.2008, 18:57
Ich finde auch, dass das gut passen würde. Was haltet ihr eigentlich von der Idee ein eigenes Unterforum für die Bücher zu machen? Es gibt ja schon einige Threads zum Thema und mit den neuen Büchern werden es auf jeden Fall ja mehr, sodass es sich vielleicht lohnen würde...
Sehr gute Idee, wäre ich stark dafür. Ich habe die Bücher leider noch nicht angefangen, da ich nicht schon wieder in eine Reihe einsteigen und dann Jahre auf die Folgebände warten wollte (eigentlich eine blöde Ausrede, ich weiß) - aber in letzter Zeit habe ich immer mehr Lust auf die Reihe bekommen. So ein Forum hätte wohl einen zähen Start, aber ich kann mir gut vorstellen, dass es dort ständigen Zuwachs geben würde. Diskussionsbedarf gibt es ja bei den Büchern genug.

Wäre schön, wenn sich die Verantwortlichen das mal überlegen. :)

Lolomoloko
11.09.2008, 19:02
Ein extra forum für diese bücher würde ich etwas zu viel finden.
Die diskussionen beleben entweder dieses oder dsa Literatur forum.
Man muss von diesen foren nicht auch noch mehr threads weglocken.
Auch hat man das so besser im überblick.

Für eine extra spalte für die bücher auf der Hauptseite wäre ich allerdings auch.
Also das was jetzt da ist, auszubauen.

Rapptor
11.09.2008, 20:47
Klasse Interview Medi, echt top.
Mich würde auch interesieren wie sich das Interview realisieren lies, da ich mal nicht davon ausgehe, dass Erik Simon ICQ hat xD

Zum Thema Bücher in unserem Forum/ auf der Hauptseite:
Also ein eigenes Unterforum muss meiner Meinung nach nicht unbedingt sein. Wir haben ja auch schon den ein oder anderen Buch-Thread, die man ja sozusagen als Sammelthreads nehmen könnte. Da der DTV anscheinend auch ein Forum über die Bücher plant, finde ich, dass wir demzufolge kein Extra-Forum brauchen.

Auf der Hauptseite sollte aber unbedingt noch was über dich Bücher stehen, und das Interview muss natürlich auch hin (logisch oder?^^)


Auf jeden Fall nochmal großes Lob an medi, dass sie das Interview geführt hat und natürlich auch ein großes Dankeschön an Erik Simon, dafür, dass er sich Zeit für uns genommen hat :gratz

meditate
11.09.2008, 21:08
ihr dürft übrigens gern noch fragen nachschieben. ich hab ihm das schon angekündigt :)

Jussylein
11.09.2008, 21:18
Gerne medi§wink

Simon du übersetzt ja Bücher was hälst du eigentlich vom Witcher Hörbuch? hast du einmal reingehört und was hälst du davon? kann ein Hörbuch genauso die Fantasy anregen wie ein Buch?? oder hast du es lieber wenn man die Bücher liest und die Leser ihre eigenen Stimmen im Kopf bilden können!!

ansonsten einen riesen Dankeschön an Dich Simon das du unsere Fragen benatwortet hast:gratz

Lolomoloko
12.09.2008, 13:09
Dazu würde mich auch interessieren was für eine Art Hörbuch es ist.
(Dies kann auch durchaus von jemandem hier beantworted werden, der es weiß)

Es gibt ja grundlegend zwei Arten Hörbücher. Einmal diejenigen, in denen ein Sprecher alles liest, ohne nenenswerte Musik/Sound untermalung und dann eben jene in denen dies Rollenverteilt abläuft.
Also eine Person spricht den erzähler, eine andere Person A, eine andere Person B usw.
Als beispiele hierfür gibt es "Die Stadt der Träumenden Bücher" von Walter Moers und "Per Anhalter durch die Galaxis" von Douglas Adams.
Die Stadt der Träumenden Bücher wird von Dirk Bach gelesen, welcher alle Rollen einnimt. Und bei Per Anhalter durch die Galaxis werden die Rollen verteilt und das geschehen mit kleinen Sounds untermalt. Dass heißt, es gibt einen Erzähler und Arthur, Ford, Trillian, Zaphod usw. haben ebenfalls individuelle stimmen, die sich auch dem Charackter anpassen (sollten). Die Sounduntermalung läuft so ab, dass wenn beschrieben wird, dass eine Zap-O-Kill (eine art Pistole) abgefeuert wird, ein Sound kommt, der dies Symbolisiert.
Mich würde nun interessieren, welche Art von Hörbuch ihm eher zusagen.

Also sozusagen eine ergäzende frage.

Jere
13.09.2008, 16:37
Da vermischt Du aber gerade Hörbuch und Hörspiel. Der letzte Wunsch ist als Hörbuch erschienen, und Per Anhalter war ursprünglich eine Hörspielserie der BBC (Radioversion, nicht Fernsehen ;)).