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Gorn mit der Axt
09.07.2004, 18:54
Prolog:
Das ist die erste Story, die ich ins Net stelle.
Ich hoffe, sie passt zu den anderen und gefällt euch. Wenn ihr etwas dazu sagen wollt, schreibt’s bitte in den Discussions-Thread.
Und wundert euch bitte nicht, wenns am Anfang nach mehreren Stories aussieht, die gehören alle zur Vorgeschichte und leiten zur Hauptstory ab ca. Seite 7 über.


Historien des Kontinents Jehranas


Kelar 45
Dernag, Hauptstadt des menschlichen Imperiums

Die Feste erwachte. Alle Hallen und Keller, Mauern und Häuser waren erfüllt von hastigen Schritten und Geflüster. Ob auf dem Marktplatz oder im Stall nirgendwo war man vor dem Gerede sicher.
„Der König stirbt!“ hörte man aus tausend Mündern „Er hat nach seinen Söhnen geschickt.“
Prinz Telatain runzelte die Stirn. Hoch oben vom Balkon seines Zimmers überblickte er die ganze Stadt.
Für das Zentrum eines Königreichs war Eraigon erstaunlich jung. Trotz der hohen Wälle und prächtigen Allen waren die Hinweise auf ihre Vergangenheit als größeres Dorf unübersehbar. Oben in der Abgeschiedenheit seines Turms verkrampften sich die Finger des Prinzen um das verzierte Geländer, dass einige Splitter losbrachen.
Von hinten hörte er die leise Stimme seiner Gemahlin Irenya. „Was quält dich, Liebster? Was erzürnt dich so?“ Der Prinz senkte den Kopf.
„Die Dummheit der Menschen,“ stieß er aus „ und ihre Dreistigkeit!“ Er zeigte nach draussen. „Sieh dorthin! In weniger als einem Menschenleben haben mein Vater und mein Großvater ein Reich geschaffen, wie es noch nie gesehen wurde. Mit Mut und ohne unnötige Grausamkeit dehnten sie es aus, bis es die heutige Größe erreicht hatte, von den sandigen Wüstenstränden der Sarnassos bis zu den eisigen Hochlanden der Barbarenstämme. Dies alles verwirklicht von Tausenden von Männern aber geplant von einem!“ Er knirschte mit den Zähnen. „Und nun, da er schwach ist von den Jahren des Regierens zeigen sie keine Trauer, sondern sind begeistert über das, was kommen mag. Verdammt, mein Vater ruht noch auf seinem Thron und schon spekulieren die fetten Kaufleute da unten, wer von uns als Erbe für sie erträglicher wäre!“
Bevor er sich noch weiter in seine Wut hinein steigern konnte, spürte er die angenehm kühle Hand Irenyas zwischen seinen Schulterblättern.
„Zürne nicht über die Menschen, mein Prinz, denn aus dir spricht nicht der Zorn sondern die Trauer. Gleich dir bedauern auch deine Untertanen, wenn der König stürbe, doch zugleich erfüllt sie dieser Gedanke mit Angst. Zu viele Jahre hat er sie geführt, als dass sie diese Vorstellung allein verkraften könnten.“ Der Zorn des Prinzen legte sich ein wenig, genug zumindest, als dass er sich bewundernd zu seiner Gefährtin umwandte und sie liebevoll anblickte. „Du bist allzu gnädig mit ihnen, doch magst du Recht haben, denn auch mich lässt allein schon der Gedanke schaudern. Doch wissen wir beide, dass nicht alle den Tod meines Vaters bedauern würden. Obwohl ich weiss, dass mein Bruder ein ehrenvoller Mann ist, war er doch schon immer der bessere von uns beiden und stets nur zu bedacht darauf meinem Vater als Regent zur Seite zu stehen.“ Er hätte noch weiter gesprochen, aber eine scharfe Geste Irenyas hinderte ihn. „ Mein Prinz, eure Liebe zu eurem Bruder verblendet euch. Dort, wo ihr Ehrgeiz seht, erblicken andere Gier, so wird Beistand zu Kontrolle, Rat zu Befehl. Wenn ihr Urotain schon nicht als Rivalen sehen wollt, so betrachtet ihn als Mensch und nicht als Bruder.“
In diesem Moment unterbrach sich Irenya, glaubte sie doch ein Geräusch an der Tür gehört zu haben. Als sie öffnete stand dort ein Bote in der blauen Uniform der Königlichen Leibgarde. Der Soldat verneigte sich und begrüßte die Prinzessin. „Der König hat mich entsandt die beiden Prinzen in den Thronsaal zu führen.“ Telatain verabschiedete sich von seiner Frau und folgte dem Boten. Als er in die Vorhalle des großen Saales eintrat sah er schon von weitem die Gestalt seines Bruders. Noch eine Handspanne größer als Telatain, der mit über sechs Fuß gewiss nicht klein zu nennen war, und gekleidet königliche Gewänder, die anzuziehen er sich nie die Zeit nahm, bot der Thronfolger Urotain wahrhaftig einen strahlenden Anblick, der ihn zusammen mit seinem Rang zum begehrtesten Junggesellen des Reiches machte. Die Prinzen fielen sich in die Arme und begrüßten sich über-schwänglich, Telatain auf die freundliche kameradschaftliche Art, die ihn im Krieg zum Liebling der Soldaten
Gemacht hatte, sein Bruder ein wenig steifer und feierlicher, aber nicht mit weniger Freude.
„Die Zeit im Norden scheint dir nicht geschadet zu haben, Bruder!“ Urokain lächelte. „Du hättste mich begleiten sollen, auf dass die Kälte dein hitziges Gemüt ein wenig abkühlt.“ Lachend betraten die beiden den Thronsaal und knieten sich vor ihrem Vater nieder.Trotz seiner neunundachtzig Jahre war Telastir eine beeindruckende Erscheinung, obwohl die breiten Schultern vom Alter gebeugt und der lange braune Bart seit vielen Jahren weiss war. Trotz dieser Bürden strahlten die Augen des Königs als er die Prinzen erblickte. „Meine Söhne. Es tut gut euch wieder beide in der Nähe zu wissen. Besonders nun, da die Zeit eures Erbes näher rückt.“ Urotain blickte auf, während sein Bruder neben ihm überrascht aufkeuchte. „Vater, geht es dir denn so schlecht, dass du uns die Regentschaft übertragen willst?“
Der König schüttelte den Kopf. „Die Zeit eurer Regentschaft wird kommen, so sicher, so sicher, wie der Sommer dem Winter folgt, doch noch müsst ihr euch gedulden, auch wird nur einer von euch diese Last tragen müssen.“ Jetzt wurde das Gesicht des Königs ernster „Obwohl die Befriedung der Gebiete im Nordosten schon Jahre zu-rückliegt, kommt es immer wieder zu Übergriffen auf Transporte und zu kleineren Aufständen. Deshalb können wir es uns nicht leisten, das Reich zu teilen, das wir so mühsam geschaffen haben.“ Verblüfft sahen die Prinzen zu ihm auf. „So werde ich denn als der Jüngere meinem Bruder den Tthron überlassen.“ Obwohl Telatain seine Worte nicht im Zorn sprach, war seine Enttäuschung zu spüren, doch sein Vater hob die Hand. Er nickte dem Jüngeren zu. „Wohl gesprochen. Doch obwohl dein Bruder der Ältere ist, will ich nicht allein darauf meine Ent-scheidung begründen. Auch will ich, wenn ich die Krone übergebe nicht nach Alter sondern nach Taten urteilen und will so auf diese wichtigste aller Entscheidungen noch ein wenig warten.“ „Wie lange wird es dauern, bis du dich entschlossen hast, Vater“ fragte Urotain. Der König blickte aus dem Fenster und drehte sinnend die Krone in seinen Händen. „Ein Jahr.“ Antwortete er. „In einem Jahr wollen wir uns erneut hier einfinden und dann werde ich wissen, wer dem Reich als Herrscher und wer als erster Berater dienen wird.“ Erneut knieten beide Prinzen vor ihrem Vater nieder und verließen dann den Saal. Irenya, halbversteckt im Schatten einer Säule mag die einzige gewesen sein, die das Glitzern in den Augen ihres Schwagers sah.

Gorn mit der Axt
12.07.2004, 00:21
Kelar 1843
Hochebene Ankohars, Nordwestlich des Esk’ Almadur

Dorlin schwitzte unter den dicken Schichten seiner Rüstung, obwohl die Sonne den Schatten des Gebirges noch nicht verlassen hatte. Suchend blickte der Zwerg sich nach seinen Männern um. Sie hatten sich am hinteren Ende des Zuges postiert, um einen Schutz für ihre Frauen und Kinder zu bilden. Mit einem scharfen Befehl scharrte er seine Krieger um sich. Besorgt musste er feststellen, dass sich nicht mehr als einige Dutzend bei ihm einfanden. Die anderen Krieger seines Stammes waren unter den grausamen Hieben der Nordmänner gefallen. Bulkin, einer der Späher, rannte an ihm vorbei und hielt auf die Spitze der Gruppe zu, wo er Barlin, seinen Vetter und Anfüh-rer der Zwerge zu finden hoffte. Plötzlich packte ihn etwas am Unterarm. Erschrocken hob er seine beiden Beile, doch statt eines Menschen stand Dorlin neben ihm und hielt ihn fest.
„Du brauchst ihn nicht zu suchen, er ist tot.“ Dorlin wusste, wie hart diese Worte für seinen Gefährten sein mussten, aber mit einer längeren Antwort konnte er sich nicht aufhalten, wenn auch nur einer der Zwerge über-leben sollte.
Verbittert dachte er einige Monate zurück. Damals hatte sich der Plan so gut angehört. Hoch im Norden des Kontinents hatten die Zwerge unter der Herrschaft der Barbaren zu leiden. Nur wenige der etwa vier dutzend Stämme lebten noch immer in Freiheit in ihren Bergen, die meisten mussten unter härtesten Bedingungen in den Minen für die Nordländer das Erz abbauen. Barlins Stamm war einer der wenigen gewesen, die das zweifelshafte Glück hatten, in Freiheit zu leben und ständig gegen die kriegerischen Nordmänner in die Schlacht ziehen muss-ten. Als die Krieger nahe daran waren aufzugeben war der Bote aufgetaucht.
Dorlin war einer jener fünf Zwerge gewesen, die ihn vor den Toren gefunden hatten. Der Bote war groß gewesen für einen ihres Volkes. Sein fester Panzer aus bestem Unterwelterz, der einst geglänzt hatte wie die Sonne war nun schartig und mit Schmutz und Blut verkrustet. Auch sein Bart war in den langen Jahren der Wanderung grau geworden, das dunkle Feuerrot von früher ließ sich nur noch erahnen. Nur Dorlin war sich dieser Veränderung bewusst, denn er kannte den Boten aus der Zeit, als er selbst noch einer der jüngsten Krieger war. Damals war er wie so viele seines Volkes einer unsinnigen Hoffnung in den Süden gefolgt und war aus der Erinnerung seines Volkes verschwunden. Bis jetzt.
Vorsichtig trugen die Zwerge ihren Kameraden in die Höhlen und pflegten ihn wochenlang, bis er gesund genug war, zu sprechen. Doch was er dann sagte, war für die meisten von ihnen zu phantastisch, als dass sie es glauben konnten. Anders als sie gedacht hatten, war die Suche nach einem besseren Leben im Süden erfolgreich gewesen. Die Gerüchte von einem friedlicherem Menschenschlag und einem anderen, bisher fremden Volk hatten sich bewahrheitet, so dass sich die ersten Zwerge bereits in diesem Gebiet niedergelassen hatten.
Die Nachricht des Boten, der wenig später seinen Verletzungen erlag spaltete die freien Stämme ihres Volkes. Viele von ihnen hatten noch genügend Krieger, den Nordländern Widerstand zu leisten, oder waren einfach nur zu stur, den Kampf gegen den übermächtigen Feind aufzugeben. Andere waren mehr auf die Sicherheit ihres Volkes bedacht und taten sich zusammen, um die lange Reise zu überstehen. Entgegen aller Erwartung verlief der erste Teil ihrer Wanderung recht gut, doch kurz vor der Überquerung des großen Grenzgebirges wurden sie von einer kleinen Streitmacht des Feindes entdeckt. Von da an wurden sie gejagt. Immer wieder mussten sich Krieger opfern, um das Überleben der Schwächeren zu sichern.
Als es ihnen schließlich gelang, durch eine enge Schlucht das Grenzgebirge zu passieren, hatten sie angenommen, die Nordländer würden die Verfolgung abbrechen. Rabiat wurde Dorlin in die Wirklichkeit zurückgeholt.
Ein Armbrustbolzen traf ihn von der Seite und durchbrach seine schon arg mitgenommene Rüstung, wurde dann aber durch den dicken Lederschutz darunter gebremst. Dorlin stoppte im Lauf und blies in sein Horn. Sofort eilten die verbliebenen Krieger in seine Richtung. „Bulkin, du nimmst dir ein dutzend Männer und kümmerst dich um den Zug, alle anderen folgen mir!“ rief er. Als sich die Zwerge um ihn sammelten zog er den Späher zu sich heran und sprach leise auf ihn ein. „Wir werden die Menschen nicht aufhalten können, das wissen wir beide.
Ihr werdet euch beeilen müssen, damit überhaupt noch einer von uns im Süden ankommt. Du darfst keine Rücksicht auf jene nehmen, die zurückbleiben, hast du verstanden?“ Bulkin nickte. Leider hatte er nur allzu gut ver-standen.
Dann waren die Nordländer heran. Durch die Unterzahl der Zwerge ermutigt, verzichteten sie auf einen Hinterhalt und stürmten mit ihren Äxten und Beidhändern auf sie ein. Dorlin kämpfte in vorderster Reihe erledigte einen der Feinde nach dem anderen, obwohl er mehr als einmal harte Schläge gegen seine Rüstung einstecken musste. Als sie den ersten Angriff der Nordländer überstanden hatten, wollte er sich umwenden, stellte jedoch mit Überraschung fest, dass es einem seiner Gegner gelungen war, den festen Panzer, der ihn schützte, zu durch-dringen. Doch schnell wurde aus der Überraschung Entsetzen, als er sah, dass sich die Streitaxt des Feindes, an der dieser noch im Tode festhielt, sich tief im Metall verhakt hatte.
Er hatte keine Gelegenheit, sich des Feindes zu entledigen, denn schon starteten die Nordländer einen weiteren Angriff. Panisch musste er zusehen, wie immer mehr der kleineren Verteidiger in sich zusammensanken. Als er dann aus den Augenwinkeln wahrnahm, wie eine große Gestalt neben ihm aufragte, nahm er all seine Kraft zusammen und führte einen mächtigen Schlag gegen ihre Beine und brüllte zornig auf, als es dem Feind gelang, dem durch das zusätzliche Gewicht verzögerten Angriff auszuweichen und dieser jetzt selbst mit dem Schwert zum Streich ausholte. Doch der von Dorlin erwartete Schlag erfolgte nie. Auf einmal war die Luft um ihn erfüllt mit einem hohen, klagenden Pfeifen und Nordländer fiel von einem Pfeil durchbohrt neben ihm auf die Erde.
Verständnislos blickte Dorlin auf. Nur hundert Schritte vor ihm erhob sich ein kleiner Hügel, über dessen Kuppe Gerade die ersten Strahlen des Morgens schienen. Dorlin jauchzte auf. Gegen das helle Sonnenlicht zeichneten sich deutlich die Schatten mehrerer schmal gebauter Wesen ab, die mit den Langbögen in ihren Händen unter den Barbaren ein Gemetzel begannen. Erschöpft ließ der alte Zwerg sich zu Boden sinken.
Endlich hatten sie ihr Ziel erreicht.

Gorn mit der Axt
12.07.2004, 22:54
Kelar 2140
Kristallgrotte, Höhlensystem unter Dar’ Karon

Der dunkle See, noch viele Meilen unter den tiefsten Zeichen menschlichen Lebens gelegen, war von schimmernden Mauern aus Kristall umgeben. Als dieser Raum zum ersten mal seit vielen Jahrtausenden von Licht berührt wurde, erstrahlte er im Schein der unendlichen Reflektionen. Das junge, am Maße seines Lebens gerade erst geborene Wesen, das bisher in Dunkelheit gelebt hatte schloss geblendet die Augen. Zutiefst erschrocken verkroch es sich in die dunkelste Ecke des steinernen Labyrinths, doch auch hier konnte es dem hellen Schein nicht entgehen und wand sich gequält auf dem Boden hin und her. Zu lange hatte sein Volk in diesen Tiefen gelebt, als dass es das Licht der Sonne, das es selbst nur noch aus Erzählungen kannte, ohne Furcht und Schmerz ertragen konnte.
Doch nun war es das letzte seiner Art. Schon seit Jahrzehnten stahlen sich die Fremden von über der Erde in ihr Reich. Als dann die ersten seiner Art verschwanden flüchteten sich die anderen in die tieferen Höhlen wo es weniger Futter gab, um den Unbekannten Feinden, deren schrecklichste Waffe das Licht war, zu entgehen. Hier hatten sie ihren Frieden zurückerhalten, mussten aber dafür den Kampf gegen die anderen Bewohner der Tiefe aufnehmen und wurden stark. Doch dann erschienen jene Fremden, die sich bisher nie weiter in die unteren Stollen getraut hatten, erneut. Nicht in kleinen Gruppen wie früher sondern zahlreicher als die Insekten in der Erde und mit Waffen von Stahl und Licht.
Nun war es das letzte seiner Art. Von den Feinden verfolgt und vom Hunger gepeinigt floh es dann durch eine schmale Felsspalte in diese Räume und verbarg sich lange Jahre vor dem grausamen Licht der Fremden. Jetzt war es zu groß, um in die ihm vertraute Welt zurückzukehren und auch wenn es ihm hier an nichts mangelte, würde es doch seine Gefährten, falls sie noch lebten, niemals wieder sehen.
Allein.
Es hatte die Höhlen dieser tiefsten aller Welten erforscht und in der Einsamkeit gelebt, doch nun erblickte es das fast vergessene Licht von früher und wusste, dass es diesmal keinen Ort gab, der ihm Zuflucht bot. Entschlossen den Feind seines Volkes einmal zu sehen richtete es sich vorsichtig auf, den Arm gegen den ungewohnten Glanz erhoben und kehrte in die Seehöhle zurück. Doch die Fremden, in ihren merkwürdigen, glitzernden Panzern, waren nicht zu entdecken. Nur ein kleiner Lichtpunkt schwebte über der Mitte des Sees, wie ein funkelndes Auge, und zog das Wesen unwiderstehlich an.
Und plötzlich vermeinte es etwas zu hören, was es zuvor nicht vernommen hatte. Im ersten Moment war es wie eine hohe, singende Stimme, dann jedoch erschien es ihm eher wie ein warmes Gefühl, das das Wesen einhüllte, danach wieder etwas anderes. Immer schien alles an diesem Licht zu sagen „Ich bin kein Feind!“
Und dann hörte es die Stimme.
Die Stimme redete mehr mit sich selbst, als dass sie das Wesen ansprach, aber sie klang warm und freundlich.
„Allein! Allein und einsam. Stark und doch verletzlich. Der beste Hüter, den man sich wünschen könnte, denn wer weiss über die Fehler der Menschen besser bescheit als jene, die unter ihnen zu leiden hatten. Versuchen wir es!“ Nach diesen Worten folgte eine lange Stille, doch dann glaubte es Stimmen in seinem Kopf zu hören, sinnlose Satzfetzen zuerst, die es nicht verstand, doch dann wertvolles Wissen, das jenem ähnelte, welches ihm einst seine Eltern vermittelt hatten.
Das Wesen, von jenen Auserwählten, die in den Folgenden Jahrhunderten um es wussten, nur als der Hüter bezeichnet, war von dieser Erfahrung überwältigt. Erneut dachte es darüber nach, aber nun hatte es auch die Worte gelernt, Fragen zu stellen. „Warum?“
Die Stimme antwortete „Weil ich jemanden brauche, dem ich die wertvollsten Dinge anvertrauen kann, die diese Welt empfangen hat…und die gefährlichsten. Ich brauche jemanden, der Leid kennt und Freude und den Wert des Lebens, so gering dieses auch sein mag. Ich brauche jemanden, der absolut treu ist. Willst du diese Aufgabe übernehmen?“ Der Hüter überlegte. „Warum ich?“
Diesmal kam die Antwort später. „Dieser Krieg, der den Kontinent über viele Zeitalter hinweg beherrscht, wird nicht durch Macht entschieden werden, soviel konnte ich erkennen. Siegen wird der, der für das einsteht, was er liebt und was er sich am meisten wünscht, denn mehr als alles andere wird er durch die Gefühle der Menschen entschieden werden. Deshalb wird allein eine Person, die alles Schöne in ihrem Leben verloren hat außer der Hoffnung, die einzige sein, der ich diese Mächtigste aller Gaben anvertraue.“
Der Hüter schob sich näher an das Licht heran und ignorierte den Schmerz, den er sich dadurch zufügte. Dann schüttelte er den Kopf. „Welche Hoffnung?“ fragte er mutlos.
Darauf begann die Kugel heller zu strahlen. „Ich bin nur ein Minderer unter Großen und kann dir deshalb nicht sagen, was einmal sein wird, aber wenn du deine Aufgabe gut erfüllst, dann mag es einmal geschehen, dass andere kommen, die dir das, was du dir am meisten wünscht, zurückgeben!“
Langsam wurden die Strahlen des Lichtes schwächer. „Ich frage dich noch einmal, willst du diese Aufgabe für mich und dich selbst übernehmen?“ Der Hüter saß lange Zeit still da, auch noch als die Kugel verschwunden und ihr heller Schein wieder der gewohnten Dunkelheit gewichen war. Dann antwortete er „Ja.“

Gorn mit der Axt
13.07.2004, 21:38
Kelar 3246
Grenze zwischen den Reichen, Am Fuße des Dar’ Karon, Westlich des Jeldin Passes

Trojakan schaute mit nach unten. Einen Anblick wie diesen hatte er sich immer gewünscht.
In den Schluchten unter seinen Füßen wurden die Streiter des Imperiums von seinen Kreaturen aufgerieben. Selbst der Orden der Paladine, verpflichtet den König und sein Land zu schützen und erfahren im Kampf gegen die Nordländer musste sich im Angesicht seiner Streitmacht Schritt für Schritt zurückziehen. Zu seiner Linken hatten die Magier des Königs neben den Priestermagiern Stellung bezogen und bildeten eine Insel der scheinbaren Ruhe im Chaos der Schlacht. Trojakan fletschte die Zähne. Es konnte doch nicht sein, dass er soviel Schmach und Spott von ihne hatte ertragen müssen, nur um hier erneut von ihnen geschlagen zu werden.
Dabei hatte die Schlacht so viel versprechend begonnen! Der junge Urorkon hatte seine Bitte erfüllt und seinen neuen Diener in den Reihen seiner Diener aufgenommen, doch schnell hatten sein scharfer Verstand und sein überzeugendes Geschenk an den Herrscher der Nordländer ihm den Weg in den kleinen Kreis hochgestellter Berater geebnet. Als dann der frühere Priestermagier zum neuen Hofmagier des Nordens ernannt wurde, sah er seine große Stunde gekommen.
Er sandte seine Schergen aus, eine Hundertschaft in jede Himmelsrichtung und ließ sich die stärksten und mächtigsten Wesen des Landes fangen. Als dann nach Monaten des Wartens und Hoffens drei dutzend der Jäger samt ihrer Beute an seinem Turm eintrafen hatte er bereits alle Vorbereitungen getroffen. Er hatte den zugemauerten Keller des lange ungenutzten Gebäudes aufbrechen lassen. Auf seine Anordnung hin schraubten sich nun die Kellergewölbe, Katakomben und Höhlen viele hundert Schritt tief in die Knochen der Erde. Dort, im untersten aller Räume, einem gewaltigen natürlichen Felsendom, konnte er endlich den Stein ablegen, den er so lange versteckt gehalten hatte. In der Dunkelheit versteinerter Epochen lag nun, was seit über 80 Jahrzehnten keines Menschen Auge mehr erblickt hatte. Einer der großen Steine Jehrans im schwachen Licht der Höhle kalt bläulich funkelnd wunderschön und schrecklich zugleich. Nur ungern hatte Trojakan sich die ganze Zeit in der Nähe des kostbaren Juwels aufgehalten, denn auch wenn die Nähe zu einem dieser Artefakte die magische Kraft auch des schwächsten Magiers vervielfachte, so hätte er doch sein Leben eingebüßt, wenn Urorkon festgestellt hätte, welch seltene und machtvolle Gabe er ihm vorenthalten hatte.
Doch als dann die Jäger zurückkehrten, weniger als zuvor und von Krallen und Zähnen gezeichnet, da hatten sie ihm die machtvollsten und unheiligsten Untiere des Landes bezwungen und gefangen und er sperrte sie ein ins unterste aller Verliese. Über jedes der Wesen sprach er einen Zauber des Gehorsams, der vom hellen Strahlen des Steines um ein Vielfaches verstärkt, bis in alle Ewigkeit anhalten würde. Nachdem er auch dem letzten der Monster seinen Willen aufgezwungen hatte, nahm er noch einmal alle Kraft zusammen und sprach ein machtvolles Wort der Bindung, das ewige Siegel, dessen Formel im innersten des Allerheiligsten des Jehrantempels in der Hauptstadt verwahrt lag und unter der strengen Aufsicht der Tempelwächter für niemanden zu sehen war, erst recht nicht für einen noch jungen und vorwitzigen Novizen, dessen Ausbildung noch weit von ihrem Ende entfernt war.
Selbst in dieser dunklen Stunde musste Trojakan über diesen Gedanken lächeln.
Damals hatte er nicht gewusst, was aus dem Keller seines Turmes hinaufsteigen würde. Lange Jahre hatte er gewartet und die Wesen unter dem Einfluss des magischen Juwels wachsen und sterben lassen. Die ganze Zeit über hatte er sich seinen Studien gewidmet um sich auf diesen Tag vorzubereiten und den letzten Raum des Turmes erst tausend Mondumläufe später wieder geöffnet.
Er betrat die riesige Kaverne, die allein von schwachen Licht des Steines erhellt wurde und sah auf die Horden seiner Diener herab, der einzigen Armee, die ihn niemals verraten, die vor keiner Gefahr fliehen und auch vor den gewaltigsten Streitern niemals zurückweichen würde.
Denn in dieser Höhle lagen schlafend dreitausend Wesen von neuer Art, wie die Welt sie noch nicht gesehen hatte, eine schreckliche als die andere.
Manche waren klein und schmal hatten aber sichelförmige und messerscharfe Krallen, andere konnten kaum in Fuß gemessen werden und hatten sich an den Wänden der Halle niedergelegt wie lebendiger Stein.
Und in der Mitte der Halle lag einsam und von allen getrennt ein einzelnes zwanzig Fuß langes Ei, mindestens achtzig Scheffel schwer und überzogen von einer dicken, ledernen Haut, in der sich in diesem Augenblick die ersten Risse bildeten.
Plötzlich fing unter ihm, in der Schlucht, ein großes Geschrei an. Trojakan wartete eine Sekunde mit verzückt geschlossenen Augen, dann spürte er das Erbeben in der magischen Kraft und wusste: Der Hohepriester war gefallen. Jetzt stimmten auch seine Verbündeten in das Geheul ein und die Dämonen ergänzten den grausigen Laut durch ihr Brüllen und Zischen. Doch im Gegensatz zu den anderen Leuten ließ Trojakan nicht alle Vorsicht fahren. Keiner der Krieger hatte erfahren, dass man ihn zum Krieg gedrängt hatte, doch auch wenn er als Magier noch Jahrzehnte zu leben hatte und noch den Enkeln seines Herrschers würde dienen können, war das diesem nicht genug. Der vergreiste, alte Monarch hatte mit Freuden seine schreckliche Schöpfung bewundert und den lange schwelenden Konflikt zwischen den beidn großen Reichen wieder zu altem Feuer entfacht.
„Ha, alle Welt soll diesen König niemals vergessen, wenn alle heutigen Geschlechter ausgestorben sind und auch der letzte Priestermagier wieder zu Staub ist, dann soll man sich noch seiner erinnern!“ Dieser Gedanke steckte voller Bitterkeit, denn der Alte Mann war noch vor der zweiten Schlacht im Grenzgebirge friedlich entschlafen.
„Alter Narr, deinetwegen sterben meine Kinder wie die Fliegen und aus tausenden werden hundert!“
Trojakan verfluchte seinen früheren König. Warum hatte er nicht warten könen, bis auch das letzte der großen Monstren für den Kampf bereit war. Denn noch immer lag unter seinem Turm das gewaltige Ei, das erfüllt war von unendlich langsamen und doch unsterblichem Leben. „Meine größte Kreatur! Der Gipfel meiner Schöpfung!“ Schwärmte er mit absoluter Sicherheit.
Mit diesem Wesen auf ihrer Seite hätten sie bestimmt keinen ihrer Mitstreiter verloren und die große Hauptstadt des Feindes würde schon in Flammen stehen. Er war so in Gedanken vertieft, dass er das erneute Aufflackern der Magie fast nicht gespürt hatte. Doch dann folgten weitere heftigere Wellen, die sich gleich Sturmwellen übernander türmten. Trojakan starrte überrascht nach unten. Einem solchem Ausbruch nach müssten alle Magier auf dem Schlachtfeld im selben Moment gefallen sein, doch dort unten regte sich nichts außer dem routinierten Runenbewegungen der Priester.
Dann riss das Firmament über ihm auf, und ein Schein wie von tausend Blitzen erhellte den dämmrigen Himmel.
Die gewaltige Entladung magischer Energie traf auf seine Barrieren und warf sie in Sekundenbruchteilen nieder.
Während er in tiefer Ohnmacht versank, nahm er als letztes noch das helle Strahlen war, als der große Wall sich gleich einem glänzenden Vorhang über die Berge legte.

Gorn mit der Axt
14.07.2004, 22:14
Kelar 3509
Küste, Äußerster Norden Elserians

Fim lauschte angespannt. Doch auch seinen geschärften Sinnen gelang es nicht, den Dämon aufzuspüren.
Außerdem behinderten ihn die anderen Geräusche im dichten Wald und das Tosen der Brandung nur wenige hundert Schritte entfernt. Hinter sich hörte er den Hufschlag der Reiter, zu seinen Seiten das leise Rascheln der anderen Treiber.
Dann dröhnte das Jagdhorn in seinen Ohren. Endlich hatten sie ihn entdeckt. Nach schier endlosen Wochen der erfolglosen Suche hatten sie jetzt die Spur des Dämonen wieder aufgenommen. Fim raste in die Richtung, aus der das Horn ertönte, blieb aber dann ruckartig stehen, als es plötzlich verstummte. In diesem Moment spürte er eine Bewegung im Dickicht und warf sich zur Seite. Ein hohes Sirren erfüllte die Luft, dann traf die Klaue des Dämons mit tödlicher Wucht auf den Stamm einer uralten Eiche, in deren Schatten Fim eben noch Schutz ge-sucht hatte. Sofort änderten sich die Rufe der anderen Männer, sie stürzten auf die kleine Lichtung zu, auf die Fim nun gehetzt herausstolperte. Obwohl er die Kreatur nicht sehen konnte, wusste er, dass sie sich in den umliegenden Bäumen verbarg. Panisch blickte er sich um. Andere, erfahrenere Treiber als er hatten in den letzten Wochen ihr Leben eingebüßt, weil sie nicht mit dieser unbekannten Reaktion des Dämonen gerechnet hatten.
Wieder hörte Fim das schrille Sirren in der Luft, aber diesmal warf er sich zu Boden. Keine Sekunde darauf zuckte etwas über ihn hinweg und hinterließ breite Schnitte im Holz der umstehenden Bäume, die mehrere Handbreit in das feste Holz hineinragten.
„Was ist dein Geheimnis?“ fragte Fim sich verbittert. Schon lange wussten die Treiber und Jäger, dass dieser Dämon sich von den wenigen, die sie bereits erledigt hatten unterschied. Anders als sie griff er nicht bei der ersten Gelegenheit an, sondern versteckte sich und pirschte sich an sein Opfer heran, kaum anders als ein Mensch es tun würde.
Mit Grauen musste Fim an die Taten des Dämons zurückdenken. Obwohl er nicht größer war, als die meisten seiner Artgenossen, legte dieses Monster ungeheure Stärke und Schnelligkeit an den Tag und hatte bisher jeden, der ausgeschickt worden war, es zu jagen, getötet.
Endlich trafen die anderen Treiber und auch einige der stärker bewaffneten Jäger auf der Lichtung ein. Fim wusste, dass die Gefahr für den Moment gebannt war. Die Männer rannten aufgeregt um ihn herum. „Was ist geschehen?“ fragten einige von ihnen, doch er winkte nur ab. „Der Dämon ist wieder geflohen.“ Ein Teil der Krieger sprang wieder auf die Pferde, um die Spur wieder zu finden, aber ein paar blieben in seiner Nähe, um sich von der anstrengenden Verfolgungsjagd zu erholen, die jetzt schon über zwei Wochen andauerte. „Soll ich dich nach Hause bringen lassen?“ fragte eine tiefe Stimme von hinten. Fim fuhr überrascht zu ihr herum. Wie immer hatte der größere, ältere Mann ihn überrascht. „Bist du verrückt, mich so zu erschrecken?“ herrschte er ihn an. Der andere lachte. „Wie sollte man einen Späher schon erschrecken, die doch schon umfallen, wenn der erste Nordländer seine Axt schärft? Habe ich dir denn gar nichts beigebracht?“ fragte er spöttisch und legte sei-nem jüngeren Freund die Hand auf die Schulter.
Fim zuckte blitzschnell mit dem Arm zur Seite und schleuderte den Mann zu Boden. „Ein wenig ist wohl hängen geblieben.“ Nun begann auch er zu lachen.
Mit einem Schlag wurde Fim ruhiger. Wenn man Baldwin anblickte erschien es einem unmöglich sich vorzustellen, dass dieser sanfte Riese zur Hektik in der Lage sei. Dennoch war dieser seit über zwölf Jahren der Anführer der Späher und mit Fim über gerade genug Ecken verwandt, als dass zwischen ihnen mehr bestand, als nur das Verhältnis zwischen einem Soldat und seinem Herren.
Der Offizier wuchtete seinen massiven Körper vom Boden, dann hieß er Fim aufzusitzen. „Komm schon, meine kleine Cousine würde mir den Kopf abreißen, wenn ihrem Sohn ein Haar gekrümmt würde, oder noch mehr als dass.“ Fim musste wieder Willen Grinsen.
Die beiden verließen die Lichtung, nachdem Baldwin das Kommando übergeben hatte und ritten mit einigen der leicht verletzten nach Süden, wo das Lager ihrer schon leicht zusammengeschrumpften Truppe lag.
Auf einmal spürte Fim ein merkwürdiges Gefühl in den Knochen. Dieses Ziehen, wie eine leichte Übelkeit hatte er schon einige Male gespürt, das letzte Mal, als er vor wenigen Minuten auf die Kreatur aus den Nordlanden getroffen war. „Irgendetwas stimmt da ganz und gar nicht!“ raunte er seinem Freund zu, doch dieser hatte sich schon im Sattel aufgesetzt. Jetzt waren auch andere Zeichen zu bemerken. Die Geräusche im Wald waren von einer Sekunde zur anderen verstummt, außer einem sanften Rascheln und dem Rufen der Männer in der Ferne war kein Laut zu vernehmen.
Dann brach das Gebüsch zu einer Seite des Weges auf und der Dämon stieß auf die wenigen Männer herab.
Die Zeit verlief in Fims Augen seltsam zäh, so dass er jede Einzelheit erkennen konnte, ohne eingreifen zu können. Wenn auch mit seinen acht Fuß Schulterhöhe einer der kleineren Bestienarten zugehörig, wütete der Dä-mon, wie es eine ganze Horde dieser Untiere kaum vermocht hatte und schaltete einen seiner Gegner nach dem anderen aus. Schließlich standen nur noch Fim und Baldwin auf den Beinen, Fim leicht verletzt durch einen tiefen Kratzer am Bein, Baldwin mit dem großen Breitschwert in der Hand, doch schwer behindert durch einen seitlichen Schnitt an der Schläfe, aus dem ihm das Blut in die Auge lief.
Einen Moment schien der Dämon zu zögern, vielleicht, um sich das schwächere seiner beiden Opfer auszusuchen, aber eher, wie es Fim schien um sich an der Furcht seiner Beute zu ergötzen.
Dann, als die Bestie auf ihn zusprang, zerriss das Band, das ihn von diesen Geschehnissen abgehalten hatte, die Zeit machte einen Sprung nach vorn und Fim duckte sich unter den Krallen des Dämonen nach vorn, warf sich nach vorn und riss die Arme vor den Körper, um sich zu schützen. Als seine ungeschützte Haut von den scharfen Krallen seines Feindes gestreift wurde, schrie er vor Schmerz auf, doch um einiges heftiger und für ihn wesentlich unheimlicher war der plötzliche Schmerz in seinem Körper, der nun stoßweise heftiger wurde.
Instinktiv streckte er dem Dämon, der sich blitzschnell wieder umgewandt hatte, die geballten Fäuste entgegen und die Kreatur wich fauchend zurück, den vom Körper des jungen Mannes schien ein helles Leuchten auszugehen und in seinen Augen brannte ein klares goldenes Feuer.
Diesen Moment der Ablenkung nutzte Baldwin, unbeeindruckt von den Künsten seines Freundes im Angesicht des Todes und rammte dem Dämon das mächtige Breitschwert tief und hart auf den Schädel. Die Klinge durch-drang seltsam leicht Muskeln und Knochen und blieb dann mit einem erschreckenden Knacken tief im Kopf des Untieres stecken. Im selben Moment durchfuhr ein hohes Klirren die Luft und ein für Baldwin fast unsichtbares etwas fuhr in rasendschnellem Flug aus dem Köper des Untieres heraus.
Erleichtert über den Tod der Bestie seufzte Baldwin auf, nur um gleich darauf erschreckt hochzufahren, als er sah, wie auf der Kehrseite des Leichnams Fim wie Tod in sich zusammensank. Mit schnelen Schritten überwand er die kurze Distanz zwischen ihnen und bettete den Körper seines verwundeten Freundes auf seinen Knien. Das Ding, das dem Ungetüm entwichen war, hatte seinen Freund unterhalb der Schläfe getroffen.
Beunruhigt schüttelte Baldwin den Kopf und starrte auf den Splitter des Jehransteines, der ein Fingerglied tief in das linke Auge seines Schützlings eingedrungen war. „Oh Fimbrethil, was hast du mir denn diesmal eingebrockt?“ Mit diesen Worten hob er seinen Freund hoch und eilte den Waldweg in Richtung Hauptstadt.

Gorn mit der Axt
16.07.2004, 00:55
1. Der Aufbruch

Über den Bergen des Grenzgebirges ging die Sonne eines neuen Tages auf. Ihr Licht wanderte von den höchsten Gipfeln über die Flanken der Berge herab und erreichte wenig später die hügelige Landschaft des Vorgebirges. Die Landschaft hoch im Norden des Imperiums gelegen schien trotz ihrer gefährlichen Lage im Schatten der Grenze zum Nordland unberührt.
Nur in wenigen der kleinen, abgelegenen Schluchten erkannte man den Schrecken, den die Horden des Urorkon über die ungeschützten friedlichen Reiche des Südens gebracht hatten. Diese Täler, alle in einer Reihe liegend offenbarten in der heller werdenden Morgensonne ein erschreckendes Bild. Im Norden nahe den Übergängen und den Pässen durch das Grenzgebirge, in einer seit jeher von allen Menschen gemiedenen Gegend, sah man nur noch verkohltes Holz und Reste gesplitterter Waffen. Weiter im Süden waren die Erinnerungen an die Taten des Feindes noch frischer. Dort lagen die zerstörten Grundmauern der geschleiften Festungen und Dörfer und die zerschmetterten Körper ihrer Verteidiger, die sich dem doch so übermächtigem Feind mutig und vergeblich entgegengestellt hatten und die der Söldner des dunklen Herrschers, jener Menschen, die ihm ihre Stärke für Geld verkauft hatten oder von den Dienern des Tyrannen zum Kriegsdienst gezwungen worden waren.
Hätte nun noch jemand gewagt, dieses geplagte Land hinter den Linien des Feindes zu betreten, wäre er auch auf die Kadaver anderer, größerer Wesen gestoßen, die im Leben weder Mensch noch Tier zu fürchten hatten und selbst im Tod noch jedem Krieger vor Furcht erstarren ließen. Wäre jener Mutige einer der wenigen Männer gewesen, die es noch wagten, gegen die dunklen Mächte aus dem Norden anzukämpfen, hätte er sich näher gewagt und Krallen und Schuppen gesehen, rote Augen, deren Feuer nun erloschen und gepanzerte Schädel, die von den Schwertern seiner Mitstreiter allzu selten durchbohrt worden waren. Jener Krieger hätte vor Hass auf die toten Körper der Wesen eingeschlagen, die seine Heimat verwüsteten oder in Trauer erstarrt stehen geblieben, wegen der Freunde, die er durch sie verloren hatte. Vielleicht hätte ihn der Anblick aber auch an den Mut der Verteidiger erinnert, und an jene besonderen Menschen, die als einzige vielleicht die Macht hatten, die Bewohner des Imperiums vor dem Sturm aus dem Norden zu schützen…

Thimris stand hoch am Rand einer Klippe, die die Schlucht, in der der Kampf zwischen der Armee von Urorkons Söldnern und Dämonen und den vereinigten Kämpfern der südlichen Reiche mit tödlicher Stärke weitergeführt wurde, vorgelagert war und sie ein gutes Stück überragte. Der junge Mann könnte wegen seiner Größe von über sechseinhalb Fuß, den breiten Schultern und durchtrainierten Muskeln für einem Offizier oder einem Leibwächter gehalten werden, doch seine von Staub und getrocknetem Blut bedeckte Kleidung und die zahlreichen kleinen Verletzungen an den sichtbaren Stellen seiner Haut zeugten davon, dass er in diesem Krieg mehr als einmal selbst in den Kampf eingegriffen hatte. Dennoch hätte jeder der Soldaten unter ihm ihn zu jeder Zeit erkannt und ihn mit seinem Leben verteidigt. Thimris wurde schmerzlich bewusst, dass dieser Fall in den letzten Wochen, in denen die Nordländer das Heer stetig weiter zurückgetrieben worden hatten, schon viel zu häufig eingetreten war. Dieser Gedanke war das einzige, was ihn in den letzten Tagen auf den Beinen gehalten hatte, in denen er immer wieder versucht hatte, den Vormarsch des Feindes aufzuhalten.
Doch auch wenn er ihm half gegen die Mutlosigkeit und die Angst anzukämpfen, die die Verteidiger so oft bedrohten, half er nicht gegen die Erschöpfung, die Thimris Willen zu überwinden drohte. Um die Müdigkeit abzuschütteln fuhr er sich über die Augen und durch die schwarzen Haare.
Obwohl er es zu leugnen versuchte, war ihm klar, dass er den Abschnitt der Verteidigung, der ihm anvertraut worden war, niemals noch länger würde halten können. Die Folgen seiner Schwäche waren ihm nur zu deutlich. Die Armeen des Feindes würden ihre ungeschützten Länder überrennen und ihre Städte dem Erdboden gleichmachen. Von seinen Sorgen abgelenkt hätte er das Geschoß, das rasend schnell aus den Reihen der Kämpfenden geflogen kam fast zu spät bemerkt. Im letzten Augenblick brachte er sich durch eine schnelle Drehung des Oberkörpers aus der Schusslinie, geriet jedoch dabei ins Taumeln und wäre beinahe gestürzt. Sofort waren Logan und Jeel neben ihm, um ihm aufzuhelfen.
„Alles in Ordnung, Tim? Oder hat es dich irgendwo getroffen?“ Logan blickte ihn fragend an, doch Thimris schüttelte nur müde den Kopf. „Ich bin nur erschöpft. Ich denke nicht, dass wir die Stellung noch lange halten können. Ist endlich die Verstärkung aus dem Süden eingetroffen?“ fragte er seinen Bruder. „Nein, von den Männern ist noch keine Nachricht gekommen. König Andraeis hat jetzt einen dritten Trupp losgeschickt. Die im blauen Zelt glauben wohl, dass dieser mehr Chancen hat durchzukommen, als die anderen beiden. Aber einige von unseren Leuten glauben inzwischen, dass Prinz Rian seine Leute absichtlich zurückhält, um einen letzten Schutz vor seiner Festung im Süden zu bilden. Zu viele seiner Untertanen haben sich nur bis dort hin retten können!“ Jeel blickte sie zweifelnd an. „Der Prinz sollte doch wissen, dass man dieses Heer nicht mit ein paar hundert oder ein paar tausend Mann aufhalten kann. Inzwischen hat er doch bestimmt genug gesehen, um zu wissen, dass das Imperium verloren ist, wenn wir hier geschlagen werden. Es gibt zwar noch die Front östlich vor Markor und die anderen Pässe, aber die beiden Hauptarmeen stehen sich hier gegenüber. Wenn irgendwo eine Entscheidung in diesem Krieg getroffen wird, dann hier in Markor.“
Thimris nickte Jeel zu, wandte sich dann aber wieder an Logan. „Welche Einheit hat der König losgeschickt?“
Logan antwortete resigniert. „’Eine Dekurie Eraigas und eine Kadei Kon’angi werden sich von den Dämonen nicht aufhalten lassen und alle Feinde zerschmettern, die sich unseren tapferen Soldaten in den Weg stellen!’, wie General Joque so überzeugend argumentierte.“ Jeel stöhnte auf und fasste sich an den Kopf. „Schwertkämpfer und Ritter als Boten? Hat der General völlig den Verstand verloren? Diese Einheiten haben nicht einmal in der offenen Schlacht eine Chance gegen diese Kreaturen, geschweige denn in einem Hinterhalt. Sie werden keine hundert Schritte weit kommen!“ Thimris legte seiner Schwester die Hand auf die Schulter. Gerade ihr, die stets die Mitfühlendste und Freundlichste der drei Geschwister gewesen war, war es ein Gräuel zu sehen, wie ihre Freunde in der Schlacht ihr Leben ließen. „Zu sehen wie ein Mann, der im Kampf weniger Erfahrung hat als sie, das Leben der Männer für ein sinnloses Unterfangen opferte, muss sie zur Weißglut bringen.“ Dachte Thimris. Er seufzte. „Ich mache mir noch andere Sorgen. Wenn fast zweihundert Männer in der Verteidigung fehlen, wer wird ihren Platz einnehmen? Unser Heer wird ständig kleiner und die wenigen Reservetruppen, die wir jetzt noch haben, bestehen aus Verletzten, die man in besseren Zeiten nicht einmal aufstehen lassen würde!“
Deshalb raffte er sich wieder auf und bemühte sich nach allen Kräften die Kämpfer unter ihm so gut es ging zu entlasten. Neben ihm standen seine Geschwister Logan und Jeel und unterstützten ihn, als er wieder und wieder Kraft seiner Gabe Blitze auf die finsteren Kreaturen verschoß. Seit drei Tagen jagten diese sie nun durch die nördlichen Schluchten des Reiches und hatten ihnen eine Niederlage nach der anderen zugefügt. Und trotz riesiger Verluste kämpften die Männer weiter. Thimris sah den Mut seiner Mitstreiter und schöpfte neue Hoffnung.
Gerade jetzt formierten sich die Verteidiger neu, um den Feind erneut für einen Tag abzuwehren, und sie brauchten seine Hilfe in den vordersten Reihen um nicht völlig aufgerieben zu werden, denn schon gellten wieder die Schreie der Sterbenden zu ihm hinauf, die von den Krallen der Dämonen tödlich verwundet oder von ihrem Gift von innen her aufgezehrt wurden. Er begann sich von seinen Geschwistern zu entfernen, doch kaum, dass er ein paar Schritte gegangen war schien sich die Luft um ihn zu verändern. Noch während er anhielt überlegte er, was er bemerkt hatte, doch trotz seiner angeborenen Gabe der Magie konnte er die Annäherung eines weiteren Untiers unter den Auren der Zehntausenden im Tal nicht bewusst erfassen. Als ihm das klar wurde, schien es bereits zu spät. Im gleichen Moment, in dem er herumfuhr, hörte er von der Seite ein triumphierendes Kreischen. Unbemerkt hatte sich eine der Kreaturen des Dunklen seinen Geschwistern genähert und griff diese nun an. In panischer Angst um seine Schwester rannte er zurück, wo Logan von dem Wesen gegen einen Felsen geschleudert wurde und sich die Kreatur nun über Jeel beugte. Er sprang auf das Wesen zu, und als es sich gerade zu ihm umwandte ließ er all seine Energie nach oben, zum Monster hin, explodieren. Der geflügelte Angreifer stieß einen fürchterlichen Schrei aus und versuchte aufzusteigen und sich in Sicherheit zu bringen, doch dabei stieß er Thimris bei Seite, der über seiner verletzten Schwester kniete. Dieser taumelte zurück... und fiel über die Klippe, mitten auf das Schlachtfeld, wo die Kämpfer des Imperiums langsam immer weiter zum Eingang des Talkessels zurückgedrängt wurden. Dann wurde es dunkel um ihn, und Thimris verlor das Bewusstsein. Während seiner Ohnmacht sah er Szenen aus der Vergangenheit, zusammenhanglose Erinnerungen an seine Eltern, seine Kindheit und das Leben mit seinen Geschwistern...

Gorn mit der Axt
16.07.2004, 22:33
Nichts in seinen früheren Jahren hätte Thimris einen Hinweis auf die Schrecknisse geben können, die er und die Seinen nun bestehen mussten. Seine Kindheit war friedlich gewesen, wie die aller Kinder der südlichen Reiche, gesichert durch den magischen Schutzwall, den die Priestermagier um den ganzen unteren Teil des Kontinents gewoben hatten. Einer dieser Auserwählten Jehrans war Thimris Vater gewesen. Sie lebten auf einem großen Gut in der Nähe der Hauptstadt der Südreiche. Thimris Vater hatte immer gehofft, sich nach den zwanzig Jahren Dienstzeit, die jeder Magier dem Schutz des Reiches zu opfern hatte, hierhin, zu seiner Familie zurückzuziehen, doch hätte er schon nach dem ersten Zeichen der Kräfte seiner Kinder wissen müssen, daß ihm kein ruhiger Lebensabend beschieden war. Er hatte bereits in seiner Lehre als Novize gelernt, daß jede längere Anwendung von Magie schwerwiegende Folgen nach sich zieht, doch hätte er niemals gedacht, daß sich seine Schuld, weswegen er ausgestoßen worden war, auch auf seine Kinder übertragen würde. Diese Schuld stammt aber noch aus der Zeit lange vor Thimris. Sein Vater, Torbald hatte seine Freundin Fireena nach seiner Studienzeit vor nicht mal einem Jahr geheiratet und bald stellte sich ihr erstes Kind ein. Zuerst war Torbald unglaublich glücklich. Er hatte nicht damit gerechnet, dass seine Ehe mit Fireena zu Stande kommen würde, da ihre Eltern adlig waren. Einzig und allein sein Stand als Priester Jehrans hatte es für sie erträglich gemacht, ihre Tochter einem Niederen anzuvertrauen. Doch schon bald kam es zu Schwierigkeiten. Etwas schien sich wie ein dunkler Schatten über das Haus gelegt zu haben. Fireena focht die ganze Nacht einen erbitterten Kampf, und ihr Mann Torbald war ständig an ihrer Seite und stärkte sie mit der Macht seines Steines, aber es sah so aus, als solle Fireena noch drei Jahre vor Thimris‘ Geburt, von der zu dieser Zeit nur eine Person etwas ahnte, zusammen mit ihrem ersten Kind sterben. Als Torbald spürte, daß er seine Frau und sein Kind zugleich verlieren würde, zerbrach etwas in ihm. Er holte den Jehranstein, der jedem Priester zu Eigen und den Legenden zufolge ein Geschenk der Götter ist, erneut hervor und tauchte tief in ihn ein, tiefer als er es je gewagt hatte. Die Lehre der Priester meinte, daß einst alle Steine Jehrans, des Ersten unter den Göttern, ein Stein gewesen seien. Deshalb war das schlimmste Vergehen, das ein Priester begehen konnte, darin, daß er das Gleichgewicht zwischen sich und seinem Stein, und damit in allen Steinen, zerstörte, daß er zuviel Kraft entnahm und dadurch den Steinen, die den Priestern ihre Macht gaben und den ewigen Wall festigten, Schaden zufügt.
All das war Torbald jahrelang gelehrt worden, hatte sich gleich glühendem Eisen in seinem Gedächtnis eingeprägt und war doch in dieser Sekunde vergessen. In dem Moment, in dem er dem Stein alles abverlangte, alle Energie entzog, zerbrach dieser in tausend Stücke und mit ihm Torbalds Zukunft in der Bruderschaft der Priester. Aber das, was er vollbringen wollte, war ihm gelungen. Fireena hatte zwar ein totes Kind geboren, dessen Anblick ihm das Herz zerriß, doch war sie selbst wie durch ein Wunder gerettet worden. Torbalds Freude darüber versiegte nie ganz, auch nicht, als er zwei Wochen später vor das Tribunal und den Hohepriester treten mußte und aus der Bruderschaft aus gestoßen wurde.

...Thimris dämmerte schlafend dahin, heimgesucht von den Erinnerungen...

Seitdem wurde Torbald kein Ansehen mehr zuteil in der Hauptstadt, wo ihn alle kannten und wußten, warum er nicht mehr zu den Priestern zählte. Deshalb flüchtete er mit seiner Frau nach Caladar, einem kleinen Land an der Ostküste des Kontinents, zu den seinen Eltern, die dort einen großen Hof besaßen. Doch trotz des Verstoßes heilten seine inneren Wunden langsam, vor allem durch die Geburt von Thimris und zwei Jahre später der seiner Zwillingsgeschwister Logan und Jaleel, kurz Jeel genannt.

...In seinem Bewußtsein wütete der Schmerz, und er wußte, daß er die Kontrolle über seine Magie verloren hatte. Sie suchte sich einen Weg zu ihrer Entstehung, und so erlebte Thimris noch einmal sein erstes Erlebnis mit der Gabe...

Torbald hatte sich bereits gefragt, wann die Magie sich in seien Kindern manifestieren würde. Die Gabe der Magie wurde zwar auch immer wieder im einfachen Volk entdeckt, war jedoch viel häufiger bei den Kindern derer zu betrachten, die sich ihrer lange bedient hatten. Er war sich sicher, daß zumindest eines seiner Kinder diese Veranlagung besäße, da seit der Erschaffung des Walls vor mehr als siebenhundert Jahren niemand mehr so viel magische Energie angewandt hatte, wie er bei seinem Versuch, seine Frau zu retten. Doch auch er war entsetzt, als er sah, wie mächtig die Gaben der Magie waren, die seinen Kindern gegeben worden waren.

...Fast hatte Thimris in seinem Schmerz gelacht, betrachtete er doch gerade noch einmal seine ersten unbeholfenen Versuche seine Magie zu kontrollieren. Hätte er zu diesem Zeitpunkt gewusst, welche zerstörerische Macht ihm anvertraut worden war, er hätte sie wohl nie wieder angewendet...

Thimris war fünf Jahre alt gewesen, als er das erste Mal seine Gabe benutzte. Er bemerkte, daß er Energie in sich aufnehmen und sie speichern konnte, um sie später beliebig wieder abzugeben. Seine Eltern wußten sofort, daß es sich um mächtige Magie handelte, auch wenn Thimris noch zu jung war und nicht verstand, warum sich alle so aufregten, wenn er eine Blume zum Blühen brachte oder ohne Feuer eine Kerze entzündete.

Gorn mit der Axt
18.07.2004, 01:00
...Unaufhaltsam näherte sich die Erinnerung jenem Ereignis. Noch einmal trug sich in seinen Gedanken das zu, was er selber später als die dunkle Seite seiner Magie betrachtete. Erst Jahre später lernte er, dass es allein von ihm abhing, ob seine Gabe zum Gutem oder zum Schlechten eingesetzt wurde, denn sie war keines von beidem, nur Macht, wie sie scheinbar seit Jahrhunderten keiner mehr gehabt hatte, in den Händen eines kleinen Jungen ...

Sechs Jahre, nachdem er seine Magie das erste Mal entdeckt hatte, ging er zusammen mit seiner Mutter und jüngeren Geschwistern auf den Markt der Stadt Caladar um einzukaufen. Auch sie hatten inzwischen Spuren von Magie gezeigt, doch waren sie noch im Anfangsstadium. Er hingegen hatte schon Erfahrung im Umgang mit seiner Gabe.
Auf dem Rückweg vom Markt sprangen auf einmal drei Männer auf den Pfad, der durch den Wald führte. Fireena versuchte sich mit ihren Kindern zurückzuziehen, aber auch hinter ihnen waren Bewaffnete aufgetaucht. Langsam kamen die Räuber näher und umringten sie von allen Seiten. Als der erste Angreifer dann mit dem Messer in der Hand auf sie zu rannte schien für Thimris die Zeit stillzustehen. Er wußte, was gleich geschehen würde, und daß er es mit seinen bisherigen Kräften nicht aufhalten konnte. Doch tief in sich fühlte er die Gabe der Magie brennen, heiß und stark wie noch nie und sie reagierte auf seine Not. Die Zeit riß wieder auseinander. In dieser Sekunde gab Thimris alles frei, was er in den letzten Tagen an Energie aufgenommen hatte. Einem Blitzstrahl gleich fuhr sie auf den einzelnen Angreifer zu und zerfetzte ihn. Sogleich wandte Thimris sich den vier anderen, die sie umstellt hatten, zu, die schon flüchteten. Doch in diesem Moment versiegte seine Kraft.
Zuletzt sammelte er sie noch einmal und schleuderte ihnen einen Feuerball hinterher, der sie bewußtlos und verletzt zu Boden warf. Dann brach er zusammen. Als er wenig später wieder erwachte, sah er seine Mutter weinend Logan umarmen, während ein aus der Stadt herbeigeholter Arzt Jeel behandelte und Thimris immer wieder furchtsam anblickte. Nun bemerkte er, was er getan hatte. Die umgebenden Bäume waren verkohlt, die am Boden liegenden Blätter hatten Feuer gefangen. Er hatte seine Schwester zwar verteidigt, doch dabei immensen Schaden angerichtet und, was das Schlimmste war, dabei Jeel verletzt. Langsam kroch er auf sie zu. Als er näher kam, bemerkte er, daß der Arzt vor ihm zurückwich, und dass seine Schwester auf der linken Seite des Kopfes eine lange Brandwunde hatte. „Das ist alles meine Schuld.“ Murmelte er. Er konzentrierte noch einmal alle Energie, die er besaß, in seine Hände und schickte sie langsam an Jeel. Zuerst sah es so aus, als sollte sein Versuch vergeblich gewesen sein, doch langsam wurde die Brandwunde blasser, und Jeel schlug die Augen auf.
Nachdem ihr Bruder, nun endgültig erschöpft, zu Boden sank, fuhr sie sich erstaunt über die Narbe auf der Wange, von der sie wußte, daß sie diese für immer behalten würde.
In den Tagen nach seinem ersten Erwachen war Thimris sehr still. Er verließ sein Zimmer nicht, man merkte, daß ihn etwas quälte. Am dritten Tag kam sein Vater in sein Zimmer. „Thimris“, begann er „ man sieht, daß etwas mit dir nicht stimmt. Liegt es daran, was Du getan hast?“ Sein Sohn blieb still. „Tim. Es ist nicht Deine Schuld, daß Deine Schwester verletzt wurde. Hättest du Deine Mutter und Deine Geschwister nicht geschützt, wärt Ihr vielleicht alle verletzt worden. Ihre Kräfte sind gewiß nicht schwächer als deine, aber noch nicht so ausgereift, daß sie sich selbst hätten schützen können. Du hast dir nichts vorzuwerfen, solange du dich immer an zwei Regeln hältst. Deine Kräfte nie zu Deinem eigenen Vorteil einzusetzen und sie, außer in einem Notfall wie diesem, nie gegen Menschen anzuwenden. Du brauchst keine Angst zu haben, bestraft zu werden, es gibt zahllose Zeugen, die sagen, daß du in Notwehr gehandelt hast. Auch von mir wirst du nicht bestraft werden.“
Thimris war überrascht. Sein Vater hatte schon früher mit ihm über die Regeln der Magie gesprochen, und er hatte sich gefürchtet, weil er sie hatte brechen müssen. „Tatsächlich“, fuhr sein Vater fort, „muß ich sagen, daß ich stolz auf dich bin.“ Thimris starrte ihn entsetzt an. „Nein, Tim. Nicht, weil du bewiesen hast, daß Deine Magie stark ist, und auch nicht nur, weil du Deine Mutter, Jeel und Logan gerettet hast.“ Er machte eine Pause. „Ich bin stolz, weil du gezeigt hast, wie reif du geworden bist. Du hast, nachdem du selbst schwer verletzt warst, all Deine Energie an Deine Schwester gegeben, um sie zu retten. Es gibt nichts Edleres, als sein Leben zu riskieren, um andere zu retten.“
Thimris war glücklich, daß sein bisher schlimmstes Erlebnis so glücklich ausgegangen war. An diesem Tag beschloß er seine Gabe, wie er die Magie nur noch nannte, zu trainieren und zu verstärken, um eines Tages auch anderen Menschen damit zu helfen. Doch wurde ihm das weder von den Bewohnern der Umgebung, noch denen der Hauptstadt, der sie manchmal einen Besuch abstatteten, gedankt. Sie wußten nur, daß er sich einer Magie bediente, die seit der Erschaffung des Walls nur selten zu sehen war und noch nie in solcher Stärke. Deshalb hatten sie Angst vor ihm und mieden seine Familie. So wurde Thimris zu einem Außenseiter, der nur seinen Geschwistern und Eltern vertraute.

...wenn Thimris bisher von seinen Erinnerungen gequält worden war, so brachten sie ihm nun Freude. Er lächelte im Schlaf und dachte zurück an seine erste Begegnung mit seinem besten Freund...

Gorn mit der Axt
18.07.2004, 16:00
Die Zeit verging, und Thimris wuchs zu einem Jungen von sechzehn Jahren heran. Er kontrollierte die Gabe besser denn je, und auch seine Geschwister zeigten Erstaunliches.
Es stellte sich heraus, daß Jeel Materie jeder Art fortbewegen konnte, ohne sie zu berühren. Das Gewicht dessen, was sie bewältigen konnte, wurde von Tag zu Tag mehr. Des Weiteren konnte sie Gegenstände in ihrer näheren Umgebung ohne Zeitverlust an einen anderen Ort bringen.
Logans Begabung war wiederum ganz anderer Art als die seiner Geschwister. Er konnte sich alle Eigenschaften der Dinge, die er berührte, zu Eigen machen. Er konnte während einer Schlägerei die Härte von Stein annehmen oder sich zum Beispiel in ein Tier verwandeln, das er kurz zuvor berührt hat, um zu flüchten.
In gleichem Maße, in dem die Kräfte der Kinder wuchsen, wuchs auch die Ablehnung durch andere. Einige wollten einfach vorsichtig sein und nichts mit jener Familie zu tun haben, andere verhielten sich unverhohlen feindlich. Doch hielt sie die Angst vor der Magie stets davon ab, handgreiflich zu werden.
Eines Tages jedoch ging Logan allein in die Stadt und wurde auf dem Weg von einer Bande älterer Jugendlicher überfallen. Sie schubsten ihn herum und stießen ihn zu Boden. Thimris, der wohl gespürt hatte, daß sein Bruder in Schwierigkeiten war, kam gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie die Jugendlichen auf einen der Ihren einschlugen, der offensichtlich versucht hatte, Logan zu schützen. Thimris kannte die Jungen aus der Stadt nicht besonders gut, wußte aber, daß dieser eine Jinda hieß und sich stets weniger abweisend verhalten hatte als die anderen. Kurz entschlossen ging er auf die Gruppe zu. Er schob Logan hinter sich und wandte sich dann an die Anderen
„Was soll das? Warum habt Ihr meinen Bruder angegriffen und diesen Jungen, der doch zu euch gehört?“
Der Anführer spie vor ihm aus und sagte „Scher dich weg, bevor wir mit dir das Gleiche machen. Du und deinesgleichen habt es nicht anders verdient. Und was diesen Verräter hier angeht, den habt Ihr wohl verzaubert, daß er auch noch versucht, euch zu schützen.“ Da loderte der Zorn in Thimris hoch, doch er beherrschte sich vollkommen. Er kniete vor Jinda nieder und heilte seine Wunden. Die Jungen, die nun wohl das erste Mal sahen, wie er Magie gebrauchte, sahen ungläubig zu, doch dann begannen sie, Steine nach ihm zu werfen. Als Logan und Jinda Gefahr liefen, erneut verletzt zu werden, konnte Thimris sie nicht mehr ignorieren. Zornig, aber entschlossen, nicht wieder die Kontrolle zu verlieren, ging er auf sie zu. Der nächste Stein, der auf ihn geschleudert wurde, zerbarst, getroffen von einem Blitzstrahl. Die Jungen wichen erschrocken zurück, warfen jedoch weiter. Da sandte Thimris einen schwachen Feuerball auf sie zu, der vor ihren Füßen aufschlug und ihre Kleidung versengte. Nun endgültig in Panik suchten sie ihr Heil in der Flucht. Thimris und Logan brachten Jinda zu sich nach Hause. Sie legten ihn auf eine Bank und erzählten ihrem Vater, was geschehen war.
Als Jinda am Abend erwachte, wußte er zunächst nicht, wo er war. Er war allein im Zimmer. Er schlich sich auf den Flur hinaus und zur Wohnzimmertür, von wo er Stimmen hörte. Erst wollte er sich bedanken und eintreten, doch dann sah er, wie Thimris und seine Geschwister vor ihren Eltern ihre Kräfte einsetzen und sich spielerisch verfolgten. Er bekam Angst und wollte weglaufen, und doch war das, was er dort sah, das Aufregendste, was er je erlebt hatte. In der großen Wohnhalle führten die Kinder einen Scheinkampf auf und zogen dabei alle Register. Jinda sah, wie vielfältig ihre Begabung war und überrascht, als er sah, wie Thimris seinen Bruder, als der einmal hinfiel, in einer Sekunde heilte. Er hatte in der Stadt und bei den anderen Jungs in der Bande immer nur gehört, daß diese Familie gefährliche Magie besaß, und daß sie anderen Schaden zufügen würden. So fasziniert war er von dem Schauspiel, daß er nicht bemerkte, wie Torbald neben ihn trat und die Tür öffnete. „Da scheint euch jemand zusehen zu wollen.“ Schmunzelte er und zog Jinda in den Raum. Zuerst hatte dieser Angst und verhielt sich abweisend, doch nach und nach lernte er die Anderen kennen und bemerkte, wie falsch alle in der Stadt lagen. Als er zuletzt an der Tür stand, hatte er alle Scheu verloren. Er bedankte sich bei Thimris. Jeel hingegen meinte, sie müßten sich bei Jinda bedanken. Als er gerade nicht hinsah, teleportierte sie sich hinter in und küßte ihn auf die Wange. Jinda lief rot an und verabschiedete sich mit dem Versprechen wiederzukommen. Thimris wußte, daß er heute seinen ersten Freund gefunden hatte und freute sich auf die nächsten Tage.

...Thimris wachte auf und sah Jeel auf seinen Schoß gebeugt liegen. Sie war offenbar die ganze Nacht bei ihm gewesen. „Jeel? Jeel. Wach auf.“ Jeel schlug die Augen auf und sah ihn an. „Tim, bist du nun endlich wieder aufgewacht?“ Er sah sie an „Wie du siehst schon, aber erzähl mir bitte erst einmal, was passiert ist.“ Sie setzte sich bequem hin und begann zu erzählen:
„Nachdem ich durch einen Schlag von Urorkons Schergen ohnmächtig wurde hast du Dein Gleichgewicht der Gabe verloren und bist vom Abhang gefallen. Logan wurde von einem Flugwesen weggeschleudert, ich weis noch nicht, was mit ihm geschehen ist. Außerdem Du hast für den letzten Schlag mehr Energie benutzt, als du zur Verfügung hattest und bist damit, ohne es zu wissen, an Deine Reserven gegangen. Allen hat dich vom Schlachtfeld getragen und hierher gebracht. Die besten Heiler des Königs haben sich tagelang um dich gekümmert, aber du hast die ganze Zeit im Schlaf geschrien. Ich habe gedacht, du müßtest sterben. Erst seit zwei Tagen geht es dir wieder besser. Jinda und ich haben uns die ganze Zeit an Deinem Bett abgewechselt.“ Jeel fing an zu weinen. „Nicht, Jeel. Es geht mir doch gut. Du brauchst keine Angst um mich zu haben. Aber sag, wie ist die Schlacht verlaufen? Haben wir gesiegt?“ Sie schüttelte den Kopf. „Nein, dazu bestand ohnehin keine Chance. Urorkons Horden sind unseren Kämpfern etwa zwölf zu eins überlegen. Wir haben uns zwar tapfer geschlagen, aber nachdem du die Abschnitte unserer Schlachtreihe, die durchbrochen wurden, nicht mehr entlasten konntest, griffen die Kreaturen nur noch heftiger an, und unsere Armee geriet in Panik. Viele sind gestorben, so daß es für uns schlechter aussieht denn je. Wir haben zwar nicht verloren, sind aber bis zum Eingang des Waldweges zurückgedrängt worden. Das war vor drei Tagen. Inzwischen mußten wir uns immer weiter zurückziehen, da Allen und Wern noch nicht mit der Verstärkung eingetroffen ist. Heute Abend tagen die im Anführer im Blauen Zelt. Es soll beschlossen werden, ob wir unsere Stellungen hier aufgeben und uns zur Hauptstadt zurückziehen.“ Thimris war entsetzt. „Aber wenn wir das tun, werden alle Menschen in den Dörfern und Städten in der Nähe von Markor schutzlos sein. Ich muß mit zum Senat oder den Soldaten helfen, sich hier zu halten.“ Er versuchte aufzustehen und hielt sich im ersten Moment nur durch ungeheure Willenskraft auf den Beinen. Dann brach er erneut zusammen. Jeel legte ihn wieder ins Bett. „ Bruder, ich weiß, daß du lieber helfen würdest, als hier zu liegen, aber du bist zu schwach. Ruh dich erst einmal aus. Ich werde dich im Senat vertreten.“ Den letzten Satz hörte Thimris bereits nicht mehr. Er war wieder Gefangener seiner Magie und seiner Vergangenheit...

Gorn mit der Axt
19.07.2004, 23:50
Es war ein klarer Herbstmorgen. Die drei Geschwister machten mit Jinda einen Ausflug. Dieser hatte sich im letzten Jahr immer wieder für sie eingesetzt, sowohl zu Hause, als auch in der Öffentlichkeit, wodurch sich die Abneigung gegen sie zurückgegangen war. Jinda hatte sich immer mehr mit ihnen angefreundet, vor allem aber mit Jeel, die ihn anscheinend auch mochte. Dadurch machte er sich jedoch erneut unbeliebt und trainierte seinen Körper und seine Kampfkunst, um nicht wieder auf seine Freunde angewiesen zu sein.
Sie verbrachten den Tag mit Herumalbern und Kämpfen. Obwohl Jinda wußte, daß er keinem der drei beikommen konnte, trat er zum Spaß gegen sie alle nacheinander an. Er hielt sich beachtlich. Aber als er zuletzt gegen Thimris antrat und dieser ihm einfach das Schwert wegschmolz, gab er auf. Jeel und er machten sich daran, das Schwert zu reparieren. Jeel hielt es mit ihrer Gabe in der richtigen Position, nachdem Thimris es verflüssigt hatte. Jinda setzte bereits zum Protest an, doch Thimris kam ihm zuvor. „Du brauchst dich nicht zu beschweren Jin, Dein Schwert ist gleich wieder ganz. Du kannst sogar glücklich sein. Dadurch, daß wir es viel heißer geschmiedet und in die perfekte Form gebracht haben, müßte es noch besser sein als vorher.“ Jinda besah sich das Schwert. Tim hatte Recht. Das Schwert glänzte in der Farbe besten Stahls und die Klinge schien rasiermesserscharf. „Vielen Dank, Tim, das ist ja wundervoll. Ich frage mich...“
An dieser Stelle wurde Jinda unterbrochen. Ein fürchterliches Brausen erfüllte die Luft, und ein Windstoß warf sie alle nieder. Als sie sich nach einigen Augenblicken wieder aufrichteten, sahen sie nichts, was einen solchen Wind hätte auslösen sollen. Nur Logan meinte, etwas zu sehen. „ He, schaut mal darüber, über den Bäumen.“ Und tatsächlich sahen sie alle noch für wenige Sekunden einen riesigen Schatten, der sich rasend schnell durch die Luft bewegte und dann am Horizont verschwand.
Jeel wandte sich um. „Hat einer von euch eine Ahnung, was das war?“
„Mir ist egal, was es war, aber es flog in Richtung Stadt! Schnell, wir müssen nach Hause. Jeel, kannst du uns zurückbringen?“ Fragte Thimris. „Nein, Tim. Ich bin noch erschöpft vom Kampf, und auch so könnte ich ja doch nur zwei von uns transportieren.“
Sie beendeten also ihren Ausflug und begaben sich schnellst möglich nach Hause.

... Thimris wälzte sich im Schlaf unruhig hin und her, gequält von den Bildern, die er seit damals zu vergessen versucht hatte...

Da sie weit gewandert waren, benötigten sie mehr als eine Stunde, um in die Nähe der Stadt zurückzukehren.
Doch als sie den letzten Hügel des Weges erklommen hatten, sahen sie schon von weitem eine riesige Rauchwolke, welche die Stadt überzog, und eine kleinere in einiger Entfernung. Jäh stoppten sie. „Unser Haus“, murmelte Logan. „Wer kann das gewagt haben?“
Sie eilten nun, zu noch größerer Eile angetrieben, auf ihr Gut zu. Unterwegs sahen sie wieder den gigantischen Schatten, der ganze Straßenschluchten bedeckte und die Menschen fast mehr in Angst versetzte als das schwelende Feuer und zuletzt in Mitten des Rauches verschwand, kurz, bevor ihn eine Feuerkugel erreichen konnte, die Thimris mit aller Kraft geschleudert hatte. Als sie endlich zu Hause ankamen, entdeckten sie, daß außer den Grundmauern nichts als Asche von dem Haus übriggeblieben war, in dem sie aufgewachsen waren und das auch Jinda liebgewonnen hatte.
„Mutter!“ Schrie Thimris „Vater! Wo seid Ihr?“ Er schrie, so laut er konnte, und als das nichts half, schickte er sogar Blitze der Gabe Rauchzeichen gleich in alle Richtungen. Doch es kam keine Antwort.
Es schien, als seien Torbald und Fireena gestorben, hingerafft durch ein Feuer, von dem keiner wußte, was es ausgelöst hatte.

...In seinem Schmerz schlug Thimris wild um sich, und nur die Fähigkeit seiner Schwester bewahrte ihn davor, sich ernsthaft zu verletzen. „Tim, bitte halt durch. Wenn unsere Eltern noch leben, verlieren sie durch deinen Tod vielleicht ihre letzte Chance, zu uns zurückzukehren.“...

Gorn mit der Axt
20.07.2004, 18:57
Nachdem Thimris sich etwas gefangen hatte, beruhigte er seine jüngeren Geschwister. Hätte er es nicht getan, hätte es wohl noch weitere Opfer gegeben, da Jeel und Logan der Magie in ihrem Schmerz freien Lauf ließen.
Wenig später drehte er sich zu ihnen herum „Kommt. Wenn wir in die Stadt zurückkehren, erfahren wir vielleicht, wer oder was das angerichtet hat.“
Nun war auch Jinda in höchster Sorge. Seine ganze Familie lebte in der Hauptstadt und der Umgebung, und so mußte auch er fürchten, viele liebgewonnene Menschen an dieses schreckliche Feuer verloren zu haben.
Sie gingen langsam auf die Stadt zu. Während sie gerade das zerschmetterte Stadttor passierten, fragte Jinda die Anderen. „Hat einer von euch eine Ahnung, was das alles angerichtet haben könnte? So fern von der Küste gibt es keine wirklich großen Stürme. Ein Erdbeben hätten wir auch im Wald bemerkt, und ein normales Feuer hätte sich nicht so rasend schnell ausgebreitet. Außerdem war da doch dieser Schatten über der Stadt, der uns überflogen hat. Haltet Ihr es etwa für möglich, daß ein einzelnes Wesen solch eine Vernichtung anrichten könnte?“
Die Geschwister waren sprachlos. Da Caladar eines der kleinsten Länder der südlichen Reiche war, hatte man es nicht für nötig gehalten, die gleichnamige Hauptstadt, die eh die einzige wirklich bedeutende Ansiedlung Caladars war, stark zu befestigen. Trotzdem konnte sich keiner von ihnen ein Wesen, egal welcher Größe vorstellen, dem es möglich war, eine Stadt dieser Ausmaße in kürzester Zeit zu verwüsten.
Sie gingen weiter durch die zerstörten Straßen und wunderten sich. Ganze Wohnviertel waren abgebrannt, und der Palast des Herzogs, des Herrschers über Caladar, war in der Mitte gespalten, wie von der Axt eines Riesen in zwei Hälften getrennt.
Obwohl sie sich aufmerksam umsahen, bemerkten sie keinen lebenden Menschen, und sie getrauten sich nicht, in einem der Häuser nach jemandem zu suchen, da diese schwer beschädigt waren und vermutlich eingestürzt wären. Als sie zu Jindas Haus gingen, sahen sie, daß es zwar nicht so schwer beschädigt war wie viele der Anderen, das aber auch dieses Gebäude menschenleer schien.
Mit ausdrucksloser Miene sprach Jinda. „Laßt uns zum Marktplatz gehen. Dort, an der Rückseite des Palastes. An diesem Ort versammeln sich immer alle, wenn irgendetwas geschehen ist.“
Und tatsächlich, als sie nach zehn Minuten auf dem Markt ankamen, sahen sie eine Menschenmenge. Sie sahen aber auch, daß viele der Pflastersteine glasig geworden und gesprungen waren, als ob hier das Feuer seinen Anfang genommen hätte. Thimris sagte: „Ich glaube nicht, daß diejenige, die gerade eingekauft haben, solch ein Feuer ungeschützt überlebt haben können. Diese da müssen also nachher gekommen sein. Vermutlich sind das dort alle unverletzten Überlebenden dieses Viertels.“
Als sie näherkamen, mußten sie entsetzt feststellen, daß es sich bei der Menge nicht, wie sie gedacht hatten, um einige hundert, sondern nur etwa fünf Dutzend Menschen handelte. Ihr Entsetzen war begreiflich. Auch wenn Caladar eine verhältnismäßig kleine Stadt war, lebten in ihr doch etwa zweitausend Personen, und die meisten davon rund um den Marktplatz. Wenn diese Menschen wirklich alle waren, die das Feuer überstanden hatten, dann mußte man annehmen, daß nur noch ein Bruchteil der Bevölkerung lebte.
Dann rief Logan erleichtert auf. „Seht doch, von der Hauptstraße kommen noch einmal dreißig und durch die anderen Straßen noch mehr. Sie können gerade erst angefangen haben, sich zu versammeln.“
Auch wenn die Zwillinge sich darüber zu freuen schienen, so wußten Jinda und Thimris doch, daß, selbst wenn noch zehn solcher Gruppen kämen, die Katastrophe Verheerendes angerichtet hatte.
Dann wurden sie von den Stadtbewohnern entdeckt. Ein leises Murren ging durch die Menge. „He, sind das nicht diejenigen, welche die andere Art von Magie besitzen?“ fragte einer der abseits sethenden flüsternd. Ein großer unangenehm aussehneder Kerl trat langsam auf die vier zu. „Deren Haus wurde doch als erstes zerstört, ich wette, was immer das Feuer ausgelöst hat, war hinter denen her.“
Schon rannte die ganze aufgebrachte Menge auf die erschrockenen Freunde zu. Diese machten sich schon bereit, im Notfall ihre Kräfte einzusetzen, als aus Richtung des Palastes eine dröhnende Stimme zu hören war.
„Laßt sie in Ruhe!“ Donnerte es. „Sie haben nichts mit der Zerstörung unserer Stadt zu tun und sind ehrbare Leute.“ Beunruhigt über diese erneute Einmischung wandte sich die Menge um.- dort, auf dem höchsten intakten Punkt des Palastes standen zwei Personen.
Der Eine war ein kräftig gebauter Mann in guter, wenn auch beschmutzter Kleidung, der andere ein Hüne, an die sieben Fuß hoch gewachsen und in eine schwarze Robe gehüllt. „Die gehören bestimmt auch zu diesem Zaubererpack“, schrie schon einer. „Fangt sie!“ Doch er wurde festgehalten von Einigen in der Menge, die in dem Kleineren der Beiden den Herzog erkannten.
„Vater!“ Schrie Jinda. „Vater, bist du es?“ Während er durch die Menge auf den Palast zu rannte, schauten sich die Geschwister verunsichert an. Obwohl sie wussten, das Jindas Familie zu den reichsten der Haupstadt gehörte, hatte er ihnen doch nie erzählt, dass es sich bei seinem Vater um den Herzog handelte, den anerkannten Vogt des Hochkönigs, dem die Regierung und Verwaltung ihres Landes oblag.
Einige Sekunden später liefen sie hinter ihrem Freund her, und die Menge teilte sich vor ihnen. Unbewußt nahm Thimris wahr, daß viele Menschen sie immer noch mißtrauisch ansahen, und er fragte sich, ob sich an dieser Einstellung jemals etwas ändern würde.

... Im Schlaf wurde Thimris ganz steif. Er wappnete sich innerlich, denn er wußte, daß die schlimmsten Erinnerungen erst mit dieser Begegnung beginnen würden...

Gorn mit der Axt
21.07.2004, 22:54
Die Freunde sahen Jindas Vater langsam eine zerschmetterte Treppe hinunter klettern, wobei der Große ihm mit überraschender Behendigkeit folgte. Jetzt erst wurde Jinda sein Glück bewußt. Wenn sein Vater sich wirklich, wie sonst um diese Zeit im Palast aufgehalten hatte, so war es ein Wunder, daß er das Unglück unverletzt überstanden hatte, wo doch gerade dieses Gebäude so schwer beschädigt war.
Dann kam er auf dem Marktplatz an und umarmte seinen Sohn. Jinda hatte schon von weitem gesehen, an welcher Stelle der Stadt der Rauch aufstieg, und schon das Schlimmste vermutet.
Der Herzog sprach Thimris an. „Ich muß dir wohl danken, Tim. Wenn Ihr meinen Sohn nicht gerade heute mitgenommen hättet, wäre er bestimmt verwundet worden. Auch mir ist ja nur deshalb nichts geschehen, weil mein Freund hier mich im letzten Moment aus dem Arbeitszimmer gezerrt hat.“
Tim winkte ab. Doch dann fiel ihm etwas auf. „Sins wir uns schon einmal begegnet, Mylord?“
„Zu einer Zeit, an die du dich nicht mehr zurückerinnern kannst. Es war, kurz nachdem mein Freund Torbald zu uns nach Caladar gezogen ist.. Hat er dir nie davon erzählt?“ „Wovon?“ Fragte Thimris. Er schien sich jetzt kaum noch beherrschen zu können. Aber auch Logan und Jeel waren neugierig geworden. Warum hatte ihr Vater ihnen nie etwas von seinem Freund erzählt? Und wer war der Mann, der neben dem Herzog stand? Hatte er etwas mit den Geschehnissen in der Stadt zu tun?
Der Mann, der sich offensichtlich über die Ratlosigkeit der drei amüsierte, meinte. „Laßt uns in eines der Häuser gehen. Was wir euch dreien zu sagen haben, müssen nicht alle hier hören.“
Sie zogen sich in einen Seitenflügel des Palastes zurück, der nur leicht beschädigt war. Nachdem sie sich gesetzt hatten, nahm der Große die Kapuze ab und begann zu erzählen.

...Thimris lag nun ganz still. Jinda, der Angst um seinen Freund hatte, beugte sich über ihn, konnte aber nichts Besonderes feststellen. Er konnte nicht wissen, daß Thimris zum zweiten Mal der Botschaft lauschte, die ihr aller Leben verändert hatte...

„Um Eure erste Frage zu beantworten, mein Name ist Ziordan. Ich bin Magier im Dienste des Hochkönigs.
Euren Vater lernte ich während seiner Ausbildung kennen. Er war häufig in Dernag, der Hauptstadt der vereinigten Königreiche, wo auch der Hohepriester residiert. Ich war damals nur wenig älter als Euer Vater und lernte noch bei meinem Meister, denn ich bin wie Ihr einer der Wenigen, die über Magie verfügen, aber nicht im Dienst des Tempels stehen. Nachdem wir beide unsere Lehre abgeschlossen hatten, trafen wir uns nicht mehr so häufig, wir blieben aber immer in Kontakt. Aus einem seiner Briefe erfuhr ich dann auch von Eurer Geburt und davon, daß Euer Vater ausgestoßen wurde. Damals mußte er nach Dernag, um sich vor dem Hohepriester und dem Tribunal zu rechtfertigen. Wir sahen uns deshalb dort wieder, und ich half ihm bei der Verteidigung.“ Er sah die Geschwister schief lächelnd an. „Leider war ich ihm anscheinend keine große Hilfe. Aber obwohl sich Euer Vater schuldig bekannte und das Tribunal noch weiterer Dinge anklagte, wurde er Dank des großen Einflusses meines Meisters und seinen bisherigen Leistungen für den Tempel vor den schlimmsten Strafen bewahrt.“
Er machte eine kurze Pause. Als er gerade weiterreden wollte, fragte Logan verwirrt. „Weswegen wurde er denn noch angeklagt?“ Der Magier sah in grimmig an. „Das werde ich euch später erzählen. Die Zeit drängt, und ich muß bald wieder aufbrechen, deshalb erzähle ich euch nun nur das Wichtigste.“ Noch einmal machte er eine Pause, als müsse er sich erst entschließen, wieviel er ihnen mitteilen dürfe.
„Als Euer Vater damals von Thimris Geburt berichtete, wußten mein Meister und ich gleich, daß du und später auch Deine Geschwister mächtige Gaben besitzen würden. Deshalb haben wir Euren Vater gebeten, euch so gut wie möglich in den Regeln der Magie zu unterweisen. Er war einverstanden, wollte jedoch warten, bis Ihr erwachsen wärt, und hat euch deshalb bisher nur die Grundregeln beigebracht. Vor einigen Tagen jedoch hatte mein Meister eine Vorahnung, so intensiv wie seit Jahren nicht mehr. Ich weiß nicht genau, was er gesehen hat, aber schon wenige Minuten darauf hat er mich zu Eurem Vater und seinen schnellsten Boten zum Hohekönig, in den Senat, geschickt. Ich bin so schnell gereist, wie ich konnte, war aber doch zu langsam. Als ich ankam, hatte dieses Wesen Euer Anwesen schon verwüstet und flog auf die Stadt zu. Vielleicht hat es mich gespürt oder es hatte einfach seinen Auftrag beendet, ich weiß es nicht. Ich rannte ihm hinterher und kam noch rechtzeitig, den Herzog zu retten. Was glaubt Ihr, wie froh ich war zu sehen, daß Ihr noch lebt.“ Er stoppte. „Wo ich doch Eurem Vater versprochen habe, euch zu schützen.“ Er sah wohl, daß sie Fragen hatten, faßte sich wieder und fuhr fort. „Ja, wir beide wußten, daß der Feind hinter euch her sein würde, aber...“
Er hörte auf zu sprechen und seine Augen weiteten sich, als spüre er etwas, was kein Anderer wahrnahm. Dann redete er schnell weiter.
„Rasch, Ihr müßt sofort aufbrechen! Ihr seid hier nicht mehr sicher. Eilt euch und geht nach Norden über die Berge des Abends nach Ankohar. Dort steht ein Tempel der Priestermagier, der euch erst einmal vor aller Magie des Feindes schützen wird. Reist in der Nacht, wo Ihr nicht zu sehen seid, und bleibt fern von bekannten Straßen und Wegen, dann dürftet Ihr sicher dort ankommen. Falls Ihr Hilfe braucht, fragt dort nach Allen, er wird euch helfen. Ich werde nach Dernag zurückkehren und den Hochkönig hiervon in Kenntnis setzen, um euch dann in Ankohar zu treffen. Viel Glück.“ Er eilte zur Tür, rannte den Gang hinunter und war nicht mehr zu sehen.

...Thimris wand sich im Bett hin und her, erfüllt von der Unruhe und der Angst, welche die Rede des Magiers damals in ihm geweckt hatte...

Gorn mit der Axt
23.07.2004, 01:07
Logan ging hinaus, um noch einmal nach Ziordan zu rufen, konnte ihn jedoch nicht mehr entdecken. Er ging wieder zu den Anderen hinein, die sich aufgeregt unterhielten. Thimris meinte gerade. „Mylord, könnt Ihr uns erklären, was er meinte? Wer ist „der Feind“, von dem er sprach, und warum sollen wir so übereilt aufbrechen?
Jindas Vater schüttelte den Kopf. „Ich wei´s nicht viel mehr als Ihr. Unser Freund rettete mich aus meinem Arbeitszimmer und führte mich auf den Balkon, von wo ich euch sah. Er hatte keine Zeit, mir etwas zu berichten.
Aber auf Deine Frage, Tim, welchen Feind er meinte, habe ich vielleicht eine Antwort.
Bisher haben wir es noch nicht verbreitet, um die Bevölkerung nicht zu beunruhigen, aber es ist der Ratsversammlung ein offenes Geheimnis, daß seit etwa drei Monaten immer wieder unbekannte Wesen entdeckt werden. Viele derer, die sie gesehen haben, sind nur einfache Arbeiter im Wald oder Wanderer. Aber einer von ihnen war ein Gelehrter, ein Historiker. Dieser schwor, daß er in einem Wesen ein Gundur erkannt habe. Eines jener Monster, die während der Zweiten Kontinentalen Kriege den Horden der Nordländer als Reittiere dienten.“
Thimris sprang erregt auf. „Das ist unmöglich. Der Schutzwall wird ununterbrochen von den Priestern gefestigt, und der letzte Dämon, nach der Errichtung des Walls, wurde vor über vierhundert Jahren erlegt.“ Der Herzog sah ihn ernst an. „Du hast Recht, Junge. Aber bedenke, die Gerüchte werden immer häufiger. Viele Personen, die den Wald östlich von hier alleine bewandert haben, sind verschwunden und bis heute nicht wieder aufgetaucht. Und vor elf Tagen brachte ein Bote eine Mitteilung von einem unserer Soldaten. Ein ganzes Dorf, nicht einmal zwei Tagesmärsche von hier, ist einfach verschwunden. Selbst die Grundmauern sind kaum noch vorhanden.“
Die Geschwister waren bleich geworden. Nur Jinda blieb überraschend sachlich. „Vater, glaubst du, daß die Nordländer einen Weg gefunden haben, den Wall zu überwinden?“ „Nein, Jinda, ich denke nicht, aber es ist durchaus...“ In diesem Moment zerbarst ein Fenster, und er hörte auf zu sprechen. Ein fürchterliches Brausen erfüllte die Luft, wie schon im Wald, als es die Ankunft des fliegenden Wesens ankündigte. Jetzt begriff Thimris.
„Sind wir blöd! Deshalb meinte Ziordan, wir sollten schnell aufbrechen. Er spürte dieses Ding zurückkommen.
Rasch, wir müssen aus der Stadt raus. Am besten durch schmale Gassen, die von oben nicht einsehbar sind. Falls wir uns verlieren, treffen wir uns in fünf Minuten am westlichen Portal wieder.“
Sofort waren alle auf den Beinen. Sie rannten aus dem Palast und in die erstbeste Gasse, die in die richtige Richtung führte. Schon bald wurde es dunkel, und ein Schatten legte sich über sie. Doch sie hatten keine Zeit, nach oben zu sehen. Als Thimris, der an vorderster Stelle lief, vor sich das Tor zur Unterstadt sah, wähnte er sich bereits in Sicherheit. Doch plötzlich hörte er hinter sich ein gewaltiges Krachen und sah für eine Sekunde etwas, wie eine steinerne Mauer, die Straße blockieren, aus der sie gerade gekommen waren.
Ihre Flucht wurde in einem lodernden Inferno fortgesetzt. Thimris zerstörte zwar die umherfliegenden Bruchstücke, so daß keiner von ihnen direkt getroffen wurde, aber der Wind fachte die noch nicht erloschenen Feuer wieder an. Endlich durchquerten sie den westlichen Durchgang der Stadt und versteckten sich in einem Wäldchen ein paar Meter entfernt. Jetzt erst bemerkten sie, daß sie Jindas Vater verloren hatten. Dann jedoch sahen sie zurück und weiteten die Augen. Was sie nun sahen, sollten sie niemals wieder vergessen.
Kreisförmig, vom Marktplatz, dem Zentrum der Stadt ausgehend, fegte eine Feuerwalze durch die Gebäude.
An einzelnen Häusern hielt sie sich nicht auf, und nur die zweite Mauer, die zur Verteidigung die Oberstadt umgab, konnte ihr einige Sekunden standhalten, bevor der Druck zu groß wurde und sie donnernd zusammenstürzte. Thimris stand panisch auf. „Lauft! Lauft!“ Schon wieder rannten sie. Diesmal durch die Bäume, auf eine Stelle zu, an der sie sich in Sicherheit wußten. Tief an die hintere Flanke eines Hügels warteten sie ab. Dann kam sie. Die Feuerwalze brach sich unter ohrenbetäubenden Lärm an der vorderen Flanke, um sie dann als sehr heißer Wind zu erreichen. Thimris dachte. „Kreisförmig von der Mitte aus und sehr schnell, als wolle man jemanden jagen, von dem man nicht weiß, wo genau er ist.“ Als sie nichts mehr hörten, standen sie langsam auf, gingen durch die nun umgestürzten und verkohlten Stämme und blickten nicht zurück. Dann machten sie sich auf den Weg nach Ankohar.

...Die Magie zwang ihn, an die Reise zurückzudenken, die ihn hierher geführt hatte. Er nahm, erfüllt von tödlichem Fieber, den Kampf wieder auf...

Da sie, nun wo alle Bäume keine Blätter mehr trugen, keine Deckung mehr hatten, gingen sie, von Jinda geführt, da dieser sich in der Umgebung auskannte, langsam in Richtung Norden. Thimris war insgeheim froh, daß sie ihn bei sich hatten, da er sie bis an die Grenze führen konnte. Er hatte eine gute Kondition und war ein phantastischer Schwertkämpfer, was bei möglichen Gefahren, als Ergänzung ihrer Magie, durchaus nützen konnte.
Im Laufe des Tages wandelte sich die Umgebung. Wo sie jetzt liefen, standen die Bäume noch, so dass sie, wenn sie etwas hörten, sich nicht sofort zu Boden werfen mußten, um Schutz zu suchen.
Während sie gingen, dachte Jinda über ihre Lage nach. Sie hatten zwar nur den wenigen Proviant, den sie für die Wanderung eingepackt hatten, aber der würde bis morgen reichen. Spätestens dann würden sie Tiere oder Pflanzen finden, die sie essen konnten und die vom Feuersturm nicht verbrannt oder vertrieben wurden. Viel mehr Sorgen machte er sich um ihre Ausrüstung und den Weg, den sie einschlagen sollten. Sie legten eine Rast ein, und er sprach die drei Geschwister an. „Wir müssen uns jetzt entscheiden, welchem Weg wir zur Grenze folgen sollen. Wenn ich die Gegend richtig in Erinnerung habe, müßten wir in etwa sechs Meilen auf die Weggabelung treffen. Wir können den Weg nehmen, der über die Vorläufer des Gebirges führt, aber ich kenne mich dort weder aus, noch sind wir für eine Bergwanderung ausgerüstet. Der Weg durch den östlich gelegenen Wald würde sich anbieten. Ich bin ihn früher häufig gegangen und weiß genau, wo wir unsere Ausrüstung ergänzen könnten. Allerdings müßten wir dort ja neuerdings damit rechnen, zerfleischt zu werden, deshalb rate ich davon ab.
Meine Alternative wäre deshalb, durch die Ebenen zu gehen. Auch dieser Weg ist mir bekannt. Er ist zwar etwas länger und an einigen Stellen ungeschützt, aber die können wir vermutlich umgehen.“

Gorn mit der Axt
23.07.2004, 22:01
Nun stimmten sie ab. Thimris war wie Jinda für den dritten Weg, er vertraute dem Instinkt seines Freundes.
Die Zwillinge waren sich uneinig. Logan wollte den Weg durch den Wald nehmen, er meinte, sie seien durch ihre Magie geschützt und könnten durch die Bäume nicht von diesem fliegenden Untier gesehen werden. Jeel wiederum war für den Weg über das Vorgebirge, um sowohl vor diesem Wesen als auch von denen im Wald nicht entdeckt zu werden. Am Schluß setzten sich die Älteren durch, und sie brachen auf, um durch die Ebenen auf die Grenze zuzugehen.
Jinda hatte Recht behalten. Einige Stunden Fußmarsch später kamen sie an die Wegkreuzung. Als sie den erwählten Weg einschlagen wollten, schrie Jeel laut auf. Sie hatte den Schatten des fliegenden Ungetüms entdeckt, am Himmel nur wenige Meilen entfernt und rasend schnell näher kommend.
Jinda beobachtete es einige Sekunden. „Es fliegt genau auf uns zu. Es muß uns irgendwie aufgespürt haben. Vielleicht können wir es ja aufhalten. Gebt alles, was Ihr habt.“
Nach diesen Worten begaben sie sich in den Schutz eines Felsens, um den Einsatz ihrer Gaben vorzubereiten. Logan, dessen Fähigkeit nur zum Nahkampf und zur Verteidigung taugte, verhielt sich ruhig und machte sich bereit, im Notfall sofort die Flucht zu ergreifen.
Als das Wesen sich im Schutz der Wolken wieter nähete, schnellte ein großer Felsbrocken vom Boden weg, den Jeel bereits angehoben hatte, und flog blitzschnell auf das Untier zu. Obwohl er es mit großer Geschwindigkeit traf, zeigte sich nicht die geringste Wirkung. Jeel erstarrte. Sie hatte sich in Gefahren bisher immer auf ihre Gabe verlassen können, doch nun schien sie nutzlos. Erschrocken saß sie da, und sie wäre wohl Mittels ihrer Fähigkeit verschwunden, hätte sie nicht der Fähigkeit ihres Bruders grenzenlos vertraut. Das Vertrauen war berechtigt. Thimris hatte mit solchen Gefahren gerechnet und sich maximal mit Energie vollgesogen. Nun sammelte er all diese Kraft und konzentrierte sie in seinen Händen. Dann schickte er einen Energiestrahl ab, stärker als alle vorherigen und zum ersten Mal erschaffen, um zu töten. Der Strahl war zwar nur von geringem Durchmesser, schoß jedoch mit unvorstellbarer Gewalt auf den Koloß zu, schneller, als das Auge folgen konnte. Er zerschmetterte einen Baum in Splitter, ohne an Kraft zu verlieren, und traf die Kreatur an der Vorderseite. Einen Moment passierte nichts, doch dann brüllte das Wesen laut auf, und der Strahl trat, wenn auch merklich schwächer als zuvor, aus seiner Rückseite wieder aus. Doch so groß die Freude darüber war, das Wesen verletzt zu haben, das ihr Haus zerstört und ihre Eltern getötet hatte, so schnell wurde ihre Angst wieder größer, als sie sahen, daß der Gigant sich mit einem kaum sichtbaren Taumeln fing und weiter auf sie zuflog.
„Verdammt!“ Sagte Thimris. „Ich kann es zwar durchlöchern, doch was nützt das, wenn die Schüsse nicht mehr sind als Nadelstiche. Es ist einfach zu groß.“
Er drehte sich Jeel zu. „Schnell, Jinda zuerst. Fünf Meilen von hier und möglichst dicht am Waldweg.“ Jinda sah ihn verständnislos an, doch da hatte Jeel in schon an der Hand gepackt. Sie prägte sich die Umgebung schnell ein, dann verschwanden beide. Wenig später kehrte sie zurück, schwankte ein wenig und teleportierte mit Logan.
Thimris hatte mit Absicht die anderen Beiden vor geschickt, er wußte, daß seine Schwester spätestens jetzt eine kurze Pause braucht, und daß er der Einzige war, der gegen dieses Wesen etwas ausrichten konnte. Dieses hatte nun offensichtlich bemerkt, daß seine Beute entkam und verlangsamte sein Tempo. Thimris hoffte schon, es würde aufgeben, doch es wollte nur nicht von dem Feuer getroffen werden, das es just in dieser Sekunde auf ihn gespien hatte.
Doch Feuer ist auch nur Energie und somit war Thimris im Vorteil. Er wußte, daß er dank seiner Magie die Kraft eines Feuers in sich aufnehmen konnte, er hatte es mit kleineren Flammen bereits trainiert, doch war ihm klar, daß er in diesem Inferno verbrennen würde wie jeder Andere. Deshalb erschuf er einige Meter vor sich eine Energiebarriere, die ihn vor dem Schlimmsten schützen sollte. Als die ersten Ausläufer des Feuers sie erreichten, schwankte die Barriere, aber sie hielt. An allen Seiten traf es jedoch auf die Erde. Geschmolzenes Gestein flog herum. Die Hitze stieg immer weiter und das Atmen fiel ihm schwer, doch gerade die Hitze half ihm, noch kurze Zeit bestehen zu können. Plötzlich materialisierte Jeel neben ihm und taumelte in der Hitze zu Boden. Er stürzte mit letzter Kraft auf sie zu. Die Energiemauer brach zusammen.
Auf einer Lichtung im Wald erschienen Thimris und Jeel rechtzeitig, um die riesige Explosion auf der Ebene zu sehen. Obwohl sie erschöpft waren, richteten sie sich auf und hörten in der Ferne das enttäuschte Brüllen des Monsters. Sie sahen sich an und grinsten.

... Zitternd lag Thimris im Bett. Schaudernd sah er das Ungeheuer vor sich, und das Fieber brannte heißer in ihm als die Hitze von damals...

Gorn mit der Axt
24.07.2004, 17:41
Sie erwachten nach diesen Strapazen erst spät am nächsten Vormittag. Obwohl Jinda die Zwillinge für die Wache vorgesehen hatte, waren beide eingeschlafen, doch er machte ihnen keinen Vorwurf. Aus ihren letzten Resten kochte er ihnen ein karges Frühstück, das sie schweigend verzehrten. Dann sprach er sie an. „Unsere Vorräte sind aufgebraucht. Auch unsere Ausrüstung müßte überprüft werden. Ich schlage vor, daß wir in der Nähe des Waldrands halten und heute Vorbereitungen für die Weiterreise treffen. Logan, du solltest schauen, ob von unserer Ausrüstung noch etwas zu gebrauchen ist, während Jeel in der Umgebung nach Feuerholz sucht. Tim und ich werden auf die Jagt gehen und etwas zu essen besorgen.“
Sie taten alles so, wie Jinda es vorgesehen hatte. Thimris ging mit Jinda tiefer in den Wald und staunte bald, wie gut sie sich ergänzten. Sein Freund schien der geborene Jäger zu sein. Immer, wenn Jinda ein Tier aufgescheucht hatte, trieb er es auf ihn zu, so daß er es mit einem einzigen gezielten Schuß erledigen konnte. Als sie schwer mit Wasser und Essen beladen am Lager ankamen, staunten sie nicht schlecht. Jeel hatte Kraft ihrer Gabe einen gewaltigen Stapel Holz in eine nahe gelegene Grotte gebracht. Dank deren hoher Decke konnten sie weder durch aufsteigenden Rauch entdeckt, noch von ihm erstickt werden. Gleichzeitig hatte die Höhle nur einen Eingang, den Thimris, wie er erkannte, zur Not ganz allein unter Beschuß halten konnte.
Logan hingegen hatte ihre Rucksäcke repariert, das Gewicht besser verteilt und Unnützes entfernt. Dadurch würden sie in den nächsten Tagen wesentlich schneller vorankommen als angenommen. So ausgerüstet, mußte Jinda nun keine Angst mehr haben, als Führer der Gruppe zu versagen. Und doch war er unruhig. Obwohl er seine Freunde schon lange kannte, wußte er nicht, ob er ihr Verhalten in Gefahr richtig einschätzen könnte.
Thimris war zwei Jahre älter als die Zwillinge. Er war häufig für sie verantwortlich und sie auf ihn angewiesen, woraus sich ein ausgeprägtes Pflichtbewußtsein und ein starker Charakter entwickelt hatten. Des Weiteren war er sehr intelligent und ging sachlich an jedes Problem heran. Jinda schätzte, daß er sich im Zweifelsfall immer auf ihn verlassen konnte.
Jeel war weniger dominant. Sie war eher eine liebenswerte Person, verläßlich, aber nicht daran gewöhnt, selber Entscheidungen zu treffen. Da sie immer unter dem Schutz ihres Bruders gestanden hatte, war sie Jindas Meinung nach nicht vorsichtig genug, was sie gerade jetzt in Gefahr bringen könnte.
Bei Logan war diese Tatsache noch deutlicher zu erkennen. Obwohl er sich mutig und ehrenhaft benahm, neigte er dazu, sich ein wenig zu überschätzen. Jinda wußte, daß Logan verloren sein würde, wenn er auf einen wirklich gefährlichen Gegner traf, da er sich zuviel auf seine Fähigkeiten verließ.
Insgesamt war sich Jinda bei den Zwillingen nicht sicher. Sie waren noch jünger und weder ihre Fähigkeiten, noch ihr Wesen war voll ausgereift.
Um sich abzulenken, sprach er zu den Anderen. „Sagt einmal, was wißt Ihr eigentlich von den Kriegen und dem Nordland? Sie scheinen momentan eine wichtige Rolle zu spielen.“
Thimris erzählte, was er wußte. „Ich denke, es geht alles auf die Gründung der Reiche zurück. Vor viertausend Jahren hat es sie nicht gegeben wie heute. Es gab kleine Dörfer, manchmal auch Reiche, aber nichts, was lange bestand hatte. Das änderte sich, als ein König, der den Segen des Ersten hatte, große Teile des Kontinents in sein Reich einfügte und befriedete. Doch als er starb, wurde man sich nicht einig, wer der beiden Prinzen nun herrschen sollte und ein Bruderkrieg brach aus. Schließlich teilten die Brüder das Land unter sich auf, doch einer von ihnen war zu gierig. Er wollte sich nicht mit dem Land nördlich des Grenzgebirges zufriedengeben, weil sich dieses durch einen jähen Kälteeinbruch größtenteils in eine reglose Eiswüste verwandelt hatte. Daraus ergaben sich die Erbkriege, die mit der Teilung in Nord- und Südreich und dem Tod der Könige endete. Doch vor zweitausend Jahren schickten sich die Nordländer, wie sie nur noch genannt wurden, an, erneut anzugreifen. Aber wegen unseres Glaubens an den Ersten half er uns, indem er einigen Kindern magische Kräfte verlieh. Der Krieg zog sich lange hin. Als die Kinder von damals aber erwachsen waren, gründeten sie die Bruderschaft der Priestermagier und besiegten die Nordländer in kurzer Zeit. Ihnen soll auch der Jehranstein anvertraut worden sein, der jedoch, während der Kämpfe, zerbrach. Die kleineren Splitter gaben sie ihren Nachfolgern, auf dass diese mit Jehrans Hilfe den Frieden bewahren. Die größeren Splitter aber versteckten sie an gefährlichen Orten, wo keiner von ihrer Macht, die die der Anderen weit übertrifft, verführt würde.
Aber vor siebenhundert Jahren erschien ein mächtiger Magier am Hofe des Nordlandes. Angeblich war er ein ausgestoßener Priestermagier, der einen der großen Splitter erbeutet hatte. Er verbündete sich mit dem dunklen Herrscher und beschwor diesem eine Dämonenarmee, welche dann auf die südlichen Reiche zu marschierte.
Ein Heer aller Länder des Südens stellte sich ihnen entgegen, wurde aber aufgerieben. In letzter Sekunde vereinigten die Priester ihre Kräfte, wobei viele von ihnen starben. Doch sie woben dadurch den magischen Schutzwall, der noch heute besteht. Sie schnitten der feindlichen Armee also die Verstärkung ab und vernichteten sie. Die wenigen Wesen und Krieger, die fliehen konnten, waren nun gefangen und wurden zumeist innerhalb weniger Jahre aufgespürt und vernichtet. Seitdem sind immer mehrere Priester im Einsatz, um die Kraft des Walls zu erhalten.“
Die Anderen nickten zustimmend. Diese Dinge waren ihnen bekannt. Nur Jinda hatte noch nicht von allen Details der Geschichte der Jehransteine und des Priesterordens gehört, von denen die Geschwister durch ihrem Vater erfahren hatten.
Jinda löschte das Feuer und sie legten sich hin. Sofort waren sie eingeschlafen.

...Thimris lag in seinem Bett, die Augen geöffnet. Es war das erste Mal seit seiner Gesundung, daß er bei Bewußtsein war, doch ausgerechnet jetzt befand sich niemand bei ihm. Er war sehr schwach. Er konnte nicht rufen, sondern nur nachdenken und weiter gegen das Fieber kämpfen, das ihn noch nicht völlig verlassen hatte...

Gorn mit der Axt
26.07.2004, 22:37
Als sie am nächsten Tag erwachten, fühlten sie sich so gut wie schon lange nicht mehr. Sie hatten gut geschlafen und gefrühstückt. Auch die Natur schien bester Laune zu sein. Hier, mehr als einen Tagesmarsch von der Stadt entfernt, hatte das Feuer die Pflanzen nicht versengt und verdorren lassen, wie in der näheren Umgebung. Als Thimris sich wusch, bemerkte er, daß sein Haar, das durch das Feuer in der Stadt völlig verkohlt und bis auf die Haut abgeflockt war, nun wieder zu wachsen begonnen hatte und gegen seine Handflächen kratzte. Da er seine schwarzen Haare kurz trug, würde er bald aussehen wie früher. Er schmunzelte bei dem Gedanken an seine Schwester. Sie hatte wie Logan blonde Haare, die sie offen und lang trug. Sie mußte vermutlich noch einige Zeit warten, bis ihr Haar wiederhergestellt war.
Fröhlich kehrte Thimris zum Lager zurück, wo die anderen den Aufbruch vorbereiteten. Jinda sah sie an. „Wir werden wohl durch den Wald gehen müssen. Dank unserer erweiterten Ausrüstung und den neuen Vorräten dürften wir wenig Schwierigkeiten haben. Wenn jemand noch einmal von diesem Ding gegrillt werden will, kann er sich gerne melden.“ Das ging anscheinend an Logan, der gerade etwas einwenden wollte. Immer noch grinsend wandte Thimris sich dem Weg zu. Dann brachen sie auf.
Die nächsten zwei Tage waren eine Erholung für sie alle. Sie wanderten stetig am Waldrand entlang, und waren durch das dichte Laubwerk der Bäume vollkommen davor geschützt, aus der Luft entdeckt zu werden.
Am dritten Tag erreichten sie einen breiten Fluß. Jinda wurde unruhig und lief ein paar Meter am Flußbett entlang. „An diesen Fluß kann ich mich nicht erinnern. Der einzige Fluß dieser Größe fließt über dreißig Meilen entfernt. Logan meinte. „Vielleicht sind wir ja durch diese Sache mit dem Monster weiter vom Weg abgekommen, als wir dachten.“ „Nein, Logan. Man sieht den Waldrand von hier noch, wir können nicht mehr als einen halben Tagesmarsch vom Weg durch die Ebenen entfernt sein. Außerdem fließt der Fluß, den ich meine, in Nord-Süd-Richtung, dieser hier vom Waldinneren auf die Ebenen hinaus.“ Er beugte sich zu Thimris herüber. „Tim, paßt bloß auf. Irgendetwas hier stimmt nicht.“
Obwohl allen ein wenig unheimlich zu Mute war, mußten sie ihre Reise fortsetzen. Jeel überlegte. „Ich denke, es wäre am ungefährlichsten, wenn wir bis ans Flußufer gehen und ich euch dann hinüberbringe.“
Jinda war im Zwiespalt. Als Anführer der Gruppe mußte er die Entscheidung treffen. Es schien ihm gefährlich, auf das Ufer hinauszugehen. Gleichzeitig wollte er nicht, daß seine Freundin sich überanstrengte und sie deshalb erst eine Rast einlegen mußten. Ihm lag viel daran, dieses Gebiet, so schnell wie es ging, zu verlassen.
Während er noch überlegte, ging Thimris bereits nachdenklich auf das Ufer zu. Jinda besah sich noch einmal den Fluß, dann fiel ihm das Gleiche auf, was auch Thimris irritierte. Doch Jinda hatte mehr Erfahrung, und er brachte es in den richtigen Zusammenhang.
Sofort stürzte er auf seinen Freund zu, der wie versteinert stehen blieb und sich dann kampfbereit machte. Es zeigte sich, daß Jinda im letzten Augenblick gehandelt hatte. In diesem Moment fuhr ein Wesen aus dem Wasser, das aussah wie eine riesige Schlange. Doch im Gegensatz zu einem gewöhnlichen Reptil hatte dieses Tier mehrere Dut-zend Tentakeln an den Seiten, die sogleich auf Thimris zuflogen. Er durchtrennte sie mit einem schmalen Energiestrahl, doch es waren zu viele. Eine von ihnen packte ihn am Fuß, und er stürzte zu Boden. Er wäre wohl verloren gewesen, wenn Jinda die restlichen Tentakeln nicht in dieser Sekunde mit einem gewaltigen Streich seines Schwerts durchtrennt hätte. So hatte er wieder Zeit, sich aufzurichten und weitere seiner Strahlen auf die Kreatur abzuschießen. Doch zu seinem Entsetzen mußte er feststellen, daß die Schlange über einen Panzer verfügte, den er so nicht durchdringen konnte. Nun wand die Schlange sich an Land, um die Beiden direkt anzugreifen, aber jetzt reagierten auch die Zwillinge. Jeel verschwand, und Jinda fürchtete schon, sie wolle flüchten, doch dann erschien sie hinter der Schlange, um sie mit Felsen zu bewerfen und sie abzulenken. Gleichzeitig verteidigte Logan Jinda und Thimris. Er stellte sich vor sie und packte Jindas Schwert an der Klinge. Als die Tentakeln des Wesen nun nach ihm griffen, konnten sie nichts mehr ausrichten, denn aus dem gleichen Material wie das Schwert bestehend war er so gut wie unverwundbar.
Um seine Geschwister zu unterstützen, formte Thimris einen seiner Energiestrahlen zu einer dünnen Scheibe. Diese ließ er mit Höchstgeschwindigkeit auf die Vorderseite der Schlange zufliegen. Sie fraß sich wie eine Kreissäge ein Stück in die Haut hinein. Nun wußte Thimris zwar, daß er das Wesen verwunden konnte, aber es war zu stark, um von Wunden dieser Größe ernsthaft geschwächt zu werden. Als Jinda die Verzweiflung seines Freundes sah und bemerkte, wie sich die Schlange in seine Richtung wand, sprang er ihr selbstmörderisch in den Weg. Er wich den Tentakeln aus und sprang dann hoch in die Luft, um den Kopf der Schlange anzugreifen. Kurz bevor seine Klinge ihr Maul traf, konzentrierte Thimris seine Energie auf das Schwert und schickte einen Energiestrahl ab. Doch diesmal nicht, um zu verletzen, sondern um zu schützen.
Die Energie legte sich einem dünnen Schleier gleich über die Klinge des Schwertes. Dieses zog eine dünne Linie über den Hals des Monsters, dann fiel Jinda von einem kräftigen Muskelstrang getroffen zu Boden. Schutzlos lag er vor dem Wesen, das immer noch halb aufgerichtet dahockte und die Geschwister wußten, daß sie keine Kraft mehr hatten, um weiter zu kämpfen. Doch sie würden ihren Freund niemals aufgeben, sondern ihn verteidigen. Sie rafften sich ein letztes Mal auf und traten an seine Seite. Dann endlich rutschte der Kopf der Schlange vom Rumpf, und ihr Körper fiel mit einem Donnern neben ihrem Freund zu Boden.
Nach diesem Erlebnis hielten die Geschwister es für das Beste, sich erst einmal zurückzuziehen. Erst im Lager, wo sie die vorherige Nacht verbracht hatten, schlug Jinda die Augen wieder auf. Er sah, daß seine Hände verbunden waren, die er sich während des Angriffs verbrannt hatte. Dann stürzte Jeel auf ihn zu und umarmte ihn.
„Wir haben schon gedacht, du wärst tot, Jinda.“ Er setzte sich auf und bemerkte dabei, daß seine Hände sich gar nicht mehr verletzt anfühlten. Offensichtlich hatte Tim sie geheilt. Er drehte sich mühsam zu diesem herum.
„Danke, Tim. Wenn du mir zuletzt nicht geholfen hättest, wäre der Angriff nutzlos gewesen.“
Doch Thimris schüttelte nur verbittert den Kopf. „Ich mußte es tun. Schließlich war ich es doch, der dieses Monster auf uns aufmerksam gemacht hat.“ Doch Jinda sagte „Das stimmt nicht. Dieses Ding hat uns aufgelauert. Ich müßte mir Vorwürfe machen. Ich kenne mich im Wald aus und habe die Hinweise nicht schnell genug verstanden.“ Die Zwillinge sahen sich ratlos an. „Welche Hinweise?“ Jinda lachte. „Sie haben es gar nicht bemerkt, Tim, und du machst dir Vorwürfe.“ Nun fing auch Thimris an zu lachen. Jinda fuhr fort. „Im Wasser an den Ufern standen Bäume, und einige sogar mitten im Fluß. Das bedeutet, daß er erst vor kurzem umgeleitet worden ist. Ich vermute, daß das Flußbett ein Wanderweg war, in den der andere Fluß umgeleitet wurde.“
Lachend legten sie sich schlafen.

Gorn mit der Axt
27.07.2004, 23:24
Einige Minuten später stieß Jinda Thimris an und forderte ihn auf, ihm zu folgen. Ein Stück entfernt sprach Thimris. „Was ist? Ich weis doch, daß dich etwas beschäftigt.“ Jinda sah seinen Freund mißtrauisch an. „Kannst du jetzt auch noch Gedanken lesen?“ Thimris grinste. „Vielleicht? Also sag, was ist los? Hat es mit der Schlange zu tun?“ „Ganz genau. Der Fluß wurde umgeleitet, damit die Schlange den Wald der ganzen Breite nach beobachten konnte. Aber keines dieser Viecher hat bisher auch nur einen Funken Intelligenz gezeigt, die über die eines Tieres hinausgeht. Das bedeutet, daß ihnen befohlen wurde, so zu handeln.“ Jinda machte eine Pause.
„Nach allem, was wir bisher wissen, muß ich annehmen, dass es sich bei diesen Kreaturen um einen Stoßtrupp des Nordlandes handelt, der noch zu klein ist, außerhalb des Waldes zu operieren.“
Thimris wurde bleich. „Anscheinend kann ich doch Gedanken lesen, denn ich habe das Gleiche vermutet. Ich habe aber gehofft, daß ich mich irre. Von nun an müssen wir aufpassen. Wenn der Fluß eine Art Grenze markierte, werden sich dahinter noch andere Wesen verbergen.“ Jinda erwiderte. „Wir können das Gebiet aber auch nicht umgehen. Wenn ihr Anführer auch nur ein wenig logischen Verstand hat, hat er die stärksten Kämpfer als Wächter eingesetzt, und dann würden wir mit denen aneinander geraten.“ Ohne zu einer Lösung gekommen zu sein, legten sich die Freunde wieder hin.
Am nächsten Morgen sprach Jinda sie an. „Hört zu! Ich denke, ich habe eine Lösung gefunden, wie wir ungefährdet weiterkommen. Ich kenne mich im Westen unseres Landes sehr genau aus und habe eine Menge Karten gesehen. Der Fluß, den unsere Feinde umgeleitet haben, fließt rasend schnell. Deshalb konnten wir gestern ja nicht einfach hindurch waten. Doch diesen Umstand können wir uns jetzt zu nutze machen. Westlich von hier umgibt das Vorgebirge die Ebene wie ein Ring. Dort kann der Fluß nicht entlang fließen. Ich bin mir ziemlich sicher, daß er dieser Rinne folgen wird, dem Tal zwischen Vor- und Abendgebirge.“ Er malte mit einem Stock eine Karte in die Erde. „Wir könnten innerhalb des Waldes ein Floß bauen. Wenn wir damit auf dem Fluß un-terwegs sind, fahren wir mindestens mit sechs Meilen pro Stunde und haben das Gebiet, in dem man uns von oben beobachten kann, in wenigen Stunden durchquert. Wenn wir Glück haben, wären wir nach einem Tag im Tal, und von dort aus sind es nur noch knappe fünf Meilen bis zum Fuß des Abendgebirges. Dort sind wir zwar ungeschützt, aber dieses Gebirge hätten wir ohnehin überqueren müssen, es zu umrunden hätte Wochen gedauert.“
Die drei Geschwister waren von Jindas Plan begeistert. Sie waren nun alle überzeugt, daß sie keinen besseren Führer haben könnten und waren sicher, Ankohar unbeschadet zu erreichen.
Direkt nach dem Mittagessen begannen sie mit dem Bau des Floßes.
Mit einigen Feuerblitzen fällte Thimris mehrere Bäume und brachte sie auf die richtige Länge. Jeel trug sie alle an eine Stelle in der Nähe des Flusses, während Logan und Jinda sie zusammenbanden. Bis zum Abend war das Floß groß genug, sie alle aufzunehmen. Vier mal sechs Meter lang, mit einer überdachten Schlafstelle und Ruder versehen, lag es am Ufer. Die Freunde beschlossen, sofort loszufahren, um den Wald bei Sonnenuntergang zu verlassen und die Ebenen möglichst bei Nacht zu passieren.
Jeel hob das Floß mit ihren Kräften ins Wasser. Überrascht stellte sie fest, daß ihr leichtfiel. Ihre Maximalbelastung schien sich seit Beginn ihrer Reise verdoppelt zu haben und sie bemerkte nach kurzem Überlegen, dass auch die Anderen ihre Fähigkeiten gesteigert hatten.
Nachdem sie sich mit einer Stange vom Ufer abgestoßen hatten, nahm ihr Schiff schnell Fahrt auf.
Thimris sprach Jinda an, der es steuerte. „Du hattest Recht, wir werden vor morgen früh im Tal sein, noch früher, als wir dachten.“ Jinda schüttelte den Kopf. „Wir werden schnell da sein, das ist nicht das Problem. Ich weiß nicht, ob wir rechtzeitig von der Ebene wegkommen. Es wird knapp werden.“ Damit wandte er sich wieder dem Ruder zu. Als es Nacht wurde, wurden die Bäume um sie lichter. Wenig später hatten sie den Wald verlassen.
Die Freunde wechselten sich ab. Zwei von ihnen schliefen, während einer beobachtete und ein zweiter steuerte.
Doch einige Stunden darauf unterbrach Jinda diese Ordnung. Er weckte seine Freunde auf, um mit ihnen zu reden. „Freunde, vor einigen Minuten habe ich gemerkt, daß der Fluß breiter wird. Das bedeutet, daß wir die Ebenen nicht schnell genug verlassen können. Wenn wir nicht entdeckt werden wollen, muss ich euch bitten, Eure Fähigkeiten einzusetzen, um unsere Fahrt zu beschleunigen.“
Obwohl sie alle müde waren, machten sie sich an die Arbeit. Jeel hatte es am einfachsten. Sie setzte ihre Gabe an, um das Schiff an zu schieben. Ihre drei Gefährten hatten keine Möglichkeit, die Fahrt nennenswert zu beschleunigen, deshalb paddelten sie. Thimris hätte zwar Energie verschießen können, um den Rückstoß als Antrieb zu benutzen, machte aber davon keinen Gebrauch. Ihm war klar, daß es besser auf sie hinweisen würde als ein Leuchtturm.
Zwei Stunden vor Sonnenaufgang hatte sich ihre Fahrt wieder verlangsamt, da Jeel vor Erschöpfung zusammengebrochen war. Sie hatten Jindas Meinung noch etwa fünfzehn Meilen vor sich, so daß sie nicht einmal mit ihrem Ursprungstempo schnell genug ankämen. Doch dann schaute Thimris plötzlich auf. „Festhalten!“ Rief er den Anderen heiser zu. Jinda schaute sich verwundert um, ohne eine Gefahr zu entdecken, befolgte den Befehl aber instinktiv.
Thimris hatte auf einmal eine Idee gehabt. Er hielt seine Hände am Heck des Floßes ins Wasser und gab ein wenig Energie ab. Das Wasser erwärmte sich, und das Boot wurde schneller. Dann verschoß er seine sämtlichen Reserven ins Wasser. Eine Spur verdampfenden Wassers hinterlassend, flog das Boot mit rasender Geschwindigkeit über den Fluss.

Gorn mit der Axt
29.07.2004, 15:54
2. Die Tiefen von Esk' Almadur

Nur eine Stunde später erreichten sie die Stelle, die Jindas Meinung dem Gebirge am nächsten war. Logan steuerte das Boot ans Ufer. Entsetzt sahen die Freunde, daß der umgeleitete Fluß alles verwüstet hatte und sie erst im Gebirge geschützt sein würden. Völlig ausgelaugt machten sie sich auf den Weg. Logan, der am wenigsten er-schöpft war, trug seine Schwester, Jinda und Thimris wankten, sich gegenseitig stützend, hinter ihm her.
Es wurde heller, und das Dunkel um sie herum wandelte sich in Zwielicht. Dank dieses Lichts entdeckte Logan einen Schatten an der Felswand, der dunkler schien, als das restliche Gestein. Eine Höhle, kaum eine halbe Meile entfernt. Mit letzter Kraft taumelten sie darauf zu.
Dann ging die Sonne auf. Wenige Sekunden später erfüllte das bekannte Brausen die Luft, das die Gefährten so zu hassen gelernt hatten. Das gigantische Wesen, das, wie es schien, die ganzen Tage über der Ebene gekreist hatte, hatte sie erneut gefunden. Als Logan die Höhle als Erster erreichte, sah er weit hinter sich schon den Schatten des Untiers. Jinda und sein Bruder folgten ihm tiefer in die Höhle. Als Logan ein zweites Mal zurücksah, wurde die Höhle von einem gewaltigen Beben erschüttert. Doch gleichzeitig entdeckte er dabei einen abgehenden Seitengang. Er lief hinein, legte seine Schwester ein Stück entfernt auf den Boden und rannte zurück. Er erreichte die Anderen und stieß sie in den zweiten Gang hinein. Dann wurde es heiß um ihn, und er sah, daß das Wesen einen Feuerstrahl durch den Hauptgang sandte. Er spürte noch, wie das Wesen abhob, dann wurde er, wie die Anderen, ohnmächtig.
Jinda erwachte als erstes in völliger Dunkelheit. Er tastete umher. Nach einiger Zeit spürte er etwas Weiches vor sich. „Einer der Rucksäcke“ dachte er. Er drehte ihn herum und betastete das Gesicht des Trägers. Es war Thimris. Nun erinnerte er sich. Logan hatte ihn in den Gang gebracht. Also mußte er hinter ihm liegen, und Jeel weiter den Gang hinunter.
Nun erwachte auch Thimris. Obwohl er ein wenig benommen war, verstand er schnell, was passiert war und erhellte die Höhle. Er sah seine Geschwister bewußtlos am Boden liegen und rannte zu ihnen. Dann jedoch erstarrte er. Er hatte gesehen, daß der Gang, aus dem sie gekommen waren, eingestürzt war.
Nachdem sie die Zwillinge geweckt hatten, die zum Glück nur leicht verletzt waren, besprachen sie, wie es weitergehen sollte.
„Wir haben zwei Möglichkeiten.“ Meinte Thimris. „Wir können uns mit unseren Fähigkeiten einen Weg nach draußen graben, oder diesem Nebengang hier folgen. Es scheint als würde er weiter ins Gebirge führen. Wir können nur hoffen, daß er einen weiteren Ausgang hat.“
Doch schon als er es sagte, wussten alle, dass sie für mehr als einen kurzen Einsatz ihrer Kräfte viel zu erschöpft waren.
So machten sie sich auf den Weg. Von Thimris mit Fackeln ausgerüstet, gingen sie durch den dunklen Tunnel. Sie wanderten den ganzen Tag weiter. Allmählich änderte sich das Aussehen des Tunnels. Wo vorher nur grob geformtes Gestein zu sehen war, war der Tunnel nun äußerst gleichmäßig, als sei er bearbeitet worden.
Nun fiel Jinda wieder ein, warum er was ihn so gestört hatte. „Freunde, wir sollten hier nicht sein. Angeblich lagen unter dem Abendgebirge die Höhlen der Elfen und Zwerge, kein Ort, wo Menschen hinkommen sollten. Ihr wißt doch, warum sie ausgestorben sind. Die Zwerge, die hier von einen Tag auf den anderen aufgetaucht waren, lebten in den tiefsten Höhlen und betrieben ihre Minen. Eines Tages stießen sie dort auf ein Wesen, das die Elfen während des Ersten Krieges dorthin gebannt hatten, und erweckten es ohne es zu wissen. Seitdem wurde keiner mehr von ihnen gesehen. Nachdem die Zwerge verschwunden waren, flohen die Elfen und verließen ihre Siedlungen in den Bergen.“ Zuerst hatten seine Freunde interessiert zugehört, doch jetzt lachte Logan. „Du glaubst doch nicht wirklich an diese alten Geschichten, oder? Zwerge und Elfen und Monster. Das ist alles über zweitausend Jahre her. Wenn hier tatsächlich noch irgendetwas lebt, dann sind es Spinnen.“
Im gleichen Moment lief ein Grollen durch die Erde. „Das müßten aber große Spinnen sein.“ Mit Freude sah Jinda, dass Logans Gesicht bleich geworden war, aber dann wurde er wieder ernst.
„Wir müssen hier schnell raus. Wenn der Gang einstürzt, bringen euch auch Eure Kräfte nichts mehr.“ Sie gingen also rasch weiter. Zwei Stunden lang. Alle paar Minuten ging das Zittern wieder durch die Erde, und jedes Mal wurde es stärker. Dann jedoch waren die Vier erschöpft und mußten rasten.

Gorn mit der Axt
30.07.2004, 01:01
Als sie sich erholt hatten, ging Thimris einige Meter zurück, weil er dachte, etwas gehört zu haben. Dann spürte er plötzlich ein weiteres Beben, stärker als alle anderen zuvor. Vor seinen Augen brach die Decke des Gangs herunter, und er konnte seine Freunde nicht mehr sehen. Sein erster klarer Gedanke war, einen Energiestrahl in die Trümmer der Decke zu schießen, um sie zu erreichen. Aber er wußte nicht, wie weit der Gang eingestürzt war und ob seine Freunde innerhalb der Steine lagen. Wenn sie noch lebten, würde er sie damit umbringen.
Er stand also wie erstarrt da, und wartete, daß ihm etwas einfiele. Aber ihm kam keine Idee, wie er seine Geschwister und Jinda befreien konnte, ohne gleich den ganzen Gang zu zerstören. Deshalb begann er, den Steinhaufen einzeln abzutragen oder mit schwachen Strahlen aufzulösen. Zuerst kam er gut voran, doch nach einigen Minuten wiederholte sich das Erdbeben, wenn auch schwächer als beim ersten Mal. Das Stück der Decke, das er freigelegt hatte, brach herunter. Schnell sprang er zurück, um nicht verschüttet zu werden. Als er sich erneut an die Arbeit machte, kristallisierte er das geschmolzene Gestein zu Kristallstücken, die er zum Abstützen benutzte.
Nach etwa zwei Stunden Arbeit rutschte ein großer Stein zur Seite, und er konnte an der Decke vorbei der Gang hinter der Barriere sehen. Er bemerkte, daß Jinda und Logan ihrerseits den Weg freiräumten. Er seufzte vor Erleichterung auf, obwohl er sich fragte, was seiner Schwester zugestoßen sei. Ohne die Gefahr zu bedenken, zerschmolz er die restlichen Steine, die den Durchgang versperrten. Er stieß auf seine Geschwister, die ihn sofort umarmten und vor Freude und Überraschung aufschrien. Thimris erfuhr, daß Jeel während des Steinschlags am Bein verletzt worden war, aber sie hatten die Ausrüstung mit, um Verletzungen dieser Art zu heilen. Wäre diese schlimmer gewesen, hätte Thimris sie auch heilen können, wozu er nun jedoch zu erschöpft war.
Es zeigte sich auch, daß Jeels Verwundung die Geschwindigkeit ihrer Reise kaum beeinflußte. Ihre Kräfte waren inzwischen stark genug, sich selbst einige Stunden schweben zu lassen, und da die Kletterei im Tunnel eh recht anstrengend war, störte es die Anderen nicht, ab und zu eine Pause einzulegen.
Als sie nach acht Stunden die dritte Rast machten, wollte Thimris herausfinden, wie weit sie ins Gebirge vorgedrungen waren. Seit dem Kampf gegen die Wasserschlange wußte er, daß er seine Energiestrahlen auch lenken konnte. Er faßte also einen Teil seiner Energie zusammen, konzentrierte sie in Form einer Kugel und schickte sie etwa zweihundert Meter den Gang zurück, um sie dann rasend schnell der Decke entgegen zu senden.
Seiner eigenen Rechnung nach waren sie jetzt etwa seit dreißig Stunden innerhalb des Gangsystems, und davon etwa achtzehn Stunden lang gewandert. Sie mußten also etwa fünfzehn Meilen weit im Berg sein, da der Gang nicht gerade verlief, sondern sich in Kurven durch das Gestein wand. Da er des Weiteren nach Osten führte in Richtung des Meeres und das Abendgebirge in diese Richtung nicht anstieg, dürften sie höchstens eine halbe Meile unter der Erdoberfläche sein.
Als seine Energiekugel gegen die Decke krachte und der Staub sich gelegt hatte, sahen die Freunde, daß die Kugel den Fels sauber geschnitten hatte, und dass das exakt kreisförmige Loch maximal zweihundert Meter weit reichte, bis es auf die Oberfläche traf. Thimris sprach mit den Anderen. „Wir haben Glück. Wenn wir einen Gang finden, der aufwärts führt, werden wir bald die Oberfläche erreichen.“ Durch diese neue Erkenntnis ermutigt, wanderten sie nach einer kurzen Pause weiter. Nachdem Thimris das Bein seiner Schwester geheilt hatte, konnte auch Jeel wieder normal mitgehen. Sie gingen noch einige Stunden weiter, um sich dann erschöpft schlafen zu legen. Im Laufe des nächsten Tages wiederholte Thimris den Test mit der Energiekugel. Da sie bei Kreuzungen immer die Gänge wählten, die aufwärts zu führen schienen, kamen sie der Oberfläche stetig näher.
Gegen Abend, als selbst das durch die regelmäßigen Löcher eindringende Licht schwächer wurde, spürte Jinda erneut ein Zittern zu seinen Füßen. Er dachte, es sei das fast regelmäßige Beben, das sie schon kannten. Aber auf einmal warnte ihn ein Instinkt, der ihm schon im Wald häufig vor Schaden bewahrt hatte. Er schärfte seine Sinne und meinte, im Gang hinter ihnen ein leises Scharren zu vernehmen. Unwillkürlich überlief ein Schauer seinen Rücken. Das Geräusch hörte sich nicht an wie Leder oder Stoff auf Stein, sondern eher wie Metallplatten, die aneinander schaben. Er drehte sich zu seinen Freunden um. „Paßt auf! Etwas verfolgt uns, und ich weiß nicht, was es ist.“ Jinda nahm seine Rolle als Führer wahr und teilte sie für einen möglichen Kampf ein. „Tim und Jeel nach vorne, Ihr seid im Angriff die Stärksten. Logan, knie dich vor Jeel, du mußt die Anderen verteidigen. Ich passe auf, daß uns niemand in den Rücken fällt.“ Es war gut, daß Jinda so schnell reagiert hat, denn im gleichen Moment hörte er das Scharren, deutlicher als das letzte Mal, und von beiden Seiten.
Entsetzt warf er Holzstücke aus ihrem Vorrat in beide Richtungen, die Thimris anzündete. Als sie sahen, von was sie dort attackiert wurden, schrien Logan und Jeel laut auf, und ihnen allen stockte der Atem. In den Gängen wimmelte es von Dutzenden von Kreaturen. Zuerst dachte Thimris, es seien vielleicht Ratten, doch als die ersten näherkamen, sahen die Freunde, daß es sich um Insekten handelte. An die eineinhalb Meter lang, über einen halben Meter hoch, mit zwölf Beinen und einem runden Maul voll spitzer Zähne. Von der Gefahr der Situation überzeugt, eröffneten sie den Angriff. Thimris schoß einen Energieblitz nach dem Anderen aber der Panzer der Wesen schien undurchdringlich. Jeel schleuderte mehrere Felsbrocken auf die vorderste Reihe der Angreifer, doch die Steine zerbrachen beim Aufprall, und die nur benommenen Wesen schlossen sich bald dem Angriff wieder an. Auf der anderen Seite kämpfte Jinda gegen etwa acht bis zehn dieser Wesen. Der von seinen Freunden gehärtete Stahl durchdrang zwar die Panzer seiner Gegner, jedoch nur, wenn der Schlag des Schwertes genau traf und stark ausgeführt wurde. Nach einigen Minuten war er von kleineren Wunden bedeckt, und mußte sich, wie auch seine Freunde immer weiter zurückziehen, obwohl er bereits sechs der Insekten ausgeschaltet hatte. Als sie schließlich Rücken an Rücken kämpften, kam Thimris eine Idee. „Jeel, heb eins von ihnen hoch.“ Jeel folgte der Anweisung sofort. Sie hob die vordere Hälfte eines Wesens an, so daß der nächste Energieblitz, der an der Unterseite keinen Panzer zu durchschlagen hatte, es tötete. Auf diese Weise fuhren sie fort und gewannen wieder ein wenig Platz. Angespornt von diesem Erfolg hieb Jinda, von Logan unterstüzt, auf seine letzten zwei Angreifer ein. Nun hätten sie den Kampf wohl gewonnen, wenn sich nicht aus dem Boden vor Thimris zehn weitere Insekten gewühlt hätten. Der Kampf wurde mit neuer Härte fortgesetzt. Mit der Zeit wurden Thimris Strahlen schwächer und auch die Attacken der Anderen verloren an Kraft. Aber gerade in dem Moment begannen sich im Boden unter Logan, Jeel und Thimris Risse zu bilden, bis das Gestein mit großem Getöse einbrach. Sie stürzten Meter weit nach unten, bevor der senkrechte Gang in einen diagonalen überging und sie haltlos weiter rutschten.
Oben im Gang war Jinda ratlos. Er dachte nach, wie er die Geschwister erreichen könnte. Er hatte weder ein Seil, noch riskierte er den Sprung in das Loch, von dem er nicht wußte, wie tief es war. Er machte sich also auf den Weg, den sie gemeinsam eingeschlagen hatten, und hoffte, daß er seine Freunde innerhalb des riesigen Höhlenlabyrinths rechtzeitig finden würde.

...Endlich hatte Thimris das Fieber besiegt, nun legte sich ein Schleier der Müdigkeit über ihn, doch diesmal war es der Schlaf der Genesung...

Gorn mit der Axt
30.07.2004, 22:10
Einige Stunden später kam Jinda bei einer Öffnung an. Auch wenn er die Oberfläche noch nicht erreicht hatte, so mußte er doch nur noch die Felswände einer Schlucht erklimmen, in welche der Gang mündete. Verbittert dachte er, daß er und seine Freunde nur noch so kurz von ihrem Ziel entfernt waren, als er sie verloren hatte. Jinda begann mit dem Aufstieg. Die Wand der Schlucht war nicht vollkommen senkrecht, sondern eher wie ein sehr steiler Berghang. Da der Fels außerdem viele Mulden und Risse hatte, war das Klettern einfach. Jinda wußte, was ohne Seil passiert wäre, wenn die Felswand schwieriger zu besteigen wäre. Das Einzige, was ihn behinderte, war das viele Gepäck. Er hatte damit gerechnet, daß die Geschwister ihr Gepäck nicht wiederfinden würden und deshalb alles Brauchbare daraus mitgenommen, um sie damit auszustatten, wenn er sie fände. Auch wenn die Bündel der Gruppe mit der Zeit immer leichter geworden waren, und er einiges an Proviant zurückgelassen hatte, war sein Rucksack nun randvoll. Nachdem er am Rand der Schlucht angekommen war ging er weiter nach Osten, in der Hoffnung, daß seine Freunde sich genau so verhalten würden. Er wanderte langsam, sah sich im ganzen Gelände genau um, bevor er weiterging, bedacht, keine Spur seiner Freunde zu übersehen. So vergingen zwei Tage, in denen seine Sorgen immer größer wurden. Ab und zu hörte er etwas, doch das waren immer nur Steine, die den Hang hinunter rollten. Am Morgen des dritten Tages, eine Stunde, nachdem er aufgebrochen war, hörte er in der Ferne Geschrei. In der Hoffnung, daß er seine Freunde hörte, rannte er auf das Gebirge zu, woher er die Rufe gehört hatte. Einige Minuten später überwand er einen Grat, und sah, wer da schrie. Eine Person, etwas sechs Fuß groß, wurde von den gleichen Insekten angegriffen, die er schon kannte. Jinda war noch zu weit weg, um ihn erkennen zu können. Von der Größe her könnte es Thimris sein, aber dann müßten Logan und Jeel bei ihm sein. Er kam dem Kampfplatz immer näher und bemerkte, daß es nicht sein Freund war. Der Fremde hatte blondes langes Haar und war ein wenig schmaler. Trotzdem mußte Jinda ihm helfen. Er lief auf ihn zu und begann mit dem Fremden gegen die Wesen zu kämpfen. Von den Anfangs sieben Wesen lagen bereits zwei halbiert da. Das überraschte Jinda, da der Andere offensichtlich keine Waffe hatte. Die Wesen, die wohl spürten, daß Jinda gefährlicher war, konzentrierten sich auf ihn. Als er drei von ihnen getötet hatte, biß ihn eines der beiden restlichen in die Schulter, so daß er laut aufschrie. Er erschlug dieses Wesen noch, bevor das letzte floh und er sich, aus der Schulter und mehreren kleineren Wunden blutend, hinsetzen mußte.
Erschöpft beugte sich der Fremde über in. „Vielen Dank, daß du mir geholfen hast. Ohne dich hätten diese Kreaturen mich vermutlich erwischt.“ Er machte eine Pause, um zu Atem zu kommen. „ Ich heiße Pirin. Darf ich auch Deinen Namen erfahren?“ Jinda atmete keuchend ein. „Ich bin Jinda. Ich suche meine Freunde. Wir wollten über die Berge nach Norden wandern, doch dann waren wir gezwungen, durch das Tunnelsystem zu gehen, und ich habe sie verloren.“ Der Andere wurde bleich. „Durch die Gänge von Esk´Almadur, dem Abendgebirge? Dann sind sie längst nicht mehr am Leben.“ Jinda richtete sich auf, um zu widersprechen, doch Pirin unterbrach ihn. „Du bist viel zu erschöpft, um weiter zu reden.“ Er legte Jinda die Hände auf die Brust, und dieser fühlte, wie er geheilt wurde. Doch es war nicht wie bei Thimris, der nur Energie geben konnte, und so den Heilungsprozess beschleunigte. Hier schlossen sich seine kleinen Verletzungen in Sekundenschnelle, und die Wunde an der Schulter verkleinerte sich. Als er Pirin jetzt das erste Mal klar sehen konnte, bemerkte er die schmalen Augenbrauen, die hohen Wangenknochen und die Spitzen an den Ohren. „Ein Elf?“ Fragte er fassungslos. „Aber euch gibt es doch gar nicht mehr.“ Pirin schmunzelte. „Das wüßte ich aber, wenn ich ausgestorben wäre.“ Er überlegte. „Du hast mir das Leben gerettet. Hier kann ich dich aber nicht vollständig heilen. Ich muß dich wohl mitnehmen.“ „Aber ich kann nicht mit. Ich muß meine Freunde finden.“ Der Elf wurde ernst. „In Deinem Zustand wirst du niemanden finden. Und wenn sie wirklich in Esk´Almadur sind, dann bleiben wir in ihrer Nähe.“ Pirin half Jinda auf, und sie gingen in Richtung des Berghangs. Jinda fragte ihn. „Wie hast du mich geheilt? Mein Freund hat ähnliche Fähigkeiten, aber er kann es bei weitem nicht so gut wie du.“ Pirin lacht. „Kein Wunder. Die Elfen waren stets die Besten, wenn es darum ging zu heilen. Oder zu bannen.“ Fügte er leiser hinzu. „Aber wenn du ein Elf bist und Ihr noch lebt, warum seid Ihr dann so lange nicht gesehen worden?“ Nun verfinsterte sich Pirins Gesicht. „Wir haben uns versteckt.“ Und auf dem Weg zum Gipfel erzählte er seinem neuen Freund die ganze Geschichte der Elfen.

Gorn mit der Axt
31.07.2004, 23:58
Währenddessen hatten Thimris, Jeel und Logan ihren Absturz beendet. Sie sahen, daß sie sich in einer riesigen Höhle befanden, mindestens zwei Meilen groß. Als Thimris aufsah, fragte er sich, was die mit Stalagmiten behangene Decke daran hinderte einzustürzen. Dann sah er es. Aufrecht erbaut, gut eine Meile hoch und später, fast nicht mehr zu sehen in der Dunkelheit der Höhle, nach oben hin schmaler werdend. Ein Turm, der das gesamte Gewicht hielt. Er drehte sich zu den Zwillingen um. „Wo sind wir?“ „Jinda meinte doch, daß die Zwerge unter dem Gebirge lebten. Vielleicht haben sie hier gelebt.“ Logan schaute ihn skeptisch an.
„Jedenfalls können wir hier nicht wieder raus.“ Meinte Thimris. „Wenn hier noch irgend jemand lebt, der uns helfen kann, dann dort drüben. Und der Turm dürfte auch die einzige Möglichkeit sein in die obere Ebene der Gänge zu kommen. Also müssen wir dorthin.“ Sie gingen auf den Turm zu. Doch bald bemerkten sie, daß der Weg dorthin über die Kante des Felsens hinaus führte, auf der sie standen. Unten auf der Ebene vor ihnen wanden sich unzählige Wege, kreuzten sich und spalteten sich in neue Gänge auf. „Ein Labyrinth!“ Sagte Jeel, ent-setzt von dem Weg, der vor ihnen lag.
Als sie mit Unterstützung von Jeel die Stufe passiert hatten, lag der Eingang in das Labyrinth vor ihnen. Sie
ließen das große Eingangstor aus Metall hinter sich zurück und entschieden sich an der ersten Kreuzung für einen der Gänge zu ihrer Rechten. Thimris hatte von oben aus versucht, sich den richtigen Weg zur Felsenturm zu merken, aber schon nach wenigen Minuten verlor er die Orientierung, und sie konnten sich nur noch auf ihr Gefühl verlassen. Jeel versuchte, sich über die Gänge schweben zu lassen, doch anscheinend war die Decke der gewaltigen Höhle von fliegenden Wesen bevölkert, Fledermäusen gleich, die jedoch schwache Feuerstrahlen aussandten und Jeel leicht verbrannten, bevor Thimris eingriff und einige der Angreifer vom Himmel holte. So blieb ihnen keine andere Wahl, als den Weg durch das Labyrinth zu nehmen. Sie liefen stundenlang, manchmal durch unbehauene Gänge, manchmal durch verzierte Räume, die aber immer menschenleer waren.
Spätestens eine Stunde später merkten sie, daß das Gangsystem nicht zum Spaß angelegt worden war. Sie hatten, nach schier endlosen Stunden, endlich den inneren Bereich rund um den Turm betreten. Er war von einem ringförmigen Gang umgeben, in den alle bisherigen Gänge mündeten. Wenig später betraten sie einen der inneren Wege.
Sie gingen über einen gepflasterten Bereich, als Thimris sah, wie direkt neben Logan ein Spieß aus der Wand schoß. Logan wurde nur deshalb nicht getroffen, weil Thimris eine Energiekugel geworfen hatte, die den Speer im Flug zerschmetterte. Die zersplitterten Überreste stießen hart gegen seine Beine. Logan stieß hervor. „Danke, Tim.“ Dieser nickte seinem Bruder kurz zu, war jedoch mit etwas Anderem beschäftigt. Warum war der Speer in dieser Höhe geflogen? Auch wenn Logan nicht gerade groß war, hätte ihn das Geschoß in die Schulter getroffen. Aber wer erwartete, hier unten von Menschen oder Wesen von menschlicher Größe angegriffen zu werden, wenn hier Zwerge lebten? Irritiert lief er weiter. Das wäre ihm beinahe zum Ver-hängnis geworden, denn als er einen der Pflastersteine berührte, platzte ein Teil der Wand vor ihm ab, und eine Öffnung erschien, aus der einen Augenblick später ein Flammenstrahl hervorschoß. Doch Thimris hatte mit einer weiteren Falle gerechnet und jagte einen Energieball in die Öffnung, die daraufhin zu schmolz und in einer grellen Lichtflut explodierte.
Thimris sah nach hinten und meinte „Paßt auf. Ich wette, hier sind noch mehr Fallen versteckt. Wir müssen gut achtgeben, wenn wir beim Turm ankommen wollen.“ Im Verlauf der weiteren Stunde kamen sie dem Turm immer näher und wichen allen Angriffen aus, ob es nun wilde Kreaturen, Steinschläge oder einstürzende Brücken waren. Endlich konnten sie vom Weg aus den Vorplatz des Turms sehen. Thimris blickte vorsichtig um die Ecke.
„Ich schlage vor, wir rennen gleich so schnell wir können zum Portal des Turms. Ich denke, daß auf dem Vorplatz die meisten Gefahren lauern. Jeel, kannst du uns direkt hineinbringen?“ Sie schüttelte bedauernd den Kopf. „Nein. Ich kenne mich dort nicht aus und könnte uns in die Mauern teleportieren.“ Thimris ging zu seinen Geschwistern. „Wenn irgendetwas passiert, werde ich zu euch zurückkommen. Macht euch keine Sorgen.“ Dann rannten sie los.

Gorn mit der Axt
02.08.2004, 19:43
„Im Gegensatz zu euch Menschen leben wir Elfen, solange wir denken, als Volk zusammen. Unsere Hauptstadt lag immer am Gipfel Esk´Almadurs, dem höchsten Punkt des Abendgebirges. Wir lebten friedlich. Wir kannten wenig Magie, außer der, die du gerade gesehen hast. Wir glaubten wie Ihr heute an Jehran, den Ersten der Götter, auch wenn wir euren restlichen Glauben nicht teilen. Eines Tages traf ein Bote bei uns ein. Das verwunderte uns sehr, denn die Menschen waren, ohne dich jetzt zu beleidigen, noch nicht aus ihrer Primitivität erwacht und außer ihnen kannten wir kein intelligentes Leben. Der Bote war viel kleiner als ein Elf. Er stellte sich uns vor und meinte, er sei ein Zwerg, ein Angehöriger einer anderen Rasse, die weit im Norden lebte. Er trat vor unseren König, und sie besprachen sich lange. Ich weiß nicht genau, worum es dabei ging, aber nach einiger Zeit kam eine ganze Schar von Zwergen, unter ihnen ein Fürst ihres Volkes. Die Zwerge waren anscheinend so überrascht wie wir, doch sie fragten an, ob sie nicht in unserem Herrschaftsgebiet eine Siedlung gründen dürften. Zuerst schien es damit Schwierigkeiten zu geben, doch dann stellte sich heraus, daß die Zwerge unter der Erde lebten. Weil wir uns nie für das Innere der Berge interessiert hatten, gestattete es unser König schließlich. Die Jahre vergingen, und wir und die Zwerge wurden gute Freunde. Doch vor zweitausend Jahren gab es einen großen Krieg in dem Gebiet, in dem die Zwerge lebten. Einige Zeit danach fragten sie, ob nicht ihr ganzes Volk unter unserer Hauptstadt leben dürfe, da die ihre zerstört und das Nordland von grausamen Menschen beherrscht wurde. Wir hatten im Grunde nichts dagegen, doch die Lage war gespannt. So wurde ihnen auch dieses Anliegen gestattet. Sie gruben gewaltige Höhlen unter unserem Berg. Dabei weckten sie etwas, was nie geweckt werden sollte. Wir Elfen hatten es lange vor den Kriegen nach dort gebannt, doch waren im damals viele unserer Führer und Gelehrten gefallen, und die jüngeren wußten zuwenig von diesem Wesen. Wenig später erfasste unser Volk eine große Unruhe; alle fragten sich, warum keine Boten der Zwerge mehr zu uns auf den Berg kamen. Wir schickten einige unserer eigenen Leute in die Höhlen. Dort entdeckten sie, was geschehen war. Das Dämonenwesen war in die untersten Höhlen geflüchtet und hatte sich danach die Tiere der Tiefe untertan gemacht. Eine Armee dieser Wesen überrannte die Verteidigung unserer Freunde.“ Pirin stockte. „Als die Unseren dort eintrafen, fanden sie keinen lebendigen Zwerg mehr. Wir entsandten nach einer Zeit der Vorbereitung einen Trupp erfahrener Bannmagier und Soldaten. Diese jedoch stießen auf ein von den Wesen des Dämons geschaffenes Labyrinth. In jedem Winkel waren Fallen und Angreifer versteckt. Von dem ersten Trupp blieben nur zwei Elfen am Leben. In einem jahrelangen Kampf drängten wir die Kreaturen immer weiter in die Höhlen zurück. Zuletzt versiegelten wir die Höhle, in der sie gefangen waren und bannten die Dämonen erneut.
Wir dachten, daß unser Volk nach diesem schrecklichen Kampf wieder in Ruhe leben könnte, doch schon ein paar Jahrhunderte später mußten wir euch im Kampf gegen die Nordländer beistehen, die ein zweites Mal angriffen. Als wir Eure Priestermagier die Kunst des Bannens gelehrt hatten, schufen diese zwar den Wall, doch unser König meinte, daß der Schutz für sein nun arg geschrumpftes Volk keinen ausreichenden Schutz darstellte. Wir bedienten uns der Kraft unseres Enig´me Jehran. Eines Splitters des Jehransteins. Mit seiner Hilfe und der Hilfe des Ersten schufen wir unsere neue Hauptstadt. Wir entzündeten damals an den Klippen unter ihr ein gewaltiges Feuer, das seit damals brennt und dem Berg seinen neuen Namen verlieh. Der Berg, auf dem es immer so dunkel ist wie am Abend.“
In diesem Moment hatten sie die eben erwähnte Rauchwolke durchstoßen und sahen die Stadt der Elfen. Jinda war überrascht, dass er vergaß zu atmen! Die Stadt flog.

Viele Meilen unter ihnen kämpften sich Jindas Freunde durch ein Chaos aus Geschossen, Feuer und Rauch. Kaum daß sie den Platz betreten hatten, wurde eine Unmenge an Fallen aktiviert. Thimris feuerte Blitze auf alles ab, was ihn und seine Geschwister bedrohte, und im Notfall verschwanden sie durch Jeels Gabe und tauchten erst einige Meter weiter wieder auf. So erreichten sie nach endlosen Minuten das Tor. Es war verschlossen.
Entsetzt sah Thimris sich um. Aus einem der vielen Gänge, die zum Vorplatz führten kamen bereits neue Angreifer hervor gestürmt, zu viele, um sie aufzuhalten. Er warf seine Geschwister zu Boden, peilte die Tür an und schoß einen riesigen Feuerball auf sie ab. Er flog auf die Tür zu. Diese sprühte Funken, als sie sich berührten und leuchtete grell auf. Als sie aufstanden und weiter auf die Öffnung zuliefen, sahen sie, daß die Tür eingedrückt und teilweise zerschmolzen war. Die entstandenen Spalten waren nicht einmal für Jeel groß genug, doch durch sie konnte sie in den Raum dahinter schauen. Sie orientierte sich, und die Drei verschwanden. Sie tauchten in einer Halle des Turms wieder auf. Jeel schob einen Teil des herumliegenden Schutts vor die lädierte Tür und blockierte sie so für die Verfolger. Danach schaute sie sich vorsichtig um. Von dem Raum aus, in dem sie waren, gab es keinen Zugang in das Innere des Turms. Dafür gab es an den Seiten des Raumes Treppen, die nach oben und unten führten. Sie wählten eine derer, die nach oben verliefen. Sie kletterten vier Stunden lang über die groben Stufen. Immer wieder mußten sie sich einzelner Verfolger entledigen, doch insgeamt herrschte im Turm eine überraschende Stille. Sie durchquerten Lagerräume und prachtvolle Hallen. Aber zuletzt standen sie doch vor einer Sackgasse. Offensichtlich hatten die Insekten oder jemand anders alle Zugänge nach einstürzen lassen. Schluchzend sackte Logan in sich zusammen. Jeel lehnte sich erschöpft an ihn. Es schien alles verloren. Doch dann hatte Thimris einen Einfall. Er hatte überlegt, was sie tun würden, wenn Jinda noch bei ihnen wäre, und sich daran erinnert, was dieser ihm über das Kämpfen beigebracht hatte. „Logan, Jeel, steht auf. Ich glaube, es gibt doch einen Weg hier raus.“ Logan blieb ungläubig sitzen, aber seine Schwester stand auf. „Wie denn?“ Er sah sie triumphierend an. „Indem wir nach unten gehen.“ Sie sah ihn an, als hielte sie ihn für verrückt, deshalb sprach er schnell weiter. „Erinnert euch doch, was Jinda uns erzählt hat. Verteidigen kann man sich am besten, wenn der Gegner nur einen Weg hat. Diese Wesen haben deshalb alle anderen Ausgänge verschlossen. Sie haben sich auf einen Kampf vorbereitet. Sie haben vermutlich nur den Gang in der Mitte des Turms übrig gelassen. Und weil wir in den oberen Bereichen keinen Gang hinein gefunden haben, muß der Zugang nach innen weiter unten liegen.“ Die Zwillinge sahen ihn überrascht an. Daran hatten sie nicht gedacht. Dann grinsten sie sich an. Tim hatte es wieder einmal geschafft.

Gorn mit der Axt
03.08.2004, 01:40
„In der letzten Zeit haben wir aber bemerkt, dass der Feind aus dem Norden sich wieder regt. Deshalb schickte mein Großvater Perlion mich los, um mich umzusehen. Drei Tagesmärsche von hier entfernt, fuhr ein Zittern durch die Erde. Ich schlich mich an das Zentrum heran und sah einen riesigen Schatten aufsteigen. Ich wußte nicht, was passiert war, deshalb wollte ich erst zurück und meinem Großvater hiervon berichten. Unterwegs wurde ich dann von diesen Kreaturen angegriffen, die aus den Tiefen der Erde stammen und die ich aus den Erzählungen meiner Verwandten kannte. Der Erdstoß muß den Dämon wiedererweckt oder den uralten Zauber geschwächt haben. Ich hatte keine Möglichkeit zum Angriff, also zog ich einen Bannkreis um mich herum. Einige der Wesen waren schon nahe an mir heran, weshalb sie durch den Bann gespalten wurden. Die anderen griffen meinen Schutz an. Er brach zu-sammen, gerade als du aufgetaucht bist. Du hast mir das Leben gerettet, deshalb stehe ich in Deiner Schuld. Aus diesem Grund durfte ich dich auch mit auf den Berg nehmen.“ Sein Gesicht zeigte Sorge. „Das wird nicht jedem erlaubt.“ Jinda sah es und überlegte, wie die Elfen wohl reagieren würden, wenn er dort ankäme.

Sie stiegen also die Treppen wieder hinunter. Nach einiger Zeit hatten sie den Eingangsraum erreicht. Thimris sah, daß die Tür, die sie so sorgfältig blockiert hatten, schief in den Angeln hing. Die Insektenwesen hatten ihre Barriere fast überwunden. Deshalb rannten sie auf die gegenüberliegende Seite des Raums und in den Treppen-schacht, der nach unten führte.
Nachdem sie bereits drei Stunden wanderten, machte Thimris sich Sorgen. Sie mußten fast zweieinhalb Meilen unter der Erde sein. Wie sollten sie aus dieser tiefe entkommen, wo zudem doch das Gebirge über ihnen lag. Eine der Hallen, an denen sie vorbei kamen hatte nur einen Eingang und eine stabil wirkende Tür. Sie beschlossen hier zu schlafen. Thimris wachte sechs Stunden lang, dann Jeel und Logan. Nun waren sie ausgeruht, und konnten weitergehen. Sie hatten aber nur noch Nahrungsmittel für zwei Mahlzeiten. Sie wußten, daß sie diesen Höhlen bald entkommen mußten, wenn sie nicht verhungern wollten. Eilig machten sie sich auf den Weg. Sie wurden zwar ab und zu entdeckt und verfolgt, doch insgesamt schien in diesem Teil des Systems weniger los zu sein. Als sie um eine Ecke gingen, sahen sie plötzlich einen langen schmalen Gang, der in Richtung der Mitte des Turms lief. Sie folgten ihm bis zu einer Tür aus Stein. Davor machten sie Halt. Thimris sagte. „Ich werde diese Tür gleich öffnen. Danach gebe ich euch Deckung, und ihr lauft, so schnell ihr könnt, zum Zentrum. Dort müßte eine Treppe sein, die aufwärts führt.“ Sie machten es wie besprochen. Thimris stellte sich gerade vor die Tür, seine Geschwister an der Seite, die sich bereit machten los zu rennen. Dann schoß er einen Energiestrahl ab, der sie zersplittern ließ, und die Zwillinge rannten los. Sie waren überrascht, daß sich im Saal, den sie durchquerten, kein einziger Feind war. Auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes befand sich eine Steintreppe, die an der Wand entlang lief, um viele Meter weiter oben im Dunkeln zu verschwinden. Nun kam auch Thimris durch die Reste der Tür. Auch er wirkte irritiert, ging jedoch trotzdem zielstrebig auf die Treppe zu. „Kommt!“ Rief er. „Wir müssen da rauf.“ Jeel und Logan stöhnten schon nach wenigen Metern. Die Treppe war noch abgenutzter als die, die sie bereits benutzt hatten, nur zwei Meter breit und hatte kein Geländer. Doch sie kletterten weiter und weiter. Nachdem Thimris, der die Stufen gezählt hatte, bei zweitausend angekommen war, machten sie eine Pause. Sie aßen etwas, rieben sich die Füße und brachen erneut auf. Sie bestiegen noch weitere zwölftausend Stufen. Schon einige Minuten vorher, hatten sie festgestellt, daß auf dieser Höhe eine Art Zwischenboden errichtet worden war. Logan hoffte sie würden nun bald das Gebirge hinter sich lassen, doch Thimris konnte die Entfernung besser abschätzen. Es sollte sich zeigen, daß er Recht hatte, die Decke der unteren Halle war wohl nur der Abschluß einer Etage. Niedergeschlagen legten sie sich schlafen. Bevor sie aufbrachen, aßen sie ihre letzten Reste. Thimris hatte seine Vorräte besser eingeteilt als seine Geschwister und deshalb noch ein wenig in Reserve, wovon die anderen aber nichts wußten. Sie liefen also. Langsam und fast ohne Hoffnung, dem Turm zu entkommen. In Abständen von dreitausend Stufen waren weitere Zwischenetagen untergebracht. Als sie die vierte passierten, brach Logan zusammen. „Warum laufen wir eigentlich noch. Dieser Schacht nimmt gar kein Ende. Wir werden ihn nie mehr verlassen.“ Er würde wütend, als er sah, daß sein Bruder trotz allem grinste. „Du liegst falsch. Wir haben schon einen Großteil der Strecke zurückgelegt. Ich wette mit dir, daß wir bereits wieder über der Erdoberfläche sind.“ Logan sah ihn erstaunt an. Dann stand er auf und reichte seinem Bruder die Hand. Was Thimris ihm aber nicht gesagt hatte, war, daß der Schacht kontinuierlich schmaler würde. Er hatte nur noch ein Drittel des Ursprungsumfangs. Er wollte nicht, daß die Anderen dächten, der Schacht würde bald einfach in einer Sackgasse aufhören. Nachdenklich stieg er weiter, als er auf einmal einen Schrei hörte. Aus der zerschundenen Wand neben seiner Schwester waren plötzlich Hunderte von kleinen Spinnen gekrochen. Zuerst wich sie nur zurück, weil sie dachte sie seien ungefährlich, doch dann packte er sie am Arm und riß sie an sich. Er hatte gesehen, wie eine der Spinnen, die etwa viermal größer war als ihre Artgenossen, eine Substanz abgab. Diese tropfte auf eine der kleineren Spinnen und diese stürzte zuckend und rauchend in den Schacht. Jetzt mußte Thimris sich schnell entscheiden. Kurz entschlossen zertrümmerte er mit einem Energiestrahl die Stelle, an der die Kreaturen aus dem Fels krochen. Schockiert eilten sie die Treppe hinauf, während hinter ihnen die Reste der Stufen lautlos dem Boden entgegen fielen. Wenige Minuten später hielten sie erschöpft an. Die paar Spinnen, die es gewagt hatten, ihnen zu folgen, hatten jetzt aufgegeben. Als Jeel sich sitzend im Schacht umsah, bemerkte sie dasselbe, wie ihr Bruder zuvor. „Der Raum mißt ja nicht mal mehr fünfzig Meter!“ Dachte sie verwundert. Entschlossen den Ausgang zu finden, ließ sie ihre telekinetischen Sinne an der Treppe entlang wandern und erfühlte ihr Ende kaum eine halbe Meile weiter. „Schnell, steht auf, wir sind fast draußen.“ Doch so schön Thimris es fand, daß seine Schwester ihre Hoffnung wiedergefunden hatte, mußte er sie jetzt doch bremsen. „Warte! Wenn diese Wesen den Gang wirklich zur Verteidigung angelegt haben, können sie uns dort am besten auflauern.“ Jeel mußte ihm enttäuscht Recht geben. Sie legten eine weitere Pause ein und aßen Tim´s letzte Vorräte. Dann konzentrierten sie ihre Kräfte und kletterten vorsichtig die Stufen hinauf durch die Decke.

Gorn mit der Axt
04.08.2004, 01:29
So gelangten sie in einen Raum, einige Dutzend Schritte groß, an dessen gegenüberliegender Wand eine leuchtende Tür zu sehen war. Trotzdem war der Raum nur mäßig beleuchtet, denn zwei Dinge in ihm schienen all das Licht der Tür in sich aufzusaugen. Der erste Gegenstand, ein gewaltiger Felsen, lag auf die Seite gekippt in der Mitte des Raumes. Thimris hielt ihn für eine Kultstätte der Zwerge, da ein Stück entfernt eine Grube ausgehoben war, in die er genau passen würde, und diese gleichmäßig mit Symbolen umgeben war.
Das zweite Objekt erblickte Thimris erst Sekunden später. Es handelte sich um ein riesiges Tier, das sich offensichtlich in eine Nische der Wand kauerte. Instinktiv schoß er eine Energiekugel darauf ab, doch wusste er schon in der Sekunde des Aufpralls, auf den keine Reaktion folgte, dass dieses Wesen schon vor langer Zeit gestorben sein musste. Dem Anschein nach relativ sicher, bewegte er sich vorsichtig auf die Tür zu, ein zwanzig Fuß großes Portal aus Stahl, in das rot glimmende Runen geätzt worden waren. Jeel und Logan folgten in einiger Entfernung. Die drei blieben vor der leuchtenden Öffnung stehen.





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




„Diese Zeichen erinnern mich ein wenig an die Buchstaben in den ersten Schriften der Bruderschaft der Priester. Aber da sind auch noch andere, undeutlich und nicht ganz so alt. Sie sind in keiner Sprache geschrieben, die ich kenne.“ Thimris murmelte vor sich hin. Er versuchte sich an die wenigen Worte zu erinnern, die ihm aus den Büchern seines Vaters im Gedächtnis geblieben waren, und ging näher an die größte Schrift, auf dem Riegel der Tür, heran. „Hier steht etwas von „den Leuchtenden“ und etwas von einem Kampf gegen ein“. Er wischte den Staub weg. „Ein Wesen aus alten Legenden. Danach etwas über Trauer um Freunde, die wohl gestorben sind. Das Letzte ganz unten scheint ein Bann zu sein, der verhindert, daß diese Öffnung von dieser Seite aus geöffnet wird und der Name des Schreibers. Bei dieser Stelle bin ich mir nicht sicher. Irgendetwas von einer späteren Gefahr, eine Warnung, denke ich. Wenn ich das Datum richtig gelesen habe ist diese Schrift mehr als zweitausend Jahre alt.“ Thimris ging einen Schritt zurück. „Wenn es einen anderen Weg hinaus gäbe, würde ich nicht versuchen diese Tür zu öffnen.“ Er sah seine Geschwister unsicher an, aber Logan war anderer Meinung. „Vergiß es, Tim. Du sagst doch Selbst, daß diese Runen uralt sind. Wer immer sie geschrieben hat, ist schon lange tot, vielleicht länger, als wir es uns vorstellen können und die Gefahr, die in dem Text erwähnt wird, genau so.“ Logan sah seine Geschwister triumphierend an, doch Thimris war nicht überzeugt. Aber er wusste, daß dies der einzig erreichbare Ausgang für sie war und durch den Mangel an Wasser und Nahrung hatten sie keine Möglichkeit, einen anderen zu suchen. Also, schloß er sich widerstrebend der Ansicht Logans an. „Vielleicht können wir die Tür ja gar nicht öffnen. Dann hat sich diese Frage erledigt. Ich glaube nicht, daß die Schriftzeichen nur da sind, um sie ein wenig interessanter zu gestalten.“
Ohne eine Entscheidung abzuwarten berührte Logan die Metallbeschläge des Riegels und schlug, nachdem er deren Härte übernommen hatte, auf das Portal ein. Sie sahen, wie die Tür eine Delle bekam und angekratzt wurde, doch gleichzeitig leuchteten die Runen hell auf und Logan wurde mit großer Wucht gegen die Wand geschleudert. Jeel rannte zu ihm. Als sie bemerkte, wie tief die Abdrücke und Risse waren, die er im Fels hinterlassen hatte, wusste sie, dass ein Mensch ohne Magie diese Art der Verteidigung nie überlebt hätte. “Allerdings“ dachte sie ironisch „wären wir ohne unsere Magie nicht einmal hierhin gekommen. Während ihr Bruder sich taumelnd erhob, sah sie, dass Thimris an der Tür wie erstarrt stehen geblieben war. Dieser hatte mit seinem ausgereiften Gespür für Magie festgestellt, dass hinter der Attacke mehr steckte, als nur eine Verteidigung. Auch meinte er jetzt durch seine Magie etwas anderes zu spüren, die Anwesenheit eines Wesens, die er vorher nicht gespürt hatte. Als dieses Gefühl immer deutlicher wurde, verstand er endlich, von woher es spürte. Er zog sich zu Logan und Jeel zurück, erst langsam rückwärts gehend, dann schneller und schließlich so schnell er konnte. Er warf sich auf die beiden und hatte gerade noch genügend Zeit eine Energiemauer aufzubauen, bevor der Felsbrocken mit einem gewaltigen Knall explodierte, die Kammer gleißend hell erleuchtete und sich Gesteinssplitter mit rasender Geschwindigkeit in die Wände bohrten. Der jahrhundertealte Staub auf dem Boden wurde aufgewirbelt und alles verschwand im Dunst. Als sich Minuten später der Staub wieder ein wenig legte, hörten sie ein leises Zischen und Kratzen, das sich ihnen langsam näherte. Dann ragte plötzlich ein massiges Wesen aus dem Dunst vor ihnen auf und schlug so kraftvoll auf die Energiemauer ein, daß Thimris gegen die Wand gepreßt wurde. Er hörte ein leises Knacken und wußte, daß mindestens eine seine Rippen gebrochen war. Er konnte kaum noch atmen und die Barriere wurde ohne seine Kontrolle immer schwächer.

Gorn mit der Axt
04.08.2004, 23:29
„Warte! Hier müssen wir rein.“ Pirin führte Jinda in das Innere einer Felsspalte, die dieser wohl sonst nicht einmal bemerkt hätte. Dort sah er, daß die Spalte nach oben hin offen war. In der Mitte des Raumes war ein mit Runen bedeckter Kreis, von dem eine schwach schimmernde Lichtsäule ausging. Pirin schien sein erstaunter Gesichtsausdruck zu erheitern. Er hatte sich schon auf die markierte Fläche gestellt und winkte Jinda zu sich. „Entweder du kommst jetzt hier hin, oder du darfst die restlichen vier Meilen laufen.“ Jinda blickte ihn erschrocken an. Er war schon den ganzen Tag gewandert und entsprechend erschöpft. Schnell sprang er zu Pirin auf den Kreis. Auf einmal fühlte er, wie er leichter wurde, schwebte und dann langsam in der Lichtsäule nach oben getragen wurde. Pirin erklärte. „So wie unsere Stadt vom Enig´me Jehran, dem größten Splitter des Jehransteins in der Luft gehalten wird, so benutzen wir einige der kleineren Stücke des Kristalls als Transportmittel. Sie sind der einzig mögliche Weg, unsere Stadt zu erreichen. Wir werden den Weg zum Gipfel in zehn Minuten geschafft haben.“ Jinda starrte ihn ungläubig an. „Zehn Minuten! Selbst zu ebener Erde könnte man diese Strecke nicht so schnell überwinden.“ Doch noch im selben Moment fühlte er, wie sie schneller wurden, mit jeder Sekunde ein wenig. Pirin sah ihn an. „Wenn wir am Schluß den Gipfel erreichen, sind wir doppelt so schnell wie ein Reiter.“
Der Elf hatte Recht. Schon nach wenig mehr als neun Minuten hatten die beiden den Endpunkt der Lichtsäule erreicht. Sie standen am Rand einer Klippe, ein paar Schritte von einem Wachhaus entfernt, aus dem jetzt eine Gruppe voll bewaffneter Elfen kam. Sie erblickten zuerst Jinda und hoben ihre Schwerter zum Angriff, doch dann sahen sie Pirin und blieben verblüfft stehen. Von hinten drängte sich ein weiterer Elf durch die Gruppe, den Jinda auf Grund seiner besseren Rüstung für den Anführer hielt. Mit rotem Kopf stürmte er auf Pirin zu, der hastig auf ihn einredete. Mit nur mühsam unterdrücktem Zorn hörte der Elf ihm zu und beruhigte sich allmählich. Er stellte Pirin einige Fragen und machte sich dann ging dann eilig den Weg zur Stadt zurück.
Jinda hatte sich bemüht aus dem Gespräch der zwei schlau zu werden und meinte ein oder zwei der Worte zu kennen, doch war er erleichtert, als Pirin ihm übersetzte. „Der Mann, den du gerade gesehen hast, gehört zu den Offizieren unserer Armee. Er war sehr zornig, weil ich einen, entschuldige bitte den Ausdruck, „Ungeweihten“ in unsere Stadt gebracht hätte. Er verzichtete nur darauf, uns beide fest zu nehmen, weil ich dir mein Leben verdanke und in offiziellem Auftrag unterwegs bin. Trotzdem wird ein Teil der Soldaten hier uns zum König bringen, der dann darüber befindet, was weiter geschehen soll. Mach dir keine Sorgen“, fügte er schnell hinzu, als er Jindas Gesicht sah, „der König ist ein weiser und gütiger Mann und er hat mehr für euch über, als die meisten von uns."
Zusammen mit den Soldaten brachen die beiden nun auf. Der Weg war nicht sehr lang. Er führte durch einen kleinen Wald, bis direkt an die Stadtgrenze. Sie gingen schweigend weiter. Sie konnten die Stadt inzwischen gut sehen. „Siehst du, Jinda, das ist der Palast unseres Königs.“ Er zeigte auf ein Gebäude, das alle anderen weit überragte. „Der höchste Punkt des Kontinents, ausgenommen ein paar Bergen im Grenzgebirge, den Esk´alror. Dorthin müssen wir.“
Jinda war sehr still geworden. Er war überwältigt von all den Dingen, die auf ihn einstürmten. Doch eins war ihm aufgefallen. „Wenn ihr den Berg normalerweise nicht verlassen dürft, warum konnte Dein Großvater dich dann einfach wegschicken?“ Pirin wurde rot. Er schien verlegen. „Wer hätte es ihm verbieten sollen? Er ist der König.“

Inmitten des ganzen Rauchs konnte Thimris kaum etwas sehen. Aber er spürte durch die Verbindung seiner Gabe, wie sein Schild zu einem dünnen Dunstschleier schrumpfte. Durch ihn konnte er das angreifende Wesen nun genauer erkennen. Es schien zu der gleichen Gattung zu gehören wie die Spinnen, die sie auf der Treppe attackiert hatten. Wo diese jedoch zumindest einigermaßen normal gewirkt hatten, wirkte es sonderbar verzerrt und war mehr als zwei Dutzend Fuß lang. Dabei fühlte er, wie er immer schwächer wurde. Die Spinne hämmerte mit ihren Klauen ununterbrochen auf den Schutzschild ein. Auf einmal durchzuckte ihn ein Gedanke wie ein Blitz. Die Spinne sah genau so aus wie das tote, ausgewachsene Wesen. Wenn dieses Wesen in der Kammer hinter der Tür mit dem Bann gelebt hatte, dann bezog sich die Warnung an der Tür auf diese Spinne. Und sie hatten es geweckt. Zorn durchströmte ihn. Wenn dieses Wesen der gebannte Dämon oder dessen Nachfahre wäre, würde es das Labyrinth bald verlassen und die Umgebung der Berge mit seinen Untergebenen überfluten.
Er sammelte seine verbliebene Energie und der Schild verdichtete sich wieder. Die Spinne, die anscheinend bemerkte, daß ihre Bemühungen zu nichts führten, wandte sich um und kroch zur Tür. Thimris sah rot. “Schnell, wir müssen es aufhalten! Wir haben den Schutzzauber geschwächt. Tun wir nichts, wird es ausbrechen.“
Die Zwillinge sahen sich an. Dann rannte Logan durch den Schutzschild auf die Hinterseite der Spinne zu. Jeel dagegen hockte sich neben ihren Bruder und faßte ihn am Arm. Überrascht merkte dieser, wie er durch diese Berührung neue Energie bekam. Jeel schickte ihm ihre Kraft mittels seiner Gabe.
Weiter vorne hatte Logan den Dämon erreicht. Er berührte diesen und taumelte. Er hatte die Struktur des Wesens
übernommen. Die Spinne hatte es wohl gemerkt, denn sofort wirbelte sie herum, und sie hätte Logan zerrissen, wenn Thimris nicht hinzugekommen wäre. Er hatte die gesamte Energie seiner Schwester in seinen Händen gesammelt und ließ sie jetzt direkt vor dem Kopf des Dämons explodieren. Das Untier stürzte schwer getroffen zur Seite. Sowohl durch die Stärke der Verletzungen, als auch durch die Tatsache, daß es an die Dunkelheit der Tunnel gewöhnt war, wurde ihm zum Verhängnis. Während es noch zuckend da lag, begann Logan auf einmal zu wachsen. Sein Kopf und sein Unterleib schwollen stark an. Bei einer Größe von zehn Fuß wuchsen ihm vier Augen zusätzlich und aus seinem Körper sprossen neue Beine. Nach kaum einer Minute stand er an den Boden gehockt da. Eine perfekte Kopie des Dämons.

Gorn mit der Axt
06.08.2004, 16:34
Fünf Meilen weiter oben erreichten Pirin und Jinda, eng umdrängt von den Elfensoldaten, die Stadt. Jinda wunderte sich, daß sich kaum ein Elf nach der doch so ungewöhnlichen Gruppe umsah. Doch dann begriff er, daß dies an der engen Deckung durch die Patrouille lag. Anhand der Reaktion des Offiziers schien es denkbar, daß die Elfen auf einen Menschen in ihrer Hauptstadt panisch oder aggressiv reagieren könnten. Nach einiger Zeit bog die Gruppe um eine Ecke und ging auf der Hauptstraße weiter. Nun konnte Jinda denn Palast genau sehen. Mit seinem gewaltigen Hauptgebäude, Dutzenden von Anbauten und vier massiven Wachtürmen an den Ecken des Geländes nahm der Palast fast genau so viel Fläche ein wie Jindas Heimatstadt. Überragt wurde das eigentliche Hauptgebäude nur noch von einem Turm im Innenhof, der sich in Windungen nach oben hin verjüngte, bis er in fast dreihundert Fuß Höhe in einer nach oben offenen Plattform endete.
Noch während Jinda diesen Anblick bewunderte, fiel ihm auf, daß der Palast durch keinerlei Mauern geschützt wurde. „Fürchtet ihr hier oben keine Feinde, oder warum habt ihr keine Mauern?“ Pirin grinste ihn an. Er schien aus einem Jinda unbekanntem Grund erleichtert. „Diese Linie, an der wir vorhin vorbeikamen, schützt die Gebäude und hält jeden zurück, den unser König nicht dort haben will.“
Jinda dachte darüber nach und beschloß, besser nicht danach zu fragen, was mit den unerwünschten Besuchern geschah.
Auf dem Innenhof, nur wenige Schritte vom Eingangsportal entfernt, hielten sie an. Dann öffnete es sich, und heraus kam ein großer Elf mit einer Krone aus Elfenbein, der älter war, als alle anderen seines Volkes, die Jinda bisher gesehen hatte. Er kam auf die Gruppe zu, woraufhin die Soldaten unaufgefordert zur Seite wichen. Jinda wußte, daß er vor Perlion, dem König der Elfen stand und kniete sich nieder. Aus den Augenwinkeln sah er wie Pirin es ihm gleichtat. Der König aber schmunzelte. „Steh auf, Enkel. Es müßte schlecht um das Hohe Haus der Elfen bestellt sein, wenn der König von seiner Familie so etwas verlangt.“ Dann sah er zu Jinda und runzelte die Stirn. „Steh auch du auf, Mensch Jinda. Auch wenn Deine Anwesenheit hier nur geduldet wird, müssen wir dir doch Respekt erweisen. Mein Enkel schuldet dir sein Leben, und eine solche Schuld ist einer der wenigen Gründe, die es mir erlauben, Nicht-Elben in unsere Stadt zu lassen. Wisse, daß du seit dem Bestehen unserer Stadt, seit der Erschaffung des Walls durch Elfen und eure Priestermagier erst der dritte Mensch bist, der Meyin‘iol, den Turm der Sonne sieht, und dass dir innerhalb unserer Grenzen nichts geschehen wird.“ Als Jinda nun vorsichtig den Kopf hob sah er erstaunt, wie der König sich andeutungsweise vor ihm verbeugte, was einige der Soldaten entsetzt aufkeuchen ließ.
Dann wandte sich Perlion ab und ging wieder in den Palast zurück. Pirin winkte Jinda ihm zu folgen. Sie durchquerten lange Flure, kunstvoll gefertigte Hallen und standen schließlich vor dem Thron des Elfenkönigs, auf dem dieser sich auch sogleich niederließ. Nun da sie allein waren, konnte Pirin es wagen frei zu sprechen. „Großvater, du hast mich ausgeschickt, um herauszufinden, ob die Nordländer den Wall überwinden können. Nun muß ich dir sagen, sie können es, und sie haben es bereits getan. Sie haben im Flachland der Menschen bereits mehrere Städte dem Erdboden gleichgemacht, und auch in unser Gebiet sind sie bereits eingefallen.“ Er wandte sich zu Jinda. „Dieser Mensch war mit anderen auf der Flucht vor einem dieser Wesen, einem gigantischen fliegenden Untier. Sie flüchteten in die Höhlen unter Esk´Almadur und ich fürchte, daß dabei der Gebannte wieder erwacht ist. Jinda konnte sich befreien und rettete mich vor einigen seiner Diener. Wir sind verpflichtet, ihm auf der Suche nach seinen Freunden zu helfen, denn ohne ihn hätte diese Warnung die Elfen nie erreicht.“
Darauf folgte ein langes Schweigen. Dann sackte der König in sich zusammen, und ihm war zum ersten Mal sein hohes Alter anzusehen. Sein Gesicht war eingefallen und seine Augen verloren den lebendigen und freundlichen Schimmer, seine Schultern, vorerst hoch und stolz erhoben fielen jetzt in sich zusammen und senkten sich. In seiner Stimme klang Verzweiflung auf. „Wie soll ich mein Volk in solchen Zeiten schützen. Mein Großvater bannte damals die Wesen, die unsere Freunde getötet hatten, ins Innere des Berges, und ich selbst erhob unsere Stadt mit dem mir gegebenen Jehranstein in die Gefilde über den höchsten Gipfeln, um es vor den Nordländern und Dämonen zu bewahren. Und nun scheint alles vergebens gewesen zu sein.“ Dann fasste er sich langsam wieder und er blickte Jinda und Pirin entschlossen an. „Enkel, schick nach unseren mächtigsten Bannmagiern. Sie sollen sich an der Seiko'Kan, der Endlosen Treppe versammeln und auf mich warten. Entsende auch all unsere Späher in das Gebiet rund um das Gebirge und gib jedem eine Gruppe Soldaten mit.“
Pirin erhob sich um den Befehl des Königs auszuführen, während Jinda sich unsicher fragte was man von ihm erwartete. Doch Perlion schien die Not seines Gastes zu erkennen. „Komm du mit mir, Mensch Jinda. Wir werden den Sonnenturm in der Mitte des Palastes aufsuchen und dort auf die Magier und meinen Enkel warten.“ Sie verließen den Thronsaal in verschiedene Richtungen und Jinda blickte sehnsüchtig hinter dem Elfenprinz her, war er doch an einem Ort, wo er niemanden kannte und glücklich über jedes bißchen Sicherheit. So aber folgte er dem Herrscher auf seinem Weg zum Sonnenturm. Auf dem Vorplatz angekommen sah er schon einige der Elfen, in edle Roben verschiedener Farbe gehüllt, die sich dem König ehrfurchtsvoll näherten. Viele von ihnen schienen so alt wie der ihr Herrscher selbst, und alle hielten einen Eichenstab mit einem glitzernden Stein in den Händen. Sie verbeugten sich, als sie ihren König erblickten sahen aber gleichzeitig erbost auf Jinda. In diesem Moment erreichte Pirin den Platz in Begleitung eines weiteren Elfen, der in eine Nachtschwarze Robe gehüllt war. Die beiden unterhielten sich angeregt und achteten nicht auf die anderen Elfen oder Jinda. Als sie bei den anderen Magiern angekommen waren, blickte der Elf in der dunklen Robe sich kurz um. Er erblickte Jinda und riß die Augen auf. Dann schrie er auf und sein Arm mit dem Stab fuhr in die Höhe. Blaue Blitze schossen aus dem Spitze des Zauberstabs und auf Jinda zu. Dieser aber reagierte noch schneller. Sein Schwert fuhr blitzschnell aus der Scheide, schützend vor das Gesicht gestreckt. Er warf sich zu Boden und packte den Griff fest mit beiden Händen. Er sah, wie der Blitz auf ihn zu zuckte und gegen sein Schwert prallte. In diesem Moment fuhr ein Ruck durch seine Arme und riß ihm die Waffe fast aus der Hand.
Er machte die Augen wieder auf und erblickte einen Strom magischer Energie, der weiterhin auf sein Schwert zu schoß, es mit enormer Kraft traf und... in zwei Ströme zu seinen Seiten abgelenkt wurde, bis die Kraft des Blitzes zu stark wurde und ihn mehrere Meter zurück schleuderte.

Gorn mit der Axt
08.08.2004, 23:52
Er schlug mit der rechten Seite auf dem Boden auf, überschlug sich zweimal und blieb still liegen, wissend, daß er zu schwach war, sich zu verteidigen. Doch merkwürdigerweise folgte kein weiterer Angriff, sondern nur ein erneuter Schrei, der diesmal aber schmerzvoll klang. Jinda drehte sich mühsam um und sah seinen Angreifer hilflos zuckend niederknien. Ein Strahl weiß heißer Energie sprang vom Boden in seinen Stab. Sekunden später sank er besinnungslos zu Boden. Eine kurze Zeit wagte keiner der anderen sich zu bewegen, doch dann schüttelte Perlion unglücklich den Kopf und half Jinda dabei auf zu stehen, während zwei weitere Elben sich des Magiers annahmen.
„Ich muß mich für Wernestos entschuldigen.“ Sprach der König Jinda an. „Obwohl es teilweise vermutlich auch meine Schuld war.“ Er bemerkte Jindas fragenden Blick und sprach weiter. “'Wern' ist, wie Du schon an seiner schwarzen Robe siehst, der oberste Magier. Doch das ist er nur geworden, weil er so unheimlich ehrgeizig ist, sonst hätte er in seinem Alter nicht einmal die Aufnahme überstanden.“ Perlion setzte sich auf die Umrandung, die den Vorhof des Palastes umgab und bat Jinda, es ihm gleich zu tun. „Als Wern noch sehr jung war, lebte er in einer der wenigen Siedlungen der Elfen außerhalb der Hauptstadt. Es war ein kleines Dorf, versteckt in einem Tal, kaum einen Tagesmarsch von hier, wo er mit seinen Eltern lebte. Eines Tages aber wurde die Siedlung von Räubern überfallen, zwanzig, dreißig Mann nach dem, was ich erfahren habe. Der Zufall wollte es, daß gerade zwei Kundschafter den monatlichen Bericht zu mir brachten, weshalb während des Überfalls nur vier Soldaten dort postiert waren. Obwohl sie den Angreifern wohl überlegen waren, hatten sie gegen diese Übermacht keine Chance. Als die wenigen Bewohner des Dorfes bemerkten, daß sie schutzlos waren, verbarrikadierten sie sich in ihren Häusern. Doch auch diese Verteidigung wurde durchbrochen. Während des Kampfes wurde Wern hinter einen Tisch an die Wand geschleudert und ohnmächtig. Als er wieder erwachte, waren seine Eltern und Verwandten tot. Er war der einzige Überlebende des Überfalls. Er wurde später von den zurückkehrenden Spähern gefunden und zur Hauptstadt gebracht, doch seit diesem Augenblick haßt er die Menschen.“ Der König lachte traurig und schüttelte abermals den Kopf. „Ein Mensch in unsrer Hauptstadt war wohl zu viel für ihn.“
Jinda überlegte sich, was Perlion ihm erzählt hatte. Dann sah er auf. „Majestät, durch was wurde Wern verletzt? Habt ihr eingegriffen?“ „Nein. Es war die Magie unserer Stadt selbst, die Dich gerettet hat. Sie folgt meinem Willen. Ich hatte Dich zu uns eingelassen, also standest Du unter ihrem Schutz. Sie verhindert, daß jeder, egal wer es ist, in unserer Stadt nicht ungestraft angegriffen wird. Sie wrikt ohne jeden Unterschied, auch ich als König habe mich vor ihr zu verantworten.“ Perlion stand auf und streckte sich vorsichtig. „Komm, Jinda. Wir haben den Sonnenturm fast erreicht.“ Er führte Jinda in den Turm und eine scheinbar endlos lange Treppe hinab. Als Jinda dachte sie wären schon am Boden der fliegenden Insel angelangt, lag ein großer runder Raum vor ihnen. Auf einen mehr als zwei Meter hohen Podest hielt ein Ständer aus Elfenbein ein Kristall. Jinda riß die Augen auf. Der Stein ähnelte denjenigen, welche die Priestermagier trugen, nur war er nicht ein Inch, sondern fast einen Fuß lang! Perlion schien seine Überraschung nicht bemerkt zu haben. Er schritt weiter auf das Podest zu und öffnete eine Tür in Innere. Von dort strahlte Licht zu Jinda heraus und er sah, daß das, was er für einen kleinen Geheimraum hielt, keinen Boden hatte. Er rannte los, um den König aufzuhalten, doch dieser ging einfach einen Schritt nach vorn und blieb in der Luft stehen. Da wurde Jinda klar, daß es sich um einen dieser Flugschächte handeln mußte, wie er ihn auch schon mit Pirin benutzt hatte. Beruhigt ging er hinter dem König her. Dann begannen sie langsam zu sinken. Jinda war überwältigt Er drehte sich nach allen Seiten. „ Diesen Schacht benutzen wir äußerst selten, deshalb ist es nicht nötig, ihn zu tarnen.“ Perlion schien Jindas Verblüffung zu amüsieren, denn er schmunzelte. Jinda hingegen war immer noch geschockt. Inzwischen über eine Meile unterhalb der Elbenstadt war der Rauch der anderen Flugschächte nicht so dicht. Deshalb hatte er nun einen Rundblick aus über vier Meilen Höhe. Er konnte nach Südosten, ins Tiefland Dutzende von Meilen weit sehen. In dieser Richtung konnte er ihren Weg bis zum Rand des großen Waldes zurückverfolgen. Er dachte verbittert daran, daß man die Hauptstadt von hier aus wohl auch noch sehen würde, wenn von ihren hohen Gebäuden auch nur noch eines stünde.
Im Südwesten über die Ausläufer des Abendgebirges hinweg sah er sogar bis ins benachbarte Königreich Ankor, in dem die Stadt lag, zu der Ziordan sie geschickt hatte, und das sein eigenes kleines Heimatland von allen drei Landseiten umschloß. Er wandte sich nach Norden, um zu erfahren, ob man Ankohar von hier aus schon sehen könne. Doch so hoch sein Aussichtspunkt auch war, in dieser Richtung lagen viele Gipfel, die fast ebenso hoch emporragten und durch die sein Blick nur zum gegenüberliegenden Rand des Gebirges reichte. Während er sich noch umsah erblickte er aus dieser Richtung vielleicht zwanzig Meilen entfernt einen kleinen Punkt in der Luft, der sich rasch näherte. Plötzlich hatte er das unangenehme Gefühl, daß er genau wußte was da auf sie zukam und er sprach Perlion darauf an. Dieser wurde blaß. „Denkst du, daß es das Wesen ist, das euch verfolgte?“ Jinda nickte, obwohl er nicht verstehen konnte, wie der König bei dieser Aussicht verhältnismäßig ruhig bleiben konnte. Der König hatte offensichtlich Jindas Sorge bemerkt und versuchte nun ihn zu beruhigen. „Keine Angst, Jinda. Die Stadt ist durch Bannzauber geschützt, die älter und mächtiger sind als alles sonst im Süden des Kontinents. Es gibt nichts, was sie so schnell zerstören könnte.“ Jinda lachte spöttisch. „Um die Stadt mache ich mir auch keine Sorgen, Majestät, sondern um uns. Der Berg liegt noch tief unter uns, und dieses Wesen fliegt schneller, als man vermutet.“ Tatsächlich hatte sich das Wesen inzwischen auf etwa zwei Meilen genährt. Nun konnten sie eindeutig erkennen, daß es jenes Wesen war, das Jinda schon seit Beginn seiner Reise gejagt hatte.
Auch der König begann nun besorgt auszusehen, doch zum Glück hatten sie nur noch zweihundert Meter, bis der Schachteingang in den Berg hinein führte. Als sie gerade in diesen Schacht einflogen, spie das Monster ihnen einen Feuerball hinterher. Dieser verfehlte zwar den Eingang zum Berg, schlug aber statt dessen mit voller Wucht in den in der Nähe gelegenen Gipfel ein, wodurch Jinda, der König und die über ihnen fliegenden Magier durch herum fliegende Steinsplitter verletzt wurden. Doch offensichtlich schien man auch beim Anlegen dieses Tunnels mit Angriffen gerechnet zu haben, denn etwa fünfzig Meter unter ihnen befand sich ein horizontal in den Berg gebohrter Gang, der Gewähr leistete, daß die in den Berg einfliegenden nicht dauerhaft von oben bedroht werden konnten. Diesen Gang nahm Jinda als nächstes wahr, nachdem er sich zum Schutz vor den Splittern über Perlion geworfen und sich dabei selbst verletzt hatte. Zu seiner Überraschung war am Ende des Ganges kein Einstieg mit einem neuen Kristall. Dieser wäre unnötig gewesen, denn nun sah Jinda, dass seine Bewegung nicht am Ende des senkrechten Ganges stoppte, sondern nur die Richtung änderte.

Gorn mit der Axt
09.08.2004, 18:04
Nachdem sie diesen Tunnel passiert hatten ging der Flug wieder in die Senkrechte über. Obwohl dieser Schacht nur durch immer schwächer werdendes Sonnenlicht und einige alle paar hundert Schritte angebrachten Fackeln erhellt wurde, glaubte Jinda zu erkennen, daß dieser Flugtunnel noch um vieles länger war, als der gerade benutzte. „Wohin führt dieser Gang, Majestät?“ Perlion seufzte. „Mein Enkel hat Dir doch bestimmt von den Wesen erzählt, die euch angegriffen haben, nicht wahr.“ Jinda nickte. „Er meinte es seien dieselben, die damals die Zwerge ausgerottet hätten.“ „Das stimmt, aber es ist nicht das wichtigste. Diese Wesen hätten sich nie aus den Gängen heraus getraut, wenn sie nicht etwas angetrieben hätte.“ Perlion machte eine Pause. „Ich denke, daß die Anwesenheit dieses Flugwesens oder die magischen Kräfte deiner Geschwister den Dämon unter dem Berg geweckt haben. Wenn das zutrifft, sind Deine Freunde schon nicht mehr am Leben.“ Jinda begehrte auf. „Warum fahren wir dann noch hier herunter?“ „Ganz einfach. Die Tiere über die der Dämon gebietet scheinen das Labyrinth wieder errichtet zu haben. Außerdem haben sie neue Gänge gegraben, die an die Oberfläche führen. Wir müssen diese Wesen erneut in ihr Gefängnis bannen, wenn wir nicht wollen, daß sich das Schicksal der Zwerge an Elben oder Menschen wiederholt.“ Jinda schüttelte langsam den Kopf. „Ich glaube nicht, daß das uns noch retten wird. Auch wenn ihr es schafft dieses Wesen gefangen zu halten, wird dieses Wesen aus dem Nordland uns alle vernichten, wie es meine Heimatstadt vernichtet hat.“ „Ich würde nicht so vorschnell sein Mensch Jinda. Dieses Ungeheuer mag durch Krieger nicht zu verletzen sein, doch auch die südlichen Reiche der Menschen befehligen einige mächtige Zauberer, die es mit den Zaubern der Elben durchaus aufnehmen können.“ Und während Jinda und der Elbenkönig zusammen mit dessen teilweise verwundeten Bannmagiern weiter in den Berg hinein schwebten, begann er wieder zu hoffen, dass das Imperium noch nicht verloren war.

Immer noch etliche Meilen von ihm entfernt kämpften die Geschwister einen Kampf der Verzweiflung. Obwohl der eben erst geschlüpfte Dämon verletzt und durch Thimris Lichtstrahl auf einigen seiner Facettenaugen geblendet war, drängte er sie immer weiter zusammen. Logan hatte zwar die Gestalt des Dämons angenommen, diese war jedoch zu fremdartig, als daß er sie auch nur annähernd so schnell und effektiv benutzen konnte wie sein Gegner.
Während er versuchte, seine Geschwister vor den direkten Angriffen des Wesens zu schützen, versuchten diese es durch Energiefeuer und geschleuderte Felsbrocken zu verletzen. Aber der Dämon war zu stark. Er wich Logans Angriffen geschickt aus und fügte ihm immer weitere kleinere Wunden zu. Thimris und Jeel ignorierte er völlig. Er wusste, oder, Thimris wollte nicht vermuten, ob der Dämon über etwas wi einen Verstand gebot, ahnte wenigstens, dass sie nicht riskieren würden Logan zu treffen, deshalb konnten sie ihn nur ab und zu und mit halber Kraft bekämpfen.
Eine neue Wende bekam der Kampf erst, als Thimris seine Taktik wechselte. „Wegen Logan kann ich nicht voll angreifen“, dachte er. „Dann sollte ich die wenigen Möglichkeiten auch ganz ausnutzen.“ Wenige Sekunden später sammelte er seine Kraft und stieß nacheinander vier Energiekugeln aus. Auch wenn diese nicht sein ganzes Potential enthielten, mußte er doch all seine Willen aufbieten, um die neue Aufgabe gleich vier dieser Kugeln zu lenken, zu erfüllen. Er konzentrierte sich jetzt jedoch nur auf eine der Kugeln und hielt die anderen, wo sie waren.
Diese eine Kugel verstärkte er und formte sie zu einer flachen, rasend schnell drehenden Scheibe die er langsam über die beiden kämpfenden Ungeheuer lenkte. Als der Dämon seinen Bruder schnappte und umklammerte, um ihn mit seinem Säuregift zu töten sah er seine Chance gekommen. Er beschleunigte die Drehung des Energiediskus weiter, bis dieser zu einem flirrenden Schemen wurde, dessen scharfes Zischen in Lärm des Kampfes unterging. Dann ließ er ihn los.
Im gleichen Moment schoß der Diskus wie ein Blitz auf das Ungeheuer zu. Doch dieses mußte wohl das Nachlassen seines Angriffs bemerkt haben. Jedenfalls wich es so schnell aus, dass Thimris dachte seine Mühe wäre vergebens, denn eine solche Geschwindigkeit hatte er noch bei keinem Wesen dieser Größe erlebt oder vermutet.
Und doch war es nicht schnell genug. Die hell flackernde Energiescheibe, die den Dämon wohl in zwei Hälften gespalten hätte, traf statt des Rumpfes das Gelenk eines Beins, das daraufhin glatt durchtrennt wurde. Sie flog weiter und riß dem Wesen den Unterleib an der Seite auf, flog, prallte am Boden mit einem Knall ab und hinterließ einen Krater in der Wand schräg über der Tür.
Zum Glück hatte Thimris sich Position und Wunden seines Bruders genau gemerkt, sonst hätte er ihn mit dem Wesen verwechselt. Auf jeden Fall war das Ungeheuer nun gezwungen von Logan loszulassen um sich der neuen Gefahr zuzuwenden. Es schleuderte ihn an die Seite und stürmte auf Thimris und Jeel zu. Als Tim spürte, daß sein Schutzschirm nicht mehr die Kraft hatte das Wesen aufzuhalten ließ er die restlichen drei Energiekugeln nacheinander losfliegen. Doch anscheinend war er zu schwach gewesen sie richtig zu lenken, denn noch fünfzig Fuß vor dem Angreifer kollidierten sie. Dieses, wenn auch ungewollte Ereignis ermöglichte es ihm den Dämon zu besiegen. Anstatt sich wie erwartet gegenseitig zu zerstören, verstärkten sich die Energiesphären und flogen zusammen mit einem gewaltigen roten Feuerblitz, den Thimris mit letzter Kraft abgeschossen hatte auf den Dämon zu, der ohne anzuhalten in den Tod lief. In einer gigantischen Explosion verging das Ungeheuer, während die zitternden Wände sich in der Hitze schwarz färbten und Risse bekamen, während Thimris durch seine Schwester gerettet wurde, die ihn hinter den immer noch riesigen Logan schleifte und dieser in seiner Panik den verhängnisvollen Fehler beging, zum Schutz vor der Hitze den Stein unter ihm zu absorbieren...

Gorn mit der Axt
10.08.2004, 15:35
Als die ersten Zauberer der Elben kurz nach Jinda den Ausstieg des Schachtes erreichten, durchlief ein Grollen den Boden, das dann zu einem leichten Zittern fortdauerte, um schließlich in einem lauten Krachen zu enden.
Schon bei der ersten Bewegung des Tunnelbodens war Jinda herumgefahren. Er sah die halb ängstlichen, halb entschlossenen Gesichter der Magier und mußte unwillkürlich grinsen. „Wir sind noch nicht lange genug hier als das diese Viecher uns bemerkt haben könnten. Also sind sie es nicht, die diesen Krach machen. Aber ich kenne jemanden, der das unheimlich gut kann und bestimmt meine Hilfe braucht.“ In dieser Sekunde erreichte ihn Perlion. „Schnell. Es hört sich so an, als versuchte der Dämon auszubrechen.“ Er wusste nicht, wie falsch seine Annahme war, aber seine Angst war nicht unbegründet.

Als der Boden aufhörte zu beben und der Rauch sich lichtete, schlug Jeel die Augen auf. Sie sah ihren Tim neben sich liegen, aus mehreren Kratzern blutend, aber anscheinend nicht ernsthaft verletzt. Sie richtete sich vorsichtig auf und sah sich um. Vor ihr lag der immer noch verwandelte Logan, von dem sie dachte, dass er bewußtlos sei. An ihm vorbei konnte sie durch den aufgewirbelten Staub schemenhaft das Wesen sehen, daß sie angegriffen hatte. „Kaum zu fassen welche Kräfte Tim entwickelt hat.“ Dachte sie bei sich. „Wie heiß war diese Feuerkugel denn bloß.“ Ihre Überraschung war verständlich. Von dem so unzerstörbar erscheinenden Wesen waren nur die größten Knochen geblieben, die, vom Feuersturm getrieben, quer durch den ganzen Raum an der Wand entlang geflogen waren.
Auf der anderen Seite des Raumes leuchteten die Schutzrunen an der Tür strahlend hell, die Tür selber war verzogen und hing lockerer als vorher in ihrem Rahmen. Einer der angebrachten Riegel war geborsten, der große Querbalken aus Metall hatte begonnen zu schmelzen und hing, nun wieder erstarrt, in seltsam zusammengesackter Haltung vor der Tür.
Jeel begann zu überlegen, was sie tun sollte, falls Logan ohnmächtig blieb. Sie konnte ihn ja schlecht wieder wach schütteln. Während sie nach darüber nachdachte hörte sie im Gang hinter der Steintür ein kurzes Kratzen. Sie wurde aber durch Thimris abgelenkt, der in diesem Moment wieder zu sich kam.
„Jeel? Was ist passiert?“ Jeel grinste. „Deine Feuerkugel scheint dem Ding den Rest gegeben zu haben, jedenfalls hat es sich ziemlich verstreut.“ Nun musste auch Thimris lächeln, zuckte aber vor Schmerzen zusammen und wurde Sekunden später wieder ernst. „Was ist mit Logan? Ist er verletzt?“ Jeel schaute fahrig von Logan auf Thimris. „Ich weiß es nicht. Er hat sich nicht bewegt, seit ich zu mir gekommen bin.“ Das ließ Thimris aufhorchen. Er versuchte sich aufzurichten, aber es gelang ihm erst, als seine Schwester ihm half. Sie führte ihn zu Logan. Er ging langsam um ihn herum, schaute ihn sich genau an und berührte ihn. Als er dann stöhnte huschte Jeel neben ihn. „Was ist?“ Thimris runzelte die Stirn. „Dieser Dummkopf hat den Stein absorbiert.“ Jeel schaute ihn fragend an. „Das macht er doch immer, wenn er sich schützen will, was soll daran so schlimm sein.“ Er starrte sie ungläubig an. „Hast Du es etwa vergessen?“ Jeel wusste immer noch nicht, was er meinte. Thimris sagte leise. „Natürlich, Du warst damals noch zu jung.“ Er seufzte. „Als Du und Logan noch ganz klein wart und ihr gerade erst eure Kräfte entdeckt hattet, hat Logan einmal ziemlichen Mist gebaut. Er verwandelte sich erst in eine Katze, um dann ein Stück Holz zu absorbieren. Du hast vielleicht schon bemerkt, daß es für Logan recht anstrengend ist aus einer Form zurückzukehren, die er länger benutzt hat. Und als er damals beide seine Kräfte angewandt hat, war es doppelt schwierig. Es hat damals drei Stunden gedauert bis er wieder ganz normal war. Das war der Hauptgrund, warum Vater uns vor der Magie warnte. Er hatte Angst, daß wir uns selber und andere damit verletzen.“ Er machte eine Pause. „Seine Kräfte sind seit damals um ein Vielfaches gewachsen und es würde ihm leichter fallen, sich zurück zu verwandeln, wenn dieses Ding nicht so verdammt groß wäre. Ich weiß nicht ob wir soviel Zeit haben, um abzuwarten, daß er wieder normal wird.“
In diesem Moment horchte er auf. Das Geräusch, das Klicken, das Jeel abgelenkte, hatte sich wiederholt. Mit dem Instinkt, den Thimris auf ihrer Wanderung entwickelt hatte, wußte er, daß die Gefahr noch nicht zu Ende war. Er wies Jeel Logan zum Ende der Höhle, vor die immer noch verschlossene Tür zu tragen. Er selbst ging rückwärts hinter ihnen her. Als sie ihr Ziel fast erreicht hatten, stürmten die ersten der Insekten auf sie zu, die anscheinend inzwischen ihre Barriere beseitigt und die Treppe erklommen hatten.

Jinda eilte mit Perlion vor den Magiern her. Sie durchquerten die Vorhalle und erreichten einen halbrunden Raum, an dessen schmalster Stelle sich eine große, mit Eisen beschlagene Tür befand. Perlion schrak zusammen. „Der Schutzzauber ist fast gebrochen! Wir kommen gerade noch rechtzeitig.“ Er drehte sich zu den Zauberern um. „Nehmt eure Positionen ein.“ Die Elben stellten sich in einem Halbkreis um die Tür. Ihr genau gegenüber standen Perlion, der nun auch einen Stab in der Hand hielt, und Wern, der den Schacht als letzter verlassen hatte, Seite an Seite. Dann rissen sie gleichzeitig ihre Stäbe empor, von denen nun blaue Lichtstrahlen in die Tür fuhren. Der Riegel der Tür knackte noch einmal und zerbrach, woraufhin sich die Tür öffnete.

...Immer noch träumend sah Thimris die Schlacht unter dem Abendgebirge ein zweites Mal, und er wand sich auf seinem Lager hin und her, als er erneut sah, wie sein bester Freund in den Tod stürzte...

Gorn mit der Axt
11.08.2004, 19:11
Der Kampf wütete fürchterlich. Die Insekten waren rasend über den Tod ihres Anführers und stürzten sich in immer neuen Attacken auf die Geschwister. Thimris war verzweifelt.
Er warf ihnen einen Energieblitz nach dem anderen zu, die viele von ihnen zu Asche verbrannten und in einer Explosion ein Dutzend Andere zurück schleuderte. Sie gaben nicht auf.
Er schickte ihnen eine Feuersbrunst entgegen, so daß sie in ihren Panzern verbrannten und nur die leeren Schalen übrigblieben. Es kamen immer Neue nach.
Er schuf eine starke Energiebarriere, die jene mit großer Wucht gegen die Wände des Raumes knallen ließ, die so töricht waren, sie zu berühren. Sie drängten weiter vor.
Egal, was er tat, egal, welche Taktik er anwandte, es waren einfach zu viele Gegner. Da seine Energiemauer bei jeder feindlichen Berührung schwächer wurde, mußte er sie verkleinern, oder die Wesen wären durchgebrochen.
Jeel war längst nicht mehr in der Lage, ihm zu helfen. Nachdem sie Logan, der immer noch in seiner Monstergestalt gefangen saß, so weit, wie es ging, an die Wand geschoben hatte, war sie an Tims Seite getreten, um ihm ihre Energie zu geben. Thimris wandte sich ihr in einem winzigen Moment zu, in dem die Insekten sich neu sammelten. Sie war längst ohnmächtig in sich zusammen gesunken.
Darauf vertrauend, daß Logans Verwandlung noch aktiv war, verkleinerte er die Mauer weiter, bis sie nur noch ihn und Jeel umfaßte. Das gab ihm die Kraft, noch einige Minuten durchzuhalten. Doch auch in dieser Zeit änderte sich nichts. Obwohl er bereits Hunderte dieser Wesen vernichtet haben mußte und die Angreifer gezwungen waren, über die Panzer ihrer Vorgänger zu klettern, um ihn zu erreichen, kamen für jeden, den er besiegte, drei weitere aus der gegenüberliegenden Türöffnung. Er spürte bereits, wie seine Mauer erneut schrumpfte, diesmal jedoch, ohne daß er es beabsichtigte. Er drückte sich an seine bewußtlose Schwester, um weniger Platz einzunehmen, und verkleinerte seine Barriere, bis sie nur noch drei Fuß maß. Er hatte begriffen, daß er dieser Übermacht nicht gewachsen war. Deshalb bemühte er sich nur noch um die Verteidigung, in der Hoffnung, daß Logan sich vielleicht doch noch verwandeln konnte.
Wieder verstrichen einige Minuten, die Thimris wie Stunden vorkamen. Die Insekten hämmerten weiterhin wie besessen auf sie ein, und auf Grund der Menge, die sich inzwischen im Raum befand, wurden die wenigen Angreifer, die noch von der Mauer weggestoßen wurden, nicht verletzt.
Als Thimris schon daran dachte, mit seiner Schwester zu teleportieren, wenn sie wieder aufwachte, und ihren verhältnismäßig sicheren Bruder zurück zu lassen, gab es ohne Vorwarnung einen lauten Knall, und die letzen Reste der Tür flogen krachend aus ihren Scharnieren und landeten mitten im Gewühl der wütenden Insekten.
In dieser Sekunde, da er alle Hoffnung verlor, außer der einen schnellen Tod zu erleiden. In dieser Sekunde, da er sich selbst aufgegeben hatte und bereit war, die Barriere zu öffnen, sah er durch die Überreste der zerschmetterten Tür ein gleißend helles Licht. In diesem hellen Licht zeichnete sich eine Gestalt ab.
Einer, der gekommen war, als die Drei fast am Ende waren.
Der Einzige, der ihr Schicksal jetzt noch ändern und sie retten konnte.
Jinda.

Die Elbenmagier sahen sich, kaum daß sie ihre Tür geöffnet hatten, einer ganzen Armee jener Insektenwesen gegenüber, die Jinda bereits aus den Tunneln des Gebirges kannte. Als hätten sie diese Tatsache vorhergesehen, sprachen sie alle in diesem Moment einen mächtigen Bannspruch, der die Wesen abhielt.
Jinda, der irgendwo hinter dieser Öffnung seine Freunde vermutete, stellte sich direkt vor den Banngürtel, um die Menge der dahinter wogenden Monstren zu bekämpfen. Nun mischten sich auch die Zauberer aktiv ins Geschehen ein. Sie verwendeten, je nach Art und Rang, alle denkbaren Zauber. Dennoch sah man, daß hinter all dem Durcheinander doch eine Strategie steckte. Eine Dreiergruppe Magier erschuf zum Beispiel eine Eiswand an den Flanken des Gegners. Die Insektenwesen, die sich nun durch den relativ schmalen Durchgang drängten, wurden dann von sämtlichen Magiern verstärkt beschossen. Die Insekten, die den Raum bisher bis zum Tor in ihrer Gewalt hatten, mußten sich bis hinter die Eiswand zurückziehen, was den Elben Gelegenheit gab, den Bannkreis weiter auszudehnen. Als der erste Teil des Raumes gerade auf diese Weise gesichert war, rannte Jinda hindurch, seine Mitkämpfer folgten ihm in einiger Entfernung.
In diesem Moment entdeckte Jinda Thimris, der, an ein gigantisches Tier gelehnt, dasaß, und Jeel, die tot oder verletzt neben ihm saß. Er schrie auf. Er konnte nicht glauben, daß seine Freunde nur noch wenige Meter von ihm entfernt gestorben waren. Da sah er, wie sich ein kleiner Trupp von merkwürdigen Spinnenwesen langsam auf seine Freunde zu kroch. Er wußte nicht, ob seine Freunde tot waren oder nicht, aber er musste sie verteidigen. Er stach auf jene Spinnen ein, die die näher gelegene Jeel angriffen, nur um dann zu sehen, wie eines der größten Exemplare sich gerade bereitmachte, Thimris zu stechen. Jinda sah genau, daß er nicht mehr schnell genug da sein würde, also packte er sein Schwert mit beiden Händen, hob es über den Kopf und schleuderte es der Kreatur entgegen. Entgegen all seinen Erwartungen wurde das Wesen vom Schwert getroffen und verwundet an die Seite geworfen. Das Schwert jedoch flog weiter. Es zischte über Thimris Schulter und versank bis zum Heft im Körper des Wesens, von dem Jinda nicht wusste, daß es sein Freund war.

Als Thimris merkte, daß er seine Energiemauer nicht mehr halten konnte, gab er sich selber auf und hoffte nur noch daran, Logan die Rückverwandlung zu ermöglichen. Er berührte dessen versteinerten Körper und drang in ihn ein. Da ihm die Fähigkeit zu Eigen war, jegliche Energie zu kontrollieren hatte er auch einen gewissen Einfluss auf die magischen Kräfte seiner Geschwister. Er konzentrierte sich auf den Geist seines Bruders und versuchte, ihm eine Richtung, einen Wegweiser zur Rückverwandlung zu geben. Dazu ließ er alles an magischer Energie, die er noch besaß, in Logan fließen. Einmal spürte er wie weit entfernt an seinem Körper eine Berührung, doch er wäre ohnehin verloren, wenn die Insekten weiter angriffen.
Auf einmal spürte in Logans Geist einen heftigen Schmerz und nahm wahr, wie eine Klinge in seinen Körper eindrang. In diesem Moment fand die Magie einen leichteren Weg, als durch Logans versteinerte Gestalt. Sie fuhr über die Klinge des Schwertes und danach wieder zu Thimris zurück, der daraufhin wie vom Blitz getroffen umfiel. Doch gerade durch dieses ungewollte Ereignis fand Logan wieder zurück. Wenn Thimris magische Energie ein schwaches Glimmen gewesen war, so war diese plötzliche Entladung ein Feuerwerk magischer Energie, an der Logan den Rückweg erkannte.
Langsam verlor sein Körper die Härte des Steins, wurde die graue Färbung weg gewaschen und durch andere Farben ersetzt, und dann bewegte er sich wieder. Das Erste, was er sah, waren seine beiden Geschwister, die, von toten Spinnenwesen umringt, reglos da lagen. Er sah rot. Noch immer in der riesigen Gestalt des Dämons stürzte er sich auf die Horde der für ihn winzigen Insekten. Allein mit dem Aufprall seines gigantischen Körpers zerbrach er die Panzer von Dutzenden dieser Wesen. Dabei brach das Schwert aus der kleinen blutenden Wunde, die es ihm zugefügt hatte, und fiel zurück auf den Boden vor dem aufgebrochenen Portal.

Gorn mit der Axt
12.08.2004, 15:27
Nachdem Jinda gesehen hatte, wie der Körper seines Freundes zur Seite kippte und sich dafür die Gestalt des Ungeheuers neben ihm zu regen begann, wollte er es schon angreifen. Dann sah er jedoch, wie dieses Wesen sich in die Maße der vor stürmenden Insekten und Spinnen warf und schrecklich unter ihnen wütete, hatte er eine Ahnung, wer oder was dieses Wesen war. Dafür fingen in diesem Moment die Elbenmagier an zu schreien. „Der Dämon! Er ist wieder erwacht!“ Jinda sah, wie sie sich bereit machten, seinen Freund anzugreifen, rannte auf sie zu. „Majestät, greift nicht an. Dies ist nicht das Wesen, das ihr bekämpfen wollt, sondern einer meiner Freunde.“
Wern lachte höhnisch auf. „Mein König, hört nicht auf diesen Menschen. Der Tod seiner Kameraden hat ihn um seinen Verstand gebracht.“ Jinda schrie auf. "Aber seht doch, dieses Wesen kämpft gegen die Dämonen!" Der König war uneins. Auf der einen Seite der erste Mensch seit Jahrhunderten, der die Freundschaft zwischen den beiden Völkern wieder aufleben lassen konnte, und der Retter seines Enkels, auf der anderen Seite sein mächtigster Magier und Berater, Elf durch und durch, seinem Land und König gegenüber stets loyal.
Wern sah die Schwierigkeiten des Königs. Er konnte nicht verstehen, daß dieser auch nur daran dachte, einem Menschen eher zu glauben als einem Elben. Wütend sprang er vor und riß seinen Zauberstab in die Höhe.
Er hätte Logan wohl angegriffen, wäre Jinda nicht von hinten an ihn herangetreten und hätte ihn niedergeschlagen. Dann rannte er neben Logan, der inzwischen in Bedrängnis geraten war. Sein Körper war über und über von Insekten und Spinnen bedeckt, die ihn immer wieder niederwarfen. Obwohl er allein durch sein Herumwerfen viele von ihnen zerdrückte, wurden es nicht weniger, da sie aus den Katakomben unter dem Turm immer neue Verstärkung bekamen. Als Jinda nun erneut begann, diese Wesen zu bekämpfen, umgab ein Flimmern von Magie die Klinge. Ohne es zu wollen, hatte Thimris einen Teil seiner Kräfte in das Schwert gegeben. Es zerteilte die Panzer der Gegner nun mühelos. Als die Masse der Feinde einmal zu groß wurde, stieß Jinda mit aller Kraft zu und aus der Spitze des Schwertes schoss ein Feuerball auf die angreifenden Insektenkrieger.
Doch an dieser Stelle des Kampfes durchbrachen zahllose der Panzerwesen den Boden an Dutzenden von Stellen. Der gesamte mittlere Teil des Bodens brach heraus und gab den Blick auf eine wimmelnde Masse frei, die den gesamten Hohlraum des Turms auszufüllen schien.
Spätestens jetzt war allen klar, daß sie auf jeden Fall getötet werden würden, blieben sie noch länger an diesem Ort. Jinda rief Perlion zu sich. „Wir müssen uns zurückziehen, oder wir werden vollkommen aufgerieben.“ Perlion schüttelte den Kopf. „Wir können nicht fliehen, ohne den Bannspruch zu erneuern, der die Kreaturen hier unten festhält. Aber dafür haben wir nicht genügend Zeit!“ „Vielleicht doch. Ruf alle Magier hier hin.“
Als der König diese neu anwies, reagierten sie sofort und stellten sich hinter Jinda auf. Von den ursprünglichen Magiern waren nur noch elf verblieben. Jinda erklärte ihnen seinen Plan, woraufhin einer nach dem anderen Jindas Schwert berührte und magisch auflud. Nachdem der letzte von ihnen zurückgetreten war, ging Perlion auf ihn zu und umgab ihn mit einem Bannkreis, der ihn, zumindest für eine gewisse Zeit, vor den Angriffen der Wesen schützen würde. Dann zogen sie sich zum Portal zurück und Jinda rannte los. Er überschoß Logan mit einem Feuerregen, der die an ihm hängenden Insekten verbrannte. „Renn durch das Tor und nimm Tim und Jeel mit. Er schaute nicht nach, ob Logan seinem Befehl Folge leistete, sondern rannte weiter auf die Öffnung im Boden zu. Mühelos durchdrang er die Verteidigung der immer noch hervorquellenden Angreifer und stand schließlich am Rand des Abgrunds. Er peilte sein Ziel an und entlud sämtliche Energie seines Schwertes in vier großen Energiekugeln. Diese schossen auf die vier Eckpfeiler des Turmes zu, drangen ein Stück weit in diese ein und explodierten in vier riesigen Feuerbällen, die das Fundaments des Turms erschütterten und sich in einer halben Meile Höhe zu einer einzigen gewaltigen Feuerfront vereinigten. Jinda stürmte zurück. „Lauft!“
Er spürte das Zittern im Boden und wußte sofort, daß das Ende des Turms gekommen war. Inzwischen waren
die ersten Elbenmagier in den Flugschacht gestiegen und schwebten mit größter Eile nach oben.
Im Vorraum der großen Halle warteten nur noch Perlion und Logan, von denen jeder eins der Geschwister festhielt, um es im Notfall sofort in den Flugschacht zu bringen. Hinter Jinda bahnte sich eine zwanzig Meter lange Spalte einen Weg durch den Boden, durch die man schon die ersten Ausläufer des Feuers sehen konnte. Jinda erreichte die Vorhalle, als Logan und Perlion mit ihren Schützlingen gerade den Schacht betraten und Jeel langsam wieder zu sich kam. Bereits im Schacht und ungefährdet zu stürzen, ließ Perlion sie los.
In dieser Sekunde stoppte Jinda jäh und erbleichte. „Wir haben Wern vergessen!“ Er rannte bis zum Portal zurück, wo er diesen niedergeschlagen hatte und das schon eng an den immer größer werdenden Abgrund grenzte.
Er riß Wern von dem riesigen Loch zurück und stieß ihn Perlion in die Arme.
Noch bevor er Gelegenheit hatte loszulaufen, brach unter ihm der Boden weg, und er stürzte in das mehr als zwei Meilen hoch brennende Inferno...

Gorn mit der Axt
13.08.2004, 22:56
...Thimris wachte auf. Er lag in einem schmucklosen blauen Zelt. Von draußen hörte er weit entfernt das Klirren der Waffen und das Geschrei der Krieger. Er ahnte, daß die Schlacht noch immer nicht vorbei war. Noch immer geschwächt stand er auf und trat durch die Öffnung des Zelts. Dieses war auf dem Rand einer hohen Klippe aufgebaut worden, von dem aus man das Geschehen in der Schlucht gut verfolgen konnte. In einiger Entfernung sah er seine Geschwister erregt auf einige Männer einreden, deren Roben sie als hohe Priestermagier und Mitglieder des Rates auswiesen. Langsam ging er auf sie zu. Jeel bemerkte ihn zuerst und wurde bleich. „Tim, Du darfst nicht aufstehen. Du bist immer noch krank!“ Thimris reagierte unwirsch. „Mir geht es gut. Wie steht es. Konnten wir uns halten?“ Einer der Ratsherren schritt auf sie zu. „Darüber wollten wir uns gerade mit eurer Schwester unterhalten. Ich verstehe zwar nicht, warum der König sich auf das Urteil von Unbeteiligten verläßt, doch das ist jetzt egal.“ Er wandte sich wieder Jeel zu. „Euch sollte doch klar sein, daß wir uns bei dieser Stellung nicht halten können. Wir haben ein Drittel unserer Armee verloren und unseren Spähern zu Folge erhält der Feind ununterbrochen Nachschub aus dem Nordland.“ Er sah Thimris an und sein Gesichtsausdruck wurde milder. „Ich weiß, daß ihr euch um die Bewohner des südlich gelegenen Landstrichs sorgt. Mir geht es nicht anders, sonst hätte ich wohl kaum meinen Sitz im Rat erhalten. Aber wenn wir nicht bald zurückweichen, werden unsere Kämpfer bis auf den letzten Mann aufgerieben.“ Thimris schloss die Augen. Dann fuhr er auf. „Können wir nicht noch ein wenig ausharren? Wenn ja, könnten wir die verbliebenen Bewohner auf unserem Rückweg zur Hauptstadt aufsammeln.“ Sein Gegenüber schüttelte traurig den Kopf. „Ihr verkennt die Lage. Unsere Streitmacht flüchtet an allen Fronten. Die Horden des Gegners sind so groß, daß er an allen Grenzen angreifen kann. Wenn wir uns langsamer zurückziehen als die anderen Regimenter, dann werden wir vom Feind in die Zange genommen.“ In diesem Moment fühlte Thimris, wie ihn jemand fest an der Schulter faßte. Er drehte sich um und sah Ziordan. „Ratsherr Corvik, junger Freund, behaltet eure Worte für euch, bevor ein Streit unter euch die Männer noch weiter verunsichert. Ich wüsste einen Weg...

...Zu diesem Zeitpunkt konnte Thimris nicht wissen, dass es keinesfalls Zufall war, dass er von seinen früheren Erlebnissen geträumt hatte. Hunderte Meilen weit entfernt, in einer Höhle aus Kristall, saß ein ihm unbekanntes Wesen und betrachtete eben diese. Es versuchte die drei Geschwister und ihre Chancen auf einen Sieg über den Dunklen Herrscher einzuschätzen. Dies gelang ihm nicht, da es noch zu wenig gesehen hatte. Daraufhin wurden die damaligen Geschehnisse wieder lebendig und ihr Bild flackerte im hellen Licht der reflektierenden Steine. Es wurde still in der Höhle und man hörte nur noch leise Geräusche, die aus der Erinnerung Thimris stammten. Das Wesen betrachtete sie und runzelte die Stirn.
„Mmmh...“...

Gorn mit der Axt
14.08.2004, 23:53
3. Ankunft in Ankohar

Jinda stürzte mit rasender Geschwindigkeit auf das Ende des Schachtes zu. Obwohl er erst fünf Sekunden fiel, die ihm wie Stunden vorkamen, war er nur noch eineinhalb Meilen von der Feuersbrunst entfernt, die sich, nun nicht mehr durch die Explosion weiter beschleunigt, schnell näherte. Trotzdem spürte er noch keine Hitze, da die zwar heiße Luft von unten aufstieg und noch schneller als er selber, als Fahrtwind an ihm vorbei rauschte.
Er konnte nicht wissen, daß Jeel, nun ja wieder erwacht, sofort an die Stelle teleportiert war, an der er abgestürzt war. Noch nicht in Vollbesitz ihrer Kraft, wußte sie, daß sie nur noch wenige Sprünge machen konnte und sprang deshalb hinter Jinda her in den Abgrund. Dieser tat währenddessen, alles, was er konnte, um seinen Fall zu verlangsamen. Er faßte nach hinten an seinen Rucksack, zog die Decke heraus und breitete diese über sich aus. Doch er spürte, daß er dadurch nicht langsamer wurde. Er konnte nur dafür sorgen, daß er nicht viel schneller wurde. Doch vielleicht war es gerade diese eine Sekunde, die ihn rettete. Er war mit seiner Zählung bei zwölf Sekunden angekommen, als er begann, die Hitze unter sich zu spüren. Noch eine Meile von der Spitze des riesigen Feuers entfernt, kletterte die Temperatur in Bruchteilen einer Sekunde auf 30, 40, 45 ° C. Er zuckte vor Angst zusammen und verlor dadurch seine Provianttasche und seinen Wasserbeutel. Jeel preßte die Armee an den Körper, um weniger Widerstand zu leisten und Jinda schneller zu erreichen. Schon kurze Zeit später sah sie ihn als kleinen Punkt vor sich, der sich deutlich gegen das helle Licht unter ihm abzeichnete. Nun wußte sie, wo er war. Sie konzentrierte sich und teleportierte sich neben ihn. Eine Sekunde später verschwand sie mit Jinda aus dem Schacht. Das Letzte, was er sah, war wie hundert Fuß unter ihm sein Beutel dem Druck nicht mehr standhielt und in einer Wolke siedend heißen Dampfes explodierte.
Als er aufwachte, war das Nächste, was er sah, Pirin, der sich über ihn beugte. „Pirin, was ist passiert? Ich bin doch abgestürzt.“ „Deine Freundin hat Dich gerettet. Das war das Letzte, was sie uns erzählen konnte, bevor auch sie ohnmächtig wurde.“ Jinda fuhr auf. „Was ist mit Jeel?“ Pirin beruhigte ihn. „Sie schläft. Wie Du und Deine Freunde schläft sie seit drei Tagen. Wern hat euch in Heilschlaf versetzt, aus dem ihr erst erwacht, wenn ihr wieder vollkommen gesund seid.“ Dieser tauchte nun aus dem Hintergrund auf. „Zu irgendetwas muß ich ja gut sein. Aber denke daran, Mensch Jinda, ich helfe euch nur, um meinem König zu dienen und nicht, weil Du mir da unten ein wenig geholfen hast.“ Jinda grinste, woraufhin der Elb nur noch düsterer guckte. „Ist schon klar.“ Er machte eine Pause. „Ist von den Dreien schon einer gesund?“ Pirin schüttelte den Kopf. „Nein. Die jüngeren Beiden sind von ihren Verletzungen geheilt und werden bald aufwachen, doch der Ältere...?“ Jinda sah ihn an. „Was ist mit Tim?“ „Er hat sich anscheinend total verausgabt. Wir wissen nicht, weshalb. Wenn Du mit seinen Fähigkeiten Recht hattest, hat er wohl einen magischen Schock erlitten. Es wird eine Weile dauern, bis er aufwacht.“
Den ersten Tag verbrachte Jinda noch im Bett. Der Heilschlaf half zwar gegen jede Art von Verletzung, jedoch nicht gegen die körperliche und seelische Belastung, die sie hinter sich hatten. Pirin besuchte ihn sehr oft, er fühlte sich anscheinend für seinen Lebensretter verantwortlich. Am nächsten Vormittag stand er das erste Mal wieder auf. Er wunderte sich, wie gut ihn die Elfen in nur vier Tagen geheilt hatten. Er fühlte sich stark genug, seine Freunde zu besuchen. Also ging er, von Pirin geführt und gestützt, aus seinem Krankenzimmer in einem Seitenflügel des Palastes, zu einem der Nebengebäude, in dem sie untergebracht waren. Anfangs schien sein Besuch noch vergebens. Thimris, bei dem die Wunden nur langsam zurückgingen, war anzusehen, daß er noch länger brauchen würde. Die Zwillinge hingegen könnten Jindas Meinung nach jeden Moment aufwachen. Deshalb bat er Pirin, ihm einen Stuhl zu holen, und setzte sich in die Lücke zwischen Jeel und Logan. Er wartete bis zum Abend, wobei Pirin ihn nur mit Mühe dazu überreden konnte, sich ein wenig zu stärken und etwas zu essen.
Am Abend wurde seine Geduld belohnt. Die Sonne war schon untergegangen, und Pirin drängte ihn, ins Bett zu gehen, als er dachte, daß Jeels Augenlider sich bewegt hätten. Unendlich vorsichtig trat er an sie heran und küßte sie auf die Wange. Und erschrak, als er direkt darauf, noch schwach und leise, aber unüberhörbar belustigt, ihre Stimme hörte. „Das ist ja wieder typisch. Kaum kann ich mich nicht wehren, fällst Du über mich her.“ Sie lächelte schwach. „Wie geht es dir?“ fragten beide gleichzeitig und lachten, Jinda laut und erfreut über das Erwachen seiner Freundin, Jeel, noch erschöpft, ein wenig leiser. „Ich bin schon seit gestern auf. Ich denke, daß auch Deine Brüder in den nächsten Tagen wieder wach werden.“ Seine Sorgen in Bezug auf Thimris teilte er ihr noch nicht mit, weil sie ihm dafür immer noch zu schwach dafür wirkte. „Ich wäre wohl nicht so schnell wieder aufgewacht, wenn Du mich nicht aus dem Vulkan gefischt hättest.“ Mühsam richtete sie sich auf. „Irgendjemand muß doch auf Dich aufpassen.“ „Ich weiß. Und deshalb werde ich auch den Rest der Reise über nicht mehr von deiner Seite weichen, damit... mir nichts mehr passiert.“ Jeel lächelte. Sie wusste schließlich, wie es gemeint war. Er strich ihr über die Wange. „Schlaf jetzt. Dann kannst Du morgen auch Deine Brüder begrüßen, wenn sie endlich wieder ausgeschlafen haben.“ Dann sah er, wie unnötig diese Worte gewesen waren. Jeel war bereits eingeschlafen.

Gorn mit der Axt
15.08.2004, 22:32
Am nächsten Morgen freute Jinda sich sehr, da außer Jeel nun auch Logan aufwachte. Während er diesen bei seinen ersten, unsicheren Schritten unterstützte, unterhielt er sich mit seinen Freunden. Logan erzählte ihm, was er in der Höhle durch den Schwertstoß ausgelöst hatte. Jetzt machte Jinda sich große Vorwürfe. Auch wenn er Thimris hatte versprechen müssen, dessen Geschwister zu beschützen, wenn dieser es nicht konnte, war es doch fürchterlich für ihn zu erfahren, daß er an dem Zustand seines Freundes schuld war. Logan schüttelte nur den Kopf. „Du brauchst Dir keine Sorgen zu machen. Du hättest es nur vermeiden können, indem Du mich dort unten liegen gelassen hättest. Damit wäre Tim nie einverstanden gewesen.“ Nur halbwegs beruhigt, da er wußte, daß Logan Recht hatte, fuhr Jinda fort, den Zwillingen die elbische Hauptstadt zu zeigen. Pirin, den er ihnen inzwischen vorgestellt hatte, und Wern, der seine Meinung über Menschen zumindest überdacht zu haben schien, halfen dabei kräftig mit. Die Besichtigung der wenigen wirklich magischen Gebäude der Stadt scheiterten an der Geheimhaltungspflicht Werns, so daß ihnen die wohl interessantesten Dinge vorenthalten wurden. Wern, der beabsichtigte, diese Tatsache auszugleichen, bemühte sich, ihnen das magische Wissen, das allgemein bekannt werden durfte, möglichst genau darzulegen. Am Nachmittag seines siebten Tages in der fliegenden Stadt sprach Jinda erneut mit dem Ersten Zauberer. „Wern? Der König hat mir beim Flug zu den Tunneln im Berg etwas erzählt, aus dem ich nicht schlau werde. Kannst Du es mir nicht erklären?“ Wern runzelte die Stirn. „Wenn Du es nicht verstanden hast, ging es bestimmt entweder um unsere Geschichte oder unsere Magie. Du weißt, daß ich Dir vom Letzteren nicht viel erzählen darf. Also, was ist es?“ Jinda lachte. „Etwas von beidem, denke ich.“ Als er sah, wie der Elb das Gesicht verzog, erklärte er es ihm. „Der König sagte, daß sein Großvater den Dämon eingeschlossen hat und er selbst eure Stadt über die Wolken erhob. Wie ist das möglich?“ Er sah den Zauberer prüfend an. „Er kann es nur getan haben, wenn er schon über siebenhundert Jahre alt ist. Ihr lebt länger als wir, nicht wahr?“ Wern sah ihn an. „Nun, da Du selbst dahinter gekommen bist, darf ich es Dir sagen. Du hast es vielleicht auch schon in einer euerer Sagen und Geschichten über uns gehört. Du hast Recht mit deiner Vermutung. Wir Elben leben länger, weil wir ein von Jehran gesegnetes Volk sind und er uns die Magie geschickt hat. Deshalb ist es auch sehr schwer vorherzusagen, wann einer von uns stirbt, denn es hängt davon ab, wieviel Magie er gebraucht hat und wie erfahren er als Zauberer war.“ Jinda blieb gefasst, war aber dennoch blaß geworden. „Wie alt werdet ihr denn?“ Seine Stimme klang abgehackt und rau. „Im Schnitt wohl fünfhundert Jahre. Jeder von uns, den Du hier siehst, ist ein Magier, der, je nach Potential, zumindest die Grundausbildung erhalten hat. Das ist wohl auch der Grund für die Schwierigkeiten zwischen unseren Völkern. Wie sollen ein Elb und ein Mensch Freunde sein oder sogar zusammenleben, wenn der eine jahrzehntelang jung bleibt und der Andere so schnell stirbt, als sei es für uns ein Tag. Unser König ist ein sehr erfahrener Magier, und wenn man unserer Geschichte glaubt, ist er über tausend Jahre alt. Er hast also durchaus die Wahrheit gesagt.“ Jinda blieb stumm neben ihm sitzen. Dann schoss ein Gedanke wie ein Blitz durch seinen Kopf. „Wie lange leben die Magier unseres Volkes?“ Wern, der keine Ahnung hatte, warum Jinda fragte, antwortete ohne Bedenken. „Nach dem, was ich weiß, ist es bei euch genauso wie bei uns. Es hängt von der Häufigkeit des Gebrauchs und der Übung ab. Eure Priestermagier werden fast immer nur in der Magie des Bannens ausgebildet und Gebrauchen ihre Magie nur wenige Jahre. Sie werden nur wenig älter als Du oder jeder andere Mensch, der keine Magie besitzt. Was mit den wenigen anderen Zauberern bei euch ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Aber ich nehme an, daß auch sie um ein Vielfaches älter werden als normal. Vielleicht drei, vierhundert Jahre.“ Wern wußte nicht, was er mit diesen Worten anrichtete. Er wußte nicht, daß Jinda und Jeel mehr als nur Freunde waren, eine Tatsache, die Jinda selbst erst bei seiner Rettung aus dem brennenden Turm ganz klar geworden war. Langsam und ohne ein Wort zu sagen, stand Jinda auf und ging an Wern vorbei in sein Zimmer zurück. Dieser schüttelte den Kopf. „Menschen. Und die soll mal einer verstehen. Absonderliche Wesen!“
Am Abend dieses Tages erwachte Thimris endlich. Kaum, daß er die Augen geöffnet hatte, wurde er auch schon von seinen drei Gefährten umringt. Selbst Jinda, durch die Eröffnungen Werns sehr betrübt, freute sich, daß sie endlich wieder beisammen waren. Alle waren sehr ausgelassen. Dankesbekundungen flogen hin und her. Wenig später verließen alle bis auf Jinda in Rücksicht auf Thimris angeschlagene Gesundheit das Zimmer.

Gorn mit der Axt
17.08.2004, 00:53
Thimris richtete sich auf. „Was hast du, Jinda. Ich kenne Dich lange genug, um zu merken, daß Du Dir Sorgen machst, auch wenn die Anderen es nicht bemerken. Nicht einmal meine Schwester.“ Fügte er schmunzelnd hinzu. Sein Lächeln verblasste, als er sah, wie Jinda anfing zu zittern. „Jinda. Wenn Du nicht darüber reden wolltest, wärest Du mit den Anderen raus gegangen. Also sag schon. Es ist wegen Jeel, oder?“ Jinda schluckte hart und begann zu erzählen. „Du sagtest vorhin, Du kennst mich. Dann weißt Du auch genug von mir, um zu merken, daß ich Jeel mag, sehr mag.“ Sein Freund nickte „Natürlich. Wenn man darauf achtete, sah man es von Anfang an. Aber ich verstehe Dein Problem nicht, denn ich weiß, daß sie Dich auch gut leiden kann.“ Wenn er gehofft hatte, Jinda mit dieser Bemerkung zu erfreuen, so wurde er enttäuscht. Jinda sah nur noch trauriger aus. „Aber genau das darf nicht sein.“ Er seufzte. Dann erzählte er seinem Freund alles, was er von Wern erfahren hatte. „Verstehst Du jetzt? Du weißt so gut wie ich, daß Jeel daran zerbrechen würde, wenn der, mit dem sie zusammen lebt, einfach so stirbt. Sie ist viel zu einfühlsam, asl dass sie das überstehen könnte.“
Thimris sah ihn ernst an. „Bitte hör mir gut zu. Was ich jetzt sage, sage ich nur als Jeels Bruder, nicht als Freund. Es stimmt, daß Jeel so etwas nicht ertragen würde. Doch ich weiß auch, daß sie ohne Dich unglücklich wäre. Dein Freund sagte, daß man durch den Gebrauch von Magie länger lebt.“ Er machte eine Pause. „Vielleicht gibt es ja eine Möglichkeit, wie Du mit ihr leben kannst. Unsere wichtigste Aufgabe ist aber jetzt, sicher nach Ankohar zu kommen. Wenn wir erst einmal dort sind, kannst Du Ziordan fragen, er hat bestimmt eine Antwort für dich. Bis dahin werde ich Dir helfen, so gut ich kann. Einverstanden?“ Jinda stand lange Zeit ruhig da. Dann schlug er ein und umarmte Thimris. „Danke.“
Zwei Wochen nach ihrer Ankunft in der Stadt der Elben überbrachte Pirin den Geschwistern und Jinda die Mitteilung, daß der König sie im Thronsaal erwartete. Nachdem sie sich vorbereitet und notdürftig hergerichtet hatten, führte er sie in das Hauptgebäude des Palastes. Anders als Jinda es in Erinnerung hatte, stand der Thron des Elfenkönigs diesmal nicht allein im Raum. Um ihn herum waren halbkreisförmig sechs weitere Stühle aufgestellt worden, auf denen edel gekleidete Elfen Platz genommen hatten. Noch während sie auf diese Gruppierung zuliefen, flüsterte Pirin den Vieren die Namen dieser zu. „In der Mitte sitzt mein Großvater Perlion, der König der Elben und wichtigster Mann des Rates, den ihr hier vor euch seht. Rechts von ihm sitzt mein Vater, ältester Sohn des Königs und damit Thronerbe. Sein Name ist Pergon. Halbrechts sitzen Wern, den ihr ja schon kennen gelernt habt, als Vertreter der Magier und am Ende Elron Bel, seines Amtes Erster Minister des Reiches und Stellvertreter meines Großvaters. Gegenüber sitzt Grayl, der Oberste der Leibgarde und Späher, also einer der wenigen, die über die Welt außerhalb unseres Berges Bescheid wissen. Er ist mein Vorgesetzter. Der daneben ist General Komed, der Führer unseres Heeres. Diesem Amt ist in Friedenszeiten nicht viel Bedeutung beizumessen, doch er ist ein guter Freund des Königs, und dieser achtet seinen Rat sehr. Seid vorsichtig. Er ist ein gerechter Mann, aber er hat einen Groll gegen die Menschen, der dem Werns um nichts nachstand. Der zur Linken des Königs ist mein Onkel Perdas. Er ist die rechte Hand Bels und hat großen Einfluß auf diesen.“ Mit diesen Worten kamen sie vor dem Thron an und knieten nieder. Nachdem der König sie nun formell begrüßt und die Mitglieder seines Rates vorgestellt hatte, setzte er sich wieder, woraufhin Jinda die Namen seiner Freunde nannte. Dann begann der König zu sprechen. „Thimris, Sohn des Torbald, ich begrüße euch, eure Geschwister und euren Freund Jinda in unserer Stadt Taran´ol, der fliegenden Stadt der Sonne. Ihr habt uns geholfen, in den Tunneln unter Esk´Almadur die Wesen zu bannen, vor denen sich mein Volk schon so lange fürchtet.“ Perlion sprach automatisch Thimris als Anführer und ältesten an. Jinda, dem das sofort aufgefallen war, schmunzelte. Schließlich lag der König damit schon ganz richtig. Dieser hatte eine kurze Pause gemacht und redete nun weiter. „Aus diesem Grund habe ich diese Versammlung einberufen. Aus den Mitteilungen Jindas und unserer eigenen Späher ist zu bemerken, daß die Nordländer wieder aktiv werden. Es scheint so, als sei der Wall weiterhin undurchdringlich. Trotzdem wurden überall in Caladar Überfälle durch Wesen aus dem Nordland festgestellt. Er gab dem Elben in Waldkleidung einen Wink, den Pirin als Grayl vorgestellt hatte. Dieser erhob sich mit einer eleganten Bewegung, verneigte sich vor dem König und berichtete. „Wie die meisten von euch wissen, haben wir Späher das Land, das wir zu beobachten haben in verschiedene Gebiete aufgeteilt. Das Innerste mit einem Radius von etwa zehn Meilen rund um die Stadt. Dieses Gebiet wird schon durch die Wache des Königs ausreichend bewacht, so auch der zweite größere Ring, in dem die wenigen Außensiedlungen angelegt sind, wo wir die Wache nur unterstützen. Wir beobachten hauptsächlich die Gegenden des dritten und vierten Kreises. Diese reichen im Westen bis an den Pass nach Ankor und im Südosten bis an den großen Wald. In diesem Gebiet sind mindestens drei Dörfer der Menschen ausgelöscht und über achthundert Personen getötet worden. Darunter befanden sich auch sechs meiner eigenen Leute. Keiner meiner Späher wusste zu sagen, auf welchem Weg die Eindringlinge in unser Land eingefallen sind, aber ich kann euer Majestät Bedenken bestätigen, das diese Angriffe zu einer ernsten Bedrohung für uns werden könnten. Offensichtlich will der Feind sich hier einen Stützpunkt südlich des Grenzgebirges errichten. Dafür wird er das Gebiet Meile für Meile untersuchen. Ich bin sicher, daß er dadurch auch uns entdecken wird, und unser Heer ist zu schwach, um in einer offenen Schlacht gegen eine Armee dieser Wesen zu bestehen. Ich weiß, Komed, ihr habt eine andere Meinung dazu, aber wir würden allein durch die zahlenmäßige Überlegenheit des Gegners überrannt werden.“ Dies meinte er zum ergrauten General Komed, der bei dieser Abwertung des Elbenheeres empört aufgesprungen war. Durch die Erklärung wieder einigermaßen beruhigt, setzte er sich wieder, jedoch nicht ohne einen zweifelden Blick auf den Obersten der Späher zu werfen. Grayl schien den Einwand des Generals vorhergesehen zu haben, zeigte sich jedoch überrascht, als sich Thimris vorsichtig zu Wort meldete. „Wenn ihr nichts dagegen habt, würde ich euch gerne korrigieren. Ich muss euch leider...“ So weit kam er, ehe er von Komed unterbrochen wurde. „Schweig, Mensch. Auch wenn wir euch in unserer Stadt dulden, habt ihr jetzt zu warten. Zu euch kommen wir später.“ Er hätte wohl noch weiter gesprochen, hätte der König nicht die Hand gehoben. „General, wir wollen ihn uns doch zumindest anhören. Sprich Thimris. Ich nehme an, Du willst uns über das Geschehen in eurer Hauptstadt aufklären. Die Anderen Mitglieder des Rates wissen es noch nicht, weil ich absolutes Stillschweigen befohlen hatte.“ Thimris räusperte sich. „Ich muss leider sagen, daß nicht nur Dörfer in der Umgebung eurer Stadt, sondern auch unsere Hauptstadt selber angegriffen wurden. Soweit wir es beurteilen konnten ist Caladar vollkommen zerstört, vernichtet von dem riesigen Flugwesen, daß uns verfolgte und das wie ich denke, den Dämon im Berg geweckt hat, um euch vom eigentlichen Angriff abzulenken. Eure Befürchtung trifft zu, Grayl, nur mit dem Fehler, dass unser Land bereits mehr oder weniger eingenommen wurde. Wenn diese Monster, die aus dem Norden hierhin gebracht wurden, sich nicht erst orientieren und formieren müssten, wäre Caladar schon vollkommen in ihrer Hand, mitsamt eurer Stadt.“ Diesen Worten folgte vollkommene Stille. Alle, bis auf Perlion, dem ja von der Vernichtung ihrer Heimatstadt berichtet worden war, waren von ihren Sitzen aufgesprungen und starrten Thimris entsetzt an. Der Erste Minister und Prinz Perdas fingen an hektisch zu dikutieren. „Nun General, jetzt werdet ihr wohl zugeben müssen, dass das Schicksal unserer Freunde hier zuerst besprochen werden sollte.“ Nun erhob sich auch Perlion. „Die Menschen, die hier vor euch stehen, wurden von einem Magier ihres Volkes nach Ankohar geschickt, der größten Stadt des Landes Markor nördlich von uns. Dort können sie durch einen Boten den Hochkönig informieren, mit ihren Kräften die Priestermagier unterstützen und unserer Seite so vielleicht einen entscheidenden Vorteil bringen. Wer dafür ist, daß wir sie bei ihrer Reise unterstützen, der hebe nun die Hand.

Gorn mit der Axt
17.08.2004, 21:42
Thimris sah sich um. Niemand bewegte sich. Dann hob Grayl die Hand. „Ich als Kundschafter kannte die Menschen besser als die meisten von euch und habe es immer befürwortet, wenn es eine Möglichkeit gab, das Verhältnis zu ihnen zu verbessern. Ich denke, daß wir den Vieren helfen sollten, wenn sie Hilfe brauchen, zumal sie uns vorher schon so sehr geholfen haben.“ Er stand auf, ging um den Tisch herum und stellte sich neben sie.
Perdas stand auf. „Wie könnt ihr bloß bereit sein diesen Menschen zu helfen. Seit sie aufgetaucht sind haben sie doch nur Schwierigkeiten gemacht. Durch sie sind die Erbstreitigkeiten doch erst entstanden, die die Trennung in Nord und Südland bewirkt haben. Ich weigere mich dieses Vorhaben zu unterstützen.“ Im Anschluß an ihn meldete sich der erste Minister zu Wort. „Ich muß meinem jungen Freund zustimmen. Wie können wir diesen Leuten helfen, die doch so anders sind als wir. Warum sollen wir es tun, wo sie doch nichts anderes machen, als uns zu fürchten oder zu hassen. Zwischen Wesen, die in Kultur, Religion und Wesen derart unterschiedlich sind, kann es nun einmal keine Freundschaft geben!“ Komed nickte. „Dem schließe ich mich an. Wenn diese Kreaturen besiegt werden müssen, dann wird das durch die Waffen unserer Männer und die Magie unserer Zauberer geschehen, nicht durch die der Menschen. Wir brauchen sie nicht."
Darauf wurde es wieder still. Thimris wußte, daß die Entscheidung eng wurde. Drei Mitglieder des Rates hatten sich gegen sie ausgesprochen, nur einer hatte sich positiv geäußert. Wenn auch nur noch einer der Anwesenden gegen sie wäre, durch eigene Überlegung oder aus Prinzip, dann würden die Elben sie nicht unterstützen. Sie würden sich weiterhin alleine bis nach Ankohar durchschlagen müssen. Thimris hob den Kopf und fixierte Perlion. Dieser hatte bisher regungslos da gesessen und den Verlauf der Abstimmung verfolgt. Nun bemerkte er Thimris Blick und hob die Hand. „Alle bis jetzt gebrachten Argumente sind hinfällig geworden durch die enorme Bedrohung durch die Nordländer. Die Hauptaufgabe dieses Rates ist es, das Volk, dem wir verantwortlich sind, zu schützen. Die einzige Möglichkeit, dies zu erreichen, sehe ich in der Unterstützung der Menschen, die zusammen mit uns vielleicht stark genug sind die Nordländer zu besiegen.“
Auch Wern stand auf. „Ihr wisst alle, was ich von den Menschen halte. Sie haben mich verletzt, meine Familie getötet und unser Haus angezündet. Doch vor zwei Wochen geschah etwas, das meine Einstellung geändert hat. Einer der Menschen hat mich gerettet, obwohl er dazu keinen Grund hatte, und sich selbst dadurch in eine Situation brachte, aus der er ohne Hilfe seiner Freunde nicht wieder entkommen wäre. Zum zweiten Mal hat er einem Elben das Leben gerettet, ohne dass irgendeine Absicht dahinter stand. Daran habe ich gesehen, daß es unter all den schlimmen Menschen einige gibt, die es wert sind, gerettet zu werden. Ich denke, zumindest diesen Menschen sollten wir eine Chance geben zu überleben.“ Der Rat war im Zwiespalt. Die Entscheidung hing einzig und allein von Pergon ab, den in diesem Moment alle beobachten. Lange Zeit sagte er nichts. Dann seufzte er und sagte. „Alle Vorwürfe, die mein werter Bruder, Minister Bel und General Komed vorgebracht haben, entbehren keiner Berichtigung, genauso die Werns und meines Vaters. Deshalb bin ich mir unsicher. Ich kann damit, daß ich mich gegen ihre Unterstützung ausspreche, sowohl die Zerstörung der Welt der Menschen und der unseren bewirken, es kann aber auch sein, daß das Heben meiner Hand den Niedergang der elbischen Kultur und einen späteren Angriff durch die Menschen provoziert, ich weiß es nicht. Aus diesem Grund habe ich beschlossen, mich zu enthalten.“
Kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, sprang sein jüngerer Bruder auf und rannte wütend aus dem Saal.
Thimris neigte sich zu Pirin hinüber. „Was hat er denn?“ Auf Pirins Gesicht erschien das hintegründige Lächeln, das dem Elben zu Eigen war. „Mein Onkel ist zornig, weil wir euch unterstützen werden. Auch wenn im Rat alle gleich sind, hat der König dort das letzte Wort, und deshalb...“ An dieser Stelle musste er aufhören zu reden, da der König erneut aufgestanden war und die anderen anwies zu schweigen.
„So ist es beschlossen. Wir werden den vier Menschen helfen, ihnen unseren Schutz gewähren und einen der unseren mit ihnen schicken, damit er eine Möglichkeit habe, unsere Schuld zu erwidern.“ Mit diesen Worten war die Versammlung geschlossen.

Gorn mit der Axt
19.08.2004, 01:13
Nach dem Ende der Zusammenkunft verließen alle den Thronsaal. Minister Bel, General Komed, Wern und Pergon widmeten sich wieder ihren Aufgaben, während Perlion, Grayl und Pirin den Vieren bei der Vorbereitung für ihre Weiterreise halfen. Sie führten sie in ein kleines, zweistöckiges Lagerhaus in der Nähe der Kaserne. „In diesem Gebäude bewahren wir die Ausrüstung für meine Späher auf. Dort werden wir euch ausstatten und, soweit nötig, bewaffnen.“ Erklärte Grayl. Das Lager war in verschiedene Räume aufgeteilt, die jeweils unterschiedliche Gegenstände enthielten. Sie wurden einer nach dem anderen durch das Haus geführt. Zusätzlich zu neuen Rucksäcken erhielt jeder von ihnen neue wetterfeste Kleidung und Umhänge, die gleichzeitig sehr fest und angenehm leicht waren. Da sie vorhatten schnell voran zu kommen und Kämpfen auszuweichen lehnten sie die Schweren eisernen Vollrüstungen ab, die wie Perlion erklärte Geschenke der Ritterorden der Menschen aus dem letzten Krieg waren. Dafür wählten sie die leichte Lederpanzerung der Späher, die ihnen zumindest einen gewissen Schutz gewährte. Der nächste Raum war ungewöhnlich groß und gefüllt mit den verschiedensten Waffen. Die drei Geschwister verließen sich eher auf ihre Kräfte als auf ihre Kampfkunst und steckten jeder nur einen langen Dolch für den Notfall ein. Jinda hingegen, der in den meisten Arten des Kampfes gut ausgebildet war, bewaffnete sich mit dem gleichen langen Dolch, einem Langbogen und einem Köcher Pfeile, sowie mit einem halben Dutzend Wurfmesser, die er an der Seite seiner Lederrüstung trug. Im folgenden Raum war für sie weniger zu holen. Da er mit Verbänden und Heilkräutern gefüllt war, Thimris ihre Heilung aber im Falle von Verwundungen selbst unterstützen konnte, nahmen sie sich hier nur das Nötigste. Im letzten Raum wurde nahrhafte, lang haltbare Nahrung aufbewahrt. Jeder steckte sich soviel ein, daß sie ohne zu Hungern für eine Woche versorgt waren. Durch eine Tür an der rechten Seite verließen sie das Lager wieder. Davor wartete schon Perlion auf sie. „Ihr werdet wohl bei euren plötzlichen Aufbruch aus eurer Heimatstadt nicht daran gedacht haben. Die Menschen sind nicht immer so gastfreundlich wie wir und helfen euch umsonst.“ Damit ging er an ihnen vorbei und reichte jedem von ihnen einige Gold- und Silbermünzen. Dann schmunzelte er. „Wir ihr seht ist Esk´Almadur sehr großzügig. Feinde sind nicht das Einzige, was er bringt.“ Er wurde wieder ernst. „Ihr seid jetzt so gut ausgestattet, wie es unsere Möglichkeiten zulassen. Ruht euch noch einen Tag aus. Morgen früh bringt euch dann einer von uns an den Fuß des Berges.“ Damit verabschiedet er sich. Sie gingen mit Pirin zurück zu ihren Quartieren und besprachen den Aufbruch. Zwei Stunden lang diskutierten sie über die günstigste Route, ohne zu einem Ergebnis zu gelangen. Schließlich verschoben sie die Entscheidung auf den nächsten Tag und legten sich schlafen.
Als Thimris aufwachte, war Jinda bereits aufgestanden. Sie weckten Logan und Jeel und machten sich auf den Weg zum Palast. Auf halbem Wege dorthin sahen sie Pirin, der ihnen entgegen kam. „Guten Morgen!“ Rief er ihnen zu. „Ich hoffe ihr habt euch gut erholt, denn in den nächsten Wochen werden wir nicht soviel Komfort haben.“ Thimris stutzte. Obwohl es naheliegend war, ihnen einen der Späher mit zu geben, die sich auch in der größeren Umgebung gut auskannten, hatte er nicht damit gerechnet, daß ausgerechnet der Enkel des Königs dafür ausgeschickt würde. Pirin schien seine Gedanken erraten zu haben. „Diese Reise ist eine Angelegenheit der königlichen Familie, auch wenn sie einen Nutzen für unser ganzes Volk darstellen könnte. Deshalb hat Perlion mich als seinen persönlichen Vertreter ausgesandt, und das ist auch der Grund, warum ihr nicht offiziell und in allen Ehren verabschiedet werdet.“
Am Vormittag dieses Tages gingen sie los. Pirin führte sie auf einem kleinen, an der Seite gelegenen Weg aus der Stadt heraus, durch den kleinen Park davor, an einigen Wächtern vorbei zu einem der Flugschächte. Da nicht jeder von ihnen einen solchen schon einmal bewusst passiert hatte, waren sie alle recht überwältigt. Selbst Jinda, der sie am häufigsten erlebt hatte, war einmal mehr fasziniert von dem Gefühl des Fliegens, des schwerelos Seins. Sie kamen nach einigen Minuten Flug am Fuß des Berges an. Dann gingen sie los. Obwohl sie den ganzen Vormittag wanderten kamen sie nicht viel voran, da sie, immer noch im Vorgebirge, mehr klettern als laufen mussten. Sie machten am Mittag Rast, um etwas zu essen, und Jinda sprach mit den anderen über ihre weitere Reise. „Unser Ziel Ankohar liegt etwa hundertzwanzig Meilen von hier entfernt. Diese Entfernung ist aber die gerechnete Luftlinie und damit für uns illusorisch. Bis wir in der Hauptstadt ankommen, müssen wir zuerst diese Hügellandschaft hier durchqueren, um danach durch den Wüstenstreifen zu wandern, der vor dem Abendgebirge liegt. Ich bin einmal mit meinem Vater zusammen nach Ankohar gegangen, weshalb ich mich hier zumindest begrenzt orientieren kann.“ Jinda wurde bei diesen Worten leiser, und die Freunde merkten sofort, daß er an seinen Vater dachte, den sie in Caladar hatten zurücklassen müssen und der vermutlich bei der Feuerwelle des Angriffs gestorben war. Jinda seufzte. „Jedenfalls weiß ich, daß es mehrere Pässe durch die Berge gibt, die direkt an die Ebenen Ankors anschließen, da der Wüstenstreifen an dieser Stelle unterbrochen ist.“ Er wollte noch weiter reden, wurde jedoch durch Logan unterbrochen, der empört aufgesprungen war. „Wenn wir gar nicht durch die Wüste müssen, waren gehen wir dann nicht über diesen Pass?“ Jinda lächelte spöttisch. „Wenn Du mich hättest ausreden lassen, hätte ich Dir gesagt, dass selbst der nähere dieser Pässe so weit östlich liegt, daß er von uns aus auf der anderen Seite Ankohars liegt und damit ein Riesenumweg wäre. Es gibt vermutlich nicht viele Elben, die Lust auf die Annehmlichkeiten Ankors haben, zumindest haben sie es wohl nicht für nötig gefunden hier eine Straße zu errichten.“ Pirin schmunzelte verhalten und meldete sich zu Wort. „Entschuldigung, wenn ich richtig verstehe, sucht ihr den schnellsten Weg durch die Wüste, oder?“ Ohne, dass sie es gemerkt hatten, war er näher getreten. „Es gibt einen Fluss, den wir Durangar nennen, das bedeutet bei euch „Durch die Welt“ oder „Verbindung der Länder“. Er heißt so, weil er in diesem Gebirge entspringt und weit bis in den eigentlichen Kontinent hinein fließt. Er strömt neunzig Meilen von hier durch die Wüste. An einer Stelle haben die Späher des Königs einen kleinen Außenposten und ein oder zwei leichte Boote, für den Fall, daß einer von uns einmal schnell nach Ankor hinein muß.
Auf ihnen sind wir innerhalb einer Stunde durch die Wüste hindurch. Das eigentliche Problem sehe ich woanders. Wir können nicht einfach so nach Ankohar hineinspazieren. Wir wissen nicht, ob die Zerstörung Caladars überhaupt schon bis hier durchgedrungen ist, und wenn ja, welche Veränderungen sie hervorgerufen hat. Außerdem habt ihr einen Elben dabei. Was meint ihr, was die Stadtbewohner tun werden, wenn sie mich sehen. Ich kann es euch sagen. Einige Male musste ich eure Städte betreten. Verjagt zu werden war noch das Mindeste. Manchmal haben sie auch versucht mich zu fangen. Ihr könnt euch vermutlich denken, was sie getan hätten.“ Die Geschwister schwiegen. Aber Jinda antwortet. „Warum machst Du Dir darum denn schon Sorgen. Du kannst froh sein, wenn Du mit dieser Gesellschaft hier überhaupt am Fluss ankommst.“ Pirin hatte noch einen Moment Zeit, verdutzt auszusehen, bevor Jinda unter seinen lachenden Freunden begraben wurde.

Gorn mit der Axt
20.08.2004, 01:00
Nach einer halben Stunde Pause wanderten sie weiter. Am Abend passierten sie eine Schlucht und traten auf eine Gegend hinaus, die sich von der bisherigen unterschied. „Dies ist die Hochebene, die Ankor vom Abendgebirge trennt. Unsere Reise ist fast beendet.“
Jindas Stimme klang trotz des anstrengenden Weges unbeschwert.
Obwohl sie müde waren, gingen sie nun mit neuer Energie. Das Gefühl, die mühsame Wanderung hinter sich zu lassen ließ sie gehen, bis die Sonne hinterm Horizont versank. Bis dahin zeigte sich, daß Jinda wohl übertrieben hatte, denn vor ihnen lagen immer noch mindestens dreißig Wegstunden, bis sie den Fluß erreichen würden.
Die fünf Freunde gingen in den nächsten drei Tagen weiter über die Hochebene auf Ankohar zu. Am vierten Tag verließen sie diese und betraten das erste Mal die Ebenen ihres Nachbarlandes. Da sie nun die Berge hinter sich gelassen hatten, konnten sie schon den Fluß sehen, den Pirin Durangar genannt hatte. Am fünften Tag, als die Sonne im Zenit stand, erreichten sie das Flußufer und fanden wenig später das in einem Wäldchen versteckte Bootshaus. Dort fanden sie zwei leichte, mit Leder bespannte Boote aus Birkenzweigen, die zwar nicht sonderlich stabil aussahen, dafür aber so leicht waren, daß sie sie ohne Mühe ins Wasser schieben konnten. Weil Thimris und Jinda die beiden Schwersten waren, saßen sie zusammen im zweiten Boot. Während dieses langsam an Geschwindigkeit zunahm und sich der Mitte des Flusses näherte unterhielten sie sich leise. „Der Wüstenstreifen ist an dieser Stelle vielleicht fünfundzwanzig Meilen breit. Wir haben also eine Fahrt von etwa vierzig Meilen vor uns, bis wir den Fluss verlassen und uns östlich nach Ankohar wenden müssen. Die Fahrt bis dahin wird nur kurz sein.“ Jinda sah Thimris an, der sich seit der Abfahrt angespannt umsah. „Aber das ist es nicht, worüber Du nachgrübelst, oder?“ Sein Freund wandte sich zu ihm um und schüttelte mühsam den Kopf. „Du hast Recht, das ist es nicht. Ich bin beunruhigt, weil ich nicht weiß, was uns erwartet. Pirin hat es letztens schon sehr treffend ausgedrückt, aber da ist noch mehr. Wenn die Nordländer in Caladar wirklich einen Brückenkopf für ihre Invasion aufbauen wollten, warum dann ausgerechnet dort? Warum haben sie nicht zuerst ihre Nachbarländer im Süden angegriffen, anstatt die Angreifer irgendwie zu ins bis zur Hauptstadt zu bringen und dort zu kämpfen?
Ich wünschte Ziordan hätte mehr Zeit gehabt uns zu berichten.“ Jinda dachte über die Worte seines Freundes nach. „Vielleicht wussten sie, daß diese Länder zu stark im Auge behalten werden. Caladar hingegen konnten sie einfach so angreifen, und wir wissen noch nicht einmal, ob das jemand in Ankor bemerkt hat.“ Thimris sah ihn an. „Die Theorie hat etwas für sich. Aber dann hatten sie keinen Grund unser Haus niederzubrennen und uns und die Zwillinge über hunderte von Meilen weg zu verfolgen. Ich habe mich bisher nicht getraut es ihnen zu sagen, aber ich fürchte, daß die Nordländer aus irgendeinem Grund hinter uns her sind. Es ist zwar möglich, daß sie die Zeugen des Untergangs der Stadt beseitigen wollten, damit diese Nachricht erst möglichst spät die anderen Herrscher erreicht, aber selbst das erklärt nicht all den Aufwand, mit dem sie uns gejagt haben. Ich bin froh, wenn wir in Ankohar in Sicherheit sind. Du bist zwar eine große Unterstützung, aber ich kann meine Geschwister nicht ewig schützen, dabei wurden sie mir doch anvertraut.“ Thimris starrte besorgt zum Himmel. „Ich glaube Du unterschätzt sie.“ Thimris zuckte zusammen. „Was ist?“ Jinda sah ihn ernst an. „Sie sind schon älter, als Du warst, als Du begonnen hast, Dich um sie zu kümmern. Ich denke sie haben auf unserer Reise oft genug bewiesen, dass sie auch ohne Dich klarkommen.“ Thimris seufzte. „Ich hoffe es. Ich hoffe es.“
Sechs Stunden lang glitten die Boote durch das Wasser, ohne dass eine von Thimris Befürchtungen wahr wurde.
Dann hieß Jinda die anderen auszusteigen. „Freunde, es ist nicht mehr weit. Zwei Tage Fußmarsch und wir sind in Ankohar. Die Stadt liegt in einem weitläufigen Tal, deshalb ist sie von der Hochebene aus schon weithin sichtbar. Wir werden Sie übermorgen im Laufe des Tages sehen und dann hoffentlich auch Ziordan oder zumindest diesen Allen sehen.“ Die Geschwister stöhnten erleichtert auf. Hatten sie auch in der Elbenstadt Erholung gefunden, so wurde das Wandern doch schon wieder schwer vom Gepäck und die Nahrung weniger. Derlei ermutigt suchten sie sich einen trockenes Versteck und legten sich schlafen. Jedenfalls die Zwillinge. Pirin, Jinda und Thimris wachten die halbe Nacht über ihre Gefährten, ohne dass sie das gegenseitig bemerkten. Schließlich schliefen auch sie ein.

Gorn mit der Axt
20.08.2004, 22:55
Am Vormittag des übernächsten Tages stieß Jinda Thimris an. „Nur noch über diesen Hügel hier und wir werden es sehen. Ich bin mir sicher, weil wir wieder auf der normalen Handelsroute unterwegs sind. An sich wollte ich das ja vermeiden, aber ich dachte es wäre zu auffällig kurz vor der Stadtmauer aus dem Wald gekrochen zu kommen.“ Thimris nickte ihm zu. Er dachte über das nach, was er von Ankohar wußte. Der Aufbau der Stadt war durch zwei Faktoren bestimmt worden, den Handel und die Religion Jehrans. Ankohar war durch ihre günstige Position zum wirtschaftlichen und religiösen Zentrum der Halbinsel geworden und noch um ein Vielfaches größer als Caladar. Da sein Vater ein Priestermagier gewesen war, hatte er eine Weile im großen Tempel dieser Stadt gedient, bevor er sich in sein Heimatland zurückgezogen hatte. Erzählungen zu Folge war dieses Gebäude eines der prächtigsten auf dem ganzen Kontinent und reichte fast an den Tempel der großen Hauptstadt in Gordian heran, wo der oberste Priester und der Hochkönig Andraeis Seite an Seite regierten. Thimris hatte sich früher danach gesehnt, diese Stadt und vor allem diesen Tempel erblicken zu dürfen, seit ihm sein Vater mit strahlenden Augen von ihrer Schönheit berichtet hatte. Raschen Schrittes trat er über die Kuppe des Hügels. Dann sah er den Tempel Jehrans, der, sich in gewaltige Höhen schraubend, die ganze Stadt überragte. Beziehungsweise dessen Reste.
Irgendjemand oder irgendetwas hatte den Tempel vollständig zum Einsturz gebracht. Dieser, fast im Zentrum der Stadt gelegen, hatte viele der umliegenden Gebäude beschädigt. Die Stadt selbst schien merkwürdigerweise nicht angegriffen worden zu sein.
„Was ist denn hier passiert.“ Hinter Thimris, der nur stumm da stand, waren nun auch Logan und Pirin den Hügel hinaufgeklettert und schauten fassungslos auf den Anblick, der sich ihnen darbot. „Ich denke, dass sich der Angriff doch schon bis hier ausgewirkt hat. Kommt. Laßt uns runtergehen und in der Stadt nach diesem Zauberer suchen.“ Sie nickten Pirin zu. Egal was mit Ankohar geschehen war, die Stadt stand noch, und das bedeutete, dass sie dort Hilfe, vielleicht sogar Informationen von Ziordan bekommen würden. Langsam gingen sie den Weg hinunter, der nun, in unmittelbarer Nähe der Stadt aus sauberen Pflastersteinen bestand und fast drei Schritte breit war. Sie erreichten den Wall um die Stadt nach wenigen Minuten und näherten sich vorsichtig einem der kleineren, aber gut bewachten Nebentore. Thimris, auf jede Reaktion der Soldaten achtend, ging vorneweg. Neben ihm ging Jinda, etwas hinter ihm, die Hand am Griff seines Schwertes, um seinen Freund im Notfall sofort zu verteidigen. Die Zwillinge gingen nebeneinander hinter Pirin, der sich die Kapuze weitest möglich ins Gesicht gezogen hatte. Als sie am Tor ankamen, hatte sich einer der Wächter grimmig vor ihnen aufgebaut. „Wenn ihr in die Stadt wollt, nennt euer Anliegen und wie lange ihr bleiben wollt.“ Thimris gab sich umgänglich. Er merkte, daß der Soldat überaus nervös war. Der Vorfall beim Tempel konnte noch nicht lange zurückliegen. „Wir wollen in der Stadt einen Freund besuchen und mit ihm unsere Weiterreise planen. Wir wissen nicht, wie lange wir bleiben, vermutlich aber nicht länger als eine Woche.“ Den Wächter schien die Antwort zufrieden zu stellen, denn seine Haltung entspannte sich und er winkte sie zum Wachhäuschen an der Innenseite der Mauer. Er ließ sie alle ungehindert durch die Kontrolle, obwohl Thimris das Gefühl hatte, daß er Pirin einen Moment länger musterte als die anderen. Doch der Gardist sagte nichts, obwohl Thimris meinte, in seinen Augen ein Aufblitzen des Erkennens zu erblicken.
Jinda blieb stehen, nachdem sie einige Schritte gegangen waren. „Und das“ sagte er „ist Ankohar.“ Die anderen waren überwältigt. Wenn die Stadt von außen schon groß aussah, so war sie von innen durch ihre Ausdehnung unüberschaubar. Über eine riesige Fläche verteilt standen Häuser, die um einiges höher waren, als die meisten, die sie bisher gesehen hatten und die fünfmal mehr Bürger enthielten, als ihre eigene, nun zerstörte Heimatstadt.
Doch die Bürger waren keineswegs alle zu Hause. Allein auf der kleinen Nebenstraße, die zum Tor führte drängelten sich mehrere Dutzend Passanten.
„Bleibt dicht beieinander. Wir suchen uns einen ruhigeren Platz und sehen dann weiter.“ Thimris wandte sich zu dem Wachmann um, der gerade gehen wollte. Er sprach ihn an und legte ihm ein Kupferstück in die Hand.
„Könnt ihr uns sagen, wo wir preiswert übernachten können?“ Dank seiner Bezahlung schaute der Wächter etwas freundlicher aus. Er rieb sich das Kinn und überlegte. „Ein Freund von mir hat ein günstiges Rasthaus in der Unterstadt. Geht einfach von hier aus nach rechts und immer am Außenwall entlang. Wenn der Markt in Sicht kommt, müsstet ihr es zur Linken sehen.“ Thimris bedankte sich und warf ihm ein zweites Geldstück zu. Sie hielten sich an seinen Ratschlag und gingen in die angewiesene Richtung. Nach zehn Minuten sahen sie ein kleines, sauber aussehendes Haus, an dessen Eingang ein Schild hing. Logan kicherte.
„Elfenrast. Die ahnen gar nicht, wie passend das ist.“ Jinda packte ihn am Arm, doch offensichtlich hatte keiner der Passanten etwas gehört. Drinnen war es sauber und hell. Ein großer, freundlich aussehender Mann stand hinter der Theke. „Sie wünschen?“ „Einer der Wachen am Tor meinte, hier könnte man billig und angenehm übernachten. Wir wollen Zimmer für fünf Personen.“
Der Mann lächelte. „Natürlich. Wie viele Zimmer wollen sie? Jeder eines für sich?“ Thimris schüttelte den Kopf.
„Drei Zimmer dürften reichen. Wir wissen noch nicht, wie lange wir bleiben müssen, deshalb werden wir einen Teil im Voraus bezahlen.“ Das schien den Wirt ganz besonders zu freuen. „In Ordnung. Die Zimmer kosten zusammen 6 Kupferstücke pro Tag. 1 Kupfer für jede Mahlzeit.“ Thimris akzeptierte und gab dem Wirt fünf Silberstücke als Bezahlung für die ersten drei Tage. Sie nahmen sich die drei Schlüssel und brachten das wenige Gepäck das sie hatten auf ihr Zimmer. Danach trafen sie sich in dem größten Zimmer, das von Thimris und Logan bezogen worden war, und besprachen sich. Thimris gab jedem zwei Gold- und einige Silberstücke. Das wenige restliche Silber ließ er in der abgeschlossenen Kammer zurück. „Steckt das Geld gut weg, es ist fast alles, was wir haben. Wir sollten uns jetzt endlich überlegen, wie wir Ziordan finden. Oder den, zu dem er uns geschickt hat.“ Pirin sah sich um. „In einer Stadt mit zehntausend Bewohnern könnt ihr nicht einfach auf euer Glück hoffen.“ Logan zischte ihn an. „Was sollten wir deiner Meinung nach denn machen?“ Pirins Gesicht blieb ungerührt. „Ich würde zur Gordianischen Botschaft gehen. Gordian ist das Herrschaftsgebiet des Hochkönigs. Wenn einer seiner Zauberer hier hinkommt, wird man dort wohl wissen wo er ist.“ Danach sah Logan recht belämmert da, so daß seine Schwester unwillkürlich auflachen musste. Das glockenhelle Geräusch klang so fröhlich, dass auch Jinda lächeln musste. „In Ordnung, dann machen wir es so, wie Pirin vorgeschlagen hat. Ich weiß noch, die meisten Botschaften liegen im Osten des Palastviertels. Wir müssen also in die Oberstadt.“ Also verließen sie die Raststätte und machten sich auf den Weg zur Oberstadt, wo die Häuser der reicheren Leute, der Palast und die Reste des Tempels standen. Das Tor, das die beiden Teile der Stadt abgrenzte durchquerten sie ohne Schwierigkeiten. Offenbar war es den Wachen wichtig zu wissen, wer die Stadt betrat, alles andere ignorierten sie geflissentlich.
Nachdem sie mehrere der Passanten nach dem Weg gefragt hatten, standen sie wenig später vor einem beeindruckendem Gebäude, das ihnen, wenn es nicht in der Nähe des Palastes mit den vielen umliegenden Villen gestanden hätte, sicherlich sofort aufgefallen wäre. Sie klopften an das große Eingangsportal. Dahinter wurden Schritte laut und in der Tür öffnete sich eine Klappe. Durch das ein älterer Mann in guter, dunkelblauer Kleidung zu ihnen hinaus schaute. „Was wollt ihr?“ Thimris sprach für alle. „Wir sind Reisende aus Caladar im Süden. Dort haben wir einen Zauberer vom Hofe eures Königs getroffen, der uns anwies sofort nach Ankohar zu gehen. Wir wandten uns an euch, weil wir nicht wussten, wie wir ihn sonst finden sollten.“ Die Züge des Mannes spannten sich. „Wie soll der Name dieses Zauberers sein?“ Thimris senkte seine Stimme „Ziordan.“
Der Mann schüttelte bedauernd den Kopf. „Der ist nicht hier. Ist vor zwei Wochen hier angekommen und bald wieder aufgebrochen. Ich fürchte ich kann euch nicht helfen.“ Da er schon im Begriff war, die Klappe wieder zu schließen, fragte Thimris schnell. „Kennt ihr in der Stadt jemanden namens Allen?“ Die Klappe verharrte wo sie war. Dann sagte der Mann. „Allen ist der Hauptmann der Wächter und untersteht dem direkten Befehl Fürst Reinelds, des Stadtregenten. Ihr findet ihn meistens im Palast.“ Dann schloss sich die Öffnung schneller, als sie reagieren konnten und sie standen wieder allein vor dem Tor.

Gorn mit der Axt
21.08.2004, 22:03
An diesem Tag war es schon zu spät, um dem Palast einem Besuch abzustatten. Deshalb gingen sie zurück in die Herberge und legten sich schlafen. Sie erwachten erst am späten Vormittag wieder. Die Wanderung der letzten Zeit hatte ihre Spuren hinterlassen.
Sie zogen sich an und gingen in die Gaststube hinunter, wo der Wirt ihnen ein einfaches Mahl vorsetzte. Eine halbe Stunde später brachen sie auf und steuerten durch die Menge der Leute auf die Mitte der Stadt zu. Nachdem sie die Mauer zur Oberstadt passiert hatten standen sie etwas ratlos vor dem gewaltigen Wall, der den Palast umgab, in dem der Fürst residierte. Es überraschte Thimris kaum, als sie wenig später am Hauptportal abgewiesen wurden. Die Wachen waren darauf gedrillt, nur ihnen bekannte Personen durchzulassen, oder solche, von deren Kommen ihnen berichtet worden war. „Vermutlich käme nicht einmal der Hochkönig ohne Anmeldung da rein.“ Dachte er verbittert. Unverrichteter Dinge zogen sie sich in eine kleine Nebenstraße zurück.
Thimris zog sie nah an sich heran. „In den Palast kommen wir nicht herein. Also müssen wir Allen irgendwo anders auflauern.“ Jinda sah ihn an. „Wie sollen wir ihm auflauern, wir wissen ja nicht einmal, wie er aussieht.“
„Das stimmt. Wir müssen wohl doch in den Palast hinein. Zumindest bis in den Vorhof. Wenn uns dort jemand sieht, wird er uns für Bedienstete oder Boten halten. Aber wir kommen nur dorthin, wenn wir unsere Kräfte einsetzen. Ich werde gleich mit Jeel noch einmal ans Tor gehen und fragen. Wenn die Wachen uns wieder abweisen, kann sie sich durch daß geöffnete Tor den Hof ansehen und einen geeigneten Platz zum teleportieren suchen. Danach bringt sie uns hinein und wir teilen uns in Gruppen auf. So müssten wir Allen recht schnell finden. Nach einer Stunde treffen wir uns dann auf dem Hof wieder.“ Mit diesem Plan waren alle einverstanden.
Jeel, die sich wie vorgesehen orientiert hatte, brachte zuerst Jinda in die Lücke zwischen zwei Lagerschuppen. Danach folgten Logan, Thimris und als letztes Pirin. Nach dieser Anstrengung mußte sie sich kurz erholen. In dieser Zeit nahm Jinda die Einteilung vor. Wenig später gingen die drei Geschwister in der einen, Jinda und Pirin in der anderen Gruppe los, um Allen zu finden. Sie wußten nicht, daß sie zu diesem Zeitpunkt schon beobachtet wurden.
Jinda und Pirin nahmen sich die Nebengebäude auf der rechten Seite des Hauptbaus vor, wo unter anderem die Kaserne lag, weshalb sie sich bessere Chancen ausrechneten, dem Hauptmann der Soldaten zu begegnen. Sie versuchten möglichst unauffällig zu bleiben und es schien so, als würde es ihnen auch gelingen. Als dann jemand an ihnen vorbei hastete, der der Kleidung nach ein Bediensteter des Palastes war, sprach Jinda ihn an. „Entschuldigt bitte. Könnt ihr uns sagen, wo wir den Hauptmann der Wache finden, wir haben eine Nachricht für ihn.“ Der Mann, der wohl sehr in Eile war, würdigte sie keines Blickes und meinte nur: „Das große Gebäude in der Mitte der Kaserne, das sind die Offiziersquartiere. Dort könnte er sein.“ Jinda wollte sich noch bedanken, doch der Mann war schon weiter gehetzt. Jetzt fiel ihm auch auf, daß fast alle Personen, die er im Innenhof sah sich ähnlich verhielten. „Dieser Betrieb hier ist nicht normal.“ dachte er bei sich. „Bestimmt hat das etwas mit dem Einsturz des Tempels zu tun.“ Sie gingen in die Richtung, in der die Kasernen lagen und sahen schon bald ein zweistöckiges gemauertes Haus. Sie betraten es und erfuhren von einem Leutnant, daß der Hauptmann einen Einsatz hatte und nicht in absehbarer Zeit zurückkehren würde. Da die Stunde fast um war beeilten sie sich, rechtzeitig am Treffpunkt anzukommen. Obwohl ihre Bemühungen keinen Erfolg gehabt hatten, hatte Jinda noch Hoffnung, daß seine Freunde Allen in einem der anderen Teile des Geländes aufgespürt hatten. Als sie aber am Treffpunkt ankamen, war von den Dreien noch nichts zu sehen. Auch in der nächsten halben Stunde konnte er keine Spur von ihnen entdecken. Pirin wurde langsam nervös. „Jinda, es wird bald dunkel. Wenn wir uns noch lange hier aufhalten, wird man uns bemerken.“ Jinda herrschte ihn an. „Das weiß ich selber. Aber wie sollen wir denn verschwinden? Die Wachen würden uns erkennen und sich fragen, wie wir hier rein gekommen sind.“ Dann beruhigte er sich wieder. „Tut mir leid, Pirin. Ich habe die Beherrschung verloren.“ „Das macht doch nichts, das kann jedem Mal passieren.“ Jinda spannte sich an. Die Haare an seinen Armen stellten sich auf. Das gerade war nicht Pirins Stimme gewesen. Die Person im Dunkeln sprach weiter. "Beweg Dich besser nicht. Deine drei Freunde haben wir bereits. Und da konnte ich doch nicht zulassen, daß ihr einfach wieder so verschwindet, ohne zu wissen, wo sie sind. Aber nach den Worten deines Freundes scheint sich das ja erledigt zu haben. So, und jetzt werft mir eure Waffen heraus und dreht euch um.“ Ohne ein Wort zogen Pirin und Jinda sich weiter in die Gasse zurück. „Ich warne euch. Wenn ihr nicht aufgebt, nehmen wir euch unter Beschuss.“ Jinda zuckte zusammen. Ihr Feind mußte gute Augen haben, wenn er bei Dämmerung sehen konnte, was sie machten, obwohl der Weg im Schatten der Häuser lag. Aber er hatte einen Fehler gemacht, auch wenn dieser nur Pirin hatte auffallen können. „Warum sollten wir uns einem Einzelnen ergeben, anstatt euch zu bekämpfen?“ Darauf wusste der andere wohl keine Antwort. Er war wohl überrascht. So auch Jinda. Außer einem Elben gab es wohl niemanden, der am Geräusch sofort erkennen konnte, ob es sich um einen oder mehrere Angreifer handelte. Doch dieser fasste sich wieder. „Vielleicht weil ein Kampf sämtliche Wachen der Stadt anlocken würde?“ Jinda mußte wieder seinen Willen schmunzeln. „Wohl wahr. Wer ist es nun, dem wir uns ergeben?“
Der Schatten am Ende der Gasse deutete eine Verbeugung an. „Allen Benegar Galanor, Neffe des sechzigsten Herren von Ankor, Fürst Reineld von Galanor, Hauptmann der Wache und Ritter von Ankohar, zu euren Diensten.“ Er lachte spöttisch auf. Dann brach er ab, als er hörte, wie sein Gelächter von dem seiner beiden „Gefangenen“ übertönt wurde. Jinda keuchte. „Wartet Hauptmann. Ich glaube, ich muss euch etwas erklären.“

Gorn mit der Axt
24.08.2004, 23:26
Zwei Stunden später saßen Jinda und Pirin in der untersten Zelle innerhalb der Offiziersquartiere. Zusammen mit ihren drei Freunden... und dem Hauptmann. Dieser war inzwischen arg verwirrt.
„Ihr behauptet also, daß Ziordan euch hierhin geschickt hat und dass Caladar von diesem, “ Er zögerte. „diesem Flugwesen zerstört wurde.“ Er schien ratlos. „Selbst wenn es nicht stimmt, was ihr mir gesagt habt, kann es nicht schaden, eure Fragen zu beantworten, wenngleich ich zumindest den Anfang euer Geschichte für wahr halte.“
Da Ziordan sie zu diesem Mann geschickt hatte, hatten sie beschlossen, sich ihm anzuvertrauen und ihm die ganze Wahrheit mit Ausnahme ihres Aufenthaltes in der Elfenstadt berichtet. Doch nun wollten sie endlich wissen, was hier in der Stadt geschehen war, warum Ziordan sie hierhin gesandt hatte, und wohin sie sich nun wenden sollten. Es schien Thimris als hätten sie mehr Fragen als man in einem Leben beantworten konnte.
Er atmete tief aus. „Was ist in eurer Stadt geschehen. Wurdet ihr angegriffen?“ Allen zuckte mit den Schultern
„Ich weiß es nicht.“ Als er sah, daß die Freunde ihn anstarrten, erklärte er. „Als es geschah, war ich gerade unterwegs. Ich kam zurück und der Tempel Jehrans lag in Trümmern. Ich versuchte zu erfahren, was passiert war, aber keiner konnte es mir sagen, nicht einmal meine Gardisten. Es war zu schnell geschehen. Offensichtlich hat es ein Erdbeben gegeben und ein Sturm ist aufgekommen. Merkwürdigerweise war der Tempel das einzige Gebäude, das dadurch ernsthaft beschädigt worden ist. Außerdem sind die Ränder des Trümmerfeldes in der Stadt nicht zerbrochen. Sie sind geschmolzen.“ Thimris schreckte hoch. „Was?“ Allen grinste. „Interessant, nicht wahr. Diese Übereinstimmung mit der Zerstörung Caladars, von der ihr mir berichtet habt ist auch der Hauptgrund dafür, daß ich euch vertraut habe.“ Die Geschwister konnten die Ruhe des Mannes nicht verstehen. „Die Frage ist nur, warum sie es tun.“ In diesem Moment erkannte Jinda den Sinn des Ganzen. Wäre der Boden aufgebrochen und hätte sie alle verschluckt, sie hätten nicht überraschter sein können, als über das, was Jinda ihnen mitteilte. „Sie vernichten den Wall!“
Allen war totenbleich. „Das ist unmöglich!“ Jinda blieb ruhig. „Nein, durchaus nicht. Wenn sie eine Möglichkeit gefunden haben, eine kleine Gruppe von Angreifern auf unsere Seite des Walls zu bringen, und das halte ich für sicher, dann können sie versuchen, so viele der Priestermagier umzubringen, daß der Wall zumindest kurzzeitig an einer Stelle zusammenbricht, wo sie dann mit einem Heer einfallen können. Wenn sie das erst einmal geschafft haben, dürften sie so gut wie unaufhaltbar sein, denn unsere Armee hat seit Jahrhunderten nicht mehr in einer Schlacht gekämpft.“ Er richtete sich auf. „Dafür spricht, daß sie den großen Tempel Ankohars zerstört haben. Wenn sie das gleiche noch bei drei oder vier anderen größeren Ansammlungen der Priester tun, ist schon nur noch die Hälfte der Energie für den Wall übrig. Der Hohepriester wäre gezwungen, alle seine Anhänger in den Dienst zurückzuholen, und selbst dann wäre der Wall vielleicht nicht mehr so stark wie vorher.“ Allen, Pirin und die drei Geschwister waren bestürzt. Jindas Erklärungen wären leichter akzeptierbar gewesen, wenn sie nicht so unheimlich schlüssig gewesen wären. Durch sie ergab alles einen Sinn, was in den letzten fünf Wochen geschehen war. Fast alles. „Warum haben diese Wesen dann unser Haus zerstört, Caladar angegriffen und „ Thimris senkte den Kopf. „unsere Eltern getötet.“ Jinda legte ihm die Hand auf die Schultern. „Ich denke sie haben unsere Stadt attackiert, weil sie Ziordan gespürt haben, so wie er sie gespürt hat. Und von euch haben sie sich bedroht gefühlt. Sie haben vermutlich davon gehört, daß ihr über starke Magie verfügt und deshalb euer Zuhause vernichtet. Ihr solltet keine Chance haben zu entkommen. Sie wussten, daß jeder, der Magie einsetzen kann, für sie ein potentieller Gegner war.“ Logan schüttelte halb spöttisch, halb ungläubig den Kopf. „Das kann nicht sein. Dafür müssten sie ja wissen, was bei uns passiert, es müsste einen Spion auf unserer Seite geben.“ Jinda nickte gleichmütig. „Den gibt es eh. Wie meinst Du denn, haben sie Ankohar so schnell und präzise angreifen können?“
Erneut brach in der Zelle Tumult aus. Die Einzigen, die ruhig blieben, waren Thimris und Allen. Dieser sah Jinda ernst an. „Wenn das stimmt, muss es in dieser Stadt jemanden geben, über alle wichtigen Handlungen eingeweiht ist und trotzdem willens war uns zu verraten.“ Jinda lachte zynisch. „Auf einen der Zehntausend Bewohner Ankohars trifft diese Beschreibung vermutlich zu.“ Er fasste Allen am Arm. „Aber das Wichtigste ist für uns jetzt erst einmal, was wir tun sollen. Diesen Spion könnt ihr auch ohne uns auffliegen lassen. Aber wohin sollen wir jetzt?“ Allen zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht mehr als ihr. Ziordan ist, so weit ich weiß, vertrauenswürdig. Wenn er es euch versprochen hat und es einrichten kann, wird er hierher zurückkommen.“ Er überlegte. „Als er abgereist ist wollte er bestimmt zur Hauptstadt. Für diese Reise braucht er bestimmt einige Wochen. Vielleicht ist er sogar schon dort angekommen. Ich würde euch raten, in eure Herberge zurückzukehren und auf ihn zu warten. Falls ich euch laufen lasse. Versteht bitte meine Lage. Ihr seid unbefugt in das Gelände des Palastes eingedrungen, dazu mit Kräften, die außerhalb des Ordens höchst selten vorkommen. Nennt mir also nur einen Grund, warum ich euch nicht für die Späher der Nordländer halten sollte, die einen Angriff vorbereiten?“ Zu seiner Überraschung blieben die fünf relativ ruhig. Dann stand Thimris auf. „Es gibt sogar zwei Gründe. Erstens, weil der Feind euch wohl kaum seine Pläne verraten würde, wie wir es gerade getan haben.“ Allen sah ihn zweifelnd an. „Und der zweite?“ „Weil jeder von uns euch sofort töten könnte und wir uns gar nicht mit einer Bitte an euch aufhalten müssten.“
Man muss dem Hauptmann zu Gute halten, daß seine Überraschung nur Bruchteile einer Sekunde dauerte. In dieser Zeit hatte sich die Situation aber schon schlagartig geändert. Als Allen die Augen nach einem kurzen Blinzeln wieder öffnete, sah er als erstes eine gleißend helle Kugel aus Energie nur wenige Zentimeter von seinem Gesicht entfernt. Er hörte daß Zischen seines eigenen Schwertes, daß sich, von Jeel gedanklich gelenkt, zu Jindas Schwert und Pirins langem Messer gesellte, die er an seinem Hals fühlte. Vorsichtig blickte er nach unten und sah eine Schlange, bestimmt zwanzig Fuß lang, die ihn bis zur Hüfte eingewickelt hatte und ihn nun spöttisch anzuzüngeln schien, obwohl das, wie er wusste, unmöglich war. Dann grinste er.
„Ihr habt eine interessante Art euren Standpunkt darzulegen. Irgendwie überzeugend.“ Einige Sekunden später musste er erschrocken zusehen, wie Logan sich zurückverwandelte, die drei Freunde ihre Waffen zurückzogen und Thimris seine Sphäre mit einem leisen Säuseln löschte. Er hatte wohl damit gerechnet, sich in ihnen getäuscht zu haben. Man sah ihm die Erleichterung an, als sie sich zur Tür wandten, allerdings glaubte er zu träumen, als er sah, wie die fünf von einer Sekunde zur anderen verschwanden.

Gorn mit der Axt
25.08.2004, 17:09
Auf dem Dach des Gebäudes prusteten diese los, als sie wieder erschienen waren. „Ich hätte zu gerne sein Gesicht gesehen, als wir verschwunden sind.“ Jeel grinste sie an. „Ich konnte der Versuchung einfach nicht widerstehen, ein wenig zu übertreiben. Deshalb habe ich euch für die paar Meter alle auf einmal mitgenommen. Tut mir leid, Tim“ Jaleel wusste, wie sehr ihrem Bruder sinnlose Magie widerstrebte, aber zu ihrer Überraschung lächelte ihr Bruder.
„Schon okay, Jeel. Nun lasst uns aber abhauen, sonst sieht uns noch jemand und ruft die Wache.“ Lachend verschwanden sie in der Nacht.
Die nächsten acht Tage verbrachten sie in Ankohar. Obwohl sie immer achtgeben mußten, nicht durch ihre Kräfte oder Pirins elfisches Äußeres aufzufallen, fanden sie hier soviel Erholung wie nirgendwo sonst auf ihrer Reise. Trotz all ihre Schönheit und Ruhe war die Elbenstadt fremd und auch ein wenig abweisend gewesen, voller alter Geheimnisse und ihrer noch äleren Hüter, im Gegensatz zu diesem Ort, wo sie sich schon bald fast wie Zuhause fühlten. Diese Woche verging ohne dass etwas Besonderes passiert wäre, sie verbrachten viel Zeit auf den Straßen und genossen es wieder unter Menschen zu kommen. Abends sprachen sie lange über ihre bisherige Reise. Deshalb war Ankohar auch der Ort, wo es den Geschwistern gelang, ihre Verzweiflung über den Tod der Eltern zu überwinden. Auch wenn sie ihr Ziel, für diese Tat Rache zu üben nicht aus den Augen verloren, merkten sie doch jetzt, wie rücksichtslos sie in ihren Bemühungen manchmal gehandelt hatte, und bekamen sich selbst wieder unter Kontrolle.
Am achten Tag nach ihrer Ankunft erhielten sie dann eine Nachricht von Allen. Am Abend, als es schon kühler geworden war, und sie sich vor die Herberge gesetzt hatten, kam ein Junge auf sie zu und überreichte Logan einen Brief. Zu seiner Verwunderung war das nicht die erwartete Mitteilung von Ziordans Eintreffen. Völlig geschockt rannte er zu seinen Freunden. „Schnell, lest das hier!“ Sagte er und warf ihnen das Papier auf den Tisch. Thimris zog den Brief zu sich heran und las. „Freunde aus Caladar, ihr müsst sofort fliehen. Meine Informanten haben mir eure Nachricht von der Zerstörung eurer Hauptstadt berichtet. Nun, da diese Botschaft in Ankohar angekommen ist, habe ich versucht, jene, die ich für mögliche Spione hielt, vor dem Fürsten zur Rede zu Stellen. Doch diese scheinen bereits größten Einfluß zu haben. Am Hof wird Gerede laut, ich solle suspendiert werden, und vor wenigen Minuten wurde mein Büro durchsucht. Ich weiß nicht, ob es damit offiziell zuging, aber es ist sicher, daß jene meine Notizen über eure Überwachung gesehen haben. Wenn sie bereits Anweisung erhalten haben, wie sie mit euch verfahren sollen, kann es jede Minute zu einem Angriff auf euch kommen. Zieht so schnell ihr könnt in Richtung Westen und wandert in Richtung der Hauptstadt des Königs. Wenn ihr sonst nirgendwo Schutz erhaltet, dort findet ihr ihn. Dort wacht die Armee des Königs über euch und die gesamte Priesterschaft des Tempels. Wenn ihr Glück habt, stoßt ihr auf halbem Wege sogar mit Ziordan zusammen, er kann euch dann führen.
Gez. Allen Benegar Galanor, ehemaliger Hauptmann der Wache.“
Thimris sah die anderen lange an. „Dann müssen wir wohl wieder los.“ Ohne Recht zu wissen warum, hatte er in den letzten Tagen bereits Vorbereitungen für die Abreise getroffen. Nur eins fehlte ihnen noch. „Pferde.“ meinte Jinda. „Und zwar Gute, denn wenn die Nordländer schon solchen Einfluß haben, werden sie ohne weiteres die Wache auf uns loslassen können. Haben wir genug Geld, Tim?“ Dieser runzelte die Stirn. „Wieviel kosten die hier?“ fragte er.
„Wenn Du Glück hast? Vielleicht drei Goldstücke.“ „Dann haben wir ein Problem.“ meinte Thimris und zeigte ihnen den Geldbeutel. Von den achtzig Silberstücken, die der Elbenkönig ihnen gegeben hatte, waren ihnen nur noch etwa sechzig geblieben. Thimris seufzte. „Zwölf Goldstücke also. Dafür bekommen wir keine fünf Pferde. Wir werden wohl etwas verkaufen müssen.“
Also nahm jeder von ihnen seine gesamte Ausrüstung und ging einzeln auf den Markt. Als sie sich einer halben Stunde später wieder trafen hatten sie genügend Geld beisammen, auch wenn sie dafür einiges an Gegenständen und Waffen abtreten mußten. Jinda hatte dort einen günstigen Händler entdeckt, dem sie nach einigem hin und her fünf schnelle Pferde abkauften. Zu ihrer Freude hatten sie sogar noch einige Silber und Kupferstücke übrig, so daß sie sich auf ihrer Reise zumindest mit dem Nötigsten versorgen konnten. Da Allens Botschaft sehr dringlich geklungen hatte, beschlossen sie sofort abzureisen. Sie bemühten sich, schnell aber möglichst unauffällig zum Haupttor zu gelangen, wo zu Pferde Reisende, also etwas wohlhabendere Leute nicht so ungewöhnlich waren, wie an den kleinen Nebenpforten. Tatsächlich erreichten sie den größten Eingang in die Stadt ohne Zwischenfälle. Als sie jedoch noch in der Schlange der zu Kontrollierenden standen, kam vom Palast ein Bote an galoppiert. Da Jinda ahnte, welche Kunde er den Wächtern überbringen sollte, hieß er die anderen zurückzutreten.
Die Menge der Passanten war jedoch zu groß, als daß sie auf der Stelle verschwinden konnten. Deshalb sammelte Thimris seine Freunde um und fragte seine Schwester „Du hast erst letztens uns alle auf einmal transportieren können. Denkst du, Du könntest auch ein Pferd samt Reiter versetzen?“ Jeel schaute ihn verständnislos an.
„Ich denke schon. Aber wenn einer von uns verschwindet, werden die Wachen die anderen festnehmen, und wir wären gezwungen uns gegen sie zu wehren, obwohl sie doch auf der richtigen Seite stehen.“ Ihr Bruder aber lächelte sie an. „Hältst Du mich wirklich für so einfallslos? Du brauchst mich nur vor das Haupttor zu teleportieren. Die Wachen werden dann abgelenkt sein, und ihr könnt schnell hindurch reiten.“ Jeel blickte ihn überrascht an. Das müsste gehen. Sie bildeten also um Thimris einen Ring, so daß man ihn nicht mehr so leicht sehen konnte, und versetzte ihn mit ihrer Gabe an eine Stelle etwa neunzig Fuß vor dem Eingang in die Stadt. Als er dort auftauchte waren die Wächter völlig unvorbereitet. Erst nach einiger Zeit, als er schon los geritten war, machten sich die meisten von ihnen an die Verfolgung. Die Restlichen standen recht hilflos am Tor und waren völlig damit überfordert, die aufgeregte Menge, die ja alles mit angesehen hatte, nicht unkontrolliert hinaus strömen zu lassen. In diesem Moment rissen die Freunde an den Zügeln ihrer Pferde und lenkten diese im scharfen Galopp durch die geschwächte Truppe der Soldaten. Da fast alle berittenen Wachen auf der Jagd nach Thimris waren, gab es keine Möglichkeit sie zu verfolgen, wodurch sie nach einigen Minuten des Reitens zwei Meilen vom Tor entfernt eine Pause einlegten, um auf Thimris zu warten, der, ohne es zu bemerken, unbewusst wieder die Rolle des Anführers übernommen hatte. Sie brauchten nicht lange warten, da kam er lachend auf dem Pferd aus einem nahe gelegenen Waldstück. „Ihr hättet sie sehen sollen. Ich ihnen ein paar Sphären vor die Füße geschleudert. Die Pferde waren total perplex, so daß sich keiner auf seinem halten konnte. Die blauen Flecken haben die in einem Jahr noch.“ Die anderen grinsten ihn an. Nach einer weiteren kleinen Pause, in der Thimris sich erholen konnte, machten sie sich in Richtung Westen auf, wie Allen ihnen geraten hatte.

Gorn mit der Axt
26.08.2004, 20:20
Auf einem Dach des Palastes von Ankohar stand ein Mann, der das ganze Geschehen mit angesehen hatte. „Ausgezeichnet.“ Murmelte er. „Sie verhalten sich genau so, wie ich gehofft habe.“ Er drehte sich zu seinen Dienern um, die hinter ihm standen. „Nicht wahr, Hauptmann Allen?“ Doch dieser konnte, festgehalten von zwei kräftigen Lakaien seines Entführers, nichts tun, als hilflos den Kopf zu schütteln. „Genau nach Plan.“

Zwanzig Meilen entfernt hatten die Geschwister und ihre Freunde begonnen ihr Nachtlager aufzuschlagen.
Als er die Pferde angebunden und versorgt hatte, setzte sich Jinda zu den anderen. „Wir sind jetzt aus der Stadt hinaus. Aber wie sollen wir weiter gehen. Ihr drei seid nie über die Grenzen eures Landes hinausgegangen, ich und Pirin nur so selten, dass wir über die Beschaffenheit des Landes bald nur noch raten können.“ Dieser Gedanke erschreckte Thimris. Er hatte sich bisher immer auf die Ortskenntnis seines Freundes verlassen können. „Wie weit kennst Du Dich noch aus?“ Jinda, der ihm gegenüber saß starrte nur ins Lagerfeuer. „Vielleicht noch hundert Meilen von Ankohar weg. Danach kann ich mich nur noch nach den Karten meines Vaters orientieren, die aber schon seit Jahren veraltet sind.“ Er streckte sich. Dann griff er sich einen kräftigen kurzen Stock vom Boden und machte eine Zeichnung. Er deutete mit dem Stock auf einen Punkt. „An dieser Stelle hier sind wir gerade. Mit den Pferden schaffen wir bestimmt achtzig Meilen am Tag. Dadurch können wir Morgen schon an den Grenzen Ankors sein. Die liegen im Norden. Ich würde vorschlagen wir halten uns in der nächsten Zeit am Flußufer. Dann können wir uns leichter orientieren und durch den besseren Untergrund schneller vorwärts kommen.“ Nachdem sie den Fortgang ihrer Reise besprochen hatten, legten sich alle beruhigt schlafen. Nur einer nicht. Thimris wußte bereits seit längerer Zeit, daß die anderen ihn als Führer sahen, auch wenn ihm Jinda besser für die Position geeignet schien. Jahre vorher war er Vorbild und Beschützer seiner Geschwister gewesen. Ihm war diese Verantwortung immer bewusst gewesen, aber nun, da sie immer in Gefahr lebten, lag sie wie das Gewicht eines schweren Felsbrockens auf ihm, der ihn erdrückte. Mit jedem Mal, mit dem sie einer Gefahr entkamen, wurde die Rettung knapper. Bald würde er es vielleicht nicht mehr schaffen, allen seinen Freunden zu helfen. Dann musste er sich entscheiden, wen er retten wollte. Jedesmal kam er am Ende seiner Überlegungen auf diesen Gedanken. Jedesmal krampfte sich ihm dabei der Magen zusammen. Er würde sie nicht alle retten können.
Am nächsten Tag brachen sie früh auf. Sie ritten den Vormittag über vier Stunden lang. Nach einem kurzen Mahl aus den wenigen Vorräten, die sie mit hatten, und weiteren zwei Stunden erreichten sie einen Zulauf des Flusses, an dem sie entlang ritten. Nun stellte sich die Frage, wie sie die Pferde über den Zulauf bringen könnten, da keiner von ihnen wußte, ob oder wo es eine seichte Stelle gab. Doch auch hier zeigte sich, daß sich die Verstärkung ihrer Kräfte nicht nur auf Jeels Fähigkeit der Teleportation, sondern auch auf die der Telekinese ausgewirkt hatte, so wie sie alle gelernt hatten, ihrer speziellen Möglichkeiten besser und vielseitiger einzusetzen. Mit einiger Mühe schaffte sie es die Pferde hinüber schweben zu lassen, was einfacher war, als sie dorthin zu versetzen. Trotzdem war sie danach so erschöpft, daß ihre Freunde den Fluß durchschwammen, um ihr nicht noch mehr Arbeit zu bereiten. Ansonsten geschah an diesem Tag nichts. Wie Jinda am Abend grinsend zu den anderen meinte, hatten sie die Grenze von Ankor zum nördlich gelegenen Elserian überschritten, ohne es zu bemerken.
Als sie am nächsten Nachmittag an einem Seeufer ankamen schrie Jinda auf. „Verdammt! Beim überqueren des Zulaufes haben wir das Ufer verwechselt. Wir sind auf der falschen Seite. Und der See reicht im Süden weiter an die Hauptstadt heran, wir müßten einen halben Tag zurück reiten, genau in die Richtung eventueller Verfolger, wenn wir nicht über den See wollen.“ Seine Freunde sahen ihn ratlos an. „Können wir nicht im Norden um den See herumreiten?“ Fragte Logan vorsichtig. „Eben nicht! Das ist es ja eben.“ Schrie Jinda resigniert. „Im Norden und Süden wird der See von Bergen umschlossen, bevor er wieder im Westen schmaler wird und als Fluß weiter fließt. Wenn wir um die Bergketten herum wollen, brauchen wir im günstigsten Fall zwei Tage, bis wir wieder am Fluß sind.“ Stumm sprang er vom Pferd und ließ sich auf einen Stein fallen. „Versagt!“ Murmelte er leise. Die anderen schauten sich nur hilflos an. Auch sie wussten nicht weiter.

Gorn mit der Axt
27.08.2004, 21:20
Jeel sprang auf. „Vielleicht auch nicht.“ Alle starrten sie an. „Wir haben es doch schon einmal in Caladar geschafft einen Fluss zu befahren. Und dieser See ist auch nur ein Fluss, wenn auch ein sehr breiter.“ Jinda schüttelte den Kopf. „Damals waren wir im Wald. Wie willst Du hier genügend Holz für ein Floß hernehmen, auf dem wir fünf und die Pferde Platz haben.“ Sie neigte sich zu ihm hinunter. „Hast Du eine bessere Idee, wie wir rüber kommen?“ Er schüttelte den Kopf. „Nein.“ Dann raffte er sich auf. „Du hast ja Recht. Dann lasst uns sofort anfangen, ehe die Wachen uns einholen. Wenn wir immer noch verfolgt werden, können sie höchstens einen halben Tagesritt hinter uns sein.“ Also machten sie sich so schnell sie konnten auf, genügend Holz für ein Boot zu finden. Aber sie waren nun einmal in der Steppe, der Graslandschaft, wo Bäume äußerst selten waren. Nach einigen Stunden jedoch hatte Pirin in etwa zwei Meilen Entfernung ein kleines Wäldchen entdeckt. Jetzt war Eile geboten. Noch bevor sie den Forst erreicht hatten, verschoss Thimris bereits seine Energiekugeln und fällte mit einem Schlag ein halbes Dutzend Bäume. Während Logan, Pirin und Jinda die ankommenden Bäume zusammenbanden, teleportierte Jeel sie einen nach dem anderen ans Seeufer. Obwohl ihre Kräfte ganz beträchtlich gewachsen waren, beschränkte sie sich auf die kleineren Bäume. Nachdem sie sich und ihren Bruder wieder zu ihren Freunden gebracht hatte, half Thimris die Stämme zu bearbeiten. Dabei kam ihm sehr zu Gute, daß er seine Sphären nun beliebig Formen konnte. So ließ er flache Scheiben von Energie längs durch die Stämme schießen, so daß lange, dicke Bretter von doppelter Fingerbreite entstanden, aus den sie den Boden des Floßes in rasender Geschwindigkeit zusammensetzten. Da sie in diesem Fall nichts anderes zur Verfügung hatten mußten drei von Jindas Wurfdolchen zu Nägeln umfunktioniert werden, die Thimris schmolz, während Jeel sie in der richtigen Form halten musste. Nach dreistündiger Arbeit stand trotz allen Schwierigkeiten das Boot vor ihnen. Vierzig mal fünfzig Fuß groß und stabil genug ein Gewicht von mehreren Tonnen auszuhalten.
Inzwischen war es Abend geworden und so dunkel, daß selbst Pirin, der die schärfsten Augen hatte, die Reiter erst entdeckte, als sie eine halbe Meile entfernt waren. Die Freunde hatten Glück, daß die Wachen sie noch nicht gesehen hatten, sondern systematisch das ganze Ufer absuchten. Deshalb hatten sie Zeit, das Floß für die Abfahrt bereit zu machen und die Pferde an einem stabilen Balken in der Mitte anzubinden, bevor nur einige hundert Fuß entfernt einer der Wachen einen Schrei ausstieß. Als sie dann selber Bord waren, kamen ihre Verfolger schon auf sie zu geritten. Diese konnten jedoch nicht mehr tun, als mit ihren Kurzbögen vergeblich nach den Fünf zu feuern, da deren Floß bereits dank der starken Strömung Fahrt aufgenommen hatte. Fürs erste waren sie gerettet.
Obwohl sie alle zum Umfallen müde waren, bekamen sie nicht viel Ruhe. Während zwei von ihnen abwechselnd versuchten das Schiff in eine sinnvolle Richtung zu steuern, bemühten sich die anderen die Pferde zu beruhigen, die von der Flussfahrt wenig begeistert waren und heftig ausschlugen. Als das Schiff mitten in der Nacht auch von der Strömung des zweites, östlichen Zuflusses erfasst wurde, konnten sie sich das Lenken sparen, so daß zumindest einer von ihnen ab und zu ein paar Minuten ausruhen konnte.
Als am nächsten Morgen die Sonne begann aufzugehen sahen sie kaum zwei Meilen vor sich die nördliche Bergkette, die ihnen zeigte, daß sie den See bald überquert haben würden. Anstatt sich wie die anderen zu freuen zogen Thimris und Jinda sich ans andere Ende des Bootes zurück. „Jinda, was ist? Warum schleifst Du mich hier hin?“ Dieser sah seinen Freund unwillig an. „Hast Du es denn nicht bemerkt? Wenn wir auf der Mitte des Sees wären, müssten wir beide Gebirge sehen. Wenn wir nur eines sehen, dann befinden wir uns an den Klippen. Wir müssen zu weit nach Nordwesten abgetrieben worden sein. Ich fürchte wir werden nicht so leicht über den See kommen, wie Deine Geschwister denken.“
Es zeigte sich, daß Jinda richtig vermutet hatte. Nur eine halbe Stunde später wurde die Fahrt des Schiffes schneller. Unglücklicherweise, wurde Jeel kurz darauf durch eine unerwartete Bewegung des Floßes mit dem Kopf gegen die Reling gestoßen, so dass sie ihnen bei ihren Bemühungen nicht mehr helfen konnte, wieder auf den richtigen Kurs zu kommen. Normalerweise hätte Thimris ihnen mit seiner Fähigkeit helfen können, wie er es schon bei ihrer letzten Fahrt getan hatte, aber nun wurde ihr Gefährt immer wieder von kleinen Strömungen und Strudeln umher geschleudert und fing an, sich um sich selbst zu drehen, so daß er nicht mehr sicher sein konnte, sie mit einem starken Rückstoß nicht gegen die Klippen zu werfen. Deshalb blieb es ihnen nur übrig zu rudern. Während Logan und sein Bruder verzweifelt das Steuerruder umklammert hielten versuchten Pirin und Jinda durch Paddeln ihnen zumindest einen schwachen Impuls in die richtige Richtung zu geben. Doch als wenige Minuten später eines der Pferde sich vom Balken los riss und in den See stürzte, und kurz darauf die Ruderpinne abbrach sah Jinda ein, dass sie nichts mehr tun konnten. Kurze Zeit später wurden sie von einer großen Welle erfasst und gingen in den Fluten unter.

Gorn mit der Axt
28.08.2004, 17:02
4. Die Reise geht weiter

Als Logan wieder erwachte, war er völlig durchnässt. Er lag minutenlang am Ufer, bevor er seinen Körper dazu bringen konnte, aufzustehen. Dann erst begann er langsam zu begreifen. Das Schiff war untergegangen. Er war allein. Überall um ihn war es dunkel und neblig. Er schrie nach seinen Freunden. „Thimris! Jeel! Jinda, Pirin, wo seid ihr denn alle?“ Doch niemand antwortete. Einen Moment lang kam ihm der Gedanke, daß er das Unglück als einziger überlebt hatte. Dann aber kam durch denn dichten Nebel eine schwankende Gestalt auf ihn zu getaumelt. Logan zuckte zusammen. Doch dann erkannte er seinen Bruder. „Tim! Da bist Du ja.“ Doch sein Bruder schien ihn nicht zu hören. Er schaffte es noch einige Meter zu gehen. Hätte Logan ihn nicht aufgefangen, wäre er gestürzt. Logan befühlte sein Gesicht. Thimris war eiskalt. „Du mußt ja Stunden im Wasser gelegen haben.“ Doch Thimris schien ihn nicht zu sehen. „Versagt.“ Hörte Logan ihn ganz leise sagen. „Ich konnte sie nicht retten.“
Stundenlang war Logan durch den Nebel geirrt. Wenige Meter von sich entfernt hatte er die Klippen gefunden, wo er seinen Bruder hinlegte, und seine Decke über ihm ausbreitete, die entgegen aller Wahrscheinlichkeit verhältnismäßig trocken war. Dann war er immer an der Felswand entlang gegangen, in der Hoffnung die anderen irgendwo auf dem schmalen Sandstreifen zu entdecken. Dann fand er Pirin. Dieser sah nur wenig besser aus als Thimris, schien aber zumindest nicht unter Schock zu stehen und erkannte ihn, als er ihn ansprach. Unter großer Mühe schaffte er es Pirin an der Felswand zurück zu bringen, bis er die Stelle fand, an der er seinen Bruder hingebracht hatte. Dessen Zustand hatte sich nicht verändert. An sich wollte Logan weiter nach Jeel und Jinda suchen, doch als er Pirin zugedeckt und nach seinem Bruder gesehen hatte, setzte er sich hin und war ohne es zu bemerken sofort eingeschlafen.
Als er wieder aufwachte, war die Sonne aufgegangen. Dank ihr konnte trotz des dichten Nebels einigermaßen sehen. Deshalb war Logan jetzt in der Lage den etwa sechzig Fuß breiten Strand zu überblicken. Er schaute nach seinen Freunden und stellte fest, daß es seinem Bruder ein wenig besser ging, Pirins Zustand hatte sich so weit gebessert, daß er sich um Thimris kümmern konnte, während Logan wieder begann zu suchen. Zuerst ging er in die Richtung, in der er Pirin entdeckt hatte. Dort zeigte sich ihm ein erschreckendes Bild. Anscheinend war hier das Boot an den Strand geprallt. Bis auf Teile des Rumpfes war kein Teil mehr ganz geblieben. Zwischen den Teilen fand er auch den Körper seines Pferdes. Er brauchte nicht näher heran zu gehen, um zu sehen, daß es nicht mehr lebte und bedauerte, dass sie die Tiere für einen so kurzen Dienst in den Tod geführt hatten. Dann ging er weiter. Nach einer halben Stunde wurde der Strand immer kleiner und wenig später war er zu Ende. Langsam kam Logan zurück. Als er wieder bei den anderen war und Pirin ihn anschaute schüttelte er traurig den Kopf.
Obwohl es ihm von den Dreien am besten ging, mußte er eine Zeit ausruhen. Doch einige Stunden später war er wieder aufgebrochen und hatte Jeel gefunden, die er erst einmal von Jinda lösen mußte. Dieser hielt mit seiner Hand ihren Arm so fest, daß dieser bereits weiß angelaufen war und Logan den Griff nicht beim ersten Versuch lösen konnte. Als er nachsah, wie es den Beiden ging, bemerkte er mit Erschrecken, daß es Jinda noch schlimmer ging als seinem Bruder, als er diesen gefunden hatte. Seiner Schwester ging es dagegen geradezu glänzend. Logan rechnete damit, daß sie auch ohne seine Hilfe bald aufgewacht wäre. Deshalb brachte er zuerst Jinda zu ihrem Lager, bevor er zurückkehrte, um seine Schwester zu holen. Diese hatte in der Zwischenzeit die Augen aufgeschlagen und sich hingesetzt. Sie war überglücklich als sie ihren Bruder entdeckte, der auf sie zukam. „Logan! Geht es Dir gut? Wo sind die anderen.“ Logan hatte einige Mühe, sie zu beruhigen und zum Mitkommen zu bewegen. Er freute sich, daß sie schon wieder alleine gehen konnte, er hätte es vermutlich nicht mehr geschafft, auch sie zum Lager zu tragen.
Als sie bei den anderen angekommen waren, war keiner von ihnen wach. Selbst Pirin, der auf die beiden aufpassen sollte, denen es schlechter ging als ihm. Doch Logan konnte ihn verstehen. Auch er selbst fühlte sich erschöpft und zerschlagen, er war müde und fror erbärmlich. Jeel kroch zu Jinda herüber, der zitternd neben ihrem Bruder lag. „Er hat mich gerettet.“ Sagte sie zu Logan. „Das war das Letzte, was ich gesehen habe. Dass er schon an Land war und mich gesehen hat. Dann ist er wieder ins Wasser gesprungen und hat mich raus geholt. Es wäre fürchterlich, wenn er jetzt deshalb sterben müsste.“ Sie zitterte. Wenige Minuten später war sie eingeschlafen. Da Logan der Einzige war, der noch wach und in der Lage war, sie zu verteidigen, hielt er sich so gut er konnte wach und achtete auf seine Freunde. Die ganze Nacht.

Gorn mit der Axt
29.08.2004, 16:32
Das nächste was er sah, war wie Pirin sich streckte, als er langsam aufwachte. Er konnte erst vor wenigen Minuten eingeschlafen sein. Schuldbewusst, dass es dennoch geschehen war, sah er nach Thimris und Jinda. Dieser, den er am Abend in sämtliche Decken gehüllt hatte, um ihn zu wärmen, lag immer noch in den nun verschwitzten Stoff eingerollt und war leichenblass. Während Logan noch grübelte, was er für ihn tun konnte, bemerkte er, daß es seinem Bruder besser zu gehen schien. Obwohl er ihn unbedingt wecken wollte, um die ungewohnte Last der Verantwortung los zu werden, widerstand er der Versuchung, weil er sah, wie schlecht es um ihn auch nach diesen Stunden der Besserung noch stand. Er wartete noch einige Stunden, bis auch seine Schwester wach wurde. Danach wandte er sich an Pirin. „Du hast uns doch gesagt, daß das größte Talent deines Volkes das Heilen sei. Kannst Du für Jinda etwas tun?“ Pirin, der selber noch aussah, als bedürfe er eines Heilers, meinte hilflos. „Ich bin kein ausgebildeter Zauberer. Außerdem mußten wir die meisten der Arzneien verkaufen, die Großvater uns gab, um einen Gegenwert für die Pferde zu erhalten. Viel gebracht haben die uns ja nicht.“ Schloss er verbittert.
Logan lächelte ihn an. „Da wäre ich mir nicht so sicher.“ Damit stand er auf und ging um einen Felsen am Strand herum. Als er zurückkam führte er ein Pferd am Zügel. „Es ist Jindas. Ich denke es ist das Einzige, das nicht ertrunken ist, aber es kann unsere Sachen tragen, so daß wir immer noch schnell vorwärtskommen werden. Ich habe es gestern abend noch gefunden, aber ihr wart schon alle eingeschlafen.“
Er wurde scharf unterbrochen. „Das ist jetzt ziemlich unwichtig. In der nächsten Zeit können wir auch so nicht aufbrechen. Thimris und Jinda brauchen Ruhe!“ Jeel wurde rot, was Logan ein wenig überraschte. Obwohl er als ihr Zwilling zwar bemerkt hatte, daß seine Schwester Jinda sehr gut leiden mochte, war diese Bemerkung doch anders als sonst. Seine Überlegungen wurden unterbrochen, als er seinen Freund stöhnen hörte. Offensichtlich sprach er im Fieber. „Tim hatte Recht. Wir konnten es nicht schaffen. Ich habe sie in die Irre geführt. Versagt! Versagt.“ Logan sah die anderen verstört an. „Als er geschlafen hat, meinte Tim etwas ganz ähnliches. Sieht aus, als hätten beide Aufgaben, mit denen sie noch nicht fertig werden.“

...Viele Tagesreisen und mehrere Wochen von ihm entfernt verzog sich das Gesicht des Wesens zu einer Grimasse, als es an seine ganz persönliche Aufgabe dachte und an die Jahrhunderte, die seit Beginn dieses Auftrags vergangen waren. „Nicht nur sie.“...

Gorn mit der Axt
30.08.2004, 11:37
Obwohl seine Möglichkeiten begrenzt waren, tat Pirin was er konnte, um die Genesung seines Kameraden zu unterstützen. Dabei zeigte sich, daß sein Volk wirklich auf diesem Gebiet fixiert war. Seine präzisen Handlungen und sein großes Grundwissen über die vielen Arten an Krankheiten und Verletzungen ließen Logan schnell an seinen Worten zweifeln, er sei als Mediziner nicht unterwiesen worden. Er lernte auch, daß die Sorte der Heilkünste, derer sich der Elb bemächtigte, völlig anderer Art waren, als die seines Bruders. Wenn Thimris einem Verletzten einen Teil seiner eigenen Energie gab, so dass sich außer einer Beschleunigung am eigentlichen Heilungsprozeß nichts änderte, benutzte Pirin die Heilmittel seines Volkes, die er mit seiner Magie verstärkte, einmal sogar ein Heilritual, als Jindas Fieber all zu gefährlich wurde. Auf diese Weise war es ihm möglich, Wunden unterschiedlicher Größe sofort zu heilen.
Dieser Tatsache war es hauptsächlich zu verdanken, daß schon nach zwei Tagen alle bis auf Jinda wieder fit waren; Jinda selber war zumindest wieder bei Bewußtsein und nicht mehr so geschwächt wie nach dem Unglück auf dem See. Interessanterweise äußerte sich keiner von ihnen zu den Dingen, die sie, wenn auch zum Teil im Schlaf, gesagt hatten. Bei sich dachte Logan, daß es so vielleicht besser war.
„Wenn unsere Verfolger denken, daß wir den See überquert haben, dann werden sie um die Berge herum reiten und versuchen uns den Weg abzuschneiden. Deshalb hatten wir an sich sogar Glück, daß wir hier gelandet sind.“ Jindas Stimme war leise und schwach, aber er lächelte. Seinen Freunden war nicht danach zu Mute. Wären die Worte von einem anderen als ihm gekommen, wäre Logan vermutlich handgreiflich geworden; zu frisch war noch die Erinnerung an das Gefühl, die Verantwortung für die anderen zu übernehmen, die verletzt und bewußtlos waren.
„Deshalb schlage ich vor, daß wir bald wieder aufbrechen. Die Soldaten werden ihre Aufmerksamkeit auf den Fluß richten der aus dem Tal kommt. Wir könnten also am Nordhang der Berge entlang an ihnen vorbei schleichen, ohne daß sie merken, daß wir nicht mehr auf dem See sind.“ Pirin war nicht so optimistisch. „Bist Du sicher, daß sie die Berghänge nicht auch beobachten. Sie werden sich doch nicht alle um den Fluß herum aufstellen.“ Jinda stimmte ihm zu. “Ja, aber Du musst bedenken, daß um den Fluss herum Steilhänge sind. Wenn sie noch nicht von den Fähigkeiten unserer drei Freunde hier wissen, werden sie nie annehmen, daß wir die Klippen hinaufkommen.“
Seine Freunde kamen nach einiger Überlegung zu der gleichen Ansicht. Sie hatten schon zuviel von ihrer eigenen und fremder Magie gesehen, so daß sie ihnen inzwischen als völlig normal vorkam. Dabei hatten sie vergessen, daß ihre Kräfte für jemanden der nur wenig von ihnen wußte, ein ganz und gar unberechenbarer Faktor waren. Als Jinda Logans Gesichtsausdruck sah, schritt er schnell ein. „Das kann sich aber auch schnell als Nachteil für uns erweisen. Wenn unsere Feinde uns überschätzen, uns für gefährlicher halten, als wir sind, dann werden in Zukunft nicht doppelt, sondern zehnmal so viele Soldaten, wie wir besiegen können, auf uns warten.“
Beruhigt sah er, wie Logan schluckte und die Farbe seines Gesichtes zuerst in ein helles Weiß und dann in ein sattes Rot überging.
Eine halbe Stunde später gingen sie los. Entgegen Logans ursprünglicher Planung, ließen sie Jinda auf seinem Pferd reiten, da dieser noch immer schwach war und zitterte, wenn er sich anstrengte. Auf diese Weise gingen sie den ganzen restlichen Tag. Während ihrer Wanderung rückten die beiden Berghänge immer näher zusammen, bis sie nur noch halb so breit waren, wie an der Stelle ihres Kenterns. Trotzdem wußten sie alle, daß sie noch einen Großteil des Weges durch das Gebirge vor sich hatten. Deshalb aßen sie am nächsten Tag nur ein karges Frühstück aus den Vorräten, die sie noch hatten, und liefen weiter. Einige Stunden und eine weitere Behandelung Pirins später ging es auch Jinda wieder so gut, dass er mit den anderen mitlaufen konnte. Dadurch konnten sie ihr Gepäck nun doch auf sein Pferd verladen und kamen schneller voran. Auch der dritte Tag brachte kaum einen Unterschied zum bisher Geschehenen. Die einzige Ausnahme war, als Pirin glaubte, in der Ferne Stimmen zu hören. Als sie näher herankamen, konnte er zudem auch sagen, aus welcher Richtung sie kamen. Vorsichtig ging Logan in Richtung der Klippen, auf die Pirin gedeutet hatte und robbte sich immer weiter an ihren Rand heran. Obwohl seine Muskeln protestierten lag er wenige Sekunden später direkt vor dem Steilhang. Als er vorsichtig hinüber spähte, konnte er sechzig Fuß unter sich zwei Soldaten sehen, die auf einem schmalen Sandstreifen standen, ähnlich dem, auf dem sie angespült worden waren. Als Logan aufmerksam lauschte, konnte er trotz des Geräusches der Wellen sogar verstehen, was sie sprachen. „Warum läßt man uns eigentlich diese Wege hier absuchen, Korporal?“ „Still Gefreiter! Sie müssen noch lernen, daß man Anweisungen, die von oben kommen nicht zu hinterfragen hat. Oder haben sie schon vergessen, was mit dem Hauptmann geschehen ist?“ Der andere schien beschämt. „Natürlich nicht, Korporal.“ Murmelte er. Aber sein Gegenüber sprach bereits weiter. „Verdammt, dieser Befehl kommt von so weit oben, daß ich schon gar nicht mehr weiß, wer es angeordnet hat. Wenn wir Pech haben Reineld persönlich. Oder einer von seinen neuen Beratern. Wenn bei dieser Aktion etwas schief läuft möchte ich nicht der Verantwortliche sein.“ „Danach wandten sie sich anderen Dingen zu.“ Berichtete Logan den anderen. Sie sprachen noch darüber, wo ‘‘Die Spione‘‘ sich versteckt haben könnten. Nach dem, was ich gehört habe, denke ich, daß sie uns noch auf dem See oder an den Klippen vermuten, wie Jinda meinte.“ Die Freunde sahen sich ratlos an. Auch wenn Allen sie hatte festnehmen wollen und streng genommen nicht zu ihnen gehörte, waren sie bekümmert, daß sie daran schuld waren, daß er, wie auch immer, bestraft worden war.
Am Abend, als die Sonne gerade dabei war unter zu gehen, sahen sie wie die Felsklippe einige Achtelmeilen weiter vorne leicht abfiel und im Boden verschwand. Aber es war ihnen schon zu spät, um noch das Risiko einzugehen, doch noch von den Soldaten entdeckt zu werden. Also gingen sie am Abhang entlang einige hundert Meter zurück und legten sich schlafen.

Gorn mit der Axt
01.09.2004, 13:18
Als sie am nächsten Morgen erwachten, erlebten sie eine Überraschung. Offenbar hatte sich nachts das Pferd losgerissen und die Soldaten mit seinen Spuren direkt zu ihrem Lager geführt. Logan, der als Letzter die Augen öffnete, sah sich bereits von einem dreireihigen Ring aus Soldaten umgeben. Hastig blickte er zu seinem Bruder, doch auch Thimris und die seine Freunde waren ähnlich gesichert und hatten erst einmal keine Chance zu entkommen. Auch die Möglichkeit sich von Jeel weg teleportieren zu lassen, war ihnen genommen. Sie wurden inzwischen von je zwei der Männer festgehalten, und diese würden bei einem solchen Transport mit bei ihnen erscheinen und sie ohne zu Zögern töten. Deshalb hatten sie keine Wahl als zu warten.
Wenig später wurden sie von den Wachen abgeführt. Thimris war im Zwiespalt. Wie konnte er die Wachen mit seinen überlegenen Kräften angreifen, wo diese doch an sich auf ihrer Seite standen und nur vom Feind kontrolliert wurden. Gleichzeitig hatte er sich selbst und seinen Eltern versprochen, seine Geschwister u beschützen. Wenn die Soldaten einen von ihnen angreifen würden, wäre er gezwungen, sich zu verteidigen. Er beschloss also erst einmal zu sehen, was die Männer mit ihnen vorhätten. Nach einem kurzen Fußmarsch am Ufer des Flusses entlang, kam ihnen eine Gruppe von Offizieren entgegen. Thimris wandte sich an den offenbar Ranghöchsten, der in der Mitte stand. „Warum greift ihr uns an? Wir sind nur Wanderer auf dem Weg nach Westen.“ Er wollte noch weiterreden, wurde jedoch von dem Anführer harsch unterbrochen. „Du hast nur zu reden, wenn Du etwas gefragt wirst, Gefangener!“ Damit hob er den Arm und schlug Thimris zu Boden. Pirin, Jinda und Jeel spannten sich, doch Logan hatte nicht soviel Geduld. Als der Offizier seinen Bruder angriff, hatte er sich auf das Letzte Muster konzentriert, das er aufgenommen hatte. Er ließ sich zu Boden sinken und absorbierte den Fels unter sich. Gleichzeitig verwandelte er sich in jene Schlange, mit der er schon Allen seine Fähigkeiten demonstriert hatte. Bevor einer seiner Wachen reagieren konnte, war er über das spärliche Gras geglitten und sich mit den blitzschnellen Reflexen dieses Körpers um den Leib des Offiziers gewickelt. Die Wachen, nun endlich aus ihrer Starre erwacht, stachen mit ihren Schwertern auf ihn ein, doch da er aus Stein war und nicht verletzt werden konnte, war das einzige Ergebnis ihrer Bemühungen, daß sie ihren Anführer fast selber erdolchten, weshalb sie die Attacke erfolglos abbrechen mussten. Dies hätte die Probleme der Freunde wohl gelöst, wären da nicht noch ihre eigenen Bewacher gewesen, die sich sofort, als sie den Trick bemerkten, dichter an ihre Gefangenen heran schoben und ihre Schwerter zogen.
Logan sah dies und entließ den Mann langsam aus der Umklammerung, wonach dieser ohnmächtig zu Boden sank.
Danach gingen sie zwei Stunden lang um das Bergmassiv im Norden herum, noch enger gedeckt, als zuvor. Dann aber erhielten sie eine Gelegenheit zu entkommen. Als sie gerade hinter einem Felsvorsprung hervorkamen,
sah Thimris einen Schatten auf die Gruppe Pirins zu fliegen. Während die Soldaten zu langsam reagierten, um noch gerettet zu werden, sprang Pirin so schnell er konnte in die Deckung der anderen. Als das etwas dreißig Schritte entfernt aufgehört hatte zu wüten, sahen sie, was es war. Von der Form her etwas Raubtierhaftes, vielleicht wie ein Wolf oder eine Raubkatze, aber mit einer glatten, schleimigen Haut geschützt und von mindestens acht Fuß Größe. Als es sich etwas beruhigt hatte wandte es sich ihnen zu und starrte sie aus großen rotgrauen Augen an. Plötzlich sah Pirin eine Bewegung im hohen Gras zu ihrer Linken. Auch Jinda seinem Blick folgend bemerkte es. „Wir werden umzingelt! Hinter die Felsen!“ Wie von Furien gejagt, was ja auch fast der Wahrheit entsprach, sprangen unsere Freunde und die verbliebenen Soldaten durch die hohen Findlinge hindurch, die einen Hang des Berges ringförmig umgaben. Dort drehten sie sich wieder um.
Obwohl die Fünf Gefährten und die Soldaten nun dazu gezwungen waren sich gemeinsam zu verteidigen, merkte man doch sofort, daß sie sich gegenseitig nicht vertrauten, denn sie sammelten sich in zwei Gruppen, die jeweils einen der, durch einen gewaltigen Felsblock in zwei Hälften geteilten, Fläche abriegelten. Doch obwohl die Soldaten gut ausgebildet und erfahren im Kampf waren, musste man ihnen zugestehen, daß sie keine Chance hatte. Sie bildeten um jeden der Durchgänge zwischen den Felsen eine Mauer aus Schwertkämpfern, die die hinter ihnen stehenden Bogenschützen verteidigten, so wie Thimris und seine Freunde den Feinden begegneten. Und doch war es unübersehbar, daß die Soldaten immer weiter dezimiert und an den Berghang zurückgedrängt wurden. Ihre Gegner waren durch ihre dicke ledrige Haut gut gegen Schwerthiebe geschützt. Dieser Vorteil, zusammen mit ihrer enormen Größe und Kraft, machte sie für die Wachen zu fast unbesiegbaren Gegnern, obwohl auch die Pfeile und Bolzen so manchen der Dämonen bezwangen.
Währenddessen kämpften genau wie die Wachen jene Fünf in der zweiten Schlucht um ihr Leben, die sie hätten fangen sollen. Diese jedoch verteidigten sich nicht wie die Soldaten mit Schwert und Bogen, sondern mit den ihnen verliehenen Gaben. In vorderster Front stand wie immer Jinda, wie ein Fels in der Brandung, und richtete mit seinem von seinen Freunden verbesserten Schwert unter den Dämonen ein Blutbad an. Seinem trainierten Körper, den blitzschnellen Reflexen, dem tausendfach eingeübten Kampfstil und der magischen Waffe konnten die Wesen nicht beikommen und ihre zähe Haut, die sie vor den Waffen der Soldaten schütze, wurde von seiner Klinge mühelos durchdrungen. Einige Meter hinter ihm stand Thimris, inzwischen gelernt im Einsatz seiner Fähigkeiten und vielfach so stark wie zum Beginn der Reise. Er schoss einen Energieblitz nach dem anderen ab, hoch konzentriert und genau gezielt, um den vor ihm stehenden Jinda nicht zu verletzten. Weiter hinten war Jeel damit beschäftigt, die Monster mit Felsbrocken zu bewerfen und, falls einer ihrer Freunde von hinten angegriffen wurde, ihn verschwinden und einige Meter entfernt wieder erscheinen zu lassen. Ein wenig abseits stand Pirin. Er hatte einen Bann beschwören, der die in der zweiten Schlucht kämpfenden Dämonen daran hinderte ihre Mitstreiter zu verstärken. Gleichzeitig schütze er Jeel und sich mit seinem Kurzschwert, falls es einer der Bestien gelingen sollte, der Attacke Logans zu entkommen, der es sich, wieder in Stein verwandelt, zur Aufgabe gemacht hatte sie zu decken. Er war zum ersten von Jinda erlegten Wesen gehechtet hatte dessen Muster übernommen und sich in eines der Bestien verwandelt, die sie angriffen.
Auf diese Weise verteidigten sie ihren Teil der Schlucht und schafften es sogar, die Angreifer kurzzeitig zurück zu drängen. Doch dann erhielten diese von hinten Verstärkung, so daß sie drohten, die starke Verteidigung Jindas und Thimris zu überrennen. Dieser dachte mit Bedauern an die Soldaten, denn wenn die Dämonen von ihnen abgelassen hatten, waren sie alle besiegt und getötet worden. Er zog sich um einige Schritte an der Felswand entlang zurück und sammelte nicht weniger als ein Dutzend Energiesphären in seiner Hand. Dann streckte er seinen Arm aus und ließ ihn in einer schnellen Bewegung halbkreisförmig seitwärts wandern. „Jeel, Teleport!“ Schrie er noch. In dem Moment in dem die Bestien von der Feuerwand der von ihm erschaffenen Explosionen abgehalten wurden, verschwanden sie aus der ihnen gestellten Falle.

Gorn mit der Axt
02.09.2004, 18:09
Der Spion in Ankohar beugte sich über einen Spiegel. „Meister, warum habt ihr meine Soldaten von euren Kämpfern töten lassen?“ fragte er unterwürfig. „Narr“, zischte es ihm entgegen „Deine Kämpfer wurden von unseren Feinden nur deshalb nicht bezwungen, weil sie sich nicht dazu durchringen konnten. Warum haben sich Deine „Elitewachen“ nicht einfach heraus gehalten? Dann hätten meine Kämpfer dieses Geschmeiß in einer Minute besiegt.“ Der Mann vor dem Spiegel sackte in sich zusammen. „Mich trifft keine Schuld, Meister. Ihr Anführer, mein Kontaktmann, ist... ausgefallen. Deshalb blieben meine Befehle ungehört.“ „Versager. Du kannst Deine Truppen beim Übergang zum Nachbarland sammeln. Um diese Feinde werde ich mich selber kümmern. Doch sei achtsam. Du weist, dass die Dämonen durch das Wort des Gehorsams an mich gebunden sind, doch anders als ihre Vorfahren, die diesen Bund eingingen, sind sie nicht gezwungen jeden Befehl von uns auszuführen. Es gibt nur noch einen, der mir ohne zu Zögern gehorcht.“ Der Spion zuckte herum. Seine Stimme klang entsetzt. „Meister, ihr wollt doch nicht ihn einsetzen? Seine Kraft ist unbezähmbar! Er wird ohne Rücksicht auf Verluste wüten, doch sowohl unter den Feinden als auch unter unseren eigenen Männern!“ „Schweig, Narr! Was kümmern mich ein paar jämmerliche Soldaten, wenn wir dadurch den ganzen Kontinent erobern! Wenn diese Kinder ausgeschaltet sind, werden unsere Armeen dieses schwächliche Land überrollen und keiner wird es wagen, sich uns entgegen zu stellen! Tu, was ich dir aufgetragen habe, vielleicht werde ich deinen Ungehorsam dann vergessen!“ Der Spion senkte den Kopf „Wie ihr befiehlt.“

Nach der Rettung durch Jeel erschienen die Fünf einige Meilen vom Schauplatz des Kampfes entfernt. Jinda brach erschöpft zusammen. Obwohl er nach dem Unfall auf dem See noch nicht völlig wiederhergestellt war, hatte er trotz seines konventionellen Kampfstils mehr der Gegner besiegt, als jeder der anderen. Doch auch so waren sie alle stark beansprucht worden, so daß sie sich damit begnügten sich in einem Kleinen Wald einen sicheren Unterstand zu suchen und dann sofort einschliefen.
Nach einigen Stunden der Ruhe machten sie sich auf den Weg nach Westen. Thimris fiel auf, daß Jinda ungewöhnlich still war. Als sie eine kurze Rast einlegten, sprach er ihn an: „Jinda? Ist etwas?“ Dieser sah ihn ratlos an und schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht. Einen Tagesmarsch von hier beginnen die Sümpfe, die im Nordwesten des Landes liegen. Es gibt nur wenige sichere Wege hindurch. Der Einzige den ich kenne ist der Hauptweg inmitten des Sumpfes, den die wenigen Händler nehmen, die über Land reisen. Wenn zwischen den Ländern auf dieser Halbinsel, die teilweise vom Feind kontrolliert werden und den westlichen Ländern noch kein Krieg herrscht, werden sie es nicht wagen, diesen Weg zu besetzen, denn dann sind sie zu schwach um sich offen, ohne Hilfe durch das Heer des Nordlandes, gegen sie zu stellen. Gleichzeitig sahen diese Wesen gestern nicht so aus, als hätten sie Angst entdeckt zu werden, deshalb bin ich im Zwiespalt, was wir tun sollen, um weiter nach Westen zu gelangen.“ Inzwischen waren sie zu ihren Freunden gegangen, damit diese im Bild waren. „Welche Möglichkeiten haben wir denn, wenn es eh nur einen Weg gibt?“ fragte Logan. Jinda lächelte. „Viele. Wir können wie vorgeschlagen den Hauptweg nehmen, auch wenn dieser vielleicht nicht besetzt, aber zumindest kontrolliert wird. Eine andere wäre, daß wir versuchen auf einem der kleineren Wege durch den Sumpf zu kommen. Das wäre zwar mit einem einheimischen Führer einfacher und ein wenig gefährlicher, aber dafür würden die Feinde nicht so schnell damit rechnen oder wir gehen entlang der Küste und hoffen, das der Feind nicht auch die Randgebiete des Sumpfes besetzt.“
Nun begann eine lebhafte Diskussion darüber, auf welchem Weg sie versuchen sollten, die sicheren, westlichen Gebiete zu erreichen. Sie einigten sich auf den Weg durch die Randgebiete des Sumpfes, da sie Feinden dort leichter ausweichen oder sich verstecken könnten. Deshalb änderten sie ihren Kurs und hielten sich mehr nach Süden, dem Meer entgegen.

Gorn mit der Axt
03.09.2004, 14:48
Am Vormittag des übernächsten Tages erreichten sie den Sumpf. Jeel keuchte erschreckt. Von etwas erzählt zu bekommen war etwas ganz anderes als es mit eigenen Augen zu sehen. Die anderen waren kaum weniger überrascht. Fast von einem Schritt auf den anderen änderte sich die Vegetation des Landes vollkommen. Wo vorher Steppe gewesen war, bewachsen von Gras und kleineren Pflanzen, erstreckte sich nun ein dunkles Moor, in dem niedrige, verwachsene Bäume und Büsche standen und das in den unteren Regionen von großen, fettigen Gewächsen bedeckt war. Thimris fasste sich als erster und marschierte darauf zu, danach folgten Jinda, dann die Zwillinge und zuletzt Pirin. Sofort wurde es dunkel um sie. Es schien als würden die Pflanzen des Sumpfes kein Licht an seinen Boden durchlassen. Das und die Fremdartigkeit der Umgebung taten ihr übriges, dass sie sich schon nach wenigen Minuten hoffnungslos verirrt hatten. Sie fanden sich erst wieder zurecht, als einige Zeit später die Sonne den höchsten Punkt ihrer Bahn eingenommen hatte und sogar durch das dicke Blätterdach und den Nebel des Moores zu sehen war.
Die Freunde mußten einsehen, daß sie, solange sie sich innerhalb dieses Gebiets befanden, nur am Mittag wandern konnten, um nicht die Richtung zu verlieren und die Randgebiete zu verlassen. Obwohl ihnen allen bewusst war, daß es im Zentrum des Sumpfes noch wesentlich schlimmer sein mußte, als in den "harmlosen" Gebieten, die sie durchquerten, wurden sie zusehends bedrückter und nervöser, zumal der Marsch durch den Sumpf beschwerlich war und sie nie mehr als einige an einem Tag schafften. Außérdem mussten sie wegen der drückenden Hitze immer wieder Pausen einlegen und sich zweimal sogar vor den Dämonen verbergen, deren Schreie sie durch die Wand aus Pflanzen vernommen hatten. So aber kämpften sie sich zwei ganze Wochen lang durch die Strecke, die sie sonst in drei Tagen passiert hätten. Die Plage war erst zu Ende, als Jinda endlich meinte, dass sie nur noch wenige Wegstunden vom Meer entfernt seien. Doch entgegen ihrem Wunsch den Sumpf endlich zu verlassen mussten sie nun wieder nach Westen abschwenken, da er nicht bis an die Küste heranreichte. Aber nach drei weiteren anstrengenden Tagen standen sie endlich wieder auf dem Grasland, wenige Meilen vor der Landesgrenze.
Thimris, der als erster aus dem Blätterdach trat, seufzte erleichtert auf. Doch dann stutzte er und rief Pirin zu sich. Dieser kam von seinem Platz am Ende der Reihe nach vorne und stellte sich neben ihn. Thimris deutete auf eine schwarze Linie am Horizont und flüsterte: „Was ist das?“ Pirin runzelte die Stirn und erstieg einen Felsen in ihrer Nähe. „“ zischte er, „Dämonen! Ein Heer, das die Grenze nach Norden und Süden belagert, so weit ich sehen kann.“ „Verdammt. Das bedeutet, daß der Krieg begonnen hat. Das Hauptheer der Dämonen wird nicht mehr lange auf sich warten lassen.“ Er sackte in sich zusammen. „Egal welchen Weg wir genommen hätten, an der Landesgrenze hätten sie uns auf jeden Fall abgefangen.“ Doch änderte sich sein Gesichtsausdruck von Verzweiflung zu Verwunderung, denn er sah Jinda lächeln und fragte verblüfft: „Dir kann aber auch nichts die gute Laune verderben, oder?“ Jinda grinste. „Wohl kaum. Ich freue mich nur. Bisher war es ungewiss, wie weit die Macht des Feindes nach Westen reicht. Er würde hier nicht so einen Heeraufmarsch veranstalten, wenn er auch daß anschließende Land Markor besetzt hätte. Wenn wir es über die Grenze schaffen, sind wir so gut wie in der Hauptstadt.“ Das rüttelte die anderen auf. Die Tatsache, daß es sich hierbei um die letzte Hürde ihrer Reise handelte, gab ihnen die Kraft diesen Rückschlag zu verwinden und sich noch ein letztes Mal aufzuraffen.
Jinda fragte Jeel. „Kannst du uns über den Belagerungsring bringen?“ Nachdem Pirin ihr genaueres über die Lage und Größe des Ringes erzählt hatte, schüttelte sie den Kopf. „Der Ring ist so breit, daß wir mitten in ihn hinein teleportieren würden, selbst wenn wir das Pferd zurückließen. Dort würden wir sofort angegriffen und ich könnte keine Kräfte für den zweiten Sprung sammeln. Jinda brummte. Ihm war noch nichts eingefallen, wie er sich und seine Freunde retten konnte. Plötzlich horchte Pirin auf.

Gorn mit der Axt
04.09.2004, 19:11
„“ Brach in Panik aus ihm heraus, bevor er es in der Sprache seiner Freunde wiederholte. „Dämonen“ schrie er „Ganz in der Nähe.“ Bei diesen Worten sprangen seine Freunde auf. Aber auch das halbe Dutzend von Angreifern, die sich durch den Sumpf an sie herangeschlichen hatten. Sie griffen sofort an, was ihnen zum Verhängnis wurde. Schon beim ersten Anzeichen von Gefahr hatte Jinda sein Schwert aus der Scheide gerissen. Er tötete eine der Kreaturen, noch bevor sie den Boden berührt hatte und eine zweite kurz darauf. Ein weiteres Wesen wurde von Thimris Energiestrahl durchbohrt, der kaum weniger schnell reagiert hatte als Jinda. Der vierte Dämon der sich Jeel zugewandt hatte, wurde kurzzeitig von einem Bann Pirins aufgehalten, bevor er Jindas letzten beiden Wurfmessern erlag. Die zwei letzten Kreaturen, offenbar entsetzt über die Wendung des Kampfes versuchten zu fliehen. Jeel schaffte es eine von ihnen geistig zu fassen und zurück zu schleudern, doch einem der Kundschafter des Feindes gelang die Flucht. Thimris fluchte. „Was tun wir jetzt? In einer Minute haben wir eine ganze Armee auf dem Hals!“ „Wir müssen ans Meer!“ Wenn sie uns nicht mehr sehen und am Wasser unsere Spur verlieren, werden sie bestimmt aufgeben.“ Als Jinda das geschrien hatte rannten sie los. Es waren nur wenige tausend Schritte bis zum Wasser, aber schon nach nur drei Minuten konnten sie in der Ferne hinter sich die ersten Feinde erkennen, die schnell auf sie zu hielten und sie schon bald eingeholt hätten. Zu ihrem Entsetzen stellten die Freunde fest, daß es sich bei ihren Feinden nicht um die schnellen, leichten Kämpfer der letzten Kämpfe handelte, sondern auch größere und gefährlichere Wesen, unter ihnen einige der Ungeheuer, die im zweiten großen Krieg von den Nordländern in die Schlacht geführt wurden. Gundurs, reptilienhafte Wesen, fast vierzig Fuß lang und fünfzehn Fuß hoch. Ein langer schlangenartigen Hals und der typische Hornwall hinter dem, mit armlangen Zähnen gespicktem Maul. Kräftige Arme und Beine mit Hornklingen an den Knien und messerscharfen Krallen, die einen Krieger in der Luft zerreißen konnten. Der lange Kamm aus spitzen Zacken zog sich über den breiten Rücken an der Wirbelsäule entlang bis zum peitschenähnlichen, schmalen Schwanz, der jedem geringeren Wesen mit einem Schlag das Genick brechen konnte. Diese Wesen hatten die Belagerungswaffen des Feindes und dessen Schlachttürme gezogen oder einem einzelnen Elitekrieger als Reittier gedient und dem Gegner schreckliche Verluste zugefügt. Doch wie Thimris und seine Freunde entsetzt feststellen mußten, stimmten die Legenden nicht nur in dieser Hinsicht. Trotz ihres etwas behäbigen Aussehens kamen die Gundurs rasend schnell vorwärts und sie hätten die Gruppe wohl schon weit vor dem Meer eingeholt, hätte Pirin ihnen nicht immer wieder Zauberbanne und Barrieren in den Weg gelegt. Doch obwohl ihre Gegner diese Hürden erst langwierig umgehen mußten, waren sie nur noch wenige Schritte hinter den Zwillingen, die, nur noch eine viertel Meile von der Küste, deutlich hinter dem leichtfüßigen Elben und den durchtrainierten Jinda und Thimris zurückgefallen waren. Alarmiert durch einen Schrei seines Bruders stemmte Thimris seine Fersen in den Sand und rannte, dicht gefolgt von Jinda, zurück zu seinen Geschwistern. Sie erreichten sie im gleichen Moment wie der erste Gundur. Thimris, der bereits eine Energiesphäre vorbereitet hatte, hatte keine andere Wahl, als sie auf den direkt vor ihm stehenden Dämon zu schleudern. Die Sphäre explodierte am Kopf des Ungeheuers und warf diesen zurück. Thimris wurde von der Wucht des Angriffs zurückgeworfen und landete auf Jinda, der versucht hatte Jeel zu decken. Sofort sprang er jetzt wieder auf und stieß die Zwillinge in Richtung Pirin. „Bring sie zur Küste. Wir kommen nach, wenn das hier erledigt ist!“ Während Pirin, Logan und Jeel zum Wasser hasteten, sprangen Thimris und Jinda einige Meter zurück, um sich dann den Angreifern zu stellen. Der Kampf war fürchterlich. Obwohl sie beide seit Beginn ihrer Reise immer stärker geworden waren und dutzende von gefährlichen Kämpfen ausgetragen hatten, schafften sie es nicht diese Monster zu besiegen. Diese furchterregenden Wesen waren nicht dafür vorgesehen, Spähtrupps auszuschalten oder kleinere Gebiete zu bewachen, sondern um zehntausend Mann starke Armeen auszulöschen oder die gewaltigsten Festungen des Kontinents zu schleifen.
Meter für Meter wurden Thimris und Jinda zurückgedrängt. Sie bluteten beide aus mehreren Wunden. Jinda, immer mitten im Gefecht, hatte sich durch die Krallen der Ungeheuer tiefe Fleischwunden eingehandelt. Thimris hatte versucht seinen Freund zu schützen und sich mit in den Kampf gestürzt und versucht Energiestrahlen und Sphären über kurze Entfernung einzusetzen und sich selber durch einen Energieschirm zu decken. Es funktionierte nur selten. Schon bald war er von Brandwunden übersät. Bald darauf kam der Augenblick, da Jinda unter seinen Füßen Sand statt Gras spürte. Da wusste er, dass sie aufgeben mussten. „Thimris, wenn ich jetzt rufe, rennen wir beiden zu den anderen und springen sofort ins Wasser.“ Als sie für einen Moment Luft bekamen schrie er. „Jetzt!“ Doch im gleichen Augenblick ließ der zweite noch lebende Gundur seinen Schlangenhals vorschnellen..., packte Thimris an der Schulter und riss ihn zurück. Dessen bewusst, dass die Nordländer seinen Freund töten würden, wenn sie ihn in die Finger bekämen, sah Jinda rot. Er stieß sich hart vom Boden ab und rammte seinen bisherigen Gegner mit der Schulter, dass dieser zur Seite flog. Dann stand er vor dem Dämon, der seinen regungslosen Freund noch immer im Maul hielt. In diesem Moment wollte er alle Hoffnung aufgeben, doch dann entdeckte er auf Thimris Haut einen schwachen, blassblauen Funken. Er stürmte vor. Er rannte so schnell es ging auf das Ungeheuer zu, sprang in die Höhe und stieß sich an dessen Vorderbein ab. Dort, mitten im Sprung, in mehr drei Meter Höhe, riss er sein Schwert hoch und schlug so hart zu, wie er konnte. Der mehr als einen halben Meter durchmessende Hals wurde komplett abgetrennt. Kurz nachdem Jinda wieder auf dem Boden aufkam, fing er seinen Freund auf, den das Monster nun losgelassen hatte. Gleichzeitig fiel der Körper des toten Dämons krachend zu Boden und begrub einen Großteil des eh schon beträchtlich geschrumpften Trupps unter sich. In dieser Sekunde, da er kurz vor den Attacken des Feindes geschützt war, schwang Jinda sich seinen Freund über die Schulter und rannte mühsam keuchend zurück. „Jeel, Teleport.“ Und als der letzte Gundur nur zwei Sekunden darauf sein Maul an jener Stelle zu schnappen ließ, an der er gestanden hatte, schwamm Jinda einige hundert Schritte entfernt im Wasser.

Gorn mit der Axt
05.09.2004, 11:28
Doch dann geschah etwas, dass er nicht geplant hatte. Anstatt seinen Sturm auf den Stand abzubrechen, beschleunigte der Gundur noch. Er stürzte ins Meer...und schwamm. Sein schmaler, echsenartiger Körper und die breiten Pranken schienen wie geschaffen fürs schwimmen, denn schneller als jeder Fisch kam das Wesen knapp unter der Oberfläche auf die Fünf zugeschossen. „Jeel, kannst du uns weiter raus bringen?“ fragte Jinda, der schon damit genug zu tun hatte, seinen besten Freund über Wasser zu halten. Jeel nickte. Dann verschwand die Gruppe aus dem Meer vor der Küste. Jeel versuchte sich immer vom Land weg zu halten. Viermal teleportierte sie in kurzen Abständen, soweit sie konnte, bis sie völlig erschöpft war. Dutzende Meilen vom Land entfernt schwammen sie nun mehrere Stunden lang auf der Stelle. Jinda fragte sich verzweifelt, in was er seine Freunde da wieder hineingesteuert hatte. „Was nun ?“
Jetzt waren sie schon acht Stunden im Wasser. Zwei von ihnen wechselten sich jeweils damit ab, den verletzten Thimris zu halten. Das Schlimmste war, dass sie nicht zurück konnten. Nach den vielen Ortswechseln war Jeel vor Erschöpfung ohnmächtig geworden und hatte die Orientierung verloren. Dank zahlreicher düsterer Wolken, die zu allem Überfluss auf ein Gewitter hindeuteten, konnten sie nicht einmal die Richtung an Hand der Sonne oder Sterne bestimmen.
Weitere sechs Stunden später waren alle völlig erschöpft. Die ganze Nacht hindurch bis zum Tagesanbruch hatten sie nun gepaddelt nur um nicht unterzugehen. Thimris Zustand verschlechterte sich durch den Aufenthalt im eisigen Wasser immer mehr. Hätte Jinda während des Kampfes nicht den dünnen Schutzschirm gesehen, mit sein Freund sich notdürftig geschützt hatte, hätte er es für unmöglich gehalten, dass Thimris noch lebte. Auch so kam es ihm noch wie ein Wunder vor.
Aber auch er selber hatte im Kampf viel Kraft verloren. Er konnte den anderen nicht mehr helfen, den inzwischen ohnmächtigen Thimris am Ertrinken zu hindern. Pirin und den Zwillingen ging es verhältnismäßig gut. Auch wenn sie nicht so viel hatten kämpfen müssen, waren sie von schwächerer Konstitution als Jinda und noch dieser Anstrengung nur wenig stärker als er. Doch als er meinte, seine letzte Kraft verbraucht zu haben und drohte unterzugehen, schrie Pirin auf. „Ein Schiff!“ Jinda hob müde den Kopf ein wenig höher und sprach mit vom Salzwasser heiserer Stimme. „Wir müssen uns bemerkbar machen. Wir wollen doch nicht, dass sie an uns vorbeifahren, oder?“ Doch sein Lachen misslang kläglich „Doch wie bemerkbar machen?“ dachte er bei sich. „Jeel ist zu schwach für einen Teleport und rüberschwimmen können wir auch nicht mehr.“ Doch diesmal kam Jeel selber der rettende Einfall. Sie konzentrierte sich und formte aus dem sie umgebenden Wasser eine große Kugel, die sie dann wie ein Geschoss auf das Schiff niedergehen und in einer Wolke auseinander stiebeneder Wassertropfen zergehe ließ. Sie verfehlte das Schiff um einige Meter, ohne dass die Seemänner es bemerkt zu haben schienen. Dann wurde auch sie ohnmächtig und nahm nicht mehr wahr, wie ein Matrose sie im Meer treiben sah und sie schließlich, erschöpft, nass und totmüde, an Bord genommen wurde.

Gorn mit der Axt
06.09.2004, 15:39
Als sie wieder aufwachte, wunderte sie sich. Sie doch ertrunken! Aber vor sich sah sie kein Paradies oder eine der anderen himmlischen Welten, von der die Priester predigten. Um den ersten Gott musste es schlecht bestellt sein, wenn er dies als ewige Heimstatt erwählt hätte! Statt auf einer Wiese oder Wolke, wie sie wohl vermutet hätte, lag sie auf einem grob gezimmerten Bett.
„Auch schon aufgewacht?“ hörte sie eine knarzende Stimme. Als sie sich umdrehte sah sie an der Wand neben der Tür einen alten Mann in Seemannskleidung. „Na?“ brummte er. „Nicht irgendwas zu sagen.“ Jeel starrte ihn verwundert an. Dann nuschelte sie. „Danke, dass ihr uns gerettet habt.“
Der Alte machte eine wegwerfende, ungeduldige Handbewegung. „Bitte, bitte. Aber an sich wollte ich etwas anderes hören.“
Seine Stimme wurde um einiges härter. „Was hattet ihr so weit draußen auf dem Meer ohne Boot verloren? Seid ihr gekentert? Es tut mir leid, Mädchen, aber ich muss diese Fragen stellen. Es kommt schließlich nicht jeden Tag vor, dass eine Bande junger Leute dreißig Meilen vor der Küste Wasser tritt und mir fast so ein komisches Geschoss in den Laderaum hämmert.“ Unwillkürlich musste Jeel grinsen. „Insbesondere wenn sie einen Elben dabei haben.“ Jeels Lächeln verblasste. „Ja Mädchen, es gibt noch ein paar, die wissen, wie sie ausgesehen. Mit solcher Reisegesellschaft sollte man vorsichtiger sein.“ Jeel grinste schief. „Damit habt ihr wohl Recht.“
Der Mann setzte sich neben ihr Bett. „Nun sag mal, wer ihr seid.“ Er strich ihr über die frische Wunde an der Wange und einige der sichtbaren Narbn, die sie auf ihrer Reise erworben hatte, sich gegen Jindas Verletzungen aber meist eher harmlos ausnahmen. „Ich glaub kaum, dass du dir die beim Wandern geholt hast.“ Jeel versteifte sich. Sie fühlte sich unsicher, weil sie nicht wusste, wieviel sie diesem Mann sagen durfte. „Habt ihr auch meine Freunde an Bord genommen?“ Er nickte. „Vier Mann, davon zwei arg mitgenommen, die sind noch nicht aufgewacht. Die anderen beiden haben wir im Zimmer nebenan eingeschlossen.“ Jeel zog sich zurück. „Warum habt ihr sie gefangen genommen?“ fragte sie empört.
Der Seemann schien fast etwas verlegen zu sein. „Sie sehen aus, als könnten sie selbst in diesem Zustand gut mit ihren Waffen umgehen. Ich wusste nicht, wer ihr seid. Außerdem habe ich Frauen und Kinder an Bord. Als Kapitän muss ich auf meine Passagiere achtgeben.“ Jeel wirkte erleichtert. „Das verstehe ich, aber ihr könnt beruhigt sein. Wir sind harmlose Bürger Caladars. Wir sind nach Westen geflohen, als solche“ sie zögerte „Monster unsere Heimatstadt überfielen.“ Der Kapitän sah sie mitfühlend an. „Seid ihr die einzigen?“ Jeel nickte. Die Tränen stiegen ihr in die Augen. Der Mann legte ihr seine Hand auf die Schulter. „Dann geht es euch so wie den anderen auf dem Schiff. Alle Männer und Frauen an Bord sind Überlebende der Hafenstädte von Elserian und Ankor." Sie starrte ihn entsetzt an. Wenn das stimmte, war die ganze Halbinsel an die Dämonen verloren. Der Kapitän schien ihren Blick richtig gedeutet zu haben und erzählte ihr seine Geschichte.
„Ich bin vor sechs Wochen von Faloned aus aufgebrochen. Das ist eine Hafenstadt in Markor. Der erste Hafen den wir anliefen, war Birsban auf der nördlichen Halbinsel. Von dort sind wir an der Küste entlang nach Süden gesegelt. Das war vor vier Wochen. Dann sind wir in Elserian an Land gegangen und die Leute, die wir angetroffen haben waren völlig panisch. Sie redeten von Invasion. Ich hielt es erst für völligen Quatsch. Aber als ich verlangte den obersten Offizier zu sprechen, erfuhr ich, dass das Heer der Stadt zwei Tagesmärsche entfernt aufgerieben worden war. Da nahm ich so viele Flüchtlinge an Bord wie ich konnte und fuhr nach Süden. Unterwegs haben sich meinem Schiff noch andere angeschlossen aber als wir weiterfuhren wurden es immer weniger. Ab Ankor war jede Stadt die wir vom Meer aus sehen konnten zerstört. Und wir wurden seitdem immer wieder vom Land aus angegriffen. Verstehst du das?“ Jeel zitterte, aber sie schaffte es zu nicken. Er sah sie erstaunt an. Dann wurde sein Gesicht wieder hart. „Du verstehst es tatsächlich. Aber du verstehst nicht genug. Komm mit.“
Er fasste sie vorsichtig am Arm und führte sie an Deck.
Sie war entsetzt.
Hatte sie sich doch auch durch die Wolkenstadt der Elben und durch alle unglaublichen Geschehnisse ihrer Fahrt jenseits alles Erstaunens und Schreckens geglaubt, so wurde sie nun eines Besseren belehrt. Das Schiff, auf dem sie sich befanden, fuhr an der Spitze einer Flotte von mindestens acht dutzend Booten, bei denen jede Art und Bauweise vertreten war. Manche der Flüchtlinge, die schon im Norden dazu gekommen waren, fuhren in stolzen Handelsschiffen oder in kleineren Galeeren, wie sie manchmal als Geleitschutz mitgegeben werden. Andere schienen nur mit knapper Not dem Unglück entkommen zu sein und hatten sich mit einfachen Fischerbooten und grob zusammen gehämmerten Flößen, wie dem ihren, aufs Meer gerettet. Aber jedes der Schiffe, ob Zweimaster oder Fischerboot war in beklagenswertem Zustand. Kein Schiff war da, dessen Planken nicht irgendwo gesplittert oder dessen Masten gebrochen waren. Auch kam Jeel nun ein plötzlicher Gedanke, warum sie auf einem prallvollen Flüchtlingsboot eine eigene Kabine erhalten hatte. Wenn auch alle Schiffe beim Auslaufen mit Menschen gefüllt gewesen waren, so herrschte jetzt gähnende Leere. Auf manchen Kähnen, wie dem ihren, waren noch die wichtigsten Posten besetzt, wie Jeel erkannte, von den Leichtverletzten.
Auf dem Deck verstreut lagen jene die nicht mehr schwer arbeiten konnten, und viele, von denen Jeel bezweifelte, dass sie es jemals wieder können würden. Andere Schiffe waren leer bis auf einen ab und zu auftauchenden Schemen. Einige waren völlig zerstört und verlassen und in verschiedenen Stadien des Untergehens begriffen. Auch sah Jeel einige Masten aus dem Seichten Wasser hinter sich aufragen. Und sie weinte erneut. Auch die Stimme des Kapitäns war brüchig. „Ja. Zeitweise waren wir dreihundert Schiffe, jedes doppelt so stark besetzt wie es sein dürfte. Aber ein paar von diesen Mistviechern schwimmen immer noch hinter uns. Wir haben nicht genug Zeit welche von den anderen Schiffen zu übernehmen. Und jedes Mal, wenn diese Dinger angreifen werden wir weniger.“ Dann sagte er leise. „Wir sind nicht mehr weit vom Land entfernt, aber unsere Gegner sammeln sich bereits wieder. Ich zweifle, dass auch nur eines der Schiffe in Markor ankommen wird.“
Dann sah Jeel ihn an. Ihre Augen sprühten Feuer.
„Vielleicht doch!“

Gorn mit der Axt
13.11.2004, 12:21
Sechs Stunden später griffen die Wasserwesen erneut an. Unter ihnen waren einige Gundurs, aber auch ein paar Kreaturen, die wie riesige Fische aussahen, und zwei Monster, die sogar die Gundurs zur Winzigkeit verblassen ließen und an Seedrachen aus den Legenden erinnerten.
Doch diesmal kamen sie nicht unerwartet. Jeel und ihre Freunde hatten ihr Geheimnis gelüftet und ihre Kräfte offen gezeigt, um den Flüchtlingen zu helfen. Mit ihrer Hilfe schafften es selbst die schwer beschädigten Schiffe anzulegen. Die Männer und Frauen wurden auf die acht größten und seetüchtigsten Schiffe verladen und die Unverletzten bewaffnet. Und das erste Mal mussten die Dämonen eine Niederlage hinnehmen. So stark sie auch waren, kein Gegner kann bestehen, wenn sich das Meer selbst gegen ihn aufzulehnen scheint. Schwärme von Pfeile, Bolzen, Steinen und Geschossen aller Art gingen auf die Angreifer nieder. Thimris Energiesphären brachten das Meer um sie zum kochen. Von Jeel geschaffene Wellen schleuderten sie unbarmherzig hin und her und ließen einen der Drachen aus großer Höhe mitten in die Armada verlassener Schiffe krachen, wo er kreischend vom baumdicken Hauptmast eines majestätischen Handelsschiffes aufgespießt wurde.
Aber nicht nur die Dämonen sondern auch die Verteidiger begannen an ihren Sinnen zu zweifeln, als ein Gundur ins Gefecht eingriff, der ganz aus Eis zu bestehen schien. Zwei Stunden später waren auch die letzten Gegner geflohen und die kleine Flotte von Verbündeten machte sich bereit zum einlaufen. Nur eines der acht Schiffe war gesunken!
Als die letzten Schiffe der Flüchtlingsflotte eintrafen jubelten ihre Mannschaften. Viele hatten sich wohl schon mit ihrem Schicksal abgefunden, wie ihre Freunde und Verwandten zu ertrinken oder von den Seeungeheuern der Feinde gefressen zu werden. Jeel war die einzige, die beim Einlaufen Trauer statt Freude zeigte. Hatten ihre Freunde und Geschwister doch schon begriffen, wie ernst die Lage war, in der sie sich befanden, verstand sie erst jetzt, wie viele Menschen bei den Angriffen der Nordländer gestorben waren, wie viele ihr Schicksal, die liebsten Menschen zu verlieren, noch würden teilen müssen.
Jeel war stets geschützt gewesen, auf jede erdenkliche Art. Von ihren Eltern, ihren Brüdern ihren Freunde, sogar durch ihre Magie. Nie hatte sie angenommen, dass es anderen Menschen viel schlechter erging, dass manche nicht nur keine Magie, sondern auch keine Freunde und Gefährten hatten, auf die sie sich verlassen konnten. Jetzt wollte sie etwas tun, damit auch jene geschützt würden!
Sie schritt entschlossen mit Thimris und dem Kapitän namens Lerfan als erste von Bord. Als sie am Hauptgebäude der Docks angekommen waren schickten trafen sie auf einen sehr verwirrten Hafenmeister, dem sie auf-trugen, einige seiner Männer zum nächsten Lazarett nach einem Medikus zu schicken. Schon bald darauf trafen Scharen von Helfern ein, die sich um die am schlimmsten Verwundeten kümmerten und entsetzt den Geschichten der Ankömmlinge lauschten.

Gorn mit der Axt
14.11.2004, 14:23
Als Thimris gerade dabei war, einem der Pfleger zu assistieren, hörte plötzlich das Donnern von Pferdehufen. Als er um die Ecke eines Hauses zu seinen Freunden trat, sah er diese von Soldaten umringt. Aus der Menge der Wachen trat einer in einer glänzenden Plattenrüstung vor und ging auf die fünf und den Kapitän zu. „Leutnant Careus von der Wache des Königs. Wer hat hier das Kommando?“ Die Freunde sahen ihn misstrauisch an. So etwas hatten sie in letzter Zeit schon zu oft gehört. Dann aber erkannte Jinda am Schwertgriff des anderen das Wappen von Markor. „Er gehört zur Stadtwache. Er müsste auf unserer Seite sein.“ Raunte er Thimris zu. „Das ist seit einiger Zeit schwer zu sagen, wer überhaupt auf unserer Seite steht.“ Flüsterte dieser zurück. Als er sah, wie seine Geschwister ihn erwartungsvoll anblickten, seufzte er resigniert und antwortete. „Für meine Freunde kann ich sprechen. Dürfte ich fragen, was ihr von uns wollt?“ Lerfan trat helfend neben ihn und vertrat die Flotte der Schiffbrüchigen. Der Anführer der Reiter wandte sich zu ihnen um. „Ihr habt mit sieben großen Schiffen voller Flüchtlinge bei uns angelegt, obwohl eines unserer Schiffe von einer Flotte von über dreißig Schiffen berichtete. Dazu wurde uns zugetragen, dass einige von ihrer Mannschaft über Kräfte verfügen, die doch in höchstem Maße ungewöhnlich zu nennen sind. Ihr beide könnt sich bestimmt vorstellen, dass die Ratsherren der Stadt gern wüssten, was eigentlich geschehen ist.“ Thimris und seine Geschwister sahen sich ratlos an. So einfach war ihre Geschichte nun auch wieder nicht zu erklären. Darüber hinaus musste Thimris sich in jüngster Zeit immer wieder Gedanken darüber machen, wie viel er anderen überhaupt über sich und seine Geschwister erzäh-len sollte. Schließlich näherten sie sich der Hochburg der Priestermagier, wo Kräfte, die den ihren ähnlich waren alles andere als erwünscht waren. Der Offizier der Wache half ihm in seiner Not. Offenbar hatte er nicht die Aufgabe, sie an Ort und Stelle zu vernehmen. „Ich darf sie auffordern mitzukommen. Der König erwartet sie!“ Obwohl der Ton des Hauptmanns höflich war, war ihnen klar, dass dies keine Einladung war, auf die man mit einem „Vielleicht später“ antworten konnte. Thimris seufzte erneut und deutete auf seine Gefährten. „Können sie mitkommen?“ Der Soldat schien Zweifel daran zu haben, dass er dem König mehr als nur einem Besucher brin-gen sollte, aber schließlich sah er wohl ein, dass ihm selbst an einer schnellen Ausführung des Befehls am meisten gelegen sein sollte. „Sie können mitkommen. Aber beeilt euch. Wir sollten den König nicht warten lassen. Er deutete auf zwei seiner Soldaten. Insor! Magreb! Ihr bleibt hier und kümmert euch um alles. Sorgt dafür, dass die Verletzten ins Spital kommen und passt auf, dass die Nordländer nicht wieder übers Wasser angreifen. Wir anderen begleiten die Sechs hier. Los!“ Mit diesen Worten stieg er aufs Pferd und führte sie langsam an den großen Lagerhallen vorbei, durch den Hafen in die Unterstadt und von dort auf die Hauptstraße. Die Freunde waren verblüfft. Durch Ankohar schon an größere Städte gewöhnt, hatten sie Jinda nicht geglaubt, als er erzählt hatte, dass es auf dem eigentlichen Kontinent noch riesigere und prächtigere Städte gab. Um sich durch die ungewohn-te Umgebung nichts verunsichern zu lassen, blickte Jinda statt auf die prächtigen Bürgerhäuser auf die Eskorte, die sie begleite und die zumindest ein inzwischen gewohntes Bild war. „Leider“ wie Jinda in Gedanken hinzufügte. „Thimris hat Recht, so etwas kommt viel zu häufig vor.“ Ihm fiel auf, dass sich die Wachen entgegen dem Verhalten von normalen Wächtern höchst wachsam verhielten.
Tatsächlich waren sie in Anbetracht der Tatsache, dass sie eine Gruppe minimal Bewaffneter begleiteten gerade unglaublich aufmerksam und ausgerüstet. Dazu wurde Thimris den Verdacht nicht los, dass es sich bei ihnen um Krieger einer Eliteeinheit handelte. Jeder von ihnen war zu Pferd unterwegs und hatte eine Rüstung in tadellosem Zustand, dazu reichverzierte Schwerter und Armbrüste. Diese Männer waren keine einfachen Stadtwachen, sondern vermutlich erfahrene Männer aus der Leibgarde des Königs. „Warum schicken sie so jemanden?“ dachte er bei sich. „Halten sie uns für gefährlich oder wollen sie einfach nur vorsichtig sein?“
Als sie eine Straße überquerten kam auf der anderen Seite in der Ferne ein Gebäude in Sicht. Es schien ein Torhaus zu sein, da es tief und fest vermauert in den großen doppelten Ringwall um die Oberstadt eingelassen war. Als sie gerade durch die Sperre hindurch waren, beugte sich Thimris zu Jinda. „Hast du bemerkt, wie die Soldaten sich verhalten haben, wie sie unsere Eskorte angesehen haben? Jetzt bin ich mir sicher, dass das hier die Elitemannschaft des Königs ist.“ Dann sah er, wie Jinda die Stirn runzelte. „Freund, ich habe vor allem gesehen, wie die Wächter uns angesehen haben. Die Kunde über eure Kräfte scheint schneller die Runde gemacht zu haben als das sprichwörtliche Lauffeuer. Aber sie wissen anscheinend nicht, wer von unserer Gruppe über solche Kräfte verfügt.“

Gorn mit der Axt
15.11.2004, 16:23
Einer der Wachen, der etwas zugänglicher wirkte als seine Kameraden, ritt neben sie, sein Gesicht war breit und sommersprossig, er schaute fröhlich drein. „Unterhaltet euch über unseren Auftrag, wie?“ Jinda nickte ihm freundlich zu. „Wir fragen uns, was euer Herrscher von uns will. Schließlich haben wir nichts verbrochen.“ Der Soldat lachte leise. „Da kann ich euch beruhigen. Wir sollten euch nicht gefangen nehmen oder so was. Der Leutnant war sich nur nicht sicher, wie er es angehen sollte und wollte die Sache so schnell es ging beenden. Aber was sagt ihr da eigentlich von Herrscher? Markor hat keinen König! Seit der alte Reginslaf vorletzten Sommer gestorben ist, regiert der junge Prinz Rian mit Hilfe des ersten Ministers. Er ist der Sohn unseres alten Herrschers und muss erst vom Hochkönig und den Herzögen bestätigt werden.“ Jinda sah ihn verblüfft an. „Aber euer Leutnant hat doch vorhin gesagt, dass uns der König erwartet.“
An dieser Stelle wurde der Soldat etwas aufgeregter und sah sich nervös um. „Das ist ja auch der Grund, warum man uns und nicht die Miliz geschickt hat. Der König hat...“ Hinter ihm näherte sich der Offizier, er hatte den letzten Teil des Gesagten wohl mitgehört. „Still Seargant! Auch wenn diese sechs dort unsere Gäste sind, hat unser Auftrag sie nicht zu interessieren!“ Der Soldat, durch die Worte seines Vorgesetzten eingeschüchtert zog sich ans Ende des Trupps zurück.
Dann nach einem langen Marsch auf der Hauptstraße standen sie vor einem reich verzierten, gusseisernen Tor, das den Zugang zu einem Park ermöglichte, der mindestens doppelt so groß war, wie die gesamte Hauptstadt Caladars. Logan sah sich ungläubig um. „Was ist das?“ Der Leutnant drehte sich zu ihm um. „Der Palast des Regenten und gleichzeitig Sommerresidenz des Königs von Markor. Nicht so gewaltig wie die Anlage in der Hauptstadt, aber dafür um einiges angenehmer und leichter zu verteidigen. Als sie aus dem von kleinen Wäldchen unterbrochenen Park hinaustraten, verstanden sie die Äußerung des Gardisten. Das, was dieser Palast genannt hatte, war in Wirklichkeit eine gewaltige Burg mit einer grob gemauerten viele dutzend Fuß hohen Mauer, in deren Innenhof sich vermutlich die normalen Wohngebäude befanden.
Kurze Zeit später kamen sie auf einem mit Kies bestreuten Hof vor der Burg an und wurden von einer weiteren Wachtruppe empfangen. Deren Anführer, ein Hüne von fast acht Fuß Größe in einer schimmernden Plattenrüstung, trat mit schnellen Schritten vor, das Gewicht des schweren Stahls schien er nicht zu spüren.. „Cirion Darbor, Oberst der Leibgarde, zu euren Diensten.“ dröhnte ihnen seine Stimme entgegen.
Er wandte sich um. „Leutnant Careus, sie können nun abtreten, ich übernehme.“ Der Leutnant verbeugte sich steif und verließ den Park mit seinen Männern. Offensichtlich war der Aufenthalt nur der persönlichen Leibgarde und den hohen Offizieren erlaubt.
Oberst Darbor führte sie nun durch ein Nebentor in die eigentliche Burg hinein, durch die großen Wallanlagen, an den Soldatenlagern vorbei bis zu einem imposanten vierstöckigen Gebäude, das an der Rückseite des relativ kleinen Innenhofs stand und fast bis an die Zinnen heranreichte. In der Vorhalle des Palastes angekommen hielt er an und drehte sich zu ihnen um. „Nennt mir jetzt bitte eure Namen, damit ich euch bei den Herren ankündigen kann. Wenn sie euch dann empfangen redet nur wenn ihr gefragt werdet und seid höflich. Nicht jeder von denen da drin freut sich, wenn ein Schiff anlegt, das randvoll mit möglichen Magiern oder Spionen des Feindes ist. Denkt immer daran, dass die Regenten unseres Landes euch nichts Böses wollen, sie versuchen nur für die Sicherheit ihrer Untertanen zu sorgen. Verstanden?“ Thimris nickte. Er nannte ihre Namen und Herkunftsort. Auch wenn Darbor bei der Nennung Pirins die Stirn runzelte schien er über das Verhalten der Freunde erfreut oder wenigstens beruhigt zu sein. Er seufzte einmal und führte sie durch die hohe, mit Blattgold verzierte Tür, die zum Ratssaal führte.
„Thimris, Logan und Jaleel von Caladar, Kinder des Priesters Torbald zu Gordian, ausgestoßen im Jahr 3927 durch den Hohepriester seines Ordens und das Tribunal und seiner Frau Fireena, Edelfrau zu Gordian.
Jinda ä’ Ferion von Caladar, Spross des Herrscherhauses dieses Landes, ab seiner Ernennung nach Bestätigung des Todes des Herzogs neuer Regent des Landes Caladar.
Pirin, Sohn des Pergon, Sohn des Perlion, hoher König der Elben seit dem Jahr 3252,
zu euren Diensten!“

Gorn mit der Axt
16.11.2004, 18:07
Während Oberst Darbor die Vorstellung beendete, lächelte Thimris in sich hinein. So abgerissen sie auch nach dem langen Aufenthalt in den Wäldern und auf dem Meer auch aussahen, so konnte man sie nach dieser Vorstellung doch nicht als unwichtig ansehen. Langsam gewöhnten sich seine Augen an das schlechte Licht im Saal und er konnte in den Sesseln die Gestalten von drei Personen erkennen, von denen drei durch jeweils zwei Leibgardisten geschützt wurden. Auf einmal bemerkte er noch einen weiteren Schemen, groß, breitschultrig, der in einer der Ecken stand. Noch bevor er Gelegenheit hatte, auf diese Entdeckung zu reagieren, riss Ziordan bereits das Fenster auf und ein gleißend heller Lichtstrahl erhellte den Ratssaal. Dann kam Ziordan auf die Gefährten zugestürmt. „Es freut mich, dass ihr es geschafft habt nach Westen zu fliehen, meine jungen Freunde. Der letzte Bote aus Ankohar, der die Grenze überqueren konnte, bevor der Feind sie besetzte, teilte uns mit, dass der Tempel des Jehran gefallen ist. Ich war in höchster Sorge euch dem Feind in die Arme geschickt zu haben:“ Thimris sah auf die Gesichter seiner Freunde und lächelte. „Die Nordländer haben uns nicht erwischt, obwohl sie es oft genug versucht haben. Aber nun haben wir euch gefunden und ich hoffe, dass unsere Irrfahrt jetzt endlich beendet ist.“ Ziordans Lächeln verblasste. „Da muss ich euch enttäuschen.“ Er machte eine Pause. „Kommt mit zu den anderen!“ Er wandte sich um, ohne auf eine Antwort zu warten. Am Ratstisch angekommen blieb er stehen.
„Meine Freunde, mein ehrwürdiger Meister Fimbrethil, Prinz Rian von Markor, sowie Hochkönig Andraeis.“
Ziordian zeigte auf einen jungen, schmal gebauten Mann in blau und Silber, der einen schmalen Silberreif an der Stirn trug und einen weiteren, der vielleicht zehn Lenze älter war als Thimris und den eine Krone aus hellem Weißgold als Hochkönig des Imperiums auszeichnete. Der Älteste der drei Männer stand etwas abseits und hatte einen langen silbernen Bart, der seine Brust bedeckte, aber sein Gesicht wirkte freundlich und war von vielen Falten zerfurcht. Als er aus dem Schatten neben seinem Schüler trat, sah Thimris, dass der alte Zauberer nur ein Auge hatte. Die Gefährten verneigten sich eilig, während Pirin sich die Hand aufs Herz und folgend auf die linke Schulter legte, um die Befehlshaber auf Elbenart zu grüßen.
„Seid gegrüßt Mylords! Lange ist es her, dass die Herren der Südlichen Reiche zu den Kindern Jehrans gesprochen haben.“
Mitten in der noch ungeschlossenen Begrüßungszeremonie stand Rian auf. „Hohe Herren, Freunde des Ziordan, so lobenswert die Höflichkeit ist, mit der wir hier behandelt werden, es ist Zeit zu handeln.“ Er nickte Ziordan zu. Dieser ließ den Kopf hängen. „Wie wir dank unserer Kräfte erfahren haben, steht der Feind auf dem Hauptkontinent bereits kurz vor dem Wall, seine Armee macht sich bereit ihn zu durchbrechen. Im Osten hat er, wie ihr bestimmt am besten von allen wisst, alles bis zur Grenze Markors bereits erobert und dem Erdboden gleich gemacht, wie es schon in Caladar geschehen ist. Dazu habe ich euch später noch etwas zu sagen.
Ein Drittel der Armee Markors steht bereits an der Ostküste, wo sie die Dämonen abwehren soll, bis die Legionen Gordians Verstärkung schicken!“ Bei diesen Worten sah er den Hochkönig vorwurfvoll an, dessen Hände die Lehnen des Sessels umklammerten, als wollte er sie zerdrücken. „Meine Legionen sind bereits vor zwölf Tagen auf den Weg geschickt worden. Aber sie können trotzdem frühestens morgen eintreffen. Es sind fast tausend Meilen bis zur Hauptstadt. Aber in wenigen Tagen werdet ihr annähernd viertausend Berittene zur Verfügung haben!“ Der junge Prinz lachte höhnisch auf. Er war schmal, hatte blonde Haare und war höchstens ein Jahr älter als die Zwillinge. „Viertausend! Als die ersten Berichte über die Nordländer bekannt wurden schickte ich die Hälfte meiner Armee in die Schlacht, die anderen ließ ich zum Schutz der Städte zurück. Dreißigtausend Mann! Von denen wir schon sechstausend verloren haben. In drei Tagen Sechstausend! Bis der Hauptteil eures Heeres hier ist, wird mein Land in Trümmern liegen! Gewährt mir jetzt eure Hilfe, oder ich werde mich dem Feind ergeben, damit mein Volk überlebt.“ Andraeis war bei diesen Worten aufgesprungen, doch bevor er zu Wort kommen konnte erschütterte ein Knall die Fenster des Saales und ihre Scheiben zersprangen und fielen in Splittern mit einem klirrenden, durchdringenden Laut zu Boden.
Der alte Mann, den Ziordan als Fimbrethil vorgestellt hatte, war aufgestanden und hatte seinen Stab in den Boden gerammt, den er den Magiern der Elben gleich bei sich trug. Er war in eine Aura der Macht gehüllt, als er sich aufrichtete, die auch die erzürnten Herrscher verstummen ließ. Dann begann er mit tiefer, warmer Stimme zu sprechen. „Prinz Rian, Mylord Hochkönig. Ich habe den Herren dieses Landes die Treue geschworen, doch wenn diese vom Pfad der Weisheit abweichen werde ich nicht scheuen sie mit all meinen Mitteln wieder zurückzubringen! Haben wir denn aus dem letzten Krieg nichts gelernt? Es bringt nichts sich den Nordländern zu ergeben, oder glaubt ihr, die Städte im Osten hätten es zuletzt nicht versucht? Wenn wir unserer Heimat und unserem Volk überhaupt eine kleine Chance des Überlebens schenken wollen, dann müssen wir den Vormarsch des Feindes stoppen, bevor seine gesamte Streitmacht das Grenzgebirge überquert hat! Können die Dämonen uns erst einmal in die Zange nehmen, wird auch die große Armee des Imperiums vernichtet werden ohne etwas zu erreichen!“ Der Hochkönig setzte sich wieder. „Danke Majestät. Eben aus diesem Grund bin ich froh, dass Thimris Torbaldson und seine Freunde an unserer Seite stehen. In meiner Vision waren sie es, die gegen den Feind den entscheidenden Schritt taten und dass sie es trotz aller Gefahren geschafft haben zu uns zu finden, überzeugt mich, dass sie tatsächlich stark genug sein könnten, das Blatt zu wenden.“ Andraeis sah die Freunde mit neuem Interesse an. „Diese Fünf sollen mehr bewältigen als die Armeen unserer Länder?“ stieß er aus. Das Gesicht des Zauberers verdunkelte sich. „Als die Lage für uns verzweifelt war, und selbst die Bewohner der Hauptstadt sich verloren glaubten, verlieh Jehran einem Dutzend junger Männer seine Kristalle und die Macht sie zu gebrauchen. Diese Männer und einige wenige Weise der Elfen schufen den Banngürtel, der das Reich rettete und dem Imperium über lange Jahrhunderte hinweg den Frieden schenkte! Für mich genug Grund, auch an diese hier zu glauben.“ Noch immer sah der Hochkönig sie ungläubig an. „Aber wie? Sie verfügen nicht über die Macht des Einen!“ Fimbrethil sah auf und bemerkte den halb zweifelnden, halb ergebenen Ausdruck auf Thimris Gesicht. „Ich glaube sie wissen, wie.“
Nach einer aufregenden und vor allem sehr überraschenden Stunde für König Andraeis machte er sich zusammen mit den beiden Magiern, Prinz Rian und den fünf Freunden auf den Weg. Eine kurze Erholungspause und eine noch kürzere Mahlzeit hatten für sie genügen müssen, dann waren sie nach Norden aufgebrochen, um dem Hauptheer des Feindes am Jeldin-Pass den Weg abzuschneiden. Sie ritten allein an der Spitze, begleitet und geschützt von Rians Leibwache nur wenige Meter hinter ihnen. Hätte Logan zurückgeblickt, hätte er die Streitmacht von Markor gesehen, die Rekruten und Reservisten, Söldner und Veteranen, Legionen von Bogenschützen, Schwertkämpfern und Rittern zu Pferde. Zehntausende Mann stark marschierte die Armee zu allem entschlossen hinter ihnen her. Doch Logan schaute nicht zurück, sondern blickte nur zweifelnd zu seinem Bruder. „In was haben wir uns da wieder reingeritten?“

Gorn mit der Axt
17.11.2004, 16:49
5. Schlacht um den Jeldin-Pass

Prinz Rian, von der Dringlichkeit ihres Marsches zum Gebirge überzeugt, hatte den Rest seines Heeres direkt außerhalb der Hauptstadt nach Reitern und Fußvolk geordnet, und die beiden Truppen einzeln losgeschickt.
Am dritten Tag nach dem Ausrücken wurden sie von der Unterstützung des Hochkönigs eingeholt, so dass nun achttausend Reiter und fast viermal soviel Fußvolk auf die mächtigen Gipfel zumarschierten, die seit fast viertausend Jahren, seit der ersten Erbfehde zwischen den Nachfahren des Hohekönigs, die Grenze zwischen dem Nordreich und dem Imperium der südlichen Länder bildeten.
Thimris grübelte. Während sie zuerst drei Tage lang an dem mächtigen Wald entlang geritten waren, der der größte des Kontinents war und die eigentliche Hauptstadt Markors vor Angriffen aus Norden, Osten und Westen schützte, passierten sie nun eine karge Buschlandschaft, die mit jeder Wegstunde trister und lebloser wurde. Am Abend zuvor hatte Ziordan sie zu sich ins Zelt rufen lassen, um mit ihnen über ihre Reise zu reden.
„Ihr habt mir am ersten Tag der Wanderung schon erzählt, was euch auf der euren geschehen ist. Nun bitte ich euch um etwas anderes. Ich werde euch nun erzählen, was ich in dieser Zeit getan habe und ich bitte euch die Geschichte bis zum Schluss anzuhören. Wie ich euch schon in eurer Heimatstadt sagte schickte mein Meister mich wegen einer Vision zu euch, von der er euch nun schon einen Teil erzählt hat. Als ich gerade in Caladar eintraf, fühlte ich, wie das Wesen nahte, das euer Haus und eure Stadt vernichtet hat.“ Logan unterbrach ihn verbittert. „Ihr habt unsere Eltern vergessen. Auch sie hat das Wesen getötet.“ Doch Ziordan reagierte nicht auf den Einwurf, sondern redete weiter. „Den nächsten Teil der Geschichte kennt ihr ja. Ich eilte in die Stadt, half Jindas Vater aus den Trümmern und traf euch. Als ich dann bemerkte, dass das Untier zurückkehrte, dachte ich, es hätte mich gespürt und rannte davon um es von euch und den Bewohnern der Stadt abzulenken.“ Thimris verstand. „Aber es verfolgte euch nicht. Es begann uns zu jagen.“ Der Magier nickte. „Nun, da mein Meister mir den Inhalt seiner Vision mitgeteilt hat, verstehe ich es. Damals entschied ich vorschnell nach Norden zu fliehen, anstatt euch direkt mitzunehmen, so dass Caladar vielleicht doch verschont worden wäre.“ In diesem Moment war es ausgerechnet Jinda, der sprach. „Mein Vater vertraute euch. Auch er hätte alles getan um seiner Stadt zu helfen. Ihr habt so gehandelt, wie er es sich gewünscht hätte. Ihr hättet euch geopfert, um viele andere zu retten. Was auch immer die“ Jinda stockte. „Folgen solch einer Entscheidung sind, kann sie trotzdem nur gut geheißen werden.“ Ziordan legte seine Hand auf Jindas Schulter. „Danke. Es macht mich glücklich, dass du es so siehst.“ Er holte tief Luft. „Jedenfalls floh ich so schnell ich konnte nach Ankohar und schickte Allen eine Mitteilung. Ich bedaure sehr, dass er sich nicht entschloss, mit euch zu gehen. Nach allem was wir wissen, ist die Stadt nun entweder zerstört oder ein Nachschubposten des Nordländerheeres. Die Möglichkeit, dass er noch lebt ist gering.
Zu meiner Schande muss ich sagen, dass ich mir nicht die Zeit nahm, mich zu versichern, dass er sie auch erhielt. Ich eilte zur Botschaft, wechselte mein Pferd und ritt weiter. Zumindest das erwies sich später als nützlich, denn ich erreichte die Hauptstadt schon, als ihr noch in der Elbenstadt wart. Ich unterrichtete meinen Meister von dem wenigen, was ich hatte erfahren können, und er überredete den Hochkönig die Audienz mit Prinz Rian vor zu verlegen. Nur darum konnten wir rechtzeitig hier sein.“ Er senkte den Kopf. „Nun habe ich euch alles erzählt, was ich darf, aber ich kann nicht gehen, ohne euch noch etwas zu sagen. Durch meine Ausbildung zum Magier vermag ich andere magisch begabte und magisch erschaffene Wesen zu erspüren, wie ihr es in Caladar erlebt habt. Als ich die Stadt so übereilt verließ, dachte ich, noch eine andere, weit schwächere Aura zu spüren, die sich nach Norden bewegte und die weder von dem Monster noch von euch stammte. Ich halte es für möglich, dass es euer Vater war, den ich gefühlt habe.“ Thimris stockte der Atem. „Aber zu diesem Zeitpunkt war unser Haus doch bereits vernichtet!“ „Ich... halte es für möglich, dass die Nordländer, aus welchem Grund sie euch nun auch genau jagen, sich nicht sicher sein konnten, ob sie in der Lage waren euch zu fangen. Deshalb ist es wahrscheinlicher, dass sie versucht haben eure Eltern als Druckmittel gegen euch in der Hand zu haben, als dass sie sie getötet haben.“ Nach dieser Rede des Zauberers waren sie alle wie vor den Kopf geschlagen. Allein die Möglichkeit, dass ihre Eltern noch leben könnten, allein der Gedanke, dass nach einem noch so geringen Sieg gegen die Nordländer ein Leben wie früher wieder möglich wäre, ließ sie verstummen. Doch dann kam Thimris eine neue Idee, die ihn einem Blitz gleich durchzuckte und er sah Ziordan fest an. „Hattet ihr diesen Verdacht schon, als ihr Ankohar passiert hattet?“ Sein Gegenüber nickte langsam. Thimris wurde rot. „Kommt mit mir, Zaube-rer!“

Gorn mit der Axt
18.11.2004, 18:09
Er stürmte aus dem Zelt und schleifte den fast doppelt so schweren Magier des Königs mehr hinter sich her, als dass er ihn zog. Als sie hundert Fuß außerhalb des Lagers waren drückte er ihn an einen Baum und fauchte ihn an. „Ihr wusstet, dass unsere Eltern in der Gewalt des Feindes waren und habt es uns nicht mitgeteilt, als ihr es konntet. Selbst später seid ihr nicht sicher gegangen, dass eure Botschaft überhaupt bei uns ankommt. Wenn wir gewusst hätten, dass unsere Eltern noch leben und Geiseln des Feindes sind dann hätten wir... hätten wir...“ Er war mit jedem Wort leiser geworden und verstummte zuletzt ganz. Ziordan nickte wieder. „Ihr hättet den Gegner nicht bekämpft. Ihr hättet die Elbenstadt nicht verteidigt, die Flotte voller Verzweifelter nicht gerettet, weil ihr riskiert hättet, dass die Dämonen eure Eltern töten. Ihr hättet euch sogar dem Feind ergeben, wodurch eure Kräf-te für uns verloren gewesen, nein, sogar gegen unsere Truppen benutzt worden wären. Ich konnte nicht auf Grund eines Verdachts dass Imperium eines starken Mitstreiters berauben! Ich bin vereidigt, alles zu tun, was dem Reich des Südens und seinen Bewohnern hilft! Alles! Sogar einen alten Freund in den möglichen Tod zu schicken oder seine Kinder der Verzweiflung an heim fallen zu lassen, wenn ich dadurch den dunklen Herrscher aufhalten könnte. Ich würde alles tun!“ Die Augen des Magiers glommen in der Dunkelheit auf, seine Entschlossenheit war regelrecht auf der Haut zu spüren.
Thimris sackte schwer gegen den Baum. Hätte er nicht genau gewusst, dass Ziordan Recht hatte, hätte er Absicht und Überzeugung des Zauberers nicht genau geteilt, hätte er sich ohne zu zögern auf ihn gestürzt. So konnte er nur am Fuße des Baumes sitzen bleiben, bis der Magier in, ohne dass er es recht bemerkte, ins Lager zurückbrachte. „Urorkon der Dunkle bringt mehr Dunkelheit über uns, als er selber zu hoffen wagte. Ich befürchte, dass ihr nicht der letzte sein werdet, der seine Eltern durch ihn verliert, junger Freund.“
Zwei Tage später kamen am Horizont die ersten kleineren Gipfel des Gebirges in Sicht. Noch immer dachte Thimris über das nach, was Ziordan ihm mitgeteilt hatte. Um sich abzulenken sprach er Oberst Darbor an, der als Anführer der Leibwache des Prinzen ständig in ihrer Nähe weilte. „Oberst Darbor?“ „Der riesige Mann trat einen Schritt näher. „Ja?“ Thimris blickte zu ihm auf. „Was ist das überhaupt für ein Ort, an den wir ziehen?“ Von den wenigen Soldaten mit denen ich gesprochen habe, erfuhr ich nur, dass wir zu einem Pass durch über das Gebirge unterwegs sind. Dem „
Darbor unterbrach ihn. „Dem Jeldin-Pass. Das stimmt. Ich denke ihr aus Caladar könnt mit den Namen unseres Landes wenig anfangen. Der Pass ist seit über tausend Jahren der größte von kaum einer Handvoll von passier-baren Wegen, die über das Gebirge führen könnten. Die anderen sind alle relativ klein und durch starke Festungen geschützt, die, noch durch einige Truppen der Grenzländer verstärkt, einzunehmen selbst den Dämonen schwer fallen dürfte. Der bedeutendste von ihnen ist der Pfad von Colltree, doch er liegt weit im Westen und ist nach unseren Informationen von der Nordseite nur schwer zu erreichen. Die einzige Ausnahme ist diese Schlucht. Sie ist der einzige Weg durch die Berge, der mehr als eine Gruppe von Gegnern hindurch lassen würde. Natürlich hätten wir ihn wie die anderen befestigt, doch gerade an dieser Stelle des Gebirges sind Erdbeben häufiger denn an jedem anderen Ort westlich Gorians. Deshalb haben sich alle Könige mit drei Bollwerken am Eingang der Schlucht begnügt, die außer in Zeiten der Not als nur Ausweichposten für das Heer genutzt werden und dementsprechend schwach besetzt sind.
Doch diese Tatsache haben sich die Nordländer schon im letzten großen Krieg zu Nutze gemacht. In einem einzelnen enormen Blitzangriff überrannten sie die Befestigungen und töteten jeden Menschen den sie dort fanden. Das machte es ihnen möglich ins Imperium einzudringen und sogar die Hauptstadt zu bedrohen.
Im letzten Moment stürmte ein junger General des Imperiums, namens Zarnes Jeldin mit einer halben Kompanie von Rekruten in einem selbstmörderischen Ansturm die Burgen. Wenn man den Überlieferungen glauben darf, fuhren sie durch die Horden der Dämonen wie ein Schwert durch Stoff und sie schafften es den Pass so lange zu halten, bis sie von den verstreuten Einheiten des besiegten imperialen Heeres Unterstützung bekamen. Durch das Ausbleiben ihres Nachschubes verunsichert, entschlossen sich die Vorstreiter der Nordländer zu spät zu einem entscheidenden Angriff, und den Priestermagiern gelang es die große Barriere des Walls zu schaffen. Dadurch war das Schicksal der Nordländer besiegelt. Sie wurden zwischen den Horden der aus Norden anstürmenden Armee und den ausströmenden Verteidigern der Stadt zerschmettert. Noch auf dem Schlachtfeld wurde Jeldin, als Verwandter des verstorbenen Hochkönigs zum Herrscher gekrönt, nur um in der letzten Entscheidungsschlacht, von einem Pfeil durchbohrt, zu fallen. Deshalb nennt man ihn heute in den Liedern auch manchmal den König der zwölf Stunden, denn nur so lange währte seine Herrschaft. Da sein einziger Sohn zu jung war, das Reich zu führen übernahm sein Bruder nach dem Sieg Jeldins Thron und benannte diesen Pass nach seinem Bruder, wo er seinen größten Triumph erlebt hatte. Er selbst regierte noch weitere vierzig Jahre, bevor er die Krone an seinen Sohn weitergab und eine neue Linie von Königen begründete, die bis zum edlen König Andraeis reicht.“
Thimris war beschämt. Hatte er doch, von seinem Vater in das Wissen der Templer eingeweiht, gedacht sich mit der Geschichte des Imperiums auszukennen, musste er doch zugeben, dass ihm einige der wichtigsten Geschehnisse unbekannt waren. Als er zurückging, um sein Pferd zu satteln, wunderte er sich noch, dass sein Vater ihm nicht auch von dieser Schlacht erzählt hatte.

Gorn mit der Axt
19.11.2004, 18:23
Als an diesem Nachmittag die Sonne im Zenit stand, marschierten sie durch eine breite Schlucht, die nach Nordwesten führte. Auf beiden Seiten waren sie durch hoch aufragende Felslippen eingeschlossen. Logan schluckte. In diesem Moment beruhigte es ihn wenig, dass die Späher des Heeres noch keine versteckten Angriffstrupps des Feindes gesichtet hatten. „Dieser Ort ist perfekt für einen Hinterhalt. Ich bin froh, dass ich nicht auf der Seite der Dämonen stehe, die diese Stellung stürmen müssen, falls sie unsere Streitmacht am Pass zurückschlagen.“ Er schauderte kurz und ritt näher Jinda heran, der sich ein paar Meter weiter mit Ziordan unterhielt. „...Ihr ganz sicher, dass es keine andere Möglichkeit gibt?“ Der Magier schüttelte barsch den Kopf. „Es kann natürlich sein, dass es eine gibt, ich sie aber nicht kenne. Aber dennoch würde ich dir empfehlen es bleiben zu lassen. Solche Verbindungen enden häufig verhängnisvoll.“ Trotz der einfühlsam ausgesprochenen Worte, schien Jinda nicht befriedigt, denn seine Finger schlossen sich so fest um den Knauf seines Sattels, dass die Knöchel weiß anliefen. „Habt trotzdem Dank, dass ihr euch die Zeit für mich genommen habt.“ Jinda verabschiedete sich von Ziordan, der daraufhin zu seinem Meister zurückritt.
Logan konnte sich auf das geführte Gespräch keinen Reim machen. Er hätte nichts sagen können, was seinem Freund besonders belasten könnte, mit Ausnahme des wahrscheinlichen Todes des Herzogs, Jindas Vater, aber er hatte angenommen, dass sein Freund schon begannen hätte, den Schmerz darüber zu verwinden. Logan steuerte sein Pferd auf Jinda zu, um ihn zu fragen, was ihn so bedrückte, doch dann bemerkte er, wie die vor ihm Reitenden stehen blieben. Im nächsten Moment erreichte auch er das Ende der Schlucht und stieß einen Laut der Überraschung aus. Vor ihm erstreckte sich das Grenzgebirge, in dem sich die höchsten Berge des Kontinents befanden. Er musste den Kopf in den Nacken heben, um die zehn, zwanzig, ja fast dreißigtausend Fuß hohen, eisbedeckten Gipfel zu sehen. Doch all diese enormen Monumente der Erde verblassten zur Bedeutungslosigkeit, denn schön, schrecklich und unendlich weit erstreckte sich über ihnen der Wall; die von den Priestern geschaffene Barriere, blau glänzend im Sonnenlicht, durchzuckt von Blitzen, und selbst die obersten Spitzen der Berge himmelhoch überragend.
Jetzt, im Angesicht dieses unglaublichen Gebildes, erschien ihm Jindas Theorie von der Zerstörung des Walls noch unglaubwürdiger. Ähnliche Gefühle erkannte man auch auf den Mienen der anderen, egal ob Späher, Offizier, Magier oder Herrscher, alle konnten sich der fast übernatürlichen Ausstrahlung entziehen zu können.
Nur Fimbrethil, oberster Magier im Dienste des Königs, war keine Verzückung im Angesicht imperialer Macht, sondern nur ein Gefühl von unbestimmter Sorge anzusehen. König Andraeis sprach ihn daraufhin an.
„Na alter Freund, es sieht so aus, als ob unsere Befürchtungen sich als falsch erweisen würden.“
Der Ältere hatte dafür nur ein müdes Lächeln übrig. „Nun, junger Freund, es scheint so, aber nur für jene unter euch, die den Gürtel Jehrans das erste Mal erblicken. War den nicht geschrieben in den Annalen Mardiors, des ersten Hohepriesters: „Und es erschien ein überirdisch Licht; Unser und des Einen Gottes Werk überstrahlte die Himmel und es zuckte Blitz um Blitz, dass es wirkte, als sei der Älteste selber auf die Erde gekommen, um seine Kreaturen für ihre Missetaten zu strafen.“ So ist es zu lesen im ersten Buch des Tempels und so sage ich es selber, der den Wall schon viele Male besuchte, über viele Jahrhunderte hinweg. Und ich sage euch, was ihr hier vor euch seht mag die Gedanken sterblicher Menschen übersteigen, doch ist es nur ein Abglanz der Herrlichkeit die man früher beschauen konnte, und wenn dies alles ist, was die Gemeinschaft der Priestermagier noch zu schaffen im Stande ist, dann steht es noch übler um das Reich des Südens als irgendeiner von uns dachte.“ „Aber es gibt Hoffnung, auch diese Krise zu überstehen. Mit dem Zusammenbruch des Walls hattet ihr Herren bereits gerechnet, denn dafür habt ihr dieses Heer nur hierher geführt. Ob der Wall nun schon in wenigen Stunden oder in vielen Wochen erst fällt, ändert wenig an der Situation und nichts an ihrer Gefahr.“ Die Führer des Zuges wandten sich um. Dort stand zu Logans Entsetzen Thimris, stolz auf dem Ihm anvertrauten Pferd, und sprach in einer Nüchternheit zu den Hohen des Imperiums, wie er es früher nicht einmal dem eigenen Vater gegenüber gewagt hatte.
Doch im Gegensatz zu den Generälen und Ratgebern der beiden Herrscher, die ihn empört und voller Verachtung anstarrten, stimmte Fimbrethil ihm nur eben so nüchtern und gefühlskalt zu. „Ihr sprecht wahre Worte, Sohn des Torbald. Es mag sich erst noch entscheiden, ob wir eine Chance haben, dem Feind zu trotzen.“
Thimris verneigte sich vor ihm. „Habt dank, Edler. Doch beurteilt mich nicht nach meinem Vater, denn ich habe mich seiner noch nicht würdig erwiesen.“ Fimbrethil stieg wieder auf sein Ross und wandte es dem Jüngeren mit einem schiefen Lächeln zu. „Dann lasst uns nun noch Norden ziehen und sehen, wie viel ein jeder von uns wert und ...würdig ist.“

Gorn mit der Axt
20.11.2004, 12:13
Als wenige Stunden später die Dunkelheit hereinbrach errichteten sie ihr Lager in einem Talkessel, der etwas abseits vom Weg zum Pass lag, und nach Norden hin nur durch eine schmale Felsspalte mit dem nahen Weg über das Gebirge verbunden war. Andraeis hatte zum ersten Mal die Wachen auch Nachts doppelt besetzt und zur Achtung ermahnt; so nah am Übergang ins Königreich der Nordländer schien er kein übermäßiges Risiko eingehen zu wollen.
Mitten in der Nacht wurde die Ruhe im Lager durch ein lautes Brüllen und einen heftigen Windstoß beendet.
Sekunden später verdunkelte ein riesiger Schatten den hell sichtbaren Halbmond und die Sterne über dem Lager.
Sofort war das ganze Heer im Aufruhr, die Wachen griffen nach ihren Schwertern und Lanzen, die bis gerade Schlafenden stürmten aus ihren Zelten. Anders so Jinda. Er hatte sich beim ersten Geräusch an den Rand des Talkessels begeben und starrte nun in die Nacht. Er kannte das den Männern unbekannte Wesen nur zu gut, war es doch seines Vaters Verhängnis geworden. Doch er konnte nichts mehr tun; so schnell der Dämon gekommen war, so schnell war er wieder in der Nacht verschwunden, im Norden umleuchtet von den schmalen, bleichen Blitzen des schwächer werdenden Walls.
„Moment einmal, schwächer werdend? Nein!“ Der Gedanke durchzuckte ihn, noch während er dem Wesen nach starrte, und er rannte zur Mitte des Lagers, dass die Männer dachten, er hätte tausend Dämonen hinter sich. Es waren mehr. Mehr als tausend; mehr als zehntausend, hörte man nun doch ihre Schreie trotz der Meilen zwischen ihnen, als er keuchend bei König Andraeis ankam.
„Herr, dieses Wesen hat seine Mission erfüllt! Es kommt zurück, sich dem Angriff anzuschließen. Der Wall wird fallen, noch heute Nacht!“ Der junge Herrscher war bleich geworden. Stockend befahl er den Hauptleuten sich zum Angriff klar zu machen. Die Konas und Silas und Keras, einfache Soldaten und hohe Offiziere, Schwertkämpfer und Armbrsutschützen schwärmten durcheinander, um zu ihren Einheiten zu finden und Schutz zu suchen vor dem Feind aus dem Nordland.
Dann kamen sie. Die Armee des furchtbaren Nordlandes kam heran wie eine Flutwelle. Riesig, mächtig und scheinbar unaufhaltbar. Doch kam sie nicht wie die schwachen, menschlichen Abbilder ihrer selbst, nicht wie Horden von Menschen, wie sie auch früher schon auf dem südlichen Kontinent gekämpft und gesiegt hatten.
Dies war eine Streitmacht von Dämonen, beschworen von schwarzer Magie, nur gerufen zu dem einen Zweck. Die Bewohner des Imperiums zu vernichten. Die Soldaten des Heeres hörten eine gewaltige Explosion. Als Thimris ein Dutzend seiner Sphären aussandte, hörte man erstaunte und vereinzelt auch entsetzte Rufe aus dem Lager, man hörte auch düsteres Gemurmel von jenen, die der Magie abgeneigt waren. Doch wie sehr sie die Macht der Fremden auch fürchteten, konnten sie ihre Wirksamkeit nicht absprechen; die ganze Umgebung erstrahlte für einige Sekunden unter einem Licht, hell wie das der Sonne, und sie sahen, was die Dämonen getan hatten. Der Wall war endgültig gefallen und die Felsenbarriere am Talende, viele Meter dick und hoch, eine Befestigung aus der Zeit früherer großer Kriege, war zerstört, zu Staub zerfallen unter der Macht des größten der Ungeheuer.
Nun sahen es auch die Gefährten das erste Mal. Nicht durch Rauch und Feuer, nicht durch Nacht und Schatten.
Nicht nur als ein Schemen der unerkannt verschwindet, sondern von Angesicht zu Angesicht, ragte es vor ihnen empor. Der Körper, grün braun geschuppt wie der einer Schlange, der Hals, lang und sehnig und stark. Die Augen glühend in ewigem Feuer. Ein Drache. Rasender Zorn packte Thimris. Dieses Wesen war es, das das ganze Leid möglich gemacht hatte. Es hatte ihre Eltern entführt oder getötet, Caladar zerstört und die ganze Halbinsel ins Verderben gestürzt. Jetzt drängte die Dunkelheit das von ihm geschaffene Licht wieder zurück, die monströse Gestalt verbarg sich wieder im Schatten. Thimris sprang von seinem Pferd. Er wusste, dass die Soldaten des Königs gegen diesen Drachen keine Chance hatten. Während sich ihm Schutz des Dämonenwesens die ersten Kämpfer aus dem Nordland sammelten, trat Thimris durch die Reihe der Lanzenkämpfer und stand schließlich allein vor dem Nordlandheer.
Doch dann folgten ihm die Zwillinge. Logan von links und Jaleel von rechts gingen sie langsam, furchtsam, auf ihren Bruder zu. Sie fassten Thimris an den Schultern, vor sich die Masse der Dämonen, die nur auf den Befehl warteten, um die Länder des Imperiums in Flammen aufgehen zu lassen, hinter ihnen die Armee ihrer eigenen Verbündeten, in Panik erstarrt durch den Anblick des Kolosses, aber dennoch bereit ihre Heimat bis auf den letzten Man zu verteidigen. Thimris senkte den Kopf. Er wusste, was es für ihre Eltern bedeuten würde, wenn sie sich jetzt dem Feind stellten, aber auch, dass selbst wenn sie nicht kämpfen würden, ihre Eltern in eine Welt entlassen würden, in der es keinen Grund gab zu leben; das frühere Zusammensein mit seiner Familie, der ganze Spaß und die Lebensfreude und seine Lebensaufgabe als Beschützer seiner Geschwister wäre herabgesetzt auf die bloße Existenz als Sklave der Nordländer. Langsam richtete er sich auf und sah den Drachen fest an. „Zumindest eine Chance muss ich ihnen geben.“

Gorn mit der Axt
21.11.2004, 14:53
Er fasste tief in sich hinein und sammelte alle Energie, die er hatte, für seinen letzten Angriff. Dann fühlte er aber noch etwas anderes, fremde Energie in sich, die von den Zwillingen kam. Er blickte zur Seite. Er hatte sich nicht ihrer bedient, die Kraft floss von ganz allein wie Feuer durch seine Adern, wurde durch seine Gabe verstärkt und sammelte sich in seinen Fingerspitzen, bis er glaubte es nicht mehr aushalten zu können.
Im selben Moment, in dem er jetzt seine ganze Kraft, alles was er durch sich und seine Geschwister erhalten hatte, konzentrierte, bewegte sich der Drache wieder, wurde schneller und stieß vor, beim Anblick der so lange entwischten Beute alle Vorsicht vergessend. Dann hob Thimris die Hände, streckte die Arme nach vorn und schoss den Energiestrahl ab. Durch die Wucht des Angriffs zurückgeschleudert wurde er in die Aufstellung der vordersten Reihe geworfen, stieß mehrere Soldaten um und blieb wie tot liegen, während sich Lichtstrahl und Drache unaufhaltbar näher kamen. Ersterer verhielt sich äußerst merkwürdig. Anders als alle seiner Art, die Thimris bisher abgefeuert hatte, schien diese Sphäre fast lebendig zu sein. Wie durch einen eigenen Willen gelenkt teilte sie sich in Tausende kleiner Lichtblitze, die in der Luft hin und her flogen, aber dennoch auf ihr Ziel zu steuerten. Eben jenes Ziel, der Drache, schien nun zu erkennen, dass seine Beute ihre Wehrlosigkeit verloren hatte und ihn ernsthaft angriff. Er klappte seine gigantischen Flügel auseinander, um zu stoppen und den Kurs zu ändern, als er, voll ausgebreitet, von den Blitzen der Gabe getroffen wurde. Die ersten Aufschläge rissen Löcher in seine Flughäute, die keine Sekunde darauf von weiteren Strahlen getroffen zerfetzt wurden. Der Körper des Drachen, schwer verwundet, flog aber weiter auf sie zu, bevor sämtliche verbliebenen Lichtstrahlen sich direkt hinter seiner Brust kreuzten und sein Körper in einem Sekundenbruchteil verbrannte und die Knochen weit über das Lager hinweg geschleudert wurden. Die Horden der Dämonen jedoch wurden von der Explosion voll getroffen und sie landeten zu hunderten, manche angesengt durch die Glut, andere zu Asche verkohlt auf den scharfen Klippen der Schlucht, deren Hänge unter der ungeheuren Belastung zusammenbrachen. Und als die Nordländer noch verzweifelt versuchten nicht wie ihre weiter vorn stehenden Kameraden von der Gerölllawine erschlagen zu werden oder hasserfüllt auf den blockierten Weg starrten, lud Jinda seinen Freund auf sein Pferd und zog sich zusammen mit dem entsetzten Südländerheer zurück.

Gorn mit der Axt
22.11.2004, 18:50
Das erste, was Thimris, der den ganzen Rückmarsch in einer Art Dämmerzustand zurückgelegt hatte, wieder deutlich wahrnahm, war der Streit zwischen Andraeis, Rian und den Zauberern. „Wir können uns gegen solche Wesen nicht behaupten, das wäre Wahnsinn!“ schrie Rian. „Sie werden die Soldaten, all die Männer, die sich mir anvertraut haben hinweg fegen. Es ist unmöglich all die Dämonen mit nur vierzigtausend Mann aufzuhalten, nicht einmal so lange, bis die Fußsoldaten uns erreicht haben! Wir müssen uns zurückziehen und uns in den Festungen verschanzen!“ In Fimbrethils Stimme lag etwas Stählernes. „Ihr habt gesehen, was diese Wesen tun können; eure Festungen würden nicht einmal einem Angriffstrupp, geschweige denn der gesamten Armee standhalten. Wenn ihr euch zurückzieht, eure Majestät, dann werden alle Bewohner des Reiches, nicht nur die Männer, sondern auch Frauen und Kinder zum Untergang verdammt sein.“ Prinz Rian brach zusammen. Nach langer Pause redete er wieder. „Als mein Vater starb, hat er mir aufgetragen unser Volk zu beschützen. Aber es scheint, als gäbe es keinen Weg um das zu erreichen. Trotzdem, wenn ihr mir als eurem Vasallen befiehlt, in den Kampf zu ziehen, würde ich eure Befehle missachten, würden meine Getreuen dadurch in den Tod geschickt.“ Andraeis nickte. „So sollte sich jeder Herrscher verhalten.“ Seine Hand umklammerte das Schwert an seiner Seite. „Euer Freund hat den mächtigsten der Dämonen vernichtet. Haben wir mit seiner Hilfe eine Möglichkeit zu bestehen?“ fragte er die Magier. Fimbrethil überlegte. „Er ... und seine Freunde sind zweifelsohne mächtig im Gebrauch der Magie. Mindestens eben so stark wie ich und mein noch viel zu junger Schüler. Sie wären unschätzbare Verbündete in diesem Kampf. Aber ob ihre Kraft reicht? Ich weiß es nicht. Ich bin auch nicht sicher, ob sie überhaupt mit uns kämpfen werden. Viele der Soldaten sind erschrocken genug um zu desertieren.“ Der Hochkönig schrie auf. „Und wenn ich sie zwingen muss, ich werde nicht zulassen, dass wegen ihrer Feigheit mein Reich untergeht!“ Zorn brodelte in Thimris auf. Er stand mühsam von seiner Liege auf und ging in den durch ein Tuch vom restlichen Zelt abgetrennten Raum. „Meine Freunde und ich sind weder Feiglinge, noch dienen wir in eurer Armee.“
Andraeis war überrascht herumgefahren, als er Thimris hinter sich hörte. Dieser trat nun ganz nah an den obersten Gebieter heran, der, obwohl kein kleiner Mann, zu dem über sechs Fuß großen Thimris aufblicken musste.
„Wenn ihr auch nur einen meiner Begleiter in den Kampf schickt und er dort durch eure Schuld getötet wird, werden ich und meine Freunde euch sofort verlassen und nicht mehr zurückkehren. Habe ich mich klar ausgedrückt?“ Während der König ihn zornig, aber auch ein wenig eingeschüchtert anfunkelte, verzog sich das Gesicht des obersten Magiers zu einem Lächeln. „Überaus klar.“
Noch während die Anführer des Heeres über die richtige Strategie zu Abwehr des überlegenen Feindes diskutierten liefen außerhalb des Kommandozeltes schon die Arbeiten an den ersten Abwehrmaßnahmen, deren Leitung Oberst Darbor übernommen hatte. Sie hatten als Verteidigungsposition das hintere Ende des Jeldin Passes gewählt. Dort, wo der Weg nicht so breit war, wie am Eingang der Schlucht, hatten sie die besten Chancen sich einen Vorteil zu verschaffen. Zweihundert Fuß vor ihren vordersten Linien hatte die Pioniereinheit aus Markor Fallgruben und schmale Gräben ausgehoben. Direkt hinter diesen inzwischen durch den Regen gefüllten Wassergräben hatten sie Steine, Feldstangen und überzählige Lanzen in den Boden gerammt, die den Vormarsch der Dämonen zusätzlich verlangsamen sollte, wenn sie in Reichweite der Bogenschützen kamen. Diese waren nämlich zusammen mit den anderen Fußsoldaten und drei weiteren Reiterschwadronen Gordians angekommen, so dass die Kommandeure nun fünfzigtausend Soldaten zur Verfügung hatten, um den Pass zu halten. Die Generäle der Armee, sowohl die aus Markor, als auch die des Hochkönigs, gaben sich optimistisch. „Bei solchen Bedingungen und diesem Heer haben die Nordländer keine Chance“ hörte man sie tönen. Jinda verabscheute sie. Für ihn waren sie nur aufgeblasene alte Männer, die nicht erkannten, dass es sich bei den Figürchen, die sie auf ihren Schlachtplänen so gelassen hin und her schoben um lebende Menschen handelte, für Jinda eben so real und bedeutsam wie der größte Heerführer. Jinda hatte sich derweil von seinen Freunden getrennt und sich einer Einheit markoranischer Schwertkämpfer angeschlossen, mit der er stundenlang trainierte. Er hatte durch seine schnelle Auffassungsgabe und sein großes Grundwissen schnell Freundschaft mit dem Silas seines Trupps geschlossen, der außerdem auch noch Schwertmeister für Einhänder war, ein schmal gebauter, aber doch kräftiger Mann, dem jeder Gegner wegen seiner blitzschnellen Angriffe unterlag. Hauptmann Demonit war einer der besten Fechter, den Jinda je gesehen hatte, egal ob mit dem Dolch, dem Säbel oder dem Langschwert. Er war für eine Mannschaft von über vierhundert Männern verantwortlich, sein Trupp umfasste drei Dekurien zu je hundertzwanzig und insgesamt dreißig so genannte Velaren von je zwölf Soldaten, dazu die befehlenden Kera und Sila, also die niederen und höheren Offiziere und etwa zwei Dutzend Helfer und zugleich Reservisten, die sich um die Ausrüstung kümmerten. Er teilte Jindas Bedenken um seine Leute und war froh, einen guten Schwertkämpfer und zugleich geschickten Strategen an seiner Seite zu wissen. So nutze er die Gelegenheit eines während des ersten Angriffs gefallenen Leutnants, um Jinda nach einer letzten Probe mit dem Breitschwert als seinen direkten Nachfolger einzuziehen. So überreichte er ihm kurz vor der Schlacht die beiden silbernen Sterne eines Leutnants, die ihn als Silas einer Dekurie auswiesen.

Gorn mit der Axt
23.11.2004, 15:31
Zu Jindas Entsetzen wurde die gesamte Kompanie, zu der auch seine Dekurie gehörte, bei der bevorstehenden Schlacht zum Schutz der ersten Bogenschützen abgestellt, und stand somit, nur durch eine dünne Reihe Pikeniere geschützt, in vorderster Front. Schon beim ersten Treffen mit den Soldaten hatte Jinda gesehen, dass es sich nicht um ausgebildete Soldaten, sondern um eine Mischung aus Bauern, Freiwilligen und Söldnern handelte, von denen wohl kaum einer im Kampf auch nur einem einzelnen Dämonen gewachsen war. Nach bestem Wissen und Gewissen gab er seinen Männern Instruktionen für die Schlacht, der jeder im Lager teils mit Erwartung teils mit Furcht entgegen blickte, und von der er hoffte, dass sie nie stattfinden würde. Leider wurde seine Hoffnung nicht erfüllt. Bei Tagesanbruch des nächsten Tages sah man auf dem offenen Tal jenseits des Jeldin-Passes die Staubwolke des marschierenden Nordlandheeres.
Thimris verließ mit seinen Gefährten das Zelt und verabschiedete sich von Pirin, der dann in Richtung der Magier davonging. Jinda war sehr in Eile. Er sorgte sich um seine Einheit. Er wusste, dass trotz des Trainings viele der Kämpfer noch nicht auf eine Schlacht vorbereitet waren, er fragte sich, ob dass bei einem solchen Kampf überhaupt möglich war. Aus diesem Grund umarmte er seine Freunde nur kurz und lief dann zum Rest der Armee, die weiter unten ihm Pass schon Stellung bezogen hatte, während die Zwillinge und Thimris sich über einen Seitenpfad auf eine Klippe am Rand der Schlucht zugingen. Als Jinda seine Dekurie erreichte, stürmten die Nordländer bereits auf die Verteidigungsstellungen der Imperiumskämpfer zu. Die großen von Jinda und den anderen bereits gefürchteten Dämonen schienen nur einen recht geringen Teil der feindlichen Kämpfer auszumachen, was jedoch angesichts ihrer teils erschreckenden Größe die angespannten Verteidiger nicht zu erfreuen schien, obwohl keines der Wesen auch nur annähernd an den großen Drachen heranreichte, den sie vor wenigen
Tagen bezwungen hatte. Die meisten Angreifer schienen die wilden Nordländer selbst zu sein, die teils mit Bögen, teils mit großen Beidhändern und Schlachtäxten daherkamen, oder die zu ihren mächtigen Verwandten noch relativ kleinen Dämonen, obwohl unterschiedlich in Größe und Form, sich immer ähnlich waren und an große Raubkatzen oder Wölfe erinnerten. Darüber hinaus gab es aber noch eine große Anzahl bisher unbekannter Dämonenwesen, die je nach Art, auf dem Boden krochen, dahin flitzten oder schwerfällig daher stapften. Diese aus allen Ausgeburten menschlicher Alpträumen bestehende Masse raste immer weiter auf die Streitkräfte des Imperiums zu, die nun blank zogen. Dann stürmten die ersten der Dämonen in den Pass.
Als erstes hörte man nur die Schreie des Feindes und der eigenen Offiziere, danach wurde der Himmel von dem Pfeilhagel der ersten Salve der Bogenschützen verdeckt. Sekunden später kam die erste Angriffswelle ins Stocken, hunderte der Angreifer waren gefallen, tausende verletzt, und jene aus den vordersten Reihen, den Angriff überstanden hatten wurden jetzt durch die am Eingang der Schlucht errichteten Hindernisse aufgehalten.

Gorn mit der Axt
24.11.2004, 14:21
Doch die Hoffnung der Verteidiger hielt nicht lange an. Obwohl die Pfeile und Bolzen ihrer Angriffe tausend Wunden schlugen, stürmten die Dämonen weiter vor. Nun zeigte sich in deutlich, dass sich diese Armee des Feindes nicht menschlich war. Dutzende der Dämonen waren klein und ungeheuer schnell und schlüpften zwischen den Fallen hindurch, andere, die fliegen konnten, stiegen in die Luft auf, um sich auf die verhassten Südländer zu stürzen. In deren Heer traten die Bogenschützen nun furchtsam zurück, immer weiter feuernd duckten sie sich hinter die dreifache Reihe von schwer gepanzerten Lanzenkämpfern, die die Dämonen auf Abstand halten sollten. Mit einem tosenden Krachen stießen die Vorläufer beider Armeen aufeinander. Nun gab es auch unter den Südländern erste Verluste. Immer mehr Angreifer stürmten von Norden heran, über die inzwischen mit Leibern gefüllten Gräben und ihre eigenen Gefallenen. Und nun begann die Abwehrlinie zu wanken. Zu groß war die Zahl der Dämonen. Den ersten Gruppen von Feinden gelang es die Lanzenkämpfer zu überwinden, so dass Jindas Kompanie gezwungen war, die nun schutzlosen Bogenschützen zu verteidigen. Jinda erkannte jedoch sofort, dass die Lage aussichtslos war. Die Abwehr wurde immer schwächer und drohte zusammen zu brechen. Bald würden die Pikeniere zwischen den beiden kämpfenden Heeren gefangen und verloren sein. Schreiend gab er seiner Dekurie den Befehl zum Angriff. Mitten in die Masse der Dämonen stürmten sie hinein, Jinda an der Spitze, seine Soldaten hinter ihm her, und trieben die Nordländer schritt um Schritt zurück. Doch auch wenn sie den Verteidigern auf der östlichen Seite der Schlucht etwas Luft verschafften, reichten Jindas hundertzwanzig Männer lange nicht aus, den ganzen Pass abzuriegeln, wodurch sie jetzt Gefahr liefen selber von den anderen abgeschlossen zu werden. Dann hatten sie endlich die hundert Fuß zu ihrer ersten Stellung geschafft. Von allen Seiten schlossen sich ihnen jetzt die überlebenden Verteidiger an. Gerade als Jinda seine Einheit zurückziehen wollte, rannten vier Gundurs an ihnen vorüber und blockierten den Rückweg.
Verzweifelt drängte sich die immer kleiner werdende Gruppe von Männern auf einem befestigten Hügel, einer waffenstarrenden Insel gleich im Meer der Gegner, weit weg von den eigenen Linien. Dann hörte Jinda über sich ein Donnern in der Luft und warf sich unwillkürlich auf den Boden. Oben auf der westlichen Klippe hatten seine Freunde begonnen in den so ungleichen Kampf einzugreifen. Blitzschnell schoss ein Lichtstrahl über den liegenden Jinda hinweg und explodierte an der Flanke eines angreifenden Gundurs, der genau neben den eingeschlossenen Männern zu Boden stürzte und Dutzende seiner Mitstreiter unter sich begrub. Auf diese Weise auf beiden Seiten durch das gewaltige Wesen und die aufragende Klippe geschützt flüchteten Jindas Männer zu den ihrer zweiten Verteidigungslinie zurück. Sie kamen gerade noch rechtzeitig an, denn nun hatte Thimris genug damit zu tun, die Gundurs und andere Riesendämonen zu vernichten, die, großen Belagerungswaffen gleich, in der wogenden Masse der Verteidiger wüteten.
Diese mussten nun allein gegen die immer noch größer werdende Zahl der Feinde bestehen und waren nun ihrerseits gezwungen Meter um Meter an Boden abzugeben. Als sich Jindas Kämpfer noch in die Reihen der Vertei-diger eingliederten, war Thimris schon lange klar, dass sich die Südländer nicht würden halten können. Trotzdem schickte er einen Energiestrahl nach dem anderen aus, jene Dämonen zu besiegen, die für die Soldaten wohl unbezwingbar waren. Plötzlich aber spürte er eine magische Präsenz, die er sich nicht erklären konnte. Er drehte sich zu seinen Geschwistern um und erkannte an ihrer verwirrten Miene, dass es ihnen nicht anders ging.
Noch einmal raffte er seine Kräfte zusammen, denn obwohl die fremde Magie nicht feindlich zu sein schien, vermutete er in ihr eine neue Falle der Nordländer. Doch entgegen all seinen Erwartungen handelte es sich bei der Magie, die er spürte, offenbar um nichts Dämonisches. Auch meinte er auf einmal etwas Ähnliches bereits gespürt zu haben. Er war nahe daran, die Erinnerung zu fassen, als sein Bruder ihn aus seinen Überlegungen riss.
„Tim! Sieh doch!“ rief Logan. Thimris fuhr herum. Auf der gegenüber liegenden, östlichen Seite der Schlucht standen mehrere in Roben gekleidete Gestalten, ihre Stäbe mit dem magischen Stein an der Spitze zum Gruß erhoben. Ganz vorn stand ein in schwarzes Tuch gehüllter Magier, der ihnen zuwinkte.
Thimris konnte es nicht fassen. „Wern!“

Gorn mit der Axt
25.11.2004, 18:41
In seiner Feste im hohen Norden schrie ein anderer Magier erzürnt auf. Sein Blick zuckte zum Kristall, auf dessen Oberfläche das Gesicht des Verräters zu sehen war. „Du Narr! Warum hast du nicht verhindert, dass die Elfen dem Imperium Truppen schicken?“ Das Gesicht des anderen fiel in sich zusammen. „Verzeiht, Herr, aber nach dem Angriff auf die fliegende Stadt und den Tod meines Helfers habe ich meinen Rückhalt im Hohen Rat verloren. Es wäre zu auffällig gewesen, entgegen allen anderen den Menschen die Hilfe zu versagen.“
Entgegen seinen Gefühlen musste der Magier seinem Diener Recht geben. „Nun gut. Wir werden trotz eurer Hilfe siegen. Sorg du nur dafür, dass die Elfen nicht weitere Unterstützung schicken!“

Während dieses Gesprächs verschlechterte sich die Lage der Südländer zusehends. Obwohl die Krieger sich mutig dem Feind stellten, Thimris mit seiner Magie hunderte Dämonen vernichtete und nun auch Wern und die anderen Elbenmagier in den Kampf eingriffen, drohten die Truppen überrannt zu werden. Die aufgestellten Fallen waren mit Feinden gefüllt und die meisten Pfeile der Bogenschützen hatten ihre Ziele erreicht. Dennoch schien die Menge der Nordländer immer noch zu wachsen, da ununterbrochen Verstärkung über den eroberten Pass nach Süden folgte und die Kämpfer des Imperiums mussten Fuß um Fuß des Bodens abgeben. Sie waren fast bis an den Eingang der Schlucht zurückgetrieben worden, die geordneten Schlachtreihen und durchdachten Pläne waren vergessen; jeder konnte nur noch versuchen in dieser mörderischen Schlacht am Leben zu bleiben.
Schließlich geschah was alle befürchtet hatten, es gelang dem Feind zum ersten Mal durchzubrechen. Eine kleine Gruppe echsenartiger Wesen brach aus der letzten Reihe der Soldaten hervor und stürzte sich auf Andraeis und Rian. Sie wurden sofort von den schnellen Schwertern der königlichen Leibwache bezwungen, doch als die Wesen besiegt waren, standen drei Männer weniger auf den Beinen und die Überlebenden schwankten schwitzend und blutend vor ihrem König, dazu entschlossen, ihren Regenten bis zum letzten Mann zu verteidigen. Doch schon im nächsten Moment kämpften sich neue Gruppen von Angreifern durch das stark geschrumpfte Heer und die Abwehr der Südländer drohte auf ganzer Linie zusammen zu brechen. Dann drang ein Zittern durch die Erde. Viele Männer wurden, die Waffen noch in der Hand, von den Füßen gerissen, als sich in der Mitte der Schlucht meterbreite Gräben öffneten, in denen ein unterirdisches Feuer zu schwelen schien. Ganze Felsformationen brachen in diesen Schlund der Erde ein, der sich genau unter dem Gros der Nordlandarmee geöffnet hatte. Immer heißer schien die Glut in ihm zu brennen, dass selbst die abseits stehenden Elbenmagier gepeinigt aufschrieen und sich panisch abwandten.
Als sie es wenig später wieder wagten sich dem Feind zu stellen, standen sie starr vor Staunen. Inmitten der Schlucht hatte sich ein Lavasee geöffnet, so gewaltig, dass er über die Klippen hinausragte, die durch die ungeheure Hitze in sich zusammensanken. Die zischenden Dampfwolken und brodelnden Feuerseen schienen wie ein Blick auf die Hölle, die die Priester lehrten, und doch bedeuteten sie die Rettung für die erschrockenen Kämpfer des Imperiums, die mit bleichen Gesichtern ihre Verwundeten aufluden und sich zurückzogen, während hinter ihnen die Horden der Dämonen hasserfüllt kreischten und zusehen mussten wie ihre Feinde verschwanden.
Zwei Stunden später machten die erschöpften Männer vor der Schlucht halt. Sie waren verwirrt vom Ausgang der Schlacht und entsetzt über den Hass der Nordländer, der sie dazu brachte sich selbst ohne Zögern zu opfern, wenn sie dadurch dem Imperium schaden konnten und über die Zahl ihrer eigenen Toten und Verwundeten. Von den fünfzigtausend Verteidigern waren zwölftausend in einer Schlacht gefallen, fast die Hälfte aller überlebenden Kämpfer war schwer verletzt, kaum ein Krieger ohne Wunden davongekommen.

Gorn mit der Axt
26.11.2004, 16:52
Im Zelt des Hochkönigs hatten sich die Berater zu einer Besprechung versammelt, bei der auch Thimris und seine Gefährten anwesend waren. Die hochgelobten Generäle des Königs standen geknickt vor seinem Thron und mussten seinen Zorn über sich ergehen lassen. Tatsächlich war der König auch wütend über seine eigene Entscheidung, seine Männer in dieser Situation in die Schlacht geschickt zu haben, doch ähnlich wie vorher Jinda fühlte er sich nun angeekelt von der Arroganz der Generäle, die schließlich auch nicht mehr Kriegserfahrung hatten als irgendein anderer von ihnen.
Ohne Ankündigung betrat Wern auf einmal das Zelt. Ohne auf das überraschte Keuchen der anderen zu achten, verbeugte er sich ehrfürchtig vor Andraeis und Ryan, um dann Pirin und die anderen zu begrüßen. Schließlich wandte er sich wieder um und sprach mit dem König. „Hochkönig Andraeis Ragonis Jeldinar, ich überbringe euch die Grüße des hohen Elbenkönigs zu Tara’nol, und die des Hohen Rates. Das Volk der Elben hat beschlossen euch in eurer Not beizustehen, wie wir es auch im letzten Krieg taten. Ich wurde mit einem Dutzend unserer besten Magier ausgesandt euch zu helfen, ich denke, dass ihr später noch weitere Unterstützung erhalten werdet. Welcher Art und Menge diese dann sein wird, kann ich nicht sagen, da auch wir unser Land zu schützen haben; unsere Hauptstadt wird von einem Dämonenheer belagert.
Außerdem bin ich hier um mich für das Missgeschick in der Schlucht zu entschuldigen.“ Er wirkte verlegen, während Fimbrethil ein wissendes, aber verhaltenes Lächeln aufsetzte. „Wir haben den Krater verursacht. Es war ein alter Elbenzauber, eine Falle für den Feind, die jedoch siebenhundert Jahre lang nicht gebraucht worden war. Ich wusste davon und habe sie aktiviert. Aber ich scheine die Macht meiner Vorgänger unterschätzt zu haben, denn ich hatte die Wirkung lange nicht so heftig erwartet. Ich bitte um Vergebung, wenn wir dadurch einige eurer Kämpfer verletzt haben.“ Bei diesen Worten fuhr einer der Generäle auf. „Verletzt? Sechzig meiner Männer sind durch den Feuersturm umgekommen, zehnmal so viele liegen mit Brandwunden hier im Lager!“ Werns Gesicht spannte sich, doch bevor er etwas tun konnte rief der König den Heerführer zur Ordnung. „General, so sehr ich den Tod eurer und meiner Männer bedaure, wenn die hochgeschätzten Magier nicht eingegriffen hätten, hätten wir uns weit nicht so schnell zurückziehen können und bestimmt noch weitere Tausende verloren.“ Sein Gegenüber zog sich leise eine Entschuldigung murmelnd zurück. Fimbrethil richtete sich auf. „Das werdet ihr nicht vermeiden können. Der Lavasee wird in kurzer Zeit erstarren und die Dämonen passieren lassen. Sie werden sich unaufhaltsam durch die Schlucht wälzen, wie sie es beim ersten Mal getan haben. Es sind zu viele. Auch wenn ich euren Soldaten viel zutraue, sie werden nicht gegen eine solche Übermacht ankommen.“ Andraeis sah ihn unsicher an. „Habt ihr inzwischen herausfinden können, wie viele es waren?“ Der Magier schüttelte den Kopf. „Es waren zu viele verschiedene Auren zu spüren, von dutzenden verschiedenen Dämonenrassen und Nordländern. Aber es müssen hunderttausende gewesen sein. Ich schätze sie waren etwa zuletzt zwanzig Mal mehr als wir. Und es war nur eine ihrer Armeen, die uns gegenüber stand. Ich zweifle nicht daran, dass sie mit der gleichen Gewalt durch die anderen Pässe gestürmt sind.“ Er legte seinem Herrscher die Hände auf die Schultern. „Wir müssen uns zurückziehen. Wenn wir hier bleiben werden wir bis auf den letzten Mann aufgerieben.“ Der König nickte „Und wenn wir den Pass aufgeben und sie ihn verlassen können sie auf breiter Front angreifen und uns überrennen.“ Er überlegte. „Ich schlage vor wir ziehen uns zu den Bergfestungen am Eingang zurück und warten auf die Verstärkung, um sie zu halten. Leitet alles in die Wege, ich will in zwei Stunden aufbrechen. Bringt die Verwundeten nach und lasst sie von einer Schwadron Reiter decken.“ Danach verlies er das Zelt. Auch die Freunde brachen auf um Vorbereitungen für den Aufbruch zu treffen. Dabei gab sich Thimris seinen Geschwistern gegenüber selbstsicher, obgleich er im Innern wusste, wie gewagt der Plan war, den sie gefasst hatten. Sollte die versprochene Verstärkung nicht rechtzeitig eintreffen, würde der König die Armee nicht zurückziehen, damit die Menschen Markors den Feinden nicht schutzlos ausgeliefert wären.
Sie ritten auf dem Rückweg in der Eskorte, die die Verwundeten begleitete. Immer wieder mussten sie halt machen und sich einzelnen Gruppen von Dämonen stellen, die es geschafft hatten die Lava fliegend, kletternd oder grabend zu überqueren. Deshalb waren alle erleichtert, als sie am Abend endlich bei den Befestigungen ankamen. Sie sahen Männer aus der Armee hektisch hin und her laufen, der König schien alle seine Soldaten ausgesandt zu haben, um Vorbereitungen für den Kampf zu treffen. An dieser Stelle lief der zuvor eine halbe Meile breite Pass in ein viermal schmaleres Stück über, das, einen steilen Hang hinauf, wieder zum Ausgang der Schlucht im Tiefland mündete. An eben dieser Stelle war die Bergfestung vor Jahrhunderten erbaut worden, um die südlich gelegenen Länder zu schützen. Halbrund zulaufend standen die Wehrmauern der Anlage in zwei gewaltige Bauten geteilt, die Thimris schon auf dem Hinweg bewundert hatte. Zwischen ihnen blieb nur ein schmaler Durchgang, so breit, dass gerade eine Dekurie nebeneinander laufen konnte. Doch gerade diese Öffnung gab den Blick auf die eigentliche Festung frei. Ihre dreilappigen Zinnen überragten die vorderen Wälle turmhoch. Sie war es, die den Zugang zu Markor sicherte. In gewaltige stählerne Portal, das schwer mit Balken und Riegeln befestigt und so dick wie der Rumpf eines Mannes war, waren tiefe Linien eingegraben, Spuren vom letzten Krieg gegen die Nordländer, die nicht durch die Jahrhunderte verblasst waren und unter denen noch immer die grün leuchtenden Runen der Schutzzauber schimmerten. Diese Spuren zeigten, was Thimris nur zu bewusst war, dass dieses Tor zwar schon geöffnet, aber nie durchbrochen wurde. Eine wirkliche Festung für die Ewigkeit. Er war sich sicher, dass sie nicht versagen würde. Wenn er sich doch nur bei den Kämpfern genau so sicher wäre.

Gorn mit der Axt
27.11.2004, 14:42
Im Morgengrauen des übernächsten Tages marschierten die Nordländer auf den Eingang des Passes zu. Da man sie von den hohen Türmen und durch ausgesandte Späher schon früh entdeckt hatte, war schon alles für die Verteidigung der Festung vorbereitet. Der Hauptteil der Armee war diesmal mit Fernkampfwaffen aus dem Arsenal ausgerüstet worden. Das machte Sinn, da das Bollwerk verloren wäre, würden die Dämonen das Tor erst einmal passiert haben, und die Verteidiger sich deshalb auf die äußersten Mauern beschränkten.
Mit Armbrüsten, Bögen und Schleudern bewaffnet bildeten die Soldaten eine waffenstarrende Wand auf den Zinnen, die noch von den weiter hinten stehenden Kriegsmaschinen überragt wurde. Thimris und Werns Gruppe hatten sich auf dem Wehrgang direkt über dem großen Tor postiert, um den Hauptangriff des feindlichen Heeres abzuwarten, das weiter auf sie zukam. Da die letzte Schlucht des Passes diese spitz zulaufende Tropfenform hatte, waren sie gezwungen sich in immer engerer Formation zu nähern. Als sie noch dreihundert Fuß entfernt waren ertönte das große Horn, das auf dem höchsten Turm stand und das Signal zum Angriff gab. Dann war eine Sekunde nichts zu hören außer dem scharfen Zischen der Pfeile und Bolzen. Der Hagel von Geschossen verdunkelte einen Moment lang die Erde, dass die Dämonen an der Spitze des feindlichen Ansturms wohl denken mussten, dass die Sonne gelöscht worden war. Es war das letzte, was sie dachten. Nur in Zehntausenden zu zählen stürzten die Geschosse auf sie zu und trafen ihr Ziel, so dass auf den ersten zwanzig Fuß nicht einer der Feinde überlebte. Doch schon nahte die zweite und dritte Salve der Fernkämpfer heran und auch die Magier auf den Wällen feuerten unablässig. Wo ihre Zauber trafen, brach die Erde auf und verschlang die Feinde, oder sie wurden von einem Feuersturm verzehrt. Andere lösten Stürme und Blitze aus, bis es schien als hätten sich die Elemente selbst gegen die dämonischen Angreifer verbündet. Von Anfang an zeichnete sich ab, dass die schreckliche Niederlage der ersten Schlacht hier nicht wiederholen würde. Durch die fliegenden Einheiten hatten sie zwar bereits einige Verluste erhalten, doch zählten die Toten der Nordländer schon in zehntausenden und wurden mit jeder Sekunde mehr.
Dann hatten die ersten Trupps des Gegners die Festung erreicht und brachen sich an den Mauern. Mit Absicht hatte der Feind diesmal nur die größten und kleinsten der Kreaturen in zweiter Reihe postiert, jene die klettern oder die Spitzen der Zinnen schon so fassen konnten. Doch die Verteidiger erfassten die Gefahr schnell genug. Thimris und seine Freunde löschten einen der Riesen nach dem anderen aus, während jene Männer, die man in Reserve gehalten hatte, gewaltige Felsbrocken über die Mauern schoben und Kessel von heißem Pech über den Angreifern ausgossen. Jene, die das überlebten, stürzten hernieder und verwundeten in ihrem Schmerz viele ihrer Verbündeten. Den ganzen Morgen kämpften die beiden Heere gegeneinander, ein Angriff folgte dem nächsten und Tausende starben.
Gegen Mittag erfolgte dann der entscheidende Angriff durch die Nordländer. Auch sie fuhren nun Belagerungswaffen auf. Die wohl Beeindruckendsten waren zwei Dutzend riesige Belagerungstürme, die in der Höhe die Krone der vordersten Mauer überragten. Thimris fragte sich zweifelnd, was der Feind wohl jetzt vorhabe; die meisten der Tonnen schweren, langsamen Gefährte konnten er und seine Freunde schon vernichten, bevor sie auch nur in der Nähe der Verteidiger kamen. Doch dann offenbarte sich die List der Nordländer. Noch zwanzig Meter vor den Mauern ließen die Männer, die bisher die Türme geschoben hatte, von ihrem vorhaben ab und rannten, nachdem sie ihre Gefährte in Brand gesteckt hatten, in die Linien ihres Heeres zurück, das nun kurz zu zögern und zurückzuweichen schien.
Wenige Sekunden später vergingen die Türme in riesigen weißglühenden Explosionen. Scheinbar waren sie mit alchemistischen Mitteln gefüllt gewesen, die aus den vorher majestätischen Waffen hundert Schritt hoch lodernde Flammen machte. Die Überreste zweier Holzkonstruktionen krachten brennend auf den Wall. An einer Stelle der linken Vorfestung jedoch hatten die Explosionen näher an der Mauer stattgefunden. Die Steine waren auf einer breite von achtizg Fuß zusammengesunken und die Befestigung wegen des Feuers verlassen. Dort griffen die Nordländer nun mit all ihrer Macht an. Die größten und stärksten hämmerten auf den geschwächten Abschnitt der Verteidigung ein, ohne sich um die Geschosse aller Art zu kümmern, die auf sie abgefeuert wurden. Obwohl vorher Hunderte der Wesen tot zu Boden sanken, brachen sie zuletzt doch durch. Die Dämonen brachen mit Urgewalt durch den großen Wall und begannen sofort im Vorhof der Anlage zu wüten. Die Verteidiger flüchteten panisch vor den scheinbar unbesiegbaren Gegnern hinter die zweite Mauer, von deren Spitze man auf den Wehrgang über dem Portal gelangte.
Thimris war klar, dass wenn sie auch diese Verteidigung verlieren würden, die Tore ungeschützt wären. Über die großen Treppen an der Außenkante des Tores, über die sie in die Vorfestungen gelangt waren, würden die Nordländer in die große Burg stürmen, bis auch der letzte Angreifer vernichtet wäre.
Doch er hatte nicht die Zeit sich darum zu kümmern, denn auf der Flucht hatte er seine Freunde verloren.
Entgegen der Soldaten, die um ihn herum alles versuchten, um sich rechtzeitig zurückzuziehen stürmte er wieder nach unten in den Hof zwischen den Mauern.

Gorn mit der Axt
28.11.2004, 15:46
Was er nun sah, würde er wohl nie mehr vergessen.
Ein Stück vor ihm rannten die letzten Männer verzweifelt auf das hinter ihm liegende Portal zu, quer durch das brennende Inferno, in das sich dieser Punkt der Mauer verwandelt hatte. Sie alle behinderten sich gegenseitig, taten alles, um den Dämonen, die sie verfolgten und einen nach dem anderen einholten, zu entkommen. Doch dann sah er zur Rechten einige Gestalten, die den Kampf noch nicht aufgegeben hatten. Jinda hatte die Gefahr schnell genug erkannt und seine Leute aus dem gefährdeten Bereich abgezogen. Doch nun waren sie zwischen den Klippen und der Nordlandarmee gefangen.
Dann waren die letzten Flüchtenden an Thimris vorbeigezogen und er stand praktisch allein vor den Nordländern, die sich sofort auf ihn stürzten. Einen Moment lang war er zu entsetzt, als das er sich rühren konnte, und diese Sekunde hätte ihn fast das Leben gekostet. Wie ihn Zeitlupe sah er, wie der nächste Dämon absprang und mit ausgestreckten Klauen auf ihn zu flog. Dann, mitten im Sprung, wurde er auf einmal bei Seite geschleudert. Eine der größeren Kreaturen hatte den verhassten Feind selbst fassen wollen und dabei nicht gezögert, einen ihrer Art anzugreifen. Doch gerade diese Aktion war es, die ihn rettete. Durch seine Gabe bezog er seine Energie aus dem ihn umgebenden Feuer. Dann umgab er sich mit einem Schutzschirm und stürzte sich in die Masse der Dämonen. Später wusste er nicht, wie er es überlebt hatte. Von allen Seiten schlugen die Wesen auf ihn ein, bespritzten ihn mit Gift und versuchten ihre Krallen in ihn zu schlagen. Doch keiner ihrer Angriffe erreichte ihn. Die Wirkung aber spürte er. Obwohl durch seinen Schirm geschützt, wurde er von einer Seite zur anderen geschleudert, in die Luft, zu Boden und einmal frontal gegen die Mauer, dass er spürte, wie seine Rippen knackten und ihm die Luft aus den Lungen gepresst wurde. Dann war er durch. Er lag auf einer freien Fläche, die von Jindas Männern hart umkämpft, das Auge in mitten des Sturms zu sein schien. Vorsichtig richtete er sich auf.
Bis auf ihre kleine Gruppe hatten sich alle Verteidiger in den Schutz der inneren Festung begeben. Nun brandeten die Nordländer das erste Mal ungehindert gegen das große Tor, einmal, zweimal, jedes Mal stärker als vorher. Dann brach das Tor auf. Unter dem massiven Ansturm mehrerer riesiger Dämonen barsten die starken Stahlriegel, die den Durchgang sicherten, das eisenbeschlagene Holz des Portals wurde eingedrückt und an mehreren Stellen durchbrochen. Ihres Sieges gewiss ließen die Angreifer Jindas Männer links liegen und wandten sich ab, um ihren Kameraden zu folgen, während sich die Südländer verzweifelt bemühten, die Feinde am Durchbruch zu hindern. Doch sie hatten den überlegenen Kräften der magisch geschaffenen Gegner nichts entgegen zu stellen. Meter für Meter des Tores wurden zerschmettert und mehr und mehr der Kreaturen aus dem Norden wanden sich hindurch. Der König gab Befehl sich auf dem Platz zu sammeln. Immer mehr Soldaten strömten von den Wällen herbei um ihren Mitstreitern beizustehen. Sie formierten sich in einem großen Halbkreis und nahmen das Tor unter Beschuss, darauf bedacht, keines der anstürmenden Wesen hindurch zu lassen. Die angreifenden Dämonen brachen unter dem Ansturm zusammen, doch die Lücken, durch die sie Verstärkung erhielten wurden mit jeder Sekunde größer.
Dann meinte Thimris, durch das Geschrei der Kämpfenden noch etwas anderes zu hören. Ein Laut donnerte durch die Schlucht, zuerst leise, dann ungeheuer laut. Aus abertausenden von Kehlen erklang der Ruf
„Imperius Rex“, der Kampfschrei des großen Südländerreiches, der an diesem Ort schon viel zu oft gehört worden war. Doch waren in dieser Sekunde keine Worte so sehnlich erwartet worden wie diese, den mit ihren Rufen erschienen auch die Veteranen des Imperialen Heeres. Zu Zehntausenden erschienen sie am Eingang des Passes und stürmten wie eine Flut auf ihre Feinde zu, um sich kurz vor der Festung mit ihren erschöpften Kameraden zu vereinigen. Diese, durch das Auftauchen der Verstärkung motiviert, durchbrachen die Reihen der wenigen Dämonen, die das Tor passiert hatten. Der König erkannte die Gunst des Augenblicks und ließ das zerschmetterte Tor öffnen. Im Nu rasten die Soldaten auf ihre Feinde zu. Jetzt schloss sich auch Jinda dem Ansturm an und wurde mitgerissen. Zusammen mit seinen Freunden und den Resten seiner Dekurie, kämpfte er in der ersten Reihe und konnte es gar nicht erwarten, auf weitere Feinde zu treffen. Die Unbarmherzigkeit der Dämonen hatte seine Erinnerung an die früheren Untaten wieder erwachen lassen, so dass er mit unwiderstehlicher Kraft auf seine Angreifer einschlug. Und nun war es an den Dämonen, sich zurückzuziehen. Sie wurden immer weiter in der Schlucht zurückgedrängt, bis auch sie es aufgaben. Zum ersten Mal seit Jahrhunderten waren sie auf einen Gegner gestoßen, dessen wilde Entschlossenheit ihren Hass auf die Menschen übertraf. Zischend und fauchend gaben sie Boden ab, wandten sich von den Wahnsinnigen ab, die sich ihnen hier entgegengestellt hatten und flohen.
Dann war die Schlucht leer.
Die Südländer hatten gewonnen.
Vorerst.

Gorn mit der Axt
30.11.2004, 16:56
Als Thimris am nächsten Morgen erwachte, konnte er sich an den gestrigen Abend kaum erinnern. Alles nach dem Kampf war durch die Euphorie über den Sieg und die Erschöpfung völlig verschwommen. Mit heftigen Kopfschmerzen stand er auf und suchte seine Freunde. Seine Geschwister fand er sofort. Wie er es erwartet hatte, schliefen sie noch immer, nur wenige Meter von ihm entfernt. Er brachte es nicht über sich, sie zu wecken und ging direkt weiter zum Lager des Königs, wo er auf Pirin und Jinda traf. Anders als sonst, schien die Leibwache des Königs sie heute nicht passieren zu lassen. Dann kam Thimris hinzu. „Gibt es hier ein Problem, Leutnant?“ Der trat verlegen auf der Stelle. Er wusste was für eine wichtige Rolle Thimris bei der Verteidigung gehabt hatte. „Es geht nicht gegen euch, Mylord, aber der König gab Befehl, niemanden durch zu lassen.“ Jinda zog scharf die Luft ein. „Hat er auch gesagt, warum?“ „Wegen dem Verhör an einem möglichen Spion der Nordländer dürfen nur der König und seine obersten Berater anwesend sein.“ Pirin schmunzelte. „Nach den letzten Tagen könnte man eigentlich meinen, dass wir dazu gehören.“ Mit einer Kraft, die man seinen schlanken Glie-dern gar nicht zugetraut hätte hob er den schwereren Soldaten hoch und schob ihn an die Seite, bevor er Jinda und Tim zuwinkte und das Zelt betrat. Dieser lachte in sich hinein. „Elben sind die nettesten Wesen die man finden kann, aber Unhöflichkeit scheinen sie nicht ausstehen zu können. Das werden wohl noch viele lernen, bis Pirin das Lager wieder verlässt.“ Mit diesem Gedanken trat er in das Dunkel des Zelts. Und zuckte zurück. Auf einer Holzbank in der Mitte des Raums lag ein Mensch in zerlumpter Kleidung, der sich unter Schmerzen hin und her wand. Das Hemd und die Haut am Rücken waren zerfetzt und hingen in blutigen Streifen herunter. Der Verursacher dieser Wunden war ein man in schwarzen Gewändern, der sich über den Gefangenen beugte und seine Peitsche immer wieder heruntersausen lies. Hinter dem Folterer standen Andraeis und ein sehr geknickt aussehender Ziordan. Aber gerade als Thimris zu ihnen gehen wollte, wurde er durch einen Schrei des Verletzten abgelenkt. Entgegen aller Erwartung zeugte er nicht von Angst oder Schmerz, sondern nur von glühendem Zorn und Wut. Dieser Schrei schaffte es zu offenbaren, was die zerfetzte Kleidung und die abgemagerte Gestalt verborgen hatten. „Allen!“ Dessen Augen zuckten zu Thimris herüber. Doch der Blick zwischen ihnen wurde unterbrochen, als der Wächter ein weiteres Mal zuschlug. Anstatt Allen schrie diesmal Thimris auf und noch bevor er wusste, was er tat, war von der Peitsche des Mannes nur noch ein verkohlter Griff übrig, die die Hand des Folterers versengte. Dieser stolperte verunsichert zurück und blickte zum König, der jetzt erzürnt auf Thimris zu marschierte. „Was hat das zu bedeuten? Wir sind gerade dabei diesen Spion zu verhören.“ „Nein, ihr seid dabei einen unschuldigen zu quälen.“ Thimris rang um Ruhe. „Dieser Mann war Oberster der Wachen in Ankohar. Er ist ein Freund Ziordans und hat uns geholfen aus der Stadt zu fliehen.“ Entgegen seinen Erwartungen lächelte der König zynisch. „Meint ihr die Flucht, bei der ihr wenig später von Wachen aus Ankohar aufgegriffen wurdet? Alle diese Dinge sind mir bekannt. Aber wie kommt es, dass gerade dieser Mann, der offensichtlich zweimal versucht hat, euch gefangen zu nehmen und behauptet von den Nordländern festgehalten worden zu sein, dass ausgerechnet dieser Eine von Tausenden von dort entkommen ist?“ Allen stöhnte. „Die Verräter versuchten mich nach Norden zu bringen, kurz nachdem Ziordans Freunde die Stadt verlassen hatten. Sie wollten sicher gehen, dass ich nicht entkomme und haben sich deshalb entlang des Heerlagers der Nordlandarmee bewegt. Doch als wir dieses erreichten waren die Dämonen in Aufruhr. Sie suchten eine Gruppe von Menschen und haben in der anbrechenden Dunkelheit meinen Transport mit ihnen verwechselt und uns angegriffen. Als die Wachen sich verteidigen mussten, habe ich die Gelegenheit genutzt und bin geflohen.“ Andraeis lachte. „Diese Geschichte erzählt er uns seit Stunden. Ein wenig unglaubwürdig, mitten im Lager der Nordlandarmee seinen Bewachern zu entkommen, findet ihr nicht? Vielleicht haben euch die Dämonen auch befreit und zu uns geschickt um zu spionieren.“ Nun griff auch Jinda ein. „Die Geschichte ist auch nicht seltsamer als irgendetwas, was uns in der letzten Zeit geschehen ist. Außerdem ist es doch ungewöhnlich für einen Spion, seine Gefangenen durch die eigenen Wesen angreifen zu lassen, so dass sie fliehen können, oder?“ Andraeis blieb stur. „Ich weiß das selber. Aber ich kann keinen möglichen Verräter gehen lassen, ohne ihn zu prüfen.“ „Nein, ihr könnt nur einen Mann auf einen Verdacht hin foltern, der uns gerettet hat.“ Thimris band Allen los, während der König langsam zurückwich. Damit die Situation nicht eskalierte beschloss Jinda einzulenken. „Anstatt uns hier zu streiten, sollten wir lieber beschließen, wie wir den Nordländern nun gegenübertreten.“ Doch Andraeis winkte ab. „Das brauchen wir nicht mehr. Wir haben die Dämonen in die Flucht geschlagen und unsere Befestigungen gehalten. Es besteht keine Notwendigkeit weiter nach Norden vorzudringen und sie zu verfolgen.“ Der König lächelte triumphierend, während Jinda verzweifelt zu verstehen versuchte, wie ein er die Lage nur so misserstehen konnte. Als dieser dann rot anlief und Pirins helles Lachen ertönte, merkte er, dass er laut gedacht hatte. „Majestät, bitte verzeiht mir, aber ihr schätzt unsere Situation völlig falsch ein. Die Nordländer haben bestimmt nur einen Bruchteil ihrer Truppen gegen uns ausgesandt und werden sicher bald mit Verstärkung zurückkehren. Der Zauber über den Toren dieser Festung ist gefallen, ebenso der große Wall, und es besteht kein Anlass zu der Vermutung, dass er innerhalb der nächsten paar Jahre wieder errichtet werden kann. Unsere Trup-pen sind erschöpft, verwundet und zahlenmäßig weit unterlegen, die Dämonen dagegen heilen schnell und brauchen keinen Schlaf. Wenn unser Sieg gestern etwas weniger vollkommen gewesen wäre, hätten sie vermutlich schon heute Morgen angegriffen." Thimris nickte bedrückt, während der König versuchte, sich mit einem Rest an Würde aus dem Gespräch zurückzuziehen. „Aber wir haben immer noch diese Festung hier. Auch ohne die Schutzzauber ist sie eine gute Verteidigung gegen die Dämonen.“ Jinda stöhnte in Gedanken auf. Wie konnte jemand nur so stur sein. „Ohne den Zauber nützt uns die Festung gar nichts. Normale Mauern werden den Dämonen niemals standhalten. Selbst wenn das Tor hält, werden die kleineren Wälle bald genommen werden, so dass sie uns in die Zange nehmen können. Wir können uns ihnen nicht stellen, auch wenn wir zehnmal so viele wären.“ Andraeis wollte etwas einwenden, doch Jinda schnitt ihm mit einer Bewegung das Wort ab. „Selbst wenn ihr diesen Pass hier halten könntet, werden sich die Dämonen an der Ostgrenze Markors nicht aufhalten lassen und uns in den Rücken fallen.“ Dann wurde es still im Zelt. Ziordan wandte sich leise an den König. „ Herr, was soll ich den Männern sagen? Was sind eure Befehle?“ Das Gesicht des Herrschers lag im Schatten. „Wir ziehen uns zurück.“ Jinda atmete erleichtert auf. „Wir lassen berittene Späher in der Schlucht zurück, um uns über das Fortkommen der Armee zu informieren. Wir beziehen vor Schloss Markor Stellung und evakuieren alle Dörfer, die wir passieren.“ Mit diesen Worten drehte er sich noch einmal um und funkelte Jinda und Thimris an. „Es war doch das, was ihr wolltet, oder?“ Thimris nickte sanft. „Danke, Majestät.“

Gorn mit der Axt
02.12.2004, 19:05
Während sich die anderen zum Aufbruch bereit machten, kümmerte Thimris sich um Allen. Nachdem dessen Wunden versorgt waren, unterhielten sie sich. „Als ihr aus der Stadt geflohen wart, ließ man mich gefangen nehmen und zum Palast bringen. Ich hatte gerade noch Zeit, euch meine Warnung zukommen zu lassen. Meine Vermutung über den Spion war richtig. Es ist ein niedriger Adliger, von dem niemand so recht weiß, wo er herkommt, der aber innerhalb des Palastes schnell an Einfluss gewann. Nach allem, was ich erfahren habe, muss ich annehmen, dass das Heer des Feindes sich schon in der Nähe der Stadt befand und man meinen Onkel, den Fürsten, damit unter Druck setzte. Ich kenne ihn. Um seine Untertanen vor dem Tod zu schützen würde er gewiss abdanken. Als der Spion mich dann traf, hat er es aber unterlassen mich auszufragen. Es schien, als wüsste er schon alles, deshalb denke ich, dass der Feind einen mächtigen Magier auf seiner Seite hat. Doch am meisten überraschte mich, dass eure Flucht ihn nicht im Geringsten zu stören schien. Er hatte geplant, dass ihr entkommt! Zuerst dachte ich er wolle euch später durch die Dämonen dingfest machen, denen er mehr vertraute, als den Soldaten, aber dann hätte er diese nicht ausgeschickt. Die einzige Möglichkeit die mir seitdem einfiel, wird dir nicht gefallen.“ Allen holte tief Luft. „Er wollte euch testen. Alles andere ergibt keinen Sinn. Er wusste, dass ihr über besondere Kräfte verfügt und wollte wissen, wie stark ihr seid und wie ihr in einer solchen Situation reagiert. Deshalb hat er auch zuerst die Wachen und dann die Dämonen geschickt. Ihr solltet an den Kriegern zeigen, was ihr könnt und dann je nach Ergebnis von den Kreaturen gefangen oder beseitigt werden.“ Allen schlug sich auf die Schenkel. „Aber der Test ging nach hinten los. Ihr habt anders gehandelt, als sie gedacht hatten und nur den Verbindungsmann betäubt, das erfuhr ich am nächsten Tag. Ihr habt die Testgruppe unversehrt gelassen und dafür diese Dämonenbrut vernichtet.“ Er lachte. Doch bald hatte er sich wieder beruhigt und wurde wieder ernster. „Durch ein Gespräch zwischen Ziordan und seinem Meister habe ich erfahren, dass eure Eltern vielleicht noch leben.“ Thimris nickte, war aber unfähig, etwas zu sagen. „Fimbrethil ist alt und erfahren, sein Verstand ist so scharf, dass der Wind daran in Fetzen geht. Ich wette, er wusste, dass ich sie belausche und wollte, dass ich es erfahre.“ Noch einmal zögerte er. „Thimris, ich möchte dir keine falschen Hoffnungen machen, aber dieser Test ist sehr ermutigend. Auch ich wurde über euch ausgefragt, ich musste alles sagen, was ich über euch wusste.
Offensichtlich will bei den Nordländern jemand in sehr hoher Stellung, wissen, was ihr in jeder möglichen Situation tun werdet, Jemand dessen Rang hoch genug ist, die Kampfhandlungen auf der Halbinsel nach seinem Belieben zu steuern. Es wäre möglich, dass diese Person wissen möchte, ob ihr bereit wärt, euch mit dem Leben eurer Eltern erpressen zu lassen.“ Thimris sackte in sich zusammen. „Aber ich kann doch nicht für den Feind kämpfen, um sie zu retten. Dadurch würden Tausende von Menschen sterben. Viele würden genau wie wir ihre Eltern verlieren.“ Er dachte an das zurück, worüber er mit Zirodan gesprochen hatte. „Warum sagst du das alles überhaupt? Du hast dich doch schon lange entschieden.“ Thimris fuhr herum. Hinter ihm stand Jinda an einen der Bäume gelehnt, die das Lager umgaben. „Die Entscheidung hast du doch bereits getroffen, als ihr die Nachricht des Magiers erhalten habt, dass eure Eltern noch leben könnten. Ich weiß nicht, ob sie noch leben, oder wie ich in deiner Situation handeln würde, aber dein Weg ist klar. Du bist der Stärkste von uns, der erste, der vielleicht über Sieg oder Niederlage des Imperiums entscheiden könnte. Diese Macht bringt auch große Verantwortung mit sich. Bei Logan oder Jaleel wäre ich nicht vollkommen sicher, dass sie es verstehen, aber bei dir schon.“ Er klopfte seinem Freund auf die Schulter. „Kommt. Das Lager wird in einer Stunde abgebrochen. Ihr wollt doch sicher nicht noch hier sein, wenn die Nordländer kommen. Die Späher haben es auch ohne euch schwer genug.“ Er grinste sie an und marschierte zu seinem Pferd. Thimris und Allen sahen sich an. Dann lachten sie und begannen zu packen.
Erst kurze Zeit nachdem die Soldaten abmarschiert waren, wurden sie in zwei Gruppen geteilt. Der erste, weitaus kleinere Teil machte sich auf den Weg nach Osten, um die Verteidigung zur Halbinsel hin zu verstärken und durch das Ausheben von Gräben den Sumpf bis an den Wald heran zu führen. Dieser reichte an einer Stelle bis auf zwei Meilen an den Wald heran, und dürfte es wohl schaffen, denn Vormarsch der Nordländer um mehrere Tage oder Wochen zu verzögern. Die Größere Gruppe, zu der auch Thimris und die anderen zählten, umfasste durch die Verstärkung durch die imperiale Armee inzwischen mehr als hunderttausend Mann. Diese marschierten nach Westen, am Nordrand des großen Waldes entlang, um den einzigen Weg hindurch zu versperren. Man nahm an, dass die dicht an dicht stehenden, jahrhunderte alten Bäume selbst die Dämonen extrem behindern würden, und diese den vermeintlich leichteren Weg nach Süden wählen würden.

Gorn mit der Axt
03.12.2004, 17:35
Der Weg bis zur schmalsten Stelle dieses Weges war zwar über zweihundert Meilen lang, ging aber durch offenes Gelände. Das Einzige, was das Fortkommen des Trupps behinderte, war das Evakuieren der nördlich gelegenen Dörfer. In Markor wimmelte es von kleineren Städten und Dörfern, so dass die Anzahl des Zuges schnell anwuchs. Außerdem musste die Geschwindigkeit immer weiter verringert werden, da sie auch Alte Menschen und Kinder mitzunehmen hatten. Viele der Dorfbewohner wollten auch ihre Häuser nicht aufgeben und weigerten sich mitzukommen. Diese Gebäude und ihr Inhalt waren alles, was sie hatten, und sie waren wild entschlossen sie zu verteidigen. Insgeheim bewunderte Thimris sie. Obwohl keiner von ihnen je einen Nordländer gesehen hatte und die Dämonen nur noch aus den schlimmsten Schauergeschichten kannte, waren sie nicht von ihrer Meinung abzubringen. Auch Thimris hätte lieber für seine Eltern und seine Heimatstadt gekämpft, als sich an den Ratschlag des Magiers zu halten, doch er musste sich um seine Geschwister kümmern, die den Gefahren damals noch hilflos ausgeliefert waren. Vielleicht lag es gerade daran, dass die Menschen ihre Einstellung in ihm wieder erkannten, dass ausgerechnet er sie dazu bringen konnte, sich dem Zug anzuschließen.
„Euer Kampf gegen die Dämonen ist aussichtslos. Ihr wollt euren geringen Besitz retten, weil eure Familien sonst mittellos sind? Dann rettet lieber sie, als irgendetwas anderes, was ihr eher entbehren könnt. Auch ich habe gesehen, wie die Nordländer kämpfen und ich weiß sicher, dass es möglich ist, sie zu schlagen. Aber dafür ist es nötig, dass wir zusammen kämpfen. Zugegeben, der Feind ist stärker und größer, hat mehr Soldaten und hat mehr Erfahrung im Krieg, aber ist das ein Grund, eure Hoffnung und eure Familien aufzugeben? Ich jedenfalls halte es für sinnlos, hier auszuharren und werde jedem so gut ich kann helfen, der sich entschließt mit uns zu kommen." Dies taten alle.
Jeder, ob Bauer oder Bürger, ob Schmied oder Soldat, fand sich in dem jungen Mann wieder, der sich für die Rettung ihres Landes einsetzte, und jeder wollte wissen, wer dieser Mann war, dem sie alle folgten. Von allen Seiten strömten Männer mit ihren Familien heran, aus den hundert wurden drei, vier, und fünfhunderttausend Menschen, die sich auf der Flucht vor dem gemeinsamen Feind zusammengeschlossen hatten. Ohne es zu wollen, war Thimris zum Symbol ihres Kampfes gegen die Nordländer geworden.
Doch die Versorgung einer solchen Menge machte den Marsch umso schwieriger. Niemand hatte mit einer so großen Zahl von Flüchtigen gerechnet, so dass der König den Soldaten am dritten Tag anordnete, in den umliegenden Wäldern auf Nahrungssuche zu gehen. Doch Thimris befürchtete, dass sich dieses Problem nur allzu schnell von selbst lösen würde. Schon seit Tagen meldeten die Kundschafter näher kommende Spähtrupps der Nordländer. Wenn die Dämonen sie nicht schon auf dem Weg einholen würden, käme es spätestens beim Durchgang durch den Wald zu einer Schlacht, die eine Vielzahl von Kämpfern nicht überstehen würde. Er erkannte genau, dass sie keine Möglichkeit hatten, als die Dämonen bei Rückzugsgefechten zu schwächen, aber was sollten sie tun, wenn sie erst im Kernland des Imperiums angekommen waren und sich nicht mehr zurückziehen konnten.
Jinda beobachtete seinen Freund. Er wusste, wie stark die Sorge um seine Geschwister, seine Eltern und all die anderen auf ihm lastete. Umso froher war er, als sie endlich die Passage erreichten. Völlig entgegen seinen Vorstellungen von einem breiten Waldweg, stießen sie einen fünf Meilen breiten Streifen freien Landes, voller kleiner Schluchten und Hügel, auf dem sie ihr Lager errichteten. Die nächsten drei Tage waren für Jinda die Erholendsten seit langem. Seine Verletzungen heilten schnell und ließen nur ein Muster schmaler weißer Striche auf der Haut zurück, die besonders Jeel ungemein interessant fand.
Als Jinda am vierten Tag erwachte, lag eine unheimliche Stille über dem Lager. Ihm war sofort klar, was das bedeutete. Er stand auf, bestieg den nächsten Hügel und sah nach Norden. Dort wimmelte eine schwarze, stachelige Masse von Wesen, die sich aus dieser Entfernung betrachtet zu einem einzigen ekelhaften Geschöpf zu verschmelzen schienen. In diesem Moment ertönte vom Nachbarhügel das laute Wachsignal der Späher, die die Dämonen wie er entdeckt hatten. Dann waren von allen Seiten Rufe zu hören, die Soldaten erwachten und griffen zu ihren Waffen. Langsam bezog die Armee des Imperiums hinter Jinda Stellung. Dann wandte er seinen Blick wieder den Nordländern zu und zog sein Schwert aus der Scheide.

Gorn mit der Axt
04.12.2004, 19:04
6. Logans Weg

Um Jinda herum sammelten sich die Soldaten.
Schwertkämpfer, Pikeniere und Bogenschützen nahmen ihre Positionen ein, um den Nordländern gegenüberzutreten. Anders als bei dem Angriff auf den Jeldin Pass, mussten sie diesmal auf breiter Front kämpfen.
Dann setzte sich das Nordlandheer in Bewegung. Wie eine schwarze Flut stürmte es auf sie zu, bereit sie alle unter sich zu begraben. Doch schon eine halbe Meile vor der Linie der inzwischen ebenfalls kampfbereiten Armee des Imperiums geriet der Vormarsch ins Stocken. Denn die Kämpfer auf Jindas Seite hatten dazugelernt. Schon beim ersten Angriff hatten die Nordländer demonstriert, wie wenig ihnen die Fallgruben und Spieße durch ihre gewaltige Zahl anhaben konnten, weshalb Jinda sich zusammen mit Thim-ris und dem obersten der Wachen schon vor zwei Tagen zusammengesetzt hatten. Aus diesem Grund war eine Anzahl von neuen Fallen konstruirt worden, deren Bau Oberst Darbor noch am selben Tag angeordnet hatte. Bereits beim ersten Zeichen eines Großangriffs waren Dutzende von Männern zu einigen langen Tauen geeilt, die am Rande des Lagers ausgelegt waren. Diese waren mit farbigen Bändern markiert, die den Männern während der Hektik der Schlacht das langwierige Unterscheiden ersparen sollten. Als die Männer die ersten Seile straff zogen, wurden mehrere hundert Meter entfernt die Bremsblöcke unter einigen gewaltigen Felsbrocken gelöst, die durch eine Neigung des Tales mit hoher Geschwindigkeit genau in die Masse der feindlichen Kämpfer donnerten. Nachdem sie dort viele der Dämonen zerschmettert und an Wucht verloren hatten, schoss Thimris starke Energiestrahlen auf sie ab. Diese ließen die Felsbrocken wie Granaten bersten und überschütteten die Nordländer mit einem Geschosshagel messerscharfer Splitter. Andere Schnüre ließen Lawinen aus Geröll und vielen Baumstämmen auf sie hinabstürzen und wieder andere einen unterhöhlten Hügel einstürzen. So kam es, dass die Nordländer, als sie endlich bei ihren Gegnern ankamen, viel mehr eine weitere Falle erwarteten, als die erfahre-nen Kämpfer des Imperiums. Diese griffen nun an. Die Bogenschützen hatten sich hinter einer doppelten Schutzreihe aus Fußsoldaten halbkreisförmig aufgestellt. Dann wurde die erste Salve abgeschossen, und fast alle Pfeile zielten auf die Mitte des Kreises ab, wo die Nordländer gerade verstärkt angriffen. Dort wo sich die Geschosse kreuzten, fielen hunderte der Dämonen, und der Vormarsch brach zusammen. Doch wo hunderte versagten rückten Tausende nach. Der Feind konnte es sich leisten Kämpfer zu verlieren, sei es einer, hundert oder zehntausend, denn die Größe des Heeres aus Dämonen Nordländern und Söldnern war immer noch unzählbar.
Diese Masse von Kriegern stürmte jetzt durch den schmalen, unebenen Durchgang gegen die Soldaten des Imperiums an.
Doch dieses Mal gelang es ihnen nicht durchzubrechen. Auch wenn die Armeen der Südländer weniger Erfahrung hatten, erhielten sie doch eine ausgezeichnete Ausbildung, die es ihnen möglich machte, den Nordländern standzuhalten, während sich die Magier und Bogenschützen die Mehrzahl der Dämonen bekämpfte. Diese Taktik schien aufzugehen. Auch wenn es kleineren Trupps häufig gelang, die vorderste Verteidigung zu durchbrechen, und die Verteidiger gezwungen waren, langsam zurückzuweichen, wiederholte sich das Desaster der ersten Schlacht nicht. Diese Mal waren sie nicht von der Angst vor den Dämonen kampfunfähig, die Bedrohung durch diese Kreaturen steigerte ihre Kraft nur noch.
Auf diese Weise ging die Schlacht den ganzen Tag lang weiter. Der Kampf wogte hin und her, und keiner Seite gelang es die Oberhand zu gewinnen. Gegen Abend ließ der Angriff ein wenig nach, doch als die Sonne unter-gegangen war, und die Dämonen ihre überlegenen Sinne nutzen konnten, starteten sie einen letzten Angriff.
Im ersten Moment waren die Südländer dem Ansturm hilflos ausgeliefert, da die Dämonen in der Nacht noch stärker und beweglicher schienen. Doch mit dieser List hatten die Magier gerechnet. Zusammen mit Thimris und den Elben hatten sie Zauber vorbereitet, den sie nun aktivierten. Den ganzen vorherigen Tag hatte Thimris sich mit Sonnenenergie aufladen müssen. Diese strahlte er jetzt in Form kleiner Kugeln ab, die er hoch über der Linie der Kämpfer schweben ließ, die sich ihm immer weiter näherte. Im Gegensatz zu sonst verströmten diese Kugeln keine Wärme, sondern vor allem Licht, das nun durch die vereinte Kraft der Magier hundertfach verstärkt wurde.
Der ganze Talkessel war nun mit strahlendem Licht erfüllt, heller noch als das der Sonne und der Vorteil der Dämonen ging verloren. Mehr noch, durch das helle Licht geblendet, gewöhnt an die dunklen Niederungen im Nordland und die nebligen Täler des Grenzgebirges, verloren die Kämpfer Urorkons immer mehr an Boden. Doch wie immer glichen sie jeden Nachteil allein durch ihre Zahl wieder aus. So dauerte die Schlacht anders als die anderen mehr als einen ganzen Tag, bis spät in den nächsten Morgen hinein.

Gorn mit der Axt
05.12.2004, 19:10
Jinda kämpfte zu diesem Zeitpunkt immer noch. Waren schon viele Kämpfer seiner Truppe gestorben und alle anderen aus den Augen verloren, hatte er nun genug damit zu tun selbst am Leben zu bleiben. Er war zu Tode erschöpft und fühlte sich wie erschlagen. Langsam wich er in die Reihe der Verteidiger zurück und bemerkte erst jetzt, wo er in Sicherheit war, seine Verletzungen. Er hielt den rechten Arm an den Körper gepresst, seit ein gewaltiger Dämon direkt neben zu Boden gestürzt war und ihn eingequetscht hatte. So hatte er das Schwert in die linke Hand wechseln müssen. Er starrte auf sein Waffe herab, die sich vor seinen Augen scharlachrot färbte, hatte ihm doch während des Rückzugs eine Kreatur den Arm tief aufgerissen, zu tief, es zu ignorieren. Also ging er zum Zelt der Heiler, das bereits überfüllt war mit Kämpfern des Imperiums, die zu schwer verletzt waren weiter zu kämpfen. Vom Kampf abgehärtet stellte er fest, dass er keinen Schrecken, sondern nur noch Trauer spürte, als er sah, dass wohl für die Hälfte dieser Männer jede Hilfe zu spät kam. Eine Stunde später ging er, mit einem dicken, schmerzenden Verband um den Arm wieder in Richtung Schlachtfeld. Konnte er schon nicht kämpfen, wollte er doch wenigstens die Reserve verstärken. So in den hinteren Reihen der Verteidiger stehend, sah er zu der Klippe, hoch über dem Talkessel in dem der Kampf stattfand. Dort stand Thimris, wie ein Turm vor seinen beiden Geschwistern, geschützt nur durch eine kleine Gruppe von Leibgardisten. Jinda bewunderte seinen Freund, der schon ebenso lange wie er gegen den Feind kämpfte und seine Horden mal um mal zurückschlug.
Er hatte auf ihrer Reise gesehen, wie sehr die längere Benutzung seiner Gabe Thimris schwächte, erkannte er doch gleich, dass sein Freund heute schon weit über den Punkt hinaus war, an der ein normaler Mann noch hätte weiter kämpfen, weiter stehen können und ohne die Energie seiner Geschwister schon lange hätte aufgeben müssen.
Doch auch Logan und Jeel sahen schon arg erschöpft aus. Wissend, dass sie ihm nicht mehr helfen konnten, trennte Thimris sich von ihnen und nahm den Kampf ein Stück entfernt von ihnen wieder auf.
Irgendetwas an diesem Bild störte Jinda, er konnte jedoch nicht feststellen, was es war. Beunruhigt verließ er die Reservisten und eilte hinauf zu seinen Freunden. Dort hielt nun auch Thimris irritiert im Kampf inne. Dann sah Jinda, was er zuerst mehr gespürt, als bewusst wahrgenommen hatte. In der Luft, vielleicht zehn Meter über Logan und Jeel flimmerte die Luft, schien fast zu pulsieren in einem Herzschlag, von dem er wusste, dass er nicht menschlich war. In diesem Moment rannte er los, unbewusst schon wissend, dass er nicht rechtzeitig ankommen würde. Durch einen schier ungeheuren Zufall blickte Thimris nun zu ihm hinunter und in seine Augen, erclickte dort die stumme Warnung und schaute sich suchend um. Hoch über Jinda hatte jetzt auch er die Gefahr erkannt und eilte zurück zu seinen Geschwistern. Auf halbem Weg zu ihnen sah Jinda, wie der Dämon seine Tarnung fallen lies. Logan stellte sich schützend vor seine Schwester, fast unverwundbar dank des Felsens unter ihm. Doch das schien auch der der angreifenden Kreatur klar zu sein, denn anstatt ihn zu attackieren, schleuderte sie ihn an die Seite und wandte sich seiner Schwester zu. Kurz bevor es sie erreichte warf sich Thimris dazwischen und lies einen Feuerball explodieren, dass die ganze Klippe zu erbeben schien. Jeel wurde an den Fuß der Klippe geworfen und blieb nbeweglich liegen. Er selbst, dabei an den Rand der Klippe zurückgezogen, wurde vom Dämon, der, was an sich unmöglich schien, immer noch lebte und nun, schwer angeschlagen, wieder versuchte aufzusteigen, beiseite gestoßen, taumelte und fiel von der Klippe, geradewegs in die Schlacht unter ihm. Jinda, gerade bei Jeel angekommen, hatte keine Zeit sich um seinen Freund Gedanken zu machen, denn der geflügelte Dämon über ihm, ganz eindeutig durch starke Magie geschützt griff schon wieder an.
Im Glauben, er sei der schwächere Gegner wandte es sich an Jinda, der gerade an der Klippe angekommen war.
Zusammen mit den auf der Anhöhe postierten Wächtern, schlug er auf das Wesen ein, doch der Kampf schien aussichtslos. Anders als die anderen Dämonen, gegen die er bereits gekämpft hatte, war dieses Wesen nicht riesig, unglaublich stark oder gepanzert, sondern einfach nicht ernsthaft zu verwunden. Alle seine Verletzungen heilten durch irgendeine Magie des Feindes in Sekunden, während die Männer, die Jinda halfen, den übermächtigen Feind in Schach zu halten, ständig weiter dezimiert wurden. Schließlich stand Jinda allein. Obwohl er noch erschöpfter war, als zuvor, bewegte er sich mit unglaublichem Geschick und wich den Attacken der geflügelten Bestie immer wieder aus. Einmal schaffte er es mit einem blitzschnellen Schlag, dem Ungetüm eine tiefe Wunde am Arm zuzufügen, die bis auf den Knochen ging. Als der Angriff deshalb für ein paar Sekunden abbrach, dachte er verzweifelt darüber nach, wie er diesen Feind bezwingen konnte, der doch unbesiegbar schien. Er musste an einen Ratschlag seines Vaters denken, der besagte, dass in der Stärke eines jeden Gegners auch sein Schwachpunkt begründet lag. „Aber wie kann die Fähigkeit der Selbstheilung eine Schwachstelle darstellen?“ fragte er sich.

Gorn mit der Axt
06.12.2004, 17:04
Da kam ihm eine Idee. Er wusste nicht ob sein Plan gelingen würde, aber doch, dass er für einen zweiten keine Gelegenheit mehr haben würde. Er spannte die Muskeln an, stieß sich vom verbrannten Erdboden ab und sprang auf den Dämon zu. So schnell und stark wie er nur konnte, schlug er immer wieder auf den Brustkorb des Monsters ein. Zuerst sah es so aus, als würde er scheitern, denn jede Wunde die er ihm beifügte schloss sich durch den Zauber rasend schnell. Doch Jinda hatte gewusst, dass es so einfach nicht gehen würde. Ohne auf seine Deckung zu achten trat er näher an seinen Feind heran und trieb ihn mit dem Rücken gegen einen Überhang. So seiner Luftüberlegenheit beraubt drängte der Geflügelte vor, um der Falle zu entgehen, doch Jinda schlug nur immer schneller und schneller auf ihn ein, bis es aussah, als sei er von einem Mantel aus Stahl umgeben, den nichts durchdringen konnte. Der Dämon versuchte, Jinda anzugreifen oder wenigstens seinen Attracken zu entkommen, aber es delang ihm nicht, ihn durch das Netz, dass Jindas Schwert wob, zu erreichen.
Wieder und wieder traf seine Waffe auf die gleiche Stelle über dem Herzen seines Feindes, bis er die Wunden rascher zufügte, als der Zauber vermochte sie zu heilen. Nun blitzten unter seinem Schwert blaue Flammen hervor, die den Kampf der beiden Magien zeigten, bis sie beim nächsten Schlag mit einem unerträglich hohen Klirren in abertausende glühende Funken zersprangen. Jinda riss den Arm zurück und legte seine ganze Kraft in einen senkrechten Schlag über den Kopf. Der magische Stahl durchdrang die steinharten Knochen der Kreatur und spaltete seinen Schädel, mit einem Geräusch, dass sich jedes Haar an Jindas Körper sträubte, bis zu den unteren Nackenwirbeln. Plötzlich schien der Lärm der Schlacht unter ihm tausendmal so laut wie zuvor, hatte er sich doch so auf den Kampf kon-zentriert, dass er alles um sich vergessen hatte. Unter ihm drohten die Dämonen die Stellungen des Imperiums endgültig zu überrennen. Da Thimris Kräfte den Feind nicht länger schwächten, stürmte dieser nun unaufhaltsam los und drängte dabei die Verteidiger zurück oder seitlich in den Wald. Taumelnd richtete Jinda sich auf. Nur mit großer Anstrengung gelang es ihm, den Einhänder überhaupt frei zu bekommen, dann trat er an den Rand der Klippe und half Jeel, die durch den großen Kraftverlust fast ebenso erschöpft wie er und der Ohnmacht nahe war. Jinda richtete seinen Blick noch einmal auf das verlorene Schlachtfeld unter sich. Er wusste ohne Zweifel, dass das Heer aufgerieben würde, müsste es hier noch länger ausharren. Mit den Gedanken bei denen, die durch seine Entscheidung sterben würden, hob er seine Waffe. Dann schossen aus seiner Klinge zwei Feuerbälle, einer mitten in das vorstürmende Nordlandheer, der andere über die Köpfe seiner Mitstreiter. „Rückzug!“

Gorn mit der Axt
07.12.2004, 19:15
Um Logan herum waren Rauch und Feuer. Die Stadt aus Zelten, die die Armee des Imperiums tags zuvor so sorgsam als Lager errichtet hatte, war in Flammen aufgegangen. Logan wusste nicht, wo seine Geschwister oder Freunde waren. Nachdem das Wesen, das sie angegriffen hatte, ihn traf, war er trotz der Schwere absorbierten Granits bis an den Fuß des Hügels geflogen und zu den ersten Bäumen des angrenzenden Waldes gerutscht. Er lief einige Minuten orientierungslos durch den dichten Wald. Ein paar mal war er auf Dämonen getroffen, hatte er die kleineren Exemplare, die den Wald aus eng stehenden Bäumen passieren können, gefahrlos beseitigen können. Dann hatte er endlich eine Spur der Soldaten gefunden.
Er rannte einem ergrauten Veteranen hinterher, den die Hauptgruppe der Flüchtenden wohl abgehängt hatte.
Obwohl er diesen erst vor wenigen Augenblicken bemerkt hatte, war der erfahrene Soldat jetzt schon einem der Angreifer zum Opfer gefallen. Jäger und Opfer rangen kurz miteinander und verschwanden dann in der Dunkelheit. Logan mühte sich nun ab, immer an der Flanke der Klippe zu bleiben, auf dem sie noch kurz zuvor Stellung bezogen hatten. Auch wenn er durch seine Fähigkeiten nur schwer zu verwunden war, hatte er doch auf dieser Reise gelernt, dass es einige Wesen gab, die es durchaus mit ihm aufnehmen konnten.
Gerade dachte er daran, wie sehr sich besonders Thimris über seine, zugegebenermaßen etwas späte, Einsicht freuen würde. Aber sein Bruder war nicht hier. Er war allein, Thimris vielleicht verletzt oder sogar tot. Schluchzend lehnte er sich an einen Baum. Er brauchte einen Moment Ruhe. Den bekam er auch, aber anders als er dachte. Plötzlich war alles still. Die flüchtenden Streiter und ihre Verfolger waren weiter gezogen, oder er war zu weit in das Herz des Waldes eingedrungen, als dass er sie noch hätte hören können. Logan horchte auf jedes Geräusch, hörte aber nichts als seinen eigenen Herzschlag. Als er aufbrach, beschloss er sich südwärts zu halten. Er wusste von den Lagebesprechungen, welche Pläne für einen Rückzug vorgesehen waren. Er hielt sich auf seinem Weg immer am Waldrand, um außer Sicht des Nordlandheers zu bleiben, das nicht weit vor ihm sein konnte. Insgeheim bewunderte er die Kraft, die die Kreaturen aufbrachten, das Ziel das zu erfüllen sie erschaffen waren, zu erreichen. „Wenn man bedachte, wie schnell sie uns immer wieder eingeholt haben, müssen sie wo-chenlang fast ohne Rast gelaufen sein. Der Hass in ihnen brennt stärker, als Hunger oder Müdigkeit es jemals könnten!“
Als es zu dunkel wurde, weiter zu marschieren, schlug Logan sein Lager innerhalb eines kleinen verwüsteten Wachturms auf, der nur wenig abseits der ersten Bäume lag. Früher musste er dazu gedient haben, die Straße von Banditen frei zu halten, oder die Heerzüge des Königs mit Ausrüstung zu versorgen; bevor die Dämonen ihn niedergerissen hatten. Von dem gut gebauten Turm waren nur noch das Erdgeschoss und ein kleiner Kellerraum zu sehen, dessen Decke eingestürzt war, obwohl Logan an der Bauweise erkannte, dass die Zinne vormals dreimal so hoch gewesen sein muss. Im Dämmerlicht des Abends tastete er sich über den steinernen Boden. Nach einiger Zeit der Suche fand er, worauf er gehofft hatte. Ähnlich den Mauern und Wehren in seinem Heimatland, verfügte dieses Gebäude über einen winzigen Kriechkeller, noch unter dem eigentlichen Untergeschoss, der für Notzeiten gedacht war und nur Platz für wenige Personen bot. Vorsichtig stieg Logan durch die Bodenluke. Diese war so kunstvoll in die Steine des Unterbaus eingearbeitet, dass es kein Wunder war, dass die Nordländer sie nicht entdeckt hatten. Er sah sich kurz in dem kleinen Zimmer um. Außer zwei in die Wand eingearbeitete Alkoven enthielt er nur eine kleine fest gezimmerte Truhe mit einem schweren, gusseisernen Schloss, das Logans Fähigkeiten jedoch nicht lange Widerstand leistete. Ein kurzes Messer, eine Wolldecke, ein Krug Wasser und ein paar Stücke altes Brot, die noch halbwegs genießbar schienen, waren alles, was er fand. Dennoch lächelte er bei seinem Fund, auch wenn die Freude bitter schmeckte. Hatte er doch nichts bei sich, als das, was er an seinem Körper trug, war er über jedes bisschen nutzbare Ausrüstung froh, die er kriegen konnte.
Ein wenig beruhigt legte er sich auf die Holzbohlen der Schlafnische und wickelte sich fest in die Decke. Trotzdem fror er jämmerlich. Obwohl der Wind ihn nicht erreichen konnte, ließ die Kälte die Luft im Raum erstarren. Logan dachte an jenen Tag zurück, an dem Caladar angegriffen worden war. Der Angriff, die Flucht, das Treffen mit den Elben, Ankohar und die Fahrt über den See. Wie sie gekentert und gefangen worden waren. Das Treffen mit den Herrschern, die Vernichtung des Drachen und die Schlacht am Jeldin-Pass. Jetzt, als er an all diese Ereignisse zurückdachte, schien es Logan unglaublich, dass er noch vor vier Monaten mit seinen Eltern gegessen und gesprochen hatte, durch Caladar gewandert war und mit seinen Freunden Unsinn gemacht hatte.
An dieser Stelle blieben seine Gedanken hängen, auch als er die Augen schloss, die Kälte vergaß und endlich einschlief.

Gorn mit der Axt
08.12.2004, 18:47
Fraladruin Kelar 3918
Der Krieger hob seine Waffe mühsam ein weiteres Mal hoch, er glaubte nicht, dass schon einmal einer seines Stammes, seines ganzen Clans einen derart schweren Kampf ausgetragen hatte. Sein Helm und seine Rüstung aus Leder und Eisen lasteten auf seinen Schultern und zogen ihn zu Boden. In dieser Situation wünschte er sich er hätte seine Initiationswaffe schon erhalten, jene Klinge, die einen Stammes oder Clanskrieger sein ganzes Leben über begleitete. Mit einer geschwinden Bewegung wehrte er eine Attacke seines Feindes ab. Er wusste, dass er nicht mehr viel Zeit hatte, fasste er seine Axt fester und schlug mit aller Kraft auf seinen Gegner ein.
Der Arm der Vogelscheuche brach mit einem trockenen Knacken und fiel auf die gefrorene Erde.
Erschrocken schreckte Fraladruin aus seinen Tagträumen auf, warf die Forke bei Seite und machte sich daran, den Schaden zu reparieren.
Doch da ertönte schon die Stimme seines Großvaters. „Frald! Verflixter Junge, was hast du denn jetzt schon wieder angestellt?“ Ehrerbietig erneigte sich Frald vor seinem Großvater. Er war es gewohnt, nicht bei seinem Männernamen angesprochen zu werden, denn seine Initiation hatte noch nicht stattgefunden. Deshalb musste er dem alten Mann mit höchstem Respekt begegnen. Igmar Dra Valun, der Gundurtöter, wie er früher genannt wurde, war schließlich früher einer der größten Führer ihres Stammes gewesen, dazu noch lange Jahre der Schild des Clan-führers.
Der Alte hatte seinen Enkelsohn inzwischen erreicht. Tadelnd und streng blickte er auf die kaputte Vogelscheuche und die dreckige Forke herab. Zwischen beiden kniete der gerade achtjährige Krieger wie ein Häufchen Elend im gefrorenen Schlamm. Igmar knurrte und zog ihn an der Schulter wieder auf die Füße. Trotz seiner achtundsechzig Jahre, die ihm Jehran vergönnt hatte, war er immer noch groß und breitschultrig, auch wenn er inzwischen gebeugt ging und die meisten seiner gleichaltrigen Freunde schon die letzte Reise ins Feuer angetreten hatten.
Höchster, was sollte er nur mit diesem Jungen anfangen? Er hgoffte, dass Jehran ihm Geduld schicken würde, dessen mangelte es ih trotz seines reifen Alters immer noch am meisten.
„Beim Clan, Junge, nun steh schon wieder auf. Ein Krieger der Stämme kniet nicht den ganzen Tag im Schlamm herum.“ Brummte er. „Jetzt komm mit ins Zelt, dein Bruder hat doch jetzt gleich sein Ritual, Hriss wäre bestimmt sehr enttäuscht, wenn du nicht dabei wärst.“ Das Gesicht des Jungen hellte sich auf. „Wirst du vorher wieder von den Kriegen erzählen und von deinem Kampf gegen den Gundur und die drei Stämme?“ Igmar lachte schallend. „Diese Geschichten kennst du doch inzwischen besser als ich.“ Sein Enkel starrte ihn groß an.
„Werde ich auch ein Clanskrieger werden wenn ich alt genug dazu bin?“
Das Lächeln seines Großvaters schwand und der Junge befürchtete etwas Falsches gesagt zu haben. Doch der Stammesälteste beruhigte ihn. „Du wirst bestimmt ein starker Krieger und wenn du so gut bist wie dein Bruder, dann wirst du bestimmt auch eines Tages bei den Clanskriegern aufgenommen werden.“ Fraladruin strahlte. Sein Großvater aber war besorgt. Der Junge war viel zu begeistert bei der Aussicht eines Tages für seinen Clansführer sterben zu dürfen. Doch in den letzten Jahren waren fast alle so, seit verlautet worden war, dass Urorkon einen weiteren Krieg gegen die Südländer beginnen würde, waren alle von der Aussicht gefesselt Beute und Ruhm für ihren Stamm zu erwerben.
Er hatte mehr Hoffnung in Hrissmar gesetzt; der ältere seiner drei Enkel schien besonnener als sein Bruder oder sein Vetter, er hätte ein würdiger Nachfolger für Igmar werden können, wenn er ins Feuer gehen würde.
Doch der Träger des Amtes musste sowohl über Weisheit als auch über Erfahrung verfügen, vor allem durfte er keinen Hass gegen eines der beiden Völker in sich tragen. Doch wen sollte er auswählen.
Seine vier Söhne waren alle im letzten Clanskrieg gegen die Drirsmänner gefallen, Hrissmar würde sich dem Clansführer selbst verpflichte und würde seinem Eid Folge leisten müssen. Drorbar war zwar ein starker Krieger, aber ihm fehlte der Geist für eine solche Aufgabe. Wie jedes Mal seit Hrissmar seine Entscheidung verkündet hatte fiel ihm auch diesmal keine Lösung ein. Ihm blieb nur Frald, der Träumer der Familie, dazu noch ein begeisterter Bewunderer der Clanskrieger. Er spielte mit dem Gedanken das Amt vielleicht einem der anderen Jungen aus dem Stamm zu übergeben, aber sie würden nicht verstehen, was er da von ihnen verlangte, sie waren gar nicht in der Lage dazu.
Er schickte seinen Enkel vor zum Stammeszelt in der Mitte des Dorfes. De graurote Rauchwolke, die nun aus dem Rauchabzug des Lederzeltes quoll, bedrückte ihn, sie zeigte ihm, dass der hoffnungsvollste Anwärter auf sein Amt gerade in diesem Augenblick den Schwur der Clanskrieger abgelegt hatte.

Gorn mit der Axt
09.12.2004, 18:47
Das erste, was er am nächsten Tag wahrnahm, war der Regen, die mit lauten Schlägen gegen die Scheiben seines Zimmers klopfte. Einen kurzen Moment rangen Traum und Wirklichkeit miteinander.
Dann erinnerte er sich jedoch, wo er war und erkannte in dem Pochen, das er gehört hatte, schwere Stiefel, die über den Boden des Turmes liefen. Mit einem Schub wurde er völlig wach. Er wusste nicht, wer da über ihm herumlief, aber das Wahrscheinlichste war, dass es sich um einen oder mehrere Nordländer handelte, die das Gebiet sicherten, das ihre Armee erobert hatte. Die Möglichkeit, dass es Überlebende des gestrigen Kampfes waren, schätzte er äußerst gering ein. Auch wenn es bestimmt einigen gelungen war, den Krallen der Dämonen zu entrinnen, würden diese Männer sich sofort tief in den Wald geflüchtet haben, anstatt sich dem Risiko der Entdeckung in der Nähe der Straße auszusetzen. Jeder Streiter des Imperiums hatte die schmerzliche Erfahrung machen müssen, dass selbst die geringeren Dämonen einem einzelnen Kämpfer weit überlegen waren, handelte es sich nicht um einen überragenden Kämpfer oder Magier. Vorsichtig verließ er seinen Schlafplatz und näherte sich der Falltür. Er hob sie einen winzigen Spalt an und horchte gespannt nach oben. Ja, jetzt hörte er mehr, die gedämpften Rufe von Männern und die Laute von Pferden. Viel näher aber hörte er immer noch die lauten Schritte, die er zuerst bemerkt hatte. Der Schreck fuhr ihm in die Glieder, als er bemerkte, dass der Erzeuger dieser Töne mit ihm in einem Zimmer war. Mit dem Rücken zu Logan verdeckte er die Treppe, die nach oben führte. Durch das von oben einfallende Morgenlicht konnte Logan aber nicht sicher sein, wer der Mann war, der hier so unbefangen herumspazierte, sah er doch nicht mehr als einen vagen Schatten.
Zu Überlegungen hatte er aber keine Zeit, denn seine von der Wanderung verschmutzten Schuhe glitten auf den feuchten Sprossen der Leiter ab und gaben ein leises Quietschen von sich. Seine Dummheit verfluchend ließ Logan die Klappe sofort wieder herunter, wusste aber, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis der Unbekannte die Ursache dieses Geräusches aufgespürt hätte. Nur wenige Augenblicke waren die derben Stiefel auf der Stiege zu hören, die unter dem Gewicht des Mannes ächzend protestierten. Dieser wandte sich vorsichtig von der Leiter ab und erkundete den dunklen Raum vor sich. In diesem Moment sah er etwas am Rande seines Gesichtsfeldes entlang huschen und trat unwillkürlich zu. Diese Ratte würde nirgendwo mehr hingehen!
Dann sah er die Spuren des nächtlichen Besuchers und stürmte nach einem kurzen Moment der Überraschung die Treppe hinauf. Sein Lauf endete an der Falltüre, als er auf einmal von hinten einen Schlag auf den Kopf erhielt.
Zitternd richtete sich Logan wieder auf. Er wusste, der Mann hätte ebenso gut ihn zertreten können, als er sich in Gestalt der Ratte im Schatten versteckt hatte. Eilig durchsuchte er den Bewusstlosen. An Art und Form von Kleidung und Waffen glaubte er in ihm einen Nordländer zu erkennen.
Als Logan hörte, wie die Geräusche von oben nun lauter wurden, überlegte er sich, dass man den Krieger, den er niedergeschlagen hatte bestimmt suchen würde. Doch auch nach einigem Nachdenken fiel ihm nicht ein, was er tun sollte. Wenn er versuchte, sich in seiner oder einer anderen Gestalt zu verstecken, würden die anderen Männer ihren Kameraden entdecken und die Umgebung genau absuchen. Ihre Reaktion in einem solchen Fall war einfach zu unberechenbar. Es könnte sein, dass sie einige der Dämonen zu Hilfe holten, von denen er bestimmt schnell gefunden würde, oder sie könnten den Turm auch einfach abbrennen. Wenn er etwas möglichst hartes absorbierte und an ihnen vorbei floh, wäre ihm in wenigen Minuten die Hälfte aller Kreaturen des Nordlandes auf der Fährte. Recht betrachtet gab es für ihn nur eine wirkliche Möglichkeit dieser Falle zu entkommen, obwohl sie auf ihre Art auch die gefährlichste wäre.
Viel Zeit zu entscheiden blieb ihm nicht, denn schon hörte er knirschende Schritte auf dem steinigen Boden vor dem Turm. Rasch übernahm er das Muster des Spähers und nahm ihm seine Kleidung ab. Kaum hatte er ihn dann in den Fluchtkeller gesperrt, eilte er auch schon zur Treppe nach oben. Dort wurde seine Befürchtung bestätigt. Etwa vierzig Meter von den Fundamenten des Turms entfernt hatte eine Gruppe von vielleicht drei dutzend wild aussehenden Kerlen ihr Lager aufgeschlagen. Die meisten saßen in Decken gehüllt um ein kleines Lagerfeuer herum, andere standen am Rand des Lagers und hielten ihre Waffen griffbereit. Als sie ihn sahen, entspannten sie sich jedoch ein wenig. Er kam vorsichtig näher, immer bereit, sofort in den Wald zu rennen, wenn einer von ihnen angriff. Doch er passierte die Postenreihe ohne Zwischenfall, zuerst die in der Nähe des Turmas, dann eine kleinere direkt um das Lagerfeuer. Logan musterte die Krieger noch einmal und trat dann langsam an den Rand des Feuerscheins. Die anderen beachteten ihn kaum, doch es gab auch viele, die ihm eindeutig fragende Blicke zuwarfen. Zitternd bemühte er sich um Ruhe und zuckte mit den Schultern, eine Geste, die, wie er hoffte, auch im hohen Norden überall gleichbedeutend war. Offensichtlich verstanden ihn die Männer wirklich, denn die meisten wandten sich nun von ihm ab und schenkten ihre Aufmerksamkeit wieder ihren Getränken. Logan zuckte kurz zusammen, als er von einem von ihnen einen Krug in die Hand gedrückt bekam, fasste sich jedoch schnell und nickte seinem Gegenüber zu. Unentschlossen, was er als nächstes tun sollte, nippte Logan an seinem Becher. Der Inhalt floss wie Feuer durch seinen Rachen und reizte ihn zum Husten, den er jedoch krampfhaft unterdrückte. Tatsächlich spürte er, wie ihm langsam warm wurde, ein Gefühl, an das er sich in den letzten Tagen fast unwirklich erinnert hatte.

Gorn mit der Axt
10.12.2004, 17:59
Von Wärme und Müdigkeit übermannt, registrierte er kaum, wie zwei der Nordmänner leise miteinander sprachen. Nur unbewusst bemerkte er, was ihm erst nach einigen Minuten völlig klar wurde. Er verstand, was die beiden Männer sagten, wenn auch zuerst nur ein paar Wörter und Ausdrücke, die anscheinend einen gemeinsamen Ursprung aus der Zeit vor den Bruderkriegen hatten. Seit er das erste Mal gegen die Menschen gekämpft hatte, die hinter dem Grenzgebirge lebten hatte er nie etwas anderes gehört, als vereinzelte Schreie in der Schlacht, die ihm im Lärm des Kampfes unverständlich geblieben waren. Bei diesen Männern aber konnte er erkennen worüber sie sprachen. Zugegeben sie sprachen viele Worte anders aus, als er es gewohnt war und manchen Teilen des Gesprächs konnte er kaum folgen, aber nach mehreren Minuten hätte er ohne große Probleme den Inhalt des Gesagten wiederholen können.
Nach dem, was Logan sich zusammenreimte, gehörte dieser Trupp, wie er vermutet hatte, zu einer Nachhut, die das Gebiet sicherte, das die eigentliche Armee erobert hatte. Seitdem sie über den Jeldin-pass nach Süden gekommen waren, folgten sie dem Heer als Reservisten und sorgten dafür, dass Flüchtlinge wie Logan nicht lange überleben und sich zu Gruppen sammeln konnten. Deshalb hatten sie auch den Turm durchsuchen lassen.
Während die beiden Krieger miteinander sprachen musterte Logan sie ganz genau. Wie die anderen Männer des Trupps waren sie größer als der normale Südländer, und wesentlich breiter. Die Haut ihrer Gesichter war zerfurcht und ausgegerbt von Wind und Sonne. Anders als die anderen trugen sie keine einfache, abgetragene Kleidung sondern gute, feste Rüstungen aus dickem Leder mit festgenieteten Stahlplatten. Auch wenn Logan ihre Waffen nicht sehen konnte, sah er doch, dass die Schwertscheiden dieser zwei gut gefertigt und verziert waren, wenn auch von langem Gebrauch und Kampf abgenutzt. Offenbar waren es die Anführer der Gruppe. Logan war so sehr in die Betrachtung der beiden vertieft, dass er ihre letzte Bemerkung fast überhört hätte. Sie redeten über ihr weiteres Vorgehen. Logan spitzte die Ohren. Auch wenn die Anführer zu wissen glaubten, dass keiner der Feinde in der Nähe war, befanden sie sich doch auf dem Boden des Imperiums, eine Tatsache, die sie trotz allem noch zu beunruhigen schien. Deshalb sprachen sie sehr gedämpft und er musste sich anstrengen, um dem was er hörte überhaupt einen Sinn zu geben. Doch es gelang ihm nicht, sich weiter darauf zu konzentrieren, denn ein anderes Geräusch lenkte nun seine Aufmerksamkeit auf sich.
Dann war in der Nacht ein leises, aber ständig lauter werdendes Rascheln zu hören. Unruhig zogen die Wachen ihre Schwerter und auch die Männer im Lager standen auf. Mit der Zeit wurde das Geräusch deutlicher und schwoll an, bis man aus dem anfänglichen Knacken auch das Bersten von Zweigen und Ästen hören konnte, die unter großem Gewicht brachen. Die Männer drängten sich näher aneinander und zur Mitte des Lagers hin. Sie flüsterten leise und, wie es Logan schien, furchtsam miteinander doch einige von ihnen waren mutiger, griffen sich schwere Äste aus dem Lagerfeuer und warfen sie als Fackeln an den Rand der Lichtung.
Dort war das unbekannte Wesen nun zum Halten gekommen. Am Anfang konnte man nur seine Silhouette erkenne, doch dann verbreitete sich das Licht der Fackeln und beleuchtete das Gesicht des Reiters flackernd.
Logan, der in zweiter Reihe der Männer stand sah zwischen den anderen hindurch und erblickte einen Dämon, einen Abgesandten Urorkons, der halbwegs menschenähnlich aussah. Der Dämon war etwa normal groß, aber extrem schmal gebaut und hatte Arme, die ihm bis zu den Knien reichten. Glücklicherweise war er in einen weiten dunklen Kapuzenumhang gehüllt, der weitere Einzelheiten verbarg. Doch wesentlich gefährlicher als der Reiter war sein Ross. Es handelte sich um einen halb ausgewachsenen Gundur, der trotz seines Alters bestimmt schon über zwanzig Fuß maß. Mit einem Sprung, bei dem alle Männer zusammenzuckten, stieß der Dämon zu Boden und ging dann in merkwürdig langsamen, aber zugleich ruckhaften Schritten auf sie zu.
Insgeheim wunderte Logan sich, dass auch die Nordländer eine so instinktive Angst vor diesen Bestien zeigten, obwohl diese doch von ihnen mittels schwarzer Magie erschaffen worden waren. Dann dachte er aber daran, dass ein Großteil dieser Männer wohl, wie die Fußsoldaten fast jeden großen Heeres, einfacher Herkunft war und wohl nur selten mit diesen allein für den Krieg geschaffenen Kreaturen zusammentraf.
Als der Dämon den Rand des Lagers erreicht hatte, zog Logan sich unauffällig zurück, um nicht aufzufallen. Er rechnete damit, dass die allgemeine Aufregung über die Ankunft dieses Wesens von ihm ablenken würde. Dann blieb der Dämon, der sich weiter genähert hatte, vor der Gruppe stehen. Mit einem deutlichen Unbehagen, das ihnen anzusehen war, traten die beiden Anführer der Gruppe langsam vor. Mit einer steifen, kurzen Bewegung verbeugten sie sich vor dem Dämonen, der darauf ein schrilles Schnauben ausstieß, und dann damit begann, in schneller Folge pfeifende Laute von sich zu geben. Logan ließ laut den Atem entweichen, dass sich einige seiner angeblichen Kameraden erstaunt zu ihm umwandten. Er winkte schnell ab und murmelte etwas Unverständliches, dann zog er sich eilig weiter in den Schatten zurück. Der Dämon konnte sprechen. Auch wenn er merkwürdig hoch und zirpend klang, hallte dieser klare Laut weit über die Lichtung, so dass Logan seiner Nachricht besser folgen konnte, als dem leisen Gerede der anderen.

Gorn mit der Axt
12.12.2004, 13:34
„Diener des Meisters, unsere Stunde ist gekommen. Unser Heer hat das der schwächlichen Südländer vernichtet. Diese Feiglinge ziehen sich jetzt zur Waldstadt hin zurück. Deshalb werdet ihr auf direktem Wege nach Osten gehen und durch den Wald sich dem Nordrand der großen Lichtung nähern. Dort werdet ihr viele Gruppen wie euch treffen. Eure Aufgabe wird es sein, die feindliche Armee anzugreifen sollten sie eine Ausfall wagen oder versuchen durch die Wälder zu flüchten. Der Hauptteil des Heeres wird die Stadt vermutlich in drei Tagen angreifen, länger können uns die feigen Imperialisten auf keinen Fall standhalten, ihr solltet also bis dahin vor Ort sein.“ An dieser Stelle wagte einer der Führer zu widersprechen „Herr, es ist unmöglich derart schnell den Wald zu passieren. Selbst auf freiem Feld würden wir es kaum so weit schaffen.“ Es hatte den Anschein, dass er noch weiterreden wollte, doch der Dämon blickte ihm so fest in die Augen, dass er verstummte. Die schnelle Bewegung, die der Scherge Urorkons unter seinem Mantel ausführte, bemerkte fast niemand, die Wirkung aber trat schnell ein. Die Augen, die immer noch dem starrenden Blick des Dämonen standhalten mussten, wurden starr und der Kopf des Mannes wurde von seinem Rumpf getrennt und landete einige Sekunden später ein Stück entfernt in einer Pfütze.
Als der Dämon schließlich seinen Blick dem zweiten Anführer zuwandte, wagte dieser nicht, auch nur zu blinzeln, nicht einmal als der Körper seines Kameraden langsam vornüber fiel, aber seine Stimme zitterte, als er antwortete. „Wir hören und gehorchen, Herr!“ Der Dämon nickte „Gut! Eilt euch, der Herrscher nimmt auf Schwächlinge keine Rücksicht!“ Mit diesen Worten sprang er wieder auf den hohen Rücken seines Reittiers und verschwand in der Dunkelheit.
Ein paar Augenblicke lang sprach keiner der Männer ein Wort, doch als sie von dem sich entfernenden Reiter nichts mehr hörten, begannen sie laut zu fluchen. Einige brüllten Schimpfworte in den Wald hinaus, die Logan, zu seinem Glück, wie er meinte, unverständlich blieben. Als die Krieger sich wieder etwas beruhigt oder einfach nur heiser geschrieen waren, sammelte sie sich um ihren Anführer, der immer noch leicht in sich zusammengesackt am Rand des Lagers stand. Mühsam raffte dieser sich auf und blickte seine Leute an. „Packt eure Sachen zusammen, Männer, wir müssen noch diese Nacht aufbrechen.“ Bei diesen Worten murrten viele der Angesprochenen, aber trotzdem fing die Gruppe an sich zu verteilen. Jeder von ihnen ging zu seinem Schlafplatz und brach sein Lager ab. Furchtsam fiel Logan ein, dass er ja überhaupt nicht wusste, welches der vielen Bündel seines war. Dieses Problem löste sich aber schnell von selbst. Zwei der anderen Nordmänner hakten Logan bei sich ein und redeten leise über die Nachricht des dämonischen Boten. Obwohl er nur jedes zweite Wort verstand und auf die Fragen der Männer, die ‚ihn‘ offensichtlich gut kannten, nur zustimmend murmelte führten die beiden ihn zu einer kleineren Gruppe von drei Zelten die etwas abseits von der Hauptgruppe standen. Sie legten sich schnell die schweren Mäntel aus ihrem Gepäck um, dass sie geschickt in ihren großen Rucksäcken verstauten.
Logan eilte sich, es ihnen mit dem dritten Lager gleich zu machen, um nicht weiter aufzufallen. Er ächzte leise, als er sich das schwere Bündel auf den Rücken hob, hatte er doch seit Wochen seine Lasten nicht mehr selbst tragen müssen. Als er fertig war, trat er zu den anderen ans Lagerfeuer. Während die letzten noch ihre Ausrüstung einpackten, hatte er wieder einige Minuten Zeit, sich die "seine" Gegenstände genauer anzusehen. Sein Ranzen war komplett gefüllt. Ein abgegriffenes Schwert und ein Kurzbogen, ein alter Dolch und zwei Dutzend Pfeile trug er als Waffen mit sich. Zu den zwei großen Wolldecken und dem Umhang, die bisher seinen Schlafplatz gebildet hatte, gesellten sich einige Feuersteine und zwei Kienfackeln, die in Pech getränkt und mit Stoff umwickelt waren. Eine Kanten Brot, ein Stück harter Käse und einige Streifen Trockenfleisch bildeten mit zwei Flaschen, seinen Proviant, wovon eine mit Wasser und eine mit jenem Gesöff gefüllt war, dass er vorhin schon hatte trinken müssen. Die einzigen anderen Dinge die er fand waren eine kurze Schaufel, die an den Rand seines Beutels gebunden war, und ein kleiner Lederbeutel, der mit dünnen Kupferscheiben gefüllt war. Logan vermutete, dass es sich dabei um die Währung des Nordlandes handelte, doch wenn die Münzen einmal eine Prägung erhalten hatten, waren sie durch genug Hände gegangen um nichts als verschwommene Formen zurückzulassen.
Logan wurde von lautem Rufen aufgeschreckt. Die Männer gingen gemeinsam bis an den Rand der Lichtung, jeder eine Fackel in der Hand. Dort wartete der Führer des Trupps auf die letzten seiner Männer. Als alle in der Nähe waren begann er erneut zu sprechen. „Männer, die nächsten drei Tage werden vermutlich das Schlimmste, was ihr jemals erlebt habt. Ihr habt es ja gehört, wir sollen in dieser Zeit den Nordrand der Lichtung bei der Waldstadt erreicht haben. Wir werden Tag und Nacht wandern und keine Pause machen, bis der zweite Tag dämmert. Ich werde keine Rücksicht auf euch nehmen, wenn einer von euch die Gruppe aufhält. Ihr habt gesehen, was dieses Ding mit Ertol getan hat. Denkt daran, wenn ihr daran seid, aufzugeben. Und jetzt los!“
Noch während des letzten Wortes warf er sich seine Sachen über die Schulter und marschierte in den Wald.

Gorn mit der Axt
14.12.2004, 15:32
Sie liefen ganzen Tag. Anfangs hatte Logan keine Probleme mitzuhalten, hatte er doch trotz allem durch die letzten Ereignisse enorm an Ausdauer und Willensstärke zugenommen. Im Laufe des Nachmittags wurde das Gehen für ihn aber immer mühseliger, er musste sich dazu zwingen, in der Gruppe nicht weiter zurückzufallen. Er dachte kurz daran, die Nordländer einfach zu verlassen, doch er wusste nicht, was sie anstellen würden, wenn einer verschwinden würde, und auch nicht, wie viele Dämonen noch immer in der Nähe waren.
Aber hier war es auch, wo er das erste Mal seit langer Zeit wieder Trilaks zu Gesicht bekam, jene nachtfalterartigen Wesen, die es in allen Größen und Farben gab und von denen erzählt wurde, sie ständen in Jehrans Gunst.
Trilaks waren von jeher seltene und schüchterne Tiere, die sich nur im dichten Wald aufhielten und dort nach Früchten und kleinen Insekten suchten. In einigen der alten Geschichten wurde sogar erzählt, dass die älteren Exemplare, jene, die größer waren als eine Handspanne, in der Lage seien zu sprechen und Glück brachten, wenn sie einen berührten. Daran musste er in jenem Moment denken, als sich eines der winzigen Jungtiere auf seinem Handgelenk niederließ und bald darauf wieder davonflog.
Gegen Abend wurde er von diesen Gedanken abgelenkt, denn die ihm so verhasste Kälte kam nun umso stärker zurück. Am Mittag, als die Sonne hoch im Zenit die Kälte des frühen Winters vertrieben hatte, war das Laufen fast angenehm gewesen, doch jetzt schnitt die eisige Luft in seine Lunge wie ein Messer. Er stützte sich gegen einen Baum und wollte die Decke aus seinem Gepäck nehmen, doch gleich darauf fiel ihm auf, dass den anderen das andauernde Marschieren wesentlich mehr auszumachen schien, als die frostige Luft. „Ich bin solche Kälte nicht gewohnt.“ dachte er bei sich. „Bei uns auf der Halbinsel strömt immer ein warmer Wind vom Meer aus, und selbst in den schlimmen Wintern fällt kaum Schnee. Im Norden des Kontinents ist es bestimmt noch viel kälter als hier beim Grenzgebirge. Kein Wunder, dass von meinen Begleitern keiner friert.“
Wider all seinen Erwartungen erwies sich der Einbruch der Nacht als Hilfe für ihn. Jetzt, wo er den ganzen Tag gelaufen war, glaubte er im Stehen einschlafen zu können. Mit durch die Ermüdung geminderten Schrecken bemerkte er, dass er seine Hände und Füße nicht mehr spürte. Doch gerade diese eisigen Temperaturen hielten ihn davon ab, einfach stehen zu bleiben, einzuschlafen und diese Qual hinter sich zu lassen. Wenn er sich später an die nächsten Stunden zurückerinnerte, erschien ihm nichts mehr als ein tiefes Gefühl der Müdigkeit und eine unheimliche Stille, nur unterbrochen durch das Keuchen seiner Mitwanderer, die in kaum besserer Verfassung waren, als Logan selber. Irgendwann aber trat er aus dem Schatten eines gewaltigen, umgestürzten Baumes und sah durch das bemooste Wurzelwerk vor sich ein schwaches Schimmern. Er blieb mit einem Ruck stehen, weil er wusste, dass er in diesem Moment nicht mehr weitergehen konnte, selbst, wenn er es gewollt hätte. Hinter ihm stieß einer der anderen einen leisen Ruf aus und stellte sich neben ihn. Ihr Anführer brüllte einen lauten Befehl, der aber kaum bis in sein Bewusstsein vordrang. Verwirrt sah er, wie die übrigen Wanderer ihre Rucksäcke abluden und sich fest in ihre Decken wickelten. Erst Minuten später erinnerte er sich. Er ließ sein Bündel achtlos zu Boden gleiten und fiel hintenüber.
Als er wieder erwachte, waren viele der Nordländer schon wieder marschbereit, nur wenige, die sich ähnlich erschöpft gezeigt hatten, wie er, waren noch dabei ihre Sachen zu packen. An diesem Tag sprach der Anführer, Logan hatt inzwischen aus den Gesprächen erfahren, dass er Cuingwin hieß, nicht zu seinen Soldaten, sondern ging ohne ein weiteres Wort weiter. Er schien Logan heute auf eine Art erschöpft, die über bloße Ermüdung hinausging. Als er schließlich als Letzter den anderen hinterher hastete, sah er, dass einer der Männer im Lager zurückgeblieben war, und vermutlich nie wieder gegen das Imperium kämpfen würde. Obwohl Logan wusste, dass er sich noch vor einigen Wochen über den Tod eines Nordmannes gefreut hatte, erschien ihm diese Einstellung jetzt seltsam unwirklich und bizarr. Waren es doch von jeher die Herrscher eines Landes, die über Krieg und Frieden entschieden. Er begriff nun schmerzhaft, dass er das Leid seiner Mitmenschen diesen Männern nicht zum Vorwurf machen konnte. Er hatte gestern ja selbst gesehen, was eine Verweigerung der Befehle für einen Krieger bedeutete. Tatsächlich stellte er überrascht fest, dass er fast so etwas wie Bewunderung für diese Krieger entwickelte, die diese Strapazen schier ohne Probleme auf sich nahmen.

Gorn mit der Axt
15.12.2004, 17:21
Logans zweiter Tag im großen Wald verlief ähnlich abwechslungslos wie der erste. Auch wenn heute das Glück auf Seiten der Wanderer stand, denn den ganzen Vormittag über schien die Sonne durch die dicht zusammenste-henden Bäume. Viele von ihnen hatten ihre Blätter schon früh im Jahr abgeworfen, was Logan, der sich über jedes bisschen mehr an Wärme freute, ganz bestimmt nicht unangenehm war. Sie liefen mit steter Geschwindigkeit immer weiter nach Südwesten und hatten Logans Ansicht nach etwa die Hälfte der Strecke hinter sich gebracht, als plötzlich von Norden her ein starker Wind aufkam, der dunkle Wolken mit sich brachte. Cuingwin befahl, das Tempo anzuziehen. Obwohl es seinen Männern große Mühe machte, gehorchten sie, ohne etwas zu sagen. Die Lasten auf den Schultern festgezurrt eilten sie weiter. Sie machten keine Pause, obwohl sich die Gruppe von Männern immer weiter auseinander zog und die hintersten begannen bedrohlich zu taumeln und immer häufiger strauchelten. Dafür sah es ein paar Stunden so aus, als hätten sie wirklich eine Chance dem Unwetter zu entkommen.
Doch während des frühen Nachmittags holte es sie ein. Es begann mit einem eiskalten Regenguss, der die Kleidung der erschöpften Wanderer in Sekunden bis auf die Haut durchnässte. Einige Minuten später drehte der Wind von Süden nach Westen und blies den Männern ins Gesicht, als wolle er sie verspotten. Schon nach kurzer Zeit wurde das Laufen zu einer Qual. Der dicht mit Blättern bestreute und mit Wurzeln bewachsene Boden ver-wandelte sich in eine Ebene aus Schlamm. Schließlich wurde der Untergrund so trügerisch, dass die Männer dazu übergehen mussten, sich immer entlang der Bäume zu halten, um in dem von starken Wurzeln gehaltenen Erdreich wenigstens ein wenig sicherer voranzukommen.
Das wahre Übel ereignete sich aber wenige Stunden später, als die heran dämmernde Dunkelheit und der anhaltende Regen es den Männern noch schwieriger machte den rechten Weg zu finden. Sie waren scheinbar zu weit von ihrem Weg nach Süden abgekommen und bewegten sich nun in einer Gegend, die irgendwann einmal durch heftige Erdstöße in ein Labyrinth aus Erdfalten, kleinen tannenbewachsenen Hügeln und Schluchten entwickelt hatte. Die von oben herabfallenden Wassermassen hatten aus den vorher schon schwer begehbaren, steilen Wegen glitschige Rutschbahnen gemacht, auf denen die völlig erschöpften Männer immer wieder ausglitten und kaum einen Meter weiterkamen. Einmal versank einer von ihnen nur wenige Meter von Logan entfernt in einem Teich, der durch abgeschwemmtes Erdreich und Blätter an der Wasseroberfläche nicht von dem Weg zu unterscheiden war, von dem sein Begleiter nur eine Sekunde abgekommen war. Der Wanderer war versunken, bevor einer der Männer reagieren konnte, aber Logan stand noch Minuten später fassungslos neben dem kleinen Tümpel und starrte hilflos auf die Luftbläschen, die von tief unten her aufstiegen. Entgegen ihrer Planung zwang sich Cuingwin dazu, seine Leute anhalten zu lassen. Sie rasteten in einer kleinen Senke, in der eine Gruppe von riesigen Forsizienbüschen sich dicht aneinander drängte, und die den Männern wenigstens einen minimalen Schutz bot. Die wenigen von ihnen, die nicht sofort zu Beginn der Pause auf dem nassen Boden zusammengebrochen waren, spannten ihre Decken auf die starken Äste der Sträucher und bemühten sich dann vergeblich ein Feuer zu entfachen. Der Regen ließ erst nach, als die Dunkelheit so vollkommen war, ohne Fackeln sicher weiterzugehen. Als ihre Sachen wieder soweit getrocknet waren, dass sie endlich ein Feuer entzünden konnten, war es schon tief in der Nacht und drei weitere Männer waren entgegen all ihrer Mühen in der Nacht erfroren. Aus dem völlig durchnässten Waldboden drang nun ein kalter Nebel hervor, der die Männer von allen Seiten umgab und der es ihnen unmöglich machte, weiter als von einem Ende ihres Notlagers zum anderen zu blicken.
Dennoch verließen sie ihre Ruhestätte schon kurz darauf, konnten sie es sich doch nicht leisten, nach diesem Rückschlag noch mehr Zeit zu verlieren. Immer wieder wurden sie von Cuingwin angetrieben und Logan, der sich inzwischen halbtot fühlte, hätte wohl begonnen, den Anführer der Gruppe zu hassen, wäre ihm nicht noch dessen aufrichtige Trauer beim Tod seiner Kameraden im Gedächtnis verblieben.
Auch der dritte Tag zog sich endlos lang hin. Die Männer schleppten sich in der verwüsteten Waldlandschaft dahin, in dem Glauben, ihr Ziel nicht mehr zu erreichen. Doch gerade in diesem schlimmsten Moment seiner Wanderung entdeckte Logan ein Zeichen der Hoffnung, auch wenn der Anlass seiner Freude ihn zunächst entmutigte.
Ein kleines Stück abseits der anderen gehend, wie er es seit ihrem Aufbruch stets getan hatte, stieß er am Stumpf einer gigantischen, vermoderten Eiche auf ein Skelett. Er brauchte die Überreste nicht lange zu untersuchen, um festzustellen, dass der Wald das Leben dieses Mannes bereits vor vielen Jahren gefordert haben musste. Seine halb verrottete Kleidung, der man ihren früheren Preis und ihre wohlhabende Herkunft noch ansah, ließen auf einen Händler oder Adligen schließen, doch Logan konnte keine Spur irgendwelcher Begleiter oder Wertgegenstände des Mannes finden. Trotzdem suchte er die Umgebung des Toten penibel ab und lehnte seinen Körper zuletzt behutsam vom Stamm des Baumes weg. Dabei glaubte er, tief zwischen den Wurzeln ein helles Blitzen zu sehen und grub den Boden um seinen Fund sorgfältig auf. Als er es erkannte, musste er all seine Kraft auf-wenden nicht aufzustöhnen. Auf der ein wenig korrodierten und stark verschmutzten Oberfläche der Münze prangte noch immer das Zeichen der Herrschaft über das Imperium. „Ein Goldtaler“, dachte Logan wie vor den Kopf geschlagen. „Ein Kronenstück!“ Er hatte eine solche Münze bereits ein Mal gesehen. Sein Vater hatte ihm das Geldstück, dessen Wert noch weit über dem eines Goldstücks und sogar dem eines Imperial lag, in seiner Kindheit gezeigt. Diese Münze hatte er sonst stets wie einen Schatz gehütet, war sie doch ebenso wertvoll wie ihr ganzes früheres Heim gewesen. „Ein Kronenstück!“ von diesem Gedanken konnte Logan sich einfach nicht lösen.

Gorn mit der Axt
16.12.2004, 19:15
Mit einem kurzen Gebet an Jehran für den Verstorbenen und einer gemurmelten Entschuldigung nahm Logan den Taler an sich. Mit diesem Geld konnte er sich und seine Geschwister jahrelang versorgen. Falls es nach diesem Kampf noch etwas dafür zu kaufen gab. Dieser Gedanke bekümmerte ihn, konnte es doch sein, dass die noch lebenden Bewohner der Südlichen Reiche schon in wenigen Monaten als Sklaven für die Herren des Nordlandes arbeiteten und ihre kostbaren Goldmünzen gegen die unscheinbaren Kupferscheiben des Feindes eintauschen würden. Mit einem leisen Ächzen bemühte er sich wieder auf die wackeligen Beine und schloss sich seinen Begleitern wieder an.
Zwölf Stunden ununterbrochenen Wanderns später trafen sie endlich auf zwei Männer eines Spähtrupps, die ihr zusammen mit anderen Gruppen ihr Lager am Rand des Waldgebiets aufgeschlagen hatten. Die erschöpften Männer jubelten heiser und drei weitere brachen zusammen, als die Aufregung das erreichte, was die Qual der Reise nicht vollbracht hatte. Wankend und taumelnd und strauchelnd brachten die Wanderer sich gegenseitig stützend die letzte Meile Fußwegs hinter sich. Spätestens bei diesen letzten Schritten wurde Logan schwarz vor den Augen.
Einige Stunden später kam er langsam wieder zu sich. Er versuchte sich zu erinnern, was nach ihrem Eintreffen bei der Hauptgruppe geschehen war, doch seine Bemühungen scheiterten eben so kläglich wie die anderen Versuche, die er Wochen darauf unternahm. Mit von Schmerz verzerrtem Gesicht kämpfte er sich in eine halbwegs aufrechte Haltung. Er glaubte jeden Muskel in seinem Körper zu spüren. Das ununterbrochene Laufen hatte seinen Tribut gefordert. Er bewegte sich überaus vorsichtig noch ein paar Mal hin und her, wusste aber schon bald, dass ihm in den nächsten Wochen keine Bewegung Vergnügen bereiten würde. Um sich von seinen schmerzenden Gliedern abzulenken sah er sich das Zelt genauer an, in dem er wieder zu Bewusstsein gekommen war. Insgesamt waren acht Decken unter der großen Plane verstreut, von denen aber nur zwei weitere von Schlafenden besetzt waren. Behutsam, jede heftige Bewegung und vermutlich unbewusst auch jedes Geräusch vermeidend stand Logan auf. Durch lange benötigten Schlaf und Übermüdung noch halb benommen ging er aus dem Zelt.
Am Eingang angekommen, stellte er fest, dass sein Schlafplatz ziemlich am Rand einer gigantischen Stadt unterschiedlicher Unterkünfte aufgebaut war. Während in seiner Umgebung Zelte wie das seiner Gruppe dominierten, große, zweckbestimmte Konstruktionen, die wenig Platz einnahmen, waren die Lager im Zentrum des Lagers, wo vermutlich die Offiziere des Heeres ruhten, um einiges größer und prachtvoller.
Weil niemand zu sehen war, der ihn beachtete, kehrte Logan in das Zelt zurück und überlegte, was er tun könnte.
Die letzten Tage in der kleinen Gruppe hatte er keine Möglichkeit unauffällig zu entkommen, aber hier in dieser riesigen Zeltstadt konnten Tage vergehen, bis jemand wahrnahm, dass der Soldat, den er darstellte, durch Abwesenheit glänzte. Die Einheit, die er bisher begleitet hatte, war abgestellt worden, die Stadt Markor in die Zange zu nehmen und Flüchtende aufzuhalten. Spätestens bei dieser Aktion würde er seine Tarnung verlieren, wenn er nicht gegen die unschuldigen Bewohner dieses Landes vorgehen wollte. Er musste also fliehen. Und dazu hatte er nur einen Tag Zeit. Der Bote hatte vermutet, das Nordländerheer würde in drei Tagen hier sein. Danach hatte er wenigstens einige Stunden und höchstens noch einen Tag um seinen Bewachern zu entkommen. Zudem musste er verhindern, dass Urorkons Truppen seine Freunde in einen Hinterhalt lockten, denn eines war sicher. Zahlenmäßig unterlegen und von beiden Seiten angegriffen, würde kein Kämpfer, der auf Seiten des Imperiums stand, die große Lichtung lebend verlassen, wenn er sie einmal betreten hatte.
Zum Glück war Logans Fähigkeit der Verwandlung noch wesentlich besser geeignet aus einem feindlichen Lager zu entkommen, als die seiner Geschwister. Wo sie um ihr Leben kämpfen mussten, schlich er als Maus an den Wachen vorbei oder glitt als Schlange lautlos an ihnen vorüber. Auf diese Weise nutzte er seine Fähigkeit nun, den Wald unbemerkt zu verlassen. Kurz nach seinem Aufbruch dankte er den Göttern dafür, dass er gelernt hatte, seine Kleidung mit in sein eigenes Muster einzubeziehen, so dass er die ihm wichtigsten Gegenstände mitnehmen konnte. Trotz der gefährlichen Situation musste er grinsen. Früher, als er seine Gabe noch nicht so gut beherrschte, hatten sich daraus überaus komische Situationen ergeben. Dann wurde er aber sofort wieder ernst. Er war in einem kurzen Moment der Unaufmerksamkeit genau in einen Bereich geraten, in dem sich das Licht zweier Feuerstellen schnitt. Aus eben dieser Richtung hörte Logan jetzt ein überraschtes Keuchen.
Er hätte zwar wegen ihrer Schnelligkeit und geringen Größe am liebsten die Gestalt einer Maus oder etwas ähnliches angenommen, aber zuletzt schien ihm das doch zu gefährlich, waren so kleine Tiere doch zu verletzlich. Aus diesem Grund hatte er die schon vertrautere Form der Schlange angenommen. War diese doch durch ihre Farbe im hohen Gras selbst im hellen fast nicht zu erkennen, konnte ihr gewundener, dreimal mannslanger Körper auf ungeschütztem Feld einfach nur entdeckt werden. Genau das schien nun geschehen zu sein, denn schon trat ein großer, offensichtlich betrunkener Nordmann langsam auf den Rand des Lichtscheins zu. Blitzschnell zuckte Logan in Richtung einer nahen Tanne. Seine vielgliedrige Gestalt brauchte nur wenige Augenblicke die untersten Äste zu erreichen. Von dort aus hangelte er sich langsam weiter nach oben bis in die Baumkrone, wo er von unten nicht mehr zu sehen war. Logan horchte in die Dunkelheit unter sich und hörte schon kurz darauf die Schritte des Mannes auf der Fläche aus abgefallenen Tannennadeln. Jetzt merkte Logan, dass jener tatsächlich stark betrunken war, was sich als seine Rettung erwies, denn der Krieger hatte nur eine kurze Bewegung wahrgenommen, die jedoch ebenfalls einer seiner Kameraden hätte sein können. So schaute er sich nur kurz um, bevor er leise murmelnd an seinen Platz zurücktaumelte. Langsam glitt er wieder am Stamm des rettenden Baumes herunter und verschwand in der Dunkelheit der grasbewachsenen Ebenen.

Gorn mit der Axt
17.12.2004, 16:47
Logan hielt sich, nachdem er das Lager der Nordlandarmee einmal verlassen hatte, nicht mit Pausen auf, sondern eilte in seiner schnellsten Gestalt, der eines kleineren Dämonen, durch die Nacht nach Südosten, wo er Markor vermutete. Gerne hätte er sich in einen Vogel verwandelt, aber sein letztes Muster, das einer Weihe, war schon Monate alt und recht verschwommen, zu riskant es zu benutzen.
Wie ein Schatten streifte er unermüdlich durch die Nacht und stand nach weniger als einer Stunde am Rand des Waldes. Vor sich sah er eine riesige freie Fläche, die von Wald eingerahmt war. Inmitten dieser Lichtung lag die Metropole Markor, umgeben von kleineren Ansiedlungen, die von der Landwirtschaft, in erster Linie aber vom Abbau des Holzes lebten, der den großen Wohlstand dieser Stadt erst ermöglicht hatte. Auch wenn Markor für ihn noch nichts anderes war, als eine dunklere Erhebung, die sich von der Ebene abhob, versetzte ihn doch der Gedanke, bald wieder in der Nähe seiner Freunde zu sein in Hochstimmung.
Noch schneller als zuvor eilte er nun westlich an der Hauptstadt vorbei, bis er im Süden auf den Zugang zur Lichtung traf. Schon von weitem sah er die Wachtürme am Tor zur Ebene und verwandelte sich zurück. Er hatte noch einige Zeit zu laufen, in der er in seiner verschmutzten völlig zerfetzten Kleidung von den anderen Reisenden argwöhnisch betrachtet wurde, doch dann ragte vor ihm der vorderste der Türme auf. An der großen eisen-beschlagenen Tür stand ein Soldat in den Farben Markors als Wache. Insgeheim wunderte Logan sich, dass Rian überhaupt noch Männer in Reserve gehalten hatte, kam aber zu dem Schluss, dass dieser und ähnliche Männer mit dem zurückkehrenden Heer den letzten Wall für die Hauptstadt Markors bildeten.
Obwohl die Wache ihn kaum weniger misstrauisch musterte, als die anderen, denen er bisher begegnet war, ignorierte Logan den feindseligen Blick und trat forsch auf den Krieger zu.
„Seid gegrüßt Soldat. Ich komme aus dem Norden und war mit Rian und Hochkönig Andraeis im Feld. Bei einer Schlacht wurde ich aber von ihnen getrennt. Wisst ihr vielleicht, bis wo die Nordländer vorgedrungen sind, da-mit ich mich dem Heer wieder anschließen kann?“ Der Augen des Wächters waren während seiner Frage groß geworden, doch wenigstens schien er jetzt bereit zu sein, mit ihm zu sprechen und nickte ihm zu. „Wir erfahren hier bei der Stadt nicht viel von der Front, aber an dieser Stelle passieren alle Boten den Wald, die dem Regenten Bericht über den Verlauf der Schlacht und Entscheidungen des Prinzen bringen.“ Er sah Logan noch einmal zweifelnd an und sprach dann weiter. „Seit gestern morgen sind keine neuen Boten mehr hier eingetroffen, aber als der letzte davor hier Rast gemacht hat, habe ich mich mit ihm unterhalten. Eigentlich dürfte ich euch diese Dinge nicht sagen, aber sie sind nicht wirklich ein Geheimnis. Der Regent will nur nicht, dass die Bevölkerung in Panik gerät, und lässt die Nachrichten deshalb nicht öffentlich machen. Es heißt, dass die verdammten Nordländer die Armee aus dem großen Waldweg vertrieben haben und unser Heer sich jetzt nach Osten zurückzieht, um sich mit jenen zu vereinigen, die die Grenze nach Elserian bewachen. Wenigstens die scheint noch zu halten, obwohl die Verluste auf beiden Seiten enorm hoch sein sollen. Wenn ihr wirklich wieder zurückkehren wollt, dann solltet ihr nach Südwesten gehen, immer am großen Strom entlang, bis ihr aufs Heer trefft. Viel Glück, Kamerad.“ Logan bedankte sich und schritt sofort nach Süden aus, kam aber schon nach wenigen Minuten zurück, sich selbst verfluchend, dass er das Wichtigste fast vergessen hatte. Schnell berichtete er dem Torwächter in kurzen Worten von der Gefahr, die aus dem Norden drohte. Zum Schluss bläute er ihm noch ein, was er zu tun hatte. „Ihr müsst diese Nachricht zur Stadt bringen und dafür sorgen, dass sie nach Norden abgesichert wird, von dort aus dürfte wohl niemand den Angriff erwarten. Ich denke zwar, dass es zuwenig Männer sind, die Stadt allein zu erobern, aber wer kann schon sagen, was sie tun, wenn es uns wirklich gelingt, ihre Armee zu bezwingen!“ Logan verabschiedete sich von der Wache, diesmal endgültig und machte sich erneut auf den Weg nach Süden. Er ging nun auf einer kleinen Straße in die Richtung, in der er die Schlacht vermutete. Sein Weg führte ihm weit durch die Ebene, deren Anblick ihm nach der langen Wanderung im Wald sehr gut tat. Nach vielleicht drei Stunden auf dem Fußweg führte dieser hinter einem Dorf einen Hügel hinauf. Als Logan hinaufgestiegen war, erblickte er vor sich den großen Strom, der von Osten nach Westen durch den ganzen Kontinent floss und an seiner Quelle noch unter dem Namen Durangar bekannt war. Wesentlich breiter als zuvor strömte er geschwind von einem Ende der Ebene zum anderen, weiter, als Logan von seinem Standort aus sehen konnte. Die starken Regenfälle der letzten Tage hatten den Fluss bedrohlich anschwellen lassen, aber dennoch beruhigte sein Anblick Logan mehr, als alles andere, was er in dieser Richtung sah. Etwa zwanzig Meilen entfernt war nördlich des Stroms eine schwarze Masse zu sehen, in der es immer wieder einmal hell aufblitzte, wie Metall in der Sonne. Nur einige Meilen weiter nördlich sah er einen ähnlichen, aber weit größeren Fleck, der ihm auf dem grünen Gras der Ebene wie eine fürchterliche Krankheit erschien. Mit Entsetzen wurde ihm klar, dass das Dämonenheer die Armee des Imperiums von Markor abgeschnitten hatte. Fast sah es so aus, als würde die Strecke zur Metro-pole ein absurder Wettlauf werden, den das Imperium von vornherein verloren hatte.

Gorn mit der Axt
19.12.2004, 17:56
Ein weiteres Mal, nun schon wieder wesentlich erschöpfter, verwandelte Logan sich und rannte den Kämpfenden entgegen. Vielleicht galoppierte er auch zu ihnen, er wusste jedenfalls nicht, wie diese Bezeichnung für einen Dämon lautete. Tatsächlich überlegte er müde, dürfte er sowieso zu spät ankommen, auf welche Weise sich dieser unnatürliche Körper jetzt auch immer fortbewegte.

Im Lauf der letzten Minuten hatte Logan sich den beiden Heeren weiter genähert. Jetzt wurde seine Vermutung, dass das Heer seiner Freunde das südlichere war, bestätigt. So hielt er wie geplant von Osten her auf die Streiter des Imperiums zu und traf bald darauf auf die ersten Ausläufer der Armee. Wie schon in den Schlachten zuvor, bestanden die vorderen Reihen direkt an der Front aus Lanzenkämpfern, die von hinten durch Bogenschützen gedeckt wurden. In ihrer Nähe hielten sich die Reservisten auf, immer bereit, für jeden Gefallenen einzuspringen. Hier, am gegenüberliegenden Ende und weit von der Schlacht entfernt, ging es ein wenig ruhiger zu.
Als Logan von einigen der Wachen entdeckt wurden, die mit teils panischen, teisl grimmigen Mienen ihre Waffen hoben, nahm er wieder seine eigene Gestalt an und fand er sich schon in den Zelten und Notunterkünften der Heiler wieder. Er ging weiter ohne die verblüfften Männer zu beachten.
Auch an diesem Ort waren erstaunlich wenig Menschen zu sehen. Logan kannte auch den Grund dafür. Nur die wenigen Glücklichen, die in der Schlacht schwer genug verletzt werden, um sich zurückziehen zu dürfen und es zugleich schaffen es sich vom Gegner zu lösen und diesen sicheren Hafen zu erreichen, kamen hier an, doch auch von ihnen verstarben noch viele, bevor ihnen geholfen werden konnte.
Seine Ohren vor den Schreien der Verletzten und Sterbenden verschließend, stürmte er durch das Durcheinander der Zelte nach Norden. Schon bald hatte er das eigentliche Zentrum des Lagers gefunden, wo sich der König und die hohen Offiziere und Berater aufhielten. Zuerst hielt er auf das ausgedehnte, königsblaue Zelt zu, in dem sich die Herrscher immer versammelten, doch als er kurz davor stand, es zu betreten, fiel ihm ein wenig seitlich ein weiteres Zelt auf, das nur um ein geringes kleiner war und das er sofort wieder erkannte. Er spurtete fast hinein und ließ sich nur kurz Zeit über das Fehlen jeglicher Wachen zu Fluchen, bevor er das Lager, das für ihn und seine Geschwister bereitgestellt worden war zu betreten.
Am Anfang hatten seine Augen Mühe, sich an die Dunkelheit im Zelt einzustellen und sah eine nur eine Person, die sich kniend über ein schmales Feldlager beugte. Diese hörte nun das leise Rascheln des Vorhangs und wandte sich blitzschnell um. Erleichtert erkannte Logan seine Schwester Jeel, doch sie konnte ihn gegen das helle Licht, das durch die Öffnung drang nur schwerlich erkennen. Also trat er zwei Schritte vor und sie hatte nur noch Zeit für ein kurzes, ersticktes Keuchen, bevor er sie umarmte.

Gorn mit der Axt
20.12.2004, 16:45
7. Ziordans Plan
Die ersten Minuten hatten sie sich nur ganz festgehalten und die Erleichterung des anderen gespürt. Als Logan jedoch von ihrem lächelnden Gesicht aufblickte, sah er in den Augenwinkeln auf dem Feldbett seinen Bruder liegen. Er stürzte sofort hinüber und packte ihn an der Schulter.
„Thimris! Was ist passiert?“ Er schüttelte ihn heftig, wurde aber von Jeel sanft und bestimmt zurückgezogen. Mit sorgenvollem Blick sagte sie.
„Er ist so, seit ihn Allen vom Schlachtfeld getragen hat. Dabei wäre er fast selber gestorben. Thimris war mitten in die vorderste Reihe der Angreifer gefallen. Du kannst dir sicher denken, wie die Dämonen reagiert haben, als ihr größter Feind hilflos und zum greifen nah vor ihnen lag. Es ist ein Wunder, dass es beide geschafft haben. Jinda hat ebenfalls versucht, ihm zu helfen, hatte aber genug damit zu tun mich zu schützen.“ Sie schüttelte den Kopf und Logan sah die Tränen in ihren Augen. „Den Tag darauf wurde er noch einmal kurz wach, und ich habe ihm von der Schlacht erzählt. Dass du verschwunden warst habe ich ihm nicht gesagt, ich dachte, dass die Sorge um dich ihm den Rest geben würde. Danach bekam er hohes Fieber. Eine dieser Kreaturen muss ihm in der Schlacht eine Wunde zugefügt haben, durch die das Dämonengift in seinen Körper gedrungen ist.“ Sie hielt in der Rede inne, weil Thimris im Schlaf leise etwas murmelte, aber als er still wurde, redete sie weiter. „Als Allen ihn gerettet hatte, hat Jinda die Armee zum Rückzug aufgerufen. Wir zogen uns so schnell wir konnten vom Wald zurück und wurden so von Markor abgeschnitten. Seitdem stürmen unsere Krieger immer wieder nach Norden, um die Stadt vor den Dämonen zu erreichen, oder deren Blockade zu durchdringen. Dass du verschwunden warst bemerkten wir erst, als wir uns nach der Flucht sammelten. Wo warst du nur die ganze Zeit.“ Logan grinste sie schief an. „Ich hab mich mit den Nordländern vergnügt.“ Er erzählte ihr kurz, was ihm in den vier Tagen seit der Schlacht widerfahren war, wollte aber dann auch noch etwas wissen. „Glaubst, dass die Armee irgendeine Chance hat, Markor rechtzeitig zu evakuieren?“ Seine Schwester sah ihn traurig an. „Nein, niemand auf unserer Seite glaubt wirklich, dass wir es schaffen. Zwei der Generäle sprachen sogar davon sich die Zeit, in der die Dämonen die Stadt plündern zu Nutze zu machen, um unsere Verteidigung in Gordian zu verstärken. Sie rechnen damit, dass fast alle Menschen innerhalb des Waldes zu Tode kommen. Nach Prinz Rian sind dass etwa vierzigtausend!“ stieß sie schluchzend aus. Logan hielt sie sanft in den Armen und richtete sie dann auf.
Als sie ihm in die Augen blickte entdeckte sie dort ein wenig Unsicherheit, aber sie wurde verdrängt von einem schelmischen Grinsen, das sich auf seinem Gesicht ausbreitete. „Was hältst du davon, ein paar Dämonen den Spaß zu verderben.“

Logan hatte Jeel schnell in den Plan eingeweiht. Nachdem sie hinaus geeilt war, um den König zu informieren und die Elfenmagier zu holen, trat er neben das Bett seines bewusstlosen Bruders. Dieser war inzwischen völlig ruhig geworden. Logan beugte sich über Thimris, um zu sehen, ob ihm etwas fehlte, doch außer einer leichten Erhöhung des Fiebers fiel ihm nichts auf. Mit Bedauern dachte er daran, dass sein Bruder ihm bei dieser Schlacht nicht würde helfen können, den was Logan bedrückte war keine Furcht vor einem drohenden Kampf sondern eine Entscheidung, die zum Tod für Tausende oder zu einer tödlichen Bedrohung für seine Schwester werden könnte. „Ach Thimris, was würdest du jetzt tun.“ Sagte er, mehr zu sich selbst als zu dem Menschen, der vor allen anderen sein Vorbild war. Schließlich wusste er ja selbst nicht im Entferntesten ob sein Plan gelingen würde oder überhaupt gelingen konnte. Raubte er nicht den Kriegern ihre Hoffnung, wenn er ihnen erzählte, sihre Familien könnten gerettet werden, nu um dann kläglich zu scheitern?
Er sah seinen Bruder an.
Dann wusste er, was zu tun war.

Gorn mit der Axt
22.12.2004, 18:43
Als Logan aus dem Zelt trat und wieder zum hinteren Ende der Streitmacht lief, sahen ihn einige de verletzten Krieger verwirrt an. Er hingegen hatte nur Augen für Jeel, die zusammen mit Wern und seinen Gefährten dort auf ihn wartete. An Werns fragendem Gesichtsausdruck glaubte er zu erkennen, dass dieser noch nicht eingeweiht war. Damit ihn auch die anderen Magier hörten, rief er laut. „Werte Elben, ihr wisst welches Problem wir haben. Die Stadt Markor wird bald von den Dämonen angegriffen werden und wir haben weder die Chance zu ihnen zu gelangen, noch sie durch einen Boten aufzufordern, sich in den Wald zu flüchten, der zudem von Einheiten des Nordlandheeres besetzt ist. Aber es gibt eine Möglichkeit, mit der wir die Bevölkerung retten könnten. Jeel verfügt, wie ihr wisst, über die Gabe der Teleportation.“ An dieser Stelle wandte ein Magier in blauer Robe ein. „Aber es wird eurer Schwester doch nie gelingen, alle vierzigtausend Menschen aus Markor herauszuholen!“ Logan sah ihn fest an. „Doch, wenn ihr euch entscheidet, ihr zu helfen. Ich weiß mit Sicherheit, dass die Nordländer erst angreifen, wenn auch dass Hauptheer in der Nähe der Stadt ist. Wenn unsere Armee sich weiter so gut gegen den Feind behauptet, haben wir noch zwei, vielleicht sogar drei Tage Zeit, bis dieser Fall eintritt, so dass Jeel Gelegenheit hat, Pausen einzulegen und sich zu erholen. Ich bin davon überzeugt, dass sie alle Einwohner in Sicherheit bringen kann, wenn wir sie unterstützen!“ Logan blickte gespannt auf die Elbenmagier. Er war weit nicht so überzeugt, wie er sich dargestellt hatte. Aus seiner Zeit in der fliegenden Stadt wusste er, dass die Elben solche Dinge durch Abstimmung entschieden. Diese Tatsache hatte seine Rede von vorhin erst notwendig gemacht, schließlich hätte Wern seiner Meinung nach ohne zu zögern zugestimmt. Ebensowenig war er sich den Fähigkeiten seiner Schester sicher, er hoffte darauf, dass sie es ihm gesagt hätte, würde sie es sich nicht zutrauen.
Er überließ die Elben ihrer Entscheidung und machte sich auf die Herrscher zu informieren. Schon kurze Zeit später stand er wieder im großen Tagungszelt, in dem sich nur König Andraeis und Fimbrethil aufhielten. Erfreut direkt die richtigen Männer angetroffen zu haben, verbeugte er sich vor den beiden. Ohne auf ihre Überraschung zu achten seinen Plan. Als er endete, erwartete er in ihren Gesichtern Erleichterung zu sehen. Auch wenn die Magier noch nicht zugestimmt hatten, den Plan auszuführen, bestand doch jetzt zumindest die Möglichkeit, die Bewohner Markors zu retten. Entgegen all seinen Erwartungen verdüsterte sich die Miene des Königs. „Nein. Ich kann diesem Plan nicht zustimmen.“ Logan starrte seinen Herrscher entgeistert an. Bei diesem heiklen Unterfangen hatte er von jeder Seite mit Problemen gerechnet, nur nicht von dieser. Bevor er seiner Verblüffung Herr werden konnte, sprach Andraeis schon weiter. „Die Magier müssen meine Armee im Kampf unterstützen. Ihr habt gesehen, was die Nordländer in den früheren Schlachten angerichtet haben. Jedes Mal wurden wir auf irgendeine Art geschlagen und konnten uns nur in letzter Sekunde retten. Lasst unsere Männer nur einen Tag ohne sie kämpfen und sie werden ihren Kampfgeist und ihr Leben verlieren.“ Von der hinteren Seite des Raumes trat jetzt Fimbrethil hervor und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Ich denke ihr unterschätzt eure Krieger, Majestät. Jeder von ihnen hat die Schlachten ausgefochten, vom Jeldin-pass bis hier und manche sogar noch länger. Sie haben die Stärke und die Zahl der dämonischen Kreaturen entdeckt und unzählige ihrer Kameraden verloren. Und obwohl nicht einer in diesem Kampf unverletzt geblieben ist, kämpfen sie weiter. Herr, nicht einer eurer Männer ist geflohen. Dabei habe ich in den Jahrhunderten meines Lebens noch nie eine einzige Schlacht ohne Deserteure erlebt! Jeder einzelne weiß, dass er für das Überleben seines Volkes und seiner Familie kämpft. Wie könnten sie so jemals den Mut verlieren.“ Der König seufzte leise. „Aber in all ihrem Mut sind sie alleine doch zu schwach, gegen die Nordländer zu bestehen. Alter Freund, was nutzt dem Imperium ein Herrscher, der die flüchtenden Menschen rettet, nur um sie dann nicht beschützen zu können.“ Logan fuhr auf. „Mehr als einer, der sich mit seiner Armee verschanzt und zusieht wie seine hilflosen Untertanen versklavt und getötet werden! Mylord, selbst wenn das Imperium diesen Kampf besteht, wer wird stolz darauf sein, auf diese Weise gesiegt zu haben. Keiner wird in einem Land leben wollen, das seine Bewohner sterben ließ, um sich selbst zu retten, und keiner wird seinem Herrscher in die Augen sehen können!“ Wütend starrte der König Logan an. „Ihr seid eurem Bruder ähnlicher, als gut für euch sein kann.“ Logan erkannte die Niederlage im Gesicht seines Herrschers und wusste, dass er seine Zustimmung bekommen hatte und sah im Schatten hinter ihm stehend die Gestalt eines alten Hofzauberers, der nicht anders konnte, als still zu schmunzeln. Er grinste verhalten und verbeugte sich dankbar. „Danke, Majestät.“ Er wandte sich um und stieß am Ausgang des Zeltes auf seine Schwester, die ihm die Zusage der Magier überbrachte. „Einstimmig!“ teilte sie ihm mit einem strahlenden Lächeln mit. „Alle wollten helfen.“ Die Zwillinge fielen sich in die Arme.

Gorn mit der Axt
26.12.2004, 14:12
Kaum eine halbe Stunde danach begannen sie ihren Plan umzusetzen.
Logan war sich unsicher gewesen, wie sie Jeel ihre Energie übermitteln konnten, doch beim Versuch zeigte sich, dass ebenso wie bei Thimris Gabe eine einfache Berührung genügte. Die kleine Gruppe hatte sich auf einer ausgedehnten Wiese, einige hundert Schritte vom Heerlager entfernt versammelt. Außerdem hatte Logan Jinda dazu überredet, seine Einheit als Schutz für die Eintreffenden bereitzustellen. Der hatte nach der letzten verlorenen Schlacht zu seinem großen Bedauern feststellen müssen, dass Leutnant Demonit von einem Gundur getötet worden war, das Bild des schmalen Mannes mit der riesigen Bauchwunde und dem Langschwert in den Händen hatte erimmer noch vor sich.
Der Trupp von Soldaten aus Markor, die , ganz in blau und weiß gekleidet, die Wiese umstellt hatten, waren Jinda kurz darauf unterstellt und jetzt von ihm angewiesen worden, die Evakuierten in das ein wenig abseits gelegene Lager der Flüchtenden zu führen. Jinda schaute seinen Freunden von der Position seiner Männer aus gespannt zu. Inzwischen hatte die Sonne ihren Zenit verlassen, und das helle Licht und die Wärme des Mittags waren der Dämmerung gewichen. Plötzlich sah Jinda eine Bewegung in die Gruppe von Gefährten kommen. Alle Magier des Lagers, Fimbrethil, seinen Schüler und Logan eingeschlossen hatten sich bereits kreisförmig um Jeel angeordnet. Jetzt berührte einer nach dem anderen ihre ausgestreckten Arme und stellte ihr seine Energie zur Verfügung. Selbst über die große Entfernung konnte Jinda sehen, wie Jeel erstrahlte, aber nicht vor Freude, sondern wortwörtlich, durch all die bereitgestellte Macht. Traurig dachte er daran, dass zwischen ihnen beiden niemals mehr sein würde als Freundschaft, da nach allem was er von Wern und Ziordan erfahren hatte, ihre Gabe Jeel eine vielfach längere Lebensdauer gewähren würde, als ihm selber. Als er über dies nachgrübelnd abgelenkt war, verpasste er die Ankunft der ersten Menschen aus Markor. Von einem Moment auf den anderen erschienen sie ein wenig abseits der Gruppe von Magiern am Rand der Wiese.
Es schienen etwa achtzig Männer und Frauen zu sein, die durch Jeels Gabe aus der Stadt gebracht worden waren.
Jinda hoffte, dass seine Freundin nur für einen ersten Test eine relativ geringe Zahl ausgewählt hatte, denn er konnte ihre Kraft inzwischen gut genug einschätzen, um zu erkennen, dass ihr mehr als ein dutzend größerer Transporte pro Tag nicht möglich waren. Um sich von seinem Unbehagen abzulenken ging er mit vier seiner Schwertkämpfer in Richtung der Menschenmenge. Als sie auf einige Meter herangekommen waren, musterte er sie genauer. Die Menschen vor ihm waren zutiefst erschrocken. Hier und da erblickte Jinda Besteck in ihren Händen oder andere Dinge, die Zeugnis davon ablegten, dass diejenigen direkt vom Abendtisch geholt worden waren. Keiner von ihnen wusste, wie ihm geschehen war und viele zückten jetzt in der Dunkelheit bisher versteckte Waffen. Eben dies hatte Jinda vorausgeahnt und deshalb seine Männer angewiesen nicht die normalen Rüstungen des Imperiums sondern ihre eigenen Mäntel und Helme in den Farben Markors anzulegen. Und wirklich zeigte sich, dass viele der so unverhofft Eingetroffenen ihre Waffen senkten als sie Soldaten ihres eigenen Heeres um sich sahen, ein oder zwei seiner Männer wurden sogar erkannt und in hektische Gespräche verwickelt.
Klar und schnell erklärte Jinda den Sinn ihrer Aktion und ließ die Flüchtlinge aus Markor von einer Velar seiner Kämpfer in die Sicherheit des Lagers begleiten. Er mahnte sie dabei zur Eile, denn schon sah er wie sich die Magier wieder bereit machten. Achtmal wiederholte sich dieser Vorgang vor Jindas Augen. Jedes Mal wurde eine größere Anzahl aus Markor herausgeholt und schließlich von seinen Männern weggeführt, bis Jeel beim neunten Mal ihr Vorhaben abbrechen musste. Nun sahen auch die Verbliebenen aus Jindas Trupp, dass die Männer, die sie in der Schlacht als Helden bejubelt hatten, ihre Macht keineswegs leichter einsetzen konnten, als sie Schwert oder Lanze. Jeel konnte noch von Logan und Jinda gestützt in ihr Zelt zurückkehren und auch Wern war in der Lage sie zu begleiten, doch mehrere andere seiner Leute waren im kühlen Gras zusammengebrochen und mussten jetzt in verschiedenen Graden der Erschöpfung von den Soldaten getragen werden.
Jinda, der die rechte Seite der unterwegs schon eingeschlafenen Jeel stütze, blickte zweifelnd zu Logan herüber, der seinen Blick mit gleicher Miene erwiderte. Obwohl Jeel bei jedem Versuch ihre Gabe besser kontrolliert und effektiver eingesetzt hatte, war erst der zehnte Teil der Bewohners Markor in Sicherheit. Fast synchron wandten die Freunde sich ab und stapften weiter. Die beiden legten Jeel vorsichtig auf ihr Feldbett, bevor sie selbst, schon mehr schlafend als wachend auf ihre eigenen Liegen fielen.

Gorn mit der Axt
30.12.2004, 18:56
Kurz vor der Morgendämmerung wurden sie alle unsanft aus dem Schlaf gerissen. Der Lärm im Lager hatte zugenommen, Logan fragte einen vorbei eilenden Offizier und erfuhr, dass das Lager nach Osten verlegt werden musste, um dem Heer nahe genug zu bleiben. Offensichtlich hatte die Schlacht in der Nacht ununterbrochen weitergetobt und sich dabei immer mehr nach Markor hin verlagert. Die Freunde packten ihre wichtigsten Güter ein und belegten ein neues Zelt das unmittelbar am östlichen Rand des Lagers lag. Nachdem sie ihre Sachen verstaut hatten, trafen sie sich wie verabredet mit den Elben. Diesmal begleitete Pirin sie. Jinda begrüßte ihn überschwänglich, waren ihm doch hier immer weniger Freunde verblieben, mit denen er reden konnte.
Wie am vorherigen Tag sammelten sich die Magier wieder im Kreis der Wachen und wieder gaben sie Jeel all ihre Kraft. In weiser Voraussicht hatte einer von Jindas Searganten im Kreis Liegen für die erschöpften Zauberer bereitgestellt, die jetzt dauerhaft belegt waren. Die Magier wechselten sich in ihrer Aufgabe als Kraftquelle ab, nur Logan, Jinda, Jeel und Wern standen immer zusammen. Stunde um Stunde verging. Als Logan schließlich als erster der vier seine Position verließ, musste er von zwei Soldaten zu einem der Feldbetten getragen werden. Dennoch fiel ihnen die Arbeit nun leichter als am Vortag, schon die kleinste Annäherung an die Hauptstadt machte Jeel den Teleport leichter.
Obwohl Logan über alle Maßen erschöpft war, schlief er nur kurze Zeit. Als er sich noch mühsam erwachend umsah, bemerkte er, dass rund um die Wiese Fackeln aufgestellt worden waren. Die Dunkelheit war hereingebrochen.
Ohne große Überraschung sah er nur wenige Betten entfernt seine Freunde liegen. Doch etwas an dem Bild schien ihn zu stören. Er konnte seine Schwester nirgends entdecken. Taumelnd richtete er sich auf. Und dann rannte er schon zur Mitte der Wiese, wo Jeel sich etwas zusammengesunken an drei Magier der Elben lehnte, die rote und blaue Roben trugen. Er erreichte die kleine Gruppe Augenblicke später und riss die Elben von Jeels Seite. Während diese nur schlaff in sich zusammenfielen, schauten ihn Jeels Augen seltsam leblos an. Fluchend spürte Logan die ersten Merkmale ihrer Gabe, sie versuchte ihm seine Kraft zu nehmen. So schnell er konnte rannte er, gegen Ende wieder zusehends unsicherer zu den Soldaten und beförderte seine Schwester auf ihr Lager. Er sog pfeifend die Luft ein. Obwohl er seinen Geschwistern schon oft von seiner Kraft gegeben hatte, merkte er, dass es diesmal hart an der Grenze des Erträglichen verblieben war. Wie ein Schatten tauchte Jinda aus der Dunkelheit neben ihm auf. Logan begann sich nun zu fragen, ob er nicht ebenfalls eine besondere Gabe hatte, immer zu erscheinen, wenn seine Freunde in Schwierigkeiten waren. Er las die Frage in Jindas Gesicht und machte sich langsam daran zu erklären. „Jeel ist zusammengebrochen. Sie war viel zu unvorsichtig mit ihrer Gabe. Sie nutzte sie weiter, obwohl sie nicht mehr fähig war, sie zu kontrollieren. Sie hat drei der Elben komplett ausgesogen, ich glaube aber nicht, dass sie sich was Dauerhaftes getan haben.“ Man sah Jinda sowohl sein Entsetzen über diesen Unfall als auch seine Sorge um Jeel an, dennoch gelang es ihm schnell wieder zum Praktischen zu kommen. „Was meinst du, wann sie weitermachen kann?“ Logan schüttelte hilflos den Kopf. „Kann ich nicht sagen. Frühestens in ein paar Stunden, wenn wir Pech haben in zwei, drei Tagen.“ Jinda zog eine Grimasse. „Soviel Zeit werden sie uns nicht geben. Es sind nur noch fünf Meilen bis zum Beginn der Lichtung. Wir haben höchstens noch einen Tag Zeit, bis die Nordländer sich teilen und Markor zerstören. Außerdem können wir nicht mehr auf Wern und Allen zählen. Die beiden wurden vom Rat ausgeschickt, nach Osten zu reisen und die Verstärkungstruppen und Grenzarmeen von unserem Rückzug zu informieren und um Verstärkung zu bitten. Jetzt müssen wir uns aber bald nach Süden hin absetzen, sonst werden die Nordländer in der Lage sein, uns in die Zange zu nehmen. Ich habe zwar eine Idee, wie wir fünf, sechs Stunden länger bleiben können, aber dass ist nur eine Notlösung. Ich werde sie nur im Rat vorschlagen, wenn wir wirklich eine Chance haben, alle aus Markor herauszuholen.“ Er blickte Logan an und dieser sah die Bitte in den Augen seines Freundes.
„Wir holen alle.“ Sein Freund atmete tief ein. „Ich hatte gehofft, dass du das sagst. Ich geh zum König.“ Jinda wandte sich von ihm ab, drehte sich dann aber noch einmal kurz um. „Dies hier habe ich von einem meiner Männer. Er hat es oben im Pass gefunden. Ich denke es kann gerade dir recht nützlich sein.“ Jinda warf ihm einen kleine, dunklen Gegenstand zu, dann schritt zum Lager. Inzwischen hatte es wieder begonnen zu regnen. Logan starrte auf das, was er in Händen hielt, dann brach das Lachen aus ihm hervor. Drachenhaut! Einer der Krieger muss einen Teil des riesigen Flugwesens entdeckt haben, als sie zur Festung flohen. Er schrie den umstehenden Soldaten zu, auf Jeel Acht zu geben, dann rannte er nach Süden. In der Deckung eines kleinen Waldstücks hielt er an. Dann begann er sich zu verwandeln.

Gorn mit der Axt
31.12.2004, 14:45
Das erste, was er von seiner Verwandlung bemerkte, war, dass seine Augen auf einmal keine Probleme mehr damit hatten, die Dunkelheit zu durchdringen. Er fuhr sich mit der Hand über den Arm und spürte winzige, stahlharte Schuppen. Dann begann er zu wachsen. Kurz darauf bogen sich seine Arme und Beine nach innen und an ihrem Ende wuchsen fürchterliche Krallen wie Messerklingen. Seine Wirbelsäule verlängerte sich und in Sekundenschnelle entfaltete sich an seinem Rücken ein langer peitschenähnlicher Schwanz, der fast so lang war wie er selber. Inzwischen wuchs er weiter. Jetzt trat er aus dem Wäldchen, um nicht an den Bäumen zerquetscht zu werden, doch dann war er selbst größer als die Bäume, die er nun als schulterhohe Gewächse unter sich sah. Zuletzt spürte er eine riesige Hitze seinen Rachen hinaufwogen und erinnerte sich, dass der Drache Feuer speien konnte. Unwillkürlich, ohne recht zu wissen, was er tat, probierte er seine neue Gestalt aus. In diesem Moment schreckten wohl alle im Heerlager auf, denn eine gigantische Feuerwelle zog einem Kometen gleich über den Himmel um schließlich weit im Norden zu verschwinden.
Auf dem Weg aus dem Lager hatte Logan mal um mal überlegt, was er in Gestalt des Nordlanddrachens tun könnte. Obwohl inzwischen geklärt zu sein schien, dass dieser Drache viele der Dämonen nach Caladar gebracht hatte und auf ihm bestimmt hunderte von Menschen Platz hatten, glaubte Logan nicht daran, dass er seine Schwester bei der Rettungsaktion ersetzen konnte. Deshalb beschloss er die Nordlandarmee direkt anzugreifen, um ihr etwas Zeit zu verschaffen. Als er sich jetzt im Körper dieser riesigen Kreatur zur vollen Größe aufrichtete, wurde ihm klar, dass es mehr Zeit werden könnte, als er gedacht hatte.
Seine riesigen segelgleichen Flügel peitschten durch die Luft, einmal, zweimal, bis der Himmel über dem Schlachtfeld von einem tosenden Sturm erfüllt war. Dann löste sich sein gewiss etliche tausend Fass schwerer Körper vom Boden.
Als er in Sekundenschnelle in die Luft über den Kämpfern aufstieg, erhob sich in den Reihen des Imperiums ein lautes Geschrei, doch die Krieger fassten neuen Mut, als der gewaltige Drache begann unter ihren Feinden zu wüten.
Obwohl Logan zu dieser Zeit von der Macht und den überlegenen Sinnen des Untiers wie berauscht war, vernichtete er nur jene Feinde, die für seine Kameraden unbezwinglich waren, doch wo er konnte verzichtete er darauf, die Nordländer zu töten. Die Dämonen aber starben zu Tausenden.
Von meterlangen Krallen zerfetzt, vom mächtigen Schwanz hinweggeschleudert oder von glühendheißen Flammen verbrannt, die auch die Stahlharten Schuppen der wildesten und mächtigsten Kreaturen wie Butter durchdrangen.
Die Armee des Nordlandes geriet in Panik. Zwar hatten sie hunderttausende an Kriegern und Dämonen, aber keiner seiner minderen Brüder konnte es mit diesem Ungetüm aufnehmen. Langsam und widerstrebend wich das Heer zurück.
Unter Logan begannen die Streiter des Imperiums zu jubeln. Übertönt wurde das Geschrei aus zehntausend Kehlen nur von dem abgrundtiefen Grollen und Orgeln Logans eigener Stimme, unter dessen Klang die Erde erbebte.
Weit unter ihm stimmte auch Jeel mit Jinda in den Jubel ein und blickte zu ihrem Bruder, doch wurde ihre Freude plötzlich gemindert, als bei ihr mit einem Schlag ein Gefühl von Gefahr für ihren Bruder aufkam. Ohne von Logan gehört zu werden schrie sie zwischen den tausenden Soldaten auf, als das dumpfe Gebrüll, das ihr Bruder ausgestoßen hatte, von einer Sekunde auf die andere verklang. Eine unheimliche Stille senkte sich über das Lage, während Logan in Form des Drachen wie festgenagelt weiter still in der Luft hing. Dann stürzte er ab.
Logan hatte keine Kontrolle mehr. Nicht nur, dass er seinen Körper nicht mehr spürte, auch sein Geist fühlte sich merkwürdig betäubt an. Er glaubte aus der Ferne ein leises Raunen zu vernehmen, das langsam aber stetig anwuchs. Aus dem Flüstern wurde eine kalte, befehlende Stimme.
„Diene mir! Warum gehorchst du nicht? Ich habe dir befohlen sie zu vernichten! Töte sie, töte sie alle!“
Logan zuckte zusammen. Seine Flügel schienen sein Gewicht nicht mehr halten zu können und er sackte ab.
Diese Stimme schien einen merkwürdig zwingenden Einfluss auf ihn auszuüben, gegen den er nichts ausrichten konnte. Schon spürte er, wie der Fremde Willen seine die Gestalt des Dämons erfüllte und dieser sich in der Luft wieder fing.
Logan geriet in Panik. Er wollte nichts anderes mehr als dieses Untier zu verlassen und bemühte sich zurückzuverwandeln, so schnell er konnte. Tatsächlich gelang es ihm mit einiger Mühe wieder seine gewöhnliche Gestalt anzunehmen. Mit einem erleichterten Seufzer auf den Lippen fiel er in die Tiefe, wo er bald darauf sanft von den Gaben seiner Schwester auf dem Boden abgesetzt wurde.

Gorn mit der Axt
01.01.2005, 11:53
Logan wusste, dass er nur für wenige Minuten ohnmächtig war, denn er lag noch immer auf der Wiese am Rande des Schlachtfelds, wo gerade die Heilmagier und Medici auftauchten, sich um jene Männer zu bemühen, deren Verwundungen zu schwer waren, als dass sie eine Flucht während der Schlacht zugelassen hätten. Noch immer etwas wackelig auf den Beinen, die sich nicht entscheiden konnten, ob sie sich wie Pudding anfühlten oder so, als hätte man heißes Blei hineingepumpt, versuchte Logan aufzustehen. Beim ersten Versuch scheiterte er, aber schon nach kurzer Zeit lief er, auf der einen Seite von einem ebenfalls verletzten Bogenschützen gestützt, langsam auf die Zelte des Versorgungslagers zu.
Als sie das Zelt der Gefährten betraten, wo Logan seinen Kameraden einem der Heiler anvertraute, erlebte er eine Überraschung. Thimris lag nicht in seinem Bett. Das zerwühlte Lager aus weichen Baumwolldecken, das sein Bruder seit mehr als einer Woche nicht verlassen hatte, lag offen und unbenutzt da!
Logan eilte nach draußen und sah sich um.
Hoch oben auf einem Hügel westlich des Lagers konnte er gegen den dunklen Schattenriss des Waldes vier Gestalten erkennen, von denen eine die gewaltige Größe und Ausstrahlung Ziordans besaß. Schon von Weite hörte er, dass innerhalb der Gruppe ein großer Streit ausbrach. Eine der Personen, in der er nun seinen Bruder erkannte riss seinen Arm nach oben und sprach heftig auf den Magier ein, während seine Schwester aufgeregt auf einen ihm unbekannten Mann einredete. Als er sich dem Waldrand näherte verstand er erste Worte der laut geführten Diskussion. Erfreut erkannte er die laute, überlegte Stimme seines Bruders, die aber einiges ihrer sonstigen Ruhe eingebüßt hatte.
„… nicht zulassen, dass … eine derart … schickt! Es gibt andere… die diesen Auftrag … erfüllen können. Ihr habt gehört, was … gesagt hat.“ Dabei deutete er auf den älteren Mann, der die goldene Robe eines Ratsmitglieds trug und neben Jeel stand, die jetzt einen Schritt zurücktrat, da Thimris Stimme jetzt noch lauter wurde. „Die Truppen ziehen sich an allen Fronten zurück, aber nirgendwo im Umkreis von 1000 Meilen gibt es eine ähnlich große Stadt.“ Seine Stimme senkte sich wieder. „Wir … Markor nicht lassen. Wir haben … Hilfe versprochen und dieses Versprechen… halten.
Doch wenn … wird die gesamte Armee aufgerieben. Wir stehen hier als Verteidigung gegen die mächtigste Armee, die die Welt je erblickt hat und ihr verlangt “ An dieser Stelle verstummte seine Stimme. Obwohl Logan gespannt lauschte, konnte er kein weiteres Wort vernehmen. Doch in diesem Augenblick stürmten ihm Thimris und Jeel auch schon entgegen und die drei fielen sich in die Arme. Vor allem Logan war erleichtert. Er hatte sich schon seit Tagen Vorwürfe gemacht, seine Geschwister im Moment der größten Gefahr alleingelassen zu haben.
Doch als sie nun fest an sich drückte, spürte er bei ihnen eine seltsame Spannung und er wich mit einem fragenden Ausdruck im Gesicht zurück.
Thimris Miene verdüsterte sich, als sich nun auch Ziordan entschlossen auf die Gruppe zukam und mit angespanntem Gesichtsausdruck auf ihn einredete. „Ihr könnt eure Augen nicht vor der Wahrheit verschließen, Sohn des Torbald. Wie die Dinge jetzt stehen wird das Imperium diesen Krieg verlieren, das ist richtig, aber das ist keine Berechtigung für euch sich vor euren Verpflichtungen zu verschließen. Ihr wisst ebenso gut wie ich, dass mein Plan die einzig wirkliche Alternative ist, die ihr habt!“
Logan Beunruhigung nahm zu. Anders als bei jeder anderen Bedrohung entglitt seinem Bruder die ruhige und entschlossene Miene, die er sonst immer aufsetzte und sein Blick bekam etwas Gehetztes.
Fahrig blickte er auf seine beiden Geschwister, die hinter ihm standen. Logan konnte nicht beurteilen, ob ihn dieser Anblick nun beruhigte oder erschreckte, aber trotz allem entspannte sich Thimris Körper ein wenig und seine Stimme klang gefasster als zuvor. „Vielleicht habt ihr Recht. Vielleicht stimmt alles was ihr sagt, Magier, und vielleicht stellt euer Plan wirklich eine Lösung dar, aber ich bin nicht bereit, dieses Risiko einzugehen. Wenigstens noch nicht. Noch bin ich bereit, die Hoffnung in diese Armee vor uns zu stecken und unsere Lage müsste schon wesentlich verzweifelter sein als die jetzige, als dass ich eurem Vorhaben zustimmen könnte.“
Wieder wurde sein Tonfall sanfter, fast flehend sprach er auf Ziordan ein. „Lasst uns noch ein wenig Zeit. Wenn sich die Lage verschlechtern sollte, können wir immer noch tun, was ihr vorgeschlagen habt, aber lasst uns bis dahin abwarten.“ Ziordan schien über seine Worte nachzudenken. Als er antwortete, sprach er leise, er flüsterte fast. „Es liegt nicht an mir, über euer Ersuchen zu entscheiden, dies muss an höherer Stelle geschehen, aber ich werde mich für euer Anliegen einsetzen.“ Abrupt wandte der riesige Mystiker sich ab und ließ die Freunde am Waldrand zurück.

Gorn mit der Axt
03.01.2005, 19:12
Logan fasste seinen Bruder an der Schulter. „Was wollte der denn gerade?“
Thimris winkte ab. „Das erzähl ich euch später. Jetzt sagt aber erst einmal, was in der Zeit geschehen ist, die ich verpasst habe.“ Er hakte sich bei seinen Geschwistern unter und ging mit ihnen in ihr Zelt, während sich Logan und Jeel fragend ansahen.
Als sie dann in der Ruhe ihres Lagers angekommen waren, begannen sie von ihren Erlebnissen zu berichten.
Logans Erzählungen von der Reise mit den Nordländern verleiteten sie zu überraschten Äußerungen, aber als er von seiner Verwandlung in den Drachen erzählte wurde Thimris stutzig. „Du konntest den Körper des Drachen nicht mehr kontrollieren?“ Logan nickte. „So etwas ist mir noch niemals passiert. Wenn ich mich in einen andere Gestalt verwandelte, hatte ich immer die vollkommene Kontrolle, genau wie über meinen eigenen Körper, egal ob es sich in ein Tier einen Dämonen oder einen Menschen handelte. Aber heute war es anders! Es schien mir als würde jemand gegen meinen Willen ankämpfen und versuche den Dämonen für seine Zwecke zu nutzen. Beinahe wäre es ihm gelungen, dass ich unsere Armee angegriffen hätte. Nur durch eine Rückverwandlung in letzter Sekunde konnte ich es verhindern!“ Thimris überlegte. „Bist du dir sicher, dass es nicht der Geist des Drachen war, der gegen dich angekämpft hat?“ Logan sprang auf. „Völlig sicher. Du weißt doch, wenn ich mich verwandle, entsteht kein neues, denkendes Wesen, ich verwandle nur meinen Körper, so dass er dieselben Eigenschaften erhält. Deshalb konnte in dem Drachen, in den ich mich verwandelte gar kein anderer Geist sein, das ist es ja eben, was mich so beunruhigt! Ich meine auch, einige Augenblicke, bevor ich die Kontrolle verlor, eine Stimme gehört zu haben, aber ich verstand keine Worte, obwohl ich mir recht sicher bin, dass sie es war, mit der ich um den Drachen rang. Aber ich bin eben nicht mehr sicher, ob es an meiner Fähigkeit oder an der Gestalt lag, die ich annahm.“ Jeel zuckte mit den Schultern. „Dann probier es doch einfach aus. Wenn es nur an der Gestalt des Dämonen lag, kannst du diese Verwandlung eben nicht mehr durchführen. Wenn dieses Ereignis aber wirklich durch eine Veränderung deiner Gabe entstanden sein könnte, dann müssen wir uns darüber Gewissheit verschaffen!“ Logans Blick huschte von Jeel zu Thimris, dann wieder zurück. Dann nickte er.
Er konzentrierte sich auf die Gestalt der Schlange, und war überrascht, wie viel Energie es ihn kostete, die Verwandlung diesmal aufrecht zu erhalten. Anfangs war es stets nur gelungen, das Aussehen anderer nur für einen kurzen Moment zu erzeugen, da jeder weitere Augenblick ihn einen Teil seiner Energie kostete.
„Ich bin anscheinend noch erschöpfter als ich dachte. Und ich meinte, nach diesem Gewaltmarsch könnte mich nichts mehr ermüden.“ Er behielt die Form des Reptils für einige Minuten an, bis er der Meinung war, der Test sei beendet. Als er bald wieder als Logan vor ihnen stand, waren seine Geschwister beruhigt. „Jetzt wissen wir zumindest, dass deine Fähigleiten immer noch die alten sind. Es wäre schrecklich, wenn unser Land deine Bega-bung ausgerechnet in dieser Zeit verlieren würde.“ Jeel gähnte lautstark. Die letzten Tage waren an keinem von ihnen spurlos vorübergegangen. Zusammen mit Thimris legte er seine Schwester sanft auf ihrem Bett ab; als sie das Laken berührte war sie schon eingeschlafen. Todmüde wandten sich auch die beiden Brüder ihren Liegen zu.
Schon nach wenigen Sekunden fiel Logan in einen traumlosen Schlaf.

Gorn mit der Axt
04.01.2005, 17:04
Jeel erwachte erst spät am nächsten Vormittag und erkannte am gleichmäßigen Atmen ihrer Brüder, dass diese immer noch schliefen. Irgendwie vermittelte dieses Geräusch ein Gefühl von Sicherheit, dass sie schon vor Monaten verloren geglaubt hatte. Leise lächelnd verließ sie das Zelt und trat nach draußen auf die taunasse Wiese.
Dort war es überraschend ruhig. Langsam ging sie durchs Lager und schaute in verschiedene Zelte. Die meisten der einfachen Zelte waren nun in notdürftige Krankenlager umgerüstet worden. Ein Großteil der Krieger war verletzt, wer nicht verletzt war, nutzte die Gelegenheit und schlief das erste Mal seit Wochen ruhig, oder unterhielt sich leise, um seine Kameraden nicht zu stören. Trotz der geringen Lautstärke erkannte Jeel, dass die Stimmung unter den Soldaten ausgelassen war. Auch wenn die andauernde Schlacht mehr Tote gefordert hatte als die meisten vorherigen, sahen die Soldaten in der Niederlage der Nordländer genau jenes bisschen Hoffnung, auf das sie schon seit Wochen, vielleicht Monaten gewartet hatten. Die ersten wachsamen Posten traf Jeel erst am äußersten Rand des Lagers. Dort sah sie auch Jinda stehen, der sich an einen am Weg wachsenden Baum gelehnt hingehockt hatte und mit einem Stück Wetzstahl seine Waffen schärfte. Jeel trat auf ihn zu. Sie wollte ihn ansprechen, aber vorher fiel ihr Blick auf ein funkelndes Etwas an seinem Kragen und sie verstummte. Sie hatte sich in den letzten Wochen genug mit ihren Mitstreitern unterhalten, um zu wissen, was der goldene Stern auf seiner Uniform bedeutete. Jinda folgte ihrem Blick und lächelte. „Mir wurde erzählt, dass der König mich in seiner unendlichen Gnade befördert hat. Ich denke eher, ihm gehen langsam die Offiziere aus.“ Jeel sah auf. „Konas?“ fragte sie verblüfft. Jinda zuckte mit den Schultern. „Major um genau zu sein. Man hat mir das Kommando über eine Kompanie Reservisten erteilt. Thimris muss dem König ja mit seiner Drohung das Heer zu verlassen wirklich Angst gemacht haben, dass er mich gleich in die hinterste Reihe abstellt.“ meinte er verbittert. Jeel fasste seinen Arm.
„Du weißt doch, warum er das getan hat. Er macht sich eben Sorgen um uns.“ Er nickte. „Zuviel Sorgen. Er hat schon früher auf euch geachtet, aber seit wir auf uns allein gestellt sind, ist er fast panisch, dass euch etwas zu-stoßen könnte. Und das wird langsam zu einer Gefahr für ihn selbst.“
Jinda stieß sich von der rauen Borke ab und betrat den Weg, der in Richtung Norden führte, dorthin, wo das Heerlager und das Schlachtfeld aufeinander stießen. Jeel sprach ihn von der Seite her an. „Hast du eigentlich gehört, was mit Allen und Wern geschehen ist?“ Jinda legte die Stirn in Falten und überlegte angestrengt. „Ich habe gestern etwas von einem Gespräch über die beiden mitbekommen, als ich von meiner Beförderung zurückkam, aber genaueres weiß ich nicht. Was ist mit ihnen?" „Sie wurden nach Südosten geschickt, um die Städte an der Küste von der bevorstehenden Evakuierung zu informieren und wenn möglich aus dem Inland und von der Ostfront Verstärkung abzuziehen. Denkst du, dass diese Botschaft nun unwichtig geworden ist?“
Jinda zog die Augenbrauen hoch und blickte sie zweifelnd an. „Gerade du solltest doch inzwischen wissen, dass die Dämonen nicht zu unterschätzen sind. Wegen einer Niederlage werden sie den Krieg nicht aufgeben, erst recht nicht, wenn sie von ihrer eigenen Stärke und Überlegenheit überzeugt sind. Dieser Tag heute ist nichts anderes als ein kurzer Augenblick der Ruhe, der uns gegönnt wird!“ Jeel blickte zu Boden. „Ich weiß, ich weiß.
Aber es tut gut einmal wieder hoffen zu können. Wäre es nicht schön, wenn dieser Alptraum endlich vorbei wäre? Wenn wieder alles so wäre wie vorher?“ Jinda wurde langsamer und blieb dann schließlich stehen.
Dann nahm er sie in die Arme. Sein Kopf lag ganz dicht an dem ihren, als er flüsterte „Die Hoffnung ist das Einzige, was uns in diesen schweren Tagen bleibt, aber hoffe auf nichts, was niemals sein kann. Wir haben länger in diesem Alptraum überlebt, als tausende anderer Menschen. Und wir leben immer noch. Wir leben noch.“
Jeel stieg das Blut in den Kopf und sie lief rot an. Diese ungewohnte Nähe machte sie nervös. Vorsichtig drehte sie den Kopf nach oben und sah ihrem Freund in die Augen.
Was sie sah, erschreckte sie, und sie zuckte zurück, wurde aber von Jindas Armen krampfhaft festgehalten.
Seine Augen, die sonst hellbernsteinfarben leuchteten und lebendig funkelten, lagen leblos und starr in ihren Höhlen und in ihnen lag ein Schmerz, der sie erschaudern ließ.
Doch Jinda machte keine Anstalten sie loszulassen. Unbeweglich stand er vor ihr und blickte gleichzeitig in ihr Gesicht und durch sie hindurch. Jeel wusste nicht, was sie tun sollte. Sie hätte sich natürlich mit ihren Kräften befreien können, aber sie hatte sich geschworen, ihre Kräfte niemals gegen einen ihrer Freunde einzusetzen. Außerdem schien Jinda etwas sehr zu schaffen zu machen, so sehr, das er den Schmerz, den er ihr zufügte nicht bemerkte. Der lange Augenblick verstrich und war zu Ende. Jindas Kopf drehte sich leicht und Jeel sah, dass seine Augen nun feucht schimmerten. Ohne eine weitere Bemerkung löste er fast panisch seine Arme von ihr und lief eilig davon, ohne sich noch einmal umzudrehen. Jeel blieb verwirrt und verletzt stehen. Sie begriff nicht, was im Geist ihres besten Freundes vorging und ging mit hängendem Kopf langsam ins Lager zurück.
Eine halbe Meile entfernt stand Jinda auf einem der niedrigen, auf Hügeln errichteten Wachtürme und blickte auf sie herab. Die einzelne Träne, die sich einen Weg durch sein Gesicht bahnte, vertrocknete im Wind, ohne dass sie jemand sah.

Gorn mit der Axt
05.01.2005, 15:10
Am Nachmittag desselben Tages betrat Thimris noch immer müde und erschöpft das tiefblaue Zelt des Königs.
Als seine Finger an der einst seidigen Oberfläche des Stoffes entlang glitten, die nun eingetrocknet und stumpf war und auf der Blutflecken und Brandnarben prangten, runzelte er bedauernd die Stirn.
„Wir alle sind von dieser Reise gezeichnet worden und keiner wird sie ohne Narben überstehen. Wenn diese Reise beendet ist, werden viele gute Männer nicht mehr leben und keiner wird sie überstehen, ohne als ein anderer aus ihr hervorzugehen. Wer werde ich sein, wenn diese Reise vorbei ist?“
Als er sich aber dann abwandte und endgültig durch die breite Öffnung trat wurde er abrupt aus seinen Gedanken gerissen. Im Zelt herrschte ein fürchterliches Durcheinander und aufgeregtes Stimmengewirr erfüllte die Luft. Zuerst dachte er, es hätte wieder neue Angriffe der Dämonen gegeben; in den letzten Wochen während der Flucht vom Jeldin Pass bis hierher hatte es immer kleinere Dämonengruppen gegeben, die der Hauptarmee vorauseilten, Späher, Attentäter, die die Moral der Truppe schwächen und sie an verwundbaren Stellen aus dem Hinterhalt angreifen sollten.
Aber heute war es anders. Es lag keine Angst, keine wirkliche Unruhe in der Luft, eher eine hektische Betriebsamkeit, wie sie eher in ein Verwaltungsgebäude einer großen Stadt als in das Hauptgebäude der Befehlsspitze zu gehören schien. Mühsam kämpfte er sich durch die engen Lücken zwischen hin und hereilenden Boten und Soldaten, bis er nahe der Rückseite des Zeltes eine ihm bekannte Gestalt zu entdecken glaubte.
„Herr Corvik!“ Der Ratsherr wandte sich zu Thimris um und lächelte schwach, offensichtlich war er von den Anstrengungen der letzten Stunde sehr mitgenommen. „Ah, unser junger Held ist wieder erwacht.“
Thimris nickte dankend und deutete dann auf die umliegenden Personen „Was ist geschehen? Hat das Nordlandheer die Richtung wieder geändert?“ Corvik schüttelte nervös den Kopf. „Nein, Junker Thimris, aber es ist vor zwei Stunden die Nachricht eingetroffen, dass Markor evakuiert wurde. Über fünfunddreißigtausend Menschen werden bis spätestens morgen Abend hier eintreffen.“ Thimris unterbrach den Älteren. „Ich dachte der König glaubt nicht an eine Rückkehr der Dämonenarmee. Warum hat er die Stadt dann dennoch räumen lassen?“
Der Ratsherr schüttelte bedenklich den Kopf. „Junker Thimris, ihr solltet nicht beginnen den Hochkönig zu unterschätzen. Ich bin erst seit acht Jahren im zweiten Ring des Rates, aber ich habe mich oft mit anderen beraten, die dem König nahe stehen. Er ist ein Mann mit hohen Prinzipien und lauteren Absichten, auch wenn dieser entsetzliche Krieg ihn aus Sorge um sein Volk jede Vorsicht und Barmherzigkeit vergessen lässt. Wenn er mit euch gesprochen hat und einen Angriff befahl, so wollte er seinen Kriegern Mut machen, wenn er gegen eure richtige Meinung zur Vorsicht gemahnte, so geschah das nicht aus Feigheit sondern um seine Männer zu schonen. Das Leben vieler lastet auf seinen Schultern, gerade euch sollte das doch klar sein.“ Am Schluss seiner Rede hatte Corvik die Stimme erhoben, so dass die Boten um sie herum verstummten. Nun beruhigte er sich wieder und senkte seine Stimme. „Auch wenn Andraeis nicht jene Macht hat wie die Könige vor ihm, so möchte ich doch nicht, dass ihr schlecht von meinem Herren redet, denn ich diene ihm gern und er ist ein redlicher Mann und ein gerechter König.“ Thimris hob abwehrend die Hände. Die Anklage des Ratsherren hatte ihn verlegen gemacht. „Ich verachte unseren König nicht, wie ihr vielleicht glaubt, doch eben weil ich wie er um unser Volk besorgt bin, achte ich besonders darauf, was er tut und aus welchen Gründen er es tut. Er ist ein guter König, auch wenn er oft einer anderen Meinung ist als ich.“ Corvik nickte besänftigt und fuhr fort zu berichten. „ Jedenfalls sind seit jener Botschaft alle hier vollkommen überlastet. Wir haben in unserem Lager inzwischen annähernd hunderttausend Kämpfer der Königlichen Legionen und Markoranischer Streiter, und weitere fünfzigtausend Reservisten, dazu das angeschlossene Lager, in dem sich die Zivilisten aufhalten. Aber diese Zählung ist bloße Theorie. Alle Heilmagier und Medici des Lagers berichten verzweifelt von einem Mangel an Heilkräutern, weil über die Hälfte dieser Soldaten schwer verletzt ist. Selbst unsere Reservisten sind schwer angeschlagen. Die restlichen achtzigtausend weniger stark verwundeten stehen einer sechsfachen Übermacht von Frauen, Kindern und Verletzten gegenüber, die ohne Quartier und bald auch ohne Nahrung sein werden. Diese weiteren Menschen werden unsere Lage noch um ein Vielfaches verschlimmern. Ich habe schon veranlasst, dass sämtliche Nahrungsmitteldepots auf der Ebene geräumt werden, doch bei diesen Massen ist auch das nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein.“ Thimris nickte „Außerdem verhindern diese Menschen den Marsch der Armee. Wenn die Nordländer wirklich wiederkehren, werden sie uns mühelos einhole und auf freiem Terrain, wenn sie ihre zahlenmäßige Überlegenheit ausspielen können, problemlos überrennen.“ In den Augen des Ratsherren leuchtete es auf. „Ihr seid scharfen Verstandes, Thimris Torbaldson. Das ist das Problem, das viele von uns beschäftigt. Wisst ihr vielleicht eine Lösung?“ Corvik sah ihn hoffnungsvoll an. Die Erzählung seines Bruders kam ihm in den Sinn, aber der Gedanke, den er gesucht hatte, entzog sich seinem Forschen. In Gedanken versunken glitt sein Blick durch das Zelt über die Menge vor ihm. Gedankenverloren blieb sein Blick an der Außenwand haften. Langsam, wie um den Einfall der ihm gekommen war, nicht zu verscheuchen, trat er vor und besah sich die Landkarte aus der Nähe.

Gorn mit der Axt
06.01.2005, 19:21
Sie war alt und vom Gebrauch abgenutzt, an den Rändern starrte sie bereits vor Rissen und Stockflecken, aber Thimris Augen ruhten auf der Mitte der Karte, auf der das Gebiet Markors eingezeichnet war. Dort zeigte das Pergament in ausgeblichenen Farben die Umrisse der Stadt Markor, den großen Wald, der sie einschloss und die Umgebung, die sie auf ihrer Flucht aus dem Grenzgebirge durchquert hatten. Doch Thimris Augen waren dem Süden zugewandt. Dort schlängelte sich ein schlanker Strom, floss vom westlichen Rand der Karte an den kleinen Städten und Dörfern vorbei und weiter gen Osten. Thimris folgte dem Lauf des Flusses und blieb schließlich an einem grauen Punkt mitten im Flussbett hängen. Dort zeigten sich eine kleine, vier Meilen lange Insel mit Namen Arkawan und ein winziger Klecks, neben dem mit zerlaufener Tinte das Wort Theras gekritzelt war. Thimris atmete tief aus und blickte in Corviks besorgtes Antlitz. Und obwohl er es zu vermeiden suchte, bekam seine Stimme einen erleichterten und triumphierenden Klang.
„Wie ist es mit diesem Ort?“ Hoffnungsvoll wartete er auf die Reaktion des Ratsherren.
Der rieb sich das Kinn. „Theras. Ja…“ er zögerte. „Die Stadt ist natürlich nahe liegend, weil sie auf dem direkten Weg nach Gordian liegt, aber sie ist kaum mehr als ein besseres Dorf. Keinerlei Verteidigungsanlagen!“ Thimris ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und fuhr mit seinem Finger am Durangar entlang, der sich vor der Insel teilte und sie wie ein Graben umgab. „Logan hat mir von den Regenfällen im Norden berichtet. Und ihr habt gesehen, wie hoch der Fluss schon hier, stromaufwärts fließt. Ich denke Theras wird einen besseren Schutz haben, als jede andere Stadt auf dem Kontinent, es sei denn ihr könnt mir sagen, wie ihr einen hundert Fuß breiten Burggraben überbieten wollt.“ Corvik verzog das Gesicht. „Sicher ja, für drei Tage. Aber was ist darüber hinaus?“ „Mehr als ein paar Tage bräuchten wir doch gar nicht. Wir könnten die Flüchtlinge in Trupps nach Süden schicken und das Heer bleibt in Theras und hält den Fluss.“ Der Ältere griff sich seinen Mantel. „Ich kann zwar nicht sagen, dass ich von diesem Vorschlag begeistert bin, aber er ist das Vernünftigste, was ich in den letzten Tagen gehört habe. Ich werde den König unterrichten, aber ich kann euch nichts versprechen, dass das klar ist.“
Keine zwei Stunden später war die Entscheidung gefallen.
Wer von oben auf das große Lager der Legion herabblickte, das aus tausenden von Feldbetten und Zelten bestand und sich hunderte von Schritten in alle Richtungen ausdehnte, der würde Boten mit bronzene und silbernen Rangzeichen sehen, die vom Zelt des Königs aus in alle Himmelsrichtungen aufbrachen, um die Soldaten von der Entscheidung des Rates in Kenntnis zu setzen.
Nach weiteren fünf Minuten brachen die ersten Reiter auf.

Gorn mit der Axt
08.01.2005, 14:58
In der Verwirrung des Aufbruchs suchte Thimris seine Freunde, konnte aber nur Pirin und Logan entdecken, die ein wenig abseits der Soldaten standen und leise miteinander sprachen. Als sie ihn sahen, verstummten sie, dann redete Logan schnell auf seinen Bruder ein. „Thimris, warum haben die Offiziere gesagt, wir würden nach Süden abziehen? Wir können doch die Mensche aus Markor nicht einfach zurücklassen!“ Thimris runzelte die Stirn, als er in der Stimme seines Bruders die stumme Anklage hörte. Aufgebracht erwiderte er „Logan, kennst du mich wirklich so schlecht, dass du denkst, ich würde zehntausende Menschen grundlos im Stich lassen?“ Er unterbrach sich und atmete tief durch. „Der Großteil des Lagers wird nach Süden verlegt, das ist wahr, aber dabei handelt es vor allem um Zivilisten und Verletzte und einige hundert Mann als Begleitwache. Die meisten wehr-fähigen Soldaten werden hier bei uns auf die Markoraner warten und dann den anderen folgen.“ Nun schien Logan eher verwirrt als aufgebracht, aber entgegen seiner sonstigen Art wurde er von Pirin unterbrochen, bevor er seine Zweifel kundtun konnte. „Ich dachte, der Rat hätte eingesehen, dass eine Flucht vor den Dämonen sinnlos ist. Warum haben sie nicht beschlossen, wenigstens die Legionen des Hochkönigs an diesem Ort zu belassen, um den Vormarsch des Feindes zu verlangsamen?“ „Weil wir nun den schützenden Wald verlassen, der uns bisher davor bewahrte überrannt zu werden. Wir haben dem Feind schwere Verluste zugefügt, aber dennoch hat er genug Krieger, dass sie uns auf freiem Feld umzingeln und aufreiben könnten. Um weiter gegen die Eindringlinge kämpfen zu können brauchen wir eine geschützte Stellung weiter im Süden.“ In Pirins Augen blitzte es verstehend auf. „Aber wissen wir überhaupt schon, ob die Nordländer zurückkehren werden? Vielleicht warten sie erst auf Verstärkung und greifen erst in mehreren Monaten wieder an.“ Thimris Lächeln nahm etwas Gequäl-tes an. „Eben das ist die Frage, auf die wir keine Antwort haben. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass die Nordländer uns die Gelegenheit geben eine schlagkräftige Verteidigung aufzubauen. Die Ratsmitglieder und König Andraeis sehen es ähnlich. Aber dennoch hat keiner der Kundschafter auf dem Waldweg eine Spur der Dämonenarmee finden können. Es sind noch nicht alle Späher zurückgekehrt, aber bisher scheint es so, als hätte der Feind das Waldgebiet vollkommen verlassen.“ Logan blickte hin nachdenklich ein, als wäre im etwas eingefallen. „Wohin schickt ihr die Leute eigentlich? Ich hab die Karten doch auch gesehen. Die erste Festung steht über sechzig Meilen von hier.“ Thimris ersparte sich die Antwort und zeigte stattdessen auf den Fluss.
„Ah, der Durangar.“ Pirin atmete verstehend auf. Zu Logan meinte er. „Etwa acht Meilen südöstlich von hier fließt der Strom durch ein tiefes Tal, in dessen Mitte ein großer Tafelberg aufragt. Auf ihm liegt die Stadt Theras, eine der ältesten Städte Markors, die noch aus der Zeit stammt, als Menschen und Elben miteinander handelten. Sie wurde gegründet, weil sich die Stadt durch die steile Hanglage selbst im heißen Sommer, wenn das Was-ser flach ist, sehr leicht verteidigen lässt. Eine richtige Festung oder Burg wurde dort zwar nie gebaut, vermutlich weil es zu umständlich wäre, die gewaltigen Felsblöcke durch den Fluss den Berg herauf zu schaffen. Den-noch dürfte die Stadt bei diesen starken Regenfällen nur schwerlich zu erreichen und noch schlechter einzunehmen sein.“ „Und du hast mich darauf gebracht, Logan!“ Der stutzte. „Als du von deiner Reise erzählt hast, wie du nördlich des Flusses auf die beiden Heere getroffen bist und der Durangar so stark angeschwollen war.“
Thimris schlug seinem Bruder auf die Schulter und Logan lächelte ein wenig verlegen in sich hinein.

Gorn mit der Axt
09.01.2005, 11:39
Jinda blickte über seine Schulter zurück auf das hinter ihm kleiner werdende Heerlager. Er ritt an der Spitze der viertausend Mann starken Einheit, die für die Flüchtlinge auf ihrem Weg nach Theras als Schutz abgestellt worden war. Er hatte sich mit Absicht nicht von seinen Freunden verabschiedet. Er wusste, der Abschied wäre zu schmerzhaft gewesen, besonders der von Jeel. Um ihr die Entscheidung nicht noch schwerer zu machen hatte er entschieden, sich von ihr fern zu halten, bis der Krieg gegen die Nordländer beendet wäre. Er war überrascht gewesen, wie schnell aus der Freundschaft, die er seit Jahren für sie empfand während ihrer Reise mehr geworden war und wie schlimm es sich anfühlte, sich von ihr zu trennen. Er hatte das Gefühl, sie im Stich gelassen zu haben.
Um sich von diesen unerfreulichen und leidigen Gedanken loszureißen wandte er seinen Blick ab und schaute auf den Weg der vor ihnen lag. Vom Rücken seines Pferdes aus meinte er im Licht der langsam tiefer sinkenden Sonne schon die dunkelgraue Wand des Tafelberges zu erblicken. Als sein Pferd wegen einiger tief hängender Äste von der Spur abkam, fasste er wieder die Zügel und richtete sich im Sattel ein wenig auf. Um ihn herum wurden unter den Soldaten raue Stimmen laut; inzwischen hatten auch andere die dunkle Masse des Berges am Horizont bemerkt.
Nur einer der Krieger stimmte nicht in die allgemeine Begeisterung ein und schaute eher besorgt denn erleichtert drein. Jinda runzelte die Stirn und betrachtete die Uniform des Mannes, dann ritt er neben ihn. Überrascht sah der Soldat nach oben. „Herr?“ Jinda verzog bei dieser Anrede unwillkürlich das Gesicht. Der Soldat war bestimmt dreißig Jahre älter als er selber. Diese Ehrerbietung schien im fehl am Platz. Ein weiteres Mal betrachtete er die Rangabzeichen des Mannes. Der Krieger trug schartige, von häufigem Gebrauch abgenutzte Waffen und eine Narbe zog sich von der linken Schläfe aus quer über das Gesicht. „Beunruhigt dich etwas, Hauptmann? Was ist los?“ Dieser wusste wohl nicht, wie er auf die ungezwungene Anrede seines Vorgesetzten reagieren sollte.
Nun wurden am südlichen Rand des Zuges Stimmen laut, doch Jinda konzentrierte sich auf das Gespräch mit dem Offizier neben ihm. „Wisst ihr, Herr, ich komme aus dieser Gegend hier, aus einem Dorf drei Meilen südlich von Theras. Ich weiß, der Anblick meiner Heimat sollte mich beruhigen, aber irgendetwas scheint nicht zu stimmen.“ Jinda nahm ein Fernglas aus seiner Satteltasche und besah sich den Fleck in der Ferne von Näherem, aber konnte nichts Besonderes entdecken. er breite Strom, der genau zwischen ihnen und der Stadt lag und das vergehende Sonnenlicht stark spiegelte, machte es nicht einfacher in der verschwommenen Silhouette Einzelheiten zu erkennen. Aber aus seiner eigenen Erfahrung in Caladar wusste er, dass Fremden viele Dinge verborgen blieben, und der Silas neben ihm schien ein erfahrener Mann zu sein. Wieder beugte er sich zu dem Hauptmann herunter und senkte seine Stimme. „Ist euer Gefühl nur eine Ahnung, oder gibt es einen bestimmten Grund für eure Unruhe?“ „Nun Herr, ich kenne mich im Norden des Landes nicht sehr gut aus, aber ich könnte schwören wir befänden uns zu weit nordöstlich, als dass wir die Stadt an dieser Stelle sehen könnten. Außerdem müsste sich der Berg scharf gegen den Hintergrund abzeichnen, aber heute sieht man ihn nur verwaschen und nebelig.
Es kann aber auch sein, dass das an der Höhe des Flusses liegt, bei starkem Wind wird das Wasser oft mehrere dutzend Schritte hoch gegen den Felsen geschleudert.“ An dieser Stelle zuckte der Silas hilflos mit den Schultern. Rastlos trieb Jinda sein Pferd ans südlichste Ende des Trupps. Er hieß die umliegenden Männer an stehen zubleiben. Dann stellte er sich auf die Steigbügel seines Pferdes und blickte ein weiteres Mal durch das Fernglas.
Doch auch dieses Mal wollte das ferne Bild der Stadt sein Geheimnis nicht preisgeben. Dafür erblickte er ein ganzes Stück weiter südlich einen zweiten, ähnlichen Fleck, wesentlich kleiner als der erste und scheinbar auch weiter entfernt. In dieser Erscheinung erkannte er aber trotz der großen Entfernung ohne Zweifel den Tafelberg, da er sich deutlich sichtbar von dem Strom, der ihn einschloss, abhob. „Erkennt ihr etwas, Herr?“
Der Hauptmann hatte sich Jinda unbemerkt genähert und stand nun dicht an dessen Füßen. „Was wir dort sehen ist nicht die Stadt, aber was es ist, kann ich dir nicht sagen.“ „Könnte es das Dämonenheer sein, das uns umgangen hat?“ Der Hauptmann pfiff verwundert auf. „Ich denke, dass die Dämonen unser Hauptheer angegriffen hätten, wenn sie dazu fähig wären, aber wir sollten uns vielleicht lieber Klarheit darüber verschaffen.“
Jinda rief seine Offiziere zu sich und stellte eine Kompanie dazu ab, nach Osten zu reiten und dort zu erkunden. Er selbst übergab sein Kommando an seinen Stellvertreter und begleitete die Krieger.

Gorn mit der Axt
10.01.2005, 18:14
In dem dunklen Verlies, das Urorkon von allen Räumen des dunklen Palastes am häufigsten aufsuchte, wurde der Herrscher erneut von einer Botschaft aus dem Süden gestört. Langsam stieg er von seinem Anthrazitthron herab und beugte sich über den Kristall des Magiers. Entgegen seiner Erwartungen war keiner der üblichen Spione seines Reiches sondern sein Diener aus der Stadt der Elben. Auch dessen Gesicht war die Überraschung deutlich anzusehen. „Großmächtiger, verzeiht einem treuen Diener euch gestört zu haben.“ Der Dunkle wedelte mit der Hand und sprach. Seine Stimme war düster und rau, Ungeduld klang aus ihr hervor. „Warum sollte ich. Waren die Anweisungen, die du erhalten hast, nicht deutlich genug?“ Unter dieser Rüge wich der Elb einen schritt vom Spiegel zurück, fasste sich aber doch wieder schnell. „Herr meines Herren, die Anwesenheit jener Anderen beunruhigt den Hohen Rat, mehr als es all eure Truppen je könnten. Die Gefahr in der das Imperium schwebt ist ihnen unbekannt, trotzdem erkennen sie die Stärke euerer Diener. Selbst einige meiner Anhänger im Hohen Rat sind durch diese Entwicklung vorsichtig geworden und verweigern jede Entscheidung. Dadurch wird der Rat und der König selber unberechenbar.“ An dieser Stelle wich die Angst für einen kurzen Moment aus seiner Stimme und machte etwas noch Entsetzterem Platz. „Was für Kreaturen sind es, die es vermögen unser Volk in eine solche Angst zu versetzen?“ Urorkon hob die Hand und eine Sekunde lang wurde der Spion von Schmerzen gepeinigt, die über jede körperliche Qual hinausgingen. Die Worte des Dunklen Herrschers waren wie zerborstenes Eis, so kalt und scharf klangen sie auf. „Erhebe dich nie wieder gegen mich. Du wirst mir gehorchen, wie es auch dein Verbündeter tut. Ihr beide werdet den hohen Rat kontrollieren. Jene, die ich aussandte haben euch nicht zu interessieren. Ihre Macht übertrifft die eure bei weitem.
Besser als jede andere Waffe wird die Angst die Menschen des Südens zerbrechen.“ Noch bevor sein Spion antworten konnte beendete er die Verbindung mit einer Geste seiner Hand und schritt wieder auf seinen Thron.
Dann öffnete sich die schwere Tür und sein Magier trat ein.

Gorn mit der Axt
11.01.2005, 15:58
Die achthundert Pferde donnerten über den aufgeweichten Boden, die Sonne war inzwischen untergegangen.
Auf ihrem Weg hielten sie immer am Flussufer, um später zum Trupp zurückzufinden.
Währenddessen wurde der Fleck am Horizont immer größer, auch wenn wegen der hereinbrechenden Dunkelheit keiner der Männer etwas genaueres Erkennen konnte. Dann jedoch stieg hinter ihnen der Mond auf, hell und strahlend und fast vollkommen rund. Die Nacht war klar, das vorangegangene Unwetter war weiter getrieben und hatte kaum eine Wolke am Himmel über Markor belassen.
In diesem geisterhaften Licht war Jinda einer der ersten, der eine weitere Hügelkuppe überquerte und auf das weite Grasland Markors hinabschaute. Diese endlose Steppe erstreckte sich im Südosten des Landes über hunderte von Meilen und war mit seinen zahlreichen Höfen, kleinen Städten und Dörfern eines der besten Beispiele für den Reichtum und den Frieden dieses Königreichs, der in so krassen Widerspruch zu den mächtigen Trutzburgen des Nordens stand.
In diesem Augenblick konnte Jinda von der vielgerühmten Ruhe nichts feststellen. Die riesige Ebene unter ihm war übersät von einem Gewimmel von rennenden und kriechenden Gestalten, die im hellen Mondlicht tanzende Schatten auf das dunkle Gras warfen.
Um Jinda herum wichen seine Krieger furchtsam zurück. Sogar sein abgehärtetes Schlachtross, das schon lange für den Kampf trainiert worden war und ihn seit Wochen des Krieges begleitete, fing erschrocken an zu Schnauben und nervös seitwärts zu tänzeln, als ob es die begründete Angst der Männer aus eigenem Verstand teilte. Denn das zu ihren Füßen war weder ein Teil der so lange erhofften Grenztruppen, noch war es das zurückgeschlagene Heer der Nordländer. Es schien Jinda als sei diese Armee, wenn auch ein kleiner als die der Nordländer, um einiges bedrohlicher und noch, er wusste nicht, wie er es beschreiben sollte, …andersartiger als alles, wogegen er bisher gekämpft hatte. Eine Welle der Furcht überspülte ihn wie eiskaltes Wasser und lähmte seinen Verstand. Bis ins Innerste erschüttert wandte er sich wieder zu den Legionären um, die all ihre sonstige Entschlossenheit und Disziplin verloren hatten und in kleinen Gruppen leise aufeinander einsprachen, auch wenn keiner zu wissen schien, wovor sie nun eigentlich zurückschreckten.
„Männer!“ rief er. Trotz aller Mühe konnte er das Zittern nicht aus seiner Stimme bannen.
„Lasst uns zurück reiten. Was da auch immer näher kommt, wir müssen unseren König warnen und die uns Anvertrauten sicher nach Theras schaffen.“ Die ersten der Reiter wendeten zögernd ihre Pferde und ließen die Tiere losreiten. Jinda schluckte mühsam. Gegen die eisige Kälte, die sich gleich Messern in seinen Geist bohrte, kam nun ein anderer Gedanke auf und erfüllte ihn mit Wärme, als er sich bemühte, sich die Gesichter seiner Freunde ins Gedächtnis zu rufen. Bilder, manche aus seiner Kindheit, anderer erst einige stunden alt überspülten ihn wie eine Flut und trugen den Gedanken mit sich, warum und für wen er diesen Kampf austrug. Dann riss die Flut ganz plötzlich wieder ab und zurück blieben nur die Wärme und der Mut, den sie gebracht hatte. Langsam gewann Jinda die Beherrschung wieder und riss sich zusammen. Dann sprach er noch einmal und diesmal war jedes Gefühl aus seiner Stimme verschwunden, die nun weithin über den Hügel schallte und mühelos auch den letzten seiner Krieger erreichte.
„Reitet, Männer von Markor, wie ihr noch nie geritten seid! Im Osten nähert sich der Tod oder Schlimmeres. Ist er schneller als wir, wird der König verloren sein und mit ihm jene, die euch lieb und teuer sind! Versagt und lasst alle Hoffnung fahren!“
Um ihn herum schrieen die Männer auf, doch der Laut war ähnlich dem seinen bar allen Lebens, wie der abgehackte Schrei eines verendeten Tieres gellte er durch die Reihen.
Jinda riss hart an den Zügeln seines Pferdes und lenkte es nach Westen, dass es vor Schmerz laut wieherte.
Während er an der Spitze der Legionäre zurückeilte, stimmte einer der Soldaten den Ruf des Boten an, ein altes Kriegslied des Reiches, das, einsam und schwach, im Brausen des Windes unterging. Dann aber fielen seine Kameraden in die vertrauten Worte mit ein und die Laut des Gesangs wurde sicherer, bis das Lied vom Sieg des Prinzen Jeldins über die Mächte aus dem Norden wie Donnerhall den Fliehenden voranging und über die Ebenen klang.

Gorn mit der Axt
12.01.2005, 15:51
Tief in den Reihen der nach Süden strömenden Menschen ragte die hohe Gestalt Ziodans wie ein Turm empor.
Unruhig blickte er sich um und blieb stehen. Dann lauschte er. Der Wind frischte auf. Obwohl er außer dem andauernden Brausen und den Marschgeräuschen seiner Begleiter kein Geräusch vernahm, blieb er wachsam, gab es doch noch andere Sinne, denen er mehr vertraute. Gerade in diesem Augenblick meldete sich jener eine, den nur die mächtigsten Magier zu beherrschen lernten. Die übrigen Menschen hatten viele Namen für ihn. Ahnung, Vision, Zweites Gesicht, Instinkt. Gaben, die ihnen zu Eigen waren, ohne dass sie es wussten. Nur wer seine wahre Bedeutung kannte, war in der Lage ihn einzusetzen, denn dies war der Sinn, der Magie spürte.
Und mit eben jenem für ihn noch unsicheren Sinn fühlte der nach außen so sichere Ziordan eine große Gefahr für seine Schützlinge, die wie eine Sturmflut von Osten her auf seine Gedanken eindrang und ihn dem Chaos aussetzte. Schwer atmend baute er seine geistigen Barrieren auf und löste sich von der Bedrohung. Er sprang auf einen Felsvorsprung und hob seinen Arm empor und sandte einen Strahl gleißendhellen Lichts nach Südosten. Dort, nur noch wenige Meilen entfernt traf der Strahl auf die dunkle Mauer des Tafelbergs. „Menschen von Markor, dort ist euer Ziel! Eilt euch, denn die Dunkelheit naht!“

Und einen Tagesmarsch weiter nördlich wurden die drei Geschwister und alle Magier der Elben im selben Moment aus dem Schlaf gerissen. Thimris spürte, wie der Alptraum, der sich wie ein giftiges Netz über ihren Geist gelegt hatte zerriss und er mit einem Aufschrei höchster Pein aus seinem Lager stieß. Verwirrt taumelte er umher. Aus den anliegenden Zelten hörte er wie der unmenschliche Laut sich wiederholte, anstieg und dann in einem flüsternden Heulen verklang, als auch der letzte der Magier erwachte.
Und sofort machten auch sie sich auf den Weg, und starteten zu einem morbiden Wettlauf, der über das Schicksal der freien Reiche des Imperiums entscheiden sollte.

Gorn mit der Axt
13.01.2005, 17:11
8. Das Grauen des dritten Krieges

Ziordan atmete erleichtert auf. An der Spitze des Zuges war er nur noch zweihundert Schritte von der Brücke über den Durangar entfernt. Er hatte diesen Weg schon oft benutzt, das Letzte Mal bei seiner Reise nach Dernag, der Hauptstadt aller Reiche des Imperiums.
Schon sah er vor sich die massiven, steinernen Eckpfeiler der Hauptbrücke von Theras. Anders als die anderen kleineren Flussübergänge war dieser nicht an der schmalsten Stelle des Flusses erbaut. Sie war stattdessen als eine von drei direkten Verbindungswegen von Gorian ins Grenzgebirge errichtet worden, um im Vorfeld des Zweiten Kontinentalen Krieges den Truppentransport vereinfachen, ja sogar erst ermöglichen zu können.
Als eine der größten Bauwerke seiner Art erstreckte es sich über tausend Fuß hinweg über dem tiefen Wasser des Durangar.
Ziordan konnte sich einem Gefühls der Sicherheit nicht erwehren, als er zwischen den beiden kleinen Torhäuschen hindurch schritt und die Brücke betrat. Er hatte mit Absicht diesen Weg angesteuert, da die ausladende Konstruktion als einzige in der Lage war, der gigantischen Menschenmenge einen schnellen Durchmarsch zu gewähren. Mit ihrer Breite von fast sechzig Fuß war sie groß genug, dass zwanzig Reiter nebeneinander reiten konnten.
Nein, über die Brücke machte Ziordan sich keine Sorgen. Eher um Theras selber. Ach wenn er schon jetzt am diesen Summen und den heftigen Vibrationen des meterdicken Steins spürte, dass der Durangar zur zeit Hoch-wasser führte, war Theras nicht viel mehr als ein größeres Fischerdorf, das außer seiner natürlichen Barrieren über keinerlei wirksamer Verteidigung verfügte. Er begann sich selbst Vorwürfe zu machen, dass er auf den jungen Torbaldson gehört hatte. Immer wieder sagte er sich, dass es zu den obersten Pflichten als Magier des Imperiums zählte, die Menschen der südlichen Reiche zu schützen. Er wusste: Dieser Ausweg war die einzige Möglichkeit, alle Flüchtlinge zu retten, aber gleichzeitig stellte er für sie alle ein enormes Risiko dar. Als wenn das nicht genug wäre, spürte er Kraft seines „sechsten Sinnes“ die Ankunft einer neuen Bedrohung. Selbst wenn die Bevölkerung Markors in Theras für einige Tage, vielleicht auch nur Stunden, in Sicherheit war; das zurückgebliebene Heer und mit ihm die Magier und der Hochkönigs des Reiches befanden sich noch immer in höchster Gefahr!

Gorn mit der Axt
14.01.2005, 16:34
Hochkönig Andraeis, letzter in der Thronfolge des Imperiums der Menschen, höchster Regent der südlichen Reiche und von Sorgen geplagter Führer einer schwer angeschlagenen Nation blickte von den Karten auf.
An seiner Seite standen Fimbrethil und Regorn, sein engster Berater. „Und die Botschaft ist sicher?“
Der junge Anführer des Spähtrupps schluckte sichtlich nervös und schaute hin und her. „Ja, Herr. Die Nordländer kehren bereits zurück. Es ist gut, dass sich das Heer schon aufgebrochen ist, die ersten Erkundungstrupps des Feindes sind nur einen halben Tagesmarsch entfernt und nähern sich beständig. Sie kommen von Norden her durch die Waldstraße, wie zuvor und ihre Zahl ist immer noch genauso groß wie im Grenzgebirge. Ich habe mich selbst davon überzeugt, bevor ich euch Meldung machte. „Der König nickte, anerkennend und doch abwesend. Der unerfahrene Hauptmann, der mit seiner abseits gelegenen Abteilung Soldaten ins Feld geschickt worden war, hatte die Nordländer als erster entdeckt. Anstatt seinem Vorgesetzten zu berichten, hatte er sich unangekündigt zur Heerführung begeben, eine Entscheidung, die sowohl von Leichtsinn, aber auch von Entschlossenheit zeugen konnte und dem König imponierte.
Zu seiner Linken rieb sich Regorn nachdenklich den Bart. Der König musste wider willen einen Augenblick schmunzeln. Er hatte seinen ersten Berater sorgfältig ausgewählt. Sein Helfer und Freund war seit Jahrzehnten im ersten Ring des Rates und hatte schon seinem Vater und zuvor seinem Onkel bei zahllosen Entscheidungen zur Seite gestanden. Doch jetzt wirkte er in seiner mit Schärpen besetzten Robe aus purpurnen Stoff seltsam fehl am Platze, obwohl Andraeis wusste, dass der stämmige Mann mit dem flächigen gemütlichen Gesicht stets eher ein Mann der Tat als des Redens gewesen war und auch in den letzten Wochen immer dort mitgeholfen hatte, wo es notwendig war. „Beschäftigt dich etwas, Regorn?“ Der Ältere lachte einmal laut auf knallte dann seine geballte Faust auf die Karte, dass das Tintenfass, welches eine der Pergamentseiten beschwert hatte, ins Taumeln geriet und seiner schon arg lädierte Kleidung weiter zusetzte, ohne dass er darauf achtete. „Allerdings. Diese Nordländer sind schon wieder auf dem Vormarsch! Na schön, soviel hatten wir schon vermutet.“ Noch einmal schlug er auf die Karte, diesmal so fest, dass das ohnehin bereits brüchige Papier Risse bekam. „Aber warum sind es so viele? Auch wenn ihre Zahl unwahrscheinlich groß war, haben wir ihnen sowohl am Jeldin-Pass, als auch nahe Markor erhebliche Verluste zugefügt. Das heißt, sie müssten sofort nach ihrer Flucht in Richtung Grenzgebirge den ersten Nachschub erhalten haben. Hauptmann, hattet ihr auch Reiter hinter die eigentlichen Linien entsandt? Soweit zurück, dass sie etwas von nachrückenden Truppen gesehen haben könnten?“ Der junge Silas wich besorgt zurück. „Herr, bei allem nötigen Respekt, aber das würde allen Regeln der Legion widersprechen. Ich bin nicht befugt das Leben meiner Männer mit einer solchen Aktion sinnlos aufs Spiel zu setzen!“ Der König schaute auf seinen Berater. Obwohl die Erklärung des Offiziers den Gesetzen des Reiches entsprach, schien Regorn unbefriedigt. Mit unmerklich ruhigerer Stimme sprach er auf den Hauptmann ein. „Ich war selbst lange Zeit im Feld, noch bevor einer von euch geboren wurde, den edlen Fimbrethil mal ausgeschlossen.“ Bei der Erwähnung seines Namens schmunzelte der Angesprochene, unterbrach Regorn aber nicht. „Die Regeln unseres Berufes sind mir durchaus bekannt, aber ich weiß ebenso gut wie ihr, dass ein Offizier im Einsatz manchmal selbst entscheiden muss. Ihr seid ein Silas des Imperiums und damit dem König verpflichtet. Wenn euch etwas von Be-deutung bekannt sein sollte, dann bitte ich euch jetzt bei eurem Eid, es uns zu sagen. Eure Strafe würde euch natürlich erlassen. Also noch einmal: Habt ihr jemanden in das Hinterland geschickt.“ Die Tatsache, dass der Ratsherr sich über den Tisch beugte und sein bärtiges, von Narben zerfurchtes Gesicht dem Silas entgegenstreckte, war wohl nicht dazu angetan, dessen Zweifel zu zerstreuen. Andraeis lachte im Geiste. Wenn die Situation nicht so verdammt ernst gewesen wäre, könnte man über sie lachen. Diese ganze Rede ähnelte einem absurden Theaterstück.
Dann rang der Hauptmann sich zu einer Entscheidung durch und antwortete mit heiserer´und schicksalergebener Stimme. „Ich war selbst dort.“ Der Hochkönig war schockiert, als er ihn das sagen hörte. Das war gegen alles was in der königlichen Armee gelehrt wurde, seine Truppen im Einsatz ihrer Führung zu berauben. Ein solches Verhalten war aufs höchste fahrlässig, im besten Falle leichtsinnig zu nennen. Auch der erste Berater schien von diesem Bericht vor den Kopf geschlagen. Mit gesenktem Kopf stand er da und Andraeis machte sich bedauernd auf einen seiner berühmt-berüchtigten Wutausbrüche gefasst, die schon so machen seiner Rivalen im Rat schwer getroffen hatten.
Deshalb überraschte seine Reaktion den König mehr, als es einem jemand anderem gelungen wäre. Der stämmige, muskulöse Körper des Ratsherren geriet in unterdrückte Zuckungen, dann stieß er ein dröhnendes Lachen von solcher Lautstärke aus, dass die Wachen der Leibgarde, die Tag und Nacht vor dem Befehlsstand ausharrten, überrascht zu ihren Herren hereinsahen. „Genauso hätte ich es auch gemacht! Wenn eure Mission nicht so unglaublich wichtig gewesen wäre, müsste ich euch jetzt vors Kriegsgericht stellen. Die Hand Regorns landete schwer auf der Schulter des Offiziers und dieser ging ein wenig in die Knie. „Und nun sagt uns, was habt ihr gesehen?“

Gorn mit der Axt
15.01.2005, 15:14
Logan zog im Osten der Schar daher, seine Geschwister hatten sich von ihm getrennt. Auf eine Weise, die er selbst nicht bestimmen konnte, fühlte er sich hilflos. Dank seiner Gabe war er mehr als jeder andere in der Lage sich zu verteidigen, aber gegen das, was ihn in seinen Träumen heimgesucht hatte, gab es keinen Schutz.
Logan schauderte. In Gedanken war er wieder in seinem Traum, einem zusammenhanglosen Gewirr von alten Erinnerungen und Phantasien, wie er sie in den Aufregungen der letzten Zeit schon oft erlebt hatte. Doch dann wurde die Welt um ihn schwarz. Das Durcheinander hatte sich gelichtet und fürchterlichen Szenen Platz gemacht, die schlimmer waren, als alles, was er in diesem Krieg gesehen hatte. Selbst jetzt glaubte er die Schreie der Sterbenden noch zu hören, die durch seinen Kopf gellten, als sie im sinnlosen Kampf fielen. Denn das war es gewesen. Die Massaker des Imperiums im letzten Krieg. Die Bilder ängstigten Logan und jeden anderen auch, der sie wahrgenommen hatte. Auch seinen Bruder, das wusste er. Aber auch wenn der Anblick der verwundeten und verstümmelten Legionäre ihn in Panik versetzt hatte, so waren sie nicht die Botschaft, die der Feind ihnen gesandt hatte. „Wir finden euch!“ schien er zu sagen. „Wir haben euch schon einmal besiegt und werden es wieder tun. Seht, was geschehen wird und gebt auf!“ Die Stimmen hatten ihn verhöhnt und bedroht, dass er sogar jetzt noch beim Gedanken daran zusammenfuhr.
Logan blieb stehen und ihm wurde eiskalt. Das war keine Erinnerung! Er hörte die Stimmen wirklich noch.
Als seien die Versprechen der Dämonen schon wahr geworden, war ein hoher und heiserer Laut zu hören, der sich kaum vom Heulen des Windes abhob. „Mein Gott, sind sie so nahe?“ Er schaute sich rasch um. Auch die anderen Soldaten hatten den Laut jetzt gehört und ihre Schritte stockten mitten im Lauf. Logan konnte von seinem Platz aus sehen, dass viele der Soldaten die Hand auf ihren Schwertgriff legte, und wer in diesem Augen-blick die Nerven verlor und blankzog, musste keine Furcht haben allein zu sein.
Das unterschwellige Summen der abertausenden von Stimmen verstummte, als sich alle Gesichter nach Osten wandten. Dort schien der Ursprung dieser Stimmen zu liegen. Sogar das Brausen des Sturmes schien sich zu senken, als wollte es die Niederlage gegen den übermächtigen Feind eingestehen. Und nun konnte Logan endlich verstehen, was da von Osten auf sie einklang.

Gorn mit der Axt
16.01.2005, 14:01
Die südlichen Länder, Hochkönigs Land
Einsam und still war’s, als er mich dort fand.
Boten des Herrschers durcheilten es weit,
Ich strahlte ihn an und ich tat ihm den Eid.

Im Osten die Wiesen, Elbenland alt,
Ich reiste hindurch, ich passierte den Wald.
Uraltes Wissen. Verloren! Vergangen!
Die Gegend verblasst, von der sie einst sangen.

Im Süden die Küste, so kalt und leer,
Ich reiste hindurch, ich passierte das Meer.
Eiskalter Sturmwind weht über den Strand
Sieh meine Spuren, sie verschwinden im Sand.

Im Westen das Dunkel, nasskalt, ich fror,
doch ich reiste durch, ich passierte das Moor.
Nachtfalter, Zwielicht, Mondschauers Schrei
Doch ich bangte nicht, bracht die Botschaft herbei.

Nur nördlich, die Berge, bereiste ich nie,
Eis, Frost, Dämonen, verflucht waren sie.
Den Wall hoch am Himmel, hät ihn gern geschaut
Doch wir hatten Furcht, keiner hat sich getraut!

Als Logan sich umschaute, so er die ungläubigen Gesichter der Soldaten. Die meisten hatten das Lied erkannt, das dort durch die Nacht zu ihnen herüber schallte. Der „Ruf des Boten“ war eines der ältesten und bekanntesten Lieder unter den Legionären, schon in seiner kurzen Zeit bei der Armee hatte er es einige Male gehört, als die Männer versuchten, sich gegenseitig Mut zu machen.
Aber niemals hatte er die Worte auf die gleiche Weise klingen hören wie heute.
Die Laute waren ohne die Hoffnung, ohne den Mut und die Stärke, die das Lied sonst vermittelte. Stattdessen konnte man kaum Gefühl in de Stimmen der Sänger wahrnehmen, abgesehen vielleicht von einer mitklingenden Verzweiflung und einem Schmerz, als seien es eben jene Männer, die auch damals gegen die Dämonen einen aussichtslosen Kampf geschlagen hatten und nun zurückgekehrt, um ihren Nachfolgern im Kampf beizustehen..

Gorn mit der Axt
17.01.2005, 17:09
Dann kam’ n aus dem Nordland, mächtig und alt
Dämonen geritten, ihr Atem blies kalt.
Der König sandt’ mich, seinen schnellsten Boten
Der anderen Blicke, sie tauften mich „Toten“.

Doch Furcht hielt mich nicht auf, eilte gen Norden
Prinz Jeldin war dort, was war draus geworden?
Geschicke der Menschen, verloren, vertan?
Das Leben uns aller, wenn Jeldin nicht kam.

Dann war ich dort, erblickte das Grauen
Berichte es nicht, will’s nimmermehr schauen!
Jeldin bedrängt, verwundet, gefangen,
Seine besten Soldaten, zerfetzt aufgehangen!

Die Angst packte mich, ich ahnte was ward,
der König, der Herrscher, leblos im Grab!
Ich rannte hinab, das Schwert in der Hand
So war es auch, als Herr Jeldin mich fand.

Verletzt, halb verblutet, dem Tode nah,
mich deuchte das Ende, als ich ihn dort sah.
Befreit war der Prinz, doch die Leibgarde nur
Sie warn die einz'gen, nur wir hielten den Schwur!

Zweihundert Mann, in tödlichem Zorn
Stieß dort auf Klippe so heftig ins Horn,
dass die Wände erbebten, borsten und brachen
die Erde tat auf ihren schrecklichen Rachen.

Ob Krieger, ob Bote, ob Greis oder Knabe,
wir jagten Dämonen, verfolgt bis ins Grabe
vor der Hauptstadt da traf unsere Streitmacht zusammen,
dort war es dann auch, wo wir sie bezwangen!

Wir schworen uns heilig, Blutsbrüder, Freunde
Kein einziger Feind soll hier leben bis heute!
Dämonenjäger, Tag, Monate, Jahre
Jetzt bin ich alt, doch ich harre der Tage

Da die Menschen des Südens da leben in Frieden
Und der Wind aus dem Norden soll nimmermehr siegen!
Da die Menschen des Südens da leben in Frieden
Und der Wind aus dem Norden soll nimmermehr siegen…

Gorn mit der Axt
18.01.2005, 15:36
Die Dunkelheit östlich des Lagers schien sich noch weiter zu verfinstern, manch einer der Krieger fragte sich in diesem Augenblick, welchen weiteren Schrecken die Nordländer nun erweckt hatten, der schlimmer als alles Bisherige war.
Dann lösten sich die Schatten von der tieferen Nacht um sie herum und drangen in den Zwielichtschein der vielen Wachfeuer ein. Logan stockte der Atem.
Er sah Männer, Krieger des Imperiums, die auf ihren Pferden dahin galoppierten, als seien alle Schrecken der Hölle hinter ihnen her. Jedes Tier war schweißgebadet und hatte Schaum vor den Nüstern, eines brach unter seinem Reiter zusammen, noch bevor die Gruppe den Zug erreicht hatte.
Wenn die Tiere schon am Rande der Erschöpfung standen, boten ihre Herren ein Bild des Leides, das Logan aufschreien ließ. Die Stärksten von ihnen hatten ihre schwerer verwundeten Kameraden gestützt und auf ihre Sättel geladen, aber auch ihre Rüstungen waren mit getrocknetem Blut und Schlamm verkrustet, auf Ärgste zerkratzt und eingedellt und an manchen Stellen gar völlig zerrissen, unter denen heftig blutende Wunden oder pulsierende Organe zu erkennen waren.
Logan liefen Tränen des Mitleids über die Wangen, als er hörte, wie diese Kompanie der Verdammten erneut in das Lied einstimmte und ihr heiserer und trockener Sang noch hoffnungsloser, noch schauriger als zuvor über die Ebene scholl. Er nahm seinen Mut zusammen und eilte den Gepeinigten entgegen. Die Pferde, nun endgültig am Ende ihrer Kraft angelangt, gingen vom schnellen Galopp in einen langsameren Trab über, bevor der erste der Krieger vor ihm zum stehen kam. Gerade als er dem Legionär die Hand reichen wollte, stürzte dieser von seinem Ross und stürzte mit schmerzverzerrten Keuchen ins feuchte Gras, das mehr auf das Geräusch des Aufschlags und das Quietschen der Rüstung, als auf ein Zeichen von Leben zurückzuführen war. Und In Logan erwachte ein schrecklicher Verdacht.
Der Mann trug die Rüstung eines Kriegers und Logan hätte ihn zweifellos für einen einfachen Soldaten gehalten, wäre da nicht der einzelne goldene Stern auf seiner rechten Schulter gewesen, der sich trotzig gegen die Dunkelheit und den ihn bedeckenden Schmutz durchsetzte und ihn matt anfunkelte. Alle anderen Hinweise auf seinen Rang waren von der Kleidung abgerissen, die sich, wie er jetzt aus der Nähe sah, in einem verheerenden Zustand befand. Die schweren, eisenbeschlagenen Lederstiefel waren löchrig und hatten klaffende Risse, aber das starke Metall hatte sie dennoch zusammengehalten. Von den soliden Lederhosen darüber konnte man das nicht behaupten. Sie waren fast vollständig entfernt worden und nur einige Stofffetzen unterhalb des Gürtels waren noch vorhanden und enthüllten schwerste Zahn- und Klauenspuren an den Beinen, die wie mit rotbrauner Farbe bemalt schienen. Die dicken Schichten aus festem Leinen, Leder und stählernem Harnisch hatten die schlimmsten der Attacken wohl abgewehrt, zumindest soweit Logan dies an der linken Seite des Körpers erkennen konnte. Trotzdem war die Rüstung überall eingedellt wie dünnes Blech und an einer Stelle war der Stahl zerfetzt worden und der Eigentümer dieser Klauen hatte dem Soldaten eine schmerzhafte Fleischwunde zugefügt, die von seiner linken Schulter bis an die Mitte des Brustkorbs reichte, eine der mächtigen dolchartigen Krallen steckte sogar noch in der Öffnung, die in die Rüstung gerissen worden war. Der Kopf war, vielleicht zu Logans Glück, durch einen dicken wollenen Umhang verhüllt, der viel zu unbeschädigt war, als dass er seinen Träger schon zu Beginn des Kampfes geschützt haben konnte, vielleicht ein Geschenk eines gnädigen Kameraden, wahrscheinlicher jedoch war, dass es sich um den Mantel eines Gefallenen handelte.
Behutsam umfasste er den Kopf des Verletzten und schob den Umhang bei Seite.
Jinda! Logan war versucht, den Mantel wieder zurückzuschlagen, als könnte dieses dünne Stück Stoff die Wahrheit ungeschehen machen, die ihm sagte, dass sein Freund auf Schlimmste verletzt und dem Tode nahe war.
Doch dann, ein Lichtblick. Aus dem Zug erschienen nun einige der Elbenmagier, die sich der am Schwersten Verletzten annahmen und nun auch auf ihn und Jinda zueilten. Logan begann wieder zu hoffen. In diesem Moment begann sich Jinda in seinen Armen zu regen. Logan schaute seinem Freund in die Augen, die zugleich umnebelt wie auch anormal geweitet waren. Jinda bemühte sich etwas zu sagen, aber kein Wort verließ seinen Mund, nur eine kleine Schar von Blutblasen tanzte aufgeregt auf seinen Lippen hin und her. Als er die Sinnlosigkeit seines Bemühens einsah fuhr ein Ruck durch Jindas Körper und sein Arm begann sich in kleinen bebenden Schritten vom Leib wegzubewegen, bis seine Hand etwa in jene Richtung zeigte, aus der er gekommen war und aus der noch immer Reiter auf den Zug stießen. Nach dieser Qual, die seinem Gesicht deutlich anzusehen war, schienen sich seine Kräfte zuletzt doch erschöpft zu haben und sein Arm lockerte sich und sank vollständig zu Boden, aber bevor er das Bewusstsein verlor, flackerte es in seinen Augen noch einem hell auf und über sein verzerrtes Gesicht zog ein Schatten von etwas, dass fast ein Lächeln hätte sein können, wäre da nicht eine Bitternis in seinen Augen, die seine Gedanken an seinen baldigen Tod bezeugten.
Jetzt kam einer der Magier mit zwei Reservisten an der Seite in Logans Nähe und besah sich Jindas Wunden mit einem skeptischen, aber wissenden Blick. Dann wies er mit dem Arm auf die Trage und seine Helfer fassten ihn mit sanften Händen und hoben ihn auf das weiche Gespinst aus Holz und Stoff.
Seltsam befremdet stand nun auch Logan auf und ließ seinen Blick ziellos über die Männer schweifen. Am Rande des Zuges erblickte er seine Schwester, die mit weit aufgerissenen Augen auf einen Punkt hinter ihm starrte und die Erscheinung ihres Bruders nicht wahrnahm. Logan wandte sich mit einer wie ihm schien, abnorm langsamen Drehung herum und sah auf die Träger, die die Griffe der Bahre nun fest in ihren Händen hielten und langsam anhoben. Dabei erfasste ein Windhauch das raue Tuch des Umhangs, der nun an Jinda herunter glitt und das Heft und einige Zentimeter der Klinge des Schwertes enthüllte, das sich an der rechten Seite seines Körpers tief durch die Rüstung und das darunter liegende Fleisch gebohrt hatte.

Gorn mit der Axt
19.01.2005, 14:59
Fimbrethil stürmte aus dem Befehlsstand, ohne auf die verblüfften Mienen des Königs und seiner Berater zu achten und sprang mit einer Gewandtheit, die sein Alter Lügen strafte auf die überdachte Ladefläche seines Wagens. Dort begann er heftig eine der großen Truhen zu wühlen und riss nach einigen ebenso lauten wie abschreckenden Flüchen eine kunstvoll bemalte Tonschale und ein kleines Säckchen aus Seide heraus.
Mit hastigen, aber nichtsdestotrotz ruhigen Bewegungen, die von seine jahrhunderte lange Erfahrung bezeugten, hielt er die Schale aus dem Wagen, schöpfte ein wenig von dem durchnässten Lehmboden und dem herabrie-selnden Regenwasser auf. Dann nahm er einen kleinen Kristallstab zur Hand und rührte damit in langsamen Bewegungen darin herum.
In der Schale bildete sich nun ein dunkler Strudel, der im inneren des Tongefäßes unruhige und verwirrende Wirbel hervorrief. Nun fasste der Magier zwei geschnitzte Fackeln mit fein ziselierten Beschlägen hervor, die er beide mit einer Geste seiner Hand entzündete. Die erste, himmelblau gestrichene hielt er vor die Schale und blies sacht über die Flamme. Der abziehende Rauch war schwer und schwarz und schwebte einige Sekunden umher, ehe er im verschlungen Muster der Mixtur verschwand. Die andere, rot Bemalte fasste er mit beiden Händen, drehte sie herum und stieß sie in die Mitte des sonderbaren Gebildes, das zuvor schon den Rauch auf-genommen hatte. Nun loderte das Feuer am unbehandelten Stiel empor und wurde während der nächsten Minuten immer dunkler, bis es in seiner Farbe einem dunklen Purpur entsprach.
Fimbrethil runzelte die Stirn. Die magische Prozedur hatte in viel Kraft gekostet, aber er hatte nun den Grundstock einer Ätherkugel, eines Werkzeugs, dessen sich nur mächtige Zauberer bedienten und dass ihm bis zu einem gewissen Grad die Herrschaft über die Elemente ermöglichte. Aber er brauchte mehr als das. Mit festem Griff schlossen sich seine runzligen Finger um den Griff seines Dolches, bevor er ihn am Handgelenk ansetzte und sich einen ungefährlichen, aber heftig blutenden Schnitt zufügte. Das Gefühl der Macht, das sich in ihm ausbreitete jagte einen Schauer über seinen Rücken. Er verwendete die Blutmagie nicht oft und nur sehr ungern.
Auch wenn sie seine Magie um ein Vielfaches verstärkte, grenzte sie doch ebenso an die schwarze Magie des Feindes, wie seine eigene der reinen Heilmagie der Elben verwandt war. Doch als nun die ersten Blutstropfen in die Schale fielen, fiel die helle Flamme in sich zusammen und der Inhalt klarte auf, bis er das Aussehen eines gefrorenen Sees annahm.
Fimbrethil stellte die Schüssel auf den Holzboden des Wagens und richtete sie nach Westen hin aus, dann sah er hinein und seine Augen wurden vom dunklen Sog gefangen genommen, bis er außer dem magischen Fenster, das sich in der Flüssigkeit auftat nicht mehr wahrnahm. Vorerst war er zufrieden. Wie er erwartet hatte, hatte der Feind sie durch ihre rasche Flucht nicht einkesseln können, in dieser Richtung war nichts zu sehen außer ihren eigenen Truppen und einer kleinen Schar von Spähtrupps des Feindes am oberen Rand seines Sichtfeldes.
Gespannt, aber nicht ungeduldig entließ er das Fenster und richtete seine Aufmerksamkeit auf den Süden.
Auch hier konnte er keinen Dämon erblicken, durch die magische Sicht bemerkte er nur das Gewimmel schwächerer Auren, der Fliehenden und zwischen ihnen die strahlendere, hellrote Kennung seines Schülers.
Er nahm sich vor, durch das Wasser zu ihm Zwiesprache zu halten, aber zuerst untersuchte er die anderen beiden Ränder des Horizonts. Im Norden herrschte ein noch größeres Durcheinander an verschiedenen Farben und Formen, das Heer der Dämonen hatte kehrt gemacht und wandte sich nun wohl nach Südosten, anstatt den ursprünglichen Weg zu wählen. Östlich von sich erblickte der greise Magier jedoch nur eine große Finsternis.
Er verstärkte die Kraft des Fensters mit seiner eigenen Macht und das Bild klarte ein wenig weiter auf. Auch zur Halbinsel hin nahm er Gestalten wahr, etliches weniger als das Nordlandheer, doch immer noch in erschreckender Zahl. Die Auren der Wesen, die er zuerst nicht hatte erkennen können, waren tiefschwarz und einige von ihnen hatten eine Macht inne, die die seine übertreffen mochte. Er ballte die Fäuste und löschte die mystische Flamme, die noch immer unter der Flüssigkeit loderte und der helle Schein des Fensters wich der dunklen Farbe verschmutzten Wassers. Dann sprang er aus dem Wagen um den König zu warnen.

Gorn mit der Axt
20.01.2005, 18:10
Am Himmel östlich des Kampfstandes, der durch den Schein der bald aufgehenden Sonne erhellt werden müsste, drängten sich dunkle Wolken. An den Rändern mischten sich ein dunkles Mitternachtsschwarz und dunkles Lila wie vor einem Gewitter, aber im Zentrum wichen die Farben helleren, bedrohlicheren Tönen, die die Gewalt des bevorstehenden Gewitters ankündigten.
Die Stirn in Falten gelegt schützte Hochkönig Andraeis sich vor dem auffrischenden Regen und trat unter die dicken Zeltplanen des achträdrigen Wagens, der ihm auf der Reise als Befehlsstand diente. Gleichzeitig mit ihm traten vier Träger herein, die auf einer mit Planen geschützten Liege einen Verletzten mit sich führten.
Der Krieger war bestimmt fünfzig Jahre alt, aber sein Blick war klar und seine Gestalt immer noch muskulös und stämmig, obwohl das, was man an Haut sehen konnte, kalkweiß oder blutig war.
Andraeis musterte den Soldaten, den seine drei silbernen Sterne als Hauptmann auswiesen, und drehte sich zu seinem Berater herum. „Ich hatte ausdrücklich den Befehl gegeben, einen der Leichtverletzten zur Befragung heranzuziehen. Warum habt ihr das nicht veranlasst?“ Regorns Fäuste ballten sich, dass sein Herr hören konnte wie seine Knöchel knackten, sprach aber aus Rücksicht auf den Verletzten spürbar leiser. „Ich würde es niemals wagen einem direkten Befehl von euch zu widersprechen, das wisst ihr, Mylord. Unter jenen, die nicht an ihren Wunden gestorben sind gab es keinen, der in besserer Verfassung gewesen wäre.“
Um sein Entsetzen zu überspielen sprach der König direkt auf den Offizier ein. „Gebt euren Bericht ab Soldat. Wer seid ihr und was ist im Osten vorgefallen?“ Der Angesprochene atmete schwer, Andraeis nahm an, dass einer der Medici ihm ein Mittel verabreicht hatte um den Schmerz zu betäuben. Dennoch war seine Stimme mit einem gewissen Zögern klar und deutlich zu vernehmen. „Hauptmann Gerrit ä' Kannon. Reservisten, vierte Kompanie, erste Schwadron unter Major Jinda ä’ Ferion.“ Der König griff sich nachdenklich ans Kinn als der Name des Truppführers erwähnt wurde. Er hatte lange Bedenken gehabt, den Gefährten der jungen Magier mit einer derartigen Aufgabe zu betrauen, denn auch wenn sie ihm in ihrer Eigenwilligkeit zuwider waren, schätzte er sie doch sehr ob der Hilfe, die sie seinen Truppen bereitstellten.
Er gab aber kein Zeichen den Bericht zu unterbrechen und der Soldat redete weiter. „Wir waren dabei die Flüchtlinge nach Theras zu überstellen, als wir im Osten die Anwesenheit eines zweiten Heers feststellten.“ Regorn erhob sich von seinem Platz und redete auf den Offizier ein. „Ein zweites Heer? Wer war es. Haben die Dämonen sich geteilt? Oder hat man von der Ostfront Verstärkung entsandt? Gütiger Jehran, nun red doch, Mann!“ Der Atem Gerrits beschleunigte sich, man konnte zusehen wie der oberste Berater um Beherrschung rang, um den Offizier nicht zu überanstrengen. Doch der Hauptmann hatte sich schon wieder gefangen. „Weder noch, Mylord. Im Osten rücken Dämonen an, das ist wahr, aber keine wie wir sie in diesem Krieg zu Gesicht bekommen haben.“ Bei der Erinnerung begann er schneller zu reden und die Haut um die frischen Wunden spannte sich, als er sich aufrichtete. „Sie sind weitaus gefährlicher! Sie scheinen unbesiegbar zu sein. Major Jinda entschloss sich seine Truppen zu teilen. Eine Dekurie schickte er los, euch und das Flüchtlingsheer zu warnen, die aber Theras nach der letzten Meldung, die uns erreichte, bereits erreicht haben müssten. Als klar wurde, dass die Dämonen früher in Theras ankommen würden als das Hauptheer gab er dem Rest von uns den Befehl den Feind von den Flanken her anzugreifen. Ich glaube er hatte gehofft, euch auf diese Weise einen ausreichenden Vorsprung zu erkämpfen.“ Andraeis schüttelte verwirrt den Kopf. „Aber was ist geschehen? Keiner der Boten ist hier eingetroffen.“ Gerrit nickte. Auf seiner Stirn standen Schweißtropfen. „Keinem ist es gelungen. Die Dämonen haben uns mit ihren Fähigkeiten überrascht. Unter ihnen scheinen sich mächtige schwarze Magier zu befinden. Wer keine Zauberei beherrscht, verfügt über andere Kräfte, die uns unbegreiflich waren. Einige von ihnen beherrschten die Elemente, auf dass sie sich gegen uns wandte, andere waren von schier unmenschlicher Schnelligkeit. Solche waren es auch, die die Boten abfingen. Der Major hat sich ihnen dennoch entgegengestellt und hat es trotz der Überlegenheit des Feindes geschafft ihn einige Zeit abzulenken. Aber es half nichts. Major ä’ Ferion hat gekämpft wie zehn Männer zugleich, aber als die Dämonen ihn besiegt hatten verlor die Truppe den Mut und brach auseinander. Von der Dekurie, die ich im Kampf führte, können nicht mehr als eine Hand voll übrig geblieben sein und vom Major habe ich seit der Schlacht nichts mehr gesehen. Aber so, wie er verwundet war kann er es auch kaum geschafft haben, den Dämonen zu entkommen.“ Der Hauptmann schloss die Augen und sank in die Liege zurück, das Gespräch hatte ihn sichtbar erschöpft. Andraeis wies die Träger an, ihn ins Lazarett zu überführen. Als alle außer Regorn den Raum verlassen hatten riss er sich die Krone vom Kopf und biss sich auf den Knöchel um nicht laut los zu schreien.

Gorn mit der Axt
21.01.2005, 16:49
Jeel saß auf der Ladefläche des Karrens, auf dem Jinda aufgebahrt worden war. Neben dem Wagen gingen ihre Brüder und Pirin auf und ab. Der Medikus, der sich bisher mit besorgtem Gesicht über seinen Patienten gebeugt hatte, richtete sich nun mit steifer Geste auf. „Herr, wird er es überleben?“ Jeel versuchte gar nicht erst, das Zittern aus ihrer Stimme zu bannen. Hinter ihrem Rücken wechselten ihre Brüder einen langen, verständnisvollen Blick. Jetzt würde auch der Letzte begreifen, welche Beziehung da zwischen ihr und Jinda bestand. Ähnlich ging es auch dem grauhaarigen Heiler, denn seine Miene wurde eine Spur milder, als der vom Alter gebeugte Mann zu ihr aufblickte. Er wischte sich mit dem Ärmel seines grünen Heilerumhangs den Schweiß von der Stirn.
„Das kann ich euch nicht sagen, Fräulein. Seine Verletzung ist eine der schlimmsten, die ich je bei einem Lebenden gesehen habe und doch hat er mit dieser Wunde zwanzig Meilen auf dem Pferd überstanden.“ Er blickte zu ihrem Freund hinab und in seinen Augen glänzte Bewunderung für diesen jungen Krieger auf. „Ich habe jetzt erst einmal getan, was ich konnte. In seinem Rücken stak ein abgebrochenes Schwert. Ich habe es herausgezogen und aus der Rüstung gebrochen, dann habe ich ihm ein Mittel gegen den Schmerz und für eine schnelle Wundheilung gegeben. Ob er überlebt, wird sich in den nächsten Stunden entscheiden. Die inneren Verletzungen waren nicht übermäßig schwer und ich hoffe den den Blutfluss gestillt zu haben, aber er ist zu sehr geschwächt und dem Tode nahe. Mehr als alles andere wird sein Willen über sein Leben entscheiden.“ Er sah sie an und ein Hauch eines müden Lächelns überflog sein Gesicht. „Wenn ihr etwas für ihn tun wollt, dann bleibt in seiner Nähe und haltete seine Hand. Es wird ihm helfen zu wissen, dass er nicht allein ist.“ Mit diesen Worten wandte er sich von ihr ab und trat an einen der anderen Wagen.
„Pirin, komm bitte her.“ Die Brauen des Elben hoben sich. Obwohl Jeel aus Rücksicht auf Jinda nur flüsterte, war der Nachdruck in ihrer Stimme zu hören. „Pirin, die Elben sind doch gelehrt in der Kunst der Heilung. Der Medikus hat gesagt er habe alles getan, was in seiner Macht steht, aber wie ist es mit deiner Heilkunst?“ Logan gefiel der aufgeregte Tonfall seiner Schwester nicht. Im Gegenteil, er beunruhigte ihn. Sie war sonst so ausgeglichen und verträglich, ganz anders als er. Diese Situation musste sie an den Rand des Wahnsinns treiben. Pirin schien ähnliche Gedanken zu hegen, denn er runzelte die Stirn und hob abwehrend die schmalen Hände. „Ich bin wie du weißt kein ausgebildeter Heiler. Bei einer derart schweren Wunde empfiehlt es sich nicht, gegen die Anweisung eines Medicus zu handeln. Im Augenblick könnte ich wohl nicht mehr tun, als dein Bruder, mich auf ihn zu konzentrieren und zu stärken.“ Jeel knurrte ihn fast an „Dann tu das!“ Der Elb wich hastig vor ihr zurück und trat bei Seite, als sie wie eine Furie auf ihre Brüder hinab stieß. „Und was ist mit euch? Ihr habt wohl auch vor, euren Freund sterben zu lassen!“ Logan sah betreten zu Boden, aber Thimris stand auf und blickte sie unverwandt an. Logan erwartete, dass er Pirins Ansicht bestätigen würde, aber stattdessen seufzte er nur und drückte Jeel an sich, die sich schluchzend an ihn lehnte. Man konnte regelrecht zusehen, wie sie allen Widerstand aufgab und regelrecht dahinschmolz. Als Thimris ihm einen Wink gab, ging Logan auf die beiden zu und nahm ihm Jeel sanft aus den Armen. Er führte sie zu seinem Lager, das am Nächsten stand und hüllte sie in die warmen Decken. Nach einiger Zeit wurde das Weinen das hindurch drang leiser und brach schließlich ab. Lautlos stand Logan auf und sandte einen fragenden Blick an seinen Bruder. Dieser zuckte schicksalsergeben die Schultern und trat an Jindas Lager heran, der trotz des Beruhigungsmittels schnell und keuchend atmete.

Gorn mit der Axt
22.01.2005, 15:44
Dreißig Minuten nachdem Jinda den Zug als erster erreicht hatte traf der letzte der Reiter ein, tot und blut besudelt auf seinem Reittier, das den Weg allein zurückgefunden hatte.
Thimris, der immer noch auf dem Karren neben seinem Freund saß, spürte de bedrohliche Macht, die ihnen näherte. Aber er merkte, dass er den Energiefluss zu Jinda nicht abbrechen lassen durfte, das Gleichgewicht zwischen dem Leben seines Freundes und seiner Magie war einfach zu instabil, als dass er es auf einmal hätte trennen können. Er neigte den Kopf. „Logan. Komm her. Geh bitte nach draußen und schau nach was geschieht. Die Männer sind in Gefahr. Versuch ihnen zu helfen. Wenn es dir nicht gelingt, ruf einen der Magier oder mich zu Hilfe. Hast du verstanden?“ Sein Bruder nickte, warf sich schnell seinen Unhang um und kletterte geschwind auf den Boden und in die Nacht hinein.
Dort erwartete ihn das reine Chaos. Der Zug war viele tausend Schritte lang und dennoch marschierten hunderte von Kriegern nebeneinander. Im Inneren, dort wo die wichtigsten Einrichtungen waren und die Karren der Verwundeten fuhren, war von der aufkommenden Panik kaum etwas zu spüren, heulender Wind, schwacher Fackelschein und ab und zu mal ein Schrei, wenn einer der Offiziere neue Befehle gab. An den Rändern des Heerzuges bot sich ein ganz anderes Bild. Dort waren die meisten Feuer erloschen und die Dunkelheit und der Lärm des Sturms legten sich über die verängstigten Männer wie ein Leichentuch. Einige, die standhafter waren, erfahrener oder einfach nur sturer, bemühten sich wieder Ordnung in die Masse zu bringen, aber ihre halbherzigen Versuche scheiterten und immer mehr der Krieger kamen vom Weg ab.
Die Armee schien in der Dunkelheit der Nacht von allen Seiten zugleich angegriffen zu werden, obwohl kein einziger Feind auszumachen war. Manche der Soldaten wurden von dunstigen Schwaden giftigen Dampfes umschlungen, die vom Erdboden aufstiegen und sie ohnmächtig aus den Satteln stürzen ließ, wonach sie spurlos im Nebel versanken.
Auf andere stießen aus der brodelnden Gewitterfront feurige Blitze herab wie Speere der Götter und Kugelblitze trudelten vom Himmel wie blutrote Kometen, nur um in den dicht gedrängten Reihen des Zuges zu explodieren und in Funkenkaskaden zu vergehen. Gleichzeitig kam ein höllischer Wind auf. Doch anstatt den Nebel und die Wolken zu vertreiben, drang er aus allen Richtungen auf die geplagten Männer und Frauen ein, dass dutzende der erfahrenen Krieger vor Dunkelheit und Lärm die Orientierung verloren und nie wieder gesehen wurden.
Schon beim ersten Anzeichen einer Gefahr hatten die Offiziere Spähtrupps ausgesandt und das Heer in Alarm versetzt. Aber die wenigen Kundschafter, denen es gelang zurückzukehren hatten nichts zu berichten und die einfachen Soldaten drängten sich beunruhigt um die Abteilungen der Fackelträger, deren Licht im Sturm trotz der schützenden Glashüllen nahe daran waren zu erlöschen und nur wenige Meter weit zu sehen waren.
Plötzlich erblickte Logan genau in der Mitte des Zuges ein helles Licht, das trotzig gegen die Dunkelheit ankämpfte und bis zu ihm durchdrang. Dort stand Fimbrethil, die Hände hoch über seinen Kopf erhoben und sprach laute Worte, die jedoch vom Wind davongetragen wurden. Was auch immer er gehalten hatte, verging nun in einer Fontäne kalten Lichts und sprühte in alle Richtungen dahin. Augenblicklich legte sich der Sturm und wich einem böigen Wind, das laute Heulen machte einem unterdrückten Wimmern platz und die drückende Dunkelheit verschwand und wurde durch graues Zwielicht ersetzt. Von seinem Platz aus konnte Logan sehen, wie der ehrwürdige Magier ins Taumeln geriet und von einigen hilfreichen Soldaten gestützt wurde.

Gorn mit der Axt
23.01.2005, 13:37
Die Soldaten, durch diese Geste ermutigt, sammelten und formierten sich, das Marschtempo wurde angezogen und die Fackeln zum Schutz vor dem Wind mit Öl und Pech aus den Vorratskarren getränkt. Aber mehr war es auch nicht, einer Geste ähnlicher denn einem dauerhaften Schutz. Obwohl die Legionäre nun wieder den gewohnten, disziplinierten Zustand zeigten war die Unruhe im Lager unübersehbar und der Sturm war bereits wieder dabei aufzufrischen. Logan erinnerte das Bild, das er vor sich sah, an einen absurden Wettlauf. Es ging alles nur darum, wer zuerst in der Sicherheit Theras ankam. Doch bisher hatten sie nur die Vorboten der anderen Streitmacht wahrgenommen. Niemand von ihnen sehnte sich noch in dieser Nacht nach einem Waffengang gegen jenen Feind, der über Wind und Wetter zu gebieten schien.
Jeder Soldat im Zug schien seine Gedanken zu teilen, denn bald schon ging die schnelle Marsch in einen unkontrolliertes Rennen und Stolpern über. Die Reiter des Zuges hatten es dabei noch am besten, da sie ohne Mühe das Tempo halten konnten, aber auch sie hatten jeder noch einen der Verletzten auf ihr Pferd geladen, um die langsameren Wagen zu entlasten. Die fielen mit der Zeit immer schneller zurück, bis sie nur noch eine dünne Reihe von Legionären vom Ende des Heeres trennte.
Da endlich war die Große Brücke in Sicht! Mit Freudenrufen rannten die ersten der erschöpften Männer auf die verheißene Rettung zu. Doch der Feind hatte den Kampf noch nicht aufgegeben. Obwohl es Logan für unmöglich gehalten hatte nahm die Stärke des Sturms noch einmal zu. Viele Männer gerieten ins Stolpern und einige Bemitleidenswerte stürzten trotz des hohen Seitenrosts vom Rand des gigantischen Bauwerkes, das sie um alles zu erreichen suchten.
Der Augenblick, da die ersten der Feinde zu sehen waren, kam, als schon mehr als die Hälfte des Heeres auf der Brücke und somit angreifbar war. Wie eine schwarze Welle machten sich die Dämonen die Dunkelheit zu Nutze und brachen über den Verteidigern zusammen, die keine Chance hatten sich zu verteidigen und haltlos flohen.
Dies war kein strategischer Rückzug, kein Plan, weitere Opfer unter den Männern zu verhindern. Es war einfach nur ein bloßer Ausdruck der blanken Panik, die von den Männern Besitz ergriffen hatte und nur die Erfahrensten widerwillig aus ihren Klauen entließ.
Zum ersten Mal in diesem Krieg kehrte die Legion einem Feind in der Schlacht den Rücken und suchte ihr Heil in der Flucht.
Aber trotz allem, die Flucht gelang! Fimbrethil ließ einen Strahl reiner Energie auf den Stolz Theras niedergehen, der das erhabene Bauwerk in die reißenden Fluten des Durangar stieß, als der letzte Wagen noch über das raue Kopfsteinpflaster hinwegraste.

Gorn mit der Axt
24.01.2005, 18:36
Am nächsten Tag, bei Sonnenaufgang, nur drei Stunden nach der Ankunft der Legion, begann die Belagerung von Theras.
Thimris hatte seit der Überquerung des Flusses im Wagen neben seinem Freund Wache gehalten.
Deshalb wurde er, wie alle Verwundetentransporte zuerst in das große Sammellager gebracht, das Ziordan für diesen Zweck hatte herrichten lassen. Thimris wusste nicht, ob durch Gespräch mit seinem Meister oder durch bloße Ahnung von der Stärke des Feindes, auf jeden Fall hatte der hünengleiche Magier den einzigen Ort auf der Insel gewählt, der riesig genug war, die ungeheure Zahl der Bedürftigen aufzunehmen, das sah Thimris sofort. „Das Höhlensystem im Gestein von Arkawan. Die gigantischen Stalagmiten und Stalaktiten, die du vor dir siehst sind das Werk von Millionen und Abermillionen Tonnen Wasser und Jahrtausenden der Arbeit.“ Der Mann mittleren Alters aus Theras, der dem Fahrer seines Karrens die Zügel aus den verkrampften Händen genommen hatte, schien seinen Blicken gefolgt zu sein und blinzelte ihn nun schalkhaft an. „Trokan Einarson.“ Er deutete eine leichte Verbeugung an. Thimris, dem das geckenhafte Verhalten des Fremden angesichts der vielen Leidenden zuwider war, unterließ es zwar den Mann zurechtzuweisen, verzichtete aber auch darauf seinen Namen zu nennen. Als Trokan die bittere Miene des jungen Mannes sah, wurde er sofort wieder ernst. „Verzeiht, mein junger Freund, ich denke jeder von uns hat seine eigene Art mit diesen schweren Zeiten fertig zu werden, und ich bedaure es, wenn die meine euch gekrängt hat.“ Thimris war zwar nicht nach Reden zu Mute, nickte dem Mann aber zu. Erfreut lächelte sein Gegenüber. „Soll ich euch etwas über Arkawan erzählen?“ Um ein Gespräch mit Trokan kam er wohl nicht vorbei. Also sah er den Mann so freundlich er konnte an und machte eine auffordernde Geste.
„Theras ist eine der ältesten erhaltenen Städte Markors. Schon zu Zeiten des ersten Hockkönigs gab es hier eine kleine Siedlung, in der die Gaben des Arkawan abgebaut wurden. Unter diesem Berg stoßen die Ränder der großen Ebene und Südmarkors aufeinander. Durch den enormen Druck schiebt sich Arkawan jedes Jahrzehnt um einige Zentimeter dem Himmel entgegen. Aber der Unterbau des Felsens ist von dem stetig fließenden Strom ausgehöhlt worden und hat dieses gewaltige Höhlensystem erschaffen. Nachdem Theras aber nach dem letzten Krieg wiederaufgebaut wurde, hatten die Grotten aber schon lange ihren Kontakt zum Wasser verloren und so wurden Stollen in das Urgesteins des Felsens getrieben, denn dort lockten nicht Gold und Eisen, sondern reiche Edelsteinvorkommen und sogar einige Flöze, in denen Jehransplitter gefördert wurden.
Heute ist der Berg von einem endlosen Labyrinth von Stollen und natürlichen Gängen durchzogen, dass niemand mehr vollständig kennt.“ Thimris Führer hielt nun im Reden inne und zeigte auf die nächste Gangbiegung. „Schaut nach vorn, junger Freund, dann werdet ihr sehen, was ich meine.“ Und Thimris sah. Neben dem reiten Hauptschacht, der sich serpentinenartig unsichtbar in den Tiefen des Felsens verlor, gingen zahlreiche Nebenstollen und Gänge ab, einige erschaffen von den kunstvollen Händen der heutigen Theraner, manche von dem praktischen Ansinnen der ersten Schürfer und wieder andere waren sinnlos geformte Höhlen, die von den Juwelen in ihren Wänden überquollen und mit einem schimmernden Spiegel aus geschmolzenen Silber überzogen schienen.
Eine solche Grotte war es auch, in die der Mann den Karren lenkte. Dort warteten schon dutzende hilfreicher Theraner mit Decken und Heilmitteln und noch ungleich mehr Verwundete und Sterbende. Tatsächlich wurde der Verkehr der Karren und Reittiere hier unten noch belebter, ein steter Strom von ihnen verband die Höhle mit der Erdoberfläche und sorgte für die Versorgung der Männer.
Thimris war von der Aussicht auf die Reichtümer des Berges so begeistert, wie er es neben seinem verwundeten Freund sitzend sein konnte. Er hatte vor, noch länger hier unten zu verweilen um die Wunder der Unterwelt zu bestaunen und sich um Jinda zu kümmern, aber wie all zu oft waren es die Nordländer, die seinen Vorhaben im Weg standen.
Um ihn herum geriet die Welt ins Wanken. Es erklang ein Donnerschlag, der das Urgestein des Arkawan selbst erschütterte, dann folgte ein zweiter, ein dritter, in rascher Folge. Von der Decke und den Wänden über ihm rieselten Staub und kleine Steine auf ihn herab und hinter sich vernahm er ein schauderhaftes, knirschendes und knackendes Geräusch, das ihm sagte, das der kleine Verbindungstollen zum Eingang verschüttet war.

Gorn mit der Axt
25.01.2005, 16:21
Pirin stand auf einem der höchsten Orte von Theras, der großen Klippe, die sich an der östlichen Seite normalerweise achtzig Fuß über den Fluten des Durangar erstreckt. Aber jetzt das immer noch steigende Hochwasser nur noch sechzig Fuß unter ihm und schlug mit einer Wucht, die den riesigen Arkawan erschütterte gegen die steilen Felsen.
In seiner Umgebung war es sonderbar still, nicht einmal das kreischende Rufen der allgegenwärtigen Möwen und Gimricks war zu vernehmen. Auch seine scharfen Elbenaugen, die sonst jeden Nebel mühelos durchdrangen, kapitulierten im Angesicht des aufgewirbelten Staubs und der tosenden Gischt. Obwohl seine beiden wichtigsten Sinne vom Feind getäuscht wurden, war Pirin Elb genug, die Barriere vor ihm zu durchdringen und seine Wahrnehmung bis auf die Ebene zu seinen Füßen zu erweitern. Dort, durch den Zauber vor der magische, Furcht erregende Aura der Wesen geschützt, erweckte ihr Anblick in ihm eher Erstaunen denn Erschrecken. Die Wesen, die dort auf dem schlammigen Feld hin und her krauchten, mochten zwar groß sein, von drei oder vierfacher Mannslänge, aber das ist bei Dämonen durchaus nichts ungewöhnliches und hätte die Hartgesottenen Soldaten nicht derart in Panik versetzen können.
Pirin suchte also weiter. Die Gestalt dieser neuen Brut des Bösen schien vielbeinigen Insekten angelehnt, nicht wie die plumpen, langsamen Wesen  Diese Ungeheuer glichen eher ins Gigantische vergrößerten Gottesanbeterinnen oder ähnlichen Räubern des Insektenreichs, dennoch schienen sie Intelligent zu sein, denn in ihren Greifarmen hielten sie riesige kristallene Lanzen, andere waren mit noch längeren Speeren bewaffnet, die in einer feinen, sichelförmigen Spitze ausliefen. Eine gefährliche neue Unterart der Dämonen, ohne Zweifel, aber nichts, was er an ihnen erblickt hatte rechtfertigte die Alpträume der Magier oder die Auswirkungen und die undurchdringlich schwarze Farbe ihrer Aura. Denn auch die Auren der anderen Kreaturen beschränkten sich auf düstere, hässliche Farben, an denen ein Magier oder Priester sie leicht aus der Ferne erkennen konnte, zumindest wenn er darin geübt war und genügend Zeit hatte. Aber trotz allem waren die Dämonen Abarten natürlicher Wesen, die von Jehran einst erschaffen worden waren, verdorben, tödlich bis ins Innerste, aber dennoch nicht als solches geboren. Was also konnte es sein, was diesen Wesen Bosheit und Stärke verlieh. Pirin erkannte es nicht. Erfolglos brach er seine Erkundung ab und kehre zum unteren Ende der Klippen zurück, wo sich die Priester des Königreichs und die Magier der Elben um Fimbrethil versammelt hatten. Er wusste, was sie dort taten. Ähnliche Zeremonien hatte er schon auf Esk’Almadur gesehen.
Sie bündelten ihre magische Kraft, um einen gemeinsamen Blick auf den Feind zu werfen. Pirin hoffte, dass sie auf diese Kräfte zehrende Weise ein klareres Bild der Dämonen erhielten.
Er musste einige Minuten warten, dann erwachten die Magier aus ihrer Trance. Die Jüngeren standen sofort auf und marschierten in Richtung der Soldaten, die Älteren ruhten sich einen Moment aus und richteten sich dann mühsam und steif von der Anstrengung auf. Ziordan, der Pirin fragenden Blick gespürt hatte schüttelte den Kopf. Also waren sie auch erfolglos geblieben. Wenn er ein Mensch gewesen wäre, hätte er nun wohl angefangen, lauthals zu fluchen, so aber hob er nur seine Brauen und runzelte die Stirn.
Was waren das nur für Wesen?

Gorn mit der Axt
27.01.2005, 16:35
Logan hatte sich nach dem anstrengenden Marsch hingelegt und war freudig überrascht, dass man für ihn ein Bett zurechtgemacht hatte. Die Einwohner Theras hatten für die näher kommende Armee alle leer stehenden Häuser als Notquartiere eingerichtet und noch zusätzlich auf den freien Flächen, den großen Plätzen oder am Markt trockene bequeme Unterstände aufgestellt, auf die die Soldaten lange hatten verzichten müssen. Dennoch reichte der Platz natürlich nicht für alle. Obwohl alle Verletzten in den Schutz der Höhlen gebracht worden waren, mussten immer noch viele der Krieger an den Klippen der Insel Wache stehen und wechselten sich in der Nutzung der wenigen Quartiere ab.
Logan hatte gerade das erste Mal Ruhe gefunden und ein wenig eingenickt, als er unsanft geweckt wurde. Die ganze Insel, der Berg Arkawan und auch die Stadt Theras waren von einer heftigen Erschütterung heimgesucht worden. Schlaftrunken fürchtete Logan, es sei der Drache, der die Insel angriffe, aber dann erinnerte er sich an die Vernichtung des Untiers am Jeldin Pass. Als er aus dem Bett aufstand, wurde er von einem zweiten, noch heftigeren Beben von den Füßen gerissen.
Während er fluchtartig das Haus verließ, zeigten sich an der Wand über ihm erste Risse. Eilig sprang er unter dem zusammenbrechenden Türsturz durch; als er vor dem Haus auftraf hatte er bereits Dämonengestalt angenommen und stürmte die kleine Straße entlang, vorbei an Legionäre und Theraner, die in verschiedenen Stadien der Verwirrung umherstolperten und seine Verwandlung mehr oder minder entsetzt mit angesehen hatten.
Nach einigen schier endlosen Minuten, in denen er mehrmals von Wachen aufgehalten wurde erreichte er endlich die Nordseite der Insel, wo die Führungsspitze der Armee Quartier bezogen hatte. Im Durcheinander war nur schwer etwas wahrzunehmen, aber oben auf der Klippe sah er weithin leuchtend die langen weißblonden Haare Pirins leuchten. Mit zwei Sätzen hatte er die Distanz überwunden und trat, noch mitten in der Verwandlung begriffen, vor seinen elbischen Freund hin. Der jedoch beachtete ihn kaum und deutete nur auf die andere Seite des Stromes. Durch das dämmrige Licht konnte Logan nichts erkennen, die Sonne war zwar bereits aufgegangen, wurde aber durch die dichten Sturmwolken verdeckt. Dann wurden diese von einer Böe hinweg geschoben, die noch erheblich stärker war als der anhaltende Sturm, und die Ebene wurde sichtbar.
Dort tummelten sich hunderte dieser neuen Kreaturen auf dem schmalen Uferstreifen des Flusses. Besonders dichtes Gedränge herrschte auf einer kleinen Anhöhe. Dort krabbelten die Wesen sogar über und untereinander her und erinnerten ihn auf eine bizarre Weise an einen Ameisenstaat. Nur dass nirgendwo eine Königin zu sehen war.
Überhaupt glichen sich diese Insekten wesen wie eineiige Zwillinge, es gab keinen Unterschied, keine Besonderheit, die er hätte entdecken können. Oder doch?
Von einer Sekunde auf die andere, in einem kurzem, von einem gleißenden Blitz erhellten Moment, sah er, dass die Panzer dieser Wesen nicht alle diese ungesunde, schimmernd gräuliche Farbe hatten. Einige wenige derer, die er sah, hatten eine rote, andere eine blaue oder weiße Maserung, die sich, kleinen Quarzadern gleich, durch ihre kristallene Haut zu winden schien, um bei jeden Blitz von neuem aufzuglühen.

Gorn mit der Axt
29.01.2005, 18:10
„Pirin!“ Schrie Logan ihm gegen den wieder aufkommenden Wind zu. „Hast du das gesehen?“ Der Elb blickte ihn mit verschleierten Augen an. Er kniete, vom Sturm unbeeindruckt, im hohen Gras und machte eine fragende Geste. Logan wiederholte die Frage. Pirin schüttelte den Kopf, sichtbar überrascht, denn jetzt, wo Logan es andeutete, konnten seine scharfen Sinne die Besonderheiten der einzelnen Dämonen deutlich auseinander halten. „Was ist hier nur los?“ dachte er verzweifelt. Es mag schon vorgekommen sein, dass die Magie des Feindes der ihren ebenbürtig war, aber niemals hätte jemand in der Lage sein dürfen, seine überlegenen Sinne und vor allem seine magische Wahrnehmung zu täuschen.
Denn als er die gleiche Suche nun auch auf magischem Wege vollzog, wurden ihm die Eigenschaften des Feindes an Hand seiner Aura offenbart. Nicht mehr undurchdringlich, nicht mehr länger schwarz lagen sie vor ihm, und doch hatte unbestreitbar jede dieser Seelen einen schwarzen Ursprung. Pirin hatte so etwas noch nie erlebt. Wie ein zweites, dunkleres Spektrum erschienen ihm diese Farben, doch anders als die hellen Töne des Sonnenlichts, waren sie reines Chaos.
Die meisten der dämonischen Krieger strahlten in dumpfen Grau eines stählernen Himmels, doch einige waren unter ihnen, von denen ein unheiliges Licht ausging, wie ein heller Schein, doch nichts erhellend, nur alles verzehrend war dieses Licht. Durch jeden dieser anderen spürte er eine gewaltige Macht klingen, stark wie die des großen Splitters oder seiner neuen Freunde, aber unvollvorstellbar fremdartig. In ihnen klang die Kraft der Elemente, wie in allen lebenden Wesen, doch waren sie auf Grausamste verformt und derart missgestaltet, dass ein andrer als ein Elb sie wohl nicht erkannt hätte. Nur einen Klang hörte er aus diesem Labyrinth des Grauens heraus, wie er ihn kannte, das düstere, monotone Pulsieren von Blut.
Doch anders als bei jeder anderen Art dieses schändlichen Treibens, den entsetzlichen Werken der Blutmagie, die seinem Volk so verhasst war, war der rote Strom in diesem Zauber nicht Beiwerk, keine letzte Zutat, kein Verstärker der Macht. Es war der Zauber selbst. Das Fundament dieser Magie lag in dem Blut der Kreaturen begründet. Ihr Körper, ihre Lebenskraft selber war es, die diesen Zauber ausstrahlte.
Ohne zu wissen, ob er es dachte oder laut herausschrie, machte er seine Entdeckung kund:
„Bei Jehran, dem allerhöchsten Gott! Diese Wesen sind Magier!“
Im gleichen Augenblick, da er sich dessen gewahr wurde, wusste er auch den wahren Namen dieser Bestien.
Im elbischen bezeichnete er eigentlich eine Zeremonie der Reinigung, ohne die kein Verbrecher seinen Frieden fand, aber dort, hoch oben auf der Klippe erschien ihm der Name für diesen schlimmsten Alptraum eines jeden Elben um einiges angemessener: „Tzetzlan.“ Sprach er es aus und wunderte sich über die Ruhe seiner Stimme.
„Schuld des Blutes.“

Gorn mit der Axt
31.01.2005, 19:00
Logan hörte seinem Freund fassungslos zu. Dieser schien ihre Feinde zu kennen, nannte sie sogar beim Namen.
Aber als er ihn fragte schüttelte Pirin den Kopf.
„Ich sehe diese Kreaturen heute das erste Mal, aber die Elben sind durch ihr Wesen mit der Natur und dem Einen und Höchsten Gott verbunden, der wiederum Teil aller Wesen ist. Deshalb erkennen wir manchmal den wahren Namen, das was ihr Menschen vielleicht das Wesen einer Kreatur nennt. Das habe ich gerade getan, und diese Wesen gehören nicht zum Plan des einen.
Sie sind wahrhaftig anders als alle Dämonen, denn diese sind,“ er suchte verzweifelt nach Worten in der ihm fremden Sprache „verformt, würdest du sagen, entfremdet, aber ihr Ursprung liegt wie der unsere bei Jehran.“
Nun legte sich ein neuer Ton in seiner Stimme und der Laut bekam etwas Stählernes. „Urorkon hat nun etwas getan, was kein Sterblicher jemals wagen sollte. Er hat sich das Recht des Höchsten angemaßt, neues Leben zu erschaffen. Leben, das für uns tödlich sein wird!“
Entsetzt von diesen harten Worten aus dem Mund seines friedlichen Freundes wich Logan zurück. Panisch rannte er den steilen Hang hinab, zu verwirrt und überrascht, als dass er an eine Verwandlung gedacht hätte.
Hinter sich hörte er noch Pirins traurige Worte. „Zuerst die Nordlandkrieger, mit kaltem Stahl und tödlicher Wut, sie brachten den ersten Krieg. Dann die Dämonen, größer, schrecklicher, mit Zähnen und Krallen und Feueratem. Sie waren das Grauen des zweiten Krieges und wären beinahe unser Tod gewesen. Nun die Tzetzlani, erschaffen nur um uns zu töten, um das zu vollbringen, was ihren Vorgängern nicht gelang. Sie sind Strafe und Verhängnis zugleich. So wie wir schwächer werden, so wird der Feind aus dem Norden stärker. Die ersten Magier sind tot, ebenso Jeldin. Die Dämonenjäger sind lange vergangen, ihr Schwur ungebrochen, doch verschwunden unter dem Staub von Jahrhunderten. Wir können ihnen nicht standhalten.“ Den Elb schien alle Kraft verlasse zu haben. Haltlos brach er auf dem Felsen zusammen. „Wir sind verloren!“
Logan konnte nicht anders, als sich umzudrehen. Er war nicht der Mann, der sein Bruder war. Jeder der Gemeinschaft hätte seine Rolle besser erfüllt, als Logan dies jemals schaffen könnte. Aber niemand anders war da. Thimris verschwunden, von Sorgen und Leid geplagt, Jinda dem Tode nahe, seine Schwester von Trauer gebrochen. Nur sie beide waren noch da. Und eines war ihm jetzt klar. Es durfte hier nicht enden!
Langsam, mit klopfendem Herzen und zitternden Knien, kehrte er zu seinem Freund zurück. Aber er kam.
Und legte Pirin die Hand auf die Schulter.
„Freund, diese Wesen machen mir nicht weniger Angst als dir. Alles, was du gesagt hast, mag stimmen und wir müssten wahnsinnig sein, gegen diesen Feind bestehen zu wollen.
Und doch tun wir es.
Wahrscheinlich werden wir diese Torheit mit dem Leben bezahlen, aber wir kämpfen. Und wenn du einem der Männer dort hinten in die Augen siehst, dann weißt du, wie sie gekämpft haben. Und doch würde er, wenn er vor diesem Feind stünde, wimmernd davonrennen, wie er es an der Brücke tat. Aber wenn sich nur einer gegen sie stellt, werden andere ihm folgen. Wir kämpfen nicht für den König, für den Eid und ganz gewiss nicht für den Ersten. Wir kämpfen stets für die, die wir lieben, und deshalb wird keiner dieser Männer seine Freunde im Stich lassen. Und wenn mit dem letzten Krieger, der seinen Freund verteidigt, das Imperium untergeht, dann soll es so sein, denn um diese Wahl zu haben wurde es geschaffen.“
Er fasste den Elben an den Schultern und zwang in auf die Beine.
„Und ich werde kämpfen!“

Gorn mit der Axt
02.02.2005, 18:54
Ziordan hinter Fimbrethil und besah sich die Szene durch die tönerne Schüssel.
„Dieses Geschlecht ist wirklich zu bewundern. Stets ist einer bereit, die Last der anderen zu tragen. Und wenn alle anderen den letzten Weg beschritten haben, dann wird der Übrige von ihnen sie immer noch verteidigen, da bin ich mir sicher.“ Die Stimme seines Meisters verklang und das Bild bewegte sich über die Klippe hinaus mitten in die wirbelnde Masse der Tzetzlani.
Fast wäre Ziordan vor der Aura der Wesen zurückgewichen. Trotz Entfernung und magischer Banne hafteten die blicklosen Augen der Feinde auf ihm, wie der Schatten einer dunklen Wolke.
Beunruhigt nagte der hoch gewachsene Mann an seiner Lippe und fragte zögernd. „Meister, dieser Elb hat wohl genau das bestätigt, was die Auren der Monstren schon nahe legten. Doch über welche magischen Kräfte möge sie verfügen?“ Die Worte seines Mentors kamen stockend. „Auf diese Frage habe ich keine Antwort.“ Er drehte sich zum Feuer im Kamin und rieb sich die klammen Hände. „Die Verwandtschaft zur Blutmagie deutet auf eine Bindung an die Elemente hin, aber in welchem Maße sie diese beherrschen, weiß wohl nur der Dunkle selbst!“
Erschöpft fasste er sich an die Stirn. Das erneute Beschwören des Fensters hatte ihn mehr geschwächt als er sich selber eingestehen wollte, obwohl sein Schüler an Stärke zunahm und ihm die größte Last genommen hatte.
Ziordan trat auf Fimbrethil zu und stützte den dürren Körper, des uralten Magiers mit seinen riesigen Händen, doch sein Meister umfasste fest die gemauerten Steine der Feuerstelle und schickte ihn fort. „Es gibt andere, die deiner Hilfe dringender bedürfen als ich. Eile zum Hochkönig und berichte ihm, was wir und der Elb entdeckt haben. Sage ihm, er soll die anderen Magier holen lassen und seiner Männer zur Bereitschaft rufen.“
Sein Schüler nickte nur und verließ das kleine Zimmer mit einer Gewandtheit, die man seiner nicht ansah.
Hinter ihm, im magischen Fenster, von beiden Zauberern unbemerkt machte sich die Armee des jüngsten Krieges bereit für den Angriff.

Gorn mit der Axt
04.02.2005, 17:50
An den Trümmern der großen Brücke stehend verfolgte Hochkönig Andraeis das unwirkliche Schauspiel das sich ihm bot, geschützt durch einen schwer bewaffneten Ring seiner geschrumpften Leibgarde. „Und diese Zelani sollen Magier sein? Das kann nicht euer ernst sein!“ aus dem Mund des Königs klangen die Worte der fremden Sprache verstümmelt. Abwehrend hob sein erster Berater die Hand. „Ich sage euch nur, was der edle Ziordan mir auftrug. Außerdem meinte er, dass nicht alle diese Monstren der Magie fähig seien.“
Der Herrscher sah Regorn an. „Auch so ist diese Nachricht schlimm genug. Wir haben gesehen, was schon eine Handvoll von Zauberern bewirken kann. Und diese Wesen haben dutzende von ihnen, selbst wenn nur jeder hundertste ein Zauberer ist.“ Der alte Krieger nickte zustimmend. „Die Lage sieht in der Tat schlecht aus.
Aber ich habe immer noch die Hoffnung, dass es mit ihrer Magie nicht weit her ist. Bisher haben sie es noch nicht gewagt uns anzugreifen.“ „aber was sollen wir tun, wenn sie es doch versuchen. Wir können gegen eine solche Übermacht mit gewöhnlichen Kriegern nichts ausrichten.“ Aus dem Schatten einer Mauer trat Fimbrethil hervor. Er hatte die Frage des Königs offenbar vernommen. „Mylord, wenn wir nur einer magischen Bedrohung gegenüberstehen, mag es einen Schutz geben.“ Er sah Andraeis fragend an, der ihn aufforderte weiterzureden.
„Acht der Elbenmagier sind noch am Leben, dazu kommen noch die drei Kinder Torbalds, ich selbst und mein Schüler. Wenn wir unsere Kräfte bündeln und durch den Splitter in meinem Auge schicken, könnten wir vielleicht einen Bannzauber um die Stadt legen, der stark genug ist, die Angriffe der Tzetzlani abzuwehren.“
Verwirrt sah der Hochkönig seinen treuen Magier an. Fimbrethil hatte schon seinem Vater und Großvater gedient, und vielen anderen seiner Vorfahren, aber niemals hatte er ihn anders gesehen als heute, als alten gebeugten Mann, mit Umhang und Augenklappe. Doch Fimbrethil sah die Frage seines Herren voraus und nahm mit einem schmerzlichen Seufzer die Klappe aus schwarzem Stoff herunter.
Andraeis wich zurück. Er hatte wegen der Augenklappe damit gerechnet, dass der Magier blind oder seine Gesicht entstellt war, aber das Funkeln, das ihm aus dem wettergegerbten und zernarbten Fleisch entgegenstrahlte, überraschte ihn vollkommen. Dort, in seinem Antlitz eingebettet, lag ein fingerlanges Stück eines Jehransteines.
„Der Magier zuckte schicksalsergeben mit den Schultern. „Es ist wahr. In meiner Jugend, als die Erinnerung an die Nordländer noch frisch war und unsere Krieger Jagd auf die letzten verbliebenen Dämonen machten, wurde ich von einem Splitter aus dem Leib eines dieser Monstren getroffen. Erst von diesem Tage an war ich ein Magier, auch wenn die Gabe vielleicht schon vorher in mir verborgen lag.“
Gebannt lauschte Andraeis seinen Worten, aber er war Regent genug, die Botschaft hinter ihnen zu erkennen.
Brüsk wandte er sich an seine Männer und schickte sie weg. Hinter seinem Rücken hörte er den riesigen Oberst Darbor, der die Schlacht am Jeldin Pass leicht verletzt überstanden hatte, unzufrieden brummen. Er sammelte seine Männer ein und blieb selbst in einiger Entfernung, gerade außer Hörweite stehen.
Flehend redete der Andraeis auf Fimbrethil ein. „Alter Freund, wenn der Stein euch erst diese Macht verlieh, dann wärt ihr ohne ihn heute schon nicht mehr am Leben, nicht wahr.“ Regungslos verharrte der Alte. Dann nickte er. „Dann wisst ihr ja, was es bedeutet, wenn ihr euch vom Splitter trennt! Es könnte euren Tod bedeuten.“
Erneut stimmte Fimbrethil zu. „Mylord, es mag stimmen, dass ich meine Lebenspanne schon überschritten habe.
Doch ich habe den Königen des Imperiums schon lange gedient, länger als ihr es wissen könnt, und es war kein leichter Dienst. Und doch habe ich es gern getan.“ Nach diesen Worten lachte er leise, der König sah, dass der Magier sich an diese Zeiten erinnerte. Dann wanderte ein kleines Schmunzeln über sein Gesicht. „Und doch denke ich, dass wir das Risiko eingehen sollten. Ich bin guter Hoffnung, dass der Höchste mir noch ein wenig Zeit zugesteht.“
Sein Blick blieb auf seinem König liegen. Lange Zeit schwiegen beide. Dann öffnete Andraeis die Hand und reichte ihm die Augenklappe wieder an. „Wenn du es für das Richtige hältst, Freund, dann werde ich mich dir nicht in den Weg stellen.“

Gorn mit der Axt
08.02.2005, 17:43
Jeel erwachte mit einem heftigen, schmerzerfüllten Schrei. Lange Zeit hatte sie bei Jinda gesessen, bis ihr Bruder sie fortgeschickt hatte. Sie hatte sich dagegen gesträubt, war aber doch zu schwach gewesen, um den Anschein von Stärke glaubhaft aufrecht zu erhalten. Deshalb hatte sie sich in das erste freie Bett gelegt und war wohl gegen ihren Willen eingeschlafen. Sie sah durch das Fenster und wusste nicht, ob sie wachte oder träumte. Durch die Öffnung in der Wand sah sie den mit Wolken verhangenen Himmel. Sie fühlte sich so schwach und müde wie nie zuvor.
Sie fühlte sich trotz der Sorge um Jinda seltsam schläfrig, als sei alles was sie erlebt hatte nur ein neuer, sinnloser Traum gewesen.
Schon fühlte sie, wie sich der Schlaf wieder über sie legte. Darum hielt sie es für ein Traumbild, als die Welt hinter dem Fenster blau wurde und sich eine schimmernde Blase, wie eine kleinere Fassung des Walls um den Berg Arkawan legte.

Gorn mit der Axt
11.02.2005, 16:42
Der Hüter saß noch immer am Rande des Sees, innerhalb der Kristallgrotte und beschaute sich die Entwicklung, die sich dort, weit, weit im Süden seines Sitzes abspielte. Einige der Gefährten sahen viel versprechend aus, vielleicht war sogar einer unter ihnen, der die uralten Prüfungen erfüllen würde.
Aber bald wäre jede Gelegenheit darauf vergangen. Mehr denn je in all den Jahrhunderten seines Lebens, seines Verharrens und Wartens auf das Ende seiner Aufgabe, stand das Imperium der Menschen auf Messers Schneide.
Die Dämonen hatten große Teile der schwächeren Staaten bereits eingenommen und drängten unaufhaltsam gegen die Legionen des Hochkönigs vor.
„Als wäre die Lage nicht schon schlimm genug, hatte der Feind nun auch seine stärkste Waffe in den Kampf geworfen.“ Dachte er. „Tzetzlani. Ein guter Name für eine traurige Sache.“
Durch das Wasser des Sees und die Luft der Höhle fand sein Blick seinen Weg durch das Gebirge, bis hin zu dieser kleinen Stadt, umringt von Monstren.
Die Tzetzlani hatten sich gesammelt. Jede ihrer Bewegungen ähnelte dem Bestandteil eines unfassbaren, grausigen Tanzes, eines Wirkens außerhalb menschlicher Vorstellungskraft, bei dessen Anblick den Männern schwarz vor Augen wurde und ihnen kalte Schaue über den Rücken liefen.
Lichtbahnen wanden sich von den Magiern der Tzetzlani aus, einzelne, dünn wie ein Faden, die sich aber zu zähen Strängen vereinten und dann zu zehntausenden in einem Strom finsteren Lichts auf den Bannzauber der Stadt zueilten.
Doch der Bann blieb ungebrochen.
Obwohl die entfesselten Energien tobten und peitschen und den glänzenden Ball verformten und hin und her warfen, fanden sie keine Lücke, keinen noch so kleinen Riss. Der Bann hatte sich lückenlos um die gesamte Insel gelegt, erstreckte sich hoch am Himmel und tief unter der Erde im festen, von Gängen durchzogenen Urgestein.
Die Tzetzlani unterbrachen den Angriff. Viele der Menschen in Theras atmeten erleichtert auf. Doch zu früh.
Noch bevor die schimmernden Fäden ihren Glanz verloren, wurden sie in neue Richtungen gelenkt.
Diesmal streuten sie sich, erfassten jeden Winkel des Landes und des Himmels, des Flusses und Bäume.
Der Bann hatte Theras vor dem Zauber geschützt, doch nun stellten sich die Elemente selbst gegen ihn.
Hoch oben auf der Mauer konnte man spüren, wie der Wind mit jeder Sekunde an Stärke gewann, bis die verzagten Männer aus den provisorischen, einstürzenden Unterkünften in die festen gemauerten Häuser flüchteten.
Und tief unter ihnen stieg das Wasser des Durangar unaufhörlich an, bis riesige Wogen, Ozeanbrechern gleich, gegen die Klippen schlugen und hämmerten, den Berg bis ins Innerste erschütterten und den Fels der Klippen unterspülte.
Doch die wohl verhängnisvollste Entwicklung geschah unter der Erde, von niemandem beobachtet.
Tief in der Erde, noch unter den Kellern der Stadt, unter den zahllosen Bergwerken, noch unter de Grenzen des Bannzaubers regte sich nun die Erde selbst.
Die heftigen Stöße des Erdbebens wurden durch die vielen hundert Fuß zur Stadt abgemildert, in der Tiefe, an ihrem Ursprung zeigten sie jedoch ihre volle Wirkung. Die massiven Holzbalken, die die Tonnenlast des Gesteins Jahrhunderte getragen hatten, brachen wie Streichhölzer, massiver Fels zerbarst unter der Gewalt des Bebens und der Berg selbst wurde entzweigerissen. Der Fuß des Berges Arkawan stürzte in sich zusammen und eine unendlich lange Sekunde fühlte jeder auf die Insel einen beängstigenden Ruck, und schloss mit seinem Leben ab.
Doch der Bann hielt.
Und von den Unmengen an Wasser wurde der losgelöste Berg langsam, dann immer schneller flussabwärts gedrückt. Abermillionen Liter Wasser brachen in das neu entstandene Loch ein und drückten den Bann an die Wasseroberfläche, dass die ganze Insel sich gleich einem kenternden Boot querlegte.
Doch der Bann hielt.
Und gleich eben jenem Schiff, das nun, von seinem Anker befreit, hilflos auf dem Meer treibt, trieb auch die kleine Insel mitsamt der Stadt Theras in Richtung Gordians.

Gorn mit der Axt
13.02.2005, 15:20
9. Jeder für sich

Die Steine begannen zu vibrieren, erst langsam, dann immer schneller, als würde sie ein gewaltiger Riese von unten erschüttern, dann wurden sie von einem Lichtstrahl hinweggefegt. Im Schutt, der den Weg an die Erdoberfläche blockierte sah man nun ein kleines Loch, das schnell von den herunterprasselnden Trümmern wieder gefüllt wurde. Erneut setzte Thimris seine Gabe ein, diesmal blieb die Öffnung bestehen. Langsam kletterte er nach draußen.
Einige der Stollen waren verschüttet, wie der, aus dem er gekommen war, in anderen waren nur die Deckenbalken eingesunken oder geborsten, dass der Boden mit Gesteinssplittern und Holzresten übersät war.
Doch der große Hauptschacht stand noch. Der Stollen, der sich gleich einem Wurm hunderte von Schritten senkrecht in den Boden schraubte, war unbeschädigt.
Als Thimris ihn betrat, traf er auf dutzende von Helfern und Arbeitern, die sich bemühten das Chaos zu beseitigen. Einen sprach er an, was denn geschehen sei, doch er bekam keine Antwort, zu groß war die Hektik des Augenblicks.
Also stieg er die lange Rampe empor, die sich am Rand des Schachtes empor wand.
Als er um die letzte Ecke des Ganges trat, blendete ihn das Sonnenlicht, seltsam grell und kalt schimmerte es durch seine halb geschlossenen Lider.
Verwirrt blinzelte er und bedeckte seine Augen mit der Hand. Über die ganze Insel spann sich ein blaues Netz, ein helles und strahlendes Kraftfeld, wie er es bisher nur im Grenzgebirge erblickt hatte. Eine ganze Weile stand er dort und betrachtete versonnen diesen erhabenen Anblick und verspürte Bewunderung für Fimbrethil, denn jede einzelne Note, jede Faser dieses großartigen Werks sang seinen wahren Namen.
Er wusste nicht, wie es ein richtiger Magier nennen würde, aber in seinen Augen wirkte es einfach... richtig, so wie es war.
Das laute Geschrei, das auf dem Marktplatz vor dem großen Eingangstor des Bergwerks ertönte, holte ihn wieder in die Wirklichkeit zurück. Der ganze Platz war voller Trümmer, umgestürzter Säulen und Bäume. Viele der kleineren Gebäude hatten Risse bekommen, einige waren völlig in sich zusammengebrochen. Fassungslos fragte er sich nach einer Antwort auf die Geschehnisse und suchte in der Menge nach einem seiner Freunde.
Mag sein, dass jeder von ihnen in der Nähe weilte, aber er sah nur die bedrohlich wirkende Gestalt des Magiers Ziordan. Dieser näherte sich dem Markt von Süden und bahnte sich in großer Eile einen Weg durch die aufge-wühlte Menge.
Sein Weg führte ihn nahe an Thimris vorbei. Als er ihn erblickte blieb der Magier überrascht stehen. Thimris sah, dass seine Augen gerötet waren, wie von großer Trauer oder Aufregung. Vielleicht von beidem.
Hinter ihm hielten zwei Männer eine Trage, auf der lang ausgestreckt und ohnmächtig der alte Fimbrethil unter einer Decke lag.
Mühsam drängelten sie sich durch die von Ziordan hinterlassene Öffnung und kamen auf ihn zu.
Als sie schon halb an Thimris vorübergegangen waren, schoss die Hand des greisen Mystikers empor und packte mit eisernem Griff den Arm des Pflegers. Sofort blieb der Mann stehen und schaute besorgt auf seinen Patienten nieder, der Ziordan zu sich winkte. Nach einem kurzen, sehr heftigen Wortwechsel stand der Jüngere mit einer ruckartigen, abgehackten Bewegung wieder auf und trat mit gesenktem Kopf an Thimris Seite.
In Ziordan Stimme lag ein Zittern, das Thimris beunruhigte. Der Magier, der selbst entsetzlichsten Feinden entschlossen entgegentrat, schien nun den Tränen nahe. „Mein Meister wünscht euch zu sehen, Thimris Torbaldson.
Begleitet mich bitte.“ Mit langsamen Schritten folgte er Ziordan.
„Ah, ich sehe Belkans Blut. Der junge Thimris, wenn mein eines Auge mich nicht endgültig im Stich lässt.“
Er vernahm die Worte schon, als er die Trage noch nicht erreicht hatte, aber der raue, fast flüsternde Laut drang über den ganzen Platz zu ihm, auch wenn er nicht wusste, was der Magier meinte. Vielleicht hatte er sich mit diesem Werk doch überanstrengt. Endlich nahm er neben Fimbrethil Platz und kniete sich neben ihn.
Der Magier umfasste mit einer vorsichtigen, fast furchtsamen Geste seine dürren Finger um seine Hand, aber schon diese leichte Bewegung genügte, die Kapuze, die sich schon vorher gelockert hatte, vollends sinken zu lassen.
Fimbrethils Gesicht war blutüberströmt. Die Wunde, aus dem das Leben aus ihm heraus floss, lag auf der linken, entstellten Seite seines Kopfes. Dort funkelten Myraden winzigster Jehransplitter, die sich in das verletzliche Fleisch gebohrt hatten.
Das Flüstern des Zauberers sank zu einem leisen, kaum vernehmbaren Röcheln herab. Thimris beugte sich dicht über ihn, um seine Worte zu verstehen, auch wenn es ihm widerstrebte, dieser schrecklihcne Wunde zu nahe zu kommen.
„Torbaldson, du hast wacker gekämpft, aber du wirst erkannt haben, dass keiner von uns den Feind aufhalten kann. Nun, verzweifle nicht, es mag einen Weg geben. In meinem Wagen gibt es ein magisch versiegeltes Buch, das euch vielleicht helfen kann. In ihm hat der Mentor des Vorgängers meines Meisters, der Oberste Magier zur Zeit des ersten großen Krieges die verborgenen Hinweise auf die Verstecke der großen Splitter verwahrt. Um dieses Schriftstück wissen nur mein Schüler und ich, aber selbst wir haben keine Kenntnis der Orte. Suche die großen Steine. Sie mögen dir den Weg weisen, wie das Imperium gerettet werden kann.“ Die Stimme des Magiers wurde immer schwerer zu verstehen, hilflos drehte sich Thimris zu Ziordan, der kraftlos neben seinem Meister zu Boden sank.
Die Augen des Sterbenden weiteten sich noch einmal, als er auf seinen hochgewachsenen Nachfolger blickte. „Trauere nicht um mich, mein Junge. Viel zu lange schon wandle ich auf Jehrans Land und bin seinem Richtspruch entgangen. Deine Ausbildung neigt sich dem Ende entgegen. Ich habe dich alles gelehrt, was ich vermag. Seit elf Dekaden schon unterweise ich dich, deshalb weiß ich, dass die südlichen Reiche auch in Zukunft nicht schutzlos sein werden. Erfülle dein Pflicht, so wie ich es tat, dann mag der Oberste sich dir ebenso gesonnen zeigen wie mir.“ Langsam sank der Kopf des Obersten Magiers auf seine Brust und sein Schüler schloss ihm mit zitternder Hand die Augen.

Gorn mit der Axt
16.02.2005, 19:13
Die Geschwister, Pirin und Ziordan durchsuchte den Wagen nach dem Buch, das ihnen den Weg zu den Jehransteinen weisen sollte. Der große Magier war noch immer totenblass, hatte sich aber halbwegs wieder gefasst.
Von der Rückseite des vor magischen Utensilien überquellenden Fahrzeugs ertönte Logans Stimme.
„Ich habe es gefunden.“ Und das hatte er zweifelsohne. Im Wagen befand sich zwar eine Bibliothek aus alten Schriftrollen und schmuckvoll verzierten Folianten, um die der Zauberer bestimmt von vielen bedeutenden Städten beneidet worden war, aber dem Werk, dass Logan in Händen hielt, glich keines der anderen.
Es war fast zwei Fuß lang, fast ebenso breit und beinahe zwei Handbreit dick. Es war in eine seltsam ledrige, trockene und feste Haut gebunden, die an die Lederbände mancher Bücher erinnerte, jedoch feiner und mit einem Netzwerk winzigster Schuppen überzogen war, die leise knisterte, als sie das Buch berührten. Die Ränder der Seiten waren zerknittert und angesengt, schienen aber ansonsten intakt zu sein. In Umschlagstoff waren uralte Runen und Schriftzeichen eingeprägt, die ein Öffnen verhindern sollten, ebenso ein großer, stählerner Schnappriegel, der mit einem massiven Schloss versiegelt war.
Ziordan nickte. Es war seine erste Regung seit mehreren Minuten.
„Das ist das Buch. Ich habe es in meiner Lehrzeit nicht öfter als ein paar Mal geöffnet gesehen, aber der Einband ist unverkennbar. Seid vorsichtig, es ist gegen Diebe und Spione geschützt, öffnet es also nicht unbedacht.“
Jeel warf ihm einen fragenden Blick zu. Ziordan zählte an seinen Fingern ab. „Der erste und offensichtlichste Schutz ist das große Schloss. Es gibt nur drei Schlüssel, die so verzaubert wurden, dass sie unseres Wissens nicht gefälscht werden können. Den ersten verwahrte mein Meister immer bei sich, ich habe ihn aber zur Sicherheit bereits an mich genommen. Den zweiten hat der König in der großen Schatzkammer des Königlichen Palastes, wo er in einem einzelnen Raum gesichert ist. Der letzte liegt in sicherer Verwahrung in der Bibliothek der Priestermagier. Er ist für den Notfall bestimmt, dass beide anderen Schlüssel verloren gehen und das Wissen des Buches damit verschwindet. Um zu ihm zu gelangen müssen sich mindestens drei der oberen sechs Erzpriester und der Hohepriester selbst versammeln.“ Logan machte eine ungeduldige Handbewegung und der Magier fuhr fort.
„Der zweite Schutz ist der Zauber, der über dem Buch selber liegt. Er ist von anderer Natur. Ihn könnte der Feind sehr wohl brechen, denn ihn kann nur öffnen, wer die Lebensspanne eines Zauberers hat, also ich, mein Meister, und das Volk der Elben, das angeblich bei der Erschaffung des Bannes mitgeholfen haben soll.
Der letzte Schutz gegen den Feind ist der Code, in dem das Buch geschrieben ist. Jedes Kapitel ist mit einem magischen Blick versehen und die Schrift wird nur für den zu lesen sein, für den es bestimmt ist. Aus diesem Grund kannten selbst mein Meister und ich nicht den gesamten Inhalt des Buches. Aber ich bin zuversichtlich, dass das Buch sich für einen von euch öffnen wird.“ Mit diesen Worten nahm er das Buch in beide Hände und hob es über seinen Kopf. Er sprach einen kurzen Zauberspruch, so leise, dass Logan bezweifelte, ob selbst Pirin einzelne Worte hatte vernehmen können, dann griff er sich an den Hals und umfasste ein lange eiserne Kette an deren Ende ein langer Schlüssel hang, der drei seitwärts versetzte Bärte hatte und über du über mit Haken und Aussparungen versehen war. Eine leichte Drehung, ein leises Quietschen, dann öffnete sich der Riegel.
Hoffnungsvoll versammelten sie sich um das Buch und blickten gespannt auf die ersten Seiten.
Mit Entsetzen sah Logan, dass Ziordans Bemerkung über den „Blick des Buches“, keine Umschreibung gewesen war. Über jedem Kapitel schaute aus den gebräunten Seiten ein müde blinzelndes Auge hervor, das sie mit einem Blick anstarrte, der ihm fast vorwurfsvoll schien.
Doch Ziordan schüttelte bloß den Kopf. „Nur eine Abhandlung über die Geschichte des Imperiums.“ Er blätterte weiter. Fünf, sechs Kapitel vergingen ergebnislos. „Jetzt ist der Bericht am Ende des ersten großen Krieges angelangt.“ Logan blickte in das aufgeschlagene Buch, konnte aber nichts erkennen als sinnlose Schnörkel.
Das achte Kapitel ließ Ziordan geöffnet und blickte hoffnungsvoll auf die Geschwister, doch die schüttelten, einer nach dem anderen, den Kopf. „Die Geschichte des Elfenvolkes und die Verbannung des Dämonen.
An diesem Werk scheinen auch meine Vorfahren Anteil gehabt zu haben.“ Pirins klare Stimme durchdrang die gespannte Luft des Raumes ohne Mühe. Niedergeschlagen schlug der Mystiker Seite für Seite um.
Die Seiten die vor ihnen lagen wurden weniger. Nur noch halber Zoll des dicken, vom Alter gebräunten Papiers konnte das Wissen enthalten, dass sie suchten.
Das nächste Blatt, das sie sahen, enthielt ein seltsames Bild. Es sah aus wie eine Weltkarte, doch konnte keiner von ihnen eine der abgebildeten Gegenden zuordnen.
Wieder blätterte Ziordan um.

Gorn mit der Axt
17.02.2005, 18:35
Und atmete auf. Anders als die meisten Seiten des Buches war dieses Kapitel für ihn unverständlich.
Diesmal betrug ihn die Hoffnung nicht. Denn für die drei Geschwister war der Text klar zu erkennen, doch lesen konnten auch sie ihn nicht. Er war geschrieben in der uralten, runenhaften Schrift, die noch aus der Anfangszeit des Imperiums stammte. Eilig fasste Thimris sich einen Stapel leeren Pergaments und machte sich daran die Schrift zu kopieren. Mit vor Aufregung schwankender Stimme folgte Ziordan langsam den unsicheren Runen, die Thimris zu Papier brachte.
„Freund aus fernen Tagen. Dies ist die Chronik vom Ende des großen Krieges. Wenn dir das Buch es zugestanden hat, dann hast du schon gelesen, was zuvor geschah, doch das geheime Wissens, das selbst unserer Tage nur den Wenigsten bekannt ist, soll auch in Zukunft bewahrt bleiben, weshalb wir es auf diese Weise schützten.
Ich bin Mardior, Hohepriester unseres Gottes Jehran. Ich war eines der ersten Kinder, denen die Gabe der Magier geschenkt wurde und die einen Splitter des heiligen Steins erhielten und ich bin der Einzige, der sich noch zu erinnern weiß, wie wir die Nordländer besiegten und die großen Kristalle in Sicherheit brachten.
Damals waren wir jung, wir dachten, dass die Nordländer besiegt und auf alle Zeit aus den Ländern des Südens vertreiben seien. Doch heute fühle ich das Alter in meinen Knochen und ich bin vorsichtig geworden. Es mag eine Zeit kommen, in der die Menschen des Imperiums wieder ihrer Kraft bedürftig sein werden und für schreibe ich das Wissen um die Orte wieder, wo sie zu finden sind.
Fünf große Splitter sind es, die der Höchste uns schenkte, einen für jeden von uns ersten Priestern.
Den reinsten und größten gaben wir den Elben zur Verwahrung, denn sie sind die ältesten und weisesten aller Lebewesen und sollen so für ihre Hilfe in der letzten Schlacht belohnt werden, niemand wird ihnen diese Gunst des Erhabenen neiden, zu tapfer haben sie uns zuletzt zur Seite gestanden.
Den Zweiten brachten meine Brüder in den Westen. Er liegt nun tief im der überfluteten Ebene von Kaloras, in einem uralten Tempel des Ersten. Seid gewarnt, nur jener ohne Furcht wird den Weg beschreiten können.
Der Dritte Splitter liegt im Osten, an der Küste des Verbotenen Reiches.
Der vierte übergaben wir einem Boten des Höchsten selbst. Er trug ihn in den Norden, in die Höhlen unter dem Labyrinth von Ur-Gish, der letzten Stadt aus jener Zeit des Laokos, dessen Reich noch dreitausend Jahre vor der Gründung unseres glorreichen Imperiums zusammenbrach. Niemand kennt den genauen Ort, doch ein Splitter des großen Steins wird euch den Weg weisen.
Den letzten und geringsten Stein, der damals mir anvertraut war, ließ ich in das Fundament unseres neuen Tempels in Dernag einbauen. Dort liegt er, tief unter den Werken der Menschen und harrt eurer Tage, mein Freund. Gewagt war es, den doch so kurzlebigen und schwachen Menschen einen Splitter zu hinterlassen, doch ich glaube fest daran, dass er in den dunklen Tagen Hoffnung für jene sein wird, die wieder gegen unsere Feinde aus dem Norden bestehen müssen.
Die Stätten des ersten und des fünften Steines sind jedermann bekannt und ich bete dafür, dass die Kenntnis um die Städte der Menschen und Elben nicht aus dem Wissen unserer Nachfahren verschwinden werden.
Um die drei anderen Steine zu finden brachte ich zwischen den beiden letzten Seiten dieses Buches drei Wegweiser ein, die euch in Zeiten größter Bedrängnis führen sollen.
Möge der Segen des Höchsten mit euch sein
Hohepriester Mardior, Kelar 2105

Gorn mit der Axt
19.02.2005, 18:56
Und tatsächlich fielen aus dem Buch drei Gegenstände heraus, als Thimris das Blatt mit den letzten Runen wendete und Ziordan den letzten Satz verlies.
Thimris legte das Buch behutsam auf den Tisch, dann kniete er sich hin und nahm die Wegweiser, wie Mardior sie genannt hatte, in Augenschein.
Sie alle schienen Überreste eines Tieres zu sein. Das Erste, das er in die Hand nahm, war verblichenes Stück schuppige Haut. Sie glänzte in einem matten Silber, doch einige der kleineren Schuppen verrieten, dass sie vormals einmal blau gewesen sein musste. Sie wirkte wie die Haut eines Gundurs, doch war sich Thimris sicher, dass es diese Kreaturen erst zu Zeiten des Zweiten großen Krieges gegeben hatte.
Neben ihr lag ein mit Schmutz verkrustetes Ei auf dem Boden, in der gleichen Farbe, wie man mit einiger Mühe erkennen konnte, schimmernd und gemustert wie feiner Marmor und mit einer Länge von etwa vier Zoll zu groß, als dass es von einem gewöhnlichen Vogel oder Reptil hätte stammen können.
Vom letzten Hinweis hatte er nur einen kurzen Blick erhaschen können, zu schnell war er auf dem Boden in eine der Ritzen gerollt. Mit spitzen Fingers pulte er ihn aus der Lücke zwischen den Holzbohlen, glücklich darüber, dass er nicht auf den Boden darunter gefallen und damit verschwunden war. Als sich Thimris Hände darum schlossen leuchtete der Gegenstand hell auf und strahlte eine kaum spürbare Wärme ab, wie von einer winzigen, inneren Flamme. Was er ursprünglich für einen Stock oder Gesteinsplitter gehalten hatte, erwies sich als Fragment eines Knochens, an dessen Spitze ein geschickter Künstler gekonnt den Splitter eines Priestersteines eingelassen hatte. Thimris blickte auf und sah seine beiden Geschwister, die anderen Wegweiser in Händen, die in dem gleichen Licht erstrahlten wie der seine.
Ein tiefer Seufzer der Erleichterung und der Freude stieß grollend aus Ziordans massigen Körper, der riesige Mystiker hielt die Finger ineinander verschränkt, als bete er und danke den Göttern für ihre Gunst.

Gorn mit der Axt
21.02.2005, 19:24
Fraladruin Kelar 3925
Das Klirren der stählernen Äxte ließ Igmar aus seinen Überlegungen hochschrecken.
Mit einiger Mühe richtete er sich von seinem Lager auf. Es war erschreckend, wie viel ihm das Alter doch von seiner früheren Stärke genommen hatte. Durch die Plane seines Zeltes, das wie er zufrieden bemerkte immer noch das Größte des ihres Lagers war, sah er den Kampf der beiden jungen Krieger, die sich da gegenüberstanden. Drorbar und Frald. Oder Fraladruin, korrigierte sich der Alte, schließlich waren es nur noch einige Monde bis er sein Ritual vollziehen würde. Und dann würde er sich entscheiden müssen, welcher Kaste er sich anschließen sollte.
Igmar würde ihn ja am liebsten bei den Kriegern des Lagers oder des Stammes sehen, aber auch einige der anderen Kasten hatten ihr Interesse bekundet. Igmar nickte mit zwiespältiger Freude. Sein Junge hatte sich wirklich gemacht. Lange schon war er so stark wie die anderen Krieger und Jäger des Stammes, dabei stand sein fünfzehnter Geburtstag er’s noch bevor. Und auf den Kopf gefallen war er auch nicht. Was Igmar Sorgen bereitete war etwas anderes. Sein Enkel wollte seine Begeisterung für die Clanskrieger einfach nicht ablegen, neuerdings sprach er sogar davon, dem Dunklen selbst zu dienen.
Mit sorgenvoll verzogenem Gesicht trat der Gundurtöter nach draußen in die Kälte und beobachtete den Kampf.
Lange schon war die Zeit vorbei, dass Drorbar seinen Vetter mühelos bezwingen konnte, heute trafen die Axtköpfe mit einer Wucht aufeinander, die den meisten anderen Männern des Lagers den Arm gebrochen hätte.
Aber an Geschwindigkeit war Frald Drorbar weit überlegen, nachdem das Klirren der Klingen noch eine ganze Weile weiterging, machte er einen gefährlichen Ausfallschritt in die Reichweite seines Gegners. Doch der war zu langsam den Vorteil zu nutzen, Frald rollte sich ab, drehte sich gewandt um und ließ die gebogene Schneide
Auf Drorbar herabsausen. Erst wenige Fingerbreit vor der Kehle seines Vetters kam die Axt zum Stehen. Drorbar balancierte auf den Zehenspitzen um das Gleichgewicht nicht zu verlieren, dann kippte er hintenüber und stürzte laut fluchend zu Boden. Die Zuschauer brüllten vor Lachen auf, in das auch Frald einstimmte. Nur Igmar, der im Schatten der Zeltplane stand und der im Schnee liegende Verlierer lachten nicht.
Der Gundurtöter rief laut herüber. „Sag mir, mein Enkel, ist es unter guten Nordmännern üblich, den Feind zu verspotten? Hat es irgendein Feind, der den Mut hat, dir gegenüberzutreten, die Schande verdient seine Ehre zu verlieren?“ Seine Stimme war vom Alter und von der Kälte heiser geworden, doch sie durchdrang den Spott der Männer auf dem Kampfplatz wie ein Messer und ließ ihren Hohn leer und schwach klingen. Köpfe fuhren herum, als sie den Sprecher erkannt hatten senkten sie sich schnell in eiliger Ehrerbietung. Bloß Fraladruin unterließ es seinem Großvater diesen Respekt zu erweisen und nickte kurz, das mindeste, was in Bedacht auf seine unterlegene Stellung im Clan angemessen war.
Um sie herum raunten sich einige der Zuschauer besorgt zu und machten sich wieder an ihr Training oder ihre Arbeit. Die Streitigkeiten zwischen dem Anführer des Lagers und seinem besten Krieger wegen ihrer unterschiedlichen Ansichten zum nächsten Krieg waren schon seit vielen Monden das wichtigste Thema zwischen den Bewohnern des Dorfes.
„Mein guter Vetter ist ein mutiger Krieger und er hat sich mit dem Ende des Kampfes die Schande selbst zugefügt. Hohn verdient hätte nur einer der feigen Südländer, wenn sie sich denn in unser Land trauen würden, anstatt sich hinter dieser Abscheulichkeit zu verkriechen.“ Igmar ging nahe an Frald heran und blieb vor ihm stehen. In den letzten Jahren hatte der Junge die Statur seines Vorfahren angenommen, zufrieden dachte Frald daran, dass sein Großvater ihn nun nicht mehr von oben herab betrachten konnte.
„Nun, wenn du der Ansicht bist, dass es Krieger gibt, denen der ehrenvolle Tod nicht zusteht, dann bin ich gerne bereit, dich vom Gegenteil zu überzeugen.“ Er machte eine bedeutungsvolle Pause und trat dann in den mit festgetretenem Schnee markierten Kreis. Frald schaute ungläubig zu seinem Großvater herüber. Igmar Gundurtöter, Igmar Dra Valun war inzwischen weit über siebzig Lenze alt und der älteste Mann des Dragorclans, dem ihr Stamm angehörte. Ihm wurde mulmig. Weniger von der Aussicht, dass sein Ahnherr früher einer der gefürchtetsten Krieger war, sondern mehr von dem Gedanken ihn ernsthaft zu verletzen. Auch wenn der Alte Mann ihn oft von seinen Plänen abbringen wollte und seine Vorstellungen des Imperiums denen Fralds krass widersprachen, war er doch immer noch sein Großvater und ein geehrter Krieger, gegen ihn im Kampf anzutreten konnte ihm nur schaden und im schlimmsten Fall sogar Schande über ihn bringen.

Gorn mit der Axt
23.02.2005, 17:29
Doch er hatte keine Wahl, denn schon hob Igmar seinen aus Gundurknochen geschnitzten Stock und ließ ihn schmerzhaft auf Fraladruins Handrücken herniederfahren, dessen Waffe in den Schnee fiel. Zornig blickte er den Alten an. Frald war vor dem ganzen Lager herausgefordert worden. Nun hatte er keine andere Wahl mehr, als ihn bloßzustellen und sich seine Ehre zurückzuerobern. Er sprang vor und hob die Axt wieder auf, doch schon traf ihn das Ende des Stockes mit solcher Wucht auf den Hinterkopf, dass ihm die Tränen in die Augen schossen.
Igmar spottete. „Junge, ich dachte du wolltest einem alten Mann eine Lektion erteilen. Stattdessen rollst du dich hier vergnügt auf dem Boden herum. Denk daran, ich habe dich besiegt, da warst du noch kleiner als deine Waffe lang ist und ich werde dich auch heute nicht gewinnen lassen. Allerdings, wenn du aufgibst…“
Igmar drehte sich gelassen um und ging auf dem Kreis zu. Doch Frald sprang wieder auf die Füße und schlug nach seinen Füßen. Behände wich sein Großvater aus und lenkte seinen Schlag ab. Dann folgten die Angriffe in rascher Folge, doch immer verriet ihm seine Erfahrung, wo der nächste Schlag erfolgen würde und er konnte sie angemessen erwidern, auch wenn es all sein Können erforderte. Inzwischen waren alle anderen Männer und Frauen durch den Lärm angelockt worden und standen stumm und staunend um den Kampfplatz herum.
Die Minuten verstrichen und Igmar erkannte, dass er sich des Jungen auf diese Weise nicht mehr weiter erwehren könnte. Auch Frald schien das zu spüren, denn er sprang alle Vorsicht vergessend vor und schwang die Axt wie in der Schlacht beidhändig und mit aller Kraft. Igmar Gundurtöter erwartete seinen Schlag und fing ihn mit seinem Stab ab. Die Härte des Aufpralls ließ ihn zwar vor Schmerz aufstöhnen, doch das Manöver wurde überraschend belohnt. Als die beiden Waffen aufeinander trafen und sich Knochen und Stahl berührten ertönte ein grausames Splittern und Kreischen, als Fraladruins Axt in der Mitte gespalten wurde und an der Bruchstelle zu bröckeln begann. Die Härte des Eisens hatte sich nicht mit der des Knochens nicht messen können. Die Menge murmelte bewundernd. Offensichtlich war an der Geschichte der Alten, dass Igmar in jungen Jahren einen Gundur getötet hatte, etwas wahres, kein anderer Knochen hätte diesen Schlag unbeschadet überstanden, als der der größten Bestie des Nordlandes.
Igmar holte zum Schlag aus und schlug mit dem Ende des Stocks erneut auf Fralds Hinterkopf ein, der darauf bewusstlos wurde und sich am Boden zusammenkrümmte. Igmar atmete hingebungsvoll ein und aus und nickte einigen der Zuschauer zu. „Kommt schon, tragt ihn zu mir rein.“
Unter unzufriedenen Murmeln und auch dem ein oder anderen Kichern nahmen sie den ohnmächtigen Kämpfer auf und legten ihn in Igmars Zelt auf eines der Betten.
Drinnen war es dunkel und ruhig, dazu um einiges wärmer als in der eisigen Kälte draußen, obwohl ihm klar war, dass es weiter im Norden viele Regionen gab, in denen sie noch wesentlich unerträglicher war.
Frald gab ihm mit einem schmerzhaften, leisen Stöhnen zu verstehen, dass er langsam wieder wach wurde.
Igmar legte ihm einen nassen Lappen auf die Stirn und eine Hand auf die Schulter. Seine Stimme war eben so ernst wie beim Kampf. „Und? Haben nun alle Menschen Ehre verdient oder nicht?“ Fraladruin blickte ihn an. Unter seinem Auge war schon eine Schwellung zu erkennen und er hielt sich dem Kopf. „Falls es nicht so ist sollte ich mit meiner Behauptung warten, bis ich gegen dich ankomme.“ Er sackte wieder auf das Lager.
Nun schmunzelte sein Großvater doch. „Du hast dich wacker gehalten. Ich sehe keinen Grund, warum du nicht zu den Clanskriegern gehen solltest.“ Sein Enkel fuhr hoch. „Ist das dein Ernst?“ Kaum hatte er die Frage heraus fasste er sich schon wieder an den Kopf. „Ja, ich denke, du hast alles, was ein Krieger braucht um gut zu kämpfen. Doch um ehrenvoll zu kämpfen ist mehr als das nötig, mehr, als viele der heutigen Clanskrieger besitzen.
Sie erinnern sich nicht mehr an den letzten Krieg, hören nicht mehr darauf, wenn wir Alten ihnen davon erzählen. Sie betrachten die Südländer als Feiglinge und Ehrlose Krieger.“ „Aber sind sie nicht genau das?“
Schwach schlug Igmar seinem Enkel auf die Schwellung im Gesicht und der Junge fuhr zusammen. „Wenn sie so feige sind, warum haben sie dann alle Kriege gegen uns gewonnen? Warum waren wir gezwungen, auf die Hilfe von Magiern und Hexern zurückzugreifen, die uns ihre Dämonenbrut auf den Hals schicken?“ Frald blickte ihm nachdenklich in die Augen, dann wandte er seinen Blick nach unten. Einige Minuten lang schwiegen beide. Als er gerade auf die Fragen seines Großvaters antworten wollte, ertönte von draußen Lärm.
Dann wurde die Plane zurückgeschlagen und drei Männer in den blau-weißen Uniformen des Dragorclans begrüßte sie. Frald nickten sie kurz zu, vor Igmar verbeugten sie sich. Einer der Clanskämpfer trug einen Beutel bei sich. Wortlos, wie es die Tradition es im befahl legte er die Hand an die Scheide seiner Waffe und hob sie an die Stirn, dann steckte er seine Hand in den Sack und zog ein Schwert heraus. Frald schrie gequält auf. Es war die Initiationswaffe seines Bruders. Kein Krieger legte diese Waffe jemals ab. Nicht bevor er starb.

Gorn mit der Axt
25.02.2005, 16:59
Fröhlich aufeinander einredend gingen die Zwillinge den anderen voran aus dem Haus und eilten flotten Schrittes zum Rathaus der Stadt, wo der Hochkönig und die Offiziere ihr Lager aufgebaut hatten. Hinter ihnen Pirin, wie immer gemessenen Schrittes, mit einem nachdenklichen Lächeln auf den Lippen, hinter ihm waren die schweren Schritte Jindas genagelter Soldatenstiefel und Thimris Wanderschuhe zu hören, am Ende der Reihe ging Ziordan, in langsameren Tempo, aber seine langen Schritte ließen ihn mühelos mit den anderen mithalten.
Der Weg dauerte nur etwa zehn Minuten, aber die ganze Zeit über grübelte Thimris über die Wegweiser, die sie bekommen hatten. „Jeder von ihnen hatte einen magischen Führer erhalten und es schien vorherbestimmt, dass jeder von ihnen einem zu dem jeweiligen Splitter folgte. Sie hatten die Wegweiser getauscht, auch Ziordan und Pirin hatten sie berührt, aber geleuchtet hatten sie immer nur für einen von ihnen drei. Er ahnte schon, was das zu bedeuten hatte. Verzweifelt suchte er nach einer anderen Lösung, nach einem Fehler in seinem Denken, aber er hatte sich nicht getäuscht.
Sie würden sich auf jeden Fall trennen müssen.
Der Gedanke bestimmte sein Denken, wie ein Dorn, der in seinen Kopf steckte und beständig an ihm nagte.
Er würde sie nicht beschützen können. Wie er beschäftigten Thimris noch tausend andere, gleichviel quälende Fragen, was aus ihren Eltern geworden, wie der Krieg in Caladar verlaufen war? Was der Magier mit seiner seltsamen Anrede gemeint hatte und warum die Nordländer solche Bemühungen machten, sie außer Gefecht zu setzen?
Hoch über sich sah er den Balkon des ausgedehnten Fachwerkhauses über sich aufragen, auf dem Hochkönig Andraeis über die Stadt blickte. Auch als sie näher kamen, schien der Herrscher sie nicht zu bemerken, sein Blick war regungslos auf die Wellen des Flusses am Horizont gerichtet.
Thimris dachte einen kurzen Moment an die Gefahren, die die Fahrt über den Fluss mit sich brachten, schob dieses Gefühl aber bald wieder bei Seite. Zwar schwamm Theras noch immer auf den Fluten des Durangar, aber die Macht des gewaltigen Banns, den die Magier unter der Anleitung Fimbrethils gewirkt hatten, hielt das Wasser stets zurück. „Im schlimmsten Falle“ dachte er „werden wir in den Sümpfen des Kaloras im seichten Wasser auflaufen. Das wird wenigstens einen von uns seinem Ziel näher bringen.“ Dieser Satz in seinem Geist triefte vor Spott und Sarkasmus, aber in gewisser Weise gab er ihm auch Trost. Seine Stadt, seine Heimat Caladar war vernichtet, die ganze Halbinsel, jeder Ort, den er in seinem Leben betreten hatte in der Hand eines unbarmherzigen Feindes. Selbst wenn das Schicksal es gut mit ihnen meinen sollte und die Nordländer irgendwie bezwungen werden sollten, würde es für ihn keinen Ort geben, an den er heimkehren konnte. Seine Freunde und die Zwillinge, sie waren alles, was er noch hatte. Die Möglichkeit ihnen nahe zu sein, noch eine kurze Zeit länger bei ihnen zu verweilen, könnte die Pein der Trennung, wenn sie dann erfolgen würde, ein wenig erträglicher machen.

Gorn mit der Axt
27.02.2005, 18:22
Logan öffnete die schweren Türen zum Rathaus im selben Moment in dem die Insel Arkawan mit einem Furcht und Ekel erregenden Geräusch, das durch jede Faser der kleinen Stadt drang, auf die Küste des Flusses auflief. Eine lange Sekunde lang verkantete sich ein Felsvorsprung des Ufergesteins an einem der Grate des Inselberges, Arkawan begann sich in schneller Folge im flachen Wasser zu drehen, aber dann stand die Insel fest.
Schon während sich die Gefährten wieder aufrappelten, erschollen aus dem Inneren des Hauses die ersten Befehle und Wachen aus der Leibgarde sowie königliche Boten eilten ihnen in der Eingangshalle entgegen, die Anweisungen an alle Soldaten der Legion weiter zutragen.
Vor Thimris begannen Logan und Jeel wieder aufgeregt miteinander zu reden, der unaufhörliche Schwall wurde nur von dem wieder eingesetzten Geräusch von dutzenden von zuschlagenden Türen und hastigen Schritten überdeckt.
Als sie im nächsten Stockwerk ankamen genügte ein kurzer Blick des Magiers, ihnen den Weg zu Andraeis zu öffnen. Über den Tod seines Meisters betrübt und von tausend unbekannter weiteren Sorgen geplagt schaute der Magier noch grimmiger und düsterer drein als sonst und ließ den jungen Gardist an der Türe erschrocken zurückweichen.
Der Hochkönig kam ihnen schon entgegen, als sie herein traten. Seine Augen spiegelten seine Empfindungen wieder. In ihnen zeigte sich sowohl Freude, wie auch Misstrauen, Ungeduld ebenso wie Müdigkeit. Aber mehr als alles andere war aus ihnen die Trauer zu lesen. Scheinbar hatte der König viele Tränen über den Tod seines Obersten Magiers vergossen, denn mehr noch als bei Ziordan war sei Gesicht verquollen, seine Miene von Schmerz und Einsamkeit verzerrt.
Thimris war überrascht. Oft genug hatte er gesehen, wie der Magier und der Herrscher harte Worte gewechselt hatten, wie Fimbrethil seinem Herren befohlen, der seinen Untergebenen verspottet hatte. Trotz alledem war das Verhältnis der beiden ungleichen Männer wohl von Freundschaft geprägt gewesen, denn anders als sonst begegnete er den Gefährten statt mit hochtrabender Rede nun bloß mit müder Stimme. Dennoch war seine Begrüßung herzlich.
„Ziordan! Was wünscht ihr und eure Freunde von mir. Seid ihr gekommen, weil wir Arkawan wieder trockenen Fußes verlassen können?“ Trotz seiner Stimmung brachte er ein mühsames Lächeln zu Stande, das der große Mystiker in gleichem Maße erwiderte. „Nein, Mylord. Mein Meister gab uns mit seinen letzten Worten zu verstehen, dass wir in seinen Aufzeichnungen eine Hilfe im Krieg gegen die Nordländer finden würden. Die großen Splitter, die die Priester und meine Vorgänger an geheimen Orten aufbewahrten, damit sie das Imperium auch in Zukunft zu schützen vermögen.“ Des Hochkönigs Gesicht hellte sich auf. „Selbst auf dem Totenbett bedachte Fim uns noch seiner Hilfe. Er war ein tapferer Mann und ein guter Freund. Sagt mir, habt ihr die Hilfe gefunden, von der er sprach?“ Ziodan nickte bedächtig. „Wir fanden einige Wegweiser der damaligen Priesterschaft und einige Schriften, die uns den ungefähren Aufenthaltsort verrieten. Mit einiger Mühe könnte es gelingen einen oder gar mehr der Steine in unsere Hand zu bringen.“ Angespannt umfasste Andraeis das Holz des großen Schreibtischs, hinter dem er stand und atmete tief aus. Dann sprach er wieder. „An welche Art der Mühe denkt ihr?“ Ziordan antwortete. „Einen der Splitter haben die Elben in ihrer Verwahrung. Ich habe sie selbst einmal mit meinem Meister besucht. Doch ihr Stein wird ununterbrochen genutzt um den Zauber um ihre Heimatstadt aufrecht zu erhalten. Nehmen wir die Stadt, sind die Elben dem Untergang geweiht!“ Andraeis Miene verdüsterte sich wieder. Man konnte ihm deutlich ansehen, wie wenig ihm die Aussicht mächtige und treue Verbündete zu hintergehen missfiel. „Sprecht weiter“ forderte er den Magier auf. Der hob den zweiten Finger. „Ein weiteres Teil des Steins soll sich unter den Fundamenten des Haupttempels in Dernag befinden. Ich bezweifle, dass er sich noch an seinem Platz befindet. Mit Sicherheit hätten die Priester im letzten Krieg nicht gezögert, den Splitter gegen den Feind einzusetzen, als er vor siebenhundert Jahren vor der Hauptstadt stand. Ich empfehle euerer Majestät die schnellsten Boten nach Südwesten zu entsenden und den Hohepriester um Auskunft zu bitten. Ich selbst werde mich bald auf eigenen Wegen mit meinen wenigen Brüdern und Helfern in Verbindung setzen, aber keiner von ihnen weilt auch nur in der Nähe Dernags.“ Der Herrscher nickte zustimmend und die restlichen Finger an Ziordans rechter Hand hoben sich. „Die anderen drei Splitter wurden an unzugänglichen Stellen deponiert, wo sie meines Wissens durch Wächter und Fallen geschützt sind. Der eine liegt weit im Westen im großen Sumpf in einem vergessenen Heiligtum, ein weiterer im Nordosten im Verbotenen Reich. Der letzte wurde einem Boten Jehrans übergeben, aber mit der Ortsangabe weiß ich nichts anzufangen. Es scheint sich auf eine Stadt zu beziehen, die schon lange vor der Herrschaft des ersten Hochkönigs unterging.“ Aus dem Bereich im Rücken des Mystikers ergänzte Pirin. „Das Reich des Laokos. Die Elben hüten die Erinnerung an viele alte Kulturen der Menschen, aber nur selten haben sie ihre Sinne in den Norden ausgestreckt. Von der alten Hauptstadt Ur-Gish ist auch bei uns nichts überliefert. Wir werden uns auf den Wegweiser des Priester verlassen müssen.“
Andraeis nickte nachdenklich, dann stimmte er zu. „Ich werde euch Männer und Ausrüstung für die Expedition mitgeben, alles was ihr braucht. Doch seid gewarnt. Wenigstens zwei, wenn nicht gar alle Splitter liegen in vom Feind beherrschten Gebieten, ich kann euch aber keine Armee mit auf den Weg geben, die euch den Weg hindurch bereitet. Ihr werdet heimlich und verborgen reisen müssen. Jeder von euch wähle sich ein dutzend Mann aus meinen Elitetruppen aus, mehr werden euch nur aufhalten.“ Dankbar verneigten sie sich vor dem Hochkönig und machten sich auf den Weg zur Waffenkammer von Theras.

Gorn mit der Axt
01.03.2005, 17:29
Logan marschierte grübelnd neben seinem Bruder her.
Er war aufgeregt, ein wenig freute er sich aber auch, wieder allein mit seinen Geschwistern unterwegs zu sein. Die Leibgardisten, die sie begleiten würden, übersah er geflissentlich.
Endlich von dem Leid des Krieges, den Schlachten, den endlosen Schreien und Waffengängen zu entkommen, war der Hauptgrund für seine Freude und zugleich Anlass für seine Nervosität. Ließ er die Menschen damit nicht im Stich? Schon mit ihrer Unterstützung waren die Legionäre in der Schlacht am Jeldin Pass verheerend aufgerieben worden, andere Aufeinandertreffen hatten ähnlich geendet. Wie mochte es für die mutlosen Männer erst werden, wenn ihnen eine weitere Hoffnung entrissen würde?
Doch noch eine andere Frage beschäftigte ihn. Etwas an den Schriften im Buch des Hohepriesters, die Worte des Königs, Thimris Verhalten, seit sie von ihrer neuen Mission erfahren hatten; konnte es sein, dass sie sich trennen würden?
Das konnte nicht sein! Thimris würde niemals zulassen, dass auch nur einer von ihnen allein loszog.
Oder doch?
Zweifel nagten an ihm und machten es unmöglich noch etwas anderes zu empfinden als Angst und Unsicherheit. Doch Logan war nicht mehr der, der er in Caladar gewesen war. Dort hatte er immer im Schatten seines Bruders gestanden, war immer, ohne es zu wissen, durch ihn geschützt worden. Auf der Reise hatte er nur zu deutlich sehen müssen, wie schwer es für ihn war, die Verantwortung für das Leben anderer zu übernehmen.
Das hatte sich im Wald um Markor geändert. Widersinnigerweise hatte ihn die Gemeinschaft seiner Feinde, der er drei Tage lang beigewohnt hatte, ebensoviel Stärke gelehrt, wie von der Zeit mit seinen Freunden Vertrauen erfahren hatte.
Nun fürchtete er sich vor der Konfrontation, es schien ihm fast undenkbar, seinem Bruder die Frage selbst zu stellen, aber der logische, emotionslose Teil seines Geistes, den er früher manchmal geflissendlich übersehen hatte, wusste, dass es keine andere Lösung für ihn geben konnte, wollte er nicht wieder werden, wie er in seiner Heimat gelebt hatte.
Er spannte die Muskeln an und verstellte Thimris den Weg. Der blickte ihn zuerst fragend an, dann aber sah Logan ins Gesicht und in seinen Augen spiegelte sich überraschtes Verständnis.
„Willst du uns zurücklassen, Tim?“ Seine Stimme zitterte ein wenig, aber davon ließ er sich nicht anhalten. „Werden wir uns trennen?“ Mit einer Gelassenheit, die seine Geschwister nicht täuschen konnte, nickte sein Bruder. „Ja. Jeder von uns hat einen Talisman bekommen, einen Wegweiser, der nur seinen Träger führt. Wir haben keine Zeit, zusammen die drei Orte aufzusuchen, es ist auch möglich, dass der Feind siegt, bevor auch nur einer von uns seinen Splitter zu Gesicht bekommt. Wenn es in dieser Sache auf mich ankäme, würde es anders laufen, aber ich kann daran nichts ändern.“ Logan verspürte eine unerwartete Erleichterung. Nun da er gefragt hatte, schien alles wie von selbst zu geschehen. Thimris versuchte ohne Erfolg, seine Maske aufrecht zu erhalten, Pirin zeigte eine für ihn ungewöhnlich bedrückte Miene, Jeel war schneeweiß geworden, ihre Finger ballten sich zu Fäusten. Logan fasste die anderen bei den Schultern. „Wir haben den Weg von Caladar bis hierhin geschafft, weil wir immer füreinander da waren."
Seine Stimme brach. "Doch jetzt ist es damit wohl zu Ende.“

Gorn mit der Axt
03.03.2005, 17:37
Oberst Darbor blickte ihnen schon entgegen.
Ein Bote hatte ihm Nachricht von ihrer Ankunft überbracht und so hatte er die besten seiner Leibgarde aufmarschieren lassen, um die Gefährten auf ihrer Reise zu begleiten.
Als sie bei ihm ankamen, sah er, dass sie bereits Reiseumhänge und Waffen für die Reise angelegt hatten, offenbar war die Mission, mit der der Hochkönig sie betraut hatte noch wichtiger, als er bisher angenommen hatte.
Darbor ließ die Fingerklingen auf seinen Kuppen kreisen. Das verhieß bei ihm höchste Konzentration.
Er hatte nur wenig über den Auftrag erfahren, in dem Andraeis die jungen Leute wegschickte, aber er war sicher, dass es etwas ungeheuer Bedeutsames sein musste. Sein Herr hatte sonst nie Geheimnisse vor ihm.
Mit einem klirrenden Geräusch stießen zwei der etwa vier Zoll langen Klingen in schneller Drehung gegeneinander. Er fing sie mit einer raschen Bewegung auf und steckte sie wieder in ihre Scheiden an seinem Unterarm.
Als er die kleine Gruppe ansprach, dröhnte seine Stimme und hallte in dem winzigen Hinterhof wieder, den er für diese Aufgabe ausgewählt hatte. Seine Hand ruhte nun in einer minderen Demutsgebärde an seiner Schulter, während er sich kurz vor den Gefährten verbeugte.
„Nun, Mylords, der König teilte mir bereits mit, dass ihr Begleitung für eine lange und schwierige Reise bräuchtet. Ich habe mir die Freiheit genommen, meine besten Männer für euch bereitzustellen.“
Sein Blick zuckte zu den drei langen Reihen von knienden Kriegern, bis er auf dreien von ihnen hängen blieb.
„Sibril, Drogan, Teldor! Antreten!“ Noch lauter als zuvor wurden seine Worte von Wand zu Wand geworfen.
In einer einzigen fließenden Bewegung standen genannten Männer auf und langen Schrittes auf ihre Anvertrauten zu. Noch einmal unterzog er seine Soldaten einer scharfen Musterung. Er würde jedem von ihnen sein Leben anvertrauen, aber diesmal ging es um Dinge, die größer waren als er.
Korporal Drogan war ein Mann, der neben jedem anderen als ihm wie ein Riese gewirkt hätte. Er war an die zwei Meter groß und sogar für seine Größe überaus stark. Er war ein zumeist lauter, lärmender Mensch, die einzige Eigenschaft, die einer weiteren Beförderung im Weg gestanden hatte, jedoch war das stets in seiner Zeit bei der Wache, seine Aufträge dagegen führte er mit äußerster Nücherternheit und Präzision aus. Es gab viele Gerüchte über ihn, dass er ein verstoßener Adliger sei, sogar vom Blut des Königshauses. Darbor kümmerte sich nicht darum. Ihm hatte es immer genügt, dass Drogan loyal bis auf den Tod war. Sein Körper war eine Ruine alter und neuer Narben, die meisten davon hatte er auf sich genommen, um seine Schützlinge vor schaden zu bewahren, denn er war einer der wenigen Leibwächter, die ihren Herren nicht nur mit Geist sondern auch mit Seele dienten.
Neben ihm sah der hagere Sibril beinahe schmächtig aus. Er war einer seiner Veteranen in der Garde, ein Mann der erst fünfzig Lenze maß, aber dennoch vor seinen sechzehn Jahren unter Darbor schon weitere zwanzig unter anderen Herren gedient hatte. Abgesehen davon war er der mit Abstand schnellste Krieger, den Darbor in seinem Leben kennen gelernt hatte, einer von wenigen Dutzend im ganzen Imperium, die sich des Klerek bedienten, des Sechsklingenschwerts.
Teldor war das Mittelmaß zwischen diesen beiden Extremen. Er war ein kräftig gewachsener, normalgroßer Mann, mit harten stahlgrauen Augen und nussbraunen, halblangen Haar. Er war anders als der Rest seiner Truppe, ruhig, behäbig fast, wo andere blitzschnell reagierten, unruhig erst da, wo andere sich niederlegten. Aber die Männer erzählten ihre eigenen Geschichten über ihn. Viele meinten, er sei mit einem weiteren Sinn gesegnet, er sehe Dinge, die andere Soldaten nicht einmal erahnten. Einige Male hatte Darbor es schon mit ansehen können.
Teldor wurde nie Opfer eines Hinterhalts, Späher, die ihn suchten verirrten sich in seiner Fährte, zwei der besten Meuchelmörder von Ingladan wurden in gemeinsamen Auftrag ausgesandt ihn zu töten. Sie wurden erst Monate später gefunden, die langen Klingen der Assassinen noch in den Scheiden, beide mit einem schwachen Ausdruck der Überraschung in den Augen.
„Leutnant Teldor, ihr nehmt euch ein dutzend der Männer und begleitet die Lady Jaleel.“ Die hellen Augen des Offiziers leuchteten kurz auf, als er seinen Schützling in Augenschein nahm, dann hob sich sein Arm an die Schulter. Die junge Jeel dagegen blickte nervös hin und her und fügte sich dann in das Unvermeidliche.
„Hauptmann Sibril, Herr Thimris!“ wies er zu. Thimris besah sich für einen kurzen Moment das mit Silber durchzogene Haar und das Gesicht des Keras, dann bemühte er sich einen kurzen Anflug von dessen Aura zu empfangen. Schließlich nickte er zustimmend und freundlich und ergriff die Hand des Mannes.
„Korporal Drogan, ihr seid ausgewählt Herr Logan zu beschützen.“
Der Krieger riss seinen Kriegshammer aus der Scheide auf seinem Rücken und schlug ihn dröhnend gegen seinen Schild. „Für Jehran und meinen König!“

Gorn mit der Axt
05.03.2005, 16:51
Auf der Pritsche eines Wagens liegend dämmerte Jinda vor sich hin. Eingebettet in feste Verbände und noch stärkeren Schmerz nahm er nur Schemen dessen war, was um ihn geschah.
Einen kurzen Moment sah er ein bärtiges, von Falten zerfurchtes Gesicht vor sich. „ Mylord, seid ihr wach?“
Das Bild vor Jindas Augen wurde ein wenig klarer, doch die Schwäche in seinem Körper und seiner Stimme blieb. „Wo…?“ Das Wort war mehr ein Stöhnen denn ein echter Laut, doch der Mann hatte ihn wohl verstanden, denn er beugte sich über ihn und sprach mit beruhigender Stimme auf ihn ein. „Wir sind zwei Tagesreisen südlich von Theras, Mylord, vor drei Tagen hat der Hochkönig Anweisung gegeben, die Stellungen aufzugeben und nur noch den Fluss zu verteidigen. Wir wurden weit nach Süden abgetrieben, die Grenze zwischen Markor und Gorian ist nur noch wenige Stunden entfernt.“ Jinda fühlte die Schmerzen ein klein wenig erträglicher werden. Er und seine Freunde waren in Sicherheit. „Was ist…Heer?“
"Die Legion hat sich auf Garnisonen flussaufwärts verteilt. Einige begleiten uns und die anderen Verwundeten nach Süden, andere wurden ausgesandt, herauszufinden, ob die Dämonen auch die anderen Wege über das Gebirge durchbrochen haben.“ Mühevoll nickte Jinda. Das waren alles schlechte Nachrichten, aber unerwartet Gute in einem Krieg der von Massakern nur so strotzte. Er fühlte die Müdigkeit wieder in sich hochsteigen. Bald würde er wieder zu schwach sein, mit dem Mann zu reden. Ein Hauch eines Lächelns flog über seine Lippen. „Grüßt…Freunde.“
Der Mann neben ihm stieß einen grunzenden Laut aus, der sowohl Ungeduld als auch Überraschung ausdrückte. „Eure Freunde wurden schon seit einer Woche nicht mehr gesehen. Einer der Boten erzählte mit, sie seien in dringender Mission nach Norden gezogen.“
Jindas gequälter Aufschrei ließ die Pferde scheuen und die Vögel in weitem Umkreis aufflattern, aber vor allem sorgte er dafür, dass Jeel, über hundert Meilen entfernt besorgt nach Süden schaute und bitterlich Tränen vergoss.

Gorn mit der Axt
08.03.2005, 16:31
Die kleine Gruppe von elf Männern und zwei Frauen zog sich gleich einem Band durch die dürre Ödnis der weiten Steppe von Kaloras. Logan hatte sich zuerst gewundert, dass der Truppe von Leibgardisten auch Frauen angehörten, aber bald aufgehört, an ihren Fähigkeiten zu zweifeln, die sich im Einsatz denen der Männer als ebenbürtig erwiesen.
Schon vier Tage streiften sie durch dieses vom Krieg und Hunger geprägte Land. Kaloras war eines der ältesten Reiche des Südens und war stets geheimnisumwittert und still gewesen. Es war beherrscht vom großen Sumpf, einem gewaltigen Moor, das sich vor siebenhundert Jahren aus der heißen Wüste gebildet hatte, als durch die Erschaffung des Walls die großen Flüsse des Grenzgebirges nach Süden umgeleitet wurden. Seit damals zogen sich die Ströme unter der Sonne daher, um entweder im erbarmungslosen Sand der Wüste zu vergehen und dem Sumpf so neues Land einzuverleiben, oder den langen Weg zu überstehen und sich weit im Süden nahe der Hauptstadt mit dem Durangar zu vereinigen. Schon vor der Invasion hatten wir nur wenige Menschen gelebt, doch nun wirkte das Land wie ausgestorben, seit der Grenze hatten sie nicht mehr als eine Handvoll Reisende und Hausierer getroffen, die alle auf dem Weg nach Süden waren, auf dem Weg in das noch sichere Gordianische Reich.
Das Wenige, was er über Kaloras gehört hatte, wusste er von betrunkenen Soldaten oder aus längst überholten Schriften, aber es genügte, ihm das Wesen dieses von Jehran verlassenen Gebietes vor Augen zu führen, als er das erste den ersten Schritt über den feinen, trockenen Sand der Wüste tat.
„Mylord, diesen Weg solltet ihr nicht einschlagen.“ Logan vernahm die raue Stimme eines der Soldaten und verhielt im Schritt. Er blickte erst auf den dunkelhäutigen Legionär, dann auf den Boden vor seinen Füßen, der sich in keiner Einzelheit von den endlosen Meilen rings umher unterschied. „Warum nicht?“
Statt einer Antwort zog der Soldat sein Schwert aus der Scheide und warf es gleich einem Speer, Logan direkt vor die Füße. An dieser Stelle verschwamm der Sand kurz vor seinen Augen, dann färbte e sich rot. Zufrieden und grimmig grinsend nahm der Krieger seine Klinge wieder auf, an dessen Ende ein kleines Tier steckte.
„Ein Akhat.“ Belehrte er Logan. „Eine Ätherschlange. Sie bedeckt ihren Körper mit Sand und tränkt diesen mit ihrem Gift.“ Mit einem kurzen Ruck riss er den Leib vom blutigen Stahl seiner Waffe und zeigte Logan die acht schmalen mit Gift Kanäle auf ihrem Rücken. „ Lasst euch nicht täuschen, Mylord, in dieser Wüste ist nichts, was es zu sein scheint. Dieses Tier hat keine Klauen und keine Zähne, doch sein Ätzgift ist das Stärkste, das wir kennen. Es hätte sich in Sekundenbruchteilen durch eure Sohlen gebrannt.“ Logan erbleichte ein wenig. „ Dann habt dank für euren schnellen Rat. Ich hoffe, dass ihr mir in den nächsten Wochen noch oft zur Seite stehen werdet.“ Der Soldat verneigte sich steif und machte sich schnell auf den Weg zum Ende der Gruppe. Logan schaute ihm sinnend hinterher und blickte sinnend auf die breite Narbe auf seinem Gesicht, die sich von seinem rechten Mundwinkel bis zur Schläfe hin zog. In seinem Rücken hörte er die tiefe Stimme Drogans.
„Ihr habt unseren Späher also schon kennen gelernt.“ Aus seinem Mund klang es eher nach einer Aussage als nach einer Frage. „Allerdings. Er scheint ein guter Mann zu sein.“ Drogan lachte amüsiert. „Alle meine Männer sind gute Männer, von den Frauen mal abgesehenen und auch die solltet ihr besser nicht unterschätzen!“ Zögernd und wesentlich leiser al der Offizier stimmte er in das Gelächter ein. „Solos ist in diesem Land geboren worden, deshalb habe ich ihn ausgewählt. Nur wenige überleben hier lange genug, um das Land gut kennen zu lernen. Er ist einer von ihnen, vielleicht der Beste; ein Sandläufer, ein Beduine, das ist er.“ Noch einmal lachte Drogan grollend, dann rückte er sich den Kriegshammer zurecht und wandte sich wieder seinen Leuten zu.
Er hob den Arm und dazu zwei Finger, ohne weiteres Kommando schlossen sich zwei der Leibgardisten dem Späher an und traten hinter ihm auf den heißen Sand, erst dann folgten die anderen, die sich um Logan herumpostiert hatten und Drogan direkt hinter ihm.
Und obwohl er dem Darbors Urteil über die Männer vertraute, war er unsicher, ob ihn diese gewaltige Waffe in seinem Rücken ihn nun beruhigen oder verunsichern sollte.
Einiges an Selbstsicherheit hatte er gerade eingebüßt, es ist nur schwer vorstellbar, wie sehr die Erfahrung einen Mann erschüttern kann, schon mit dem ersten Schritt auf tödliche Gefahren zu stoßen.
Er blickte zum Horizont. Er stöhnte. Vor ihm lagen noch etliche Tausend Schritte, die ihn von seinem Ziel trennten.

Gorn mit der Axt
11.03.2005, 17:36
Der Sturm brachte das kleine Schiff zum erbeben.
Die Planken knarrten wie ein Chor Gemarterter und die Taue und Segel waren so stark gespannt, dass der Wind pfeifend an ihnen entlang pfiff.
Und tief unten im Bauch des Schiffes saß Jeel in ihrer Kabine und fragte sich wie sie in diese Lage hatte geraten können.
Zu Beginn ihrer Reise, es kam ihr schon vor, als sei es einige Jahre her, statt der wirklichen sechs Tage, hatte sie sich in Begleitung ihrer Wachen an die Küste begeben. Hart war es gewesen, sich durch das von Krieg erstarrte Land zu kämpfen und noch schwerer bei den Horden von panisch flüchtenden Bürgern dieses Schiff zu erhalten.
Selbst mit allem Gold und Siegeln des Königs hatten sie keinen Seemann finden können, der bereit war sie gen Norden zu segeln. Deshalb war es ihr wie ein Wunder erschienen, wie ein Wink des Schicksals, dass sie am zweiten Tag ihrer Suche Lerfan über den Weg gelaufen war und dieser tatsächlich einen Kapitän hatte auftreiben können, der sich auf dieses ungeheuere Wagnis einließ.
Jetzt, im Nachhinein, erschien es ihr eher wie ein böser Fluch, dass sie ihren Freund wieder gesehen hatte.
Der Kapitän, an den er sie verwies war ausgerechnet Sadrax der Düstere, jener Seemann, der schon zu seinen Lebzeiten Legende war. In ihrem behüteten Leben in Caladar hatte sie nie Geschichten über ihn vernommen, aber in den Kaschemmen der Hafenviertel hatte war sie in den letzten Tagen nur über die Invasion der Nordländer mehr reden hören als über diesen Mann.
Man sagte er sei ein Kind eines Nordländers, mit einem Schiff „Schrei des Meeres“ in den Süden gebracht.
Man sagte er habe auf seinen Freibeuterfahrten mehr Beute gemacht als die Könige mit ihren Flotten.
Man sagte er nehme sich zu jeder Fahrt eine neue Crew an Bord, weil er mit seinem eigenen Messer jeden tötete, der eine seiner tollkühnen Fahrten überlebte.
Man sagte seinen Beinamen verdanke er seiner Liebe für die dunklen Künste und er sei ein Sohn des Urorkon selbst.
Und doch fanden sich ständig weitere Narren, Abenteurer und verzweifelte, die sich auf das Geschäft mit ihm einließen. Mit einer Mischung aus Furcht und Ekel hatte sie mit ansehen müssen, wie sich die Menschen in den Elendsvierteln darum gerissen hatten, unter dem verruchten Mann zu dienen. Denn er brachte ihnen Gold.
Was auch immer er mit den Männer anstellte, die er mitnahm, für jeden toten Seemann, der mit ihm hinausgefahren war, brachte er seiner Familie seinen Lohn mit zurück, zehn Silbermünzen für jeden Tag in Angst, den sie unter ihm ertrugen.
Wieder fragte sie sich, welche gottvergessene Neigung sie und Teldor dazu gebracht hatte, das Angebot des Düsteren anzunehmen.
Doch Jeels Angst vor Sadrax war nicht größer als ihre Furcht vor Teldor. Der Kommandant ihrer Truppe war ein gefährlicher Mann, ein gerissener Mann. Wie Darbor berichtet hatte, schien er mehr zu sehen als andere, denn als sie ihm das erste Mal in die Augen geblickt hatte, sah er alles, was es in und an ihr gab, seine eigenen Augen dagegen waren nicht mehr als spiegelnde Flächen, dazu gemacht jede menschliche Regung zu verbergen, wie geschaffen, um die Geheimnisse ihres Trägers zu bewahren. Es waren tote Augen.
Doch Jeel war ein freundlicher, aufgeschlossener Mensch. Ein Mann wie Teldor hätte sie verwirrt, beunruhigt, aber nicht erschreckt. Jeel war klar, sie hatte nicht Jindas Kenntnis der Dinge, nicht Thimris klaren Verstand, nicht Logans … Jeel lachte leise. „Was auch immer“ dachte sie. Aber sie war ein Mensch, der wusste, was in anderen vorging, und als sie sah, wie ihre Brüder mit ihren Wächtern hinter dem Horizont verschwanden war aus dem Verdacht in ihrem Herzen Gewissheit geworden: Einer von ihnen Dreien lief mit einem Verräter.
Mindestens einer...

Gorn mit der Axt
14.03.2005, 18:09
Zur gleichen Zeit, zu der Jeel diese beunruhigende Erkenntnis erlangte marschierte Thimris mit dem Keras Sibril nach Norden. Schon vor Tagen hatten sie sich von den anderen getrennt, erst von Jeel, wenig später von Logan und jedes Mal war der Abschied schmerzlich gewesen.
„Kommt, Herr, unser Ziel ist nah!“ Eine kurze, desorientierte Sekunde wähnte Thimris sich schon am Ziel, bis ihm wieder einfiel, dass der alternde Offizier nur ihr nächstes Nachtlager meinte. Er hatte es auch bitter nötig.
Die Mission war eilig und die Wachen gehörten der besten Truppe der gesamten Leibgarde an. Mit ihnen schritt zu halten, verlangte ihm viel ab. Schon jetzt konnte er spüren, wie sein Schritt kürzer wurde, seine Spuren länger. Er sah sich um.
Hier, weit im Norden von Westmarkor, war das Land wieder bergig und schwer zu begehen, außerdem mussten sie ununterbrochen auf Gruppen der Dämonen achten. Anders als im Osten, in Markor war hier die Front nach nicht nach Süden gewichen, immer noch tobten die Kämpfe zwischen den ansässigen Fürstentümern und den Dämonen. Auch wenn das Heer besiegt und geflohen war, hatten sich viele Adlige mit ihren Dienern und Soldaten verschanzt, so dass es nun zu kleinen Scharmützeln und Angriffen kam, zu Triumphen und Massakern beider Seiten, da auch die Nordländer hier nur wenig Kämpfer hatten.
Sie versuchten, so schien es Thimris , direkt zur Hauptstadt vorzustoßen um den einzig ernsthaften Feind, die Legion des Hochkönigs, zu vernichten, die einzelnen Teilstaaten konnten ihnen dann nicht mehr gefährlich werden. Resignierend schüttelte er den Kopf. Viel zu schnell und überraschend hatte sie der Schlag des Feindes getroffen, schon nach den ersten Wochen des Krieges schien ein Sieg des Imperiums ausgeschlossen.
Den Spuren der anderen folgend, vier der Leibwachen ständig an seiner Seite, erreichte er bald das Nachtlager, von dem Sibril gesprochen hatte.
Tatsächlich war es eine alte Festungsanlage, von den Nordländern fast geschleift und halb zerfallen. Er konnte sich nicht vorstellen, dass die Nordländer sich die Mühe machen würden, diesen Trümmerhaufen zu besetzen.
Doch das alte Gemäuer belehrte ihn eines Besseren. Das Erdgeschoss war wie erwartet ein Chaos durcheinander liegender Trümmerstücke, aber bald hatten die erfahrenen Späher den Schlüsselring einer Falltür im Fußboden entdeckt, den drei Männer der Garde in einer gemeinsamen Anstrengung aufstemmten.
Der Raum darunter war staubig, einige Holz und Metallteile lagen auf dem mit Binsen bestreuten Steinboden herum, doch er war unbeschädigt.
Überrascht wandte sich Thimris an Sibril. „Woher wusstet ihr das?“ Der grauhaarige Veteran gönnte sich ein verhaltenes Lächeln. „Männer wie ihr und Teldor haben ihre Magie, Darbor und Drogan haben ihre Stärke und ihren Mut. Ich dagegen habe nur meine Schnelligkeit und meine Erfahrung, und damit bin ich immer gut gefahren.“ Er fasste Thimris am Arm und führte ihn zielsicher durch einen Gang nach Norden, bis sie in einem kleineren Raum auskamen der früher den Wachen als Quartier gedient haben könnte. An den Wänden standen Hölzerne Betten auf denen vermodernde Decken verstreut lagen.
„Ich diene nun schon seit langer Zeit in der Armee, länger als irgendeiner der anderen hier. Deshalb war ich auch an diesem Ort, damals, als der alte Reginslaf, der Vater Rians gekrönt wurde. Dieser Ort hier war früher der Stammsitz seines Hauses, bevor der Prinz ihn verließ und nach Markor umzog, um die Regierung von seinem Vater zu übernehmen. An dieser Festung ist einiges mehr, als die Nordländer auch nur ahnen können.“ Thimris schaute ihn fragend an. „Wie meint ihr das?“
Zur Antwort schlug Sibril mit dem Knauf seines Schwertes gegen den untersten Mauerstein neben ihm. Es pochte dumpf. „Gänge. Diese Festung ist löchrig wie ein Kaninchenbau, viele von Rians Vorfahren waren vorsichtige Leute und die Zeit hat gezeigt, dass man damit nie falsch liegen kann. Einer der Fluchttunnel führt nach Nordwesten, bis zu Schloss Garan.“ Er bemerkte Timris verständnislosen Blick. „Das ist das letzte menschliche Bauwerk, das wir vor den Bergen zu sehen bekommen werden.“ Er steckte seine Waffe wieder ein. „Ruht euch nun aus, Herr, morgen werden wir lange und schnell unterwegs sein, die Gänge unter diesem Gestein scheinen frei von Feinden zu sein, deshalb können wir einiges an verlorener Zeit wiederaufholen.
Mit einem leisen Lachen setzte der Mann sich auf einen dreibeinigen Schemel und ölte sein Schwert. Sein Klerek hatte er während der Reise noch nicht aus den Scheiden auf dem Rücken hervorgeholt, doch auch der einfachere Säbel der Kavallerie leistete ihm gute Dienste.
Die Stunden schritten voran.
Thimris war bereits eingeschlafen, da war aus einem der Tunnel ein leises Kratzen zu hören, ihm folgte ein flüsterndes Zischen; dann herrschte wieder vollkommene Stille. Er bemerkte nichts davon, doch Sibrils Klinge lag die ganze Nacht blank neben seinem Arm.

Gorn mit der Axt
16.03.2005, 18:16
In den Morgenstunden des zehnten Tages ihrer Reise hatte sich das Meer endlich beruhigt. Die vorher aufgewühlte See hatte sich in eine triste Ödnis verwandelt.
Kapitän Sadrax hatte den Matrosen befohlen zu rudern, denn schon den ganzen Vormittag hatte sich kaum ein Windhauch geregt. Aber auch die gemeinsame Anstrengung der zweiundzwanzig starken Männer hatte sie kaum weiter vorwärts gebracht; die große, zweimastige Galeere zog ihr Fahrwasser wie ein winziges Rinnsal hinter sich her.
Mehr von Rastlosigkeit denn eines triftigen Grunds ging Jeel ans Deck. Sie fürchtete die Begegnung mit Sadrax.
Bisher war sie ihm nur zweimal begegnet, aber schon das hatte ihr genügt, sich vom Kapitän den Eindruck eines hartherzigen, seelenlosen Piraten zu machen.
Das erste Mal, am Hafen war er noch galant und freundlich gewesen, aber zwei Tage später auf offener See hatte sie nur die ständige Präsenz ihrer Wachen davor bewahrt, dass der finstere Mann zu aufdringlich wurde.
Sie wusste nicht, was es war, dass sie an diesem Mann so sehr erschreckte. Vielleicht war es die Tatsache, dass er keine Furcht zu empfinden schien. Als Teldor mit drei seiner Männer in der Tür erschienen war, sie an die Wand gedrückt und den Kapitän über sie gebeugt, hatten sie schnell blank gezogen.
Doch Sadrax hatte sie weder angegriffen, noch sich den Männern ergeben. Still und teilnamslos, als sei die ganze Szene für ihn nicht von belang, schob er sie zur Seite auf ihre Leibwachen zu, griff sich eine Seekarte vom Tisch und trat hinaus zu seinen Männern.
Jeel versuchte sich zu erinnern.
Sie hatte schon viele Männer kämpfen sehen, einige in den ersten Jahren ihres Lebens, in den letzten Wochen ihres Lebens mehrere Tausend.
Jeder einzelne von ihnen schien etwas Besonderes beim Kampf empfunden zu haben, mancher hilflose Wut, anderer Hass auf den Feind. Einige Verzweifelte hatten sich mit einem Gebet auf den Lippen in die Waffen ihrer Feinde gestürzt, weitere noch gekämpft, als ihre Gesichter nichts zeigten als Schmerz, weil ihr Körper schon zerrissen war.
Einem war sie begegnet, einem großen Schwertmeister, der gegen einen jungen Mann im Duell fechten musste, doch als der Junge schnell und ohne Schmerzen verstarb, hatte sie in seinen Augen nur Mitleid und Trauer erblickt.
Aber noch nie in ihrem Leben hatte sie jemanden gesehen, der im Kampf nichts fühlte.
Jeel schauderte, als sie über die möglichen Gründe nachsann.
In derselben Nacht waren eben jene drei Männer über die Reling gegangen, waren in den tiefen Wassern versunken und nicht gefunden worden. Jedem an Bord war klar, was geschehen war, doch auch als die Messerspitze Teldors sich am Hals des Düsteren blutigrot färbte, hatte dieser nicht geblinzelt, nicht gezuckt oder geschrieen, bis selbst der ewig ruhige und überlegene Teldor die Fäuste ballte und fluchend hinausstürmte.
Sadrax hatte ihnen seine Überlegenheit demonstriert.
Nun waren sie diesem Mann ausgeliefert.
Und niemand an Bord des Schiffes wusste, wie lang die Fahrt dauern würde.

Gorn mit der Axt
17.03.2005, 18:44
Mit einem quatschenden Geräusch versank der Huf des Pferdes im Sand. Die ausgelaugten Soldaten stöhnten auf.
Seit der Wüstenmann Solos bei Tagesanbruch des letzten Tages verschollen war, hatten sie niemanden, der sie vor den Fallen und Tücken dieses Landes bewahrte. Einen der Männer hatte der Stachel eines Skorpions am Fuß erwischt, so dass er nun stöhnend an seinem Reittier festgeschnallt werden musste, ein weiteres Pferd war in ein Nest kleiner Ätherschlangen geraten. Die kleinen Ahkats hatten sich mit hungrigem Appetit auf das frische Fleisch gestürzt und dank ihrem Gift, mit dem sie die Opfer töteten und lähmten, in wenigen Minuten nicht mehr gelassen als die bloßen Knochen, die durch die Säure gereinigt nun über den matten Sand glänzten wie poliertes Elfenbein.
Und immer wieder trafen sie auf Treibsand.
Die Männer umfassten zu mehreren die Zügel des Tieres, doch als es ihnen nach Minuten der Anstrengung endlich gelang, war der Knöchel des Pferdes von einem langen bösartig aussehenden Knochensplitter durchbohrt. Der Besitzer des Tieres senkte den Kopf und zog seine Waffe. Betroffen blickte auch Logan zu Boden und schloss die Augen, als das eigenartig weiche Geräusch auf seinen geplagten Geist eindrang.
Logan hörte sie spekulieren, ob der Beduine sie wohl absichtlich hintergangen hätte, aber er wusste, dass Drogan dem hageren Mann mit der Narbe vertraute und er wiederum vertraute seinem Beschützer, deshalb betete er, dass Solos sich nur verwirrt hatte und nichts Schlimmeres geschehen war. Doch das war unwahrscheinlich, wenn die er sich wirklich so gut hier auskannte, wie behauptet wurde.
Als sich seine Lider wieder hoben blickte er auf den ewigen Sand zu seinen Füßen. Auf seinem durchgelaufenen Stiefel prangte ein frischer Tropfen dunkelroten Blutes.
Mit einem schweren Seufzer drehte er sich auf dem Absatz um und stieg wieder in den Sattel.
Drogan hatte den Platz im Rücken seines Herren nicht verlassen, obwohl man sehen konnte, dass die beständige Hitze und dauernde Wachsamkeit an seinen Reserven zehrten. Schon seit Tagen hatten sie kaum noch Wasser gefunden, ohne die Fähigkeiten des Wüstenmannes konnten sie nicht erwarten ihre kargen Vorräte auffüllen zu können.
Logan drückte die Schenkel zusammen und ritt neben Drogan.
„Herr?“ Die tiefe Stimme war heiser und starr vor Trockenheit.
„Sagt mir Drogan, welche Chancen haben wir ohne Solos durch die Wüste zu kommen?“ Der große Mann lachte keuchend auf. Die Männer warfen ihm scheele Blicke zu. „Ihr müsst nicht befürchten, dass eure Suche in dieser Einöde endet, Herr. Schon andere durchquerten dieses Land ohne die Hilfe eines einheimischen Führers. Seine Fähigkeiten haben mich überzeugt, diesen Weg einzuschlagen, aber auch so werden wir es schaffen. Aber es wird schwieriger werden.“ Die letzten Worte klangen unheilsschwanger.
Logan war zu müde, wirklich überrascht zu sein. Lustlos hob er eine Braue und fragte. „Wie kann es denn noch schwerer werden?“ Sofort wurde Drogan sachlich. Logan war in ihrer gemeinsamen Zeit dieser Wechsel schon aufgefallen. Drogan war zwar rau und ungehobelt, die übliche Söldnerseele könnte man meinen, aber auf der anderen Seite dieses Mannes verbarg sich ein ernstzunehmender strategischer Intellekt, von einer instinktiven, kämpferischen Schlauheit. Er trat jedoch immer nur zu Tage, wenn er in Gefahr war, zumindest soweit Logan es bemerkte, vielleicht lag es daran, dass seine Kameraden ihn unterschätzten.
„Ich habe mir heute Nacht die Sterne und Karten betrachtet. Wenn sie stimmen haben wir etwa ein Drittel des Weges durch die Wüste hinter uns. Das folgende Stück wird das heißeste und unbarmherzigste. Diese Wüste hat Verständnis für keine Art der Schwäche. Ich bin zuversichtlich, dass wir es bis zu den Sümpfen schaffen, aber wie es mit den anderen aussieht… Einige werden bestimmt hier verweilen und unserer Rückkehr harren.“
Rasch hob Logan die Hand, doch Drogan schüttelte mit einem zugleich frechen wie abgekämpften Grinsen den Kopf. „Die Männer wissen, wie es um uns steht. Ich würde nicht versuchen, es vor ihnen zu verheimlichen.
Jeder von ihnen hat mindestens drei Jahre in der Armee gedient, bevor er auch nur für die Leibgarde vorgeschlagen wurde. Sie wussten, worauf sie sich bei diesem Auftrag einließen.“
Mit lahmen Muskeln hob Logan die Hand an die Stirn und wischte sich den Schweiß ab. Die Hitze machte seinen Verstand merkwürdig träge. Auch die weite, helle Kleidung der Wüstenbewohner, die Solos ihnen besorgt hatte, bevor er verschwand, brachte ihm keine Erholung.

Gorn mit der Axt
21.03.2005, 18:52
Als er den Schatten zu neben ihm sah, wusste er ihn in seiner Erschöpfung nicht einzuordnen. Dann blickte er den Soldaten an, der sich dort in den heißen Sandboden gekniet hatte. „Bei Jehran, steh auf, hier ist es heißer als im Rachen eines Drachen und du rollst dich auf dem Boden herum.“
Die umstehenden Männer lachten leise und der junge Mann errötete. Mühsam erinnerte Logan sich. Terz Poneson, so lautete der Name des Soldaten.
„Was willst du?“ Der Krieger der Leibgarde stand mit einer fließenden Bewegung auf, um die er ihn beneidete, dann passte er sein Tempo dem langsamen Trab des Pferdes an.
„Herr, ich weiß, es ist mir nicht erlaubt, euch diese Frage zu stellen, aber viele der Männer in der Armee haben über euch und eure Freunde gesprochen und über eure Fähigkeiten. Sie sagten, ihr könntet euch verwandeln, in was immer ihr wollt.“ Die Augen des Mannes glänzten und Logan wurde unbehaglich zu Mute. Das Thema beunruhigte ihn. Er hieß Poneson weiter zusprechen. „Herr, die Reise bemüht euch ebenso sehr wie uns. Warum nutzt ihr nicht eure Kraft, die Jehran euch gab, um die Wüste zu bezwingen. In anderer Gestalt könntet ihr sie in wenigen Tagen hinter euch bringen. Logans Blick verfinsterte sich und der junge Soldat trat in unterwürfiger Haltung einen Schritt zurück, doch er langte von oben nach seinem Arm und hielt ihn bei sich.
Er senkte seine Stimme. „Ich verbleibe nie länger in einer Gestalt, die nicht die meine ist. Sag mir, Terz Poneson, was denkst du, wie es ist ein Tier zu sein?“ Die Augen des Mannes zuckten nervös hin und her, doch ein Hauch des früheren Glanzes verblieb. „Ich stelle es mir wundervoll vor. Ich habe als Kind oft davon geträumt, als Wolf oder Bär die Wälder zu durchstreifen, unerschöpflich, unaufhaltbar. Oder sogar als Falke oder Adler am Himmel zu kreisen. Es gibt kaum etwas, das ich mir mehr wünsche, als diese grenzenlose Freiheit.“ Logan war überrascht. Der Mann sprach wie ein Kind, voller Kraft und Überzeugung. Er wusste anscheinend wirklich nicht, wovon er sprach.
„Nun Terz, alles was du gesagt hast, mag stimmen und noch einiges mehr, von dem du nichts ahnst, aber nur in den ersten Augenblicken. Minuten später fühlst du, wie dein Empfinden für den Hunger, die Instinkte des Tieres immer stärker wird. Nach einigen Stunden beginnst du dich auch zu fühlen wie ein Tier. Die Welt der Menschen erscheint dir seltsam unwirklich, als sei es mehr eine ferne Erinnerung, mehr Traum denn Realität.
Du siehst Gesichter in der Schlacht und weißt, dass du sie kennen müsstest, doch ihre Namen und Worte bleiben dir fremd. Wenn es so weit ist, ertrage ich es nicht länger. Zu diesem Zeitpunkt verwandle ich mich immer zurück.“ Logans Stimme war zu einem heiseren Flüstern herabgesunken. Die des Kriegers wirkte eher aufgelöst. „Und wenn ihr euch nicht zurückverwandelt?“ Die Finger, die sich nur noch lose um den groben Stoff seines Umhangs gelegt hatten, griffen nun wieder hart zu. „Du verlierst dich. Du behältst die Kraft des Bären, die Wildheit des Wolfes und die Schwingen des Adlers, doch alles andere verlierst du. Und dann fragst du dich, ob es das wirklich wert war. Was glaubst du, was nach Tagen geschieht?!“ „Gibt es Probleme, Herr?“ Die breite Gestalt Drogans näherte sich ihnen und verdunkelte einen Augenblick die Sonne. „Gibt es Probleme, Herr?“ wiederholte er. Herrisch schüttelte Logan den Kopf und wies den Mann an seinen Platz zurück.
Als er außer Hörweite war, sprach der Soldat langsam weiter. „Es war immer mein größter Traum, eines Tages zu fliegen. Mein Vater nannte mich einen Träumer.“ Logan fuhr sich durch die Haare. „Träumen ist das schönste, was ein Mensch tun kann, denn er sieht im Traum an jeder Sache stets nur das Gute. Aber glaub mir, du würdest traurig leben, wenn du hier und heute gezwungen wärst, die Erde gegen die Weiten des Himmels einzutauschen.
Eine Sekunde lang hielt die Vertraulichkeit zwischen Herr und Wächter noch, dann riss Terz Poneson sich los und ging mit langsamen Schritten an die Spitze der Gruppe zurück.
„Und dennoch werde ich eines Tages fliegen. Er hat es mir versprochen: Eines Tages werde ich fliegen.“
Niemand hörte seine Stimme.
Aber auch wenn sie jemand vernommen hätte, es hätte nichts geändert.

Gorn mit der Axt
23.03.2005, 18:10
Sibril spitzte die Ohren und hielt den Atem an, um in der weiten Stille um sich nach Geräuschen zu lauschen. Er meinte etwas gehört zu haben, ein leises Scharren in einem der Gänge vor ihnen, war sich aber nicht sicher. Gleichzeitig war er überzeugt genug von sich selbst, dieses Geräusch keinem Irrtum zuzuschreiben.
Langsam drehte er sich um und legte den Zeigefinger der rechten Hand auf den Mund, mit der anderen wunk er die Männer weiter.
In den letzten acht Tagen, in denen sie in der Dunkelheit der Gänge gen Norden, zur Feste Garan, geirrt waren, hatten sie keinen Mensch zu Gesicht bekommen und auch von den neuen Beherrschern des Grenzgebirges, den Nordländern und Dämonen hatte sich keiner gezeigt. Sibril war zu erfahren, die Lage in der das Imperium sich befand, falsch einzuschätzen. Die Nordländer hatten mehr und bessere Kämpfer, über kurz oder lang würden sie die Truppen des Hochkönigs besiegen. Doch er war kein Verräter. Auch wenn es in seiner Vergangenheit einen Punkt gegeben haben mochte, an dem ihn nicht viel davon getrennt hätte, war er nie zur anderen Seite übergelaufen und er hatte jetzt nicht vor, damit anzufangen. Die Mission, mit der der Herrscher sie betraut hatte war zu wichtig. Mehr noch als um sie sorgte er sich um die anderen beiden Gruppen. Teldor und Drogan mochten Jahre im Krieg gekämpft haben, aber für einen Veteranen wie ihn waren sie noch halbe Kinder.
Sibril machte sich nervös von diesem Gedanken los und umfasste gedankenversunken das angelaufene Amulett, das um seinen Hals hing. Diese alten Gänge brachten ihn auf unangenehme Weise in die Vergangenheit zurück.
Vielleicht war es doch ein Fehler gewesen, sich in die Stollen zurückzuziehen, die sich unter der alten Festung erstreckten. Zu lange war schon kein Mensch mehr auf diesen Wegen gewandert, die Männer, die ihn einst begleitet und in die Geheimnisse dieses Labyrinths eingeweiht hatten, waren schon vor Jahren zu Staub vergangen, ihre Schwerter und Rüstungen verrostet. Er wusste nicht, ob er der einzige war, der das alte Wissen der Burg noch kannte, aber jeder andere von dem er Kenntnis gehabt hatte, war inzwischen verstorben.
In den Tagen, als er Rekrut und später als junger Offizier über den steinernen Boden gewandert war, hatte noch Reginslafs Bruder das Kommando über die Feste Garan, die damals noch über eine vollständige Garnison verfügte, bevor sie zuerst zu einem reinen Außenposten degradiert und schließlich aufgegeben wurde.
Doch er war schon lange Tod, dem roten Tod zum Opfer gefallen, wie man die Blutpest in Markor nannte. Vor sechzehn Jahren hatte sie sich gleich einem Teppich über das Land gelegt. Viele waren gestorben.
Sinnend drehte er die patinierte Bronzescheibe in seinen Händen. Viele waren gestorben, oh ja! Ein trockenes Lachen entstieg seiner Kehle.
Oberst Kieron der Blutpest zum Opfer gefallen, ebenso wie sein eigener Vorgesetzter, Hauptmann Jeros Darbor, der Onkel des Bullen, wie die Männer der Leibgarde ihren Anführer im Scherz nannten.
Leutnant Harbich und Skellor, beide im letzten Krieg gegen die Eremäer getötet, als sich die Aufrührer im Westen wieder geregt hatten.
Korporal Derk und Quirers Draken, die beiden Zwillingsbrüder, waren die ersten gewesen, noch begraben, als die Feste in ihrer letzten Belagerung diente.
Nur er war übrig.
Er schüttelte den Kopf. Er fragte sich, was die Männer von damals denken würden, wenn sie wüssten, dass ausgerechnet er noch lebte, der bei der letzten Schlacht faul in der Zelle gelegen und seine Strafe abgesessen hatte.
Oh, wie würden sie fluchen! Er schritt hinter den anderen her in die Finsternis und sein Lachen war für lange Zeit das Einzige, was ein die Stille des Ortes störte.

Gorn mit der Axt
27.03.2005, 15:22
10. Vormarsch gen Norden

Teldor brütet in der Dunkelheit seiner Kabine.
Der Seegang machte ihm mehr zu schaffen, als er zugeben wollte. Der Sturm, der sie von Südwesten her gegen die Klippen des Verbotenen Reiches trieb, war der heftigste, den er bisher auf einem Schiff erlebt hatte und das waren nicht wenige. Aber wenn er wieder an Deck ging musste er stark und unerschütterlich wirken. Wenn auch nur einer von ihnen auf dieser Fahrt Schwäche zeigte, würden Sadrax Männer keine Skrupel haben über sie herzufallen. Vielleicht war das seinen drei Männern zum Verhängnis geworden.
Es war ein Fehler gewesen, diesem Sadrax zu vertrauen. Er wunderte sich. Sonst war es nicht seine Art, Fremden zu trauen, noch dazu wenn er spürte, wie gefährlich diese Fremden waren.
Aber er hatte noch anderen Grund zur Sorge.
Nach dem, was er sich aus den kurzen Gesprächen mit dem Düsteren und seinen eigenen ungenauen Berechnungen gefolgert hatte, waren sie inzwischen auf der Höhe des Grenzgebirges, etwa gleich weit von der Küste Kerors und des Verbotenen Landes entfernt. Demnach konnten sie jederzeit auf Feinde treffen. Die Dämonen hatten schon mehrmals klar gemacht, wie wenig sie die Seemacht des Imperiums schreckte, im Wasser konnten sie ihnen noch weitaus weniger Widerstand leisten als an Land.
Er wäre wesentlich zufriedener gewesen, wenn er gewusst hätte, wie weit der Feind in die südlichen Reiche vorgedrungen war. Auch genauere Kenntnisse über das Verbotene Reich würde er willkommen heißen, aber man hatte ihm bereits deutlich klargemacht, dass mit weiterer Hilfe nicht zu rechnen war. Er dachte daran zurück.
Am Tag vor der Auswahl durch den Bullen war er von diesem riesigen Mystiker, diesem Ziordan von Gordian, aufgesucht worden. Wie der Magier von der Entscheidung seines Vorgesetzten wissen konnte und ob er auch Sibril und Drogan besucht hatte, wusste er nicht. Aber die Worte des großen Mannes waren deutlich genug gewesen. Sibril Grauhaar hätte sie wohl als freundlichen Hinweis verstanden, der tumbe Drogan seine Axt geschwungen. Aber was sollte er davon halten? Er wusste wenig über diesen Mann. Zu wenig. Und er hasste es, einen Spieler nicht einschätzen zu können.
Oft genug hatte seine Stärke darin bestanden, mehr zu wissen, seine Überlegenheit hatte aus nicht mehr bestanden als aus der Kenntnis über die Schwächen seiner Feinde.
Doch der Einsatz in diesem Spiel hatte sich erhöht. Es waren viele Spieler eingestiegen, die er scheute und andere, die er auf Anhieb als tödlich einschätzte. Dieses Mal der Sieger zu bleiben mochte sich als schwieriger erweisen, als er erwartet hatte.
Teldor war schon immer ein Spieler gewesen, die Aufregung eines guten Duells war ihm lieber als ein Kampf mit dem Schwert, seine Waffen waren Geist und Verstand, in diesem Spiel war er ungeschlagen.
Doch langsam überlegte er ob es sich nicht anbieten würde, seine Taktik zu ändern.
Er war ein Spieler und wie jeder andere gute Spieler setzte er stets auf das beste Blatt. Welches das diesmal war, würde sich erst noch zeigen.

Gorn mit der Axt
29.03.2005, 18:02
Logan blickte in die Sonne. Die Hitze war mörderisch.
Zuerst hatte er Drogans Worte für übertrieben gehalten, aber er war bald eines Besseren belehrt worden. Die Temperatur der Luft stieg von Tag zu Tag, bald entschieden sie sich dazu nur noch in den frühen Morgenstunden und in der Dämmerung zu marschieren. Zuerst hatten sie es versucht sich bei Nacht, bei halbwegs erträglichen Bedingungen, durch die Wüste zu schleppen, aber schon nach wenigen Stunden hatten sie weitere Männer verloren, in der Dunkelheit waren sie einfach nicht in der Lage, den Gefahren der Wüste aus dem Weg zu gehen.
Der heiße Sand barg noch mehr Bedrohungen, als Logan sich nach den ersten Tagen ausgemalt hatte; fünf der Männer, ausgezeichnete Spurenleser, die die Gegend nach Feinden absuchen und den günstigsten Weg ermitteln sollten, waren spurlos verschluckt, nicht einmal ihre lauten Signalhörner waren zu hören gewesen. Am nächsten Tag hatten sie Waffen und Rüstungen der Späher gefunden, von den Männern jedoch fehlte jede Spur, als wären sie vom Sand verschluckt worden.
Jetzt waren sie noch zu sechst. Sie hatten sie wieder genug Pferde, so dass sie alle reiten konnte, aber die sengende Sonne und der glühende Sand war für die Tiere noch schwerer auszuhalten als für ihre Reiter, so schleppten sie sich nur in Schritttempo über die Dünen, die sich bis ans Ende ihres Horizonts erstreckten und nicht zu enden schienen.
Der trötende Ton von Drogans Horn ließ sie anhalten. Wegen des Wassermangels hatte zuletzt selbst der unverwüstliche Anführer der Gruppe auf laute Befehle verzichtet, so war es nun dieses Signal, das die Männer müde zum Anhalten bewegte und sie aus ihren Satteln scheuchte. Zusammen mit ihnen begann er die Lager zu errichten. Sehnsüchtig dachte er an die kühle Luft, die ihn im Schatten des Zeltes heute Abend erwarten würde, aber bis dahin hatte er genug damit zu tun, die Farben auf der rauen Schuppenhaut seines Wegweisers nach einem Hinweis abzusuchen. Wie bei seinen Geschwistern hatte das ledrige Stück Haut, das aus dem Umschlag des Buches gefallen war, nur für ihn geleuchtet. Aber mit dem Zauber dieses Moments war es nun vorbei. Seit Tagen rätselte er herum, wie ihm dieses Relikt dabei helfen sollte, den Ort zu finden, wo der große Splitter versteckt lag.
Er überlegte noch immer, als die Männer seiner Leibwache schon die Zelte hergerichtet und das Feuer geschürt hatten. Hier in der Wüste, weit ab von allen Feinden fühlten sie sich verhältnismäßig sicher; sie vermuteten, dass selbst die Dämonen darauf verzichten würden, diesen unwirtlichen Landstrich zu erkunden.
Nachdenklich stand er auf und entfernte sich unter Drogans aufmerksamen Blick einige Schritte von der Feuerstelle und verschwand hinter einer Düne. Sofort hörte er wie der Offizier sein Lager verließ und mit schweren Schritten, die auf dem trockenen Sand knirschten, auf ihn zukam. Dennoch blickte er nicht auf, als er den Umriss des großen Mannes vor sich erahnte. Seine ganze Aufmerksamkeit war auf den kleinen Fetzen Haut konzentriert, der vor seinen Augen sachte zu schimmern schien. Überrascht führte er die Hand bis dicht an sein Gesicht, doch er hatte sich nicht getäuscht. Die Schuppen hatten sich auf einer Breite von etwa einem Zoll bläulich verfärbt, als er sich langsam zu Drogan hin umwandte, leuchteten andere Schuppen auf, alte verloschen. So blieb der helle Streifen erhalten, der entgegen aller Logik Form und Richtung beibehielt und stur in Richtung Westen wies.
Die Erleichterung zeigte sich deutlich in Logans Gesicht und seine Wangen röteten sich. „Nun haben wir unseren Führer.“ Drogan lachte leise. „War dem Kleinen wohl zu hell, wie?“ Logan nickte nur stumm. Drogan schien keine Antwort zu erwarten, er stand ruhig da, während er seinen Gefühlen Platz machte.

Gorn mit der Axt
31.03.2005, 19:00
Logan war kein großer Führer, soviel Selbsterkenntnis hatte er auf ihrer Reise gelernt, und er hasste es Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu übernehmen. Stets bedrückte ihn die Angst, anderen durch seine Unwissenheit Schaden zuzufügen. Doch nun sah er den Weg ganz deutlich vor sich.
Noch drei weitere Tage musste die kleine Gruppe warten, doch das Wissen um die Richtung zu ihrem Ziel verlieh ihnen neuen Mut und machte ihre Schritte lang und sicher. Als dann am zweiten Tag die Temperaturen auf ein erträgliches Maß sanken und Keras Drogan sichtlich erleichtert eine zusätzliche Pause einlegen ließ, wussten alle, dass Wüste sie nicht mehr halten würde.
Auch am letzten Tag ihrer Wanderung durch die ewigen Sanddünen hielten sie ihren Marsch in der Nacht durch, aber als sich am nächsten Morgen die Sonne über den Horizont erhob, erblickten sie vor sich statt den stetig gleich bleibenden Sandbergen die sumpfige Moorlandschaft von Kaloras. Logan war von dem Anblick überwältigt. Als Ziordan ihm vom Ziel seiner Reise berichtet hatte, spukte in seinem Kopf die Vorstellung von einer unwegsamen und morastigen Wildnis herum, wie er sie mit seinen Freunden auf der Grenze zu Markor erlebt hatte. Hier aber wich die bedrohliche Finsternis dem hellen Halbschatten gesunder Bäume, die wedelnden Lianen und fettige Fanblätter bildeten hier bunte Wasserpflanzen und Seerosen.
Der offensichtlichste Unterschied jedoch war um einiges schwieriger zu erkennen und er selber hätte ihn wohl übersehen, wenn der Mystiker ihn nicht von den Besonderheiten des Landes Kaloras berichtet hätte.
Denn der Sumpf bewegte sich!
Ungläubig versuchte Logan sich die Worte des großen Magiers ins Gedächtnis zurückzurufen.
„Ihr, Logan ä Torbald, werdet in die gefahrvolle Wasserstraßen von Kaloras ziehen. Dieses Land ist voller Geheimnisse und dort haben Imperien Beginn und Ende gefunden, von denen heute nicht einmal unser Orden noch Kenntnis hat. Viele meinen es sei ein verwunschener Ort, erfüllt von alter Magie.“ In seinem Geiste zeigte Ziordan die ihm eigene spöttische Miene. „Sicherlich sind die Sümpfe von Kaloras kein angenehmer Ort, doch dort werdet ihr sicher sein vor den Angriffen des Feindes. In jüngerer Zeit war dort eine der bedeutendsten Pilgerstäten der Priestermagier, bevor die Tempelstadt von den herabfließenden Wassermassen verschlungen wurde. Keiner der Dämonen wird euch ohne triftigen Grund oder große Not an diesen Ort folgen, denn dort ist geheiligter Boden, auf dem mehr Gebete und Zaubersprüche gesprochen wurden, denn an jedem anderen Ort nördlich der Hauptstadt. Doch nicht die Nordländer sollten eure größte Sorge sein, vielmehr wird sich das Land selbst sich euch in den Weg stellen.“ An dieser Stelle war ihm das Blut aus dem Kopf gewichen, Ziordan hatte seine Furcht wohl bemerkt und war schnell daran gegangen ihn zu beruhigen. „Verzeiht mir meine irreführenden Worte, die Erde wird euch kein Leid zufügen, vielmehr ist es das Wasser, das euch auf euerer Suche behindern wird. Die Tempelstadt wurde in einer weitläufigen Ebene erbaut, in dessen Mitte sich ein großer Hügel erhob. Dort stand früher das Heiligtum, dessentwegen die Pilger sich in Scharen auf den Weg machten; ich denke auch, dass es euer Ziel auf dieser Reise sein wird. Doch alle Pfade dorthin wurden von den Fluten überspült, noch immer steht das Land durch den steten Zulauf aus dem Grenzgebirge meterhoch unter Wasser. Was euch in diesem Augenblick als Erdbrocken erschienen mag, die auf dem feuchten Untergrund umher treiben, sind in Wahrheit die Überreste der alten Holzhäuser der Tempelstadt. Noch heute ist diese Region eine Wildnis schwimmender Inseln und Pflanzen, wo man nie weiß, ob der Boden unter den Füßen feste Erde oder bloß ein Stück morschen Holzes ist.
Hütet euch, junger Torbaldson, nie ist auf dem heiligen Boden von Kaloras in böser Absicht Blut vergossen worden, aber dennoch ist es ein Ort, von dem auch die erfahrendsten und weisesten Abenteurer und Fahrenden nur mit dem Segen des Ersten Zurückkehren.“

Gorn mit der Axt
02.04.2005, 16:23
Als er auf dem Hauptdeck ankam, stand Sadrax neben seinem Steuermann und hielt sich ein Fernglas ans Auge.
Möglichst unauffällig folgte Teldor dem Blick des Kapitäns und schaute auf eine Gruppe kleiner Felsen, die sich als Ausläufer eines Riffs von der Steilklippe bis auf eine halbe Meile an ihr Schiff entlang zogen. Dort zeigten sich die ersten Teile der Küste des Verbotenen Reiches.
Die Haare an seinen Unterarmen stellten sich auf. Die kleinen Felsgrate, die dort so unscheinbar aus dem Wasser emporragten, wiesen auf eine Vielzahl ineinander verschlungener seichter Stellen und unterseeischer Erhebungen hin, die wohl nur bei Ebbe auftauchten und den hölzernen Rumpf ihres Schiffes mit spielerischer Leichtigkeit aufschlitzen konnten. Er drehte sich wieder zum Steuerrad herum, sah dort aber nur den ergrauten Steuermann.
Gleichzeitig hörte er hinter sich leise pochende Schritte auf den Holzplanken des Decks und verfluchte sich ob seiner Dummheit, den Kapitän nicht im Auge behalten zu haben.
„Der Sturm aus dem Osten wird uns genau auf die Klippen zutreiben. Ich hoffe ihr könnt gut schwimmen, ehrwürdiger Keras.“ Die Stimme des Düsteren war ohne jeden Spott, doch seine Worte verhöhnten den Silas; ihm war klar, dass Sadrax es auf diese Situation angelegt hatte. Mühsam beruhigten sich seine Gedanken. Er durfte nicht hysterisch werden. Es mochte gut sein, dass sein Gegenüber die Felsklippen kannte, aber er würde es doch wohl kaum darauf anlegen, auf den Spitze der Felsgrate zu zerschellen. Aber was bezweckte er dann?
„Ich kann so gut schwimmen, wie es nötig sein wird.“ Sadrax Augen funkelten siegessicher, was Teldor einen Moment der Überlegenheit schenkte, als er durch die kurze Blöße seines Feindes einen Blick auf dessen wahre Absichten werfen konnte. Auch der Kapitän selber erkannte seinen Fehler und sein Gesichtsausdruck veränderte sich von dem triumphierenden Grinsen zu einer Miene, die noch grimmiger und feindseliger dreinschaute als gewöhnlich. Um den Fehlgriff zu überspielen beachtete Sadrax die Reaktion Teldors nicht und nahm das Spiel wieder auf.
„Ich bedaure zutiefst, dass ich mein Versprechen euch und eure Begleitung sicher ins Verbotene Land zu geleiten nicht erfüllen kann. Nun empfehle ich euch aber die edle Dame aus ihrem Quartier holen zu lassen, damit wir für das Besteigen der Rettungsboote bereit sind.“ Teldor mimte den Ahnungslosen. „Können wir das Hindernis den nicht umschiffen?“ Sein Tonfall war fragend aber neutral. Sadrax schüttelte belehrend den Kopf.
„Im Norden hat sich ein Strudelfeld gebildet, die See ist dort zu tückisch, als dass wir dorthin ausweichen könnten. Der Wind treibt aber von Südosten, wie können uns also nur im Wind halten und auf die Klippen zufahren oder die Segel einholen und uns schräg zum Wind in unsichere Gewässer begeben.“
Zum Ende seiner Rede hatte der Düstere wiedersichtlich Oberwasser bekommen, man sah ihm die Freude darüber an, den ewig allwissenden Offizier belehren zu können. Als Teldor dann jedoch zustimmend und ernst nickte und seine Augen mit prüfendem Blick über die Beiboote schweifen ließ, erscholl vom Unterdeck das Lachen eines der Leibgardisten und der Düstere erkannte, dass man ihn wieder überlistet hatte. Langsam trat er an Teldor heran und sprach leise und gepresst auf ihn ein. „Übertreibt es nicht mit eurem Spiel, Königsmann! Ich liebe es nicht mich zum Tanzbären anderer machen zu lassen.“ Teldor blieb gelassen, gleichzeitig berührte er jedoch in seinem Ärmel den Griff des winzigen Dolches, der federleicht in der Halterung an seinem Unterarm ruhte. „Wer von uns beiden war es denn, der dieses Spiel begann? Ihr habt die Regeln aufgestellt, doch das Verlieren scheint man euch noch nicht gelehrt zu haben.“ Die Augen des Kapitäns verengten sich und unübersehbar legte er die Hand auf die Scheide seines schweren Säbels. „Ihr mögt Recht haben, Königsmann. Ich verliere nur ungern.“ Rings um ihn machten seine Männer für einen kleinen Moment Pause in ihrem emsigen Treiben und richteten sich auf. Teldor sah sich umzingelt und deutete gegenüber dem Seemann eine Verbeugung an, bevor er ihm mit gelassener Bewegung den Rücken zuwandte und im Gang zu Jeels Kabine verschwand.
Als er einige Meter außer Sichtweite war lehnte er sich schwitzend und leicht zitternd an die knarrende Holzwand zu seiner Seite. Was er gewollt hatte, war erreicht, nun wusste er wie Sadrax einzuschätzen hatte. Hier auf See und in der Überzahl waren seine Männer im Vorteil, aber in seinem Spiel, der Königsdisziplin der Intrige, war er Teldor nicht gewachsen.
Dennoch würde er sich in Acht nehmen müssen. Noch wagte es der Düstere nicht, ihn offen vor seinen Männern anzugreifen und das bedeutete, dass er sie fürchtete. Das war gut. Doch zugleich war Sadrax nicht der Mann, der seine Entscheidungen von der Vernunft steuern ließ und würde sich nicht von seiner Angst hindern lassen, bot sich ihm erst ein genügend großer Anreiz. Besorgt schaute Teldor auf die Tür zu Jeels Kabine. Das Mädchen bedeutete ihm nichts, aber sie stellte seine einzige Chance dar wieder an den Hof des Königs zurückzukehren, sollte der unwahrscheinliche Fall eintreten, dass die Legionen den Sieg davontragen sollten. Sollten die Dämonen den König bezwingen mochte sie immer noch ein gutes Druckmittel gegen ihren Herren bieten, er durfte also nicht riskieren, sie an diesen Narren von einem Seemann zu verlieren. Seine Absichten vor Augen klopfte er an die Tür. Und als die junge Frau ihm öffnete war er schon wieder vollkommen ruhig.

Gorn mit der Axt
05.04.2005, 16:34
Thimris fluchte leise, um die anderen Männer nicht mit seiner Nervosität anzustecken. Schon seit Tagen irrten sie durch die dunklen Gänge immer weiter gen Norden und bisher hatte es das Schicksal gut mit ihnen gemeint.
Doch nun schien es ihnen den Rücken zu zukehren; innerhalb weniger Stunden waren sowohl Sibril, der Anführer der Gruppe, als auch zwei der Soldaten verschwunden. Mehr und mehr fühlte er sich aus den finstersten Ecken heraus beobachtet, doch auch wenn er einen Lichtstrahl aussandte war keine Spur des Lauschers zu entdecken gewesen. Nun bemühten sie sich nur noch darum möglichst schnell einen der Ausstiege an die Oberfläche zu finden. Doch diese waren kunstvoll in die umliegenden Steinplatten eingepasst, so dass man selbst dann eine Weile zu suchen hatte, wenn man vom Ort des Ausgangs Kenntnis hatte. Ohne Sibril, der sich als Einziger in diesem gigantischen System von verwinkelten Gängen auskannte, würde es für sie zu einer tödlichen Falle werden.
Aus den Augenwinkeln nahm er war, wie eine der Leibwachen sich furchtsam umdrehte und mit der rechten Hand den Griff seines Bogens fest umklammert hielt. An diesem Ort war selbst auf die gut disziplinierten Elitekrieger kein Verlass mehr; mochten sie auf freiem Feld die besten Schwertarme aller achtzehn Königreiche stellen, war dieses Labyrinth ungewohntes Terrain für sie und ohne Anführer ging ihnen Mut und Sicherheit mehr und mehr verloren.
Sein Blick schweifte über den von Staub und Gesteinsbrocken übersäten Boden und blieb an einer Stelle hängen.
Noch schneller als er hatten die beiden Fährtensucher der Gruppe die verschmierte Fußspur bemerkt und knieten sich nebeneinander, um den Hinweis genau in Augenschein zu nehmen. Der ältere von ihnen, ein schmaler Mann von etwa fünfzig Lenzen, hob zuerst den Kopf und meinte zu Thimris. „Die Spuren stammen eindeutig von einem Menschen, vermutlich ein Mann. Ziemlich leicht, aber nicht klein, die Spuren haben normale Größe.“
Thimris nickte dem Mann zu. „Sollen wir der Spur folgen, Herr?“ Nach kurzem Überlegen stimmte er zu und die Männer schwärmten aus. Jetzt, mit einer Aufgabe vor den Augen, die sie beschäftigte erschienen sie gleich um einiges ruhiger und gelassener. Schon das wäre ein Grund gewesen nach dem Verletzten suchen zu lassen, doch sein Hintergedanke war, dass es sich vermutlich um einen ihrer drei vermissten Kameraden handelte, der sich in den vielen verwinkelten Gängen verlaufen hatte. Insbesondere hoffte er natürlich auf den Offizier, den der König ihm zur Seite gestellt hatte, es wäre jetzt eine große Erleichterung gewesen, sich der enormen Erfharung des Veteranen anvertrauen zu können.
Vor ihm ertönte ein leiser Ruf, der durch die vielen Wände in alle Richtungen gespiegelt und gebrochen wurde.
Auf diese Weise entstand ein ganzer Chor von Stimmen, die sich gegenseitig überlagerten und in die sich noch andere, fremde Worte zu mischen schienen, die Thimris Unbehagen bereiteten. Eilig schritt er aus. Etwa fünfzig Schritte vor ihm hatte sich einer der Männer hingehockt, scheinbar um die Spuren genauer betrachten zu können.
Beklommen musste er feststellen, dass sich in Abdrücken das Blut eines Mannes mit dem trockenen Staub vermischt hatte und sich nun einem roten Teppich gleich vor ihm ausbreitete.

Gorn mit der Axt
07.04.2005, 17:19
Auf einmal wurde er unruhig. Seine Gabe warnte ihn, doch bevor er sich auch nur umschauen konnte, fuhr aus der Düsternis hinter ihm ein Schatten heran. Thimris warf sich zu Boden, der Spurenleser jedoch wurde vollkommen überrascht und auf die Steinplatten des Ganges geschmettert, noch ehe er etwas tun konnte. Thimris wartete an der rauen Steinmauer kauernd und erwartete einen Angriff, aber nichts geschah. Er stand wieder auf, vorsichtig und argwöhnisch in alle Richtungen spähend und hatte mehrere Sphären entzündet, die den Gang in gleißend helles Licht tauchten.
Doch dort war nichts zu sehen.
Als er alle Ecken und Winkel um sich herum abgesucht hatte, trat er vorsichtig an den Fährtensucher heran, der immer noch am Boden lag. Ihm war jedoch nicht mehr zu helfen. In das getrocknete Blut zu seinen Füßen mischte sich nun auch das helle, warme Blut seines Gefährten.
Noch während er neben ihm niederkniete und ihm die Augen schloss hörte er aus einem der Seitengänge Schreie. Wiederum fluchend, diesmal wesentlich lauter rannte er über die unebenen und mit Unrat bedeckten Weg, ohne auf einen der seinen zu stoßen. Die Geräusche aus den anderen Gängen aber veränderten sich mit der Zeit. Immer wieder hörte er die Stimmen verschiedener seiner Männer, einmal auch ein lautes Geklirr von Schwertern, dann herrschte wieder Stille, ehe der Lärm von neue anhob. Erst nach einigen Minuten endete das Spektakel und die Ruhe hielt an. Stille legte sich über die Gänge, nur durchbrochen vom leisen Geräusch seiner ledernen Sohlen. Dann fand er einen der Krieger. Wie sein Fährtensucher lag auch dieser in einer Blutlache. Thimris trauerte um die Wache, er kannte nicht einmal den Namen des Mannes, aber dennoch spürte er ein namenloses Bedauern und MItleid in seinem Innern.
Aber stärker als Trauer und Entsetzen war die Sorge um ihre Mission. Der Leib des Kriegers war noch warm, der Lache des Blutes war noch nicht geronnen und breitete sich sogar noch aus.
Einige Schritte hinter der ersten Leiche fand er einen weiteren der Männer. Dieser hier schien den herannahenden Tod nicht gehört zu haben seine Klinge steckte noch in der Scheide, die tödliche Wunde zog sich als tiefer Schnitt von seinem Rückrat bis zur linken Hüfte, als sei sein Mörder mit gezogenem Schwert an ihm vorbei gerannt ohne inne zu halten.
Thimris Finger schlossen sich zur Faust, er war zwar nicht in Panik, doch der Anblick der fähigen Kämpfer die nun leblos vor ihm im Staub lagen erfüllte in mit höchster Sorge um den unbekannten Feind.
Er durchforstete die anliegenden Gänge und fand immer mehr seiner Begleiter, alle scheinbar vom gleichen tödlichen Feind niedergestreckt. Keiner der Krieger hatte sich wehren können, denn obwohl einige der Fähigsten ihre Schwerter in Händen hielten waren die Klingen blank, besudelt nur von ihrem eigenen Blut.
Dabei wusste Thimris noch nicht einmal, mit welcher teuflischen Kreatur des Feindes er es zu tun hatte. Die Geschwindigkeit des Attentäters deuteten auf ein Untier hin, das zu den Dämonentruppen der Nordländern zählen mochte, die Wunden jedoch waren zu glatt und makellos um von Zähnen oder Klauen zu stammen.
Lange irrte er durch die Gänge, ohne einen Überlebenden zu finden, auch der Anführer seiner Begleiter, Sibril war wie vom Erdboden verschwunden.
Als er sich einige Zeit später in einer der Vorratskammern eingeschlossen hatte, um zu ruhen grübelte er immer noch über die Person ihres Mörders nach, aber sein Verstand war von Panik oder wenigstens der hellen Aufregung über die Morde an seinen Begleitern so vernebelt, dass er zu keinem Schluss kam. In Gedanken versunken und schon halb im Schlaf bemerkte er nicht, wie sich einer der Schatten in den Ecken weiter verdunkelte, als sich die Gestalt von der Wand dahinter löste.

Gorn mit der Axt
09.04.2005, 18:11
Sadrax Boot war das vorderste der drei Rettungsboote, die trotz des Sturms weiter auf die Küste des Verbotenen Landes zusteuerten. Jeel dagegen saß mit Teldor in einem der nachfolgenden Schiffe und beobachtete von dort aus den Untergang der „Schrei des Meeres“, des stolzen Kaperschiffes, dessen Kapitän der Düstere gewesen war. Mit Furcht dachte sie daran, wie Sadrax schon den kleinsten Schaden an seinem Boot geahndet hatte; sie vermochte sich nicht auszumalen, was sein Preis für den Verlust der „Schrei“ war.
Ohne Steuermann, der das Ruder gegen den Wind drehte, gab das Schiff bald dem Zerren des Sturms und der Wellen nach und für mit ständig anwachsender Geschwindigkeit auf die abweisenden Klippen der Küste zu.
Doch schon lange bevor es in deren Nähe kam traf es mit zerstörerischer Wucht auf des Felsspitzen des Riffs.
Der geplankte Rumpf erzitterte, von der rechten von Jeel abgewandten Seite ertönte ein lautes Krachen, als sich der Fels in das Holz bohrte und den Leib des Schiffes aufschlitzte. Augenblicklich verlor die „Schrei des Meeres“ an Tempo, unmerklich langsam schob sie sich von den Wellen getrieben über das Riff, während sie vom Gewicht des eindringenden Wassers immer weiter in die Tiefe gezogen wurde.
Ihr Ende kam, als sie frontal auf den größten Felsen des Riffs prallte und wie ein Stein in den Untiefen vor der Küste versank.
Jeel schauderte bei dem Gedanken, noch vor wenigen Minuten an Bord gewesen zu sein.
Während das Schiff des Düsteren dem Meeresboden entgegen sank, näherten sich die drei Boote der Küste.
Wuchtig und bedrohlich wölbte sich das schwarze, vom Salzwasser poröse Gestein über ihnen auf und schon bald konnte Jeel es nicht mehr in vollem Maße überblicken. Die Seeleute dagegen achteten nicht darauf und widmeten sich der schweren Aufgabe die schwankenden Beiboote durch die Felsen zu staken, die mit zwölf Mann pro Boot heillos überfüllt waren.
Die Schreie der Männer ließen ihren Kopf herumfahren. Das erste Boot war ebenfalls ein Opfer der Untiefen geworden und hatte sich von der Wucht des Schlages quergestellt. Die Matrosen im nachfolgenden Boot wurden vollkommen überrascht und hatten keine Gelegenheit mehr, das Unglück zu verhindern, die Strömung trieb die beiden ineinander, so dass ihre Besatzung ins Wasser geschleudert wurde.
Nur wenige Köpfe tauchten nach dem Zusammenstoß wieder auf und auch nach mehreren Minuten des Wartens wollten sich keine neuen Hinweise auf Überlebende finden lassen, auch nicht, als sich die verletzten Matrosen schwimmend auf das letzte Boot retteten und nass und erschöpft über die Holzwand gezerrt wurden. Jeel war zugleich schockiert als auch erleichtert, dass Sadrax nicht unter jenen war, die man lebend aus dem Wasser holte.
Der Rest der Fahrt erschien ihr im Nachhinein seltsam unwirklich. Immer wieder kämpften die Matrosen, unterstützt von ihren Leibwachen gegen die tosende See und die Feindschaft der Steilklippen an, und irgendwann mussten sie den Kampf wohl gewonnen haben, den sie fand sich in einer Felsgrotte wieder, das Boot hatten die Männer gemeinsam hoch auf den trockenen Boden gezerrt, damit es ihnen nicht von der Flut entrissen würde. Doch bis dahin war es noch lange hin.
Für den Augenblick genügte es allen sicheres Land unter den Füßen zu haben. An Schlaf war jedoch nicht zu denken. In der feuchten und windigen Höhle herrschte eisige Kälte, die ihnen ob ihrer nassen Kleidung nach stärker zusetzte. Dazu kam nach der höllische Lärm durch die anrollenden Wellenberge. Sie hatten sich fünfzig Schritt weit an den Rand der Grotte zurückgezogen und dennoch erreichten sie die Ausläufer der Brecher, so heftig warfen sie sich gegen das Gestein der Klippe.
Doch Jeel nahm dies alles kaum wahr, denn etwas anderes beschäftigte sie und erfüllte sie zugleich mit höchster Sorge. Von weit her, mitten aus dem Verbotenen Reich schien eine gewaltige Kraft an ihr zu zerren, die ihre eigene Gabe um ein Vielfaches übertraf. Es war ihr fast als würde ihre eigene Kraft gegen jene andere immer mehr verblassen, je weiter sie sich ihrer Quelle näherte. Tatsächlich bereitete es ihr höchste Mühe eines der schweren Trümmerstücke zu bewegen. Draußen auf den Weiten des Meeres hatte sie nichts dergleichen gespürt, die Entfernung und das Wasser mussten diesen Effekt gemildert haben, doch hier spürte sie ihn in voller Stärke.
In Jeel wuchs die Empfindung der vollkommenen Hilflosigkeit. Es war schlimm genug das erste Mal der Hilfe ihrer Freunde und Brüder entrissen zu sein, nun aber auch noch auf den ihr angeborenen Schutz der Magie verzichten zu müssen, brachte sie an den Rand der Hysterie. Zum ersten Mal spürte sie sich in dem vor Wochen getroffenen Entschluss wanken und ihre Gedanken flogen jenem schrecklichen Moment der Trennung entgegen.
„Jinda, wo bist du nur?“
Als sie sich umdrehte sah sie mit Panik wie der mit Algen und Schlick behangene und triefend nasse Körper des Düsteren sich aus der Dünung erhob und sich an den Eingang der Höhle schleppte, von wo aus er sie unverwandt anstarrte.

Gorn mit der Axt
11.04.2005, 18:35
Besorgt schaute der Hüter auf das Bild vor sich. Anders als er es sich erhofft hatte, zeigten die Geschwister und ihre Freunde nicht jene Stärke, die sie für die Erfüllung ihrer Mission benötigten und die nach den Szenen vom Beginn ihrer Reise von ihnen erwartet hatte.
Ob es daran lag, dass sie getrennt waren? Er könnte sich vorstellen, dass sie durch den fehlenden Rückhalt in ihrer Entschlossenheit gehemmt würden.
Verdammt, er wusste es nicht! Zu lange war es nun schon her, dass er mit anderen seiner Art zusammengewesen war, denn er war der Letzte. Er war schon seit Jahrhunderten daran gewohnt, alles alleine planen, ausführen und verantworten zu müssen und konnte sich nicht in andere hineinfühlen, denen es an dieser Erfahrung mangelte.
Frustriert schlug er mit seiner Pranke auf das Wasser des Sees ein und das vorher kristallklare Bild verschwamm.
Er hatte lange Zeit auf diesen Augenblick gewartet, viele Male länger, als sein Leben ohne diese Aufgabe gewährt hätte, doch nun sah es so aus, als hätte er all die Zeit umsonst ausgeharrt.
An allen Fronten war das Imperium auf dem Rückzug. Auf seinen Befehl glätteten sich die Wellen und neue Szenen wurden sichtbar. Im Westen drangen die Heerscharen des Feindes durch die schmalen Pässe von Colltree, Kronak war gefallen, Delbor am Rand der Niederlage. Im Osten verhinderten die furchtbaren Tzetzlani ein klares magisches Bild, aber das wenige, was er erblickte, reichte ihm sich vom schrecklichen Ende der Legionstruppen zu überzeugen, die den Zugang zur Halbinsel bis auf den letzten Mann verteidigten.
Währenddessen irrten die Geschwister in Richtung ihrer Splitter, aber er sah kaum noch Hoffnung, dass sie rechtzeitig eines der Artefakte erreichen könnten.
Er würde ihnen helfen müssen.
Dies tat er ungern. Seine Abmachung mit den Mächten, denen er diente, war klar und deutlich, jeder, der einen der großen Splitter erlangen wollte, musste sich den Prüfungen stellen, das zu ändern war er nicht in der Lage.
Aber nichts hinderte ihn daran, die Anwärter auf ihrem Weg zu schützen.
Doch seine Macht war gering; hier von den Trägern seiner Hoffnung durch tausende von Meilen getrennt konnte er nicht darauf hoffen, dass sein Tun viel bewirkte. Zwei von ihnen waren weit außerhalb seiner Reichweite, der letzte näherte sich ihm stetig, doch auch er hatte bis zu ihrer Begegnung noch hunderte und aberhunderte von Meilen vor sich. Doch auch nach hunderten von Dekaden, in denen er sich in der Erde verborgen hatte, gab es noch einige, die den Bitten des Hüters Achtung schenkten. Auf diese Wenigen vertraute er nun; resigniert stellte er fest, dass ihm in seiner Lage überhaupt nichts anderes übrig blieb.
Die Botschaften waren schnell verschickt. Das Wasser zeigte nun eine Karte des Kontinentes Jehranas.
Eines nach dem anderen glommen nun an allen möglichen Stellen des gewaltigen Landes kleine Lichtfunken auf, manche groß, strahlend wie eine Kerzenflamme, andere klein, kaum mehr als das Leuchten eines einzelnen Sterns in einer bewölkten Nacht. Mit einem tiefen Gefühl der Erleichterung sah er nun, wie jedes der Lichter für einen kurzen Moment auf der Stelle verharrte und sich dann mit unmerklich langsamen Schritten in Bewegung setzte.
Der Hüter machte eine Geste und der Teich zeigte wieder die Geschwister. „Ich habe euch gegeben, was sich konnte. Nutzt es, denn außer mir wird euch niemand mehr helfen.“

Gorn mit der Axt
13.04.2005, 17:32
Als Thimris die Berührung an der Schulter spürte, war seine erste Reaktion reiner Reflex, er rollte sich noch orientierungslos zur Seite, umgab sich selber mit einem Schutzschild und entzündete mehrere Sphären.
Doch die Jagd der letzten Tage hatte ihren Tribut gefordert, vielleicht lag es aber auch an seinem noch halbschlafenen Zustand, dass der Schutzschild in ein leuchtendes Gewusel ausartet und die Lichtkugeln sich zerstreuten.
In dem flackernden Schein spiegelten sich merkwürdige Formen wieder. Im ersten Moment war er noch an ein sonderbares Prisma erinnert, im nächsten korrigierte sich aber dieser Eindruck und erkannte die hellen, funkelnden Klingen des Klerek wieder.
Seltsamerweise störte Thimris sich an dem Gedanken an seinen baldigen Tod nicht besonders. Mit einem absolut surrealen Interesse blickte er stattdessen auf diese Waffe an seinem Hals und in das starre Gesicht Sibrils, der auf ihn hinabstarrte.
Jinda hatte oft mit Bewunderung in seiner Stimme vom Klerek gesprochen und von den Klerekan, den auserwählten Waffenmeistern ihres Fachs, die allein in der Lage waren es zu führen. Seine ungewöhnliche Gestaltung zwang den Kämpfer in Ruhestellung die Arme über Kreuz zu halten, doch war er geübt im Umgang mit dem Klerek war es die tödlichste Waffe im Imperium. Das Klerek, was in ihrer heutigen Sprache übersetzt Sechsklingenschwert bedeutete, bestand in Wahrheit aus zwei getrennten Teilen mit je drei Klingen. Das breite Blatt des Hauptschwertes wurde den Erzählungen zu Folge nicht selten als Schild eingesetzt, während der Dorn auf der Mitte für den Verteidiger selbst in dieser Stellung eine wirksame Waffe darbot. Die beiden gegenläufigen anderen Seitenklingen saßen an der Außenseite hinter den Handgriffen und erinnerten ein wenig an gewaltige Scheren, auf Thimris, der genau in diesem tödlichen Stahl eingeschlossen war, machten sie eher den Eindruck zweier eiserner Halbmonde, die sich um seine Kehle schlossen. Bedrückt schüttelte er den Kopf. Er hatte sich schon lange erhofft, Sibrils Klerek endlich einmal in Aktion zu erleben.
Dieser Gedanke rüttelte ihn auf und das Adrenalin flutete durch seine Adern ob dieses Verrats. Sibril! Niemand sonst war es, der ihn hier in dieser metallenen Fessel hielt. Die Anspannung in Thimris Gesicht brachte im einen schmerzhaften Schnitt am Hals ein, doch der leichte Schleier, der sich über die Seitenklingen des Kle-rek legte, entschädigte ihn für diese Wunde. Entschlossen warf er sich zur Seite und riss den Angreifer mit sich.
Dieser schnaufte überrascht auf. Bei jedem anderen Menschen hätte diese Aktion wohl zu einer raschen Enthauptung geführt, denn die Klingen waren bis zu einem Grad geschliffen, dass sie außer bestem Stahl durch nichts gebremst werden konnten und mühelos durch Holz und Knochen fuhren, doch Thimris Plan hatte sich bewährt, der Schutzschild über den Klingen der Schärfe der Schneiden standgehalten. Wutentbrannt schaute Thimris dem Silas in die Augen. Dieser entgegnete diesen Blick ungetrübt und fragend. „Lasst mich los, Thimris i Torbald. Seid ihr von Sinnen?“ Mit einem abgehackten Geräusch presste Thimris seinen Arm gegen Sibrils Hals und deutete auf de Waffe zu seinen Füßen. „Narr, ich habe meine Waffe gezogen, damit ihr mir nicht im ersten Erwachen eine Kugel durch den Leib schießt! Ihr seid ja nicht bei Sinnen, packt euch!“ Beunruhigt musste er dem Offizier Recht geben. Auch Minuten nach dem unerwarteten Angriff wollte sich sein Verstand nicht klären. Verwirrt und trotzig schüttelte er den Kopf. „Warum habt ihr die Männer getötet?“ wollte er wissen. Sibril packte ihn unsanft bei den Schultern und drückte ihn gegen die Wand. Thimris war überrascht, wie viel Kraft der schmale Mann aufbrachte. „Denkt ihr wirklich, ich hätte meine eigenen Leute umgebracht? Da wäre ich ja schön dumm euch aufzuwecken und hier mit euch zu streiten. Man hat mir schon vieles an den Kopf geworfen, aber Dummheit gehört nicht dazu.“ Er schnaufte empört. Danach wurde er ein wenig ruhiger. „Eine Zeit lang dachte ich ja ihr wärt es gewesen, aber dann würdet ihr euch jetzt auf der Suche nach mir oder anderen Überlebenden befinden und nicht hier in dieser Kammer dösen.“ Einen Moment wollte Thimris ihm schon glauben, aber die Erinnerung an die vorherige Nacht hielt ihn zurück. „Er lügt!“ dachte er sich. „Ich habe gehört wie er im Schlaf gesprochen hat. Er meinte, er hätte seine Leute verraten. Aber was er sagt klingt richtig. Was soll ich davon halten?“
Unsicherheit war ein Gefühl, dass er bisher immer sorgsam verborgen hatte, doch hatte er sich auf seiner Reise auch stets auf seine Begleiter verlassen können. Die Aussicht die nächsten Wochen mit einem möglichen Verräter im Rücken zu verbringen machte seine Ratlosigkeit nur noch größer.
Schließlich war es aber Sibril, der handelte. Er zog seine Waffe zurück, langsam, um Thimris nicht weiter zu verletzen, und griff auf dem Boden nach ihren Taschen. Seine schnallte er sich auf den Rücken, Thimris legte er die seine in die Hände und zog ihn sanft in Richtung Tür.
Ich bin kein Verräter. Glaubt mir, oder lasst es bleiben. Und fragt nie wieder danach." Seine Stimme war eisig und eine feindliche Stille folgte ihr. Dann fuhr er fort. „Folgt mir, Thimris. Und seid vorsichtig. In diesen Gängen lauert vielleicht noch mehr als ihr schon ahnt.“

Gorn mit der Axt
15.04.2005, 17:08
Fraladruin Kelar 3931
Letztendlich hatten die Jahre den Alten Mann doch noch besiegt.
Frald fluchte im Geist auf, als er am Eingang des Zeltes stehend auf seinen Großvater herab blickte, der schwer atmend auf dem bequemen Lager aus Pelzen und Wolle ruhte.
Verflucht, es war einfach ungerecht! Vierzig Jahre lang hatte Igmar Gundurtöter das Lager angeführt, davon war er über zwanzig Lenze auch noch Stammesoberhaupt gewesen. Er hatte im Kampf gegen die größten Bestien und die stärksten Krieger bestanden. Warum entlohnten ihn die Götter dann nicht mit einem ehrenvollen Tod? Verzweifelt legte Frald die Hand auf den Griff seiner Waffe und betete zu dem alten Gott seines Stammes, wie es ihn sein Großvater gelehrt hatte und zu den Göttern des Clans. Dann ging er auf Igmar zu.
Der Alte fieberte und sah ihn mit verschwommenen Augen an. Vo ihm lag sein Stab aus den Beinknochen eines Gundur, den er nun nicht einmal mehr anheben konnte. Kraftlos versuchte Igmar sich aufzurichten, doch erst als sein Enkelsohn ihm unter die Arme griff, gelang es ihm.
„Nun sag mir, junger Frald, hat nicht jeder Mensch einen ehrenvollen Tod verdient?“ Frald nickte. Er wusste nicht, ob sein Großvater nach ihrem Gespräch vor sechs Jahren oder nach den Umständen seines eigenen Todes fragte, doch er wollte ihn wenigstens in Frieden sterben lassen. Also antwortete er.
„Ja, Igmar Dra Valun. Jeder Mann unter Jehrans Augen, der für seinen Glauben einsteht, verdient sich damit das Recht auf den Tod des Kriegers.“
Der Greis ließ sich wieder auf die weiche Unterlage zurückfallen und stieß einen endlos tiefen Seufzer der Erleichterung aus. „Endlich!“ Er fasste an das Ende des Knochenstabs und dankte dem Einen für seine Gunst.
Dann berührte er seinen Enkel an der Schulter. „Gib mir bitte das braune Buch, aus der großen Truhe dort drüben.“ Frald stand auf. In seiner Kindheit war die eisenbeschlagene Truhe mit dem schweren stählernen Riegel eines der wenigen absoluten Tabus des Alten gewesen. Frald hatte sie nicht öfter als zwei oder dreimal offen gesehen und auch jetzt brauchte er alle Kraft, um den Riegel aus der Halterung zu schieben, als sei der Inhalt seit Jahren nicht mehr besehen worden. Schließlich gab die Kiste doch nach und öffnete sich. Knirschend hob Frald den Deckel an. In der Truhe befand sich nichts außer einem dicken, in grobes, bröckeliges Leder gewickeltes Buch.
Behutsam nahm er es heraus und brachte es zum Bett herüber. Igmar nickte sanft und umfasste den Einband mit steifen Fingern. Dann öffnete er es und zeigte Frald eine Seite nahe dem Ende des Buches. Darauf war ein langer verzweigter Stammbaum abgebildet. Einer der untersten Namen war der seine, Fraladruin, einige Spalten höher war sein Großvater verewigt. Die meisten neben ihm stehenden Namen waren durchgestrichen, ebenso manche unter ihm. Bald darauf entdeckte er seinen Bruder, Hrissmar. Auch sein Name war markiert. Deshalb begriff er auch schnell, was die Markierungen bedeuteten und stellte sich unwillkürlich den frischen Tintenstrich vor, der über Igmars Namen prangen würde. Bei dem Gedanken schauderte ihm, rasch klappte er das Buch wieder zu.
Frald zuckte fragend mit den Schultern. „Unser Familienstammbaum, was ist damit?“ Er überlegte, was Igmar von ihm wollte. Sprach er im Fieber? Doch ohne zu antworten blätterte der Alte zurück. Dort waren seine Vorfahren eingetragen, Generation für Generation. Er erkannte nur einige Namen wieder, jene der großen Berater und Clanskrieger und fühlte Stolz auf seinen Stamm. Mit den Seiten wurde der Stammbaum immer schmaler, bald kam der Moment, da eine Generation auf einem Blatt abgebildet war. Etwas an diesen Namen war anders und als er bei den ersten beiden ankam, wusste er auch, woran es lag. Igmar richtete seinen gekrümmten Finger auf den ersten Namen. „Dran ä Valon. Der Begründer unseres Geschlechts. Ein Soldat des Imperiums, der im zweiten großen Krieg als Gefangener in die Arbeitslager des Grenzgebirges geschickt wurde.“ Frald warf das Buch entsetzt zu Boden, dass der Alte gequält ächzte. Seine Stimme zitterte. „Das ist nicht wahr. Es kann nicht wahr sein. Sklaven dürfen nicht zu Kriegern werden. Der Kodex verbietet es!“ Igmar hob die Hand und lächelte verschmitzt. Er hatte sich schnell gefangen.
„Ja, doch unser Vorfahre hatte Glück. Der Legende nach errettete ihn ein Geschöpf Jehrans aus den Fängen der Nordländer, bevor ihm die Sklavenfesseln angelegt werden konnte und er floh in die Tundra. Dort wurde er von einem der geringeren Nomadenstämme gefunden und gab sich als einer der Ihren aus. Später dann zog er mit seiner Gemahlin aus diesem Stamm nach Ordun und gründete den Dragorclan. Doch am Tag seines Todes kam der Bote Jehrans wieder und überbrachte Gerrain ä Dran, seinem ältesten Sohn, eine Nachricht. Seine Familie sollte zu Dienern Jehrans werden und in ferner Zukunft, wenn es zur letzten Schlacht zwischen den beiden Reichen käme, den Streitern Jehrans den Weg bereiten sollten. Vor drei Tagen nun war der Zeitpunkt gekommen, der uns prophezeit war, zu unserer Mission aufzubrechen, doch ich war zu schwach ihm Folge zu leisten. Nun musst du deiner Bestimmung folgen und nach Osten ausziehen.“
Frald war verwirrt. In seinem Kopf flogen mögliche Antworten hin und her, doch sein Großvater war bereits ermattet in sein Lager zurückgefallen und dabei einzuschlafen. Bis in seine Grundfesten erschüttert schritt Frald leise aus dem Zelt, das Vermächtnis seines Stammes in der Hand.

Gorn mit der Axt
17.04.2005, 15:50
Andraeis fuhr mit seinem Daumen die Linien der alten Karte nach. Auf ihr war der östliche Teil des Imperiums abgebildet, von einem kleinen Zipfel Gorians im Südwesten, über Fratom und Sabarkas im Westen und Markor im Osten mit dem Grenzgebirge am oberen Rand. Weit, weit am Osten, noch etliche Fingerbreit hinter Markors Grenze lagen die kleineren, vom Feind besetzten Gebiete, Elserian, Ankohar, Caladar und Keror.
Er nahm resignierend die Feder zur Hand und schraffierte einen weiteren Teil des Pergaments. Als er in Markor ankam stockte seine Hand und er fragte Regorn. „Wie steht es um unsere restlichen Truppen in Markor?“
Der alte Berater wies auf den Sumpf zwischen Markor und Elserian. „Die östliche Front ist vollkommen zusammengebrochen, als ihnen die Tzetzlani in den Rücken gefallen sind. Bisher haben wir von ihnen keine weitere Nachricht erhalten.“ Sein Finger wanderte nach links und folgte dem Verlauf des Durangar. „Unsere Truppen konnten den Feind mit hohen Verlusten am Durangar abfangen, der zu unserem Glück noch immer Hochwasser führt und dem Feind den weiteren Marsch verwehrt. Aber wenn sich die Nordländer erst mal wieder im Osten gesammelt haben, können sie durch den Sumpf unseren Truppen auch südlich des Flusses annähern“
Er holte eine weitere Karte hervor und beschwerte sie an den Rändern. Auf ihr waren die westlichen, kleineren Staaten abgebildet, die auf der abgewandten Seite des großen Sumpfes von Kaloras lagen und nur beschwerlich zu erreichen waren. Nun wies er auf das westliche Grenzgebirge und seine Stirn legte sich in Falten.
„Die Lage in Kronak ist unklar. Die Dämonen scheinen nordöstlich von Kaloras, etwa zwischen Belegriund und Fratom gestoppt worden zu sein, aber ich misstraue den Hilfstruppen aus Kronak.“ Sein Herr nickte. „Zu oft haben sich die Grenzländer im Westen gegen meine Vorfahren aufgelehnt, aber ich denke sie werden uns dennoch unterstützen. Selbst Herzog Michal muss klar sein, dass die Nordländer ihn auslöschen würden.“
Er zeichnete den Rest des verlorenen Gebiets ein und betrachtete den kümmerlichen Rest des Reiches, das sein Onkel ihm überlassen hatte. Fünf der achtzehn Reiche des Imperiums waren bereits vom Feind erobert worden, drei weitere wurden unmittelbar bedroht.
Sein Arm verkrampfte sich und schloss sich um die gute Schreibfeder, deren Kiel unter seiner Kraft brach, sodass ihm die Tinte über die Finger lief und auf das Pergament hernieder fiel. Durch die dunklen Tropfen sah es so aus als blute das Imperium. Fahrig machte er mit den Händen eine Geste gegen das Böse, dann wandte er sein Gesicht von diesem unglücklichen Omen ab.
„Regorn, was denkt ihr, wie lange wir den Durangar noch halten können?“ Sein oberster Berater rieb sich den Bart. „Unsere Kundschafter berichten von starken Regenfällen im Osten, der Fluss wird also noch mindestens einige Tage Hochwasser führen. Wenn sich das Wetter so hält und die Nordländer keine weitere Verstärkung erhalten, werden wir ihn wohl noch mehrere Wochen halten können.“
Traurig schaute Andraeis Regorn an.
„Ich wollte eure Meinung, nicht die Hoffnungen meiner Männer hören.“
Regorn seufzte und hörte sich das erste Mal genau so alt an, wie er aussah. „Drei Tage, würde ich sagen. Mit ein wenig Glück und dem Segen Jehrans mag es auch eine Woche oder zehn Tage werden, aber darauf können wir uns nicht verlassen.“
Beide Männer sahen betrübt zu Boden, aber ein Tumult vor dem Zelt ließ Regorn auffahren und fluchen, während er mit wehendem Umhang hinauseilte.
„Was ist hier los?“ Seine Stimme klang nun wieder wie gewohnt und brachte die beiden Soldaten der Leibwache dazu den klein gewachsenen Mann, den sie zwischen sich eingekeilt hatten loszulassen. „Dieser Bote will unbedingt zu Hochkönig Andraeis. Ihr habt aber befohlen niemanden hineinzulassen, bis ihr eure Unterredung mit ihm beendet habt.“ Im Geiste stöhnte Regorn auf. Er begann seine Entscheidung zu bereuen. „Nun gut, jetzt ist er aber hier. Was willst du, Mann?“ Der Bote verkrampfte die Finger um die Botschaft, die er dem Berater entgegen streckte und seine Stimme klang zittrig und hysterisch. „Die Pässe von Colltree sind gefallen. Die Dämonen dringe nun auch in Kronak und Delbor ein.“
Gepeinigt brüllte Regorn auf und schleifte den Boten ins Zelt und zu Füßen seines Königs.

Gorn mit der Axt
19.04.2005, 15:41
Sie hatten ihr Lager auf einer der größeren Inseln aufgeschlagen. Nun drängten sich Drogans Männer um ein winziges Lagerfeuer, das ob der Feuchtigkeit spuckte und qualmte, der Dunkelheit und den Geräuschen des Sumpfes war es aber alle mal vorzuziehen. Logan redete gerade mit zwei der anderen Soldaten, als er meinte aus der Ferne einen leisen metallischen Laut zu vernehmen. Er war scheinbar nicht der einzige, Drogan und einige der anderen hatten ebenfalls aufgeschaut und blickten sich nun fragend an oder spähten zwischen den grüngrauen Pflanzen hindurch. Logan wollte den Keras etwas fragen, doch der hob nur abwehrend die Hand, deutete auf drei der Soldaten und nach Norden. Etwa von dort, vielleicht auch aus dem Nordosten hatten sie das Geräusch gehört, die Männer müssten etwas finden können, wenn es dort etwas Ungewöhnliches gab.
Ein anderer Laut setzte ein, hoch und summend, der die Zähne und Knochen der Sitzenden zum Vibrieren brachte. Jetzt hob Drogan seinen Kriegshammer vom Boden auf und Logan und der übrig gebliebene Gardist beeilten sich es ihm nachzutun.
Doch von einem Moment zum anderen verstummte der Laut, zu hören war nur noch die übliche Nachtwelt des Sumpfes, das leise Knistern der Insekten und das Platschen der amphibischen Jägern, die sich auf die Suche nach Beute machten. Ab und zu gab es ein dumpfes Scharren und Reiben, wenn mehrere der großen Erd, Baum und Moosinseln zusammenstießen und sich dann wieder trennten, um auf unvorhersagbaren Wegen ihre Reise durch den Sumpf wieder auf zu nehmen.
Logans Nerven waren angespannt. Er wusste nicht, was er zu tun hatte. Die unbekannte Umgebung und die Tatsache, dass sie ebenfalls auf einer dieser schwimmenden und schwankenden Inseln ruhten, trugen ebenfalls zu seiner Unruhe bei. Wie die anderen starrte er in den undurchdringlichen Dunst, der von dem trüben Wasser und den verrottenden Pflanzen aufstieg und den Sumpf selbst am Tag wirkungsvoll vor den Augen Suchender verbarg.
Dann zeichnete sich vor dem Licht einer der Schilffackeln eine vage Gestalt ab. Logan hob seine Waffe, Drogan aber trat vor sie und auf den Krieger zu, der nur hilflos mit den Schultern zuckte und nervös seinen nachfolgenden Begleiter anschaute.
„Wir haben nichts gefunden, Kommandant, aber weiter draußen ist der Nebel noch viel dichter als hier. Wir haben Kieth verloren, er dürfte den Weg durch den Nebel aber bald gefunden haben, wenn er seine Suche beendet hat.“
Sie warteten bis zum Morgengrauen, bis sie wieder aufbrachen. Der vermisste Krieger war nicht wieder aufgetaucht. Rastlos und beunruhigt wateten sie durch den dichten Pflanzendschungel. Die Sonderheiten des Kaloras Sumpfes stellte sie vor immer neue Probleme. An vielen Stellen war selbst mit langen Ästen kein trockner Boden zu erreichen und sie konnten die Inseln nicht vorwärts staken, woanders war der Abstand zwischen den größeren Inseln mehrere dutzend Schritte weit, so dass die Männer gezwungen waren, durch das faulige Wasser zu waten oder zu schwimmen. Gleichzeitig waren selbst die großen Ansammlungen von Erde und Pflanzen nicht so sicher, wie sie schienen. Mehr als einmal betraten die Männer hoffnungsvoll eine der Inseln, um zu rasten und dann festzustellen, dass die Schicht nur wenige Fingerbreit dick war und sie schon beim ersten Schritt tief einsanken oder ins Wasser brachen.
Einmal ging Logan abseits der anderen. Dabei meinte er einen Moment lang etwas gesehen zu haben. Rasch drehte er sich um, doch da war nichts. Nachdenklich richtete er seinen Blick auf das Wasser des Sumpfes zu seinen Füßen. Darin spiegelte sich Umgebung, bestürzt sah er, wie müde und abgekämpft er aussah.
Dann, für einen kurzen Augenblick, meinte er hinter dem Schatten eines großen Strauchs ein Gesicht zu erkennen, erneut fuhr er herum, doch da war nichts. Im ersten Augenblick hatte er die Erscheinung für Solos oder einen der verschwundenen Späher gehalten, doch schon nach Sekunden zweifelte er an seinen Augen und vermutete eine Sinnestäuschung, da an jener Stelle absolut nichts zu sehen war.
Als er wieder zu den anderen zurückkehrte, erwähnte er den Vorfall nicht. Vor den kampferprobten Männern wollte er sich nicht wegen einer Spiegelung im Wasser zum Narren machen.
Bald setzten sie wieder müde ihre Füße weiter voreinander, ohne zu wissen, wie lang ihr Weg durch diese Wildnis noch andauern mochte. Logan machte kurz Pause und ging in die Knie, als ein seltsames Funkeln seinen Blick zu der benachbarten Insel zog. Auf der von ihm abgewandten Seite musste jener Gegenstand liegen, der das Licht zu ihm lenkte, aber nur seine Spitze ragte durch den dichten Farnbewuchs. Erschöpft und mit schmerzenden Beinen überlegte er eine Sekunde, ob er nachschauen sollte, was ihn da aus seiner Lethargie herausgerissen hatte, aber die Insel nahm ihm seinen Beschluss vorweg und zeigte ihm, sich langsam drehend, ihre Vorderseite. Durch die vielen Blätter konnte nur wenig erkennen, aber von dem lebendigen Grün hoben sich deutlich das trotz einer dicken Dreckschicht schimmernde Langschwert und der tiefblaue Ärmel der Uniform eines Leibgardisten zum Vorschein. Logan rief nach den anderen, dann gaben seine Knie ihren Dienst auf und er sackte in den Morast.
Er fühlte eine entsetzliche Schwäche. Auf dem Schlachtfeld hatte er inzwischen einer Vielzahl von Schrecknissen gegenübergestanden, aber der unerwartete Anblick seines hin gemeuchelten Kameraden erfüllte ihn mit Abscheu und Furcht. Instinktiv und ohne eigenes Zutun nahm er die Struktur des Bodens in sich auf, wie auch seine Geschwister sich in Panikreaktionen häufig ihrer Kräfte bedienten. Doch anders als sonst wirkte seine Gabe nicht mit rascher Eleganz sondern mit einer sturen, schmerzhaften und langsamen Beharrlichkeit, als wolle sie sich seiner erwehren. Langsam steigerte sich der dumpfe Schmerz zur Qual. War es etwas im Boden des Sumpfes, das ihm das antat?

Gorn mit der Axt
21.04.2005, 17:06
Er hörte wie hinter ihm ein entsetzter Schrei ertönte und einer seiner Begleiter seine Waffe zog.
Logan spürte wie sich die Angst gleich einem eisernen Band um seine Brust legte, die noch halbabgeschlossene Verwandlung stoppte abrupt und sein sonstiger Körper aus Fleisch und Blut wich einem gräulichen mehlig, feuchtem Ungetüm.
Er stellte sich vor, wie er auf den Mann wirken musste, eine ungeschlachte, dämonische Gestalt, reglos über den Körper seines toten Kameraden gebeugt. Mit immenser Anstrengung gelang es ihm, den Kopf zu drehen, sein Oberkörper war steif und fest, selbst jetzt konnte er spüren, wie sein Nacken knirschte und langsam auseinanderbrach, als sich die innere Struktur des Steins erfolgreich gegen die schwächer werdende Kraft seiner Magie zur Wehr setzte. Aus den Augenwinkeln sah er schon Arm und Klinge auf sein Gesicht herab fahren, als das hohe Pfeifen des sich bewegenden Schwertes von einem dumpfen Brummen unterbrochen wurde.
Der schmale Lichtstreif wurde von etwas unfassbar schnelleren getroffen und brach entzwei, Arm und Körper seines Angreifers wurden wie vom Blitz getroffen zu Boden geschleudert und bei Seite geworfen, wo der Krieger regungslos liegen blieb, den er an Hand seines hellblonden kurzen Haarschopfes für den jungen Terz hielt.
Etliche Meter hinter ihm lag Drogans großer, etliche Scheffel schwerer Kriegshammer in einem Feld stählerner Splitter. Schon wenige Augenblicke später hörte er die wuchtigen Schritte des Keras hinter sich und spürte seinen Blick im Nacken, konnte sich jedoch nicht soweit bewegen den Offizier anzublicken.
Stattdessen mühte er sich ab, seine Panik zu stoppen und sich zu beruhigen. Das Ergebnis seiner Mühen war allenfalls dürftig zu nennen, aber es musste reichen. Wieder sandte er seine Energien durch den nun verkümmerten Pfad seiner Gabe und verwandelte sich quälend langsam, voller Schmerzen aber dennoch beständig zurück.
Seinen normalen Körper erreichte er erst nach zehn endlosen Minuten, in denen sich niemand auf der Insel rührte. Dann fiel er erschöpft in die nassen, aber weichen Blätter der Sumpfpflanzen und nahm seine ganze Kraft zusammen nicht einzuschlafen. Als er spürte wie Drogan ihn mühelos hochhob und zu ihrem Lager zurückbrachte atmete er erleichtert auf, auch wenn er genau wahr nahm, dass die anderen Gardiste hinter seinem Rücken beunruhigt und dunkel murmelten.
„Wie geht es euch, Herr?“ Die sonst so kräftige Stimme des Mannes war nun merklich leiser und klang bedrückt. Logan wollte etwas sagen, um seine Sorgen zu mindern, ihm fiel aber nichts Passendes ein. „Es geht so. Wie steht es um den Jungen?“ Drogan knurrte. „Er ist euer nicht wert, Herr. Er wollte euch töten.“ Kaum sichtbar schüttelte Logan den Kopf.
„Er wollte einen vermeintlichen Feind töten, der allem Anschein nach einen seiner Freunde auf dem Gewissen hatte und eine Gefahr für seine Gruppe darstellte.“
Langsam und vorsichtig watete der Keras durchs brackige Wasser. Einige Fische und ein kleiner Sumpfbrar, eine reptilienhafte klafterlange Raubtierart, wurden überrascht und wichen platschend den schweren Stiefeln aus.
Dann trafen seine Füße wieder auf festen Boden und Drogan legte Logan auf einem Deckenstapel nieder.
Sein Gesicht war weicher geworden, allerdings nur unwesentlich. „Ein Soldat sollte wissen, wann sein Leben bedroht ist, sonst hat er seinen Beruf verfehlt. Sein Arm ist gebrochen und vielleicht noch ein, zwei andere weniger wichtige Dinge, aber er wird es überstehen.“ Logan schloss erleichtert die Augen. „Was ist dort hinten geschehen, Herr?“ Die Frage war leise und unaufdringlich, aber Logan hatte das Gefühl sie beantworten zu müssen.
Doch als er Drogan berichtete, flüsterte er, er wollte seine Ängste nicht dem ganzen Dschungel preisgeben.
„Ich konnte meine Gabe nicht beherrschen. Es ist lange her, dass etwas Derartiges geschah. Etwas in diesem Sumpf schwächt die Magie und sorgt dafür, dass ich mich nicht ohne Mühe verwandeln kann.“ Die beiden Männer blieben schweigend sitzen, lange Zeit schwiegen sie, bevor wieder einer von ihnen etwas sagte. „Habt ihr eine Ahnung, was es sein kann, das euch schwächt?“ Logan blickte ihn nachdenklich an. Er wusste nicht, inwiefern der Offizier als Anführer ihrer Gruppe über das Ziel ihrer Reise informiert war. Wenn Ziordan und der König ihm nichts berichtet hatten, dann hatte das sicherlich seine Berechtigung. „Ist es einer der Jehransplitter?“
Diesmal war die Frage nur ein Hauch, Drogan hatte sich tief neben ihn gebeugt und schaute auf ihn herunter.
Logan zuckte zusammen. „Woher…?“ Drogan grinste nicht, aber ein schmales, für ihn ungewöhnliches Lächeln zeichnete sich auf seinen Zügen ab. „Ihr mögt mich für einen Barbaren halten, aber ich bin nicht dumm, Herr.
Warum solltet ihr euch mitten im schlimmsten Krieg des Imperiums auf eine gefahrvolle Suche begeben, wenn nicht um etwas zu finden, das uns helfen könnte, der Feinde Herr zu werden? Glaubt ihr es ist der Jehransplitter, der eure Kräfte schwinden lässt?“ Logan überlegte, nun, da sein Begleiter ihr Ziel erraten hatte, hatte es keinen Sinn mehr, etwas geheim zu halten.
„Wir sind auf der Suche nach einem der großen Splitter, soweit habt ihr Recht, aber die Antwort auf eure zweite Frage weiß ich nicht. Ich kenne nur die kleinen Splitter und habe nur einmal einen der großen erblickt, aber keiner von ihnen hat meine Kräfte geschwächt oder verhindert, dass ich mich verwandle. Vielleicht ist dieser Stein hier mächtiger oder anders, ich bin nicht sicher. Aber es stünde meine Schwäche mit der Nähe zum Stein in einem Zusammenhang.“ Er grinste den Keras müde an. „Es scheint so, als sei ich bald wirklich auf euren Schutz angewiesen.“ Doch Drogans Miene blieb steinern. „Ich hoffe nicht, Herr.
Wenn dieser Stein oder etwas anderes in seiner Nähe eure Gabe schwächt, ist dann nicht zu befürchten, dass es euren Geschwistern ebenso geht?“ Logan lief ein Schauer über den Rücken und Angstschweiß trat aus seinen Poren. Daran hatte er nicht gedacht. Dennoch betete er dafür, dass seine Geschwister ähnlich vertrauensvolle und treue Begleiter hatten, wie er.

Gorn mit der Axt
23.04.2005, 15:55
Thimris überlegte, wie er in diese Misere geraten war.
Seit der Ermordung der Gardisten in den Gängen waren nun vier Tage vergangen, doch noch immer hatte sich an dem Misstrauen zwischen ihm und dem Offizier nichts geändert und auch nachdem seine Verwirrung nachgelassen hatte, fühlte er dröhnende Kopfschmerzen, die es unmöglich machten einen klaren Gedanken zu fassen.
Mit schweißnassen Händen und vor Müdigkeit brennenden Augen setzte er seinen Rucksack ab. Sibril hatte es vorgezogen vorauszugehen, Thimris konnte das schwache Schimmern seiner Fackel deutlich gegen den nachtschwarzen Hintergrund der Tunnelwände sehen. Er wusste nicht, was er von dem Krieger halten sollte.
Durch nichts hatte er sich verdächtig gemacht, dass er hinter den Anschlägen steckte, aber die Beweise gegen ihn waren schlichtweg niederschmetternd. In seiner Unentschlossenheit konnte Thimris sich nicht einmal entscheiden, ob die Möglichkeit eines abwechselnd treuer und verräterischer Führers oder eines mörderischer Verfolgers bevorzugen würde.
Doch alles Grübeln hatte keinen Sinn, so lange er nicht mehr herausfand und bis Sibril etwas gegen ihn unternahm würde er dieses Thema auf sich beruhen lassen.
Seufzend schaute er auf das Artefakt in seiner Hand, das dritte Mal an diesem Tag.
Der Knochen, den er in dem alten Buch des Hohepriesters entdeckt hatte, verstrahlte ein schwaches Licht, kaum sichtbar in der Helligkeit des Tages, aber deutlich zu sehen in den Tiefen der Erde. Wie schon zuvor drehte er den Knochen in verschiedene Richtungen, und wie bei seinen ersten Versuchen meinte er zu erkennen, dass das Licht in nordwestlicher Richtung um ein Unmerkliches heller wurde. Thimris dachte nach. Es wäre möglich, dass dieses Flackern zum Zauber des Artefakts angehörte, aber war sich sicher, dass es ihm bei seiner ersten Betrachtung, damals in Theras, auch im Schein der Sonne nicht entgangen wäre. Also hatte es sich verändert.
Er beschloss gut auf Veränderungen des Lichtes zu achten, aber nur in Augenblicken wie diesem, wo er sich sicher war nicht beobachtete zu werden. Selbst wenn er es gewollt hätte, wäre es ihm jetzt schon ob der Sicherheit und der Wichtigkeit seiner Mission unmöglich gewesen, dem Silas zu vertrauen, mochte der ihn auch noch so sicher durch das Labyrinth geleiten.
Als er den Knochen wieder sorgsam in den Niederungen seines Rucksacks verstaute, wurde er wieder auf die Fackel Sibrils aufmerksam, die in der Bewegung innegehalten hatte. Er sprang vom Boden auf und lief zu ihm herüber. Der Leibgardist lehnte an einer senkrechten Steinplatte, die er seitlich mit beiden Händen festhielt.
„Los, helft mir den Riegel zu öffnen, Herr, ich vermag ihn nur festzuhalten!“ Eilig trat Thimris neben ihn und fasste seinerseits an den rauen Stein. Zusammen wuchteten sie die Platte nach oben, bis sie nach einer Länge von vielleicht einer Elle endete und den Blick auf einen schmalen Schlitz im Fels freigab, den sie bisher verdeckt hatte. Thimris kniete sich hin und wollte hineinfassen, doch Sibrils Finger schlossen sich um seinen Arm. Der Offizier legte einen Finger seiner Hand auf seine Lippen, danach deutete er auf sein Ohr. Dann griff er an seinen Gürtel und nahm den geschwärzten Holzstab zur Hand, den er benutzte, um am Feuer zu arbeiten. Langsam steckte er sein Ende in den Schlitz und ließ den Stock herabsinken, dann gab es einen lauten Knall und der Stock zuckte in Sibrils Hand und wurde dann starr. Nach einigen Sekunden ertönte ein schleifender Laut und Sibril zog den Stecken aus dem Loch, der nun auf etwa einem Drittel der Höhe sauber durchtrennt worden war.
Nun fasste er mit zufriedener Miene und geschlossenen Augen in die Öffnung. Ein leises Knacken ertönte, bei dem sich Thimris unwillkürlich das Bild von abgetrennten Fingern aufdrängte, dann ein Schleifen von Stein auf Stein und schließlich öffnete sich dicht neben dem Schlitz ein etwa zwei Ellen breites Stück des Bodens.

Gorn mit der Axt
25.04.2005, 18:08
Sibril verneigte sich steif und ein wenig spöttisch. „So, Mylord, das ist unser Weg nach Norden.“ Thimris legte den Kopf schief. „Ich verstehe nicht.“ Sibril zeigte nicht, dass er die Worte seines Begleiters gehört hätte und entzündete ruhig eine weitere Fackel, dann ließ er ihr Gepäck in die Dunkelheit fallen und kletterte hinterher.
Von dort unten hallte seine Stimme nach und der Klang erinnerte Thimris an die Höhlen unter Esk’Almadur, dem Abendgebirge. Ihm schauderte. „Als diese Gänge gegraben wurden, stieß man im Norden und Nordwesten auf tiefere Katakomben, die damals einfach versiegelt wurden. Als dann vor einigen Jahrzehnten der Krieg ausbrach nutzte König Reginslaf einige der Stollen zum Truppentransport und ihre Ausgänge wurden mit Fallen und Schlössern versehen, damit der Feind sich nicht ihrer bemächtigen konnte. Sie wurden niemals bis zu ihrem Ende erforscht, aber weil wir nicht wissen, was die anderen auf dem Gewissen hat und ich im Gebirge keine Überraschungen erleben will, dachte ich, wir kämen auf diese Weise sicherer voran.“ Thimris tastete sich über die groben Stufen, die in die Wand gemeißelt waren. An einer Stelle war ein schmaler Absatz, auf dem er sich ausruhen konnte. Sibril war wohl schon weiter nach unten gestiegen, Thimris konnte schwach den Schein der Fackel an den schmalen Stiegenwänden erkennen. „Auf die Idee mich zu fragen seid ihr wohl nicht gekommen?“
Die Antwort von unten kam nun mit einiger Verzögerung und wurde weitaus stärker durch das Echo verzerrt als zuvor. Fast hätte man meinen können, es seien mehr als zwei Menschen in diesen Stollen. „Nein, Herr. Ich war seit über zwanzig Jahren nicht mehr in diesen Gängen unterwegs und bin bestimmt der einzige, der sich an die unteren Gewölbe noch erinnert. Deshalb sind sie mir erst wieder eingefallen, als ich einen der Eingänge sah, sie sind nämlich recht selten und kommen so weit im Süden kaum vor.“
Einmal mehr war Thimris in Versuchung die Worte seines Führers in Frage zu stellen, aber was hätte das in seiner jetzigen Lage schon gebracht? Wenn Sibril ihn umbringen wollte, dann hätte er genügend Gelegenheiten gehabt. Einsam und voller Zweifel Stieg Thimris weiter nach unten ins dunkle und geheimnisvolle Innere der Erde des Grenzgebirges.
„Haben eure Leute nie herausgefunden, wer diese Gänge gegraben hat?“ Er beeilte sich nun, den Gang herunterzusteigen, um Sibril wieder einzuholen. „Niemals. Es gab zu Anfangs einige, die versucht haben eine Karte herzustellen, aber die meisten von ihnen sind verschollen. Noch mehr als unsere eigenen Tunnel sind diese Gänge das reinste Labyrinth. Deshalb gelang es auch nie jemandem, den Ausgangspunkt der Wege zu entdecken, wir begnügten uns damit jene Wege zu benutzen , die nach Westen ins Nachbarland führen.“ Sibril machte eine Pause. „Jetzt, da wir schon in der Nähe des Grenzgebirges sind, müsst ihr mir schon sagen, wo genau eigentlich unser Ziel liegt.“ Thimris wartete mit seiner Antwort. Was sollte er dem Silas verraten? Von dem Knochen, jenem Artefakt, das ihm die Richtung wies und ihn führte, wollte er nicht berichten. Sorgsam wählte er seine Worte, bemühte sich aber bei der Wahrheit zu bleiben. „Auch ich kenne unser Ziel nicht genau. Das wenige, was wir wissen, deutet darauf hin, dass es in tief im Grenzgebirge liegt, in einer verlassen Stadt mitten in den Bergen.“ Das Licht unter ihm wurde heller, nach etwa drei dutzend weiteren Sprossen endete der Abstieg. Unten wartete Sibril auf ihn. „Von einem solchen Ort habe ich noch nie gehört, aber nördlich von Markor ist eine der schmalste Stellen des Grenzgebirges, es verbreitert sich erst weiter im Westen, etwa am Mittelpunkt des Kontinents ist es am höchsten und breitesten. Dort sollten wir unsere Suche beginnen.“ Thimris nickte zustimmend. „Dann sollten wir uns nun an die westlichsten Gänge halten, wir sind schon lange Zeit gen Norden gegangen, es könnte sein, dass sich über uns schon die Ausläufer der Berge erstrecken.“ Thimris rieb sich die Stirn. „Soll mich das jetzt etwa beruhigen?“ Sibril lachte leise. „Nun, ich dachte es würde euch freuen zu wissen wie weit wir schon gekommen sind. Dem ist offenbar nicht so. Kommt schon, das Grenzgebirge ist größer als ihr denkt. Wenn ihr es absuchen wollt, solltet ihr früh beginnen.“
Sie wandten sich also nach Westen. Nur wenige Gänge führten in diese Richtung, aber es gelang ihnen immer den ungefähren Kurs zu halten, auch wenn sie wegen Sackgassen oder Wendungen oft zurückkehren und einen der anderen Wege wählen mussten. Aus der Dunkelheit unter dem Einstieg in die Katakomben glühten grell weiße Augen durch die Finsternis. Sie waren fast geschlossen, so dass nur ein aufmerksamer Beobachter den Lichtschimmer entdeckt hatte. Die Kreatur betrachtete amüsiert die Bemühen der beiden Männer, denen es folgte, dann schlossen sich die Augen ganz und das Wesen war nicht mehr zu sehen.

Gorn mit der Axt
27.04.2005, 14:41
Geweckt wurde sie von Teldor, der sie an der Schulter berührte. Trotz der Sanftheit der Bewegung war sie sofort hellwach und setzte sich auf, noch bevor sie ihn erkannt hatte.
Hastig redete er auf sie ein.
„Seid leise! Ihr hetzt uns noch die Männer des Kapitäns auf den Hals, das können wir jetzt wirklich nicht gebrauchen.“ Jeel starrte ihn nur groß an. Sie verstand nicht, was er meinte. Sicher, sie lagerten jetzt seit einigen Tagen in der Bucht und die Männer wurden langsam unruhig, aber warum war Teldor derart aufgewühlt?
„Hört mir zu. Die Matrosen werden unruhig. Ich habe mich bei den anderen umgehört. Inzwischen weiß jeder, an welchem Ort wir uns hier befinden und dieses Wissen macht sie gefährlich. Kaum ein Mensch ist jemals aus dem Verbotenen Reich zurückgekehrt, wenn sie sich das erst mal klar gemacht haben, werden sie sich gegen jene wenden, die sie hierher geführt haben und das sind wir und ihr Kapitän. Sadrax kennt seine Leute, vielleicht kann er sie unter Kontrolle halten, aber was sich hier aufbaut kann auch er nicht verhindern. Wenn wir nicht morgen alle mit durchgeschnittener Kehle im Sand liegen wollen, müssen wir hier verschwinden.“ Jeel schüttelte wütend den Kopf hin und her und versuchte krampfhaft wach zu werden. „Ich habe auch gemerkt, dass es hier gefährlich wird, aber warum schon heute Nacht?“ Teldor flüsterte. „Sadrax und ich haben jeweils drei unserer Späher ausgeschickt, die sich umsehen wollten. Meine Leute kamen wohlbehalten zurück, seine aber blieben verschwunden. Noch ist das nicht bekannt geworden, aber ich konnte den Kapitän im Gespräch belauschen. Er meint, wir hätten den Kriegern befohlen, seine Matrosen abzufangen, als Rache für die, die von Bord gegangen sind. Ich sage euch: Wenn Sadrax beschließt, sich offen gegen uns zu wenden, dann ist unser Leben kein einziges Kupferstück mehr wert, diese Sache könnte der Auslöser für sie sein, ihre bisherigen Bedenken über Bord zu werfen.“
Teldor packte schon ihre Sachen, während er auf ihre Entgegnung wartete. „Außer uns beiden sind da noch sieben Männer von der Leibgarde, Sadrax hat noch dagegen noch zwölf seiner Seeleute. Meint ihr, er würde es auf einen offenen Kampf ankommen lassen?“ Teldor machte eine kurze Pause. „Er kennt die Stärke der Leibgarde, wenn ihr das meint. Auf offenem Terrain, in der Schlacht hätte er keine Chance, wenn er uns aber hier einen Hinterhalt legt, könnte er mit einigen Verlusten siegen. Ich an seiner Stelle würde es nicht tun, aber die Lage könnte ihn dazu zwingen und ihr wisst so gut wie ich, dass dieser Kerl unberechenbar ist.“
Jeel nickte. Oh ja, das wusste sie nur zu gut.
Sie dachte an jene Szene im Schiff zurück, aber sofort verdrängte sie das Bild wieder, sie durfte sich jetzt nicht ablenken lassen. „Was habt ihr nun vor?“ Er fasste sich einen Stein und malte in den Sand. „Jetzt ist es kurz nach Mitternacht. Zwei Stunden vor Sonnenaufgang werde ich versuchen die Wachen abzulenken und ihr könnt mit den anderen Gardisten nach Westen, ins Innere des Verbotenen Reiches fliehen.“ Er malte einen großen Bogen auf.
„Ich werde sie eine Weile beschäftigen und stoße dann in drei Tagen von Norden her wieder zu euch. Im Nordwesten gibt es einen aktiven Vulkan, man kann das Licht sehen, wenn man sich auf einen Hügel stellt oder auf einen Baum klettert. Geht immer in diese Richtung, dann müssten wir uns am Fuß des Berges treffen.“
Jeel blinzelte verwirrt. „Warum geht ihr? Warum schickt ihr nicht einen der anderen?“
Er stellte ihr Gepäck vor ihr ab. „Ihr und diese Männer, ihr seid mir beide anvertraut worden, ich muss einen Weg finden, beiden Verpflichtungen gerecht zu werden. Wenn mich Sadrax Männer erwischen sollten, könnte ich mich irgendwie aus raus winden, meine Männer würden aber ohne Nachzudenken umgebracht.“ Sie verstand sich selber nicht mehr. Zu Beginn ihrer Reise hatte sie den Mann gefürchtete wie kaum einen anderen, jetzt verunsicherte er sie nur noch und schien auf einmal sogar sehr um ihre Mission besorgt zu sein. Doch noch bevor sie etwas zu ihm sagen konnte, wandte er sich geräuschlos ab und verschwand hinter einem Gebüsch.
Dort blieb er stehen und überdachte sein Vorgehen.
Seine Lüge über den bevorstehenden Angriff der Freibeuter hatte es ihm erlaubt über sie hinweg zu entscheiden, die Furcht vor Sadrax machte sie kopflos und leichter zu kontrollieren. Sein letzter Zug würde Ereignisse ins Rollen bringen, die er nicht vorhersah, aber er tat alles sich auf jede mögliche Reaktion vorzubereiten.
Der Kapitän misstraute ihm, das war ihm bewusst, mit ein wenig Glück fürchtete er sich sogar ein wenig, aber das wichtigste war, dass Teldor in seiner Planung ein Faktor war, über den er nichts wusste, und so sollte es auch bleiben. Er bemerkte eine feuchte Stelle am Griff seines Schwertes und wischte sie ab. Sie Finger färbten sich rot. Sadrax Männer hatten ihm einen guten Kampf geliefert, aber sie waren halt nichts anderes als gekaufte Schurken und Söldner; sie waren keine Gegner für ihn gewesen.
Gedankenverloren ergriff Teldor seinen Beutel und ließ die Spielplättchen über seine blutigen Finger tanzen.
Ein weiteres Mal hatte er den Einsatz erhöht, Sadrax würde es sich zweimal überlegen, ob er mit dem Silas gleichziehen wollte. Er wusste nur nicht, was er tun sollte, wenn der Kapitän sich doch noch zum Angriff entschloss und er nichts mehr zum Erhöhen hatte. Dann konnte er nur auf sein Blatt vertrauen oder die Partie aufgeben…, auch wenn er es bedauern würde, das Mädchen opfern zu müssen.

Gorn mit der Axt
29.04.2005, 16:11
11. Verrat und Treue

Der Tag verging leise und flüsternd, ebenso wie die letzten drei Tage zuvor.
Seit jener verhängnisvollen Verwandlung war zwischen den Männern wenig gesprochen worden.
Drogan war der einzige, der nicht ein Jota von seiner Einstellung abwich. Terz dagegen schien mehr aus Gewissensbissen mit Logan zu reden, noch immer wirkte er bekümmert und zutiefst zerknirscht, dazu kam, dass er nun von Drogan gemieden wurde, der ihm den Angriff auf Logan noch nicht verziehen hatte.
Gerade jetzt half Terz ihm beim Überqueren eines schwierigen Grabens. Während der schweren Arbeit und dem Laufen unterhielten sich die beiden. Logan erkannte überrascht, dass Terz Poneson tatsächlich kaum älter war als er, manchmal, wenn sie über sein Zuhause oder seine Familie sprachen, wirkte er sogar noch jünger. Das kam, wie er zutiefst bedauerte, wegen der schlechten Stimmung der Gruppe und Terz Verletzung am Arm fiel zu selten vor.
„…Und dann hat er sich ein Me’Runel geschnappt und es ihm in den Kragen geworfen. Jelbar hat sich hin und her gewunden und ich konnte nicht anders als daneben zu stehen und zu lachen.“ Logan grinste.
„Seht da vorn, Herr. Es scheint dort wieder heller zu werden.“
Doch als Terz Stimme wieder zu hören war, klang sie wesentlich disziplinierter und ernster als zuvor. Logan blieb stehen, verblüfft darüber, wie schnell sein Freund wieder in seine Rolle als Leibgardist hineinfiel. Manchmal wusste er nicht, welche seiner beiden Seiten die echte war.
Logan richtete seinen Blick auf den Horizont. In den letzten Wochen hatte er sich stets hinter einer dicken Schicht feuchten Nebels verborgen oder war durch ganze Wälder undurchdringlichen Gestrüpps verdeckt worden, jetzt aber wurde das Licht, das ihnen entgegenstrahlte, mit jedem Schritt heller.
Terz steckte zwei Finger in den Mund und ließ eine kurze Abfolge von Pfiffen ertönen. Sofort hörte Logan, wie sich hinter ihm die Schritte seiner Begleiter beschleunigten. Nach wenigen Sekunden stand Drogan neben ihm.
Seine Stimme klang wesentlich gelassener als zu irgendeinem Zeitpunkt in den letzten Wochen.
„Nun sind wir ja doch noch angekommen. Folgt mir bitte, Herr, wir werden in kurzer Zeit das Seeufer erreicht haben.“ Logan fragte zweifelnd. „Glaubt ihr wirklich, dass wir schon den ganzen Sumpf passiert haben?“
Drogan lachte polternd. „Nun ja, Herr, wir sind dafür ja auch lange genug unterwegs gewesen, nicht wahr?“
Seine Männer grinsten, und im Stillen musste auch Logan seinem Führer Recht geben. Sie waren schon sehr lange unterwegs, länger, als er überhaupt gehofft hatte, für die Suche zu brauchen. Die Wochen waren trotz der schweren Reise wie im Flug vergangen und ihm wurde bewusst, dass er nun schon fast einen Monat, von Drogan und den anderen begleitet, nach dem Splitter des Jehransteines suchte.
Plötzlich stieg in ihm eine panische Angst auf, zu langsam gewesen zu sein. Wie weit war der Feind inzwischen vorgedrungen. Ihm stockte der Atem. Hatte er die Hauptstadt vielleicht schon lange erreicht und er und seine Geschwister hatten sich völlig umsonst auf diese Reise begeben? Rastlos marschierte er weiter, bis er Drogan wieder eingeholt hatte.
„Sagt mir, Drogan, denkt ihr wir werden mit unserer Mission Erfolg haben?“ Der Anführer der Gardisten richtete sich auf und säuberte seine Kleidung vom Schlamm des Sumpfes. „Was meint ihr, Herr.“ Denkt ihr, irgendwer von uns wäre an diesem Ort, wenn die Hoffnung auf den Sieg nicht bestünde? Ich weiß nicht, ob wir rechtzeitig wieder zur Stelle sein werden, ob eure Macht und die der anderen Zauberer ausreichen werden oder ob es euch gelingt, die im Stein innewohnende Kraft auch zu benutzen. Diese Dinge sind zu hoch für einen einfachen Keras. Ich denke nur darüber nach, wie ich euch möglichst sicher zu diesem Splitter bringen kann, und ihr könnt mir glauben, Herr, das ist schon schwer genug.“
Logan lachte. „Ich mache es euch wohl nicht gerade einfach!“
Drogan zog eine Grimasse. Zu seiner Erleichterung erübrigte sich eine Antwort, da sie in diesem Moment hinter einem gewaltigen Baumfarn den weißen Strand des Kalorassees entdeckten.
Drogan fiel eine Last von den Schultern und er wanderte langsam auf das ruhige Wasser zu, seine Gardisten dagegen jubelten ausgelassen und schlugen ihm auf die Schulter. Er schaute Terz Poneson herüber, der nicht an der allgemeinen Freude Teil hatte; er blickte nur neugierig auf das Wasser und den weit entfernt als Streifen am Horizont aufragenden Tempelberg.
Das war genau der Augenblick, als von weither ein Pfeil geflogen kam und sich mit einem schrecklichen, knirschenden Geräusch durch den Stahl seines Brustpanzers bohrte. Terz fiel zu Boden und krümmte sich zusammen. Kurz darauf stürzte ein Pfeilhagel auf die Männer hernieder.

Gorn mit der Axt
02.05.2005, 10:57
Seine Klauen bohrten sich in das Holz einer Sumpfeiche. Er war zwar schon die ganze Nacht unterwegs, aber er spürte, dass sein Ziel nicht mehr fern sein konnte. Stück für Stück ließ das unangenehme Ziehen in seiner Brust nach, dass ihn seit Tagen peinigte und machte einer tiefen Besorgnis Platz.
Der Trilak war alt genug, sich der Bedeutung des Rufes bewusst zu sein.
Obwohl diese Tage schon Jahrzehnte her war, konnte er sich genau an die Erzählungen seiner Eltern erinnern.
Als Geschöpf Jehrans war es ihre Aufgabe, jenen zu helfen, die er erwählt hatte und die seinen Geboten folgten.
Doch schon lange gab es nicht mehr genug von ihnen, um diese Aufgabe zu erfüllen.
Einige Schritte neben ihm ließ sich ein Waldkauz schwer auf seinen Ast sinken. Ärgerlich öffnete er die Augen und funkelte das Tier an, das vor den gleißendhellen Augen zurückschreckte und sich flatternd wieder in die Lüfte erhob. Greelon gab einen knurrenden Laut von sich.
Er verstand nicht, warum sein Ziel vor ihm zu flüchten schien. Trilaks halfen jenen, die in Not gerieten, auch wenn das nur selten in ihrer Macht stand, aber man konnte doch wenigstens erwarten, dass der Bedürftige an Ort und Stelle blieb!
Stattdessen verfolgte er diesen Menschen nun schon seit fast zwei Wochen.
In einem Moment saß er zufrieden in seiner Wohnhöhle im Gebirge von Me’ Erun, im nächsten zerrte ihn etwas buchstäblich in die Luft.
Diese Reise dauerte länger, als jede andere zuvor, er fragte sich langsam wirklich, was man dort von ihm eigentlich wollte. Außerdem beunruhigte ihn das Vordringen der Nordländer, die er aus sicherer Höhe schon in Markor und Fratom gesehen hatte. Er zischte unzufrieden. Merkwürdige Zeiten waren das!
Einmal hatte er schon einen Blick auf die beiden werfen können, doch auch wenn die Dunkelheit dort unten für seine nachtaktiven Augen kein Hindernis darstelle, die Fackeln der Männer taten es. Mehr als verschwommene Schatten waren nicht zu erkennen gewesen. Er musste abwarten, bis sie schliefen. Es war ihm auch schon vorgekommen dass ihn Menschen angegriffen hatten, trotz der Achtung, die die meisten Menschen seiner Gattung entgegenbrachten. Er wollte lieber nicht riskieren, den Männern gegenüberzutreten, aber wenn sie sich das nächste Mal zur Ruhe legten, mochte es möglich sein, mit einem von ihnen zu sprechen, ohne, dass er sich in Gefahr begab.
Bei diesem Gedanken schaute der Trilak sich ängstlich um. Er hatte das Gefühl nicht allein zu sein und unabhängig von ihrer Größe stand seine Art eher am Ende der Nahrungskette. Der einzige Unterschied war, dass sich ihre Feinde von Jahr zu Jahr änderten. Seine Eltern hatten ihm noch eingeschärft, Vögeln und Ratten auszuweichen, aber schon seit langen wollten die nichts mehr von ihm wissen, standen selbst schon bald auf seiner Speisekarte. Seine Furcht galt nun den großen Kleradlern des Gebirges, Dachsen und Baummardern, doch seine scharfen Sinne konnten keinen seiner Jäger entdecken. Aber dennoch, er war erfahren genug, seinem Instinkt zu vertrauen.
Irgendetwas war dort draußen.
Er entspannte seinen Körper, ließ sich ruhig auf den Ast sinken und stellte sich schlafend.
Dann stieß er sich von dem Ast ab und tauchte so schnell er konnte in das dichte Buschwerk ein, das sich unter ihm erstreckte. Sofort ertönte ein schriller Schrei, einem Pfiff wie von großen Vögeln nicht unähnlich, aber ungleich lauter. Noch heftiger schnellten seine Flughäute vor und zurück und drängten die Luft nach hinten.
Seine Augen, die seitlich an seinem Kopf anlagen, ermöglichten ihm weite Sicht, doch noch immer war nichts zu entdecken. Furchtsam Haken schlagend flog er doch die Luft, seinem Ziel entgegen, einem kleinen Loch im Boden, das sein Verfolger, so hoffte er, nicht passieren konnte.
Das war der Moment, als die Schreie vor ihm erwidert wurden.

Gorn mit der Axt
04.05.2005, 14:19
Sie konzentrierte sich. Der Teil ihrer Gabe, der es ihr gestattete sich zeitlos an einen anderen Ort zu begeben strengte sie weitaus mehr an, als andere Anwendungen der Magie und hier, in der Nähe des Splitters stellte sich ein heftiger Widerstand ein. Rasende Kopfschmerzen bemächtigten sich ihrer, doch sie blieb standhaft und lenkte immer größere Mengen der geringen ihr verbliebenen Kraft in ihre Gabe.
Sie verschwand.
Und tauchte wieder auf. Sie brauchte einen Moment um sich zu orientieren, unsicher, wie weit sie es mit der Behinderung geschafft hatte. Der Mond wurde durch Wolken verdeckt, aber sie konnte zu ihrer Linken in der Ferne das Lagerfeuer erkennen, wo Sadrax Schurken lagerten.
Armer Teldor, er wusste nichts von ihrer Magie, wusste nicht, was sie bewirken konnte und wo ihre Grenzen lagen, selbst wenn diese in diesem unbekannten Land enger waren denn je.
Als sie sich auf den Weg zum Treffpunkt machte, konnte sie die Rufe der Männer hören, die Musik des Dschungels übertönten. Spätestens jetzt würde Sadrax Jagd auf Teldor machen.

Der rannte viele hundert Schritte von ihr entfernt um sein Leben.
Verfluchtes Mädchen, warum war sie nicht wie geplant mit den Männern gegangen?
Misstraute sie ihm? Dann hatte er verloren. Seine einzige Chance sich aus dieser misslichen Lage zu befreien und die Waage wieder zu seinen Gunsten zu beeinflussen war Jaleel wieder in seine Gewalt zu bringen.
Kurz hatte er überlegt, ob er das Mädchen ausliefern und zum Norden überlaufen sollte, die Belohnung für diese Tat konnte aber eben so wertvoll wie tödlich sein. Doch so weit war es noch nicht.
Stattdessen hatte er den Kapitän auf den Fluchtversuch des Mädchens aufmerksam gemacht, um ihn einen weiteren Tag zu besänftigen. Auf diese Weise mochte er sie vielleicht sogar noch schützen. Doch Sadrax und seine Männer warteten vergeblich vor dem Zelt und Teldor hatte sich verflucht, weil er nie daran gedacht hatte, Jeel zu fragen, was ihre wunderbaren Fähigkeiten nun eigentlich ausmachten.
Wie hatte sie es nur geschafft, zu verschwinden?
Die bittere Ironie, der er sich sonst so gerne bediente erfüllte heute seinen Mund, er war gezwungen gewesen, die Männer des Kapitäns abzulenken, genau wie er es ihr erzählt hatte!
Jehran allein mochte wissen, ob sie es schaffen würde ihr ominöses Ziel zu erreichen, aber wenn er zu dieser Zeit nicht in ihrer Nähe war hatte er verloren, egal wie der Krieg auf dem Festland ausgehen mochte.
Dann hätte er nur noch die Wahl, ob er als versagender Spion oder als verräterische Leibwache hingerichtet würde.
Verfluchtes Mädchen!

Gorn mit der Axt
06.05.2005, 13:07
„Verflucht, Pol, nun geh schon in Deckung!“ Drogan fuhr den letzten noch stehenden Leibgardisten mit harscher Stimme an. Um sie herum prasselten jetzt etliche der Geschosse hernieder und Logan flüchtete sich hinter einen der riesigen umgestürzten Bäume. Der hagere Mann landete schwer neben ihm im Sand und winzige Gesteinsbrocken flogen in Logans Gesicht. Eilig wischte er sich über die Augen, um sie vom Sand zu befreien und hob den Kopf über das verrottete Holz des Baumriesen. Drogan raste mit ungeahnter Geschwindigkeit auf ihn zu, den verletzten Terz über der einen, den mächtigen Rundschild als einzigen Schutz über der anderen Schulter. Der Fünfte ihrer Gruppe, der grauhaarige Veteran, lag, heftig aus wenigstens drei Wunden blutend, am Boden und rührte sich nicht mehr.
Kurz vor seinem Ziel traf Drogan einer der Pfeile in den Oberschenkel, der Keras strauchelte und stürzte schwer gegen ihre Barrikade, die unter seinem Gewicht erzitterte.
In dem kurzen Moment, in dem sich vergeblich bemühte den beträchtlichen Umfang des Baumes zu überwinden, überschütteten die Angreifer sie mit einem wahren Hagel von Geschossen. Die meisten der heimtückischen Attacken schlugen fehl, die Pfeile wurden vom Stahl des Schildes oder den Platten seiner eisenbeschlagenen Rüstung abgewehrt, doch zweimal drangen sie durch seine Rüstung hindurch, bevor Logan Terz über den Baumstamm hievten und Drogan sich zu ihnen hinüberrollte.
Ein tiefes Grollen drang aus seiner Kehle, als der Offizier sich aufrichtete und Logan sah entsetzt mit zu, wie er die Schäfte der Pfeile umfasste und mit einem Ruck herauszog. Seine Schmerzen waren ihm anzusehen, denn die Sehnen an Hals und Armen traten hervor, so sehr spannte sein Körper sich an, aber kein Schrei war zu vernehmen. Als Logan sich in Drogans Nähe robbte, sah er, dass dieser den Mund fest zusammengepresst hatte. Zwischen seinen Zähnen schaute ein breiter Lederstreifen seiner Rüstung hervor.
Als er Logan bemerkte legte er auch den letzten Schaft aus der Hand und spie den Lederfetzen aus.
„Wie viele sind es?“ Seine Stimme klang keuchend. Logan hob die Hand und kroch auf jenen Stelle zu, wo der sich die Wurzeln des Baumes aus der Erde gelöst hatten. Ächzend glitt er zwischen den dicken Wurzeln entlang und verharrte dann, als der Blick auf die Lichtung frei wurde.
Hinter den Büschen zeichneten sich mindestens ein halbes Dutzend Gestalten ab, dazu entdeckte er noch vier weitere im Schutz des Blattwerks hoch oben in den Ästen der Bäume. Er fluchte vernehmlich, doch seine Worte gingen im Lärm der heranfliegenden Pfeile unter.
Vorsichtig schlich er sich wieder zurück. Drogan blickte ihn fragend an. „Wenigstens zehn Mann und ich wäre überrascht, wenn es nicht noch mehr wären.“ Der letzte Gardist, Pol, zog in aller Seelenruhe seine Waffengurte von den Schultern und breitete sie neben sich aus. „Habt ihr erkennen können, ob es sich um Soldaten oder einfache Räuber handelt, Herr?“ Er griff nach seiner Armbrust und legte einen Bolzen ein. Drogan hob an. „Sei nicht närrisch. Kein Räuber würde uns wochenlang durch diesen Sumpf verfolgen, selbst wenn wir offen die Kronjuwelen Gordians auf unseren Schultern trügen!“ Doch seine breite Stirn legte sich in Falten, als er noch einmal den Pfeil besah, der ihn getroffen hatte.
„Verdammt!“, spie er aus. „Das ist keine Nordländerarbeit. Allein schon die Befiederung ist verkehrt.
Aber wer…?“ Er brach mitten im Satz ab, als er bemerkte, dass der Beschuss der Feinde abrupt endete.
Logan hob seinen Kopf und blickte zu den Schützen herüber. Zwischen ihnen, mit einem breiten und verschlagenen Grinsen im Gesicht, trat Solos hervor.
„Seid gegrüßt, Herr. Wie ich sehe hat euch nun doch keine Schlange erwischt. Schade, das hätte mir viel Mühe erspart.“ Der verwundete Drogan fluchte laut auf, was ihre Feinde veranlasste in heftiges Gelächter auszubrechen.
Doch Solos hatte sie schnell wieder in der Gewalt.

Gorn mit der Axt
08.05.2005, 16:17
„Unser tapferer Keras hat die Reise wohl ebenfalls überstanden. ‚Ich beschütze meinen Herren, was immer auch kommt’, war das nicht euer Motto? Nun, dieses Mal werdet ihr es nicht erfüllen können.“
Pol rief herüber. Seine Stimme hatte nichts von ihrer üblichen Ruhe verloren. „Sagt, was ihr wollt oder lasst es. Ansonsten würde ich euch raten, mit euren Atraki Freunden wieder zu verschwinden.“ Auch wenn der Ton kalt war, er ließ er klar werden, dass er die Bedeutung dieses Wortes kannte.
Solos schoss das Blut in den Kopf, man konnte regelrecht zusehen, wie in ihm die Wut anschwoll. Logan verstand das nicht. Wenn der Späher sie umbringen wollte, warum tat er es dann nicht endlich und warum regte er sich so über Pols Worte auf?
Als Solos diesmal sprach, klang seine Stimme kalt und zynisch, alle heuchlerische Freundlichkeit hatte er abgelegt.
„Was ich will? Nun, zuerst hatte ich vor, den Jungen umzubringen und wieder zu verschwinden.
Ihr anderen hättet die Reise zurück auch so nicht überlebt, mal ganz davon abgesehen, dass Urorkon bis dahin das Imperium schon vernichtet hätte. Aber nun, da euer Kamerad so nett bittet, werde ich euch mit Freuden alle zu eurem Götzen schicken.“ Er zog seinen Dolch und seine Schwert aus der Scheide und wies damit auf den umgestürzten Baum. Seine Männer, Wüstenbewohner mit verschlungenen Gewändern und Kopftüchern, die mit schweren Krummsäbeln und Kurzbögen bewaffnet waren, traten aus ihrer Deckung hervor und kreisten Logans Gruppe langsam ein.
Dann ein kurzes, scharfes Surren, ein erstickter Schrei.
Pol hatte seine Armbrust auf den Ellenbogen aufgestützt und den ersten von Solos Männern mit einem Schuss in den Hals niedergestreckt. Bevor Logan richtig erkannte, was er getan hatte, legte er schon den nächsten Bolzen ein und legte sein Schwert griffbereit neben sich in den Sand. Nun schreien auch die anderen Männer und stürmten auf sie zu, einige vorsichtig und verhalten, andere ohne auf ihre eigene Sicherheit zu achten,doch noch bevor sie auch nur in die Nähe des Baumes gekommen waren, wurden zwei weitere mit einem hässlichen Laut von mehreren Wurfmessern durchbohrt. Logan drehte sich überrascht herum und sah Terz, mit schmerzverzerrtem Gesicht, halb aufgerichtet an das raue Holz gelehnt.
Furcht stieg Übelkeit gleich in ihm herauf, er wusste nicht, was er tun sollte, wie er sich wehren konnte. Selbst der jüngste seiner Begleiter vermochte sich noch etliche Male besser zu schützen als er, obwohl einer seiner Arme gebrochen und seine Schulter von einem Pfeil durchbohrt war. Furchtsam, fast gegen seinen Willen, rappelte er sich auf und wich hastig vor den sich nun achtsamer nähernden Krieger zurück.
Drogan schaute zu ihm herüber und blickte ihn an. Dann fasste er mit beiden Händen den Schaft seiner Schlachtaxt und platzierte sie neben sich. Er zog sich an ihr hoch und trat neben Terz.
„Geh du mit Herr Logan weiter und versucht den Splitter zu finden, wir werden versuchen, den Feind so lange aufzuhalten.“ Der junge Gardist schüttelte erregt den Kopf. „Ich bin nicht schwer verletzt, ich kann euch helfen.“
Drogan legte ihm die Hand auf die Schulter. „es geht nicht darum, ob du kämpfen kannst. Wer soll denn unseren Herren beschützen, wenn wir drei hier bleiben.“ Das Wort „Sterben“ umging er, aber es hing in der Luft wie ein dunkler Schatten. „Als du in die Garde eintratest, hast du einen Eid geleistet. Willst du ihn jetzt brechen oder gehst du jetzt?“ Terz Hände, die seine zwei letzten Messer hielten, begannen zu zittern. „Aber, ich kann doch nicht…“
Doch da hatte Drogan genug. Er fuhr auf und donnerte röchelnd. „Was kannst du nicht. Ich habe dir beigebracht, was du zu tun hast. Hast du etwa alles vergessen? Hast du immer noch nicht gelernt, wie man Befehle auszuführen hat?“ Terz wurde aschfahl. Seine Miene verriet nichts, aber er nickte. Obwohl ihm seine Wunde an der Seite sichtbar Schmerzen bereitete, stand er geduckt auf und zog Logan mit sich.
Als der noch einmal vor dem Abstieg in den See zurückblickte, sah er als letztes ihre Jäger, die aufgeregt auf Terz und ihn deuteten und Korporal Drogan, dessen blutige Hände sich um seine Waffe schlossen.

Gorn mit der Axt
11.05.2005, 12:46
Er flatterte durch die Gänge, die hellen Augen auf den Weg vor sich gerichtet.
Er hatte es über die ganze Zeit hinweg nicht geschafft, das Biest hinter sich abzuhängen, noch immer hörte er das schwere Rauschen und Zischen in der Dunkelheit hinter sich. Doch nun tauchte endlich vor ihm das Licht der beiden Männer auf, denen er folgte. Er hoffte, dass diese beiden unerwarteten Gegner seinen Verfolger abschrecken würden. Sein Echolot trillerte durch die Luft und in seinem Kopf erschien, erleuchtet von einem schwachen grünlichen Licht, das Bild der Gänge, durchbrochen nur von dem weit entfernten Chaos, das dort entstand, wo eine senkrechte Wand oder ein abzweigender Gang die Echos verzerrten. Auf einmal tauchte in dem grünen Licht ein flirrender Schemen auf, unmittelbar vor ihm, zischte um haaresbreite an ihm vorbei und machte sofort wieder kehrt. Greelon schlug verzweifelt mit seinem Rückensegel nach links und der Gang legte sich auf die Seite, als sich an der angreifenden Gestalt vorbeischraubte und weiter auf die hellen Lichter der Fackeln, die ihm in den empfindlichen Augen schmerzten, zueilte.
Endlich hatte er den Rand des Lichtscheins erreicht und presste sich in eine der größeren Spalten, wo ein kleiner Teil des uralten Mauerwerks hindurch dringenden Wurzeln gewichen war. Von dort konnte er die Stimmen der beiden Männer hören. Der jüngere von beiden saß an einer Feuerstelle am Rande einer großen Weggabelung, sein Begleiter mit dem silbernen Fell trat gerade aus einem der Seitengänge.
„Habt ihr etwas entdecken können, Sibril?“ Der andere setzte sich ohne Antwort hin und legte seine Hände um das kleine Feuer, erst dann sagte er. „Ich weiß nicht. Ich dachte, ich hätte etwas gesehen, aber…“ Der junge Mann furchte die Stirn. „Ja was denn nun? War dort etwas oder nicht?“ Der Zweite machte eine nichtsagende Bewegung und gestand seine Unkenntnis ein.
Eine Weile noch saßen sie schweigend dort und aßen, dann ruhten sie sich eine Weile an die Wand des Ganges gelehnt auf, bevor sie sich offenkundig missgelaunt aufrichteten, sich einen der Gänge auswählten und hinein schritten. Mit achtsam geöffneten Augen und langsamen Flügelschlägen folgte er ihnen, darauf bedacht, keinen Laut von sich zu geben. Er konnte sch irren, aber er glaubte in dem Silberfelligen seinen Angreifer erkannt zu haben. Für den geübten Beobachter waren seine langen Schritte und bedachten Bewegungen ein Zeichen seiner vollkommenen Körperbeherrschung und die gekreuzten Schwertklingen, die einen harten metallenen Geruch verströmten und lange Schatten im Licht der Flammen auf das Mauerwerk warfen, erinnerten ihn an die wirbelnden Schatten, denen er in den Gängen ausgewichen war.
Greelon fragte sich, ob er sich wirklich den beiden Männern anvertrauen konnte, wenn einer von ihnen sein Angreifer war. Es stand ohne Zweifel, dass es diese beiden waren, zu denen er geschickt worden war, das war ihm in den langen Wochen der Verfolgung klar geworden, die er mit nichts außer einem Gefühl der ungefähren Richtung und der Vision ihrer unmittelbaren Umgebung hatte hinter sich bringen müssen. Aber warum sollte er, ein Bote in der Gunst des Erhabenen, Männern zu Diensten sein, die sich von den Wegen des Höchsten abgewandt hatten und sich grundlos gegen ihn wandten.
So etwas war ihm noch nie passiert. Greelon war verwirrt. Sollte er sich den beiden zeigen und darauf hoffen, dass ihn seine Sinne getäuscht hatten? Oder sollte er aus der Sicherheit der Finsternis heraus zu ihnen sprechen?
Die beiden waren schließlich nur Menschen und aus welchem Grund der Höchste sie auch immer mit Wohlwollen betrachtete, so waren sie doch nicht in der Lage ihn in diesem Versteck aus verzweigten, meilenlangen Gängen und undurchdringlicher Finsternis zu entdecken. Doch schnell verwarf er diesen Plan wieder. Wer auch immer sein Feind gewesen war, vor dem er draußen auf der Ebene und in den Tunneln hatte flüchten müssen, er war selbst seinen scharfen Sinnen überlegen und würde sich von dem Mangel an Licht nicht hindern lassen.
Oder sollte er sich nur einem von ihnen zeigen? Dem Jüngeren? Greelon betrachtete ihn genauer. Der Mann war gerade erst dem Kindesalter entwachsen und ein besorgter Zug umspielte seine Züge, in die die Anstrengung seiner Reise harte Linien gegraben hatte und in seinem nachtschwarzen Fell rangen die matte Farbe des allgegenwärtigen Staubs und der Glanz des Schweißes einen erbitterten Kampf.
Ja, sagte er zu sich selbst. Bei diesem hier würde er es zuerst versuchen.

Gorn mit der Axt
16.05.2005, 10:03
Die Schreie der Kämpfenden verstummten zwar nicht, lange Zeit schallten sie noch über den Strand und trieben Logan und Terz weiter an, doch mit jedem weiteren Schritt wurden sie leiser.
Logan blickte zu Terz herüber, der sich die Wunde an seiner Brust hielt, die er mit einem Stück seiner Rüstung bedeckt hatte. „Hat es dich schwer erwischt?“ Schon als er es aussprach kam er sich dumm vor, jeder Narr hätte sehen können, dass der junge Gardist nur unter Schmerzen in der Lage war weiterzulaufen. Doch Terz zischte nur.
„Es geht schon.“ Besorgt bemerkte er, dass sie eine dünne Spur aus Blutstropfen hinter sich herzogen.
„Verflucht!“ Er fasste Logan an der Schulter und blieb stehen. Dann öffnete er seine Rüstung und riss einige Streifen des schweren leinenen Hemds ab, das er darunter trug. Diese wickelte er sich behelfsmäßig über die Wunde und verknotete sie hinter seinem Rücken mit einem Stück Kordel. Sein Lächeln wirkte gestellt, als er meinte. „So werden sie wenigstens nicht sofort auf unsere Fährte kommen.“ Logan nickte bestätigend.
„Aber vermutlich werden sie uns überhaupt nicht verfolgen. Ich kann mir nicht vorstellen, wie sie an Pol und Drogan vorbeikommen sollen.“ Terz Miene verdüsterte sich. „Niemand ist unbesiegbar. Besonders nicht jemand, der verschworen ist, sich für andere zu opfern.“ Logan erstarrte. Er hatte Terz nicht verletzen wollen. „Es … tut mir leid, ich wollte euch nicht beleidigen. Ich weiß durchaus, was ihr hier für mich riskiert.“ Terz antwortete nicht. Seine Augen waren steinern auf die dünne Linie des Wassers vor ihnen gerichtet.
Bis sie dann wirklich das Seeufer erreichten vergingen noch endlose Minuten, in denen keiner von ihnen etwas sagte. Logan befürchtete trotz seiner Hoffnung auf Drogan, jeden Moment, dass Solos und seine Männer hinter ihnen auftauchen würden, doch in dieser Richtung sah er nichts als eine weite Ebene weißen Sandes, überdeckt von einem schwachen grünen Schimmer der oberste Baumwipfel des Sumpfes.
Logan versuchte sich an alles zu erinnern, was Ziordan ihm über den großen See von Kaloras erzählt hatte, aber das Wissen schien in den Wochen in der Wüste verblasst zu sein. Früher war dies hier eine weite Ebene gewesen, bis sie von den Wassern aus dem Grenzgebirge überflutet worden war, deshalb war der See auch an den meisten stellen nur wenige Fuß tief. Er runzelte die Stirn und sah sich um. In einiger Entfernung fand er einen Ast, etwa so lang wie er selbst. Er nahm ihn auf in tastete mit ihm nach dem Boden des Sees, der unter dem schmutzigen Wasser verborgen lag.
Aber schon nach wenigen Fingerbreit stieß er auf einen Widerstand. Er belastete den Stab stärker und spürte, wie er sich in den Sand und Kies des Flussgrundes bohrte. Er rief nach Terz, der noch immer mit der Versorgung seiner Wunde beschäftig war. „Komm hier herüber. Der See ist nicht einmal einen Fuß tief, wir können problemlos durchwaten.“ Terz warf ihm einen zweifelnden Blick zu, schritt aber dennoch auf ihn zu und folgte ihm dann mit vorsichtigen Schritten in den See.
In den folgenden Stunden stieg die Sonne am Horizont herab, die Hitze des Dschungels und der Wüste, von der sie die letzten Wochen gepeinigt worden waren, hatte über dem See schon beträchtlich nachgelassen, doch nun wurde es regelrecht kalt und die beiden liefen dicht nebeneinander um dem aufkommendem Wind, der hier wie auf einer Steppe hindernisslos über das Wasser brauste kein unnötig großes Ziel zu bieten.
„Wie bist du eigentlich in die Leibwache gekommen?“ fragte Logan. Der Gedanke war ihm nur so in den Sinn gekommen, aber nun wunderte er sich, dass Terz, oder überhaupt einer seiner Beschützer irgendetwas über sich erzählt hatten. „Es schein gar nicht zu dir zu passen.“ Terz grinste ein wenig verlegen. „Mein Großvater arbeitet für eines der Herrscherhäuser. Er ist der Schild von Königin Katharina von Seregond, mit der unsere Familie entfernt verwandt ist. Er hat Rians Vater gebeten, mich bei sich aufzunehmen, aber er starb kaum, dass ich hier angekommen war. Das Wachen wohl liegt bei uns in der Familie.“ Logan schaute ihn fragend an. „Nun ja, mein Großvater beschützt die Königin, mein Vater bewacht den Kronprinzen und zwei meiner Onkel arbeiten in der Leibgarde der Familie des Hochkönigs. Und Drogan…“ Er brach ab. Logan hörte auf. „Was ist mit ihm.“
Terz schüttelte unbehaglich den Kopf. „Ich darf es nicht sagen. Drogan hat gesagt, er würde mich der Wache verweisen, wenn ich davon rede.“ Bei der Erwähnung des Keras schaute Logan zurück und erstarrte. Dann packte er Terz Schulter und riss ihn nach unten ins seichte Wasser. „Hoffen wir, dass Drogan überhaupt noch in der Lage ist, jemanden zu verweisen.“ Er wies mit dem Arm nach Westen, wo sich gegen die untergehende Sonne die Silhouetten einiger Männer abzeichneten.
Die schwache Hoffnung, dass es sich um ihre beiden fliehenden Begleiter handelte erstarb schon auf den ersten Blick.
Es waren mehr als zwei Männer, die da auf sie zukamen.

Gorn mit der Axt
18.05.2005, 14:13
Terz stöhnte leise auf. „Ich dachte, wir hätten sie abgehängt! Armer Drogan.“
Logan war sich unsicher. „Meinst du, sie haben uns gesehen?“ Terz antwortete. „Ich denke nicht. Die Sonne scheint fast seitwärts auf das Wasser und jede noch so kleine Welle wird das Licht zu ihnen zurückwerfen. Am Besten, wir bleiben hier liegen und rühren uns nicht, bis sie woanders suchen.“ Er überlegte. „Was werden sie wohl machen, wenn sie uns hier nicht finden? Werden sie den Saum des Sees absuchen oder ihn durchqueren und uns an unserem Ziel auflauern?“ Logan zuckte hilflos mit den Schultern.
Die Minuten verstrichen und dehnten sich dabei ins Endlose. Immer wieder sahen sie die Schatten der Späher vor ihnen auftauchen und jedes Mal schienen sie ein wenig näher. Doch ob das an Logan Einbildung lag, oder daran, dass er immer müder wurde, konnte er nicht sagen. Schließlich versank auch der Rest der Sonne in den Fluten und der See wurde in Dunkelheit gehüllt. Logans Unruhe wuchs immer mehr. Jetzt waren nur noch die Geräusche der Männer verblieben, doch sie gingen unter im Platschen der Wellen und dem Rauschen des Windes, so dass die Zahl ihrer Verfolger seiner Vorstellung sich mit jeder weiteren Minute vervielfachte.
Seine beginnende Hysterie wurde abrupt unterbrochen, als der feine Kies des Sees mit einem knirschenden Laut niedergedrückt wurde. In nächster Nähe hörte er unterdrückte Laute in einer ihm unbekannten Sprache, doch er zweifelte nicht daran, dass es sich um einen heftigen Fluch handelte, den der ungeschickte Mann ausstieß.
Er hätte fast aufgeschrieen, als sich der Druck von Terz Hand um sein Handgelenk plötzlich verstärkte. Er schaute herüber, und obwohl in der hereinbrechenden Dämmerung kaum etwas zu sehen war, vermeinte er ein leichtes Nicken zu erkennen.
Offenbar war es nun dunkel genug, einen Versuch zu wagen.
Terz kroch durch das inzwischen erkaltende Wasser von den Männern weg auf das Innere des Sees zu. Logan folgte ihm und versuchte, sich tragen zu lassen und nur mit Händen und Füßen noch den Seeboden zu berühren. Eine Weile lang nahm er nichts wahr außer seinem eigenem unterdrücktem Atmen und dem steinigen, schmerzhaften Grund des Bodens, der sich in die weiche Haut seiner Handflächen bohrte.
Später wusste er nicht, ob es diese Schmerzen waren, die ihn verrieten, er merkte nur, dass seine Finger in dem kalten Wasser jegliches Gefühl verloren, dass sich diese Taubheit bis in seine Hände und Unterarme fortsetzte und sich unter ihm auf einmal ein Loch im Kies auftat. Sonst wäre er vielleicht in der Lage gewesen, schnell genug zu reagieren, so jedoch, wie betäubt von der Kälte des Sees, erkannte er das Verhängnis erst als er nach unten wegsackte und mit einem hörbaren Platschen bis zu den Schultern im Wasser versank, wobei er an den Rändern der Unebenheit heftig anstieß und mit der Brust aufschlug, dass ihm sein Atem mit einem seufzenden Pfeifen entwich.
Sofort war Terz wieder an seiner Seite und zerrte ihn auf die Beine. Eben so schnell wurden hinter ihnen die Stimmen ihrer Verfolger lauter, als diese versuchten, in der dunklen Nacht ihre Beute auszumachen. Auf der spiegelnden Oberfläche konnte Logan den Schein der Fackeln erkennen, die sie entzündeten und er taumelte hinter Terz her, der ihn trotz seiner eigenen Wunden mit einer Kraft neben sich her schob, die Logan ob seines schmalen Körperbaus überraschte.
„Schnell, eilt euch!“ Terz Atem ging keuchend. „ Wenn sie uns erst einmal entdeckt haben, ist es aus! Wir müssen aus ihrem Sichtbereich entkommen, auf dem riesigen See werden sie uns nicht mehr folgen können.“
Einmal mehr glitt Logan aus, doch tapfer schlang er seinen Arm um Terz Schulter und hielt nicht inne.
Als er auf seine Handfläche herabblickte, sah er mit Unverständnis auf die dunkle, im Mondlicht silbrig schwarz schimmernde Lache des Blutes, die sich in kleinen, talergroßen Sprenkeln klar von der Nässe des Wassers abzeichnete. Terz Wunde war wieder aufgebrochen.
Logan machte sich arge Vorwürfe. Wie konnte er auch nur daran denken, aufzugeben! Er war es doch nicht, der vom Pfeil getroffen worden war! Ohne Kraft, dafür aber mit neuer Entschlossenheit veränderte er seinen Griff am Arm des jungen Gardisten. Als sie weiter in die Finsternis hinein flüchteten war schon nicht mehr zu erkennen, wer wen stützte und wem geholfen wurde.

Gorn mit der Axt
20.05.2005, 17:35
Wochenlang zog er weiter nach Nordosten.
Seine Spur zog sich, vom ständig erstarkenden, eiskalten Wind beständig fort gewaschen, von seinem eigenen kleinen Heimatdorf fort, schlängelte sich am Sud-Schelf entlang, vorbei am Lager des Clanoberhauptes und den ersten spärlichen Ansiedlungen der Städter, die man so weit im Norden nur selten zu Gesicht bekam.
Das schmale Band schwenkte dort, wo die eisige Tundra auf das erste, kümmerliche Gras traf, nach Norden ab.
Dort wurde es mit jeder weiteren Meile kälter, der Schnee, der bisher die tiefen Fußabdrücke gefüllt hatte, machte nun brüchigem Eis Platz, das unter den Füßen unvorsichtiger Wanderer nicht selten nachgab und unter dünnen Eisdecken metertiefe Schluchten und Höhlen bereithielt.
Schließlich erreichten sie das Kap Verhagad, die oberste Spitze des großen Nordlandgebirges, das sich von weit im Norden des Kontinents bis in das Zentrum erstreckte und sich dort mit den riesigen Gebirgszügen des Grenzgebirges vereinigte. Dies war der nördlichste und kälteste Punkt der Reise, denn hinter dem Kap erstreckten sich bis weit in den Süden die Niederungen von Argasch, jene dunkle und unerkundete Region, die nur an den besser erreichbaren Hochlanden am Rande von Menschen besiedelt war und dessen Mitte, mit seinen tiefen Tälern und eisbedeckten Seen von den Dämonen beherrscht wurde.
Hier, an der westlichen Grenze Argaschs endete die abenteuerliche und beschwerliche Reise, die Fußspuren verliefen sich, als das Eis sich in der Kälte verdichtete und die Härte und von Stein und Stahl annahm.
Jetzt war sein weiterer Weg nur schwer zu verfolgen, keine Spur, nicht einmal die kleinste Mulde hatte er in diesem ewigen Panzer hinterlassen; kleine, kaum zu erkennende Stellen in geschützten Felsspalten, wo der Fels vom Feuer geschwärzt und der Schnee zu niedrigen Mauern aufgetürmt war, zeugten von seiner Anwesenheit.
Drei, vier, fünf dieser Hinweise hätte ein mutiger Reisender entdecken können, bis er Fraladruin endlich erreichte.
Niemand aus seinem Heimatdorf hätte ihn wohl wieder erkannt, der eisige Wind hatte tiefe Falten in seine Gesicht gegraben und seiner Haut die Farbe des Lebens genommen, Hunger und Entbehrungen nahmen seinem Körper die muskulöse Gestalt und ließen nur wenig der eindrucksvollen Erscheinung zurück, nur das wache Glitzern in seinen Augen und die Leichtigkeit, mit der er trotz allem seine Initationswaffe hielt, legten Zeugnis von seiner Stärke ab. Extra für ihn war sein Großvater in die großen Städte im Süden gereist, wo der Stahl härter und besser, die Arbeit kunstfertiger war. Und es hatte sich gelohnt, der gewaltige Kriegshammer war über und über mit feinen Ziselierungen bedeckt und in ihm steckte eine enorme Kraft, die von dem hohen Gewicht herrührte, kein anderer seines Stammes war in der Lage, diesen Hammer zu schwingen wie er und unter der Wucht der Schläge zerbrachen auch die besten Schilde des Lagers zu Splittern. Die Freude über dieses Geschenk war es gewesen, die das Band zwischen Großvater und Enkel neu geschmiedet hatte und bis zu jenem verhängnisvollen Tag, an dem er seine wahre Herkunft erfuhr, hatte nichts es wieder lösen könne, nicht einmal sein Schmerz über den Tod seines Bruders. Jetzt, nachdem der dahinsiechende Igmar Var Dralun ihm das Buch und seine Geschichte gegeben hatte, war er sich auch dieses letzten Halts in seinem Leben nicht mehr sicher.
Doch nun lag die mächtige Waffe im Schnee, der ganze Stolz ihres verschworenen Kriegers, kaum zehn seiner langen Schritte entfernt und doch unsagbar weit. Frald war nur noch mit seinem Jagdmesser bewaffnet, einer jämmerlichen Waffe für einen Clanskrieger, und zudem verletzt, er hatte sich schon seines schweren Mantels entledigt und ihn sich wie einen Schild um den Unterarm gewickelt, um wenigstens ein Mindestmaß an Schutz zu haben. Doch die Sinnlosigkeit seines Tunst schmerzte ihn. Der Gundur, der turmhoch vor ihm aufragte, war zwar noch nicht ausgewachsen, doch für einen einzelnen Krieger ein schier unschlagbarer Gegner, zumal er ihn überrascht und seiner stärksten Waffe beraubt hatte. Mit dem schweren Kopf des Hammers hätte er die Läufe der Bestie vielleicht zerschmettern können, so, mit der winzigen Klinge in der Hand, blieb ihm nichts anderes mehr übrig, als auf einen ehrenvollen Tod zu hoffen, wie er einem Krieger gebührte.

Gorn mit der Axt
22.05.2005, 17:33
Jetzt bereute sie von Teldors Plan abgewichen zu sein. Seit dem Morgen war sie auf der Flucht vor Sadrax Männern, sie konnte sie ab und zu im Gebüsch und den Bäumen hinter sich hören, und inzwischen stieg die Sonne schon dem Zenit entgegen.
Auf ihre Gabe konnte sie sich hier draußen nicht mehr verlassen, zu unberechenbar und schwach war sie geworden, je weiter sie ins Landesinnere eindrang.
Aber noch mehr sorgte sich Jeel, weil sie nicht wusste, wohin sie sich als nächstes zu wenden hatte.
Seit Jahrhunderten waren etliche Abenteurer ins Verbotene Reich aufgebrochen und nicht eine Handvoll von ihnen zurückgekehrt, deshalb wusste sie nichts darüber, wie das Land hier beschaffen war, obwohl Ziordan jedem von ihnen das umfangreiche Wissen der königlichen Bibliothek hatte zukommen lassen.
Bisher hatte sie sich in der Annahme, es sei der Splitter, der ihre Macht hemmte, in die Richtung des größten Widerstandes aufgemacht, aber je näher sie ihrem Ziel kam, desto ungenauer würde diese Methode werden.
Wieder ertönten hinter ihr die fernen Stimmen ihrer Häscher. Vorsichtig blickte sie nach hinten und beschleunigte ihr Tempo, immer darauf hoffend, dass Sadrax nicht mehr genug Männer habe, um sie in die Zange zu nehmen. So ging die Jagd weiter. Sadrax musste wenigstens einen guten Späher in seiner Truppe haben, denn obwohl der Abstand mal größer, mal kleiner wurde, fanden seine Männer immer wieder ihre Spur.
Gegen Abend wich sie von ihrem Weg ab, sie verließ den Dschungel und hielt sich mehr nach Süden, wo sie weit entfernt jene Gebirgskette erblickte, die dieses Land vor allen Suchenden verbarg. Dort wurde der Bewuchs spärlicher, die Pflanzen wurden kleiner und statt der tropischen Büsche standen hier kleine Wiesenblumen und Sträucher, der schlammige Untergrund des Tieflandes wich zurück und machte felsigem Boden Platz. Ein kleines Stück abseits von ihr floss ein kleiner Bach. Jeel zog ihre Stiefel aus und krempelte die Hose an die Knie, dann stieg sie in das Bachbett und folgte seinem Verlauf über gut eine halbe Meile, dann verließ sie ihn an einer schlecht einsehbaren Stelle und suchte sich ein Lager in einiger Entfernung.
Alles in allem war sie mit ihrem Tun zufrieden, mit ein wenig Glück würde es Sadrax Männern nicht wieder gelingen, sie aufzuspüren.
Als sie sich hingelegt hatte und einige Zeit vergangen war, erschien Teldors Kopf hinter einer Felsspalte.
Er biss sich auf die Zunge. Dieser ganze absurde Wettlauf regte ihn auf. Er verfolgte das Mädchen, Sadrax und seine Halsabschneider waren hinter ihm her und seine eigenen Leute, oder besser die des Königs, schlichen hinter den Männern des Kapitäns drein. Alles in ihm drängte danach, sich die Göre nun zu schnappen und mit dem Sieger dieses außer Kontrolle geratenden Spiels einen Deal zu machen. Aber er musste darauf warten, dass sie den Splitter fand, ohne den war auch das Mädchen nur die Hälfte wert. Außerdem wusste er nicht, was sie mit ihren Kräften noch so alles anstellen konnte, lieber warten, bis sich eine bessere Möglichkeit bot, wo er sich nicht auch noch um diese Möchtegern Verfolger in seinem Rücken kümmern musste. Es war schon schwer genug gewesen, sie den ganzen Tag in die richtige Richtung zu lotsen, aber was sollte er jetzt machen?
Wenn seine eigenen Männer Jeel finden würden, würden sie sie beschützen und sein Deal wäre von vornherein geplatzt. Wenn sie stattdessen Sadrax Männern in die Arme lief, mochte es sein, dass die sie einfach umbringen würden. Das Günstigste, überlegte er, wäre es, die beiden Gruppen hier zurückzulassen, verwarf diesen Gedanken aber sofort wieder, denn ohne Hilfe war es völlig unmöglich, das Verbotene Reich wieder zu verlassen. Die eigentliche Frage war nur, ob er es nach Süden oder nach Norden hin verlassen würde…

Gorn mit der Axt
24.05.2005, 18:22
Er wusste nicht mehr, ob er über die Absurdität der Situation lachen oder weinen sollte.
Er war vom König Sibrils Obhut anvertraut worden, doch nun belauerten sie sich gegenseitig, immer darauf wartend, dass der jeweils andere sich verriet.
Er hatte aufgehört zu zählen, wie viele Stunden sie nun schon in den Tunneln der Feste unterwegs waren, aber es mussten seit der Ermordung ihrer Begleiter schon etliche Tage vergangen sein. Eigentlich konnte Thimris kaum fassen, dass sie trotz des Mangels an Wasser und Nahrung weiter vorankamen, die Vorräte, die sie ursprünglich mitgebracht hatten waren lange zur Neige gegangen und nun war er auf Sibril angewiesen, der ihm immer neue Möglichkeiten aufzeigte, in diesen unwirtlichen Stollen zu überleben.
Gerade jetzt hockte der hagere Soldat sich nieder und betrachtete die Steine der Mauer zu ihrer Linken.
„Seht mal hier.“ Er wies auf eine Stelle, wo der grobe, bröckelige alte Mörtel sich grün-weiß verfärbt hatte.
Sibril zog aus der Schlaufe an seinem Unterarm ein Messer hervor, das Thimris tückisch anzublinzeln schien.
Er spannte sich instinktiv an und wich einen halben Schritt zurück. Sibril sah ihn einen langen Augenblick lang an, dann ließ er die Klinge mit einer raschen Bewegung wieder in ihrer Scheide verschwinden und fasste stattdessen an seinen Gürtel wo er neben einigen anderen Dingen auch ein Sortiment eherner Werkzeuge trug.
Eine Sekunde lang überlegte er, dann ergriff er eines und setzte es in der Lücke zwischen zwei der betroffenen Steine an. Es dauerte zwar einige Zeit, aber nachdem er die festgebackene und eingetrocknete Schicht abgelöst hatte, rieselte der verbliebene Mörtel, durch die vergangenen Jahrhunderte und den enormen Druck zu feinem Gesteinsstaub zermalen, an der Mauer herab. Dahinter hatte der Stein eine andere Färbung angenommen, Thimris war sich nicht sicher, aber glaubte einen dunkleren und matteren Farbton auszumachen. Sibril dagegen war sich seiner Sache sicher und zeigte ein überlegenes Lächeln. „Ein einzelner Mann könnte hier unten normalerweise nichts mit dieser Entdeckung anfangen, aber euch müsste es doch möglich sein, an das Wasser dahinter heranzugelangen.“ Er sprach es aus wie eine Feststellung, aber die Frage war für Thimris unüberhörbar.
Wie viel hatte der Krieger inzwischen über seine Gabe erfahren? Er hatte sich stets bemüht, seine Kräfte nur zu nutzen, wenn Sibril nicht in der Nähe war, doch darauf konnte er sich nicht verlassen, der Veteran war immerhin geübt darin, sich lautlos zu bewegen, mehr als einmal hatte sich gezeigt, dass er durchaus keinen Vergleich mit den Elbenspähern zu fürchten brauchte.
Thimris vertrieb diese Gedanken aus seinem Kopf. Er wusste ja wirklich nicht, ob Sibril etwas mit der Ermordung der Männer zu tun hatte, was brachten also diese Verdächtigungen? Doch kaum war ihm das gelungen drängte sich eine neue Überlegung hervor. War er überhaupt noch in der Lage, seine Fähigkeit einzusetzen?
Vor zwei Tagen war ihm das gleiche Widerfahren, was auch Jeel und später Logan klarmachen mussten.
Es fiel ihm schwerer, seine Gabe einzusetzen, als zuvor. Der Strom schien zwar anzuhalten, aber ständig weiter zu versiegen, je weiter er gen Norden vorstieß. Zuerst hatte er ja Sibril oder einen der Nordland Schergen im Verdacht gehabt, sich irgendwie seiner Kräfte zu bemächtigen, aber von dieser Vorstellung rasch wieder Abstand genommen. Wenn seine Feinde über solche Magie verfügen würden, hätten sie sie spätestens in der Schlacht am Jeldin Pass eingesetzt, als er und seine Geschwister sich offen gegen ihre Armee wandten.
Schließlich resignierte er verdrossen. Er konnte Sibril nicht ewig über seine Gabe im Unklaren lassen und sollte er der Magie nicht mehr fähig sein, hatte er das zu akzeptieren.
Also konzentrierte er sich, bemühte sich zugleich, sich seine Anstrengung nicht anmerken zu lassen und schuf eine geradezu winzige Sphäre, die er ohne lange zu zögern auf die Lücke zwischen den Gesteinsblöcken nieder-fahren ließ. Genau in diesem Moment schob sich eine Erinnerung aus seinem Gedächtnis vor sein Denken.
Was hatte Sibril doch nach ihrer Begegnung in der Kammer gesagt?
„Ich fürchtete, ihr könntet mich im ersten Reflex mit einer Kugel durchbohren!“
In Panik wandte er sich ab und rannte in die entgegengesetzte Richtung und drängte dabei mit aller Kraft, die er noch aufbringen konnte die Kugel von ihrer Bahn ab, so dass sie nicht in sicherer Entfernung an der Wand, sondern unmittelbar vor Sibrils Füßen detonierte und den ganzen Schacht mit einem Gemisch aus Gesteinssplittern, Staub und Unrat erfüllte.
Wie er befürchtete hatte zischten in diesem Moment die beiden Teile des Klerek aus der Halterung auf Sibrils Rücken, wo sie schlafenden Bestien gleich geruht hatten. Direkt darauf war der Gang erfüllt von dem Klirren der Klingen. Vor seinem inneren Auge konnte Thimris vor sich sehen, wie der Krieger seine Waffen ergriff und losrannte, um ihn einzuholen.
Wie hatte Sibril wissen können, worin seine Magie bestand. Thimris hatte nur eine Antwort.
Er wusste es von den Nordländern. Sibril musste der Verräter sein.

Gorn mit der Axt
26.05.2005, 18:12
Nach einer Weile hatte er jegliche Orientierung verloren. Terz war in seinen Armen zu einer untätigen Masse geworden und rührte sich nicht, Logan befürchtete, dass er ohnmächtig oder der Ohnmacht nahe war.
Die Stimmen ihrer Jäger waren wieder hinter ihnen verstimmt und diesmal ertönten sie nicht wieder.
Schon seit geraumer Zeit erspürte er unter sich keinen Boden mehr, nur an vereinzelten Stellen, wo von der einstigen Schlammflut große Findlinge mitgespült worden waren, berührten seine Füße etwas im Wasser und noch seltener türmte sich das Geröll zu kleinen Inseln auf, die sich in der beginnenden Dämmerung als kaum zu erkennende Schatten abzeichneten, kaum dunkler als der sie umgebende Himmel, die er aber nicht wagte zu betreten.
Plötzlich traf sein Knie auf etwas Festes. Ein harter Ruck ging durch seinen Körper, aber Schmerzen hatte er kaum, die langen Stunden im Wasser hatten die Taubheit tief in seine Glieder getrieben. Mühsam nach Luft schnappend verlagerte er Terz auf seine linke Seite, dann griff er mit dem rechten Am unter Wasser und tastete herum. Er war überrascht, als seine Finger nicht auf das übliche Gemisch aus Kies und Schlamm stießen, das den Grund des Sees bildete, sondern auf eine glatte Kante, gerade, dann senkrecht, dann wieder gerade.
Stufen!
Er schob sich ein kleines Stück weiter hinauf und sah erleichtert, dass sie sich weiter fortsetzten.
Nur langsam konnte den See verlassen, seine Muskeln waren verkrampft und zugleich weich wie Pudding, seine Beine vermochte ihn nicht zu tragen. Also entschloss er sich, Terz an der Oberkante der Treppe liegen zu lassen und selber an Land zu gehen.
Nach elf Stufen klaffte in der Treppe ein großes Loch und der weitere Weg war unpassierbar, aber hinter der Erhebung, die sie überspannte, standen die Ruinen einer alten Stadt. Logan sah altmodische Säulen und Aquädukte, die Wände, die noch aufrecht standen waren aus schwarzem, weißem und grau melierten Marmor und mit Bildern bedeckt, die als Halbrelief aus dem edlen Stein hervortraten. Wenn das helle Funkeln am Rand der Bilder ihn nicht täuschte, waren sie eingelegt in schmuckvolle Fäden aus Gold und Silberdraht.
Eines der Bilder, das Logan schwach an die idealisierten Gestalten von Jehrans Boten erinnerte, waren sogar mit Edelsteinen besetzt, zwei eisig drein blitzende Saphire blickten ihn aus den tiefen und zugleich sorgenvollen wie freundlichen Augenhöhlen an, die ein großer Künstler vor Jahrtausenden geschaffen hatte.
Im ersten Moment war er schier überwältigt von der Schönheit, die dem Ort trotz seines Verfalls innewohnte.
Er hatte erwartet auf eine halbzerfallene und baufällige Ruine zu stoßen, einige Grundmauern und Steinhaufen, doch diese Pracht, der auch die große Flut nichts hatte anhaben können, schlug ihn in ihren Bann.
Hinter sich vernahm er ein leises Schaben. Mühsam wandte er sich von der Erhabenheit des Tempelortes ab.
Terz war wieder erwacht und hatte sich, gestützt auf die herumliegenden Mauersteine, zu ihm herübergeschleppt. Er sah mehr tot als lebendig aus, doch in seiner Stimme lag eine kalte Wut, die Logan schaudern machte.
„Denkst du, Drogan hat mich dir mitgegeben, damit du mich am See verrecken lässt? Du wirst mich mitnehmen, egal ob ich auf halber Strecke liegen bleibe oder nicht!“ Logan nickte beschwichtigend und bot dem Gardisten seine Hand an. Der junge Mann zögerte einen Moment und griff dann zu.
„Sag mal, deine Gabe…“ Logan schaute ihn an. „Was ist damit?“ In die blasse Farbe in Terz Gesicht mischte sich nun eine leichte Röte. „Funktioniert sie auch bei anderen Leuten? Ich hätte gerade nichts dagegen in einen anderen Körper zu schlüpfen, der hier ist ziemlich am Ende“ Er lächelte schwach und Logan konnte nicht anders und musste lachen. „Nein, so klappt es leider nicht. Aber warte, wir suchen und in einem der Gebäude eine sichere Zuflucht, dann kannst du dich erholen.“

Gorn mit der Axt
29.05.2005, 17:15
Sibril dagegen wusste nichts von den Gedanken seiner Weggefährten, weder dessen, von dem er wusste, noch von jenem, der ihm noch unbekannt war.
In jenem Moment, in dem Thimris zu jener verhängnisvollen und aus Sibrils Sicht falschen Erkenntnis kam, meinte dieser ein Geräusch zu vernehmen, ein flatterndes, ledernes Geräusch, das jedoch gleichzeitig von einer gewissen Größe kündete. Sibril glaubte nicht daran, dass sich in diese öden und leblosen Gänge ein Tier verirrt haben mochte, deshalb vermutete sein im Krieg geschulter Geist sofort einen fliegenden Dämon als Erzeuger.
Mit wirbelnden Klingen stürzte er sich in dessen Richtung, aber bevor er in der Lage war, etwas zu treffen, erleuchtete ein heller Blitz den Gang, Steinsplitter flogen umher und Staub wirbelte auf und für Sibril wurde der Feind unsichtbar.
Das war eben jene Sekunde, in der Thimris in Sibril einen Verräter vermutete und Greelon die Gelegenheit zur Flucht nutzte, jedoch erkannte Sibril nichts dergleichen, für ihn schien es so, als habe er einen Späher der Nordländer vertrieben, der dann unter Donner und Getöse verschwand, während Greelon ihn für seinen ausdauernden Verfolger hielt und Thimris den Offizier nach seiner Rückkehr ob seines ruhigen Verhaltens verwirrt musterte und zögerte, auf die Geschehnisse einzugehen, furchtsam in der Eile falsche Schlüsse gezogen zu haben und seinen einzigen Begleiter zu verjagen.
Jeder trübe Gedanke, jede erhitzte Bemerkung aus dieser Verkettung folgenschwerer Irrtümer hätte dem Feind zum endgültigen Sieg verhelfen können, doch so gelang es dem Schicksal durch einen gleich dreifachen Fehler, seine eigene Schuld wieder zu begleichen.

Gorn mit der Axt
01.06.2005, 15:53
Sie war nun dem Vulkan sehr nahe gekommen.
Der Dschungel wich zurück, als sie an seinem rauen Hang emporstieg.
Und immer noch wies ihr Talisman, das Ei, das sie zusammen mit dem Buch des Magiers Fimbrethil entdeckt hatten ihr den Weg. Inzwischen leuchtete es in einem sanften Licht. Nicht so grell wie das der Sonne, aber zugleich stark genug, um zu erkennen, wie nahe sie ihrem Ziel schon gekommen war.
Als sie sich stetig durch das Gewirr von Felsgraten und scharfkantigen Steinen kämpfte, war sie in Gedanken bei ihren beiden Brüdern.
Hoffentlich waren sie bei ihrer Suche erfolgreicher gewesen. Vielleicht hatten es ihre Begleiter geschafft, sie auf sichereren Wegen zu geleiten und sie hielten schon jeder einen Splitter des Jehransteines in ihren Händen.
Ihre beiden Brüder! Sie musste fast lachen.
Thimris, stets so ernst und achtsam, war ihr schon früher Bruder und Vater zugleich gewesen, aber nie hatte sie ihn als Abenteuer oder Helden gesehen. Und schon gar nicht Logan oder sich selber. Wie unsinnig musste ihre Suche jemandem erscheinen, der sie von früher her kannte. Ob magische Kräfte oder nicht, Logan war noch vor einem halben Jahr nichts anderes gewesen als ein verwöhnter Junge, der seine eigenen Grenzen ebenso wenig kannte wie die Gefahren, die dahinter lauerten. Und dann sie selber! Diesmal musste sie wirklich lachen, doch das leise Kichern ging im Grollen des Berges unter. Worte wie Mut, Härte oder gar Entschlossenheit hätte sie früher höchstens benutzt um zu beschrieben, wie sie eben nicht war.
Hier, ganz allein, in einem Land, das noch kaum einer lebend verlassen hatte, auf der Suche nach einem Gegenstand, von dem nur Legenden zu berichten wussten! Es war einfach lächerlich.
Aber was nutzte es, darüber nachzudenken, wie verrückt ihr Tun war, wenn sie doch nicht daran vorbei kam.
Schmerzhaft knickte ihr Knöchel um, als sie auf einen schief liegenden Stein trat.
Sie stürzte, leise fluchend zu Boden, ihre Tasche rutschte ihr aus den Händen und rollte einige Meter den Berghang hinab. Einige Sekunden blieb sie auf dem aschebedeckten Lavagestein liegen, dann kroch sie, mit einer Hand ihr Bein umfasst, hinterher.
Mit spitzen Fingern hob sie den Beutel wieder auf und kontrollierte den Inhalt.
Sie sprach ein Dankgebet an Jehran, als sie sah, dass ihre Wasserflasche heil geblieben war, schon seit zwei Tagen hatte sie keine saubere Quelle mehr gefunden, wo sie ihr Trinkwasser hätte auffüllen können. Doch ihre Augen weiteten sich, als sie ihren Talisman aus dem Tuch entrollte. Der vorher marmorblanke Stein mit der vollkommen glatten Oberfläche zeigte nun ein Gittermuster winziger Risse, durch die das Licht, das ihn vorher matt hatte glühen lassen, Lichtkaskaden gleich herausblitzte.
Eilig hob sie es ganz heraus und prüfte nach, ob der Gegenstand seine Macht verloren hatte, ihr den richtigen Weg zu weisen. Sie stand auf, zog kurz eine Miene, als sie den schmerzenden Knöchel zu stark belastete und drehte sich um sich langsam um sich selber.
Noch immer änderte der Stein seine Helligkeit, mit großer Zufriedenheit sah sie, wie er hell erstrahlte, als sie mit ihm auf die Spitze des Vulkans wies.
In dieser Sekunde erschien hinter einem der Felsblöcke eine gedrungene Gestalt, die ein hässliches Lachen von sich gab und ein schmales Messer zückte. Der Mann richtete sich überlegen auf und pfiff schrill zweimal hintereinander. Panisch vernahm Jeel, wie das Signal aus mehreren Richtungen um sie herum erwidert wurde.
Langsam, darauf bedacht, den Piraten, denn sie hielt ihn für einen von Sadrax Seeleuten, nicht ihre Verletzung erkennen zu lassen, wechselte sie ihre Richtung und schritt langsam seitlich den Berghang entlang, um an ihm vorbeizukommen, doch schon tauchten aus den Niederungen weitere Schemen auf, die sich ihr schnell näherten und sich wie eine Schlinge um sie legten.
Zugleich mit dieser Entdeckung gellte ein heiserer Angriffschrei durch die Luft und von der östlichen Seite des Berges kamen noch mehr Männer mit gezückten Waffen auf sie zu gerannt, und noch bevor sie recht begriffen hatte, was vor sich ging, lag sie mit dem Gesicht nach unten, hernieder gedrückt von einer Kraft, die größer war als ihre eigene.

Gorn mit der Axt
03.06.2005, 12:40
Um ihn her wogte Dunkelheit.
Er war sich nicht sicher, ob sich die Nacht über die zwei ungleichen Kontrahenten gesenkt oder sich sein Geist schon in das Reich Jehrans aufgemacht hatte.
Kalte, klamme Finger strichen ihm über Kopf und Arme und er rollte sich ein wenig zusammen, wobei die Steifheit seine Glieder den ermatteten Muskeln heftigen Widerstand leistete.
Unbeweglich glitt er dahin.
Tage verstrichen.
Die Sonne hob und senkte sich und manchmal war er genug bei Bewusstsein, die Augen zu öffnen. Doch bevor er mehr sah als unklare Schatten, übermannte ihn wieder die Müdigkeit.
Während all dieser Zeit spürte er nichts mehr. Es war, als wäre er eingeschlossen in den gewaltigen Leib einer Bestie, kein Lichtstrahl erreichte ihn und keine Empfindung von Wärme, nicht einmal ein Gefühl für seine Umgebung, als sei das Innere des gewaltigen Tieres leer und er schwebte darin umher.
Hat der Gundur mich gefressen? fragte er sich.
War deshalb alles so merkwürdig und fremd? Aber dann müsste er gestorben sein. Und wenn er tot war, warum zog er dann nicht in andere Welt ein, wo der Herr selber über seine Diener wacht? Hatte die Kreatur ihm etwa keinen Tod geboten, der eines Kriegers würdig war?
Das war ungerecht! Er hatte tapfer und mit aller Kraft gekämpft. Nun wollte er seinen Bruder sehen und seine Eltern, die im Reiche Jehrans seiner harrten, statt hier zu verdorren und in alle Zeiten ereignislos in dieser Welt des Nichtseins verbringen. Der Gedanke hinterließ einen üblen Nachgeschmack in seinem Mund, wie verdorbenes Fleisch und er wandte sich von ihm ab. Immer wieder wetterte er gegen sein Schicksal und endlich wurde er erhört.
Ein Teil seiner Sinne kam zu ihm zurück, ganz schwach nahm er nun die Welt wieder wahr, hörte unterdrückte Stimmen und spürte einen kühlen Hauch der Alles durchdringenden Kälte.
Schwach und hilflos wie ein Neugeborenes regte er sich, seine Finger krampften sich zusammen und trotz der festen Umklammerung des Fast-Todes spürte er den Anflug des Schmerzes.
Erneut brandeten die Stimmen auf, leiser jetzt und furchtsamer scheinbar, aber deshalb nicht weniger real.
„Nehmt mich!“ forderte er. „Nehmt mich. Ich bin ein Krieger.“ Doch alles, was zu hören war, war ein grollendes Murmeln, das von seinen reifbedeckten Lippen aufstieg und sich mit den dünnen Schwaden seines aufsteigenden Atems vermischte. Sofort verklang das Wispern um ihn herum.
Nein! Dachte er. Sie lassen mich zurück!
Mit einer Kraft, die mehr seinem Herzen denn seinen gepeinigten und stechenden Muskeln entstieg rollte er sich unbeholfen auf die Seite und stieß gegen ein Hindernis aus brüchigem Eis. Tief krallte er seine Finger herein, Eis und Nägel brachen und ein schauerliches Knacken erklang, doch es gelang ihm sich emporzuziehen und halb aufzurichten. Mit dem ersten langsamen Schritt kehrten eben so gemächlich seine Sinne zurück und Frald brach auf dem schneebedeckten Grund zusammen, als die Schneewehe neben ihm unerwartet endete.
"Mein Gott, nehmt mich mit!"
Dies war sein letzter Gedanke, bevor seine Sinne ihn wieder verließen und die Finsternis um ihn wieder dichter wurde.

Gorn mit der Axt
05.06.2005, 16:50
Seine Gedanken wirbelten durcheinander, als etwas gegen seinen rechten Arm stieß.
Er holte mit der anderen Hand aus, doch noch bevor er die Bewegung zu Ende geführt hatte, drang aus dem kleinen Fellbündel auf seiner Schulter eine überraschend tiefe Stimme auf ihn ein.
„Halt ein!“ Verlangte sie gebieterisch. Tatsächlich sank sein Arm für eine Sekunde herab, schon allein aus Überraschung. Dann jedoch drehte er sich halb nach hinten und fasste an seinen Rücken. Er spürte seltsam festes und doch zugleich zartes Fell, wie bei einem Hund, dessen Fell man gegen den Strich streicht. Rasch, für den Fall, dass das kleine Geschöpf wider Erwarten doch gefährlich sein sollte, ergriff er es im Nacken und riss es nach vorn. Und stutzte, als er das große, gefaltete Flugsegel auf seinem Rücken erkannte.
Sofort änderte sich seine Haltung, sein Gebaren wurde höflich, fast unterwürfig, als er ein Gebet an Jehran sprach und das Trilak mit sanfter Hand auf Steinboden setzte, wo es mit seltsam schniefenden Lauten zur Ruhe kam.
Aus dem Gang vor ihm tönte Sibrils Stimme. Er war wohl durch die Laute angelockt worden. „Thimris, was war das? Habt ihr das gehört?“ Seine Schritte näherten sich rasch. „Schnell, versteck mich!“ In einem kurzen Moment der Verwirrung wusste Thimris nicht einmal wer gesprochen hatte, erst dann kam ihm der Gedanke, dass der Sprecher jenes kleine, flauschige Bündel war, das vor ihm auf dem Boden saß. Eine weitere Sekunde verging, bis sein überraschter Verstand den Sinn der Worte erkannt und sein Körper dem Befehl Folge geleistet hatte, erst dann schoben seine Hände den Körper hinter sich und er beugte sich vor. Einen Augenblick später stand Sibril vor ihm. „Ich bin nur gestürzt, es war nichts.“ Hatte seine Stimme nicht zu hoch geklungen, gekünstelt und falsch, selbst in seinen eigenen Ohren? Sibril schien unschlüssig, er musterte ihn mit abschätzigen Blicken und verharrte auf der Stelle. Keiner sagte etwas und Thimris wich dem suchenden Blick des Soldaten aus und wanderte den Gang entlang. „Habt ihr den Pfad gefunden, der uns hinausführen soll?“ Einen Moment noch zögerte Sibril, dann verschwand das Misstrauen aus seinen Augen und machte Müdigkeit platz. „Nein. Alle Gänge die auch nur annähernd in unsere Richtung führen sind blockiert oder enden in Sackgassen. Mag sein, dass es hier im Gebirge mehr Erdrutsche und Erschütterungen gibt, aber verdächtig finde ich es dennoch.“ Thimris Gedanken entstieg die Erinnerung an den Angreifer, der seine Begleiter so schnell und zugleich lautlos getötet hatte und eine leichte Beklommenheit machte sich in ihm breit. „Meint ihr, jemand hat die Gänge absichtlich blockiert, um uns aufzuhalten?“ Sibril lachte. Das tat er nicht oft, also nahm Thimris an, etwas Dummes gefragt zu haben. „Nein, Nein, wer auch immer unsere Gefährten ermordet hat,“ Bei diesen Worten machte er eine winzige Pause und seine Augen huschten den Bruchteil einer Sekunde zu Thimris, doch dieser bemerkte nichts. „der wäre bestimmt auch in der Lage uns auf einfachere Weise aufzuhalten.“
Thimris ließ den Gedanken fallen und kehrte wieder zu seiner eigentlichen Frage zurück. „Können wir also weiter, oder nicht?“ Sibril schnaubte und hob wütend die Hände. Thimris zuckte zusammen. „Wie soll ich euch sagen, ob wir unser Ziel erreichen, wenn ich nicht einmal weiß, wo unser Ziel überhaupt liegt. Sprecht euch aus, oder ihr werdet nie erfahren, wie ihr hinkommt!“ Thimris zog sich an die Wand des Ganges zurück. Er hatte gewusst, dass dieser Moment kommen würde. Irgendwann musste er es wohl sagen, da war es egal ob jetzt oder später. „Ich weiß selber nicht, wo unser Ziel genau liegt.“ Offen ausgesprochen hörte es sich noch lachhafter an als in seiner Vorstellung. Doch Sibril fand es offenbar nicht zum Lachen, er richtete sich langsam auf und sah ihn mit kaltem Blick an. „Was soll das heißen?“ Kalte Wut zitterte in jeder Silbe. Thimris hob beschwichtigend die Hände. „Ich weiß schon, wohin unsere Reise führt, nur sind die Angaben, wo dieser Ort liegt, sehr ungenau.
Unseren“ Er zögerte. „Quellen zu Folge liegt das, was wir suchen in Ur-Gish, der Stadt“
„Der Stadt des Laokos, untergegangen, bevor an das Imperium des Südens auch nur zu denken war.“ Thimris glotzte ihn an.

Gorn mit der Axt
07.06.2005, 16:44
Dann zuckte seine Hand nach unten und zog seinen Dolch, der nun, da seine Magie versiegt war, seine letzte Waffe war. Aber Sibril winkte nur traurig lächelnd ab. „Ihr braucht mich nicht niederzustechen, aber schaden würde es nicht, denn was wir suchen ist nicht mehr als eine Legende, ein Ammenmärchen.“
Thimris versteifte sich. „Das kann nicht sein. Das Buch..“ Erneut winkte der Leibwächter. „Ich weiß nicht, aus welchem der vielen Bücher ihr diesen fixen Gedanken habt, aber vergesst es besser. Laokos Reich ist ein Mythos, der hier im Grenzgebirge schon seit Jahrhunderten erzählt wird.“ Nun schwang in seiner Stimme ein Ton feiner Ironie mit. „Ein gigantisches Reich, in mitten des größten Gebirges des Kontinents, beherrscht von Ur-Gish, der Stadt der Städte, von der alle Metropolen unserer Zeit nur ein Abklatsch sind, gefangen in einem Panzer aus ewigem Eis für die Ewigkeit. Das ist nichts als Irrsinn. Mit den Jahren haben sich bestimmt Tausende von Schatzjägern und Möchtegern-Abenteuern auf die Suche danach gemacht, aber keiner hat sie gefunden. Kaum einer hat überhaupt zurückgefunden. Manche behaupten steif und fest, das liege nur daran, dass sie hinter dem Gebiet läge, das noch vor kurzem vom Wall bedeckt wurde, aber das sind alles Verrückte, Spinner, die auch den Gerüchten hinterherlaufen, auf dem Jahrmarkt gäbe es gegen Geld eine Zwergenfamilie zu sehen oder dass der König nichts anderes ist als ein Scherge des Dunklen.“ Thimris konnte das nicht glauben. Er wollte nicht!
„Aber wenn diese Legende schon seit Jahrhunderten besteht, dann muss doch etwas Wahres dran sein!“ Sibril schüttelte den Kopf, das spöttische Lächeln war aus seinen Augen verschwunden und zeigte nun einen mitleidigen Blick. „Ein, zwei alte Bücher, in denen es vielleicht am Rand erwähnt ist. Niemand, den ich für bei klaren Verstandes halte, hat jemals an diesen Unfug geglaubt. Sagt mir also bitte nicht, dass der Hochkönig euch ausgeschickt hat, und die Hoffnung des Imperiums nun darin besteht, dass wir einen der Schätze von Laokos finden.“ Seine Stimme wurde drohend.
Thimris sah zu Boden und sammelte sich kurz. In Gedanken machte er sich schon auf das bevorstehende Donnerwetter gefasst.
„Nicht die letzte, aber fast. Wie ihr wisst sind auch meine Geschwister in diesem Moment unterwegs, ihr habt ja gesehen, wie sie mit euren Gefährten aus der Leibgarde aufgebrochen sind. Auch sie suchen nach Gegenständen, die das Imperium retten könnten. Ich will euch ja nicht erzürnen, aber um ehrlich zu sein, sind ihre Ziele nicht weniger legendär als die Stadt, die wir jetzt aufsuchen.“ Während Thimris Sibril dieses Geständnis machte, fing auf dessen Stirn ein Ader an zu pochen und das sonst so ruhige und emotionslose Gesicht bekam einen leichten Rotstich, als ihm das Blut in den Kopf schoss. „So ist das also.“ Er spie die Worte förmlich heraus. „Unser Reich muss sich schon auf die Hilfe von Gauklern und Scharlatanen verlassen? Nun gut, und welche Rolle wurde mir in dieser Farce zugedacht? Und welcher wunderbare Gegenstand ist es, den wir für den Hochkönig beschaffen sollen? Das Schwert von Prinz Jeldin, oder warum nicht gleich das Siegel des ersten Urorkon?
Oh, nein warte, die beste Idee von allen: Wir lassen hier alles stehen und liegen und schauen ob wir nicht irgendwo den Rest des Jehransteins finden.“ Seine Tirade endete in einem ebenso höhnischen wie kraftlosen Lachen.
„Spotte nicht über den Ersten. Möge er dir diesen Frevel verzeihen, ich kann es jedenfalls nicht!“ Thimris liefen kalte Schauer über den Rücken, als diese Stimme ertönte, Sibril jedoch zog bei den Worten des unbekannten Sprechers sofort an den beiden Griffen des zweiteiligen Klereks, das er dann in gefährlichen Schleifen vor sich kreisen ließ. Die unzerbrechlichen Klingen umspielten seinen Körper und ihre Bahnen woben einen stählernen Mantel.

Gorn mit der Axt
09.06.2005, 17:20
„Wer war das?“ Die Stimme des Offiziers klang schneidend.
Thimris wollte antworten, doch die Fähigkeit der Sprache schien er verloren zu haben, er brachte jedenfalls keinen Satz heraus, erst ein leichtes Zupfen an der Rückseite seines Umhangs klärte seinen Verstand. „Lass mich raus hier, man bekommt ja keine Luft unter diesem Ding.“ Er richtete also seine Augen beschwörend und bittend auf Sibril und lüftete mit einer langsamen und möglichst wenig bedrohlichen Bewegung seinen Umhang. Der Trilak krabbelte sofort mit seinen Klauenfüßen und den kleinen Krallen an seinen Flügeln an ihm empor und blieb auf seiner Schulter sitzen. Die Drehung des Klereks wurde noch eine Spur schneller und Sibril stieß hervor. „Du bist doch dieses Biest, das mich im Tunnel angegriffen hat!“ Das Trilak jedoch würdigte ihn keines Blickes, scheinbar fühlte es sich in Thimris Nähe sicher. Dann drehte es den runzligen, mit Fell bewachsenen Kopf in seine Richtung. „Mein Name ist Greelon. Ich wurde ausgeschickt, um dich an dein Ziel zu geleiten und dich zu schützen.“ Die Vorstellung von einem zwei Fuß langen Flederwicht beschützt zu werden brachte ihn zum Lächeln, seinen unerwarteter Begleiter dagegen nicht.
„Jawohl, zu beschützen. Meines Wissens müssten deine Kräfte ja hier in der Nähe des Steines versagen.“ Thimris Lächeln schwand als wäre es nie da gewesen. „Dann lag es also wirklich daran? Aber dann werden auch Logan und Jeel ohne Schutz sein!“
In die wispernde Stimme Greelons mischte sich ein ungeduldiger Unterton.
„Denkst du, an sie wäre nicht gedacht worden? Was an Hilfe entbehrt werden kann, ist zu ihnen geschickt worden.“ „Von wem? Wer hat dich zu mir geschickt?“ fragte er verwundert. Auf seiner Reise unterstützt zu werden war eine gänzlich neue Erfahrung.
„Genug!“ Sibril durchdrang die wispernden Laute des Trilak so gekonnt, als verwände er zu diesem Zweck sein Klerek, doch das Sechsklingenschwert rotiert immer noch in Kreisen durch die stickige Luft des Tunnels und gab nur seufzende Geräusche von sich, wenn es sie zerteilte. Seine grauen Augen richteten sich unheilvoll auf Greelon, der aggressiv sein Flugsegel aufstellte.
„Schickt dieses Geschöpf fort.“ Forderte er. „Oder noch besser, wir töten es auf der Stelle. Wenn wir uns schon auf einer Mission befinden, die derart riskant und toll ist, dann brauchen wir nicht auch noch einen Spion dabei, der unsere Ziele bei der erstbesten Gelegenheit überall ausplaudert.“ Die einzelnen Rippen im dritten Flügel des Trilaks spreizten sich noch weiter, bis sie hervorstaken wie Stacheln. „Ihr habt mir wohl nicht zugehört, Mensch. Ich kenne euer Ziel schon jetzt besser als ihr beide zusammen. Es liegt nicht weit von hier, ich würde es in wenigen Stunden erreichen, aber wenn ihr weiter durch diese Gänge irrt, werdet ihr noch Wochen brauchen, um auch nur in seine Nähe zu gelangen. Und anstatt meine Ergebenheit an den Höchsten in Frage zu stellen, solltet ihr lieber langsam von hier verschwinden, ehe noch jene Bestie hier auftaucht, die sich in eurer Nähe herumtreibt!“
Sibril horchte beim letzten Satz auf und seine Klingen stoppten abrupt und glitten zurück in ihre Scheiden. „Was weißt du darüber? Kennst du unseren Angreifer?“ Greelon zischte. Der Ton bereitete Thimris Unbehagen, er erinnerte an eine wütende Schlange, die sich bedroht fühlte. „Ich weiß nicht, welche Kreaturen ihr auf eurer Suche angelockt habt, aber auf dem Weg über euch, der zum Eingang in diese Gänge führt, lauert ein Biest, das versucht hat, mich umzubringen.“ Er schwieg einen Augenblick. Sein Segel entspannte sich und sank auf seinen Rücken zurück. „Wenn ihr mir erlaubt euch zu begleiten werde ich versuchen, einen Weg an ihm vorbei zu finden. Eigentlich werde ich euch auch begleiten, wenn ihr diese Bitte ablehnt, denn es ist mein Auftrag mit euch zu gehen.“ Es überraschte Thimris, als Sibril danach nur trocken lachte, er hätte gedacht, der Krieger hatte seine Gelassenheit ein für allemal verloren. Der Spott war nicht aus seiner Stimme gewichen, aber er war gutmütig und sein Lachen war ehrlich. „Nun gut, dann wollen wir uns mal wieder auf den Weg machen. Ich hätte es allein mit diesem misstrauischen jungen Herrn Thimris vermutlich nicht mehr lange ausgehalten.“ Thimris fühlte ein kurzes Gefühl der Reue, bemühte sich aber keine Miene zu verziehen. „Thimris, so ist also sein Name.“ Greelons Gewicht verlor sich mit einem sanften Druck von seiner Schulter, als er sich in die Luft erhob.
„Dann lasst uns diese Stollen jetzt verlassen. Ihr seid schon weit ins Grenzgebirge vorgedrungen und ich kann euch den genauen Weg erst weisen, wenn wir wieder über der Erde sind.“ Thimris schaute kurz in die Runde, dann erhob auch er sich und folgte dem flatternden Wesen in den erstbesten Tunnel, der nach oben führte.
Doch im Nachhinein konnte sich nicht einmal der scharfäugige Trilak erinnern, die Augen, die noch immer auf ihnen ruhten bemerkt zu haben.

Gorn mit der Axt
11.06.2005, 17:36
Gemeinsam wanderten sie durch die verlassenen Straßen der Tempelstadt.
Der mit Schlamm bedeckten Fliesen gepflasterte Weg führte stetig aufwärts und die Spuren, die die Flut von einst hinterlassen hatte, wichen in gleichem Maße zurück.
Die Säulen lagen nicht mehr zerborsten zu ihren Füßen sondern rankten sich anmutig in den Himmel, wo große Häuser die Wucht der Katastrophe gedämpft hatten, trugen sie sogar noch immer ihre Last aus Holz und Stein wie in den Jahrhunderten zuvor.
Logan fühlte sich an eine Zeitreise erinnert, denn auch wenn der Zahn der Zeit heftig an den Ruinen genagt hatte, waren sie doch zum Stadtinneren hin immer besser erhalten und wunderschön anzusehen.
Er blieb stehen, als Terz die Hand hob. „Schau mal, da hinten!“ Hinter den Überresten einer kleinen Ziermauer, vor der sich von den Schlammmassen getragenes Geröll und Unrat häuften, lag eine weitere Treppe, die in eleganten Kurven empor führte und frei von jedem Schaden war.
Sein Herz hob sich bei diesem Anblick. „In dieser Richtung muss der Tempel liegen, Ziordan meinte, er wäre im Zentrum der Stadt erbaut worden. Unser Ziel ist nahe!“ Ihr Schritt beschleunigte sich, beschwingt liefen sie an der Balustrade der Treppe entlang, die vor einer weiteren Mauer endete. Dahinter erstreckten sich größere Häuser, Villen nach Logans Maßstäben, der auf der relativ armen und einfachen Halbinsel aufgewachsen war, und noch weiter in Richtung des Horizonts die gewaltige Kuppel eines riesigen Doms. „Da ist er!“ Terz Stimme klang die Erleichterung bei, seinen Auftrag schlussendlich doch erfüllt zu haben. Mit einer nach den Strapazen der Reise seltsam anmutenden Gelassenheit ginge sie über die Breite Allee entlang, die einst als Hauptstraße gedient haben mochte. Als sie um die letzte Ecke Bogen, hielten dennoch beide den Atem an, denn der Tempel zu Ehren Jehrans war trotz den Jahrtausenden seit seiner Erbauung ein phantastisches Bauwerk. „Wie hat diese Stadt nur in Vergessenheit geraten können?“ Er klang wie vor den Kopf geschlagen. Auch Terz war beeindruckt. „Nirgendwo außerhalb der Hauptstadt gibt es etwas Vergleichbares.“ Stellte er fest. „Aber viele der Bewohner wurden wohl getötet, als das geschmolzene Eis aus dem Grenzgebirge auf das Land hernieder ging und nicht nur Vororte, Höfe und Teile der Stadt selber vernichtete, sondern auch alle Straßen nach Kaloras hinein Unkenntlich machte. Du hast selbst gesehen, was aus dem Land von der Grenze bis hier geworden ist. Auch die mutigsten Pilger würden den Weg nicht wagen oder gar bewältigen und wenn doch würden sie hier elendig verhungern.
Keine Macht der Welt könnte den Tempel wieder für die Gläubigen erreichbar machen.“ Sein Bedauern war so deutlich, dass es fast an Form gewann. Logan seufzte schwer, dann riss er seinen Blick vom Tempel los und richtete seine Schritte zum großen Eingangsportal. Terz folgte ihm.
Als sie näher kamen sahen sie, dass die eisernen Beschläge und Riegel der Torflügel von Rost zerfressen und überzogen waren, die Bronzeplatten dagegen hatten sich verfärbt und mit einer dicken Patina bedeckt, die Fresken der Heldenfiguren darunter ließen sich nur noch erahnen. Logan drückte gegen den rechten Teil des Tores, doch es bewegte sich nicht. Dann nahm er beide Hände und drückte mit aller Kraft, schließlich half ihm auch Terz, dem seine Wunde wieder sichtbar zu schaffen machte, doch das Tor gab den Weg nicht Preis. Logans Augenbrauen senkten sich voller Wut. Es konnte doch nicht angehen, dass sie die größten Wüsten durchquert und den schlimmsten Feinden getrotzt hatten, nur um dann an einem verrosteten Riegel zu scheitern. Er schaute sich um und sein Blick fiel auf einen der metallenen Beschläge, der vielleicht schon vor Jahrhunderten von der Bronze abgefallen und von seinem immensen Gewicht in den Schlamm gedrückt worden war. Terz betrachtete skeptisch, wie Logan die mehr als armlange Metallschiene ergriff und sie zu der Stelle schleifte, wo die beiden Torflügel aneinander stießen. Mühsam klemmte er es in die Lücke, die sich durch Jahrhunderte langen Verzug gebildet hatte und lehnte sein Gewicht gegen den Hebel. „Nun hilf mir schon!“ knurrte er herüber. Terz trottete herüber und stellte sich neben ihn. Zum Glück war der Beschlag lang genug ihnen beiden Platz zu bieten, sie lehnten sich zurück und warfen sich dann mit ganzer Kraft gegen die eiserne Stange. Es gab einen schweren Ruck, als sich die Lücke im Tor verbreiterte. Sie ließen nicht nach und pressten sich weiter an das Eisen, das ihnen die Finger wund rieb und sich schmerzhaft in ihre Leiber bohrte, dazu verbog es sich langsam unter der ungewohnten Last. Es gab einen weiteren Stoß, dann noch einen. Der unterste Riegel des Portals gab nach und fiel zu Boden, in der Sekunde darauf gab die Eisenstange nach und ihr Hebel zerbrach. Logan fiel über eines der Teile und landete stolpernd auf dem harten steinernen Boden, doch als er den Kopf hob, sah er, dass das Tor fast einen Fuß offen stand. Jubelnd sprang er auf die Füße. „Komm, Terz! Jetzt kann uns nichts mehr aufhalten!“ Übermütig duckte und quetsche er sich durch den schmalen Durchgang und machte Terz dann Platz, damit er ihm folgen konnte. Sie befanden sich in der gewaltigen Rundhalle mit dem Kuppeldach, dass sie schon von weitem gesehen hatten, offensichtlich dem Hauptraum des Tempels. Du dort, aufgerichtet in einem Sockel inmitten eines riesigen, farbenschimmernden Mosaiks lag der Jehransplitter. Logan hielt den Atem an. Selbst das schwache Licht, das durch die blinden Fenster und die Lücke im Tor eindrang spiegelte der Splitter Tausendfach wieder und malte Tausend bunte Regenbögen auf die marmornen Wände. Terz fiel neben ihm auf die Knie und sprach ein Dankgebet an Jehran, er selbst war zu betäubt zu irgendeiner Reaktion. Mit leichten und doch kraftlosen Schritten ging er auf das mächtige Artefakt zu.

Gorn mit der Axt
13.06.2005, 17:02
12. Die großen Splitter Jehrans

Wenn er später in Reue an diesen Augenblick zurückdachte, dann schrieb er seine Torheit allein seinem Triumphgefühl zu, dass ihn geblendet hatte. Denn als sein Fuß den ersten Schritt auf das aus etlichen Zehntausend gefärbten Steinen gefertigte Bild tat, da senkte sich eine vollkommene Stille über den Raum, als habe sich hinter ihm eine Wand gebildet, die jedes Geräusch von ihm abhielt.
Innerhalb ihrer Mauern schien nicht nur der Schall zu trügen, auch die Zeit gab ihr ewiges, stetiges Fließen auf und ähnelte nun mehr einem trägen Strom, denn als er sich umwandte, da sah er Terz, der dastand wie eine Statue. Erst sein Blick auf seinem Gesicht verweilte, da erblickte er eine winzige Veränderung. Seine Augen! Unmerklich langsam wanderten seine Lider nach unten und wieder nach oben, noch schleichender richtete sich sein Blick auf das Portal und sein Kopf drehte sich, Logan hatte das Gefühl, es seien ganze Minuten vergangen, ehe die Bewegung vollendet war und als er dem starren Blick von Terz folgte und in der Lücke zwischen den gewaltigen Torflügeln eine kleine, runde Scheibe auftauchen sah, langsam wie die aufgehende Sonne. Der dunkle Schatten vor der hell schimmernden Innenseite des Tores wuchs rasch an, doch erst, als er ganz zum Vorschein gekommen war, erkannte Logan in ihm einen Rundschild. Tief dahinter geduckt schlich sich ein Mann in die Halle. Und noch einer. Und noch ein weiterer. Insgesamt vier Männer in dunklen Gewändern von Solos Beduinen umkreisten Terz mit Schritten, die sich nur in Minuten rechnen ließen. Ihr Anführer, der noch zu Beginn ihrer Reise Logan und seine Freunde geführt hatte, trat als letzter ein und hatte jeden seiner Männer genau im Auge. Nur Logan selbst schien keiner von ihnen wahrzunehmen.
Kurz kam ihm der Gedanke diese seltsame Verlangsamung der Zeit zu seinem Vorteil zu nutzen und Terz zu retten doch seine Hoffnung erfüllte sich nicht. Als er sich vom Sockel des Steins entfernte wurden die Bewegungen außerhalb des Kreises schneller und er an den Rand der mit Steinen gemusterten Fläche trat, schlug er mit dem Kopf gegen eine Wand, wie sie aus Stein nicht fester hätte sein können. Stöhnend rieb er sich die schmerzende Stelle und machte schnell wieder ein paar Schritte in die umgekehrte Richtung. Mochte er Terz jetzt vielleicht nicht helfen können, so mochte es doch später eine Gelegenheit dafür geben, doch dafür musste die Zeit im Kreis des Mosaiks ihr sonderbares Spiel weitertreiben. Also näherte er sich dem Sockel immer mehr, seitwärts gehend, immer darauf achtend, was sich außerhalb der Barriere abspielte. Die Bewegungen der Wüstenläufer wurden wieder langsamer, von hektische Aktivität verwandelten sie sich zuerst in vorsichtiges Schleichen, in schläfriges Kriechen und zuletzt in völlige Erstarrung.
Obwohl Logan eine ganze Zeit wartete konnte er keine weitere Regung bei ihnen mehr feststellen. Er hatte den Stein erreicht. Er spürte, wie sich die harte Kanten in seinen Rücken bohrten und drehte sich herum. Noch einmal sah er nach seinem Kameraden, dann hob er die Hand und legte sie auf die glatte Oberfläche des Artefakts, das seit mehr als zweitausend Jahren von niemandem mehr gesehen worden war.
Das Abbild des großen Kuppelsaales vor seinen Augen schwand.
Um ihn herum wurde es kalt, es wurde dunkel und er merkte, dass er den Stein nicht mehr unter seiner Hand spüren konnte. Er spürte gar nichts mehr.
Er schrie nach Terz, viele male, denn die Zeit erschien ihm hier, endlos, er hätte im Nachhinein nicht zu sagen vermocht, ob er sich nun einige Sekunden, zehn Minuten oder viele Tage an diesem seltsamen Ort aufhielt; vielleicht war jede dieser Antwort richtig, vielleicht fehlten sie alle zugleich.
An einem Ort ohne Zeit gefangen zu sein, das Stellen sich viele Menschen wohl als schönsten Traum vor.
Allein mit ihren Gedanken bis in alle Ewigkeit.
Gab es irgendetwas, was der Unsterblichkeit näher kam?
Jene Menschen, die etwas an diesem Zustand fanden, mussten verrückt sein, wahnsinnig oder wesentlich stärker als er es war, so jedenfalls empfand es Logan, als er nach einer weiteren Ewigkeit aufgegeben hatte nach seinen Freunden zu rufen.

Gorn mit der Axt
16.06.2005, 17:24
Lange Zeit tat er nichts, so wie sich auch um ihn herum nichts tat, Zeit verstrich, ohne dass er es mehr als ahnen konnte und er fühlte Furcht um seine Geschwister, um seine alten Freunde Jinda und Pirin, die dort draußen um ihr Leben kämpfen mussten und um seinen einen neuen Freund, der direkt bei ihm war und doch unerreichbar weit fort. Doch auch und zuallererst fürchtete er um sein eigenes Leben. Und als er das bemerkte, empfand er Scham. Er weinte, soviel wusste er, und durch den Schleier den die Tränen vor seinen Augen legten, schimmerte nun ein mattes Licht. Der Schein wurde heller und größer, als nähere es sich ihm, doch inzwischen fürchtete er sich nicht mehr.
Als er seine Augen trocknete sah er, dass die Helligkeit vor ihm von einem Bild ausging, es musste ein Bild sein, den der Mann, den er vor sich sah, bewegte sich nicht und das geringe sichtbare Stück seiner Umgebung war still und starr, wie eingefroren. Vielleicht lag es daran, dass Logan schauderte.
Er hätte nicht sagen können, wie alt der Mann war, noch welche Kleidung er genau trug, er war gehüllt in einen alten, abgetragenen Umhang und kauerte sich über etwas, das vor seinen Füßen auf den Steinen lag,, dabei stützte er sich allem Anschein nach auf ein Schwert, das er neben sich in den Boden gebohrt hatte. All dies sah er scharf bis ins letzte Detail, doch das Wesen, die Identität des Mannes blieb ihm verborgen, denn er hatte das Gesicht von ihm abgewandt, als wolle er sich verbergen.
Plötzlich regte sich der Mann, doch er blieb ein Abbild, wie ein Gemälde schien er, besaß er keine Tiefe.
Fasziniert näherte sich Logan ihm.
Nun, da das Bild sich bewegte, wirkte der Hintergrund seltsam unstetig.
Hinter dem Mann war immer eine trostlose Fläche aus Stein und Dunkelheit zu sehen, doch darüber legte sich abwechseln ein Hauch anderer Begebenheiten, eine grüne Wiese, ein dunkler Wald, große Städte mit wunderschönen Gebäuden, schöner als alle, an die Logan sich in diesem Augenblick erinnern konnte, doch alle waren geisterhaft und unwirklich, vorherrschend war die Dunkelheit und die steinerne Ebene. Er konnte nicht erkennen, ob sie sich in die Unendlichkeit erstreckte, oder unerkannt in die allumfassende Schwärze überging.
Dann verblasste auch sie.
Etwas Neues drängte sich nach vorne. Vor Logans Augen entstand ein Haus um die Gestalt herum.
Ein Bauteil nach dem anderen erschien, nahm feste Form an und fügte sich ein, so als beobachtete er das Gebäude beim Entstehen. Ein Kellergewölbe bildete sich, festgefugt aus dunklem Stein. Logan dachte darüber nach, ob ihm der Stein möglicherweise Visionen aus dem Nordland sandte, das Bild als solches war düster genug, um von dort zu kommen.
Dann tauchte ein zweiter Schemen auf Er trat zögernd in den Raum hinein, als ob er etwas suchte. Der Mann trat bei Seite und verschmolz mit den Schatten. Logan lief ein weiterer Schauer über den Rücken. Er war zwar einiges gewohnt, aber was sich da in völliger Lautlosigkeit vor ihm abspielte, war ihm unheimlich.
Der Suchende stürzte zu Boden. Hoch ragte hinter ihm der Mann auf, das Haupt immer noch verdeckt. Offenbar hatte er seinen Verfolger niedergestreckt.
Er blickte hastig nach beiden Richtungen, als fühlte er, dass er bei seiner Tat gesehen worden war, dann beugte er sich herab und nahm dem Zweiten seine Sachen ab.
Die Szene verschwand und machte einer neuen Platz. Logan wurde nicht klar, was er dort gesehen hatte.
Was zeigte ihm der Stein?
Konnten es Ereignisse aus dem Zweiten Großen Krieg sein, als Jehran die Steine auf die Erde sandte? Er stellte sich vor, wie der Stein sie in seinem Innern verwahrte und hielt es für möglich, doch ein kleiner Zweifel der Unsicherheit nagte auch weiterhin an ihm.

Gorn mit der Axt
19.06.2005, 15:40
Vor ihm nahm ein neuer Ort Gestalt an und ersetzte den Ersten, der langsam verblasste.
Das Bild war diesmal weniger klar als das vorherige, aber es zeigte unverkennbar ein Schlachtfeld, Logan konnte die Gefallenen und Kämpfenden sehen. Hinter dieser Linie, geschützt von einem Kordon aus schwer bewachten Kriegern standen Andere, Vermummte, unter ihnen wieder der Mann.
Wer war er? Die Frage ließ Logan nicht los.
Wäre es möglich, dass der Kristall ihm den Urorkon zeigte, jenen unmenschlichen Herrscher, der die Krieger zwischen den Reichen angezettelt hatte und für das Schicksal verantwortlich war, dass er und seine Freunde hatten erleiden müssen?
Ein Bild auf diesen Tyrannen wäre eine willkommene Hilfe für Ziordan und den Hochkönig, sie wüssten alles, was der Dunkle plante, was er sich als nächstes für sie gedacht hatte, wo er als nächstes Leid und Pein verbreiten würde.
Doch was half das. Sie brauchten Hilfe und Bilder halfen nicht.
Was brachte ihnen alles Wissen dieser Welt, wenn die Heere der Dämonen aus dem Nordland erst jeden ihrer tapferen Streiter niedergestreckt hatten?
Nun wurde auch dieses Bild belebt.
Die Schlachtreihe wogte hin und her, Magier auf beiden Seiten woben ihre Zauber; Krieger wurden getroffen, Verwundete fielen und standen wieder auf oder blieben auf der blutigen Erde liegen, wo sie von ihren eigenen Kameraden in den Staub getreten wurden.
Logan hatte den Mann aus den Augen gelassen. Er fand ihn in dem Gewimmel der Schlacht nicht sofort wieder, obwohl er sich deutlich von den um ihn wabernden Gestalten abhob, er war der Einzige mit Substanz, der Einzige in dieser Szene, den es galt zu sehen.
Logans Augen flogen hin und her, sie strichen über die Reihen der Männer, die schrieen ohne einen Laut von sich zu geben. Schließlich fand er entdeckte er ihn am Rand des Schlachtfeldes; er war scheinbar verletzt, er schleppte sich über das zertrampelte Gras in den Wald hinein. Feinde verfolgten ihn und seine Mitflüchtenden, doch er beachtete keinen von ihnen, er hastete durch die nebelhaften Stämme.
In Logan stieg ein erdrückendes Gefühl auf, als er sah, wie der Unkenntliche seine Kameraden im Stich ließ und flüchtete. Hinter ihm brach seine Streitmacht auseinander und Stimmen riefen ihm nach, doch er hörte sie nicht.
Vielleicht wollte er sie nicht hören.
Nein! Nein, das konnte nicht sein. Jener Mann musste einer der Nordländer sein, ein Söldner und Halsabschneider, der seine Opfer bestahl und dann seine Freunde allein vor dem Feind zurückließ. Keiner der tapferen Imperiumsrecken würde derart abstoßend handeln.
Ekel überkam Logan und er wäre am liebsten vorgetreten und hätte den unbekannten geschüttelt, ihn am Mantel gefasst und zu seinen hilflosen Mitstreitern zurückgeschickt.
Er konnte es!

Gorn mit der Axt
21.06.2005, 17:05
Seine Hand war nicht sichtbar, er spürte keinen Widerstand, als er durch das Bein des Fremden strich. Aber der Mann geriet ins Straucheln und blieb vor ihm liegen. Am Rand der Bäume sah einen Schatten. Der Kopf des Mannes zuckte herum und er blickte an Logan vorbei auf den ersten seiner Verfolger.
Logans Blut verwandelte sich in Eis.
Der Mann war kein Mann. Er war jung, noch jünger als er selbst, nach dem wenigen, was er sehen konnte und abgezehrt bis auf die Knochen. Sein Antlitz war mit Staub und Blut bedeckt und seine Augen glänzten im Halbschatten nicht, sie waren matt, als sei der Junge mit Blindheit geschlagen. Doch als er sich aufrappelte und wegrannte, streifte ihn ein schmaler Strahl Sonnenlichts, der den Schatten um ihn herum vertrieb.
Der Mann war er selbst. Er erkannte jetzt auch die Szene wieder, jene mörderische Schlacht beim Jeldin Pass, wo der Dämon ihn von der Klippe geschleudert hatte und er in den Wald gerannt war. Aber er war nicht geflüchtet, er hatte versucht zu den anderen zurückzufinden.
Kaltes Entsetzen verlieh seinem Geist jene Schnelligkeit, mit der er sich nun das erste bild vor Augen rief.
Der Keller des abgebrannten Turms. Als der Nordländer ihn fast in Gestalt einer Ratte zertreten hätte und er ihn niederschlug um entkommen zu können.
Aber da war doch nichts von der Heimtücke, der Verschlagenheit gewesen, die er deutlich in den Augen des Mannes gesehen hatte. Er konnte sich nicht täuschen, so sicher war er gewesen, dieser Mann war verkommen, er war ein Dieb, ein Feigling!
Und er selbst!
Es dauerte lange, bis er sich nach diesem Schlag wieder erholt hatte.
Er lag reglos auf bunten Mosaiksteinchen, die sich durch die zerlöcherte Hose in seine Haut bohrten, doch dieser kleinere Schmerz war ihm willkommen.
War er denn wirklich ein so schlechter Mensch, wie der Kristall es ihm gezeigt hatte? In Logans Brust erhob sich ein kleiner, einwinziger Funke des Trotzes, er war vielleicht wichtigtuerisch und ängstlich, missgönnte seinem Freund Jinda seinen Mut und seinem Bruder die Weitsicht, aber er hatte doch nie absichtlich Böses getan.
War das Urteil gerecht, so fragte er sich.
Oder war sein Aufbegehren nur das Leugnen eines Schuldigen, der sich vor sich selbst rechtfertigen muss, statt der wirklichen Meinung des eigenen Wertes?
Logan stand langsam auf. Es stimmte, wenn der Stein einen Heiligen verlangte, so mochte er nicht der Richtige sein, aber war es das, was er wollte? In all den Geschichten, die er aus dem Buche Jehrans kannte, waren es nie die von Beginn an Weisen und Starken und Prächtigen, über die er seine Hand hielt, sondern jene, die mutlos und einsam waren und die versuchten, ihre Verfehlungen wieder gut zu machen.
Zögernd hob er den Kopf.
„Dann werde ich es machen wie sie.“ Sagte er sich. Nicht dem neiden, was er nicht haben konnte, sondern so gut leben, wie es ihm möglich war, denn Besseres konnte er nicht leisten. Und dafür brauchte er den Stein.
Er streckte die Hand aus, hielt wiederum kurz inne und ergriff dann den Splitter des Jehranssteines.
Im ersten Moment schon fühlte er, wie ihn die Mattigkeit der letzten Tage und Wochen verließ, seine Kräfte kehrten zurück, als der Stein ihm von seiner Kraft gab. Er sah, wie seine Wunden sich schlossen, wie sein Körper sich straffte und die Zeit wieder ihren normalen Gang einschlug.

Gorn mit der Axt
24.06.2005, 17:06
Und als er die Kampfschreie der Männer hörte, sich umdrehte und sah, dass Terz zwei von ihnen gefällt hatte und verwundet in eine Ecke gedrängt worden war, da durchströmte ihn eine noch gewaltigere Kraft, als er an Drogan dachte und an Solos Verrat und die Kontrolle über die Magie ging verloren, als das Gleichgewicht der göttlichen Macht, gehalten von der Unvollkommenheit eines Menschen in sich zusammenbrach.
Logans Innerstes verkrampfte sich.
Der Stein teilte nun seine Macht mit ihm, doch diese Macht war zu gewaltig, als dass er sie hätte kontrollieren können. Mit aller Kraft stemmte er sich ihr entgegegen, bemühte sich, diese neue Spielart der Gabe unter Kontrolle zu bekommen, doch er war zu schwach.
Der Schmerz zerrte an seiner Entschlossenheit, bis er sich danach sehnte, jemals nach dem Splitter gesucht zu haben und schließlich überwand sie ihn. Logan schrie auf, und die Macht bahnte sich ihren Weg aus seinem Innersten, Solos Männer schrieen entsetzt auf, als er hell aufleuchtete und die magischen Entladungen aus seinem Mund schossen, während sein panisches, qualvolles Kreischen die Luft erfüllte und seine Augen in glühendes Feuer getaucht schienen.
Blitzen gleich zuckten die Manifestierungen seiner Gabe durch den großen Kuppeldom und wo sie auftrafen glühten Stein und Metall hell auf und verformten sich oder verschwanden einfach. Dumpfe Schläge zeugten davon, wie sich die Kämpfenden einer gemeinsamen Eingebung gleich zu Boden warfen und abgehackte spitze Schreie davon, wenn einer zu langsam war und getroffen wurde.
Immer mehr der Entladungen quollen aus Logan hervor, die noch immer vom Schmerz gepeinigt wurde und von der Aussicht, die Magie würde nie versiegen.
Er musste mit ansehen, wie seine Fähigkeit der Verwandlung sich selbstständig machte, wie Holz zu Stein wurde und Stein zu Sand, wie die Luft selber in Flammen aufging und die Krieger zu Unaussprechlichem wurden.
Dann, nach einer kleinen Ewigkeit aus Ungewissheit und Schmerzen, versiegte seine Kraft.
Betäubt lag er in der Mitte des Mosaiks. Es war wie durch ein Wunder noch erhalten geblieben, auch wenn die Steine nun ihre Farben verloren hatten und dafür in den verschiedensten Schattierungen schimmerten, vom hel-len Goldgelb des Sandsteins und dem dunklen Grau von Granit, dem matten Schwarz von Eisen und den hellen Brauntönen von Eschen und Eibenholz. Viele Minuten lag er so.
Er spürte noch immer, wie die Magie in ihm wühlte, als ob jemand sein Inneres nach Außen kehrte, doch der heiße Schmerz von vorhin war gewichen und die unbändige Kraft des vorangegangenen Sturms hatte nichts hinterlassen als Stille. Sie war noch da, an jenem Ort wo sonst seine Gabe wohnte, doch nun wandte sie sich nicht mehr gegen ihn, nun war eben nur noch wie ein Sturm wie ein wilder Fluss. Er konnte sich ihrer Kraft nun bedienen, das wusste er instinktiv, denn nun war sie willenlose Stärke.

Gorn mit der Axt
26.06.2005, 13:06
Behutsam richtete er seine Aufmerksamkeit auf sie und zweigte ein winziges Bisschen dieser Macht ab. Sofort spürte er wie ihn Wärme durchströmte und als er sich auf den Bauch rollte konnte er im schimmernden Bild der Metallplättchen sehen, wie sich seine Wunden schlossen. Es war ein unheimlicher Anblick, doch zugleich einer, der ihn mit stiller Genugtuung erfüllte. Nie wieder würde ihm einer seiner Freunde durch Verletzungen entrissen werden, nun hatte er die Kraft ihnen helfen zu können, wie er es sich immer gewünscht hatte.
„Terz!“ Der Gedanke an seine Freunde hatte auch das Bild des jungen Gardisten in seine Erinnerung zurückgetragen. Noch leicht wankend rappelte er sich auf und stolperte die paar Schritte hinüber, dorthin, wo Terz gegen ihrer Verfolger gekämpft hatte, um ihm die Zeit zur Flucht zu geben.
Als er den Schauplatz des Kampfes erreichte, drohte ihn erneut die Panik zu überkommen, außer ihm war niemand zu sehen, Terz und die fünf Angreifer waren verschwunden. Halt! Einen von ihnen sah er doch, halb unter einer herabgestürzten Dachlatte verborgen, doch dieser Mann würde nie wieder von hier fortgehen, selbst wenn er es überlebt hätte, als die schweren Holzbohlen ihm die Beine zerschmetterten, eine der magischen Entladungen hatte ihn zu Stein erstarren lassen.
Noch andere von ihnen erblickte er auf seiner Suche nach seinem Freund, doch keiner hatte die Vereinigung mit dem Stein überlebt, alle hatten die Welt auf diese oder jene Art verlassen, einer war ebenso wie sein Mitstreiter verwandelt worden, einen anderen hatten die herabstürzenden Glassplitter erdolcht. Bei einem war die Magie besonders grausam gewesen. Der Mann war an der Hallenwand entlang gekrochen und hatte schon fast die Tür erreicht, als er getroffen worden war. Wo er gestanden hatte, erinnerte nun bloß noch ein schlanker Sprössling an den Krieger, nur an der knorrigen Stelle, wo vorher das Gesicht gewesen war, hatte er ihn überhaupt noch erkannt.
Solos und Terz jedoch entdeckte er nicht, so lange er die Trümmer der Halle auch absuchte.
Nachdem eine lange Zeit des Umherirrens und der Mühe enttäuschend ergebnislos vergangen war und der Schein der durch die teils brüchigen und matten Fenster herein scheinenden Sonne sich orange färbte und zu versiegen begann, da überkam ihn die Müdigkeit und er rollte sich, den großen Splitter des Jehransteines fest umklammert in einer rückwärtigen Ecke versteckt hinter einem Haufen herabgestürzter Gesteinsbrocken und eiserner Stützstreben unter den Resten seines Umhangs zusammen
Doch obwohl vor Müdigkeit kaum ein Auge offen halten konnte, schlief er nicht ein. Die Sorge um seinen Freund hielt ihn wach. Zugleich gestand er sich ein, dass er sein Verschwinden als seine eigene Schuld empfand, schließlich hatte Terz ihn beschützen wollen und war nun für seinen Mut auf eine vielleicht undenkbare und gänzlich unangebrachte Weise belohnt worden. Er entschloss sich, die Suche fortzusetzen und drehte sich herum, aber bevor er den Umhang ablegen und aufstehen konnte, hörte er leise Schritte auf dem steinernern Boden, die aus der Richtung des Portals kamen. Erregung erfasste ihn, er hoffte, dies könne Terz sein, der durch den Ausbruch der magischen Energie vertrieben worden war und nun zurückkehrte, doch die langen Monate der Verfolgung waren nicht spurlos an ihm vorbeigegangen und wo er früher freudig überrascht aufgesprungen wäre, kroch er nun an den Rand seines Verstecks und spähte mit schlaftrunkenen Augen in die dämmrige Halle.
Die Sonne war nun endgültig untergegangen, Logan sah überrascht, dass sich durch eine kleine Lücke in der verglasten Kuppel ein breiter, fast voller Mond abzeichnete, der die marmornen Wände silbern aufleuchten ließ. Er musste länger dort gelegen haben, als er gedacht hatte. War er vielleicht am Ende doch eingeschlafen und hatte sich das Geräusch nur eingebildet?
Nein, jetzt hörte er es wieder, doch konnte er nicht sagen aus welcher Richtung es kam, der Andere schien seinen Standort geändert zu haben, denn der Laut seiner langsamen Schritte wurde von den Wänden zurückgeworfen und mutierte in der jahrhundertealten Stille zu einem Durcheinander von widersprechenden Geräuschen, die es unmöglich werden ließen, die Füße zu diesen Schritten auszumachen.
Dann noch einmal ein kurzes Scharren. Der Mann war stehen geblieben!
Einer Eingebung folgend zuckte Logan herum und erstarrte, als er den breitschultrigen Schatten sah, der sich da im Schatten an die Wand lehnte. Sein Herz machte einen Sprung.
„Terz?“ fragte er hoffnungsvoll. Der Mann trat vor. Er trat auf die beschienene Fläche und ein unverwechselbares Gesicht mit einer breiten Narbe wurde sichtbar.
„Möchtest du noch einmal raten?“ Es war Solos.

Gorn mit der Axt
28.06.2005, 17:15
Das erste, was Frald spürte, nachdem die er aus dem tiefen, todesähnlichen Schlaf erwachte, war das Nachlassen der Kälte. Das erste, was er sah, war die Dunkelheit.
Ruckartig setzte er sich auf und fluchte aus vollem Hals, als er sich den Kopf stieß.
Wo auch immer er war, die Decke war ihm eindeutig zu niedrig!
„Bei Gardas, leg dich wieder hin, du wirst dich sonst noch ins Grab bringen!“ Die tiefe, aber sanfte Stimme brachte ihn dazu herumzufahren. An seinem Lager, denn offenbar hatte ihn jemand auf ein Bett geschafft, zu ihm herübergebeugt stand eine breit gebaute, ungewöhnlich kleine Gestalt. Doch der Raum war nur spärlich erleuchtet und seine Augen waren gereizt, sodass er nicht erkannte, mit wem er sprach. „Wer bist du?“
„Ardne.“ Antwortete die Stimme. Erst am Namen erkannte er, dass er mit einer Frau sprach. „Aber das ist unwichtig. Leg dich wieder hin, du hast dich noch lange nicht vollständig erholt.“ Sie sprach fortwährend leise, aber trotzdem seltsam eindringlich. Tatsächlich stieg nun in ihm die Müdigkeit wieder auf, doch zu seiner eigenen Überraschung spürte er noch keinen Schmerz. Das verwunderte ihn sehr, denn er hatte, wenn auch undeutlich, noch in Erinnerung, welchen Schaden ihm der Gundur zugefügt hatte.
„Wie lang habe ich geschlafen?“ Er erhielt keine Antwort, stattdessen wurde aus dem Nebenraum ein Poltern laut und gleich darauf hörte er eine andere Stimme etwas in einer ihm unbekannten Sprache sagen. Die Frau namens Ardne antwortete. Frald nahm an, dass sie herausging, aber sicher konnte er sich nicht sein, seine Augen zeigten ihm noch immer nur verwirrende Schatten. „Wer ist da?“ forderte er zu wissen. „Sprecht so, dass ich euch verstehe.“ „Ich nehme an, das meinst du nicht wirklich, Mensch, ansonsten würde ich die einzige Sprache benutzen, die euresgleichen versteht!“ Diese neue Stimme war noch wesentlich tiefer als die Ardnes, als käme sie aus dem Inneren einer großen Kriegstrommel oder aus den Tiefen einer Höhle, aber nicht von einem normalen Mann. Denn ein Mann war es, der sprach, das war nicht zu verkennen.
Nun wurde neben ihm eine Kerze entzündet. Der ungewohnte helle Schein ließ ihm die Augen Tränen, aber wenigstens sah er jetzt etwas. Um sein Bett hatte sich eine Gruppe von drei Männern gruppiert. Waren es Männer? Er war sich nicht sicher. Zwar hatten sie männliche Gesichtszüge und lange Bärte hingen ihnen über den Oberkörper, aber sie waren kaum fünf Fuß groß, er selbst musste sie um fast die Hälfte überragen. Noch einmal fragte er.
„Wer“ er zögerte. „Was seid ihr?“
Einer der Drei trat bedrohlich einen halben Schritt vor, aber die anderen hielten ihn zurück. Stattdessen kam der Mann rechts von ihm an sein Lager. Er war scheinbar der Älteste, denn sein Bart war stahlgrau und reichte ihm bis zu den Knien und seine Haut war faltig und wirkte rau wie Leder. Anders als seine Begleiter, die nur lederne Hosen und einfache Hemden trugen, hatte er eine abgewetzte Lederrüstung angelegt.
„Wir sind die Dar’Koburn. Das, was deine Vorfahren, die Clansmenschen früher als Zwerge bezeichneten. Wir fanden dich auf unserem Weg um Lebensmittel zu holen in einer Schneewehe liegen und haben dich mitgenommen.“ Der mittlere Zwerg schüttelte den Arm des Dritten ab und trat neben den Alten. „Und das obwohl wir für deinesgleichen nichts übrig haben, Barbar! Von mir aus hättest du neben diesem Untier im Schnee verrotten können!“
In Fralds Kopf drehte sich alles. Zwerge! Das waren Kreaturen aus Legenden, Wesen, mit denen die Mütter am Lagerfeuer ihren Kindern zu drohen pflegten, wenn sie unartig waren. Und nun sollte es sie auf einmal doch geben. Frald schüttelte frustriert den Kopf. Hier gingen Dinge vor, die über seinen Verstand gingen und das gefiel ihm nicht.
Die Zwerge mussten ihm seine Verwirrung angesehen haben, jedenfalls spie der zornige in der Mitte vor ihm auf die festgetretene Erde und stob aus der Tür, während die beiden Übrigen hastig in jener Sprache aufeinander einredeten, die sie auch gerade schon benutzt hatten. Dann machte der Ältere eine rüde Geste und der Andere verstummte. Er war ein junger Zwerg, dessen Bart kaum eine Handspanne lang war und ein sattes, eichenholzfarbenes Braun zeigte. Er folgte seinem Begleiter nach draußen, mit einem verkniffenen, aber dennoch nicht annähernd so zornigen Gesichtsausdruck. Zurück blieb nur der Älteste, der sich mit ruhigen Bewegungen durch den Bart strich. Er klang verbittert, als er meinte. „Die nächsten Tage wirst du als unser Gast hier bei uns bleiben.
Ardne wird sich um dich kümmern, aber ich muss dich bitten, dieses Zimmer nicht zu verlassen.“ Frald dachte mit leichtem Schrecken an seine Mission. Ob er sie nun ausführte oder nicht, sie war von äußerster Wichtigkeit.
„Heißt das, ich bin euer Gefangener?“ Erkundigte er sich. Die Augen des Alten wurden dunkel. „Das hängt nicht von mir ab. Dennoch würde ich dir empfehlen, dich an das zu halten, was ich dir sagte. Die Folgen für dich wären sonst“ ein kurzes Stirnrunzeln. „sehr unangenehm.“

Gorn mit der Axt
30.06.2005, 18:10
Ihr Gesicht landete schmerzhaft auf dem Boden.
Sie wusste nicht, wer sie angriff, aber sie wehrte sich, sie wand sich und schlug um sich, aber sie konnte sich nicht losreißen.
„Hört auf damit!“ befahl eine Stimme in harschem Ton.
Der Druck ließ etwas nach und sie konnte sich umdrehen. Es war Teldor, der sich über sie gebeugt hatte, in der linken Hand hielt er ein langes Messer, mit der rechten umklammerte er nun ihren Arm und zog sie am Fuß des Vulkans entlang in Deckung.
„Schnell, meine Männer können Sadrax Seeleuten nicht ewig Paroli bieten. Sagt mir, wo euer Ziel ist, dann bringe ich euch dorthin.“
Jeel nickte. „Wartet einen Moment.“
Sie holte das Ei hervor und prüfte noch einmal die Richtung. Sie hatte nicht vor, den Ort zu verfehlen, nur weil sie sich den Weg falsch eingeprägt hatte. Sie atmete erleichtert aus, denn das Leuchten wies noch immer auf einen Punkt kurz unter der Spitze des Vulkans.
Sie hob die Hand und wies darauf. „Dort müssen wir hin. Da oben muss es eine Höhle oder etwas ähnliches geben.“ Teldor folgte ihrem Blick und sah den Berghang entlang. Die Entfernung, die sie noch vom Ziel ihrer Suche trennte, betrug nicht einmal anderthalb Meilen.
„In Ordnung, folgt mir, aber seid leise. Noch sind Sadrax Leute beschäftigt, aber das wird sie nicht davon abhalten uns zu verfolgen, sollten sie uns entdecken!“
Er hielt das Messer weiterhin in der Hand und schlich nun um den Vorsprung herum, der ihnen Schutz gewährt hatte. Jeel ging ihm geduckt hinterher, darauf bedacht ja keinen Laut von sich zu geben. Schon ein Stein, von einem unachtsamen Fuß angestoßen konnte ihren Tod bedeuten denn aus dem Schatten heraus sah sie, wie Sadrax Männer sich um die letzten drei Leibgardisten Sammelten, die sich noch auf den Beinen hielten.
Wie Hyänen sahen sie aus.
Sie riss sich von der grausamen Szene los und richtete ihre Augen wieder auf den mit Geröll bedeckten Boden.
Dann hieß Teldor sie anzuhalten. Der schmale Steinwall hinter dem sie sich versteckt hatten, vereinigte sich hier mit dem verbrannten Erdreich, wenn sie weitergingen würde jeder sie mühelos sehen könne, wenn er nur in die richtige Richtung blickte.
Teldor blieb einen Augenblick reglos stehen. Dann glitt er zu Boden und kroch weiter. Sie tat es ihm nach.
Erst als sie am Boden lag, verstand sie, was Teldor bezweckte. An dieser Stelle gab es einige, kaum sichtbare Verwerfungen, zwischen den Mulden und Spalten des Vulkans fielen sie mangels ihrer Größe selbst aus nächster Nähe kaum auf, doch vielleicht vermochten sie es sie vor den suchenden Blicken der Verfolger zu verbergen, wenigstens so lange, bis sie einen kurzen Vorsprung gewonnen hatten.
Mit hastigen Bewegungen und bemüht möglichst flach zu atmen kraulten sie durch die dünne Rinne in die Höhe.
Zeit verstrich. Jeels Atem wurde schwerer, ihre Bewegungen langsamer. Die letzten Wochen waren nicht ergebnislos an ihr vorbeigegangen. Nur Teldor wirkte noch so wach und kraftvoll wie bei ihrer ersten Begegnung, obwohl sie meinte auch bei ihm eine gewisse, beginnende Abgezehrtheit zu erkennen.
Der Gipfel des Vulkans wanderte unmerklich näher. Jeel schaute zum Fuß des Berges zurück. Durch die aschige Luft konnte sie nicht mehr sehen als eine Kleine Ansammlung von helleren Strichen, kaum möglich dass die Piraten sie hier oben noch entdecken würden.
Beim nächsten Schritt griff ihre Hand ins Leere. Sie drohte das Gleichgewicht zu verlieren, doch schon war Teldor wieder da und hielt sie an der Schulter.
Sie standen in einem winzigen Talkessel, eigentlich einem Krater, kaum vier Schritt im Durchmesser, wo vielleicht vor Urzeiten die Heiße Lava hervorgebrochen und dann in den Rinnen, die sie über die sie gekommen waren den Berg hinab geflossen war. Und dort…
Jeel jubelte.
„Ein Eingang! Hier muss es sein.“ Mit einer fahrigen Bewegung, mit der sie die durchgescheuerte Lederschlaufe ihrer Tasche endgültig den Rest gab, nahm sie ein letztes Mal das Ei zur Hand.
Das Ei glühte heller auf denn je und ein Lichtstrahl drang aus dem größten der Sprünge in der Oberfläche hervor und verschwand in der dunklen Höhlung vor ihnen.

Gorn mit der Axt
02.07.2005, 17:18
Schweigend saß Frald auf seinem Lager.
Der Raum war dunkel, nur der flackernde Schein einer einzelnen Kerze verbreitete ein wenig Licht.
Vor einer halben Stunde hatten ihn die drei Zwerge verlassen. Zwerge. Dass er sie nun schon so nannte, machte seine Verwirrung deutlich. In seinem Dorf waren Zwerge nicht mehr als Legende, lustige Geschichten, die die Alten am Lagerfeuer erzählten, keiner von ihnen glaubte daran, dass es sie tatsächlich einmal gegeben hatte.
Und auch in den zwei oder drei größeren Städten, die er in seinem Leben besucht hatte, war nichts anderes bekannt gewesen. Doch, irgendwann hatte er etwas gehört. Er zermarterte sich das Hirn, wann es gewesen war, doch die Erinnerung kam erst, als sein Augenmerk auf die Kerze fiel.
Einmal, als Junge hatte er neben seinem Großvater gesessen, als der sich mit einem Gelehrten unterhielt.
Der hatte steif und fest behauptet, es hätte vor langer Zeit Zwerge gegeben, doch sie seien bereits vor Jahrtausenden vertrieben worden oder ausgestorben, deshalb seien sie ins Legendengut der einfachen Leute eingegangen. Damals hatte er über diese unsinnigen Gedanken gelacht und war dafür von Igmar gerügt worden, doch jetzt machte er sich seine eigenen Gedanken darüber.
Er unterbrach diese Überlegungen, als er hörte, wie jemand den Nebenraum betrat. Die Tür, eigentlich nur ein einfaches zurechtgeschnittenes Stück Leder, wie sie es auch in der Tundra benutzten, schwang zur Seite.
Die Zwergin trat ein, die sich um ihn gekümmert hatte. Ardne hatte der Alte sie genannt. Sie brachte ihm eine Schüssel mit klarer Brühe und eine neue Decke, doch sie sagte kein Wort.
Nach einer Weile war es ihm genug.
„Kannst du mir sagen, was hier los ist?“ Sie sah ihn scheu an, doch in ihrer Miene stand nicht nur Verwunderung, sondern auch ein stiller Vorwurf. Immer noch schwieg sie. Deshalb fuhr er fort. „Ich verende fast in der Eiswüste, dann wache ich auf und befinde mich in der Gesellschaft von Wesen, die es meines Wissens schon seit etlichen Jahren nicht mehr gibt und dann wird mir gesagt, ich sei euer Gast und müsse doch hier bleiben, als sei ich ein Gefangener.“
Besonders das Letzte erregte sein obschon verwirrtes Gemüt, denn in der Tundra, bei den vierzig Stämmen und den Clans gab es nichts Wichtigeres als die Einhaltung der Sitten und Gebräuche und der Älteste und das zugleich heiligste dieser Gebräuche war neben dem Schwur an den Clansführer und das Weiheritual die Unantastbarkeit von Besuchern, denen man das Gastrecht geboten hatte.
Ardne seufzte. Dann sagte sie leise. „Du hast Recht. Man hat dich anders behandelt, als es richtig ist, doch Taron verbot uns, dir von uns zu erzählen. Er liegt mit den anderen Fürsten im Streit, was dich betrifft. Einige von ihnen wünschen allen Menschen den Tod, andere wollen dich nur loswerden, weil du andere deiner Art anlocken könntest und einige wenige wollen dich am Leben lassen, doch auch sie haben verschiedene Gründe. Nur wenige stehen auf deiner Seite wie es Taron tut, doch auch er wird sich nicht gegen die anderen stellen, solltest du gegen ihre Gebote verstoßen. Mehr kann ich dir aber beim besten Willen nicht sagen, ich würde sonst selber bestraft. Aber wenn der Rat zu einer Entscheidung kommen sollte, dann werden sie wiederkommen und sie dir kundtun, vielleicht antworteten sie dir dann auf deine Fragen.“
Das waren die letzten Worte, die Ardne zu ihm sagte, in den nächsten Tagen war sie stumm ein Grab. Frald hoffte, dass niemand von ihrer Unterhaltung gehört hatte, er wollte nicht, dass die Zwergin bestraft worden war, weil sie die einzige war, die im geholfen hatte.
Die nächsten Tage vergingen quälend langsam. Außer Ardnes unregelmäßigen Besuchen bekam er so gut wie niemanden zu Gesicht. Nur zweimal betrat unter ihrer Aufsicht ein weiterer Zwerg seine Kammer, ein fröhlicher, mit einem grauen Kittel bekleideter Zwerg, den seine Pflegerin mit dem Namen Kalar ansprach.
Kalar versorgte seine Wunden fachgerecht und mit einer größeren Ruhe, als es die rastlose und nervöse Ardne je könnte. So machte seine Gesundung machte beachtliche Fortschritte und um so schlimmer war es für ihn, den ganzen Tag in seiner Kammer zu verbringen. Doch jedes Mal, wenn er nach dem ledernen Vorhang greifen wollte, erklangen Ardnes Worte in seinem Kopf und er ließ es bleiben. Sie hatte ihm diesen Rat bestimmt nicht umsonst gegeben.

Gorn mit der Axt
04.07.2005, 17:19
Um sich die Zeit zu vertreiben wanderte er ruhelos in dem kleinen Raum herum und sah sich alles genau an.
Nach vier Tagen, als die Zwerge zu ihm kamen, kannte er jede Einzelheit.
Der Raum maß in der Länge über sechs Schritte, der Tiefe nach aber nur etwas mehr als einen. Und wie er unlängst feststellen musste, als er sich den Kopf stieß, war er kaum fünf Fuß hoch. Für die kleingewachsenen Zwerge mochte das ausreichen, ihm jedoch bereitete das andauernde Bücken Schwierigkeiten, denn schon am ersten Tag machte er einige vorsichtige Schritte, bei denen er sich prompt ein weiteres mal stieß. Zwei Tage später wunderte er sich, dass weder der Decke noch sein Hinterkopf bleibende Schäden davongetragen hatten, so oft war er unachtsam gewesen.
Sein Schlafraum, oder Gefängnis, er wusste ja noch nicht, was zutraf, schien vorher als Lagerraum genutzt worden zu sein, am gegenüberliegenden Ende der schmalen Kammer lagen noch immer einige Kisten und Säcke, in denen Korn, Brot und andere Nahrungsmittel aufbewahrt wurden. Als er sie einzeln untersuchte waren ihm die Kisten aufgefallen, das Holz war sehr alt, der Klarlack blätterte schon ab und die Oberfläche war matt geworden, von andauernder Abnutzung, aber dennoch mit vielen feinen Mustern überzogen, wie sie kein Handwerker aus dem Nordland zustande gebracht hätte. Besonders die Beschläge hatten es ihm angetan. Das einfach, für reine Nutzzwecke bestimmte Metall war fast ebenso gut verarbeitet, wie der Stahl seiner Ritualwaffe und die war immerhin das beste, was man für Geld kaufen konnte.
Als die Zwergenkrieger durch die Tür traten, saß er auf seinem Bett und starrte an die Decke, doch auch als er sie hörte, rührte er sich nicht. Wer das Gastrecht brach, verdiente es, mit Nichtachtung gestraft zu werden.
„Los, Mensch. Du bist frei. Geh und verlasse unser Heim.“ Der Sprecher war der gleiche Alte Zwerg wie beim letzten Mal. Bei dieser unerwarteten Neuigkeit weiteten sich Fralds Augen, doch er blieb misstrauisch.
„Ich kann gehen? Warum?“ Einige der Männer machten unwillige Gesten, doch einer von ihnen sagte. „Der Fürstenrat hat es so entschieden. Wisse, auch wenn wir eurem Volk wenig Freundschaft entgegenbringen, fügen wir keinem Unschuldigen ein Leid zu.“ Frald sprang auf. Das war zu gut, um war zu sein. Von seinen Wunden spürte er nichts mehr als ein kurzes Stechen in der Seite.
Ungewollt schlich sich seit Tagen das erste Lächeln auf sein Gesicht. Nicht nur, dass die Zwerge ihn endlich die angemessene Höflichkeit erfahre ließen, er war auch wieder frei und zudem in der Lage, seiner Mission nachzugehen. Wenn er doch wenigstens genauer wüsste, was er denn überhaupt zu tun hatte. Doch das konnte er später klären. Eine zögernde Sekunde blieb er noch vor den fünf Zwergen stehen, dann verbeugte er sich kurz, was mit einem überraschten Murmeln quittiert wurde, und ging durch den ledernen Vorhang.
Und blieb stehen.
In dem kleinen Vorratsraum hatte es wenigstens die Kerze gegeben, die ein wenig Licht in die Dunkelheit brachte, doch hinter dieser Tür war nichts als Dunkelheit, die der schwache Schein, der durch die Ritzen im Leder drang, kaum zu erhellen vermochte. Ein betäubt und furchtsam blieb er stehen und wartete, bis sich seine Augen dem schwachen Licht angepasst hatten, es dauerte eine kleine Ewigkeit und half ihm kaum, erkennbar wurden nur schmale gemauerte Gänge, die in der Schwärze verschwanden. Sie hätten eben so gut unendlich weiterführen können, am Anblick hätte sich nichts geändert.
Er erschrak, als ihn plötzlich eine Hand am Arm berührte.
„Folge mir, ich werde dich nach draußen führen.“ Allem Anschein nach war es der Jüngste Zwerg, der, den der Alte beim ersten Treffen hinausgeschickt hatte, doch ganz sicher war er sich nicht. Er hatte nicht besonders auf ihn geachtet und zudem sahen für ihn, besonders in dieser vollkommenen Dunkelheit, alle Zwerge gleich aus.
Er musste sich beeilen, mit dem Zwerg mitzuhalten, denn der war schon vorangegangen und wirkte nicht, als habe er vor auf ihn zu warten.

Gorn mit der Axt
09.07.2005, 17:16
Lange Zeit wanderten sie durch die schlecht beleuchteten Gänge und noch länger dauerte es, bis Frald ein Muster erkannte, doch auch als ihm dies gelungen war, blieb der Weg selber ihm schleierhaft. In einem Abstand von je hundert Schritten gab es eine Lampe und die Gänge trafen sich immer zu Kreuzungen von sechs auf einmal, eine Zahl, die in der Architektur der Nordländer nie benutzt wurde. Ihre Häuser und Straßen waren stets in Form eines Quadrats gehalten, das hatte Frald bei seinen ersten Besuchen in ihren Städten bei der Orientierung geholfen. Treppen sah er hier keine, entweder führte der Zwerg in bewusst an allen vorbei, oder dieses Volk besaß eine andere Möglichkeit, auf die anderen Stockwerke zu gelangen. Oder. Fragte er sich, ist dieses ganze Netzwerk von Gängen in einer Ebene erbaut?
Er ging ein bisschen schneller, bis er neben seinem Führer stand. „Wo sind wir hier eigentlich?“ Der blieb abrupt stehen und schaute ihn an. Dann schritt er weiter, als wäre nichts passiert. Frald wurde zornig. Er kannte es nicht, nicht beachtet zu werden, als bester Krieger des Lagers, vielleicht des ganzen Stammes war ihm immer viel Ehre zuteil geworden, und nun waren es diese zu kurz gewachsenen Krieger, die daran zu zweifeln wagten. Doch gerade, als er aufbegehren wollte, antwortete der andere. „Warte noch eine kurze Zeit, dann wirst du es sehen.“
Frald schloss seinen Mund wieder und marschierte grollend weiter.
Einige Zeit geschah nichts, außer, dass bei Frald ein leichtes Schwindelgefühl einsetzte, die letzten vier Tage hatte er auf seinem Bett verbracht und noch längst nicht seine alte Stärke wieder gewonnen. Doch dann erschien am Ende des langen Weges ein kleines Licht, wie von einer einzelnen Kerze, das schnell näher rückte. Gleichzeitig meinte er, leise Geräusche zu vernehmen. Auch sie wurden lauter, doch er vermochte nicht zu sagen, worum es sich dabei handelte.
Sie bogen um eine Ecke des Tunnels und unversehens endete der Weg. Sein Begleiter blieb auf der Stelle stehen, doch Frald war zu erschöpft und orientierungslos, als dass er rechtzeitig hätte reagieren können.
Sein linker Fuß trat beim nächsten Schritt ins leere, nur seine Ferse trat noch auf den Stein des Tunnels und brachte ihn ins Stolpern, so dass ihn nur die kräftige Faust des Zwergs, die sich in seinen Arm bohrte daran hinderte hinab zu stürzen. Einige bange Sekunden lang baumelte er haltlos über dem Abgrund und nun erkannte er, woher der Lärm und das Licht kamen. Unter ihnen, in einem Raum, weit riesiger als alles was er je gesehen hatte, schweißten, schmiedeten und liefen Myraden von Zwergen an ihm unverständlichen Maschinen in einem den Sinn verwirrenden Gewusel, das nur von einigen anderen Gestalten unterbrochen wurde.
Aus dieser Distanz, denn Frald schätzte, dass er sich wenigstens fünfzig Ellen über ihnen befand, wirkten auch sie wie Winzlinge, doch die ameisengroßen Arbeiter der Zwerge überragten sie bestimmt um die dreifache oder vierfache Größe.
Dann endlich fand sein Führer einen festen Stand, er fasste auch mit dem anderen Arm zu und schaffte es, seinen viel schwereren Leib wieder in die Mündung des Tunnels zurückzuziehen. Frald schlug hart auf dem Stein auf.
Er sah zu dem Zwerg hoch. „Danke.“ Doch der grunzte nur. „Würde mir nur Ärger machen, wenn du dort runter gestürzt wärst. Mal ganz davon abgesehen, dass der Rat beschlossen hat, dich freizulassen, hätten die Aufseher vermutlich Alarm geschlagen, wenn sie einen unbekannten Menschen in der Schmiede aufgegriffen hätten.“
Er wandte sich der Wand zu und berührte einen der Steine. Obwohl Frald hätte schwören können, dass sie alle fest miteinander verfugt waren, drückte der Zwerg ihn ohne sichtbare Mühe ins Innere der Wand, die mit einem kaum hörbaren Schleifen noch oben schwang. Auf die Worte des Zwerges hörte er kaum, er war noch viel zu benommen von seinem Beinahe-Absturz.
„Komm endlich, wir dürfen den Durchgang nicht lange offen halten, sonst werden die Aufseher sehen uns noch die Aufseher.“ Blaffte er Frald an. Er klang ungeduldig, aber es schien auch ein wenig Sorge darin mitzuschwingen.
Beunruhigt stand Frald auf und hastete durch die Tür, die sich direkt hinter ihm schloss. Diesmal hatte er nicht bemerkt, dass der Zwerg irgendetwas getan hätte.
Sie standen nun in einem anderen Gang, auf die gleiche, gewissenhafte Art erbaut, doch wesentlich heller erleuchtet und nach den Spuren im Staub auch häufiger benutzt.
Sein Begleiter drückte ihm ein weiches Bündel in die Hand. „Zieh das hier an und duck dich, sollten wir auf eine Patrouille stoßen haben wir vielleicht Glück und sie halten dich für einen ungewöhnlich großen Zwerg. Aber ich werde uns einen Weg durch die hinteren Gänge suchen, da halten sie sich nicht allzu oft auf. Sei aber trotzdem leise, bis wir das Tor erreicht haben.“

Gorn mit der Axt
11.07.2005, 18:39
Die Schneide von Sibrils Klerek hämmert auf seinen Gegner ein, doch der war gleichzeitig überall und nirgends, alle Schläge schienen ins Leere zu gehen und der Offizier musste Schritt für Schritt zurückweichen. Mit weit aufgerissenen Augen verfolgte Thimris diesen Kampf.
Nachdem Greelon zu ihnen gestoßen war, hatte alles wunderbar geklappt, er hatte sie schon nach wenigen Stunden im Schutz einer Felsspalte aus dem Tunnelsystem geführt. Schon etliche Minuten zuvor war ihnen die beißende Kälte aufgefallen, doch als sie den Ausgang des Tunnels verließen, wichen sie augenblicklich wieder zurück denn selbst an dieser geschützten Stelle herrschten Temperaturen, wie sie noch keiner von ihnen erlebt hatte. Sie mussten schon tief ins Grenzgebirge vorgedrungen sein, vielleicht waren sie dem Nordland schon näher als ihrer eigenen Heimat!
Thimris war es auch nach mehrmaligem Versuchen nicht gelungen, eine Flamme heraufzubeschwören, so sehr er es auch versuchte, seine Kräfte hatten ihn jetzt vollkommen verlassen, selbst der erfolgreichste Versuch lieferte nicht mehr als ein schwächliches Flackern.
So konnten sie sich nur in all ihre Umhänge und Decken wickeln, Greelon trotz seines Fells unter dem Umhang an Thimris Brust hängend, und sich durch das dichte Schneegestöber kämpfen. Der Weg den sie sich suchten, hatte in langen, mühsamen Schleifen den Berg hinauf geführt, über Felsgrate und durch kleine Schluchten, bis Thimris seine Zehen und Finger nicht mehr spüren konnte, doch immer hatten sie ihr Ziel deutlich vor Augen. Greelon zu Folge lag die Stadt, die sie suchten am Hang des höchsten Gipfels des Grenzgebirges, am Fuß des Dar’ Karon. Der ragte in einigen Meilen Entfernung vor ihnen auf und seine Größe und Erhabenheit stellte alle Berge um ihn in de Schatten, Thimris konnte sich nicht vorstellen, dass der Wall, der früher im Süden dieser Gegend verlief, auch nur einen Fuß höher gewesen wäre.
Schließlich war ihre Reise zu Ende.
Sie durchquerten ein Tal, das den Dar’ Karon und seinen Nachbarn trennte und blickten auf den Eingang des untergegangenen Ur-Gish.
Auf einer Breite von über fünfhundert Schritten war der Hang des Berges abgetragen und so sauber geschliffen worden, dass selbst Äonen später, als die Bewohner der Stadt schon lange vergessen waren, die Oberfläche ohne Makel war. Die Höhe dieses Monuments mochte gar eine halbe Meile betragen, erst dort hatte sich der Berg so weit zurückgezogen, dass die glatte Ebene einen natürlichen Abbruch fand. Und in der Mitte dieser riesigen Fläche stand ein Tor. Wuchtig und bedrohlich wie das Gebirge selbst ragte es über ihnen auf, allem Anschein nach aus dem Gestein des Berges selbst geschnitten.
Thimris überlegte, welche Mühen es gemacht haben musste, solche Mengen des Berges abzutragen, wobei noch unklar war, welche Ausmaße das Innere der Stadt haben mochte, wenn schon das Portal nur in hunderten von Schritten zu messen war. Als er das Ergebnis hatte, zweifelte er an seinem Verstand. Er musste irgendwo aus Versehen ein paar Nullen hinzugefügt haben, den allein die Menge vor den Toren müsste ein Gewicht von etlichen Millionen Fässern gehabt haben, dabei war allein schon der Begriff der „Million“ in seinem Heimatland, weitab von den großen Städten und den Allergrößten, die vielleicht einmal an diese Zahl heranreichen mochten, nichts anderes als eine mathematische Spielerei ohne wahren Wert. Für dieses Werk mussten Tausende von Arbeitern Jahrhunderte gequält worden sein und selbst dann war es eine phantastisch zu nennende Leistung.
„Nicht schlecht, was?“ Greelons unter dem Mantel ertönende Stimme zerbrach die denkwürdige Atmosphäre des Ortes. „Aber wenn ihr nicht erfrieren wollt, würde ich euch empfehlen, einzutreten.“ „In Ordnung. Willst du das Tor öffnen oder sollen wir das erledigen?“ Sibril schien bemüht, nicht zynisch zu werden, der Sarkasmus war wohl zu tief in seinem Wesen begründet, doch Greelon störte sich nicht daran. „Klopft einfach an der Tür, dann werdet ihr schon sehen.“ Meinte er rätselhaft. Der Schwertmeister warf Thimris einen fragenden Blick zu, aber dann überwand er doch die restliche Strecke und griff nach einem massiven Türklopfer, die Thimris bisher mit den Verzierungen des auf die Tür gemeißelten Reliefs verwechselt hatte.
Doch er tat nichts. „Er lässt sich nicht bewegen! Er ist entweder zu schwer oder festgefroren.“ Erklärte er seinen Begleitern. Er wartete, bis die beiden neben ihm standen, dann zog er eine Fackel aus seinem Gürtel, zündete sie mit einiger Mühe mit einem Feuerstein an und hielt sie unter den Ring, der in etwa den Durchmesser seines Arm hatte. Schweigend und zitternd warteten sie in der Kälte, dann nahm er die Fackel an Seite, umwickelte seine Hände mit dem Stoff seines Umhangs und hob den Ring an. Mit einem markerschütternden Donner, von dem Thimris befürchtete, er könne eine Lawine auslösen, prallte er auf das Metall des Türklopfers. Durch viele Ellen festen Steins verborgen nahm ein fabelhaft durchdachter Mechanismus seine Arbeit auf.

Gorn mit der Axt
13.07.2005, 17:27
Tief unter ihm, doch jetzt hundertmal näher als zu jedem anderen Zeitpunkt seiner Reise saß der Hüter in seiner Grotte und… Nun ja, was tat er? Er war kein Mensch, auch kein Wesen wie Elb oder Zwerg, das man im weitesten Sinne mit ihnen vergleichen konnte, doch wäre er zu Gefühlen im menschlichen Sinne fähig gewesen, dann könnte man seinen Zustand wohl am ehesten als Euphorie bezeichnen.
Einer der drei Suchenden hielt bereits den ersten großen Splitter in Händen, die anderen näherten sich ihre Zielen mit geschwinden Schritten.
Die Tat, die er begangen hatte, als er ihnen Hilfe gesandt hatte, war so dicht am Rand zu den Verboten seines Herren anzusiedeln, dass er sich wunderte, warum er noch nicht bestraft worden war. Und doch hatte er es gerne getan, denn zum ersten Mal sah er den versprochenen Lohn für seine lange Zeit des Dienstes in greifbarer Nähe.
Nicht dass den Suchenden keine Gefahr mehr drohte, aus dem wenigen was er sehen konnte war zu schließen, dass sie kaum nachgelassen hatte, doch vielleicht war sein Vergehen jener Ausschlag gewesen, der das Zünglein der Waage zur richtigen Seite lenken mochte.
Seine letzte große Befürchtung galt nun nicht mehr dem Mut oder der Kraft der Suchenden, sondern allein ihrem Charakter. Er wusste, nichts und niemand konnte der geballten Kraft von drei großen Splitern widerstehen, doch hatte erst einer von ihnen die erste Prüfung hinter sich gebracht und sie alle würden erst noch zeigen müssen, ob sie in der Lage waren, die Macht, die in ihre Hände gelegt wurde, zu kontrollieren.
Man mag sagen, dass der Hüter in diesem Moment seine Vorsicht fahren ließ, die ihn über Jahrtausende am Leben erhalten hatte, denn sowohl aus den unendlichen Felsspalten unter dem Grenzgebirge als auch aus dem höchsten Norden waren jetzt Augen auf ihn gerichtet, die in der Aussicht baldigen Triumphes hasserfüllt glänzten.

Gorn mit der Axt
16.07.2005, 18:51
Logan erstarrte.
„Du hast nicht erwartet, mich noch einmal wieder zu sehen, nicht war, Junge?“ höhnte er. „Hattest gedacht, dein tumber Riese hätte mich und meine Leute aufgehalten.“
Logan rührte sich nicht, aber in seinem Innern arbeitete es. Mit seinen Kräften wäre es ihm ein leichtes gewesen, den Wüstenkrieger unschädlich zu machen, aber der Kristall hatte ihn seit Wochen davon abgehalten, sie einzusetzen. Ob er sie jetzt wieder beherrschte?
Solos trat einen Schritt näher und zog seinen Dolch.
„Du hast mir eine lange Jagd geliefert, Junge. Eine gute Jagd. Ich werde auf dich anstoßen, wenn ich dich zusammen mit diesem Ding im Norden abgeliefert habe und der Dunkle mir den versprochenen Lohn bezahlt hat.“
Während Solos sprach bemühte sich Logan verzweifelt sich die Kraft des Steines zu Nutze zu machen.
Der Splitter verweigerte sich ihm nicht mehr, er behinderte ihn auch nicht, aber er konnte ihn dennoch nicht einsetzen. Ganz schwach spürte er einen Anklang seiner alten Kraft, wie Glockengeläut aus weiter Ferne noch zu hören ist, aber das war zu wenig.
Es war noch zu wenig, als Solos auf ihn zu sprang und ihn zu Boden stieß. Logan hatte keine Zeit gehabt zu reagieren, der Beduine war zu schnell gewesen, aber jetzt wand er sich in seinem Griff und schrie.
Er wollte,… er konnte nicht zulassen, dass seine Gefährten ihr Leben gegeben hatten, nur damit Solos den Stein dann doch noch nach Norden brachte.
Er trat nach Solos Beinen, die seinen Körper zu Boden pressten, und bekam seinen Linken Arm frei. In diese Moment traf ihn ein schmerzhafter Hieb an der rechten Schulter. Solos hatte mit dem Dolch nach seiner Brust gestoßen, er hatte nur das Glück gehabt, zur richtigen Zeit zur Seite zu rutschen. Er spürte Blut über seinen Rücken laufen und sein rechter Arm wurde taub, doch mit dem anderen packte er Solos Hand mit dem Dolch und schob sie von sich.
Wenigstens versuchte er es. Doch der Beduine hatte die bessere Position. Er kniete über ihm und war zudem nicht verletzt, er brauchte sich nur mit seinem Gewicht auf die Waffe zu stützen und konnte dabei zusehen, wie ihre Spitze seinem Feind immer weiter entgegen sank.
Logan wehrte sich mit aller Kraft, doch er konnte den Dolch nicht aufhalten. Also spannte er alle Muskeln an, hob auch den verletzten Arm an sein Handgelenk, obwohl dies neuen Schmerz durch seine Schulter schickte.
Einen kurzen Augenblick verharrte die Schneide an Ort und Stelle, doch dann nahm sie ihren Lauf wieder auf.
Logan begriff, dass er keine Chance hatte, den Beduinen niederzuringen. Sein Bein suchte und fand einen festen Punkt in einer der herab gestürzten Dachstreben, die sich in einer der Wandnischen verkeilt hatte. Dann stieß er sich ab und rutschte zur Seite.
Die Klinge des Dolches verfehlte sein Herz erneut, jedoch nicht ohne diesmal seine Brust zu streifen und ihm einen langen, flachen Schnitt zuzufügen.
Solos stolperte auf den Dachsparren und kämpfte um sein Gleichgewicht, um nicht in sein eigenes Messer zu fallen und sich zu verletzen, dann duckte er sich in den Schatten und suchte mit seinen Augen die Halle ab.
Logan duckte sich keine vier Schritte von ihm entfernt unter einem Haufen aus Bruchstücken des Dachgebälks zusammen. Nur zwei Sekunden hatte er Zeit gehabt und sich in dieses winzige Versteck geflüchtet, Solos würde ihn demnach rasch finden. Er hoffte, dass die an die Wüste gewohnten Augen seines Jägers von der Dunkelheit gehemmt wurden, doch sicher war er sich nicht. Er betete zu Jehran um Zuflucht und Hilfe, doch außer dem Splitter, der noch immer halb aus seiner Tasche ragte, ließ nichts die Gegenwart des Ewigen erahnen.
Er kauerte sich noch tiefer in sein Versteck und esperte wieder nach seiner Gabe.

Gorn mit der Axt
19.07.2005, 19:06
Jetzt antwortete ihm etwas ein Hauch nur, aber dennoch seine Gabe.
Er versuchte es noch einmal, diesmal mit mehr Entschlossenheit. Dann konzentrierte er sich auf seine Hand und auf den kalten Marmor unter ihm und wurde fast ohnmächtig vor Erleichterung, als das sich die Haut und das Fleisch darunter unmerklich langsam grau verfärbten und starr wurden.
„Hab ich dich!“ Solos Stimme war laut und triumphierend. Seine Gestalt, dunkel vor dem hellen Licht des Mondes, ragte direkt vor seinem Versteck auf.
Diesmal konnte Logan ihm nicht entgehen, die Lücke, in die er sich gezwängt hatte, war zu eng, als dass er sich hätte rühren können. Das Einzige, was er tun konnte, als Solos mit dem Dolch nach ihm hieb, war die versteinerte Hand zur Abwehr zu heben. Erst in der letzten Sekunde, in der die nadelfeine Spitze der Waffe auftraf, bemerkte er, dass er noch immer den Jehranstein in den unbeweglichen Fingern hielt.
Das Metall bohrte sich mit einem hässlichen Knirschen in den makellosen Kristall und kurz hoffte Logan, er würde zerbrechen, damit Urorkon und seine Schergen ihn nicht in ihre kalten Finger bekommen würden, doch der Stein hielt. Stattdessen brach aus ihm ein strahlend helles Licht hervor und verdammte die beiden Kämpfenden mit Blindheit.
Logan hörte wie Solos niedergeworfen wurde und rieb sich verzweifelt die gepeinigten Augen.
Die Lichtflut versiegt und er sah wieder ein verschwommenes Bild. Solos war neben den Trümmerhaufen geschleudert worden und lag nun tief im Schatten, den das Geröll auf ihn warf. R schien bewusstlos zu sein.
Er robbte aus dem engen Hohlraum und stand auf. „Autsch!“ Der Schmerz durchzuckte ihn. Die Wunden an Arm und Brust forderten ihren Tribut. Während sich im Arm nur Taubheit ausbreitete, schien der Schnitt auf seiner Brust in Flammen zu stehen.
Ganz kurz haderte er mit seinem Gewissen, als er sich von Solos abwandte.
Eigentlich hätte er ihn ja töten sollen, aber der Beduine war ein gefährlicher Mann. Er verschwand lieber aus der Ruinenstadt und ließ den Bewusstlosen hier zurück, wenn er erst einmal über den See hinaus war, würde Solos ihn nie wieder finden.
Ihm schauderte bei dem Gedanken, den Sumpf und die Wüste noch einmal zu durchqueren, aber da er den Stein nun in seinen Besitz gebracht hatte, würde er in den nächsten Tagen aus seine Kräfte zurückerlangen.
Er überlegte auch, ob er wohl außerhalb der Halle noch eine Spur von Terz finden würde.
Der junge Gardist mit dem Traum vom Fliegen hatte es ihm angetan, er hatte ihm bei den Strapazen ihrer Reise zu oft das Leben gerettet, als dass er ihn jetzt einfach zurücklassen konnte. Zögernd ließ er den Blick noch einmal durch die Halle schweifen, dann drehte er sich zur Tür.
Und blieb stehen.
Kaum dass er einige Schritte gemacht hatte, hatte er hinter sich ein Scharren gehört, ein kurzes Kratzen und Schaben, das ihn unangenehm an die Insektenkrieger des Dämons unter der Elbenstadt erinnerte.
Doch als er sah, was es war, wäre ihm einer dieser Dämonen lieber gewesen.
Der Schatten, den er von Solos sah, hatte sich halb aufgerichtet und krümmte sich wie unter Schmerzen.
Langsam rutschte und stolperte er auf Logan zu, dabei ertönte immer wieder dieses entsetzliche Knirschen, als würden Knochen aneinander reiben.
Aber es waren keine Knochen. Es war Stein.

Gorn mit der Axt
22.07.2005, 18:11
Denn Logan zuckte in Panik zurück, als der Körper seines Verfolgers aus der Dunkelheit austauchte.
Solos Leib war missgestaltet und verformt, die Berührung mit dem Jehransplitter hatte ihre Spuren hinterlassen und ihn mit dem Gestein der hohen Halle verschmolzen.
Sein einer Arm war an die Brust angewachsen und rührte sich nicht, der andere in angewinkelter Haltung erstarrt. Erkennen konnte man ihm nur noch an seinem Gesicht, denn die breite Narbe hatte sich in eine steinerne Schlucht verwandelt, sein Gesicht war in einer Grimasse des Hasses und der nackten Angst eingefroren, zudem war seine linke Gesichtshälfte eingesunken, als wäre sie durch den Lichtblitz tatsächlich geschmolzen. Lebendig war nur noch das andere Auge, aus dem Panik und Entsetzen und Verständnislosigkeit zu lesen waren.
Logan stolperte rückwärts.
„Nein! Nein, das wollte ich nicht!“
Seine Stimme versagte.
Was auch immer Solos getan hatte, kein Mensch, auch nicht die anderen bemitleidenswerten Gestalten und jener Baum Krieger an der Türe hatten solch eine Strafe nicht verdient.
Doch Solos schien ihn nicht zu hören.
Mit der Sturheit und dem verwirrten Blick eines verwundeten Tieres bewegte er sich weiter auf sein am Boden liegendes Opfer zu. Logan fasste im Geist nach seiner Gabe, aber er war zu entsetzt als dass er sie kontrollieren konnte. Kurz schimmerte sie zwischen seinen Fingern auf, verwandelte harten Stein wieder in weiches Fleisch, doch dann verschwand sie wieder. Als das, was sich einmal Solos genannt hatte, das erblickte, wurde es rasend.
Mit seinen unbeholfenen Schritten stakste es auf ihn zu, warf ihn trotz seines verkrüppelten Leibes mit der Leichtigkeit eines Riesen zur Seite und schrie seine Qual heraus.
Logan hatte nie etwas Schlimmeres gehört.
Der Sturz hatte ihm den Splitter aus der Hand geprellt, er lag nun einige Fuß von ihm entfernt an die Wand gelehnt. Fest in Solos steinernen Griff gehalten streckte er sich nach ihm aus, aber seine erfolglosen Versuche schickten ihm nur neuen Schmerz und endeten stets nur wenige Fingerbreit vor der schimmernden Oberfläche des Splitters.
Dann gab Logan auf. Das Entsetzen, vielleicht auch das Eingeständnis seiner Schuld an diesem Wesen überwältigte ihn und sein Widerstand erlosch.
Reuevoll blickte er die entstellte Kreatur an, deren eine bewegliche Hand sich nun zur Faust ballte und zum Schlag ausholte.
Kurz bevor der tödliche Schlag sein Ziel fand, mischte sich in das knirschende und splittrige Kreischen des Wesen das Klirren und Bersten von Glas. Logan wusste nicht, woher es kam und im Angesicht des Todes interessierte es ihn auch nicht mehr, doch die Kreatur schaute wie magisch angezogen nach oben, von wo der Laut gekommen war.
Kurz war ein dunklerer Schatten in der finsteren Halle zu sehen, vielleicht auch nur ein verirrter Lichtstrahl, der vom Jehranstein eingefangen und reflektiert worden war, doch für einen Sekundenbruchteil ertönte ein noch höheres Kreischen und das Wesen taumelte zurück, mit einem tiefen Schnitt an eben jener Stelle am Hinterkopf, an der das verletzbare Fleisch in die versteinerte Haut überging.
Es fuchtelte mit seinem einem Arm in der Luft herum, drehte sich in heller Wut und grollte seine unverständliche Drohungen hervor, doch niemand antwortete.
Dann, wieder der Schatten! Die Kreatur schrie in nie gekannten Höhen, dass Logan vermeinte sein Herz müsse stehen bleiben und sein Gehirn an der Qual zu Grunde gehen, doch der Laut verklang schließlich und es fiel zu Boden, wie ein Hammer der gegen eine Schieferplatte drischt und regte sich nicht mehr, mit einer tropfenden Wunde, wo zuvor noch das lebendige Auge Hass versprüht hatte und einem zerborstenen steinernen Torso.
Lange Minuten rührte Logan sich nicht.

Gorn mit der Axt
24.07.2005, 16:47
Er lag zittern da und war nicht in der Lage auch nur den kleinsten Finger zu rühren, die Angst war bis in sein Innerstes vorgedrungen und hatte sich mit seiner Schuld an dem Tod dieser Männer zu einem mächtigen Getöse vereinigt, gegen das er anzukämpfen machtlos war.
So verblieb er die ganze restliche Nacht.
Und als der Mond sich hinter einem Meer aus Wolken verbarg und auch der schimmernde Splitter des Jehransteines kein Licht mehr spendete, fiel er in einem unruhigen Schlaf.
Doch auch hier ließen ihm seine Schuldgefühle keine Ruhe und ihr Druck lastete auf ihm in der Dunkelheit, unsichtbaren Nachtschatten gleich, deren Gewicht ihn in die Erde drückte.
„Logan.“ Er wusste die Stimme nicht einzuordnen. Er war verwirrt und müde und rollte rastlos und sich schlaftrunken in seinem Bett herum.
„Logan!“ wiederholte die Stimme. „Wach auf.“ Er öffnete die Augen und sah seine Mutter an seinem Bett sitzen. Sie lächelte ihn an. Komisch, dachte er sich, ich hatte ganz vergessen, wie schön sie aussah.
Ein kurzer Gedanke begehrte aus seinem Innersten auf, eine Erinnerung, doch bevor er sie fassen konnte, war sie schon entschwunden bis auf ein merkwürdiges Gefühl von Trauer.
„Logan, du träumst ja schon wieder. Komm, steh auf, ihr wolltet doch heute mit Jinda in den Wald gehen. Deine Geschwister warten schon draußen auf dich.“ Ja, jetzt erinnerte er sich. Sie wollten zum Goldfluss fischen gehen wollen. Warum hatte er das vergessen. Er stand auf und trat aus der Tür.
Er war im Wald. Jeel tollte vor ihm ausgelassen mit Jinda herum, doch Thimris stand neben ihm und schaute in den Himmel hinauf. Wir sollten uns beeilen. Es sieht nach Regen aus. Logan folgte seinem Blick. Sein Bruder hatte Recht. Aus dem Norden kam eine dicke, neblige Wolkenfront heran, die sich über dem Wald zu ihnen heran schob. „Es sieht so aus, als könnten wir heute nicht so lange bleiben, wie wir gehofft hatten.“ Meinte er und Thimris nickte. Also setzten sie sich hin und nahmen zwei der Fische vom Feuer.
Wieder streifte ihn ein Gedanke, er hatte einen kurzen Moment eine Ahnung, dass etwas hier nicht stimmte, doch Jinda stieß ihn an und er verlor ihn.
Logan schaute mürrisch zu ihm herüber, doch Jinda war nicht mehr da. An seiner Stelle saß ein sehr hochgewachsener Mann, mit schmalem Gesicht, das zu Hälfte unter einer Kapuze verborgen war. Seine Geschwister schienen ihn nicht bemerkt zu haben, sie alberten noch immer fröhlich herum und redeten an ihm vorbei, als sei er Luft für sie.
„Du musst fort von hier Logan.“ Der Mann im Umhang wies auf das Feuer, und Logan sah hinein.
Die Flammen tanzten spielerisch über die dürren Äste, die sie im Wald gesammelt hatten und verschlangen einen nach dem anderen. Das Feuer wuchs, streckte sich ihm entgegen, umhüllte ihn.
Die Stadt brannte.
Er stand im großen Glockenturm des Rathauses und sah sich um. Die ganze Stadt erstreckte sich unter ihm, er konnte sogar weit hinten am Horizont das Haus seiner Eltern erkennen, das lichterloh brannte, ebenso der Wald und die Felder vor den Mauern, alles stand in Flammen, nur der Marktplatz nicht.
Dort hatte sich eine große Menschenmenge versammelt, die zu ihm hoch starrte. Kein Wort wurde gesprochen, obwohl hinter den wartenden das Feuer immer näher kam.
Einige der Männer und Frauen erkannte Logan. Da, an der Seite stand Karl, der Schreiner. Der alte Priester der kleinen Stadtkirche stand neben ihm. Er hatte ihn nie besonders gut leiden können. Der Alte hatte seinen Argwohn wegen ihrer Gaben nie ganz fallen gelassen.
Noch andere waren da, Freunde, Bekannte aus der Stadt und dem Umland und ganz in der Mitte der Menge stand wieder, hoch über den anderen aufragend, der in einen Umhang gehüllte Fremde, diesmal neben dem Herzog stehend.
Stumm wie die anderen hob er die Hand, wie um Logan zu grüßen, doch er wies nicht auf den großen Glockenturm, sondern auf den bewölkten Himmel über ihnen.
Logan lehnte sich weit übers Geländer, um etwas erkennen zu können. Er wusste nicht, was der Mann ihm hatte zeigen wollen. Die Wolken hatten sich um die kleine Hauptstadt zusammengeballt und verbargen alles. Doch dann vermeinte er, an einer Stelle des Nebels eine Bewegung zu erkennen. An jenem Punkt gerieten die Wolken in Aufruhr, die wurden aufgewirbelt und auseinander gerissen und in die Lücke, die sie hinterließen, schob sich der Drache.

Gorn mit der Axt
26.07.2005, 18:11
Die Erkenntnis und die Erinnerung kamen gemeinsam wieder, zusammen mit dem letzten, verhängnisvollen Flammenstrahl, der auf das Rathaus hernieder fuhr und Hundert Jahre altes Mauerwerk glasig werden ließ, bevor alles in einem Sturm aus Hitze und Trümmern verschwand.
Das Rathaus, der Marktplatz und die Stadt Caladar wurden vernichtet, doch er, in der kleinen Seilkammer des Glockenturms verweilend, blieb unverletzt. Von den herabstürzenden Balken und Steinbrocken spürte er nur einem leichten Druck, und die auf ihn einstürmende Hitze, die selbst Stahl ebenso leicht schmolz wie Butter, wärmte seine erkaltende Haut und kitzelte sein Gesicht. Und in den Flammen stand der Mann, Ziordan, und zeigte auf ihn, erhob die Hand wie in stummer Anklage und Logan sah verbrannte Haut und roch verbranntes Haar.
Logan erwachte mit einem Schrei.
„Ich war es nicht! Ich bin nicht schuld! Mutter, Vater! Sagt es ihm, ich bin nicht schuld! Ich bin … Ich.“
Die Worte verklangen. Er senkte den Kopf. Tränen traten ihm in die Augen und liefen ihm über die Wangen.
Er hatte schon lange nicht mehr an seine Eltern gedacht. An seine Eltern, die vom Drachen, der Bestie Urorkons, verbrannt oder ins Nordland entführt worden waren.
Logan wusste nicht was schlimmer war, doch er schob diesen Gedanken bei Seite. Er hatte einen Splitter des Steines. Wenn es für die südlichen Lande noch eine Rettung gab, dann lag sie in diesem funkelnden Artefakt, das er in seinen Händen hielt. Nun musste er es zum Hochkönig bringen. Andraeis und Ziordan würden bestimmt in der Lage sein, damit etwas gegen die Tzetzlani Zauberer und die Dämonen auszurichten. Aber der Weg zurück war weit, sehr weit. Er wusste nicht, ob seine Kräfte schon für eine Verwandlung ausreichten und zudem kannte er den Weg nicht. Mutlos blieb er sitzen.
Wenn er nur mit der Hilfe solch mutiger Soldaten wie Drogan oder Terz oder bis hier hin gekommen war, wie sollte er dann allein die Hauptstadt erreichen.
Die Sonne ging gerade auf und stach ihm in den Augen, das war die Wärme gewesen, die er im Traum gespürt hatte. Lange saß er da, und starrte in die Sonne.
Sie hatte sich schon einige Finger über den Horizont erhoben, da wurde sie von einem ständig wachsenden Schatten verdunkelt. Doch Logan lief nicht weg. Wenn das die Nordmänner oder weitere von Solos Krieger waren, oder eine neue Teufelei des Dunklen Herrschers, dann war es gleich ob er ihnen hier entgegentrat oder auf halbem Wege nach Gordian.
Doch es war kein Feind. Es war ein Ger-Adler.
Als Logan das erkannte, überlegte er, ob es sich um einen Botenvogel handelte, doch er hatte noch nie davon gehört, dass es jemandem gelungen sei, eines dieser Tiere zu zähmen. Aber das lag nicht nur an ihrer enormen Größe; die Adler, die aus seinem Gerain-Arm des Grenzgebirges stammten und auch von ihm seinen Namen erhielten, wurden bis zu fünf Fuß groß und hatten eine Spannweite von über zwei Schritten. Aber davon abgesehen waren sie gefährliche Raubvögel, die auf alles vom Menschen abwärts Jagd machten. Dazu hatte sie die Natur extrem starken Klauen und einem scharfen, geschwungenen Schnabel ausgestattet, der sie eigentlich als Jagdvögel prädestiniert hätte.
Als der Vogel sich näherte, kam Logan der Gedanke, ob es vielleicht doch jemandem gelungen und dieser Vogel nun bloß der neueste Versuch war, ihm den Splitter wieder abspenstig zu machen. Jindas Vater, Jehran sei ihm gnädig, hatte sich für die Vögel der Halbinsel begeistert und jedem, den er halbwegs gut leiden konnte, dieses Thema aufgezwungen. Daher wusste Logan, dass es nicht die natürlichen Waffen, sondern das unberechenbare Temperament dieser Tierart waren, die solche Ambitionen immer wieder rasch unterband.
Inzwischen war der Adler auf dem Gebiet der Ruinenstadt angekommen und drehte jetzt am Himmel über den zerfallenen Gebäuden langsam sinkende Kreise, denen Mittelpunkt, wie Logan mit gerunzelter Stirn feststellte, er selbst war.
In Ermangelung jeglicher Waffe griff er sich ein halbwegs scharfkantiges Bronzerohr, das etwa die Länge eines Infanteriespeers hatte, aber schon von Rost und grünlicher Patina verkrustet und am oberen Ende angebrochen war. Als Waffe machte es nicht viel her, doch als er es zur Probe herum schwang, stieß der Greifvogel con oben herab, packte es mit seinen Klauen und ließ es über dem Kuppeldach fallen. Die Gewalt des Rucks riss Logan von den Füßen, er landete auf dem von Staub und Schlick bedeckten Marmor und spürte, wie ihm Blut über den Unterarm lief. Eine der Fänge musste ihn erwischt haben. Fluchend kroch er in Richtung der Hauswand, dann erstarrte er.

Gorn mit der Axt
29.07.2005, 16:39
Der Ger-Adler hatte sich, nur einige Schritte von ihm entfernt, auf einem der Giebel der Halle niedergelassen und schaute nun aus kalt blitzenden Raubtieraugen auf ihn herab. Logan kam sich vor wie ein Stück Beute, so wie er dort vor ihm lag.
Als der Vogel sich von der Mauer erhob und auf ihn zuflog, riss er nur noch die Arme hoch, um sein Gesicht vor den mörderischen Klauen zu schützen. Doch da war nichts. Keine Krallen schlugen sich in sein Fleisch, kein Schnabel hackte auf ihn ein.
Vorsichtig linste er zwischen den Fetzen seines Umhanges hindurch und sah den Adler vor sich stehen.
Der große Raubvogel überragte ihn in seiner kauernden Haltung um einen Fuß und blickte starr auf ihn herab.
Furchtsam, und so langsam wie er konnte, verlagerte Logan sein Gewicht nach hinten, um der Reichweite des Adlers zu entkommen. Aus dieser Entfernung, das war ihm klar, konnte der gekrümmte Schnabel ihn ohne weiteres ein Auge oder einen Finger kosten.
Der Vogel legte den Kopf schief und Logan verharrte erneut.
Am Boden, aus seinem natürlichen Element entfernt, stakste er mit ungelenken Schritten auf ihn zu und kam direkt vor ihm zu stehen.
„Logan?“
Der Ruf erklang aus keiner bestimmten Richtung. Logan blickte sich Hilfe suchend nach allen Seiten um, doch er sah niemanden.
„Logan?“ Diesmal war die Frage drängender, doch er bemühte sich, sie nicht zu beachten, denn der Ger-Adler beugte sich zu ihm vor, so weit vor, dass schon das Zittern, das ihn durchlief, seine Haut die Spitze des Schnabels berühren ließ. Er schaute auf und sein Blick schweifte suchend über das Antlitz des Adlers.
„Will er mich angreifen?“ Fragte er sich. „Oder nur so lange aufhalten, bis Solos Leute hier sind und sehen, was aus ihrem Anführer geworden ist?“ Auch der Gedanke, ob er jetzt wahnsinnig wurde und Stimmen hörte, kam ihm kurz.
Doch die Augen, in die er schaute, blitzten nicht länger.
Sein Gegenüber war ein Tier, deshalb konnten menschliche Empfindungen nicht herhalten, es zu beschreiben, doch wäre dies möglich gewesen, hätte man den Ausdruck in den wilden Augen für Verständnislosigkeit halten können.
„Logan!“ Diesmal war es ein Schrei, keine Frage, so laut, dass er sich nicht irren konnte, aber die Quelle des Geräusches kannte er noch immer nicht. Doch als er weiterhin nicht angegriffen wurde, hob er behutsam die linke, unverletzte Hand, wie es ihm der Herzog gezeigte hatte, von der Seite her an den Kopf des Vogels heran, um ihn nicht zu erschrecken und seine Nackenfedern zu streicheln. Dies, so erinnerte er sich, sollte auf die meisten Vögel wenigstens beruhigend wirken, doch kaum dass seine Hand auch nur in der Nähe des Hauptes war, ruckte der Vogel nach vorne, biss ihn in die Hand und flog davon.
Logan sprang auf und rannte in die Deckung des Portals, doch der Vogel griff nicht noch einmal an. Stattdessen flog er in zunehmender Höhe Kreise über ihm, bis Logan ihm mit den Augen nicht mehr folgen konnte.
Erst als er sicher war, dass der Adler nicht wieder zurückkehren würde, betrachtete er seine schmerzende Hand, aus der auf Innen und Außenseite Blut hervorsickerte.
Da er inzwischen keine Waffe mehr hatte, musste er einen Teil seiner Kleidung in Streifen reißen, um die Wunde notdürftig zu verbinden und die Blutung zu stillen, doch nach einiger Zeit gelang es ihm, wenigstens einen vorläufigen Verband zu wickeln und der Schmerz ließ etwas nach, dabei hatte er sich die vielen Kratzer und Prellungen aus dem Kampf in der Halle und den tiefen Schnitt in den unterarm noch nicht einmal angesehen.
Um nicht doch noch von Solos Truppe aufgespürt zu werden, ging er ein ganzes Stück weit durch die Straßen der Ruinenstadt, bis er fand, was er gesucht hatte. Ein halbwegs intaktes kleines Haus, mit mehreren Räumen und Eingängen, einem Keller, der nur teilweise eingestürzt war und einem kleinen unbeschädigten Brunnen, an dem er seinen Durst stillen konnte.
Es dauerte bis zum Abend, bis er alle seine kleinen Schrammen verarztet hatte und als er sich endlich, an seiner Seite noch immer das schmale Bronzerohr, zur Ruhe legte, hielt ihn nur noch die tiefe Sorge um seine Geschwister wach, bis Jehran ihm zuletzt dann doch einen erholsamen Schlaf schenkte.

Gorn mit der Axt
01.08.2005, 17:15
13. Einer am Ziel, Eine gejagt, Einer gefangen

Frald fragte sich, ob Jehran ihn ausgesucht hatte, um seinen Spaß zu haben.
Seine Reise war eine reine Farce, wie sie ironischer nicht sein könnte.
Sie waren durch die unbekannten Wege im Felsgestein gelaufen, bis Frald es aufgab, seine Schritte zählen zu wollen. Alle Zahlen, die er kannte, wären zu gering gewesen.
Als sie dann doch endlich an einem kleinen, im Schatten eines Hügels gelegenen Tor herauskamen, wurden sie prompt von einer Patrouille entdeckt, die sie aufgriff. Frald hätte vielleicht als Nordländer nicht viel zu befürchten gehabt, aber dennoch griffen sie auch ihn an, als sie den Zwerg erkannten, und er war gezwungen, sich gegen sie zu verteidigen.
Die Wachen, die mehr auf seinen Begleiter geachtet hatten als auf ihn, waren schnell besiegt, doch wie das Schicksal so spielt traf ein Pfeil den Zwerg an der Schulter.
"Beim Höchsten, hätte ich den Kurzen doch einfach im Schnee verrecken lassen!" dachte er sich
Er haderte mit seinem Gewissen, denn nicht nur, dass die Zwerge die Gebote der Gastfreundschaft gebrochen hatten, zudem hatte er doch auch noch die Mission seines Großvaters zu erfüllen.
Er nutzte die ratlose Situation, um auch Igmar eine längere Zeit zu verfluchen der ihm diese Bürde aufgeladen hatte.
Dann aber hob er brummend den Körper des Zwerges auf und trug ihn wieder in den Eingang des Tunnels, wo sie wenigstens vor dem Wind ein wenig geschützt waren.
Er konnte nicht anders, er hatte im immerhin das Leben gerettet.
Auch wenn der Zwerg kein Mensch war, für die diese Gesetze nur galten, so hatte er sich doch Fralds höchsten Respekt und Achtung verdient.
Der Weg zurück durch die Dunkelheit war noch länger als der Vorangegangene.
Nach einigen Stunden verlosch auch das letzte Licht im Gang und er tastete sich blind an der Wand entlang.
Er legte sich hin, als er müde wurde und schlief und ging weiter, wenn er wieder genug Kraft hatte.
Als ihn die anderen Zwerge fanden, denn er war wieder bis in die niederen Tunnel vorgedrungen, da war er in einer kaum besseren Verfassung als der Verwundete.
Als er erwachte sagten sie ihm, es seien drei Tage gewesen.
Zuerst glaubte er ihnen nicht, aber das Gefühl, als er das erste Mal wieder versuchte auf eigenen Füßen zu stehen, die mit Blasen bedeckt und aufgeschunden waren, wurde er überzeugt.
Im Bett neben ihm lag sein verletzter Begleiter. Er fragte, wie es ihm ginge und erhielt keine Antwort.
Als es ihm zuviel wurde, stand er vorsichtig auf und schleppte sich die beiden Schritte herüber, um ihn sich selbst anzusehen.
Der Zwerg war blass, noch blasser, als es bei seiner Art, die viele Tage im Jahr unter der Erde verbrachte, üblich war, aber sein Atem ging ruhig und der Pfeil aus seiner Schulter entfernt.
Frald war zufrieden.
Am nächsten Morgen war er allein in seinem Zimmer, auch die nächsten fünf Tage kam niemand zu ihm, außer der ewig sanften Ardne, die aber so stumm war wie zuvor.
Am siebten Tag öffnete sich die Tür und zwei der Zwergenfürsten traten ein, der greise Talon vorneweg, der andere grummelnd hinter ihm hertrottend.
Sie sprachen mit ihm.
Frald hob die Brauen.
Offenbar war er zum Ehrenzwerg ernannt worden.

Gorn mit der Axt
04.08.2005, 16:34
Sie rannte hinab, hinab, immer weiter, und Teldor stets in ihrem Rücken.
Ihr Blick lag die ganze Zeit über auf dem steinernen Ei, das mit seinem Licht den Weg erhellte.
So stürzte sie zwar oft und zerschrammte sich Beine und Arme am vulkanischen Gestein, aber sie konnte die Augen nicht abwenden.
Teldor lief hinter ihr her und warf misstrauische Blicke in alle Richtungen.
Hinter sich glaubte er schon die keuchenden Stimmen von Sadrax Matrosen zu hören, die den Eingang zur Höhle entdeckt hatten, aber er war sich sicher, dass er sich täuschte.
Der Kampf am Fuß des Vulkans hatte erst vor Minuten begonnen, bestimmt gelang es den Gardisten die Halsabschneider noch einige Zeit hinzuhalten.
Er wurde ungeduldig, eine Wesensart, die er sonst gar nicht an sich kannte und nur sehr gering schätzte.
Aber hatte dieser Närrin von einer Magierin lange genug gefolgt. Wenn sie nicht in der Lage ihr Ziel zu erreichen, würde er sie an die Nordländer ausliefern müssen, aber wie sollte er das tun, wenn sie ringsherum von Sadrax Leuten eingekesselt waren.
Sie bogen um eine Ecke im Gang. Anstatt weiter am Hang des Berges entlang zu führen, bohrte sich der Tunnel nun direkt in sein Inneres.
In Teldors Augen war der Düstere weniger wert als sein Ruf, er mochte ein guter Seemann und Menschenschinder sein, aber auf keinen Fall traute er ihm Verbindungen zu den Spionen des Nordlandes zu. Und ohne die würden alle Worte Teldors nicht ausreichen, Sadrax von seiner Rache abzubringen.
Wieder eine Ecke.
Nichts!
„Wie lange wird es denn noch dauern, bis wir endlich da sind?“ herrschte er sie an. Jeel antwortete nicht.
Sie lief stur geradeaus als hätte sie ihn nicht gehört. Wütend wiederholte Teldor seine Frage, da blieb sie endlich sehen und sah ich an.
Ihre Augen waren wie mit Nebel überzogen, der wache Schimmer, der das Merkmal des menschlichen Verstandes ist, blitzte hier und da noch durch, aber er wirkte wie mit einem Tuch zugedeckt. Starr blickte sie auf den Stein, den ihre Finger fest umklammert hielten. Bisher hatte Teldor ihm nicht viel Beachtung geschenkt, ihn für einen Talisman oder anderen magischen Schund gehalten, aber jetzt strahlte das Ding ein gleißendes Licht aus.
Der Stein war wunderschön.
Er war wie gefesselt von diesem Anblick. Doch als ein Schütteln des Vulkans den Gang erbeben ließ, verlor er ihn für einen Moment aus den Augen.
Das reichte ihm. Er bedeckte seine Augen mit den Handflächen und rollte sich zusammen.
Teldor erbebte. Für eine Sekunde hatte er gespürt, wie alles, was ihn bisher auf dieser Reise angetrieben hatte, seinen Sinn verloren hatte. Das hatte ihn bi in die Essenz seines Geistes erschüttert.
Er vermochte sich nicht auszumalen, wie es war, dem Einfluss dieses dämonischen Artefakts länger ausgesetzt zu sein, aber er suchte auch nicht danach, es herauszufinden.
Nun begriff er aber auch die seltsame Reaktion des Mädchens. Wenn sie so betäubt war, wie er dachte, dann würde sie ihn ohne Hintergedanken zum Ziel führen, ohne an etwas anderes zu denken.
Er nahm die Hand von den Augen und spähte in das Dunkel.
Jeel hatte diesen Abschnitt des Ganges verlassen, aber ihre Fußspuren, die die Asche aufgewirbelt hatten und das leise Scharren ihrer Schritte sagten ihm, dass sie weitergegangen war.
Der Vulkan erbebte ein erneut, diesmal schwächer, aber nahm es nur unbewusst war. Seine Gedanken sannen drüber nach, was es sein mochte, wofür der König und seine Magier solche Gefahren für ihr Leben auf sich nahmen. Die Magier, die oft viele Male so alt wurden, wie seinesgleichen scheuten im allgemeinen der Gefahr, die Furcht um ihr längeres Leben ließ sie unentschlossen und schwach werden, so dass es um so verwunderlicher erschien, was hier geschah.

Gorn mit der Axt
08.08.2005, 16:16
Ob der König ihr überhaupt von ihrem verlängerten Leben erzählt hat? Während er ihren Spuren folgte, spielte er mit dieser Idee. Es erschien ihm unwahrscheinlich dass der König einen seiner ach so kostbaren Magier für eine solche Mission aufs Spiel setzen würde, das Reich war allerdings so oder so verloren, deshalb mochte es denkbar sein.
Jeels Schatten zeichnete sich schemenhaft vor ihm auf der Tunnelwand ab.
Teldor lächelte.
Als er näher kam, verhärteten sich die Konturen. Der Schatten hob sich nun deutlicher vom umliegenden Hintergrund ab, der stetig heller wurde.
Er eilte voran, achtete nicht auf die immer heftiger entgegenströmende Hitze und stand urplötzlich in einem langen, gemauerten Raum.
Hier war offenbar seit Ewigkeiten niemand mehr gewesen, denn an vielen Stellen waren die Mauern eingebrochen und Wurzeln durch die Erde dahinter gedrungen. An einer Stelle waren die Pflastersteine gar einem schmalen Rinnsal aus Lava gewichen, das sich irgendwann in den Jahrhunderten den Weg hierher gebahnt haben musste. Und weiter hinten, am Ende des Raumes, auf einem kleinen Podium, dass Logan sicherlich wieder erkannt hätte, ruhte ein silbern glänzender Kristall.
Das musste es sein. Teldor war sich absolut sicher, denn dieser Stein hatte eine noch stärkere Wirkung auf ihn, als jener, den Jeel bei sich trug. Sie kauerte benommen an eine der Wände gelehnt und kroch langsam auf den Sockel zu. Teldor lief los. Er musste ihr zuvorkommen, damit er das Artefakt für sich beanspruchen könnte.
Er rannte sie einfach um, woraufhin Jeel stürzte und reglos liegen blieb. Er beachtete sie jedoch nicht. Er rannte weiter, überwand mit einem gewagten Sprung den Lavastrom und streckte gierig die Hände nach dem glitzernden Juwel aus.
„Nein!“
Schlitternd blieb er stehen und riss den Kopf herum.
Niemand war zu sehen.
„Du bist nicht der Träger. Dir wird der Stein sich nicht beugen!“
Teldor zog seine Waffe. Wer sprach da?
„Wer bist du? Zeig dich!“ schrie er. Doch niemand antwortete.
Auf einmal wirkten die Schatten, die die brodelnde Lava auf die zerfallenen Wände warf, viel bedrohlicher als zuvor. Hektisch drehte sich Teldor um sich selbst.
Niemand zu sehen.
Doch da, einer der Schemen bewegte sich. Teldor riss sein Messer aus der Scheide und warf es mit jener Genauigkeit, die nur von Jahrelanger Erfahrung geschaffen wurde. Das Messer flog in einem tödlichen Bogen auf den Ort seiner Bestimmung zu und Teldor lachte triumphierend auf, doch dann passierte die Waffe das Ziel und bohrte sich mit der Klinge voran ein kleines Stück in die dahinter liegenden Mauerreste.
Der Schatten, auf den er gezielt hatte, war verschwunden.
Gegen die aufsteigende Panik in seinem Geist ankämpfend rannte Teldor wie von Furien gejagt zurück zum Eingang des Tunnels, wo Jeel sich langsam aufrichtete. Mit der aus Angst geborenen Kraft hob er sie mühelos an den Schultern empor und blickte ihr in die Augen.
„Wer ist das?“ fragte er. „Wodurch wird der Schatz bewacht?“
Jeel schaute unverwandt durch ihn hindurch, doch als es schon so schien, als hätte sie ihn nicht verstanden, antwortete sie.

Gorn mit der Axt
12.08.2005, 15:18
„Dort ist niemand. Niemand bewacht den Schatz, der sich selber schützt.“
Diese für ihn unverständlichen Worte brachten Teldor nur noch mehr auf, er ließ Jeel fallen und schrie sie an.
„Mich werdet ihr nicht aufhalten. Ich werde auch diesen Ort überleben, ganz egal ob sich mir die gesamte verfluchte Magierschaft oder niemand hier Wache hält, ich werde mir den Stein holen und dann werde ich dieses von Jehran verdammte Land hinter mir lassen.“
Er griff entschlossen nach seinem Schwert und schlich sich ein letztes Mal durch den Raum, bis er den Sockel erreicht hatte, auf dem der Kristall ruhte.
Er streckte die Hand nach ihm aus… und ergriff ihn.
Freude durchströmte ihn mit fast euphorischer Stärke. Er hatte den Stein.
Er konnte spüren, wie er ihn mächtiger werden ließ, wie die Kraft des Juwels auf ihn überging. Er hob eine Hand und die Asche auf dem Boden schlängelte sich durch die stickige Luft und umkreiste ihn, er hob die andere und der Ring zerbarst zu einem Feuerrad.
Er lachte hysterisch auf. Nach allen Richtungen Gesten wirkend überquerte er den Lavastrom, der ihm nicht mehr anhaben konnte und blieb erst stehen, als er neben Jeel angekommen war.
Nur Kraft seines Willens hob er sie vom Boden auf. Er wusste, dass er sie nun vollkommen in seiner Gewalt hatte. Er genoss diesen Augenblick und zog sie an sich heran.
Mit leiser, neckischer Stimme raunte er ihr zu. „Siehst du, kleine Magierin. Niemand konnte mich aufhalten.
Schon bevor ich den Kristall fand, hatte keiner von euch genug Verstand es mit mir aufzunehmen.“
Seine Stimme troff nun vor Hohn.
„Auf der einen Seite folgte ich dir um den König zufrieden zu stellen und auf der anderen behielt ich dich bei mir als Pfand für die Nordländer. Merkwürdig wie das Leben so spielt, nicht wahr? Eigentlich hatte ich vor, dich ihnen auszuliefern und mich von Urorkon belohnen zu lassen. Doch du hast mir einen Weg gezeigt, der noch wesentlich profitabler ist, als alles, was ich mir im Stande war auszumalen.
Nun kann mich niemand mehr besiegen, ich beherrsche jede eurer Gaben mit hundertfacher Kraft und kein Dämon kann sich mir in den Weg stellen. Selbst der große Drache oder die Magier des Reiches würden es nicht wagen. Das Imperium wird fallen, ebenso das Nordland und ich werde es sein, der sich die Kronen des Dunklen und des Hochkönig aufs Haupt setzt; ich werde es sein, der die Herrschaft über beide Länder an sich reißt, wie es seit dem ersten König niemand mehr tat. Und ich werde allmächtig sein!“
Teldor schloss genussvoll die Augen, als sich in seiner Vorstellung die Bilder seiner Regentschaft bildeten, Heerscharen von Männern und Frauen, die sich seinem Willen beugten und die mächtigsten der Reiche, die nur ihm zu Diensten waren.

Gorn mit der Axt
16.08.2005, 17:01
Nur eines war noch zu tun.
„Sie mich an, Magierin!“ Seine Stimme war zwingend und Jeel öffnete die Augen, hilflos seinem Bann ausgeliefert. Ein angenehmes Gefühl der Kühle stieg in ihm auf, als könne ihm selbst die Hitze des Vulkans nicht mehr trotzen.
„Du wirst die erste sein, die ich brechen werde.“ Er überließ Jeel ihrer Angst und griff im Geiste tief ins Innerste des Kristalls. Dort fand er die Macht, die er suchte. Er legte Jeel die Spitze des Steines auf die Stirn.
Er spürte, wie sie von ihrer eigenen, der seinen weit unterlegenen Magie durchströmt wurde und gleichzeitig mit jedem Quantum dieser Macht, das er in sich aufnahm, nahm das Gefühl der Kälte in seinem Geist, das Merkmal seiner unbegrenzten Macht weiter zu.
Wie ein Vampir aus den Sagen labte er sich an ihr und raubte ihr die Kraft, bis sie kraft und leblos zu Boden sank.
Die inzwischen eisige Kälte durchdrang ihn vollkommen und in diesem Moment schrie er seinen Triumph in die Welt heraus. Das Gebrüll, das lauter klang, als der Todesschrei von Tausend Drachen, erschütterte den Vulkan bis ins Innerste, drangen gleich einer Sturmflut bis ins Grenzgebirge vor und wurden zwischen den Gipfeln hin und her geworfen. Noch immer mächtig erreichte es die Front der erschöpften Krieger, die sich auf dem verwüsteten Land des Imperiums den Dämonen entgegenstellten und ließ diese in Angst erstarren, doch auch die Dämonen merkten auf ob diesen Rufes, der von Magie kündete, nach der sie stets gierten. Er erscholl über Wüsten und über Gras, über Wäldern und Gebirgen und verklang erst auf der weiten Leere des großen Ozeans.
Mit golden leuchtenden Augen schaute Teldor in der Höhle, am Rande des Verbotenen Reiches auf sein Opfer hernieder.
Und sah das Blut.
Wie ein Strom von Feuer ergoss es sich aus der Brust, verlor sich in der trockenen Kleidung und tropfte in die heiße Asche.
Teldor verspürte Bedauern.
Und starb.
Er lag mit von Unverständnis kündender Miene in der Höhle und wenn der letzte Krieg, der die Welt, wie sie damals war, in ihren Grundfesten erschütterte, diesen Ort verschonte, so mögt ihr ihn heute noch finden, tot zu Boden starrend mit golden leuchtenden Augen.
Das köperlose Wesen, das Niemand war und doch lebte, kroch in sein Heim zurück. Er war es gewesen, dessentwegen der Verhasste diesen Ort verfemt hatte, und nur ihm unterwarf er sich voller Hass. Voller Groll hatte er das Mal des Verhassten auf der Magierin erkannt und sie erbittert verschont, doch der andere, der Narr, der nur ein Mensch war, den durfte er zu sich nehmen.
Und als er das tat, fiel der Kristall zu Boden, der leblosen Jeel in die Arme.

Gorn mit der Axt
23.08.2005, 16:31
Keiner von ihnen konnte sehen, was im Inneren des Tores vorging, doch hätten sie es auch gesehen, verstanden hätten sie es nicht.
Ein komplexes Zusammenspiel der gigantischen Maschinerie nahm seinen Gang, Zahnräder drehten sich, manche aus Stein, andere aus Metall und an manchen Orten waren Lücken, wo einmal solche aus Holz ihre Arbeit verrichtet hatten. Trotz so manchen fehlenden Bauteils funktionierte der Ablauf reibungslos, als sei er erst gestern das letzte Mal benutzt worden, obwohl die dicke Eisschicht, die sich auf dem Türklopfer gebildet hatte zeigte, dass es schon etliche Jahrzehnte, wenn nicht Jahrtausende her sein musste.
Lederriemen knarrten, die das aufgetragene Öl schon lange aufgerieben hatten, Rumpelnd schoben sich Gewichte hin und her, Hausgroße Flaschenzüge mit mannsdicken verrosteten Ketten hoben und senkten sich mit einem Donnern, das nur die puren Ausmaße des Eingangsportals verstummen ließen.
Außen, vor dem Tor, bemerkte man jedoch nur wenig.
Thimris und seine Begleiter warteten eine Zeit in der Kälte, zehn Minuten, fünfzehn und nichts zeigte ihnen, dass sich ihre Handlung irgendwie ausgewirkt hatte.
Bis zu jener Stelle, da der Mechanismus sich auch überirdisch bewegte.
Zwei meterdick mit Schotter, Eis und Schnee bedeckte Hügel erzitterten. Rasch wich die kleine, zwischen ihnen stehende Gruppe zurück. Doch ihnen drohte keine Gefahr, obwohl der Eindruck der beiden riesigen Gesteinsmengen, die sich langsam aufrichteten und sich wie Türme vor ihnen erhoben sicherlich bedrohlich gewirkt haben muss.
Auf ihrem Weg in die Höhe schüttelten sie ihre schwere Last ab, das Eis fiel von ihnen ab und enthüllte gesprungenen Stein.
Dann ertönte ein ohrenbetäubendes Knirschen und Reißen. Nur einmal hatte Thimris ähnliches gehört und das war in jenem Moment, in dem sich im großen Sägewerk der Stadt eines der Werkzeuge in der vom Fluss angetriebenen Säge verfangen hatte. In Wirklichkeit jedoch wurde der Laut, der den Höhepunkt des unsichtbaren Schauspiels begleitete, davon erzeugt, dass die große Kette, die größte ihrer Art im Tür von einem ähnlich titanischen Zahnrad auf ein anderes geschoben wurde und die Türlasten, denn dies waren die Hügel gewesen, sich langsam wieder senkten und dabei das Tor mit sich zogen.
Als sie diesen einmaligen Anblick bestaunten waren die drei doch froh, dass sie sich in seinem Mittelpunkt befanden. Links und Rechts von ihnen schwangen die gewaltigen Torflügel nach außen und über ihnen ragten Spitzen der nieder ziehenden Torsäulen auf, die sich ob ihrer Länge erst zu einem Drittel gesenkt hatten und doch schon an ihnen vorüber gegangen waren.
Es dauerte eine ganze Stunde, bis sich auch die letzte Bewegung und der rollende Donner vom Anklang der Türen an den Säulen gelegt hatten.
Sibril erholte sich als erster von dieser Erfahrung, aber auch seine Stimme klang brüchig.
„Wir werden uns dort drinnen in acht nehmen müssen. Ich kann nicht glauben, dass irgendeine Maschine und sei sie auch noch so vollendet nach so langer Zeit noch funktionierte, würde sie nicht regelmäßig gewartet.
Außerdem muss es noch mindestens einen weiteren Eingang geben. Eine Stadt kann nicht mit nur einem Zugang überleben, der etliche Stunden braucht, um sich zu öffnen.“ Greelon krächzte spöttisch. Natürlich gibt es noch etliche Eingänge. Die Stadt erstreckt sich auf viele Meilen unter dem ganzen Grenzgebirge ein Wanderer vom anderen Ende wäre zu Grunde gegangen, ehe er dieses Tor erreicht hätte.“ Sibril achtete nicht auf die Worte des Trilak. Stattdessen drückte er Thimris eine Fackel in die Hand und umfasste selbst die Griffe seines Klerek.
Wortlos schritten sie vorwärts, um sie herum wurde es düsterer, als sich hoch, hoch über ihnen der Rand oder besser die Decke der Tür erstreckte.
Der Schein der kleinen Fackel, die Thimris bei sich trug, mochte angemessen sein für den nächtlichen Wald oder die dunklen Gassen einer Stadt. Hier jedoch verlor er sich in der Weite des Raumes und verlosch schon, noch bevor die Wände auch nur in der Nähe waren.
Thimris bewunderte die Arbeit der längst begrabenen Steinmetze, auch wenn er nur diesen geringen Bruchteil ihrer Arbeit sehen konnte.

Gorn mit der Axt
26.08.2005, 16:52
„Diese Menschen müssen ihr Land und ihren König wirklich sehr geliebt haben, wenn sie für sie solch etwas geschaffen haben!“ meinte er staunend, als er an den schlanken Säulen emporblickte. Zweihundert Klafter weit reichten sie sich stetig verjüngend in die Höhe, ohne dass ein Ende in Sicht kam.
„Geliebt?“ fragte Sibril zweifelnd. „Ich denke nicht, dass dies das Werk von Liebenden ist. Dies ist nicht die schmuckvolle Handwerkskunst, die von der Freude an der Arbeit kündet, sondern eine tumbe Regelmäßigkeit, die nur ob ihrer Größe Bewunderer anzieht. Meiner Ansicht nach bezeichnen sie nicht das sanfte Gemüt des vergangenen Königs, sondern mehr seinen Größenwahn.“
Von der Seite flog Greelon zu ihnen heran. Hier hatte der Trilak endlich genügend Raum zu fliegen, was er in den engen Gängen und Tunneln so sehr vermisst hatte. „Dass diese Hallen errichtet wurden ist mehr als sechshundert Dekaden her. Wie wollt ihr, egal wie alt ihr aus der Sicht euresgleichen auch sein mögt, beurteilen können, was diese Menschen antrieb.“ Die Freude über die raumgreifende Bauweise war ihm anzusehen, aber obgleich seine Worte ohne Hohn waren, rötete sich Sibrils Gesicht. Anspielungen auf sein Alter gefielen ihm offenbar nicht, selbst wenn sie aus dem Mund eines Vogelgleichen Trilak kamen, das viele Male älter sein musste als er selbst.
Um die beiden Streitenden abzulenken fragte Thimris. „Greelon, woher weißt du eigentlich soviel über diesen Ort. An allen Orten, an die wir auf unserer Reise kamen wurden vom Reich und der Stadt Ur-Gish nur mehr Legenden erzählt, denen man kaum mehr Glauben schenkt als den Sagen über Kobolde und Drachenritter.“
Greelon flatterte um ihn herum und hang schließlich, fröhlich wippend, kopfüber an einem heraus gebrochenen
Zahnrad. Die Frage schien ihn zu erheitern, denn er gluckste. „Kleiner Mensch, ich will dein halbgares Weltbild nicht erschüttern, indem ich dir auch über jene Sagen die Wahrheit erzähle.“ Der Trilak zwinkerte. „Aber von diesem Ort ist mir einiges bekannt, weil ich ihn schon einmal betreten habe und mit seinem Hüter sprach.“
Sibrils Kopf zuckte zu ihm herum und blieb starr auf ihm haften, Thimris dagegen musterte das Tier überrascht und ein wenig vorwurfsvoll.
„Wenn du dich hier auskennst und es dein Auftrag war, uns zu helfen und zu führen, warum hast du uns dann nicht schon viel früher hierher geführt?“ Greelon sah von ihm weg, einige Sekunden richtete er die Ohren auf und wirkte abwesend, dann flog er erbost wieder auf und rief im Flug. „Nun mal langsam! Es ist schon lange her, dass ich in Ur-Gish war und da auch nur ein einziges Mal. Zudem habe ich es auf dem einzig anständigen Weg betreten, durch die Luft, während ihr wie die Würmer durch Erdlöcher gekrochen seid, von denen ich nicht mehr wusste, als dass sie da waren und von Süden hier herauf führten. Ganz davon abgesehen, dass ich auf der Reise verfolgt und malträtiert wurde, von deinem kampfeslüsternden Begleiter fast halbiert und von dir bei unserer ersten Begegnung fast gegrillt worden wäre.“ Mit dem letzten Wort sank er schwer auf Thimris Schulter und blieb beleidigt sitzen.
Der Weg, den er für sie ausgewählt hatte führte wie in Serpentinen mal nach oben, mal nach unten, aber stets senkrecht vom Eingang fort. Sie rasteten, schliefen einzeln, während die anderen Wache hielten, und marschierten weiter. Hoch über ihnen ging die Sonne auf und wieder unter, bis sie schließlich an die Mündung eines gewaltigen Schachtes stießen, der schräg ins Erdinnere führte.
Thimris schauderte. Wie bei Greelons Antwort vorhin fühlte er sich an den Weg eines gewaltigen Wurms erinnert, der sich, einem Malmschlund gleich, durch die finsteren Welten der Tiefe wühlte.
Greelon beruhigte ihn. „Wir sind auf unserem Weg zu weit nach Westen abgewichen. Hier liegen die Versorgungsschächte der Stadt, über sie wurde Ur-Gish mit Luft, Wasser und Nahrung versorgt. Wir müssen bei der nächsten Gelegenheit nach Osten, sonst bleibt uns außer einem gewaltigen Umweg nur die Alternative durch die Katakomben zu gehen und danach verspüre ich ehrlich gesagt nicht das geringste Verlangen.“

Gorn mit der Axt
13.09.2005, 17:07
Sie folgte weiter seiner Führung, liefen müden Schrittes durch kleine Gänge und durch große und stiegen dabei immer tiefer hinab.
Thimris wurde immer müder und schwächer. Der Einfluss, hinter dem er den Splitter des Jehransteins vermutete, zerrte an seinen Nerven und das unablässige Laufen ließ ihn in der Monotonie versinken. Auch vermeinte er, nicht anhaltend, aber immer wieder, aus der Ferne gerufen zu werden und wurde von den Gedanken an seine jüngeren Geschwister geplagt, die, so weit von ihm entfernt, ihre eigenen Schlachten austrugen und eigene Ge-fahren bestanden. Deshalb stolperte er ungebremst in Sibrils Rücken, als der, Stunden später, mit einem Laut der Überraschung stehen blieb.
Der Gang hatte sie aus dem Tunnelgewirr heraus auf eine offene Fläche geführt. Diese schwang sich einer Balustrade gleich unter der Decke der gewaltigsten Kaverne entlang, die Thimris je betreten hatte.
Tief unter ihm erstreckte sich eine unwirkliche Landschaft fast unbeschädigter Häuser und Straßen, Podien und Palästen, die sich jedoch von allen ihm bekannten unterschieden. Dreieckige Wände, runde Fenster und Türen und absonderlich spitze Dächer. Die Häuser waren auf eine den Magen verdrehende Art an die Höhlenwände angelehnt, die der Stadt die Gestalt eines Tales verlieh, denn während sich in ihrer Mitte nur lang gestreckte Flachbauten und offene Flächen faden, waren die Gebäude an den Rändern etliche Stockwerke hoch, ragten bis zur Decke empor und waren an einigen Stellen sogar in die Felswände selbst gemeißelt.
Zwar war dieses Gewölbe immer wieder an vielfältigen Stellen von Stützträgern, Säulen und Begrenzungen durchzogen, die aus einer unglaublichen Höhle nur einige hundert riesige machten, aber Thimris war sich restlos sicher, dass sie in ihrer Gesamtheit selbst die Kavernen unter dem Abendgebirge zur Unwichtigkeit verblassen ließen.
An jener Stelle war es auch, da Greelon sich auf einen Erkundungsflug machte, um ihre weitere Route zu bestimmen und Sibril Thimris zu sich heranzog.
„Sagt mir bitte,“ flüsterte er. „Dass ich mich täusche. In den Gängen in die ich euch führte, hielt ich unseren fliegenden Begleiter für jenes Wesen, das unsere Kameraden meuchelte und uns auf der Fährte blieb, doch viel hat sich seitdem ereignet, das mich unsicher in meinem Denken werden ließ, und nun habe ich den ganzen Tag wieder den Blick des Jägers auf mir gespürt.“ Thimris zögerte. „Ich habe nichts gesehen oder gehört, aber ich glaube ebenfalls nicht, dass Greelon jener Mörder war. Glaubte ich es, oder hielte ich es nur für möglich, hätte ich ihn nicht zu unserem Wegbegleiter gemacht.“ Er schaute Sibril lange an.
„Ich muss gestehen, dass ich euch für den Elenden hielt.“ Sibril hob die Brauen.
„Ich dachte das hätten wir schon lange aus der Welt geschafft. Schon an jenem Tag, an dem es geschah und ich euch mit meinem Klerek in Schach hielt.“ Zustimmend nickte Thimris, doch zugleich war sein Gesicht von einer gewissen Strenge erfüllt, wobei unklar blieb, ob sie sich auf sein Gegenüber oder auf sein eigenes Handeln bezog. „Noch länger, viel länger, war ich mir in euch noch unsicher. Ihr spracht im Schlaf von einer Schuld an euren Kameraden, ihr verschwandet in jenem Augenblick, in dem der Mörder seine Tat begann und tauchtet erst zu ihrem Ende wieder auf, mit den Klingen an meiner Kehle.“ Sibril begehrte auf und stieß Thimris von sich aber der hielt ihn fest.
„Ich bin inzwischen der Meinung, dass mein Verdacht fehl ging, ich wollte euch nur klarmachen, dass er nicht unbegründet war. Zudem ihr von meiner Gabe wusstet, obwohl der König sich bemüht hatte, sie geheim zu halten.“ Entschuldigte er sich.
Der Silas furchte die Stirn und kaute an seinem zernarbten Daumen.
„Zum Letzten ist zu sagen, dass die Gerüchte über Gaben wie die eure sich nicht einfach totschweigen lassen, besonders in so einer riesigen Gemeinschaft von Schwätzern wie der Legion.“ Thimris schmunzelte kurz.
„Deshalb mag es nicht überraschen, dass ich davon hörte, zumal in der Leibwache des Königs, die wie ich dazusagen muss, für euren Schutz beträchtlich dezimiert wurde, heftig darüber diskutiert wurde, ob ihr Magier wie Ziordan und sein ehrenwerter Meister seit oder von wo ihr sonst kamt. Gesteht mir bitte die Intelligenz zu, aus den Gerüchten, eurer Mission und einigen eigenen Beobachtungen die richtigen Schlüsse gezogen zu haben.“
Er lachte leise.

Gorn mit der Axt
15.09.2005, 16:43
„Betreffend dem Rest will ich mich kürzer fassen.
Ich hatte euch bereits versucht klar zu machen, dass ich von diesen Geschehnissen nicht berichten will, aber nun scheint es notwendig zu sein.“ Thimris wollte ihn unterbrechen, dem Gardisten sagen, dass er ihn nicht hatte kränken wollen, aber der hob nur die Hand und Thimrirs verstummte.
„Lasst es. Viel zu lange trage ich diese Sache mit mir herum, ohne dass ich jemandem davon erzählt habe. Ich wollte es ja immer einem der Priester berichten um davon los gesprochen zu werden aber es hat sich nie ergeben und da wir von dieser Reise sicherlich nicht zurückkehren, seid ihr so gut oder schlecht, wie jeder andere auch.“
Er sah nach oben, wo, hinter dem undurchdringlichen Vorhang des Gebirges gerade der Mond aufging.
„Ihr seid jung. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie es vor dreißig Jahren im Imperium aussah. Der Onkel des Hochkönigs war ein ehrenwerter Mann, aber er ließ den anderen Herrschern zuviel durchgehen, was vor den Rat gehört hätte und die Stabilität im Reich ging verloren. Länder, die lange Jahre in Frieden nebeneinander gelebt hatten, riefen den Krieg aus und bei Markor und Fratom wäre nicht einmal das nötig gewesen, der Zwist zwischen ihnen hatte schon lange Zeit geschwelt, weil Fratoms Menschen unter dem kargen Klima, das eher ins Nordland gehören mag, litten. Seine Könige waren meist keine schlechten Menschen, aber nachdem der Konflikt mit dem wesentlich fruchtbareren und reicheren Markor einmal begonnen hatte, ging er immer weiter.
Erst vor fast vierzehn Jahren, Andraeis war nur um weniges älter als ihr, starb sein Onkel und er wurde vom Hohepriester gekrönt. Viele meinte danach, er gehe zu streng mit seinen Untergebenen um, aber täuscht euch nicht in ihm, sein Tun und Handeln war nötig um den Zusammenhalt des Imperiums zu bewahren.“ Thimris nickte. „Ähnliches haben mir auch schon seine Berater und Magier gesagt. Vielleicht lebten wir auf der Halbinsel zu abgeschieden von solch bedeutenden und schweren Entscheidungen.“ Meinte er traurig.
Der Gardist wiegte den Kopf. „ Vielleicht. Obwohl die Welt bestimmt besser wäre, wenn alle Länder so zufrieden und friedlich wären. Jedenfalls war ich damals noch jung, und ich war in die Armee von Markor eingetreten und, ob ihr’s glaubt oder nicht, ich war ein rechter Taugenichts.“ Thimris lachte. „Das glaube ich euch aufs Wort.“
Sibril räusperte sich.
„Jedenfalls…jedenfalls hatte ich in jener Nacht, bevor der letzte Angriff auf Markor begann, ein kleines…Problem mit meinem Vorgesetzten, was dazu führte, dass ich den Abend in einer Zelle zubrachte. Und als die Fratomer kamen, vergaßen die anderen mich und ließen mich in der Zelle zurück.
Ich brauchte vier Stunden, um mich zu befreien und da waren die Kämpfe schon fast zu Ende. Viele der anderen waren gestorben und keiner erinnerte sich an einen jungen Unteroffizier, der sich die Regeln zurechtbog, besonders da ich den Befehlshaber der Fratomer Garde gefangen nahm.“ Er machte eine Pause. Er sprach langsam weiter.
„Die Wahrheit ist jedoch, dass ich an jenem Angriff, mit dem meine Karriere begann und der mir den Eintritt in die Leibgarde ermöglichte, fast nicht teilgenommen hätte. Hätte ich nicht in der Zelle gesessen, hätten zweifellos noch mehr meiner Freunde überlebt, so aber musste ich in Schande leben und in der bitteren Ironie, für meinen schlechtesten Einsatz am höchsten belohnt zu werden.“
Bedauernd und niedergeschlagen sah er zu Boden und neigte sich hin und her, fast schien es, als würde er Beten.
Dann aber richtete er sich so rasch wieder auf, dass Thimrirs kurz zusammenzuckte.
Sibril kniff die Augen zusammen und merkte lauschend auf.
Vom anderen Ende der Höhle, vielleicht auch aus einem der einmündenden Gänge drang ein leises, zwitscherndes Pfeifen, das unmerklich langsam lauter wurde oder näher kam. Nun hörte es auch Thimris.
„Was ist das?“ fragte er beunruhigt. „Das ist doch nicht Greelon.“ Sibril schüttelte den Kopf und zog seine Waffe.
„Nein, der Trilak ist nicht groß genug, solche Laute zu schaffen. Entweder werden wir verfolgt oder diese Höhlen sind entgegen allem Anschein doch noch bewohnt.“

Gorn mit der Axt
17.09.2005, 15:35
Er riss Thimris mit sich und lief in die Niederungen der Stadt. Nach hinten rief er. „Vielleicht hat der kleine uns doch noch verraten. Auf jeden Fall hat er, bevor er verschwunden ist, versäumt uns zu sagen, wo der Einstieg zu den unteren Höhlen ist.“ Er keuchte, als sie um eine Ecke Bogen und er auf dem mit Schlick bedeckten Erdreich beinahe ins Rutschen kam. „Was für ein ungünstiger Zufall, nicht wahr!“ Aber seine frühere Sicherheit hinter diesen Verdächtigungen fehlte.
Vor ihnen fiel die ursprüngliche Straße steil ab, so dass sich ihnen ein weiter Ausblick über die folgenden Viertel
Der unterirdischen Stadt bot. Das Singen war inzwischen zu einem hohen Sirren geworden, das auf den Pfützen am Boden winzige Kreise erzeugte, aber noch immer sahen sie nichts.
„Ich wünschte mir jetzt wirklich, der Trilak hätte uns belogen, denn er behauptete, das Ding, das es auf in abgesehen hätte, habe im Dunkeln sehen können.“ Langsam geriet der Gardist außer Atem.
Thimris deutete auf eine Region der Höhle zu ihrer Rechten. „Greelon meinte dort drüben seien die Werke und Arbeitsviertel gewesen. In der Nähe müssten doch die Eingänge zu den Minen liegen. Das wäre ein guter Punkt, wo man mit der Suche beginnen könnte, oder?“ Sibril nickte ihm anerkennend zu. „Und außerdem kann man uns dort unten weit schlechter aufspüren als auf diesen offenen Straßen.“
Danach sprachen sie nicht mehr. Sie sparten sich die Mühe und machten aus jedem unnützen Wort einen weiteren Schritt, während das Pfeifen lauter wurde und doch zugleich auf und abschwoll.
Es war zur selben Zeit, da sie erschöpft in den breiten Eingangsschacht eines Bergwerks stolperten, da das Geräusch von einem zum anderen Moment verstummte. Sofort packte Sibril Thimris und warf sich zu Boden.
Sie lagen nebeneinander und schauten zum Eingang hinaus. Dort zeigten sich, vom Licht einer schon weit zuvor verloren Fackel erleuchtet, ganz schwach die Umrisse einiger Häuser, die den Blick auf die große Haupthöhle verwehrten.
Alles blieb still.
So sehr Thimris sich auch konzentrierte, konnte er keinen Laut eines Verfolgers hören, mochte dieser nun in der Luft oder am Boden bewegen.
Sie warteten. Ohne Licht und Sonne war es ihnen nicht möglich, die Zeit zu bestimmen, aber es kam Thimris vor, als lägen sie Stunden auf dem klammen und feuchten Erdreich. Er spürte wie die Kälte in seine Glieder zog.
Schließlich blickte Sibril fragend zu ihm herüber. Er nickte und so leise sie konnten standen sie auf und schlichen in den Schacht.
Zweihundert Schritte weit kamen sie, dann ging es nicht mehr weiter.
Vor ihnen fiel der Stollen senkrecht ab und abgesehen von einer schmalen Treppe rundherum, die in der Tiefe im Dunkeln endete, führten nur einige an Stahltrossen angebrachte Fahrstühle herunter. Die Kante bot Platz für mindestens acht der großen Vorrichtungen, aber nur knapp die Hälfte von ihnen hing an ihrem Platz, zwischen ihnen lagen Lücken, in denen Ketten zu den weiter unten hängenden führten.
Unentschlossen schaute Sibril nach unten und zurück. Dann winkte er Thimris auf die erste der drei Plattformen. An jeder Seite war eine Kurbel angebracht, mit der man sie hochziehen und wieder herablassen konnte.
Zeitgleich versuchten sie zu drehen, doch die Arme der Kurbel waren rostig und schürften ihnen nur die Hände auf, zudem knirschte und knackte sie, als seien Steine in das Getriebe geraten.
Thimris wurde ganz anders bei dem Gedanken, wie weit man die schrillen Laute in der absoluten Stille der unteririschen Hallen hören könnte.

Gorn mit der Axt
19.09.2005, 10:06
Er wickelte die Fetzen seines Umhangs um den Griff herum und zog heftig und tatsächlich bewegte sich die Kurbel gemächlich ein Stück, aber in die falsche Richtung.
Er versuchte es noch einmal, hektisch, denn jene Seite, auf der Sibril tätig war, senkte sich schon um einen Fuß nach unten. Angestrengt mühten sie sich ab, den veralteten Mechanismus in Gang zu halten, Schritt für Schritt sank die Plattform, allerdings so langsam, dass Thimris sich fragte, wie die Bergleute vormals rechtzeitig zuunterst ankamen. Aber dann entdeckte er einen den schmalen Rest eines Hebels aus der Seite der Kurbel ragen.
Als er ihn drehte, tat sich nichts, aber als er ihn mit einem leisen Schleifen ein kleines Stück herauszog, drehte sich die Kurbel wesentlich schneller als zuvor und er musste innehalten und den Hebel wieder einschieben, um den Fahrstuhl nicht kippen zu lassen.
Aufgeregt informierte er Sibril über seine Entdeckung und zusammen kamen sie dahinter, welchen Zweck erfüllt hatte. Es schien als hätten die Minenarbeiter einen Schleifmechanismus als Bremse in die Kurbel eingebaut, wenn man nun die Bremse lockerte, dann zog sich der Aufzug durch sein Eigengewicht zu Boden.
Als sie es das erste Mal gemeinsam versuchten, hatten sie Schwierigkeiten, dieselbe Geschwindigkeit zu finden und die Abfahrt wurde arg holperig, aber nach einigen Fehlversuchen hatten sie den Trick heraus.
Um sie herum mehrte sich die Dunkelheit.
Sie hatten ihre Fackeln in der Stadt zurückgelassen und nur ein kleiner Lichtstein, unberührt und zudem fast erloschen spendete noch ein wenig Licht, das, von dem angelaufenen Metall um sie herum, gerade noch ausreichte, damit sie sich sicher bewegen konnten.
Thimris überlegte, wann sie unten ankämen.
Die Kurbeln ratterten und knirschten, so schnell fuhren sie, legten mit jeder Sekunde zwei Klafter oder mehr zurück und waren nach mehreren Minuten doch noch nicht angekommen.
Die Zeit dehnte sich, denn dort, so tief unter dem Herzen des Gebirges, wo sich außer dem tropfenden Wasser und den wachsenden Steinen nichts regt, gab es nichts, woran man sein Empfinden hätte prüfen können, das Geklirr der Ketten und Flaschenzüge klang stets gleich, die Dunkelheit stets undurchdringlich. So blieb ihnen als einziges Mittel der eigene Atem.
Doch der ging schwer und unregelmäßig, von Erschöpfung und Aufregung und als die Zahlen größer wurden, verzählte er sich schnell. Als er schließlich bei dem dritten Tausend ankam, gab Thimris es auf und wartete ab.
Er wurde müde, Schuld war zweifellos die schnelle Folge von Spannung und Nichtstun, aber es gelang ihm dagegen anzukämpfen, zu furchtsam war er davor, was geschehen könnte, wenn er den Fahrstuhl nicht rechtzeitig bremste.
Als das Unglück dann aber doch geschah war es nicht seine Schuld, obwohl er das in der ersten, schreckerfüllten Sekunde annahm. Er wurde herumgewirbelt, fühlte eine ganz kurze Schwerelosigkeit, die von einem enormen Ruck beendet wurde. Sein Schlaf, den eingeschlafen war er, wie er sich hinterher eingestand, wurde unterbrochen und er erwachte mit dem dringenden Bedürfnis, er möge noch schlafen.
Kopfunter hing er auf der fast senkrecht stehenden Plattform des Fahrstuhls und blickte in die Tiefe.
Dort sah er Sibril. Der Gardist klammerte sich mit der einen Hand an die raue Kante der Holzbohlen, mit der anderen an den schartigen Bremshebel.
„Thimris, geht es dir gut?“ Sibril konnte ihn nicht sehen, der matte Lichtstein hatte seine Position mitten zwischen ihnen verlassen und war auf Sibrils Brust gekullert, wo er ihn blendete.
„Ja, aber ich habe mich in der Kette verfangen. Es fühlt sich an als wollte sie mir das Bein zerquetschen.“
Tatsächlich spürte er von dem Bein außer seinem Schmerz nichts mehr, die rostigen, stählernen Kettenglieder sperrten ihm das Blut ab und Taubheit machte sich dort breit.
„Ich werde mich jetzt vorsichtig hochziehen und zu dir rüberkommen. Warte solange.“
Sibril griff nach seiner Seite der Kette und zog sich nach oben, mit der anderen Hand hielt er sich an der niedrigen Umfassung der Plattform fest. Der Stein fiel dadurch durch die Lücke zwischen Arm und Körper, so dass Thimris nichts mehr sehen konnte.

Gorn mit der Axt
21.09.2005, 11:15
In der Dunkelheit ertönte ein kurzes Ächzen und Rumpeln, dann schrie Sibril. Der Widerhall hielt noch lange an, nachdem der eigentliche Schrei geendet hatte und musste, wie er so durch das Bergwerk heulte, sämtliche Späher herbeirufen, die nicht halb taub waren.
Thimris rief nach dem Gardisten, doch er bekam keine Antwort. Er konzentrierte sich selber ein Licht zu erzeugen, aber mehr als ein winziges Funkeln wie von einer gerade verlöschenden Kerze brachte er nicht mehr zustande. Der Stein musste nahe sein.
„Und wenn ich herunterstürze, komme ich ihm noch näher!“ dachte er erbittert.
Mit aller Kraft drückte er sich nach oben, wobei er das Gefühl hatte, ihm würden die Gelenke herausspringen oder die Muskeln reißen, aber dann konnte er endlich jene Stelle seines Beins umfassen, um die sich die Kette geschlungen hatte. Es gelang ihm sogar noch, sich an der Kette haltend, sein Bein zu entlasten, aber die Kette, die vielleicht noch viele hundert Fuß oder tiefer hinab reichte, vermochte er nicht anzuheben.
Erzürnt ob seiner Ohnmacht warf er sich herum und schüttelte die Kette, das Blut strömte wieder durch die Adern, als sein Bein für Sekunden freikam und dann war er frei. Doch diese Freiheit hatte einen Preis.
Er prallte schwer auf die schräg hängenden Balken, rollte ungebremst weiter und landete schließlich auf der Kurbel, die sich ihm tief in den Leib bohrte, dass ihm die Luft weg blieb.
Das hielt die Kette nicht mehr.
Seit Jahrhunderten nicht mehr berührt und gesäubert, hätte sie nicht so rasch gebraucht werden dürfen, nachdem zuerst ihre Schwester geborsten war, denn das war der Grund für ihren Sturz gewesen, brachen unter dem neuen Ruck auch ihre Glieder, in die der Rost sich zu tief eingefressen hatte.
Der Sturz währte so kurz, dass Thimris nicht von seinem eigenen nicht zu unterscheiden vermochte, er spürte nur den erneuten Schmerz, als der Aufzug zur Ruhe kam.
Während in ihm der Schmerz wühlte lag er ruhig da, in der Angst noch weiter zu fallen, doch dann stand er doch auf und blickte sich um.
Zuletzt hatte ihr Gefährt doch den Boden des Schachtes erreicht. Vier Schritte, vielleicht ein dutzend Fuß, mehr wären es nicht gewesen, die sie hätten springen müssen, so dass ihm nichts Besseres einfiel als zu lachen und dann zu weinen.
Sibril fand er unter den schweren Bohlen eingeklemmt, doch ein Wink des Himmels war es, dass die Plattform nicht direkt auf ihn gefallen war. Sie war auf dieser Seite an die Kette ihrer Nachbarin gestoßen und dicht über ihm zum Stehen gekommen, ansonsten wäre wohl in seinem Körper nicht ein Knochen heil geblieben.
Leichten Herzens zog der Jüngere Thimris seinen Älteren Begleiter hervor und für eine Sekunde waren sie trotz aller Sorgen wieder glücklich, Jehran musste mit ihnen sein, ansonsten wären sie nicht bis hierher gekommen, sondern schon viel früher auf ihrer entbehrungsreichen Fahrt gescheitert und lägen verendet auf den nicht mehr bereisten Straßen.
Doch mehr als dieser eine Augenblick wurde ihnen nicht gegönnt.
Aus der Höhe des Schachtes ertönte die Warnung. „Lauft!“ Es war Greelon, der mit wilden und doch erschöpften Flügelschlägen an ihnen vorbeizischte und in einem Nebengang verschwand. „Lauft, es ist hinter uns!“
Vollkommen überrascht brauchten sie eine Sekunde, um die Worte zu Begreifen, dann aber rannten sie mit einer Schnelligkeit los, als wollten sie diese Zeit wieder gut machen, dass jeder Erschöpfung und Wunde sich schamvoll wie ein Lügner abwandte; denn über ihnen wurde jetzt wieder jenes Kreischen laut, das von ihrem unsichtbaren Verfolger kündete, vor dem sie in dieses dunkle Loch geflohen waren.
Unter Hindernissen duckten sie sich und über Barrieren sprangen sie und im Weg stehende Bretterwände durchbrachen sie oder quetschten sich hindurch, als könne nichts sie aufhalten.
Thimris schien es, als seien alle Müh und Qual der Reise nicht ganz so vergebens gewesen, wie er schon dicht davor gewesen war es anzunehmen.
Oben, wo ihn das Licht erreichte und des Verlustes gemahnte, da wollte er bald nicht mehr sein und sich zur Ruhe legen und nur sein Pflichtgefühl hatte seine Füße auf dem schweren Weg gehalten. Hier in der Finsternis erinnerte er sich aber an jene Dinge, die er noch nicht verloren hatte, jene Dinge, Personen, die noch zu retten waren und die zu retten sich lohnte.

Gorn mit der Axt
23.09.2005, 10:08
Und so mag es sein, dass eben jener Mann, der soeben noch verzweifelt war, den größten Mut entwickelt, denn wenn er nicht ganz gebrochen ward, so machte ihn alles, was er erlebte nur noch stärker und Thimris glaubte alles erlebt zu haben.
Die Stollen verschwammen vor seinem Auge, so rasch eilte er hindurch, dass Sibril ihm kaum noch folgen konnte und als Letzter lief, und dass der Trilak seinen schnellen Flug weniger bremsen musste, um sie zu führen und so wurden auf ihrem Weg die Gänge weniger, dunkler und enger, Mauer wich Stein, Metall wich gewachsenem Kristall und die Dunkelheit wich neuem Licht, ausgeschickt von Pflanzen und Dingen, die über der Erde nicht existieren könnten.
Und dieser Punkt war es, da Thimris sich seiner Kräfte entbehrt unbesiegbar fühlte, dass der verhasste Verfolger sie einholte.
In einer Sekunde rannten sie durch eine runde Halle, in alter Zeit vielleicht einmal ein Rastplatz für die Bergwerker oder ein Bahnhof für die Förderloren, in der nächsten wurde Thimris wie ein Spielzeug nach vorn geschleudert und rollte über den ebenen Schotterboden während er Greelon aufgeregt über seinem Kopf flatterten und Sibril sein Klerek schwingen hörte.
Er rappelte sich auf und blickte zurück.
Dort spielte sich ein erstaunlicher Kampf ab.
Über Sibrils Kopf, schwerelos, von vier feinen, wie rasend schlagenden Flügeln in der Luft gehalten, schwebte eine Kreatur, vielleicht acht oder neun Fuß lang, mit sechs Gliedern, die in sichelförmigen Klauen endeten, mit denen es in schneller Folge auf ihn einschlug.
Es schien ein Dämon zu sein, so sehr es sich auch von den meisten seiner Art unterschied, und mit dämonischer Stärke und Geschwindigkeit kämpfte es auch.
Nicht mit unnatürlicher, viel eher mit unmenschlichem Tempo dagegen bestritt Sibril diesen Kampf.
Als habe er die letzten Tage nicht in stickigen Höhlen um sein Leben gekämpft, sondern bequem in seinem Heim geruht, focht er um sein Leben, machte Paraden, Ausfallschritte und Konterparaden, duckte sich, sprang, drehte und wand sich. Mal drosch er mit ungestümer Wut auf den Angreifer ein, mal bediente er sich nie gesehener Technik, huschte mal hierhin, mal dorthin und führte mit tödlichem Geschick komplizierte Manöver aus, die Thimris nicht mal in ihren Grundzügen nachzuvollziehen gelang.
Er konnte sich keinen menschlichen, keinen sterblichen Gegner vorstellen, der an diesem Tag gegen den Gardisten im Kampf bestanden hätte.
Aber der Dämon war kein Mensch, vielleicht war er nicht einmal in jenem Sinne sterblich, wie wir dieses Wort begreifen. Seine Haut, die wie Chitin glitzerte, war undurchdringlich, oder vielmehr, unberührbar, denn die Schneiden und Dornen des Klerek glitten an ihr ab wie Regentropfen an einer Wand aus Glas.
Doch auch Sibrils Klerek hielt stand. Obwohl die Krallen seiner Schärfe in nichts nachstanden und den umgebenden Stein wie Butter durchdrangen, hämmerten auf das Sechsklingenschwert ein, ohne einen Kratzer zu hinterlassen.
Ewig hätte dieser Kampf weitergehen können, so schien es, aber Sibril machte sich über den Ausgang keine Illusionen. Technik, Schnelligkeit und Erfahrung, dies alles zeichnete ihn aus, aber in dieser Auseinandersetzung, die sich von allen seinen früheren Duellen unterschied, würden allein Ausdauer oder Glück entscheiden. Bei sich fühlte er beides schnell im Sinken begriffen.
Er führte einen beidhändigen Angriff nach dem Haupt des Untiers und für eine Sekunde wich es zurück.
Er schrie nach hinten. „Verschwindet, los! Ich werde es so lange aufhalten, wie ich kann.“ Er wartete nur, bis er sah wie Thimris und Greelon nach kurzem Zögern weiter rannten, dann hob er wieder seine sechs Klingen und stürzte sich auf seinen Feind.

Gorn mit der Axt
26.09.2005, 16:36
Der greise Magier legte den Stab bei Seite und betrachtete den verkohlten, unkenntlichen Körper vor ihm.
Sein Körper war alt, alt genug, um vor der Hitze jungen Blutes gefeit zu sein, doch sein Geist war lange Jahre hinweg jung geblieben, Jahre, in denen all seine früheren Wegbegleiter, Freunde ebenso wie Feinde den dunklen Pfad betreten hatten und so aus seinem Leben entfernt worden waren.
So dauerte es eine Zeit, bis seine Wut sich gelegt hatte und er sich mit einem Ausdruck tiefster Verachtung auf dem Gesicht von dem unseligen Boten abwandte und sich humpelnd auf seine Ruhestatt zu bewegte.
Viel hatte er geplant, sein Vorhaben war scharf und rein und kalt gewesen wie eine gefrorene Nordlandklinge und jeder noch so kleine Schritt darin war über Monde hinweg geplant worden, in denen seine jungen, hitzköpfigen Kontrahenten sich an die Gurgel fielen oder sich ahnungslos in lüsternen Vergnügungen suhlten.
Sein Ziel war gewesen, dem korrupten Abschaum, das sich selbst so hochtrabend „Imperium“ nannte, schon mit dem ersten Schlag den Todesstoß zu versetzen.
Er blickte auf das kleine, aus Marmor gefertigte Schachbrett herab.
Hierbei handelte es sich nicht um eines der einfachen Spielfelder, auf dem tumbe Laien ihre mangelhaftes Fertigkeiten übten, vielmehr war es fragiles Gebilde mit drei getrennten Ebenen und einer Unzahl von Feldern, die mit allerlei Kreaturen und Personen besetzt waren.
Dieses Spiel, diese eine Partie, von der so vieles abhing, stellte alles dar, was er über den Verlauf seines Planes wusste.
Um die Handlungen des Feindes zu lähmen, um ihn taub und blind und stumm zu machen, angesichts seines Überfalls hatte er eine Vielzahl von Aktionen geplant, verstreut über die ganze, gewaltige Fläche des Kontinents und jede von ihnen hatte nur diese eine Absicht: Den Gegner zu verwirren und ihn selbst in die aufragenden Klingen laufen zu lassen.
Doch hatte er sich dabei einer Vielzahl von Taktiken bedient. Während am Morgen Anweisungen zur Einberufung der Truppen gab, wurde nur Stunden später ein Graf bestochen, um den Adel gefügig zu machen und am Abend trat er in den Kreis seiner Spione und erhielt die neuesten Informationen. Männer wurden zu Attentätern und Kriegern ausgebildet, Intrigen gesponnen, für die Könige und gegen ihre aufmüpfigen Bauern oder umgekehrt, wie er es gerade für richtig hielt. Wesenheiten aus den Niederungen wurden beschworen, mächtige und gelehrte Priester wurden hilflos, gütige Berater mundtot gemacht und Geiseln genommen.
Und langsam zog sich die Schlinge zu.
Auch dazu hatte gehört, eine Aktion im Osten, auf der Halbinsel ablaufen zu lassen.
Seine Dämonenarmee war dabei nichts als ein ausführendes Organ gewesen, ein Werkzeug, eine Hand, die nach seinem Belieben gelenkt wurde, selbst wenn ihre Anführer sich selbst über jede seiner Anweisungen erhaben fühlten.
Er schaute auf die gemusterten Ebenen herab.
Seine Feinde waren viele, sie waren mächtig, doch sie waren auch überrascht. Viele von ihnen hatte die lange Zahl der Jahre eingeschläfert und faul gemacht, doch manche wachten noch immer, doch sie alle hatte er mit dem ersten Schlag in die Defensive gedrängt.

Gorn mit der Axt
28.09.2005, 17:46
Sie hatten sich als gute Gegenspieler erwiesen und ein jeder von ihnen hatte seinen eigenen Stil.
Viele handelten aus dem Hintergrund heraus und waren es gewohnt, sich zu verstecken, sie legten falsche Spuren, führten seine Sucher und Späher in die Irre, sie berieten, wo er Stille befahl, gingen, wo er Halt gebot und planten ebenso genau wie er.
Da war der eine, ein Großer unter seinen Feinden, mächtig und alt und erfahren und scheinbar gefeit gegen jede seiner verschlungenen Attacken. Gekonnt war er jeder Falle ausgewichen und hatte seinem Herren wohl gedient.
Zuletzt war ihm seine Sorge um die Magie begabten Bälger zum Verhängnis geworden. Der Magier hatte lange zufrieden dabei zugesehen, wie sein unwissender Schüler um ihn getrauert hatte. Auch in ihm war Macht, doch ohne die Weisheit seines Meisters würde sie in der Dunkelheit vergehen.
Ein anderer war da, klein, unbedeutend in seinen Augen, doch auch bei ihm lag eine Art der Macht, denn er regierte über Millionen. Der unerfahrene Hochkönig war ein Ärgernis in seiner Planung ob seiner Unberechenbarkeit und Sturheit, dessen er sich bei passender Gelegenheit zuwenden würde, doch von ihm ging für den großen Plan keine unmittelbare Gefahr aus. Er sah nur, was direkt vor seinen Augen war, er ließ sich von kreischenden Dämonen, von jammernden Menschen blenden und sah nicht die wahre Gefahr.
Und der dritte, der im Verborgenen lebte, selbst für seine Verbündeten.
Lange Zeit war er dem Magier ein Rätsel gewesen, aber seine Diener unter dem Gebirge waren ihm auf die Schliche gekommen. Bald schon würde sich über ihn, den Ältesten seiner Feinde, die Dunkelheit senken und in diesem Augenblick würde sein Sieg nahezu unvermeidlich werden.
Doch seine Brut verging nicht mit ihm.
Zornig starrte hinab.
Seine Armeen kamen von Norden und Westen und Osten, unaufhaltsam stürmten sie voran und hinterließen nur Asche und Staub, Blut und Tod. An jedem Hof, in jedem Ring des Rates hatte er seine Gefolgsleute und Überläufer sitzen, kein Befehl erging ohne sein Wissen und die entsprechende Erwiderung, jede Handlung des Königs verging im Nichtssein und seine Macht wuchs mit jedem Tag.
Und während der Norden selbst sich Bewegung setzte, stand die Hauptstadt, Herz und Seele des Imperiums, kurz vor dem Augenblick ihrer Vernichtung.
Und doch war er nicht zufrieden.

Gorn mit der Axt
30.09.2005, 16:12
Jeden seiner Feinde hatte er schon in seine Schranken verwiesen, bedrängt, verfolgt oder getötet, doch die Brut des Dritten hatte er nicht ausrotten können. Er konnte planen, denken, ersinnen, solange diese Welt bestand hatte, doch sie erwischte er nicht. Keine noch so ausgeklügelte seiner vielen Waffen und Strategien hatte Erfolg gezeigt, ganz egal gegen welches dieser Bälger er es eingesetzt hatte.
Das Mädchen, diese dumme, kleine Göre war seinem magischen Sturm entkommen, den Felsen, Riffen und Untiefen und hatte ihren Fuß auf den verbotenen Boden gesetzt. Männern in seinen Diensten war sie entkommen, Dämonenjäger, die er auf sie angesetzt hatte waren durch den Einfluss des Dritten nicht mehr auffindbar oder lagen zerfallend am Rande des Weges gen Süden. Selbst diese miese Ratte von einem Feigling, die sich selbst Gardeoffizier nannte, hatte in seinem Bestreben versagt und danach gegiert den Kristall selbst zu besitzen, ebenso jene Wesenheit, die versteckt unter dem Blutenden Berg gefangen war und die er schon so lange entfesseln wollte, anstatt sich mit doppelter Sicherheit des Mädchens anzunehmen hatten sie sich gegenseitig bekriegt und so blieb ihm im Verbotenen Reich nur das Land selbst und ein Haufen abgerissener Raufbolde.
Sein Blick wanderte zur Mitte des Feldes. Dort sah es nicht besser aus.
Ihr Zwilling, dieser schlüpfrige Formwandler hatte schon den ersten der großen Splitter erbeutet und sich dabei von keinem Hindernis bremsen lassen. Noch weniger als seinen beiden Geschwistern hatte der Magier ihm das zugetraut. Wer hätte auch auf die Idee kommen können, dass dieser närrische Gardist das Geld nehmen und dennoch treu zu ihm halten würde. Und auch seine Verfolger hatten ihr Ziel nicht erreicht und waren seiner Gabe zum Opfer gefallen. Eigentlich hätte er diese eine Partie ja erbittert als Niederlage enden lassen, doch da war noch dieses andere Wesen, dieses Ding, das dem guten Solos die Augen ausgekratzt hatte.
Wer oder was war es. Ein neuer Feind? Ein Alter? Es könnte ein Bote jenes Vierten sein, der sich bisher in die Neutralität geflüchtet hatte, das wäre ein böses Omen oder es könnte einer seiner eigenen irregeleiteten und verblendeten Anhänger sein, das wäre ein Gutes. Oder war es vielleicht jener Mächtige, der Bruder, den sein Verhasster und bald vernichteter Feind gebunden hatte? Doch dies war nicht möglich, diese Bindung verlosch erst, wenn dieser Dritte dem Tod erlag und dieser Augenblick war noch nicht gekommen.
Der Magier flüchtete sich aus der Verwirrung nach Norden, in Richtung seines Refugiums, wo der einzige Lichtblick des Spiels schimmerte.
Ausgerechnet der Älteste der Familie, der ihm Anfangs sowohl wegen seiner Magie als auch wegen seines Blutes als die größte Bedrohung erschien, drohte nun der ewigen Dunkelheit zu verfallen. Zwar hatte er zwei treue und starke Begleiter, doch der Bund dieser Gemeinschaft würde sich leicht brechen lassen. Zudem folgte die Gefahr in Form seiner Todesschwadron auf jedem Schritt und seine Fähigsten Jäger würden bald auch vor ich Lauern, wie sie die ihnen zugedachte Aufgabe erledigt hätten.
Alles in allem, so beruhigte er sich, könnte es schlimmer aussehen.
Und machte den nächsten Zug.

Gorn mit der Axt
05.10.2005, 10:28
Ein jämmerliches Klagen durchdrang die Stille, die die Kristallgrotte so viele Menschenleben hindurch erfüllt hatte.
Sie hatten ihn überrascht, sie hatten ihn tatsächlich überrascht!
Für einen kurzen Moment ließ sein Schmerz nach und die Wut gewann die Oberhand. Wer hätte gedacht, dass die Jäger des Dunklen schon so weit, so furchtlos waren, einen seiner mächtigsten Feinde in seinem eigenen Refugium zu attackieren. Ihre Macht musste in der Tat groß geworden sein, wenn sie dieses Risiko eingingen!
Doch auch sie waren nicht ungeschoren davongekommen.
Um den Hüter herum lagen die Leichen von fünf der monströsen Jägerkreaturen, einschließlich jenes Dämonen, der den Überfall auf ihn angeführt hatte.
Die Wut des Hüters wich Verwirrung, und die Schmerzen seiner vielen, auf lange Sicht gewiss tödlichen, Verletzungen drangen wieder auf in ein.
Als diese Kreaturen des Dunklen aus den Ritzen der Höhle krochen, die ihm vor so vielen Jahren Zuflucht geboten hatte, war er tief versunken in seine komplexen Mischungen aus Planung, Rettungsaktionen, Abwägungen und Entscheidungen. Registriert hatte er sie erst, als der schnellste und größte von ihnen, zweifellos der Anführer der mordenden Horde, seine Sichelkrallen in sein ungeschütztes Fleisch an den Körperseiten versenkte.
Tief in seinem Körper rumpelte und gluckerte es, er konnte den Kopf nicht mehr beugen, doch er sah wie die Blutlache, die nun den Boden des sakralen Ortes entweihte, von neuen Wellen erschüttert wurde und auf das klare Wasser des Sees zu drängte.
Er stieß ein hustendes, keuchendes Schnauben aus, das, bei einem sterbenden Menschen beobachtet, vielleicht für ein verächtliches Lachen gehalten worden wäre.
Lange musste es her sein, dass die Nordländer einen seiner längst ausgestorbenen Gattung gesehen hatten, denn sonst hätten sie ihn nicht so unterschätzt und eine größere Anzahl der Sichelträger geschickt, die, wenn auch von noch keines Menschen Auge erblickt, ganz klar die Elitetruppen der Attentäter und Jäger des Dunklen darstellten.
Wie ihm jetzt klar wurde, musste es sich auch bei dem Wesen, dass den Suchenden in seiner Nähe verfolgte um einen Sichelträger handeln. Furcht breitete sich in ihm aus, für einen Menschen oder auch eine Gruppe von ihnen mochten diese Wesen sich durchaus als unbesiegbar erweisen.
Ihn jedoch hatten die Krallen der Unholde nicht so schnell durchdrungen. Alt war er, das musste er sich nicht erst eingestehen, uralt und fett geworden, doch sein Panzer war noch immer fest, seine Augen und Krallen scharf, auch wenn er es mit der mörderischen Geschwindigkeit und Wendigkeit dieser Monstren nicht aufnehmen konnte.
Dem ersten Sichelträger hatte er mit einem Hieb den Kopf von den Schultern getrennt, dem nächsten nur Sekunden darauf sein Innenleben gezeigt, worauf die anderen vorsichtig geworden waren. Belauert hatten sie ihn. Dumm waren sie nicht, nicht wie die meisten anderen ihres Stammes, sondern Jäger, die einen Vergleich mit den besten Elbenjägern oder menschlichen Pfadfindern durchaus nicht zu scheuen brauchten. Sie hatten ihn umzingelt, waren zugleich auf ihn gesprungen, an seine Kehle, seinen Kopf und zwei auf seinen Rücken, wo er sie, wie sie meinten, nicht erreichen konnte.
Er hatte sie schnell vom Gegenteil überzeugt, sein Hals und sein Schwanz waren beide lang und biegsam genug und diese beiden sieglosen Angreifer lagen nun mit zerschmetterten Leibern an der östlichen Felswand seiner Höhle. Doch ein Hieb des Anführers riss ihm die Kehle auf, der andere bohrte seine Krallen in die ungeschützten Organe in seiner Seite. Er hatte sich der letzten beiden Angreifer noch entledigen können, doch sie hatten ihn arg zugerichtet, bevor der Letzte von ihnen entflohen war. Das Ende der Suche nach den Splittern Jehrans, das wusste er, würde er nicht mehr erleben.

Gorn mit der Axt
09.10.2005, 14:37
Aber wie hatten sie ihn überhaupt erreicht? Wie hatten sie den Weg zu ihm gefunden, wo er doch schon zehnmal länger reglos hier verharrt hatte, als sein Gegenspieler an Lenzen zählte.
Gab es wieder einen Magier im Reich des Dunklen?
War das die Antwort auf die Frage, woher diese letzte Teufelei der Nordländer, die Sichelträger und die Tzetzlani stammten, die doch die Gesetze der Natur widerstrebten?
In einem riesigen Gehirn, hinter Augen, die von Blut überströmt waren und nur noch grau und schwarz sahen, blitzte ein einzelner Gedanke auf.
Natürlich, das musste es sein!
Wer mochte von der Macht des Ersten eher profitieren als ein neuer Magier der Dunklen Künste?
Wenn sich tatsächlich erneut ein Novize oder gar ein Priestermagier dem Nordland zugewandt hätte, dann wäre er mit den Schriften des Verräters in der Lage, neue Arten der Dämonen zu erschaffen, nein, noch mehr er wäre in der Lage die Splitter auf sich selbst einzustimmen, wie es schon vor siebenhundert Jahren geschehen war.
Darum also waren die Suchenden, die er ausgesandt hatte, die Splitter zu erspüren, so gewissenlos und ausdauernd verfolgt worden. Der Dunkle wollte nicht bloß verhindern, dass die Magier des Imperiums die Splitter erhielten, er wollte sie für seinen eigenen Lakaien!
Das durfte niemals geschehen!
Aber war es nicht schon zu spät, noch etwas zu ändern?
Der fliehende Sichelträger, der seine fünf Gefährten als einziger überdauert hatte, eilte bestimmt schon durch die finsteren Labyrinthe nach oben, den Katakomben von Ur-Gish entgegen, wo ihn seine Kameraden gewiss schon erwarteten, um den Splitter sicher ins Nordland zu bringen und ihm, den Hüter in der Tiefe, den Todesstoß zu versetzen.
Er war so müde, so schwach! Selbst sein eigenes Fleisch lastete jetzt mit einem Gewicht wie von Tonnen auf ihm und drückte ihn zu Boden. Vermutlich würden die Zurückkehrenden nichts anderes vorfinden als einen verfaulenden Kadaver. Doch was war mit dem Herz?
Sein eigenes setzte für einen Augenblick aus. Hatte es diese Meute geschafft ihm auch den größten der Schätze, die man ihm anvertraut hatte, zu entreißen? Er schaute in die Tiefen des Sees hinab, doch sein eigenes Blut, das sich literweise in das kleine Gewässer ergossen hatte, färbte die Oberfläche schwarz und entzog den Grund seinen suchenden Blicken.
Er wurde panisch. Das durfte nicht sein, das konnte nicht sein! Schlimm genug, dass die Bestien ihm den großen Splitter geraubt hatten, aber mit dem Herzen des Kristalls waren sie zu viel mehr im Stande, als nur die Macht ihres Meisters zu mehren! Schon jetzt taumelten die letzten der südliche Reiche am Rande der Vernichtung und ihr Schicksal war kaum noch abwendbar, doch hier ging es um mehr als nur um Kronen, Imperien und Könige.
Wenn der Magus des Dunklen dahinter kam, was das Herz bewirken konnte, war das Leben und die Seele eines jeden Anhängers des Guten dem Untergang preis gegeben.
Er stieß ein markerschütterndes Brüllen aus. Der Urlaut, mit dem er seine Pein über das Scheitern seiner Aufgabe herausschrie, dröhnte durch die unteren Tunnel, durch die er einst den Jägern entflohen war, die sein Volk auf dem Gewissen hatten, ungedämpft passierte er die Katakomben der Kaiser des ersten Reiches, an Jahrhunderte langen Dynastien zog er in einer Sekunde vorbei und schüttelte den Staub von ihren Grabplatten, sogar die große Eingangshalle erreichte er, wo er sich zuletzt dem Brüllen eines tobenden Schneesturmes geschlagen geben musste.
Als er die Augen wieder öffnete, erblickte er am Eingang der Grotte eine Gestalt.
Ja, das waren die Häscher, die Mörder, die Bestien, die zurückgekehrt waren, ihr blutiges Werk an ihm zu vollenden. Der Schemen rührte sich nicht, wie es schien hatte sein letzter Schrei dem Sichelträger noch Zweifel daran gemacht, diese Aufgabe allein zu vollenden. Doch gleich darauf trat ein zweiter Schemen an die Seite des ersten.
Erneut stieg die Wut in ihm nach oben und seine eisblauen, mit schwarzem Blut besudelten Schuppen richteten sich klappernd auf.
Wenn sie schon die Zukunft seines Volkes vernichtet hatten, dann sollten sie auch selbst keine Zukunft mehr haben!
Brüllend richtete er sich auf, schleppte sich zu den Ritzen in der Höhlenwand hinüber und tobte, bis der Laut in seiner Kehle erstickte. Er hatte keine Kraft mehr. Keine zwei Schritte von den Angreifern entfernt gaben seine Glieder ihren Dienst auf und er sackte zu Boden.
Der letzte große Hüter der Menschheit war seinen Feinden schutzlos ausgeliefert.

Gorn mit der Axt
13.10.2005, 17:01
14. Schatten der Vergangenheit

Die Veränderung hätte nicht größer sein können.
Obwohl ihn die Zwerge an jenem Tag im Eis nur widerstrebend gerettet und danach gefangen gehalten hatten, behandelten sie ihn nach der Bedrohung durch die Aufseher und der Rettung eines ihrer Fürsten mit höchstem Respekt.
Inzwischen war schon eine gute Woche vergangen, aber als Kalar, wie an jedem der letzten Tage durch die Türe eintrat, um ihm das Essen zu bringen und sich tief vor ihm verneigte, verstand er diesen radikalen Wandel noch immer nicht so recht.
„Wie geht es euch heute, Gran?“ Kalar, der Ardne bei der Pflege Fralds abgelöst hatte, war groß für einen Zwerg und breit gebaut, seine Stimme aber war hell wie die eines jungen Mannes. Seine Stimme erklang jedoch nur verhalten. Wie die respektvolle Anrede zeigte, die Frald inzwischen leidlich mit „Herr“ oder vielleicht auch einem niederen Fürstenrang gleichsetzte, hatte der Zwerg seine anfängliche Scheu noch nicht recht überwunden.
Das geschah meist erst, wenn er die bisher eher seltene Gelegenheit erhielt Frald etwas über die Geschichte oder das Leben der Zwerge zu erzahlen. Kalar schien sich für die alten Schriften und Überlieferungen seines Volkes zu begeistern, eine wichtige, in den Augen des Fralds, des mächtigen Kriegers, aber eher untergeordnete Tätigkeit.
„Besser, schätze ich.“ Brummte er. „So wie ihr mich verhätschelt könnte man meinen, ich wäre kein Clanskrieger sondern ein gebrechlicher Gevatter, den man schonen muss.“ Kalar verbeugte sich entschuldigend, aber Frald, der so etwas erwartete, erkannte das angedeutete verhaltene Lächeln auf seinen Wangen.
„Meinst du, dass ich heute ein wenig aufstehen könnte? Ich würde gerne mal wieder auf die Beine kommen.“
Kalars Lächeln entgleiste. Er nahm den Auftrag, sich um Fralds Genesung zu kümmern, sehr ernst.
Doch Frald erkannte die ablehnende Haltung und setzte nach. „Natürlich nur, wenn du mich begleiten würdest.
Ich möchte mehr von eurer Stadt sehen, als nur dieses eine Zimmer.“
Kalars Gesicht hellte sich auf. Das Interesse um ihn und sein Volk schmeichelte ihm zusehendes, deshalb meinte er. „Nun, ihr habt die letzten Tage hier geruht, ich denke ein kurzer Ausflug geht in Ordnung.“
Diese Worte stellten den Auftakt für die nächsten Wochen dar, in denen Frald unter Kalars Obhut die Zwergenstadt erkundete.
Als Frald an diesem ersten Tag aus der Tür seines Zimmers auf den Gang hinaustrat, war die erste Überraschung der Zwergenstadt an ihn das helle Tageslicht, dass den Gang hell erleuchtete und auf den hellen Granitmustern der Bodenfließen schimmerte. Erst als er näher an die Quelle des Lichtes herantrat, erkannte er, wie es in das Innere des Berges gelangte. Im Abstand von je acht Schritten waren in die Decke und die Wände zu beiden Seiten schmale Schächte gehauen, durch die das Licht sich im Flur verteilte.
Zutiefst verblüfft schaute drehte Frald sich im Kreis.
Wie kann das sein? Dachte er sich. Sein Gefühl sagte ihm, dass gerade der Abend anbrach, aber allen Gesetzen des Himmels zum Trotz schien die Sonne nicht nur durch die westlichen und südlichen Fenster, sondern auch durch die Östlichen.
Er stellte sich vor einen der Lichtschächte und spähte hinein.

Gorn mit der Axt
16.10.2005, 18:45
Keine Sonne, keine Lichtquelle war zu erkennen, wohin er auch blickte war nur diese herkunftslose Helligkeit.
Kalar umfasste vergnügt grinsend seinen Arm und führte ihn ans Ende des Ganges, wo sie sich setzten.
„Die Zwerge müssen wirkliche Meister der Magie sein, ihre Häuser wärmt die Sonne von jeder Seite.“
Die Verwirrung war ihm anzuhören, schließlich war er ein Krieger und Jäger seines Stammes, daran gewohnt sich im dunklen Wald lautlos zu bewegen und sich selbst in unbekanntem Gebiet am Stand der Sonne ohne Zweifel orientieren zu können.
Kalar lachte und schlug sich auf die Knie.
„Nein,“ klärte er Frald auf. „mit der Magie haben wir Zwerge es wahrlich nicht, aber die Technik ist es, die Lehre von Konstruktion, Gewicht und Form, für die wir uns seit jeher begeistert haben. Diese Schächte gehören allerdings zu unseren neueren Errungenschaften.“ Er griff in seine Tasche und holte einen schmalen, durchsichtigen Stein hervor.
„Diese Quarze hier sind es, denen wir das Licht verdanken. Sie brechen das Licht auf eine Weise, die uns zuvor nie begegnet ist. Wie Glas lassen sie einen Teil des Lichtes passieren, zugleich verstärken sie es aber auch und lenken einen Teil des Lichtes ab.“ Nun erging sich Kalar begeistert in seine Erklärung dieser komplexen Vorrichtung, von der Frald nur einen geringen Teil verstand und noch weniger nachvollziehen konnte.
Es schien wohl darauf hinauszulaufen, dass es auf dem einsamen Gipfel dieses Berges einen großen Schacht gab der die Helligkeit ins Innere leitete. Dort hatten die Zwerge verschieden dicke Bruchstücke des Kristalls und eine Vielzahl von Spiegeln aufgestellt, um sie nach ihrem Gutdünken zu verteilen.
Während Kalar seinen Monolog mit unvermindertem Enthusiasmus fortsetzte, stellte sich bei Frald eine Mischung aus Bewunderung und Trotz ein. Bewunderung, weil er nicht anders konnte, als die Vorteile dieser Konstruktion zu erkennen, Trotz, weil er sich durch sein eigenes Unvermögen, Kalars Worte zu verstehen gekränkt und herabgewürdigt sah. Dabei hätte, auch wenn ihm das in diesem Augenblick nicht bewusst war, auch ein Gelehrter mit seiner Erfahrung sich mit dieser unbekannten Technik schwer getan. In seinem ganzen Leben hatte Frald nicht mehr als eine Handvoll Spiegel gesehen, meist billige, grob aus gehämmertem Kupferblech gefertigte Modelle, die sich die Bürger der großen Städte in die Häuser stellten, und von den Gesetzen der Lichtbrechung, der Lehre der verschiedenen Eigenschaften von Gesteinen und der höheren Mathematik hinter der Ausrichtung jedes einzelnen Spiegels standen, die den Zwergen meist schon in jungen Jahren eingebläut wurden, hatte er noch nie etwas gehört.
Deshalb war es eine große Erleichterung für ihn als die tiefe Stimme eines anderen Zwerges die Eintönigkeit von Kalars Vortrag unterbrach, dem er, bei aller Bewunderung, die er für die Zwerge aufbrachte, wenig abgewinnen konnte. Kalar stockte mitten im Satz und zwinkerte, als sei er verblüfft, dass man ihm reingeredet hatte, dann aber drehte er sich mit einem leicht angesäuerten Ausdruck im Gesicht zu jener hinter ihm stehenden Gestalt um, die in seinen Augen die Ursache der Störung darstellte.
Sofort darauf stieß er einen hastigen Schwall Zwergisch hervor und Frald, dem die gedrungene Gestalt seines Pflegers die Sicht versperrte, beugte sich neugierig vor.
Dort stand ein sehr großer Zwerg in blutiger Kleidung, der sich auf einen dicken Eichenstab stützte.
Der Unterhaltung der beiden konnte Frald nicht folgen, seine Kenntnis der zwergischen Sprache beschränkte sich auch nach mehrtägigem zuhören auf ein bis zwei dutzend der wichtigsten Begriffe, aber zwei Wörter fielen dadurch auf, dass sie besonders oft genannt wurden.

Gorn mit der Axt
19.10.2005, 10:50
Das eine war Kark, was beim kleinen Volk der Name für die Menschen war, das andere hätte er auch schon vor seiner Reise in die Berg erkannt: Urorkon, der finstere Herrscher. Sicher war er sich jedoch nicht, denn die Zwerge benutzen ein und dasselbe Wort oft in sehr unterschiedlichen Zusammenhängen, so konnte Urorkon sowohl die Person als auch den Herrschaftsbereich des Nordlandes oder sogar den Feind an sich bezeichnen.
Dann jedoch wandte sich der andere Zwerg ab und marschierte mit grimmiger Miene den langen Gang hinunter.
Kalar drehte sich um und lächelte entschuldigend.
„Es tut mir Leid, Fraladruin, ich befürchte wir können unseren Spaziergang erst morgen fortsetzen. Es ist auch so schon Zeit für dich, wieder in dein Bett zu kommen.
Wenn auch freundlich vorgetragen, klang diese klare Abfuhr Kalars deutlich besorgt Frald fragte sich, was der andere Zwerg ihm wohl erzählt hatte, und ärgerte sich erneut wegen seiner geringen Kenntnis der unterirdischen Sprache.
Kalar kam wie versprochen jeden Tag wieder, meist nach dem Ende seiner Arbeit zwischen Mittag und Abendbrot, und besuchte Frald in seinem Zimmer.
Mal wanderten sie einfach nur ziellos durch die langen Tunnel des Gebirges, dann wieder hatte der Zwerg ein bestimmtes Ziel, zeigte ihm Lagerräume und Werkstätten, Keller und Erker, verstaubte Relikte aus der Vergangenheit der Zwerge und Abschnitte der neu aus dem Fels geschnittenen Wohnhallen.
Doch sooft sie sich auch zu diesen Ausflügen aufmachten, nie erreichten sie die unteren Gewölbe, jene Fabrikhallen und Schächte, die die Niederungen des Tals durchzogen. Auch wenn Frald das unbewusst schon erkannt hatte, fiel ihm der Grund seiner Verwunderung erst nach etlichen Tagen auf.
An jedem Ort, an den Kalar ihn führte, lebten nur Zwerge, und zudem solche, die ihre Arbeit im Inneren des großen Wohnbereiches verrichteten, fast nie sah er einen der müden Minenarbeiter oder der schwer schuftenden Werkshelfer. Auch schien nur ein Bruchteil der Bevölkerung hier aus Männern zu bestehen.
Auf den Rat der Fürsten, Kalar und noch einem weiteren Dutzend, das er nach und nach kennen lernte, kamen ganze Hundertschaften von arbeitsamen Frauen, mehrere Gruppen kleiner, bartloser Zwergenkinder und ein weiterer Teil Alter beider Geschlechts.
Am zwölften Tag, seit seinem Erwachen fragte er Kalar nach dem Grund.
Der starrte ihn entgeistert an.
„Soll das heißen, noch keiner hat es dir gesagt?“ Frald zuckte mit den Schultern.
Jetzt klang Kalar nicht mehr nur erschrocken sondern fast entrüstet. „Aber du bist ein Freund. Der erste Kark, entschuldige, der erste Mensch seit Jahrzehnten, der einem der unseren das Leben gerettet hat. Wie können sie es wagen, dir von nichts zu erzählen. Das ist vollkommen inakzeptabel!“ Frald wich zurück. Er hatte den Zwerg noch nie wütend gesehen, aber er war sich sicher, wenn Wut sichtbar wäre, dann würde nun Dampf von Kalar aufsteigen.
Mit sichtbarer Mühe beruhigte er sich wieder.
Dann sah er Frald entschuldigend an. „Verzeih mir bitte meine Wut, aber die Fürsten haben etwas getan, was nicht rechtens ist. Es widerspricht nicht dem Rechten Ton, unserem… Gesetz, unseren Richtlinien, aber es ist dennoch von Grund auf falsch. Ich hätte nicht gedacht, dass unsere Fürsten so verantwortungsloses Handeln gutheißen.“ Er seufzte schwer und rieb sich die Stirn.
„Komm bitte mit mir.“

Gorn mit der Axt
22.10.2005, 11:03
Der Weg, den sie diesmal wählten, war länger als die bisherigen.
Anders als ihre früheren Wege führte er auch nicht von seinem Zimmer nach oben, in die ruhigen Refugien der Zwerge, oder blieb auf gleicher Höhe, wo die Lagerräume und Werkstätten verstreut lagen.
Stattdessen ging es lange Zeit senkrecht nach unten, Schritt für Schritt.
Einmal kamen sie an einem in den Fels geschnittene Fenster vorbei, durch das Frald endlich wieder die Sonne sah. Doch von der umliegenden Landschaft war nichts zu erkennen. Er schaute nach unten und sein Magen tat einen kurzen, Übelkeit erregenden Sprung.
Das Stück der Felswand, hinter dem sich ihr Gang verbarg, lag nicht sichtbar im Bergeshang, wo ein aufmerksamer Wanderer oder ein danach Suchender es hätte finden können, vielmehr ragte dort der Berg in Form eines Überhanges nach vorne und ihm wurde klar, dass sich nur einige Fuß unter ihm nichts als Luft befand.
Kalkweiß taumelte er zurück.
Doch Kalar verspottete ihn nicht ob seiner Höhenangst, er lächelte gutmütig.
„Ja, dieser Anblick ist beim ersten Mal Hinsehen ein richtiger Blickfänger. Eurem Volk von der Ebene dagegen, das jeden Hügel gleich Berg nennt, würde ich die tieferen Etagen empfehlen.“ Grübelnd legte er seine Ellbogen auf den Fenstersims und starrte unbeeindruckt hinaus.
„Vielleicht ist diese Stelle hier ebenso geeignet wie jede andere, es dir zu erklären.“
Er schob seinen Mantel vor die Öffnung und setzte sich auf den kalten Steinfußboden. Dann zeigte er Frald es ihm gleich zu tun.
„Siehst du, Fraladruin, was ich dir jetzt erzähle, könnte dir jeder Zwerg von ganz Jehranas sagen, jeder einzelne von uns hat diese Geschichte mit der Muttermilch eingezogen. Aber es ist für uns eine Schmach, ein unrühmliches Kapitel unserer Geschichte, vielleicht eines der Bittersten überhaupt. Mag sein, dass das der Grund ist, warum der Fürstenrat dir nicht davon berichtet hat.“ Er sprach sehr eindringlich und Frald lehnte sich gespannt vor.
„Als diese Welt schon sehr alt war und Jehran sein Werk vollendet hatte, tauchten irgendwann die ersten Zwerge auf. Unser Ursprung ist vergessen, wir haben keine Legenden, die so weit zurückreichen, aber sicher ist, dass die ersten Erinnerungen unseres Volkes sich auf dieses Land hier beziehen, oder wenigstens diesen Teil des Landes, das heute zum Nordland gehört.“
„Damals“ so erklärte er. „Trug es diesen Namen natürlich noch nicht. Die Errichtung des Großreiches der Menschen lag damals noch in weiter Ferne, auch wenn es schon Menschen gab, wiederum länger, als wir zurückdenken können. Sie waren von eurem Schlag, es waren Clansmänner, jene, die später in Stämmen und Familien leben sollten. Doch es waren wenige und das raue Klima setzte ihnen wie uns schwer zu.“
Sein Blick wanderte versonnen zum Fenster, als würde es die längst entschwundene Vergangenheit zeigen. Frald war von der Erzählung so gefesselt, dass er ihm unwillkürlich folgte.
„Unsere Völker lebten nicht gerade in Eintracht, aber jeder wusste vom anderen und niemand brauchte sich zu verstecken. Es war genug Land für alle da.“ Er verstummte.

Gorn mit der Axt
25.10.2005, 16:50
Frald fragte zögerlich.
„Was hat sich seitdem geändert?“ Kalar blickte ihn scharf an. Dann redete er weiter.
„Ihr Menschen ward trotz aller Toleranz von anderer Art als wir, bei euch sind Kinder häufig und nichts Ungewöhnliches, zudem zogen von Süden her mit einem Mal ganze Scharen neuer Völker nach Norden vor.“
Er ergriff einen kleinen Klumpen hellen Gesteins und malte ein grobes Bild des Kontinents auf den Fels.
„Das war jene Zeit, die im Süden als „Die Zeit der Gründung“ beschrieben wird. Auf der unteren Seite des Landes, weit jenseits des großen Gebirges und unseres Wissens war das Wetter besser, es entstanden größere Länder und machtvolle Stadtstaaten, die die kleineren und schwächeren Herrscher, die an den Hängen des Gebirges regierten, bald verdrängt hatten.
Viele stellten sich dieser Entwicklung stur entgegen, doch die Schlaueren wandten sich mit ihrem ganzen Volk nach Norden und fielen dafür in unser Land ein.
Viele starben, von meinem Volk, von deinem und der Eroberer, bevor eine Einigung gefunden wurde.
Seit dieser Zeit verkehren wir mit keinem Menschenschlag mehr so freundschaftlich und offen, wie wir es früher mit euch taten, denn wir hatten keinen Grund euch zu fürchten oder zu hassen, ihr hattet ebenso ein Recht auf dieses Land wie wir. Das ist auch der einzige Grund, warum dich unsere Jäger gerettet haben, hätten sie dich nicht an deiner Initationswaffe erkannt, die sie in der Nähe fanden, lägest du noch immer im Schnee und würdest nur Futter für die Eiswürmer.“ Frald schauderte. So hatte Kalar noch nie geredet.
Der achtete nicht auf die Reaktion seines Zuhörers und redete weiter, die Augen nun fest geschlossen.
„Mit diesem ersten Krieg wurde alles anders. Wir wurden misstrauisch und kriegerisch und gaben es auf, mit den Menschen zu reden, selbst mit den Clansmännern, zu viele Fremde Besitzungen lagen nun zwischen eurem Land und dem unseren, als dass wir es gewagt hätten, denn ihr wurdet in die Tundra im Westen verbannt.“
Hier begehrte Frald auf. „Das hätte unser Volk nie mit sich machen lassen!“
Kalar hob beschwichtigend die Hände. „Ich behaupte ja nicht, dass sie kampflos aufgegeben hätten.
Aber ihr ward nie ein geeintes Volk, niemals sind alle Clans aufgestanden und haben mit einer Stimme gesprochen. Darin lag eure einzige Schwäche. Manche der Stämme haben sich geweigert ihr Gebiet zu verlassen und wurden verdrängt, andere haben sich überreden oder bestechen lassen und wieder andere haben sich mit friedlicheren Neuankömmlingen geeinigten und sich mit der Zeit mit ihnen vermischt.“
Frald wurde zornig und als er dagegen ankämpfte, traten die Sehnen und Muskelberge an Armen und Hals hervor. Niemand durfte so über sein Volk reden, sagte er sich, auch wenn er in einem Winkel seines Verstandes einsah, dass der Zwerg die Wahrheit sagte. Zufrieden beobachtete er, wie Kalar kurz vor ihm zurückwich.
„Red weiter“ knurrte er.
„Nun“ Stotterte der. Fralds Verhalten verunsicherte ihn. „So blieb die Lage in etwa ein Jahrhundert lang. Aber dann erreichten die großen Reiche der Menschen das Gebirge. Sie waren diese Kälte nicht gewohnt und wurden eine kurze Zeit aufgehalten, doch schließlich wagten sich die ersten Forscher und Abenteurer hinüber. Wenig später folgten die ersten Soldaten.
Doch auch im Süden hatte sich die Lage geändert. Unter den vielen Reichen hatte sich eines besonders hervorgetan, ob durch besseres Wissen oder pures Glück, das haben wir hier im Norden nie erfahren können, aber es war jenes Reich, das später einmal den ganzen Kontinent umfassen sollten.
Die Reihe der Könige setzte sich fort, bis jeder von ihnen mächtiger war als sein Vorgänger.
Toragon und Telastir und seine Söhne. Sonst wissen wir von keinem der frühen Herrscher die Namen, doch diese vier waren etwas Besonderes und ich bezweifle, dass ihre Namen je in Vergessenheit geraten werden.
Denn weißt du, die Menschen dieses neuen Reiches waren weniger wie die feigen Grenzländer und mehr on eurer Art, mutiger und ehrhafter und sie wollten nicht erobern um des Eroberns willen.“
Frald starrte ihn an. „Aber es waren Südländer!“

Gorn mit der Axt
28.10.2005, 17:50
Kalar schnaufte verächtlich. „Diese Bezeichnung kam erst viel später auf. Die machtvollen Herrscher eroberten die Nordlande, mit Schwert, Bündnissen und Gold, wie genau ist hier nicht von Belang, wichtig ist aber, dass auch sie sich hier ansiedelten. Und dass heißt, auch wenn du es nicht hören willst, dass in fast jedem Nordländer, von einigen der strengen Clane einmal abgesehen, irgendwo das Blut jener Eroberer steckt.“
Kalar schmunzelte. „Wenn du also die ersten Hohekönige als Südländer beschimpfst, dann beleidigst du dich zugleich selbst und die Mehrheit deines Volkes.“
Frald zuckte vor und fasste den Zwerg an seinem Kittel.
„Ich bin kein Südländer!“ fauchte er.
Doch diesmal wich Kalar nicht vor ihm; er hielt dem Blick ungerührt stand.
„Akzeptiere es oder nicht, aber ihr Blut ist einer der Stämme, auf dem eurer Volk gründet, ob du das nun zugibst oder nicht. Und jetzt lass mich wieder runter.“ Seine Stimme hatte ihre Ruhe nicht verloren, aber ein wenig konsterniert klang er schon.
Frald schaute nach unten und tatsächlich baumelten Kalars lederne Stiefel zwei Fuß über dem Boden.
Vorsichtig setzte er ihn ab. Dann verneigte er sich und drückte seine Stirn in den Staub.
„Verzeih mir, ich habe Unrecht getan und das Gastrecht gebrochen.“
In diesem Moment durfte der Zwerg nach dem Gesetz der Clane mit ihm verfahren, wie er wollte, für ein Brechen des Gastrechtes, das mit seinem Angriff auf den Zwerg eindeutig gegeben war, gab es keine eindeutige Regel, der Betroffene durfte die Strafe selbst wählen.
Es ging so schnell, dass er es gar nicht mitbekam, aber er sah Kalars hocherhobene Hand und spürte, wie seine beiden Wangen zu schmerzen begannen. Noch einmal senkte er den Kopf auf den Boden.
Als er zum Zwerg hinüberspähte, von unten herab, wie es sich für einen gescholtenen gebührte, auch wenn ihm das in doppelter Hinsicht schwer fiel, schnaufte dieser beleidigt und nickte in den Gang zu ihrer linken.
Eilig erhob sich Frald und lief hinter Kalar her, der entgegen seiner sonstigen Gewohnheit diesmal nicht auf ihn wartete.

Gorn mit der Axt
31.10.2005, 08:41
Sein Schlaf war tief und traumlos.
Er dämmert in der Dunkelheit dahin, in jener Art vom Schlaf, die nicht von großer Anstrengung oder Erschöpfung herrührt sondern von dem tiefen Bedürfnis des Geistes nach Ruhe, und der nicht in jene tieferen Gefilde eintaucht, wo man vor den Einflüssen der wirklichen Welt sicher ist.
Doch als er endlich jene ersehnte Ruhe gefunden hatte, überfielen ihn die Träume.
Nun könnte jeder normale Mensch denken, dass ein Reisender, der solch gefährliche und entsetzliche Geschehnisse erlebt hat, in der Nacht von ihnen erneut gequält würde, doch das war nicht der Fall.
Logan begegnete keinem seiner Begleiter, er sah keine Szene der wochenlangen Reise oder der Verfolgungsjagd wieder und auch das halbsteinerne Monster, in das sich Solos verwandelt hatte, glänzte durch Abwesenheit.
Stattdessen blickte er wie es schien aus großer Höhe auf den Boden einer funkelnden Grotte hinab.
Ihre Wände leuchteten im Feuer von Halbedelsteinen und Kristallen, die jeden noch so schwachen Lichtstrahl hundertfach zurückwarfen. Schatten bot in dieser erleuchteten Szenerie nur der Körper eines gewaltigen Tieres, dessen Art Logan vollkommen fremd war.
Er wurde in diesem Moment beherrscht von jener Art des verschlafenen Desinteresses, das in Träumen fast nie zu bemerken ist und eigentlich immer nur dann auftritt, wenn Ort und Umstand so unvorstellbar sind, dass sie über den Geist des Sehenden hinausgehen und er sich allen Anzeichen zum Trotz in den Händen der Träume oder des Irrsinns wähnt.
Mit diese sonderbaren Gefühl schwebte sein Traum-Ich die Wand hinab, an der es bisher gelehnt hatte und ging um den riesigen Kadaver herum. Offenbar hatte er auf der Rückseite der Höhle gestanden, nun rückte der Eingang in sein Blickfeld, ein undurchdringlich scheinendes Gewirr aus Felsspalten und Ritzen, in denen ein winziges Geschöpf kauerte. Mit leisen Schritten, als könne er durch ein zu lautes Geräusch das Wesen verscheuchen, kam er näher.
Es war nicht so klein wie er gedacht hatte. Die Ausmaße des Kolosses zu seiner Seite mussten ihn verblendet haben. Verdutzt stieß er einen leisen Pfiff aus und schlug sich die Hand auf den Mund, als das Wesen ruckhaft auffuhr. Gleichzeitig mit ihm hatte sich auch der Leib des Riesen bewegt, der da am Höhlenboden ausgestreckt lag und wohl doch nicht ganz so tot war wie erwartet.
Das wenige, was dem Beobachter mit dem wachen Logan gemein war, wurde ein wenig unzufrieden. Wie es schien war alles und jeder heute nur darauf aus, ihn zum Narren zu halten.
Doch diese etwas mürrische Haltung verwandelte sich in Freude, als er in dem kleineren der beiden Wesen seinen Bruder erkannte. „Hallo, Tim!“ Fröhlich ging er zu ihm herüber, doch Thimris beachtete ihn nicht.
Logan kratzte sich verwirrt am Kopf. War sein Bruder neuerdings schwerhörig? Oder stellte er sich wieder auf stur, wie er es früher manchmal getan hatte?
„Thimris!“ Er trat nah an ihn heran und hob die Stimme. Tatsächlich schien Thimris ihn gehört zu haben, denn er
hob wie suchend den Kopf, als ob er ihn nicht sähe. Entnervt wandte Logan sich ab. Was war nur mit seinem Bruder los, sah er ihn denn nicht?
Dann blickte er auf seine Finger hinunter und klatschte sich gegen die Stirn.
Natürlich, er war ja unsichtbar. Beruhigt drehte er sich wieder um.
Über Thimris flatterte nun ein etwa armlanges Geschöpf mit ledrigen Schwingen. Es musste gerade erst durch eine der Felsspalten gekommen sein.

Gorn mit der Axt
03.11.2005, 11:06
Während sein älterer Bruder verwunderte Worte mit diesem kleinen Wesen austauschte, hockte Logan sich auf die Fersen und beobachtete eine winzige Stadt mit Myraden von noch kleineren Häusern, die sich vor ihm auf dem felsigen Grund erstreckte. Durch die fingerbreiten Gassen tummelten aufgeregt Horden von Drachen in Ameisengröße, die nun in ihrem Gewimmel verhielten und entsetzt zu dem Giganten hinaufstarrten, der sich bis in den Himmel erstreckte.
Plötzlich gab es Logan zweimal. Das verwunderte ih, nicht, so etwas passierte schließlich schon mal. Also nickte er seinem anderen Ich höflich zu, doch das riss auf einmal die Hand hoch und haute mitten in die geschäftige Miniaturstadt. Seine Faust zerschmetterte die sorgsam gebauten Häuschen, doch ungeachtet dessen packte es die winzigen Bewohner und stopfte sie sich in den Rachen.
Dann grinste es ihn zufrieden an. Vielleicht hatte er kurz seine Verwirrung gezeigt, denn erklärend meinte es. „Sehr lecker. Eine Hand voll Drachen tut immer gut, auch wenn sie nur für Zwischendurch reichen.“
An dieser Stelle wandte sich Logan von seinem Doppelgänger ab und schritt wieder zu Thimris herüber.
Das war aber auch mal eine selten dumme Ausgabe von ihm gewesen. Als würden Menschen Drachen fressen.
Lachhaft. Wo doch jeder wusste, dass Menschen am liebsten zwei schritt lange Wellhornschnecken verspeisten!
Kopfschüttelnd lauschte er den Worten seines Bruders, doch sein anfängliches Interesse an diesem Traum ging verloren.
„Mein Bruder? Meinst du Logan?“ Bei der Nennung seines Namens horchte er auf.
Das kleine Wesen hatte sich auf Thimris Schulter niedergelassen und schlug aufgeregt mit den Flügeln.
„Nein, Nein!“ Kreischte es. „Nicht der Junge! Dein anderer Bruder. Er meint es wäre dein Älterer Bruder, dessen Tod euch die Gabe der Magie beschert hat.“ Thimris wurde kalkweiß und taumelte. Logan verstand die ganze Aufregung nicht, seine Langeweile setzte sich erneut durch und er schloss die Augen.
„Anscheinend ging damals irgendetwas schief. Er meint, bei eurer Geburt sei von beiden Seiten her eingegriffen worden, auch wenn ich nicht verstehe, was er damit meint. Offenbar hat er die Seele eures Bruders bewahrt, aber sie kam frei, als diese Monster mit den Sicheln sich den Kristall schnappten.
Jetzt spricht er aber wirklich von deinem jüngeren Bruder.“ Durch sein leicht benebeltes Denken drang Thimris Stimme wie ein Peitschenknall.
„Logan! Hat er ihn auch gesehen? Wie geht es ihm?“
„Er ist wohl schon weiter als wir hier und hat seinen Splitter geborgen, auch wenn er alle seine Begleiter verloren hat. Aber jetzt wird er wohl wieder verfolgt und keiner konnte unserem Freund hier“ Ein kurzes Rascheln ertönte. „Sagen, um wen es sich diesmal handelt. Er befürchtet, es könnte der Ungeborene sein und entschuldigt sich bei dir für sein Vergehen, aber er warnt dich gleichzeitig, dass es auch wieder nur eine List der Nordländer sein könnte.“
Sein Bruder klang etwas verwirrt, als er wieder sprach, aber wenigstens wurden die Stimmen und leiser.
Vielleicht würden sie ihn nun endlich schlafen lassen. „Welches Vergehen meint er?
Geht es darum, die wir unsere Gaben erhielten oder um etwas, das er während unserer Suche getan hat?“
Erst im letzten Augenblick, bevor Logan vom leisen Tröpfeln von Wasser aus dem Schlaf gerissen wurde, erinnerte er sich, dass man sich im Traum unmöglich bewusst sein konnte, dass man schlief.
Und mit dieser Erkenntnis wurde er wach, noch verwirrter als am Abend zuvor und bemühte sich verzweifelt und erfolglos, einen klaren Gedanken zu fassen.
War das, was er gerade erlebt hatte, nur ein Traum gewesen? Die ganze Zeit über hatte er es angenommen, aber die Szene hatte so real gewirkt…, obwohl er nicht einmal ahnen konnte an welchem Ort sich Thimris in diesem Moment aufhielt.
Mit dem halbwegs klaren Denken erreichte ihn auch eine beunruhigende Überlegung.
Wer war es, über den die drei gesprochen hatten?
Wenn das gerade wirklich geschehen war, wer war es, der ihn verfolgte?

Gorn mit der Axt
08.11.2005, 18:54
Die letzte Pause schien Stunden her zu sein.
Ziordan stand hoch aufgerichtet wie immer und nichts an seinem Gesicht oder seinen Bewegungen ließ die Strapazen der letzten Beschwörungen erkennen, doch in seinem Geist spürte er, wie sein Sinn für die Magie langsam aber sicher begann abzustumpfen, wie der Brunnen, der seine letzten Reserven enthielt versiegte.
Mit einer routinierte Bewegung zog er die Klinge des Messers über die Rinde des Baumes und schnitt eine Spirale in den Stamm, eines der drei Zeichen Jehrans.
Dann griff er in den Beutel an seiner Hüfte und holte eine Pfeilspitze hervor, tränkte sie kurz in das heilige Wasser und steckte sie dann in das Zentrum des Vielkreises.
Es erfüllte ihn mit Erleichterung, als er trotz seiner Schwäche das Anschwellen des Zaubers deutlich spüren konnte. Er legte Zeige und Mittelfinger an die Borke und versiegelte den Zauber im Baum.
Zufrieden trat er einige Schritte zurück.
Die Elben hatten ihm bei der Entwicklung dieser Magie geholfen, denn von dem, auf das er abgezielt hatte, war vorher noch nie vernommen worden.
Bei dem Baum handelte es sich um eine alte Steineiche, die sich an den Hang des Hochgratpasses klammerte.
Sie überragte alles auf Meilen hinaus und hatte bestimmt schon hier gestanden, als die Nordländerhorden das letzte Mal an ihr vorüber gezogen waren.
Er nickte und schritt eilig nach Osten.
Er hoffte, dass sein Plan gelingen würde.
Die Legionen des Hochkönigs stellten sich jeder Höllenbrut, die Dämonen waren ihnen in jedem körperlichen Belang überlegen, doch die weit gefährlicheren Feinde waren die Tzetzlani. Mit einer Vielzahl unterschiedlichster Zauber, von der reinen Magie der Natur bis zu den finstersten Künsten der Todesbeschwörung reichten ihre Kräfte und machten den einfachen Soldaten jeden Kampf unmöglich.
Doch wenn dieser Schutz gelang, mochte Rettung in sicht kommen.
Die Quellen würden die Kraft liefern und seine Banne würden aus ihr den Zauber wirken, die Spirale Jehrans seine menschliche, unzureichende Kraft verstärken und bündeln, auf dass die Pfeilspitze sie Tzetzlani verwunden möge..
Doch der wichtigste Bestandteil seines Plans war das Wasser.
Es war eine Tortur gewesen, es den Priestermagien abzuringen, unter ihnen flüsterten nun schon viele von einem Sakrileg und Entweihung. Hätten nicht der Hohekönig und die Magier der Elben sein Anliegen unterstützt, hätten sie ihn vielleicht sogar der Ketzerei angeklagt, wie es seinen Vorgängern in früheren Zeiten manchmal geschehen war.
In diesem Wasser, das aus einem Brunnen im Allerheiligsten floss, war vor der Zeremonie ein kleiner Splitter des Jehransteines aufgellst worden, das machte es zu einem der mächtigsten magischen Bannmittel, über das er als Magier verfügte.
Nach einer guten Meile blieb er mitten im Pass stehen und suchte sich ein weiteres Ziel.
Seine Augen glitten über die Landschaft. Hier lag ein Stein, dort wuchs ein Strauch, doch nichts hielt seinen Anforderungen stand.
Doch dort.
Zwei dutzend große Schritte zu seiner Rechten ragte ein steiler Felsen gute fünfzehn Fuß in die Höhe und als der Magier mit aller Kraft an ihm schob, rührte er sich nicht ein Stück, er war metertief im gewachsenen Erdreich selbst verankert.
Ziordan lächelte grimmig. Sein Meister wäre so stolz auf ihn.
Baum und Grat, Fels und Strom, auf sie alle hatte er die Rune des Bindens gezeichnet und jedes einzelne würde sein Wesen gegen die Angreifer richten. Dabei kam ihm zu Hilfe, dass diese Kräfte schon danach suchten, sich gegen den Missbrauch zu verteidigen, er gab ihnen nur die Mittel dazu.
Müde streckte er seinen Körper, bis er hörte, wie seine Gelenke knackten.
Dann machte er sich wieder auf den Weg.
Die Elemente der Natur? Dachte er sich. Mögen die Tzetzlani einmal lernen, worauf sie sich dabei eingelassen haben.

Gorn mit der Axt
12.11.2005, 16:41
In seinem Kopf drehte es sich.
Nicht, dass er die vorangegangene Rutschpartie unbestanden überstanden hätte, aber daran lag es nicht.
Vielmehr war er noch immer wie niedergestreckt von all dem, was er soeben erfahren hatte.
Anscheinend hatte jenes Wesen, das nun von den Dämonen niedergestreckt vor ihm lag, einen der großen Splitter viele Äonen lang gehütet, bis diese Kreaturen, ihre Jäger, die Greelon als Sichelträger bezeichnet hatte, gekommen und den Kristall geraubt hatten.
Und nicht nur den Kristall. Wenn die Geschichte des Hüters der Wahrheit entsprach, dann hatten diese Monstren auch das Herz des Jehransteines geraubt.
Das Herz des Jehransteines…
Er hatte diesen Begriff nie zuvor gehört. Es hätte ihn sogar überrascht, wenn sein Vater oder einer der anderen Priestermagier davon wüsste, denn dann wäre er bestimmt auch in jenem uralten Text erschienen, der ihnen den ersten Hinweis zu dieser Suche geliefert hatte.
Der Hüter hatte ihm nicht mehr alles darüber erzählen können, aber schon das Wenige…
Das Herz verkörperte die Macht des Kristalls…
Das Herz war der Schlüssel zur Gesamtheit des Jehransteines…
Das Herz war jener eine Teil, der einzige Splitter, der absolut niemals in die Hände der Nordländer gelangen durfte…
Und nun hatten sie ihn erobert, ohne dass irgendwer versucht hätte, sie daran zu hindern.
Thimris stieß sich an der Decke den Kopf und sank mit pochendem Schädel in die Knie.
Sie hatten die Kristallgrotte, den Ort, an dem der Hüter lebte, verlassen müssen und seitdem taumelte er hilflos durch die Dunkelheit, gefangen in dem sinnlosen Versuch mit jedem kleinen Schritt ein wenig mehr Raum zwischen sich und den letzten der Sichelträger zu bringen, den Sibril noch immer in Schach hielt.
Durfte er überhaupt darauf hoffen?
Lebte Sibril noch? Oder hatte dieses Wesen, dieser schlimmste aller Häscher Urorkons den Klerekan schon längst überwältigt?
Vielleicht war es ihm seit dem Betreten der Kristallgrotte gefolgt. Und es folgte ihm nun auf jedem Schritt, versperrte ihm jeden Ausgang, hinterließ nur Sackgassen und zerstörte Hoffnungen.
Die Angst drückte Thimris die Kehle zu. Er konnte nicht mehr atmen.
Nun hatte selbst Greelon ihn verlassen.
Der kleine Trilak war ausgeschwärmt um die fliehenden Sichelträger zu verfolgen, um ihnen folgen zu können, um sich den Kristall zurückzuholen.
Wie sinnlos. Thimris wollte lachen aber es blieb ihm im Halse stecken, vielmehr wurde er wütend, schlug wie rasend, zugleich schreiend wie weinend auf die steinernen Wände seines Gefängnisses ein, bis er spürte, wie sich die Angst von ihm zurückzog, wie sein bewusster Verstand wiederkehrte, wie ihm das warme Blut über die Handflächen rann.

Gorn mit der Axt
17.11.2005, 10:23
Denk nach, Thimris, denk nach, sagte er sich, aber um aus dieser Lage zu entkommen fiel ihm nichts ein.
Benommen richtete er sich wieder auf und stapfte weiter, stur geradeaus, mit der Aussicht, auf die selbe, eintönige Weise und mit genauso wenig Erfolg bis zum jüngsten Tag weiterzulaufen.
Wenn sein Körper das verkraftet hätte, wäre dieser Fall bestimmt eingetreten, so jedoch versagte der ihm den Dienst.
Sein verspannter Fuß verlor auf der glitschigen Oberfläche den Halt, sein betäubtes Gehirn schaffte es nicht, das Gleichgewicht schnell genug wieder zu finden, und schon stürzte er zu Boden und schlug schwer gegen eine Felswand.
„Bei Jehran, warum ich?“ stöhnte er fassungslos, als er sich aufrappelte: Jetzt hatte er auch noch die Richtung verloren! Wenn er jetzt vier Stunden weiterging, mochte es sein, dass er nur wieder vor dem leblosen Leichnam des Hüters stand und aus der Ferne den Kampf zwischen Sibril und dem Dämon betrachten konnte!
Er setzte sich hin und trank einen Schluck Wasser. Es hatte erstmal keinen Sinn, weiterzugehen.
Mutlos dachte er darüber nach, was geschehen mochte, wenn die Magier des Urorkon auch noch den Splitter und das Herz des Steines erhielten. Das Imperium konnte ihnen ja so schon kaum standhalten.
Wenn diese beiden Gegenstände die Zitadelle des Finsteren Herrschers erreichten, war die Hoffnung auf ein Leben in Frieden verloren, soviel war sicher.
Ein kurzer Lichtstrahl in der Finsternis war der Gedanke, dass seine Kräfte vermutlich wiederkehren würden, hätten die Sichelträger die Splitter erst mal aus dem Grenzgebirge entfernt. Aber das Licht der Hoffnung verging schnell. Was nützten ihm seine Kräfte, nicht einmal sie konnten ihn von diesem Ort retten, dessen Mauern die Berge des Grenzgebirges waren. Und wenn er doch entkam, würden seine Kräfte im gleichen Maß verblassen, wie er dem Ziel wieder näher kam!
Seine Gedanken wanderten umher.
Wenn er die Hoffnung in seinem Auftrag nicht fand, vielleicht könnte er sie bei seinen Gefährten finden.
Der Hüter hatte gesagt, auch wenn seine Geschwister in Gefahr seien, so wären sie doch ihren Splittern näher als er. Logan soll sogar den seinen schon gefunden haben.
Mit ein wenig Glück konnte die Kraft des einen Steines gegen die des anderen ankommen, und die Entscheidung über den Krieg würde nicht an ihn, sondern an seine Schwester fallen.
Jeel…
Wie gerne er seine Geschwister noch einmal sehen würde
Der Wunsch danach war so übermächtig, das er weinte.
Wenn er sich anstrengte konnte er jetzt noch vor sich die drei Kinder sehen, die im Garten um ihren Vater herumtollten und balgten. Wie sorglos da noch alles gewesen war.
Sorglos ja. So konnte man den Zustand der Menschen nennen. Oder gar des ganzen Imperiums.
Siebenhundert Jahre hatte der Wall sie beschützt, das Land gegen jeden Angriff aus dem Norden gesichert.
So lange, bis die Wächter müde wurden, die Waffen Rost ansetzten und schartig wurden und bis auch der letzte Zweifler, von anderen stets belächelt, es aufgab, an ihrer Rettung zu deuteln.
Aber konnte man es ihnen verdenken?
Thimris taten sie leid.
Wenn er an die Opfer dieses Krieges dachte, waren da immer zuerst jene tapferen Männer und Frauen, die er in Markor hatte überreden müssen, ihre Häuser und Hütten zu verlassen, Menschen, die es gesagt hätten, mit Sicheln und Jacken gegen Dämonen vorzugehen, die jede ihrer schrecklichsten Phantasien übertrafen.
Und tatsächlich hatten sie sich als fast mutigere Krieger erwiesen als es die Legionäre jemals sein könnten.
Wer könnte denn daran denken aufzugeben, wenn Frau und Kind nur einen Steinwurf entfernt kauerten und ihn jeden Augenblick erinnerten, warum er dem Feind gegenüberstand.
Soviel war sicher. Auch wenn die Nordländer stetig vorrückten, geflohen waren die Krieger der südlichen Reiche auf ihrem eigenen Boden noch nie.
War nicht auch er verpflichtet, nicht aufzugeben?

Gorn mit der Axt
23.11.2005, 19:17
Was machte es schon, wenn er die falsche Richtung einschlug? Er würde umkehren und weitersuchen, bis er dieses verdammte steinerne Grab von einer Stadt hinter sich gelassen hätte.
Aber wenn er vor den Dämonen stand, für wen würde er dann kämpfen?
Seine Familie, dachte er sich.
Er hatte immer für seine Familie gekämpft, schon bevor ihr Haus zerstört wurde, bevor sie fliehen mussten, hatten die Dorfbewohner ihnen feindlich gegenübergestanden und allzu oft war er es gewesen, der seine Geschwister nach Hause schickte und von den älteren Jungen blutig geschlagen wurde oder zu spät kam und nicht mehr tun konnte, als seine weinenden Schützlinge zu trösten.
Logan.
Er war stolz auf seinen Bruder.
Früher hatte ihm seine Arroganz im Weg gewesen, meist hatte ihm der Mut oder das rechte maß gefehlt, das zu beenden, was er begonnen hatte, aber nun hatte er seinen Stein gefunden.
Ob sein Bruder ihn überhaupt noch zum Schutz brauchte?
Vielleicht war er inzwischen stark genug. Er hatte genau soviel durch gestanden, wie er oder Jeel oder Jinda auch. Und das war genug um jeden Jungen vor der Zeit altern und zum Mann werden zu lassen.
Aber Jeel? Anders als ihr Bruder hatte sie stets ihre Rolle akzeptiert, wo Logan Freiraum wollte, wie würde sie sich jetzt fühlen, wo niemand da war, der ihr den Rücken freihielt?
Würde sie diese Tatsache denn überhaupt rechtzeitig zur Geltung nehmen?
Oder hatte sie das vielleicht schon das Leben gekostet?
Thimris ließ diese finsteren Gedanken hinter sich und stapfte weiter.
Nur zu gerne hätte er ihr Jinda auf den Weg gegeben, er wusste, wie viel sich die beiden gegenseitig bedeuteten, mehr als jeder andere Mensch hätte ihr Freund sein Leben dafür geopfert, dass sie sicher ihr Ziel erreichte.
Aber es war durchaus denkbar, dass Jinda schon an der schweren Wunde zu Tode gekommen war. Es war schon ein Wunder, dass er es überhaupt in die Sicherheit ihres Lagers geschafft hatte, um sie vor den Tzetzlani zu warnen.
Ob es der Gedanke an Jeel gewesen war, der seinen Freund lange genug am Leben erhalten hatte?
Thimris hoffte es nicht, denn wie wahrscheinlich war es schon, dass zwei Menschen, die an so vielen Fronten zu kämpfen hatten, beide diesen Krieg überstanden? Wie groß war die Chance, dass überhaupt einer von ihnen überlebte.
Thimris Schritte wurden länger, als er daran dachte und das Blut strömte schneller und heißer durch seine Adern.
Diese beiden waren es, für die er das Imperium retten wollte.
Er hatte noch mehr Freunde, Jinda an allererster Stelle, Wern und Allen und Krieger aus den Reihen des Königs und ebenso gut den Berater seiner Majestät. Sogar den mürrischen Andraeis und den riesenhaften Magier hätte er zu schätzen gelernt. Aber mehr als noch für sie waren es seine jüngeren Geschwister, für die er die Zukunft ihrer Welt bewahren wollte.
Wie würden die beiden es verkraften, wenn er ihnen erst vom Tod ihrer Eltern errichtete.
Denn dies war die letzte und entsetzlichste Nachricht gewesen, die der Hüter ihm mitgeteilt hatte.
Demnach war es ihre Entscheidung gewesen, für das Imperium zu kämpfen, die ihre Eltern das Leben gekostet hatte.

Gorn mit der Axt
04.12.2005, 18:10
Hitze, glühende Hitze!
Das Strahlen versengte ihre Haut und kochte ihr Fleisch und hinter ihren Augen flimmerten Punkte in grellen Farben; so viele, dass sie das Bild dahinter verdeckten.
Kälte, eisige Kälte!
Die Starre hielt sie gefangen und schmerzte bis in ihr Innerstes, bis jede Erinnerung an Wärme und Geborgenheit verloren ging. Sie hörte ihre Zähne klappern und zitterte unkontrollierbar, ihre Haare auf Armen und Beinen richteten sich in dem erfolglosen Versuch auf, sie vor dem eisigen Hauch zu schützen, während sie sich in Fötushaltung zusammenrollte und die Attacken über sich ergehen ließ.
Diese beiden Gefühle vermengten sich in ihr, die Vorstellung von ihrem zugleich schwelend verwesendem als auch steif gefrorenen Leichnam drängte sich ihr auf, bis sie an ihrem Verstand zweifelte, doch in ihr regte sich ein winziger Trieb von unschuldigem Trotz.
Wie konnte sie Hitze und Kälte zugleich fühlen?
Wie konnten sich diese ewig verfeindeten Brüder gegen sie zusammentun…
Sie öffnete die Augen, aber da war noch immer nur ein verschwommener Eindruck von roter Glut und grauem Stein.
Der Vulkan!
Jetzt erinnerte sie sich.
Sie hatte die kleine Kammer im Inneren des feurigen Berges betreten, dort, wo sie den Splitter des Jehransteines entdeckt hatte.
Dort, wo Teldor sie verraten hatte!
Bei dem Gedanken daran durchfuhr sie zuerst ein Gefühl der Angst und der Schuld, seinen Verrat nicht früher erkannt zu haben. Wie viel früher hätte ihr sein doppeltes Spiel schon auffallen können, wenn sie nur ein einziges Mal an diese Möglichkeit gedacht hätte? Sie hätte es sehen müssen, wie hatte sie sich ihm nur so blind anvertrauen können? Der Blick in seinen Augen, wenn er sich unbeobachtet fühlte, das Spiel seiner Finger mit den Münzen, die merkwürdigen Ereignisse auf dem Weg hierher!
Die Schuld in ihr wurde größer, sie schwoll an, bis sie sich als tonnenschwere ast auf ihr Herz herabsenkte und sie zu ersticken drohte. Sie war nicht stark genug, diese Schuld abzuleisten, das fühlte sie. Und so floh sie die Schuld und suchte den Zorn in sich.
Und in diese Lücke aus Schwäche, die sie sich selbst zur Flucht vor ihren Ängsten gelassen hatte, stieß etwas anderes, denn auch wenn sie es nicht bemerkte, so war nicht nur der Träger es, der den Stein kontrollierte!
Wo der Geist des Benutzers einen Damm bildet, da brach sie eine Schleuse, durch die ihre Macht in beide Richtungen floss und sich gegenseitig verstärkte, wie die Schlange aus der Legende, die sich selber in den Schwanz biss und so selber verschlang, nur um aus den eigenen Windungen wiedergeboren zu werden.
Jeel hatte den Stein angefleht, ihr die Schuld zu nehmen.
Doch wie hätte sie ahnen können, dass es ein Tausch wurde?
Denn der Zorn kam, und er stieg in ihr hoch, wie die glühende Lava um sie herum.
Wie hatte er es wagen können!
„Verräter!“ fluchte sie. „Dämonenbrut!“ Für Geld hatte er das Imperium hintergangen.
Um den Hochkönig und seine herumstolzierenden Generäle und Räte tat es ihr nicht leid, hatten die ihnen doch stets nur Steine in den Weg gelegt, aber als sie daran dachte, wie Teldor für eine handvoll Goldmünzen den Nordländern den Splitter überreichte pochte das Blut in ihren Adern.

Gorn mit der Axt
08.12.2005, 19:23
Liebevoll betrachtete sie den Stein in ihrer Hand.
Dort lag er, das Objekt der Begierde, für das Teldor sein Leben gegeben hatte.
Eingehüllt in einen Panzer aus Eis lag es auf ihrer von der Hitze rot gesottenen Handfläche und strahlte eine Kühle aus, die entgegen zu der vorherigen Kälte angenehm war.
Sie schickte ihre unsichtbaren Sinne ins Innere des Steins und am Summen seiner Struktur las sie es:
Er diente nun ihr.
Der Stein gab ihr jene Macht, der niemand es wagte, sich entgegenzustellen. Niemand würde sie je wieder verraten, das würde sie nicht zulassen.
Sie streckte den Arm mit dem Stein gen Himmel.
Auch er. Auch er würde es nicht zulassen, dass seiner Herrin etwas zustieß!
Sie wandte sich von den Überresten Teldors ab, aus dessen leeren, ausgebrannten Augenhöhlen das goldene Glühen gewichen war. Spöttisch und vergnügt lachend spazierte sie aus der Vulkankammer heraus und durch den Tunnel, der sie dorthin geführt hatte.
In Gedanken war sie schon in der glorreichen Zukunft, die der Splitter ihr bescheren würde.
Sie erinnerte sich an jene Stärke, die der Stein selbst in Teldor hervorgerufen hatte, der von Geburt an zu keinem Fünkchen Magie fähig gewesen war.
Selbst die mächtigsten Dämonen würden sich dem Träger dieser Macht beugen müssen.
Schließlich fanden diese Träume dann doch ein Ende, wie es so oft war, durch die Ankunft ihrer Feinde.
Als sie siegestrunken vom Erfolg ihrer Suche auf den Hang des Berges hinaustrat, sah sie vor sich Männer, Halsabschneider und Tagediebe, in denen sie die Überreste von Sadrax Mannschaft sah.
Der Schrei Teldors hatte sie alle das Leben gekostet.
Einige von ihnen waren wohl an Ort und Stelle zusammengebrochen, als ihr Herz aufgehört hatte zu schlagen, aber weiter unten erblickten ihre suchenden Augen auch andere, die wenigen und stärksten der Mannschaft, denen es gelungen war, der ungeheuren Energie und Verlockung dieses Rufes zu widerstehen.
Kaum mehr als ein paar Schritte waren sie gekommen, nun lagen sie zusammengekrümmt und reglos da, das Blut, das ihnen aus Ohren, Nasenlöchern und Mündern geflossen war, gerann bereits und bildete winzige Flüsse, die noch weit vor dem Erreichen des Meeres auf dem heißen Gestein des Berges trockneten und verdampften.
Wie passend, dachte sie bei sich und lachte spöttisch. Allein schon bei diesem Laut hätten ihren Brüdern die Harre zu Berge gestanden, ob der Häme, die tief darin verborgen lag und lauerte wie ein gläserner Dolch in einer Schale mit Wasser.
Zu ihren Füßen, verneigend vor ihrem Tode, wie hätten die Männer sich angemessener verhalten können, fragte sie sich. Warme Zufriedenheit durchströmte sie wie ein Strom aus dem Süden, der die Wärme in die ein Meer aus Eis trägt. So schien es auch, denn die Kälte schlief in ihr auch weiterhin, auch wenn sie sich für den Moment zurückgezogen hatte.
Sie genoss dieses Gefühl mit ganzen Zügen, aber aus dem trägen Strom wurde ein Wildbach, als sie unter den anderen, herabgewürdigt im Tode vor seinen Männern die sterblichen Überreste des Piratenfürsten sah.
Ein fast irres Lächeln spannte sich auf ihren Wangen und fasziniert beugte sie sich über den Unhold, als sei er nicht mehr als ein interessantes Insekt oder eine bunt schillernde Blume.
Und Sadrax blickte zurück!
Erschrocken stolperte sie rückwärts. Im Gesicht des Kapitäns, der mit einer dicken Schicht von Asche und Dreck bedeckt war, hatten sich die Augen geöffnet und strahlten ihr blendend weiß entgegen. Doch etwas an ihnen verstörte Jeel zutiefst. Sie beugte sich vorsichtig vor, um den Toten ja nicht zu berühren.
Aber der packte sie mit übermenschlicher Geschwindigkeit am Aufschlag ihres zerfetzten Mantels und riss sie an sich heran, so nah, dass sie sich beinahe berührten.

Gorn mit der Axt
14.12.2005, 11:33
Jetzt erkannte Jeel auch, was an Sadrax Augen so sonderbar gewesen war. Er hatte sie weit aufgerissen, und in ihrem Inneren, wo sonst Pupille und Iris blinkten, herrschte vollkommene Leere, so dass sie vor dem dunklen Hintergrund seines Gesichts wirkten wie Monde.
Noch hektischer als zuvor bemühte Jeel sich zu befreien. Sie schlug um sich, trat den lebenden Leichnam so fest sie konnte in die Seite und biss schließlich sogar von Ekel erfüllt in die tote, gummiartige Haut der Handgelenke.
Im Eifer des Gefechts dachte sie noch nicht einmal daran ihre Magie einzusetzen, aber sie wusste, wenn sie dieser Alptraumhaften Gestalt nicht entkäme, dann würden ihre Brüder sie niemals lebend wieder sehen.
Und sie hatte Glück. Mit der linken Hand erspürte sie unter sich einen spitzen Stein, sie packte ihn und schmetterte ihn mit aller Kraft in das rechte der beiden fürchterlichen Augen.
Sadrax ließ sie los und sie fiel hintenüber zu Boden, wo sie sich auf Händen und Füßen eilig von ihm entfernte.
Was war das nur? Fragte sie sich entsetzt.
Lebte der Pirat jetzt noch oder war er tot? Und wenn nicht, wie hatte er die Qualen überleben können, die allen seinen Männern das Leben geraubt hatte?
In diesem Augenblick hob Sadrax den Kopf. Jeel schrie erstickt auf. Der Stein, mit dessen Hilfe sie sich befreit hatte, steckte noch immer mehrere Finger tief im Auge des Düsteren, doch anstatt sich vor Schmerzen zu winden grinste er sie mit jener emotions- und humorlosen Grimasse an, der man sonst nur auf Totenschädeln begegnet.
Dann machte sei Arm einen Ruck, dann sein rechtes Bein und mit den selben zuckenden Bewegungen stand er unter Mühen auf, bis er in seltsam gebückter Haltung vor ihr stand und sie aus dem ihm verbliebenen Auge bösartig anfunkelte.
Ein tiefes Fauchen entstieg seinem Rachen und trieb sie noch weiter den Hang herunter.
„Dachtest du wirklich“ sagte er und seine Stimme war leise und zischend. „Dachtest du wirklich, du könntest uns so einfach entkommen? Die Jagd hat nun lange genug gedauert kleines Mädchen.“
Er machte einen taumelnden Schritt auf sie zu.
„Als der Meiste uns sagte, es könnte ein Problem sein, mit euch Bälgern fertig zu werden, war ich nahe daran, an ihm zu zweifeln, aber wieder einmal hat er bewiesen, dass seine Weisheit viel zu groß ist, als dass wir sie zu würdigen wüssten. Aber das ist nun egal. Jetzt, da der Splitter Jehrans in greifbarer Nähe ist!“ Das letzte Wort endete bei ihm in einem scharfen Zischen, das Jeel an eine drohende Schlange erinnerte.
Unwillkürlich griff sie sich mit der Hand, in der sie den Stein trug an die Brust.
Erst in diesem Moment fiel ihr ein, wie lächerlich sie sich verhielt.
Ihre Magie war doch in der Lage fast jedes Wesen aufzuhalten; nein, noch mehr, dazu war sie schon in der Lage gewesen, bevor der Splitter Jehrans ihre Macht verstärkte.
Hasserfüllt lächelte sie Sadrax an, der auf der Stelle stehen blieb.
Sie lachte höhnisch auf, als sie die Verwirrung im Gesicht des früher so gefürchteten Manne sah.
Nun, da er ihrer Magie gegenüberstand, war konnte er ihr nichts antun, ja er konnte noch nicht einmal einen Schritt tun.
Doch das fiese Grinsen, das für eine Sekunde gewichen war, glitt nun wie eine ölige Pfütze zu ihm zurück uns umspielte seine Züge. Erschrocken spürte Jeel im Geist, wie sich sein Körper ihrer Kontrolle entzog und wechselte verunsichert die Taktik. Während Sadrax sich wieder in Bewegung setzte, sandte sie ihre Sinne in die Erde.
Triumphierend sah sie ihn an, als sie fand, was sie gesucht hatte und wandte einen winzigen Impuls ihrer Gabe an.

Gorn mit der Axt
26.12.2005, 17:04
Ein kurzes, stoßartiges Grollen erfüllte die Erde, dann rollten einige der Felsen vor ihm wie von Geisterhand bei Seite, der Boden verschob sich, die Erde wich ihrem Willen und gab eine tiefe dunkle Grube frei, in der tief unten die heiße Lava brodelte.
Nach einem weiteren erfolglosen Versuch musste einsehen, dass sich Sadrax auf eine ihr unbekannte Art gegen sie schützte, jedenfalls vermochte sie ihn nicht mehr unmittelbar zu beeinflussen. Doch das half ihm nicht, wie sich einer der davon gerollten Felsen, ein Monstrum von wenigstens zwei dutzend Fässern Gewicht und so groß wie ein Ochse sich verschob und den Berg hinabrollte.
Sadrax wandte sich noch um, aber er konnte nicht mehr schnell genug reagieren, als er im Rücken getroffen wurde und der Felsen ihn erfasste. Mit einem mehrfachen Knacken brachen die ausgetrockneten Knochen, dann ein kurzes Keuchen und ein schriller Schrei, als der Brocken mit der Unterseite voran in der Magma versank.
Erleichtert und ermüdet bis zum Umfallen trat sie an den Rand des neu entstandenen Kraters und starrte grimmig in die Tiefe. Wenn es jemals ein Mensch verdient hatte, auf diese Weise zu sterben, dachte sie sich, dann war es ganz sicher dieser gewesen.
Ein wohltuender Schauer durchflutete sie, als der Splitter ihre Erschöpfung und Angst spürte und sie mit warmen Impulsen vertrieb, die ihren Geist hellen Sonnenschein gleich durchfluteten. Der Schatten, jener dunkle Fleck, den ihre tief verwurzelte Furcht vor dem Düsteren verkörperte, war das erste mal im Schrumpfen begriffen.
„Dieser eine wird mir keine Angst mehr einjagen. Ich muss endlich damit beginnen, nicht zurück sondern nach vorn zu schauen, vielleicht finde ich dort etwas, das alles wieder wie früher werden lässt. Ein kurzes Bild tauchte vor ihr auf. Doch der Erinnerung an Jinda verschwand wieder, als die Verbitterung über ihren Abschied aufkam.
Verärgert, sich so gehen gelassen zu haben trat sie nach einem Kiesel, der in die Grube kullerte, dann wandte sie sich schnaubend ab und ging auf den Waldrand zu.
Um nach einem Schritt wieder stehen zu bleiben.
Sie horchte aufmerksam und schaute über die Schulter zurück.
Was sie sah, war der Krater, den ihr Kampf hinterlassen hatte, einige Spritzer versprühter Lava, ihre eigenen Fußspuren. Und eine Hand, eine kalkweiße Hand am Rand des Loches, in der geballten Faust einen Kieselstein.
Ihre gerade gewonnene Zuversicht geriet ins Wanken, sie hatte den Eindruck in der Dunkelheit zu versinken, die sich um ihren Geist legte. Kalter Schweiss rann ihr den Rücken hinab.
„Nein! Nein, das kann doch nicht sein. Stirb doch endlich, du verdammter Mistkerl!“ Doch auch wenn die Worte anklagend und drohend klingen sollten, heraus kam nur ein furchtsames Schluchzen.
Allem Flehen zum Trotz bleib die Hand nicht still liegen, sondern zerkrümelte den Stein zu Staub.
Dann zog sie sich zurück. Das Gestein erzitterte, bebte, rutschte und gab seinen Gefangenen frei.
Aber bei Sadrax erinnerte nur noch wenig an sein früheres Aussehen.
Die obere Hälfte seines Körpers war von dem flüssigen Stein verschont geblieben, doch hier hatten die scharfen Felskanten schreckliche blutlose Wunden gerissen und an seiner rechten Schulter war ihm praktisch das Fleisch von den Knochen gerissen worden. An dieser Stelle lagen verschiedenen Fleisch und Hautlappen übereinander und verdeckten nur unvollständig eine schwarze, chitinartige Masse, die durch die verbliebenen Ritzen hindurchschimmerte. Seine Beine hatte es sogar noch schlimmer erwischt, alle unterhalb seines Beckens war verbrannt und kohleschwarz, aber noch tiefer wirkte das Fleisch wie zerkocht und fiel, während sich das, was früher Sadrax gewesen war, aufrichtete, in großen Stücken herab, die einen Übelkeit erregenden Geruch verströmten.
Und diesmal war es Jeel, die in der Bewegung innehielt, weil sie das Gefühl hatte, am Boden festgehalten zu werden.

Gorn mit der Axt
05.01.2006, 18:19
Knisternd, knackend und splitternd, als die hart gewordenen Haut vor einer größeren Kraft kapitulierte, kroch das Unding ihr entgegen. Gerne hätte Jeel sich dieses Schreckens erwehrt, doch alles in ihr schrie danach, sich in ihr Schicksal zu ergeben, um diesen gottlosen Wesen nicht die Stirn bieten zu müssen.
Knack!
Ihr Blick schoss nach oben.
Die weiße, unverbrannte Hand hatte sich mit eisernem Griff um die andere geschlossen und zugedrückt, und sofort ertönte das nächste Knirschen.
Das Grauen, das Jeel empfand wurde noch größer.
Sadrax brach sich eigenhändig sämtliche Knochen!
Sie schrie. Wenigstens das konnte sie nun wieder und sie hörte erst auf, als ihre Stimme nach endlosen Minuten heiser war und die weiße Hand am Brustkorb angekommen war, jede einzelne Rippe nach außen bog, brach und aus ihren Gelenken zerrte.
Von dem schwarzen Ding in seinem Inneren ertönte ein furchtbares Summen und Scharren, das Wesen drückte sein Rückrat durch, als würde es gefoltert, die wenigen noch unversehrten Knochen gaben nach, Sehnen lösten sich und Muskeln flatterten wie losgelöste Bänder im Wind, als das Innerste sich nach außen kehrte und die eingesperrte Kreatur seinen Kerker sprengte.
Dann kehrte Ruhe ein. Das Ding stand still, es war wie eine Statue aus Obsidian, so nachtschwarz und glänzend, aber wenn es ein Bildnis war, dann gemeißelt von einem Künstler im Fieberwahn, denn seine Form war Delirium, sein Äußeres der Irrsinn, sein Antlitz der Untergang jedes rationalen Gedankens.
Und Jeel gab diesem Wahnsinn nach, der ihr in die Augen sprang.
Mit einem einzigen von tiefstem Schrecken ausgelösten Gedanken leerte sie den gesamten Speicher ihrer geistigen Energie für einen heftigen, flammenden Angriff. Sie wusste nur noch eines: Dieses Ding musste vom Angesicht der Erde verschwinden!
Flammen loderten vor ihren Augen hoch, als die Lava unter ihr wieder angefacht wurde, Hitze wallte in ihrem Körper auf und brachte ein starkes Schwanken mit sich, aber die Gabe hielt sie nicht auf. Anstatt die Kreatur wieder unter einem Felsen zu begraben, löste sie das Felsgestein selbst unter ihm auf, ließ es in die Dunkelheit herabsinken und die Massen von Geröll wieder über ihm erscheinen. Der Hang selbst geriet um sie herum in Wallungen, die Erde bäumte sich gequält auf, als sie in die neue Form gepresst wurde und sich der senkrechte Tunnel einem Rammbock gleich hunderte von Schritten in ihre Innereien bohrte.
Weiter und weiter drückte sie die Abscheulichkeit ins Zentrum der Erde, aber irgendwann ging es nicht mehr weiter. Mit einem Ruck, bei dem sie eine Sekunde der Ohnmacht nahe war, durchbrach der Schacht mit seiner bestialischen Ladung die letzten Schichten der Erde, löste sich und rutsche hinab in ein Meer aus versengender Glut, die viele Meilen unter Jeel tobte.
Und diesmal starb es.
Jeel versicherte sich dessen, dazu zwang sie ihre Furcht, aber da war nichts mehr. Das Wesen, das sich an Sadrax gemästet und ihm geschlummert hatte, was auch immer es genau gewesen war, würde nie wieder hervorkommen.
Jeel war auf eine nach dem Bestehen einer solchen Gefahr fast lächerlich Art im Zweifel.
Ein großer, für sie neuer Bestandteil von ihr, wollte lachend am Rande eines drei Meilen tiefen Grabes stehen und darüber lachen, die alte, unsichere und zurückhaltende Jaleel wollte sich nach dieser Katastrophe an einem dunklen Ort verkriechen, am besten in ihrem eigenen Zimmer, beschützt von tausend Schritt bekannter Umgebung und ihrer Familie.
Am Ende siegte der erste Teil, aber es war ein schaler Sieg.
Sie stieß ein unglaubwürdiges Krächzen aus, lachte kurz und brach gleichzeitig in Tränen aus.
Das Ende kam zuletzt ganz überraschend.
Die heiße Glut aus den Tiefen der Erde folgte dem neu erschaffenen Weg an die Oberfläche, unterirdischer Donner grollte, als es in die schon gefüllten Kammern des alten Vulkans drang und diesen zum Ausbruch brachte, Feuer und Aschefontänen schossen hunderte von Schritten in die kühle Abendluft über dem Verbotenen Reich und Flammenzungen leckten am Fuß des Himmels wie ein Feuerwerk, das den Untergang einläutete.
In einem Umkreis von etlichen Meilen verdorrte in sekundenschnelle jede Pflanze, jeder Strauch und jeder Baum, als die Erde zuerst warm, dann heiß und schließlich rot glühend wurde und das Magma aus tausend Quellen und Spalten hervorbrach.
Für Jeel geschah dieses ganz persönliche Armageddon recht kurz und schmerzlos, sie hatte kaum genug Zeit den jähen Schmerz in ihren Füßen mit der Helligkeit vor ihr in Verbindung zu bringen, als auch schon der Boden unter ihr in der Tiefe versank und ihr Körper in das heißeste Feuer gehüllt wurde, das jemals an der Oberfläche Jehranas gesehen worden war.

Gorn mit der Axt
12.01.2006, 10:15
15. Die Streiter des Imperiums

Der Adler kreiste seit drei Tagen über ihm.
In der sengenden Hitze der Wüste war Logans Blick in neue Stärke stur nach vorn gerichtet, aber er brauchte den Himmel nicht abzusuchen, zu oft hatte sich seinen Augen schon das gleiche Bild geboten.
Die Silhouette eines riesigen Vogels, der unermüdlich seine Runden drehte, mal fern am Horizont, mal unmittelbar über ihm, so dass er sich im Zenit der Sonne abzeichnete.
Logan öffnete abrupt die Augen. Er wäre eben fast im Stehen eingeschlafen. Ärgerlich kniff er sich in den Arm und marschierte weiter. Er durfte sich von dem Adler nicht ablenken lassen, er musste weiterkommen.
Doch die Glut der Sonne setzte ihm zu. Anders als auf dem Hinweg durch die Wüste hatte er diesmal keine hilfreichen Begleiter, keinen Führer, der ihn vor Schlangenbissen, Skorpionen und Treibsandlöchern bewahrte.
Den See und den Sumpf allein zu durchqueren, in der sicheren Gewissheit verfolgt zu werden war schon eine Qual für Körper und Geist gewesen, aber die Wüste bildete das größte gleichwohl letzte Hindernis.
Und doch gab es Hoffnung, die ihn auf seinem Weg durch die Dünen stärkte.
Seine Gabe meldete sich zurück.
Er glaubte nach Wochen der Ungewissheit zudem endlich erfahren zu haben, was in jenem Augenblick geschehen war, als er den Kristall berührte. Er fasste in seinen schmaler gewordenen Beutel. Durch das abgeschabte Leder konnte er die kantigen Konturen deutlich spüren, denn außer Stein und Decke trug er nur noch einen halb geleerten Wasserbeutel mit sich.
Der Kristall beherbergte keinerlei Magie!
Das allein war für ihn schon Offenbarung genug gewesen. Obgleich um ein Vielfaches größer als die kleineren Splitter der Priestermagier, wohnte ihm außer dem Schutzzauber, den Logan so schmerzhaft hatte erfahren müssen, keine eigene Kraft in ihm. Wie die kleinen Splitter auch diente er nur dazu die einem Magier innewohnende Kraft zu verstärken. Und das hatte er vermutlich auch getan, von der ersten Sekunde an, in der Logan die Prüfung des Steines gemeistert hatte. Doch hatte seine eigene Magie, durch den Kristall vielfach zurückgeworfen seine Fähigkeit zur Kontrolle weit übertroffen und sich so gegen ihn gewandt. Er hatte einen Schock erlitten, einen magischen Schock, wie er es schon unter der Elbenstadt in kleinerer Form erlebt hatte. Ebenso hatte Thimris durch eine ähnliche Wirkung der Magie am Jeldin-Pass wochenlang nicht aufstehen können, eben jene Zeit, die er selbst bei den Nordländern verbracht hatte.
Aber wie er in seiner Jugend erst langsam Kontrolle über seine Gabe gewonnen hatte, so kehrte die Kontrolle auch nun mit der Zeit zurück.
Nicht leicht. Nicht ohne Gefahr. Schneller als zuvor konnte es passieren, dass er sich übernahm oder seine Fertigkeiten falsch einschätzte, aber das Gefühl der Hilflosigkeit, das schon lange auf ihm gelastet hatte, war verschwunden.
Er wanderte weiter und während er lief, färbte die Sonne sich orange, wurde dunkler und begann am Horizont zu versinken. Die Dämmerung brach herein. Bald würde die Hitze des Tages nachlassen und angenehmer Kühle weichen. Im Schatten einer Palme setzte er sich hin. Auch der Baum in seinem Rücken nährte seine Sicherheit: Er war vom Rand der Wüste nicht mehr weit entfernt, denn im Zentrum, dort wo die Glut auch nächtens kaum nachließ, vermochte keine Pflanze sich zu halten.
Zufrieden schloss er die Augen.
Über ihm ertönte ein leises Rauschen, der Wind in den Blättern der Palme. Logan wurde schläfrig. Und schreckte hoch.
Vor ihm saß der Kleeradler, sein Verfolger.
Logan erstarrte. Der riesige Vogel starrte ihn unverwandt an, dann aber wandte er den Kopf ab und schaute zur Seite. Unwillkürlich folgte Logan seinem Blick.
Seine Augen brauchten einige Sekunden, um sich an das schwache Licht zu gewöhnen, als er sich von der Sonne abwandte. Dort ragten drei Schatten weit in die Wüste hinein, langgestreckte Schemen im Sonnenuntergang.
Der größte war der spitzzackige Schatten der Palme, die beiden anderen... waren beide menschlich!
Der Adler ließ einen schmerzhaft lauten und Schrillen Schrei ertönen. Es war der gleiche Laut, denen Logan gehört hatte, als er vor Solos gerettet worden war. Tränen stiegen ihm in die Augen, als er seinen Irrtum erkannte.
Der Adler hatte ihn gerettet.

Gorn mit der Axt
19.01.2006, 10:31
Er war kein Feind, er war ein Verbündeter, sein Beschützer!
Logan war atemlos. „Terz?“ Fragte er erstickt.
Und die Stimme in seinem Kopf antwortete. „Ja.“
In Logans Kopf drehte sich alles. Er war daran Schuld. Er hatte Terz zu dem gemacht, was er war, in jenem Moment, da er den Jehransplitter das erste Mal berührte. Vorsichtig hob er die Hand und berührte sanft das Gefieder des Adlers. Der erstarrte für einen Moment, ließ es aber über sich ergehen.
„Es tut mir leid, Terz. Ich wollte das nicht! Als ich den Kristall berührte, da konnte ich nicht mehr kontrollieren, was ich tat, ich hatte keine Kontrolle mehr. Ich wollte, ich...“ Das alles platzte in einem von Schluchzern unterbrochenen Schwall aus ihm heraus, doch der Adler rührte sich nicht. Erst als Logans Stimme erstarb schob er ihn sanft mit dem Schnabel an.
„Es braucht dir nicht leid zu tun. Es war immer mein sehnlichster Wunsch so zu sein, wie ich jetzt bin. Du hast mir dazu verholfen.“ Logan lachte traurig, als Terz seine gewaltigen Schwingen ausbreitete.
„Dann war es wohl Glück im Unglück, was die Magie getan hat. Was mit Solos und seinen Kumpanen geschah war grauenvoll.“
Die bernsteinfarbenen Augen, durch die Terz die Welt nun betrachtete, verschleierten sich.
„Daran kann ich mich kaum erinnern. Ich weiß noch, wie wir in der großen Tempelhalle ankamen und wie mich Solos Männer angriffen, nachdem du verschwunden warst. Sogar an den Moment der Verwandlung habe ich noch vage Erinnerungen, aber an nichts danach. Ich erinnere mich, dass ich Solos bekämpft habe, aber nicht mehr, wie es geschah.“ Die Stimme verstummte.
„Ich denke, ich verstehe nun, was du mir in der Wüste erzähltest. Dass du dich in der Gestalt verlieren würdest, wenn du sie zu lange nutzt. Das war es, was mit mir geschah. Ich war überwältigt. Du bist wohl der einzige Mensch, der es verstehen kann. Alles ist so anders...“
Logan schüttelte traurig den Kopf. „Die Welt ist immer noch die gleiche, du bist es, der sich verändert hat. Das musst du dir immer vor Augen halten, sonst wirst du wahnsinnig.“
Dann lächelte er. „Ich habe mich schon früher in Vögel verwandelt, aber es war schwierig. Ich musste ein Tier berühren, um mich verwandeln zu können und die meisten Raubvögel sind sehr scheue Tiere. Aber das Gefühl der Luft unter den Flügeln, die scharfen Augen, die Stärke... Ich kann verstehen, warum du davon geträumt hast.“
„Ich war schon immer ein Träumer.“ Gestand Terz ein. „Als kleiner Junge habe ich immer davon geträumt zu fliegen. Meine Eltern haben immer darüber gelacht. Aber ich war mir nie bewusst, wie schwierig das Leben in dieser Gestalt ist. Im ersten Moment hätte ich mich wirklich fast verloren. Wochenlang war ich mir nicht sicher, ob ich nun ein Mensch oder ein Adler war. Ich wusste Dinge, die kein Vogel wissen konnte, hatte blasse Erinnerungen an früher, aber zu dieser Zeit war das Tier in mir stärker als der Mensch.“
„Das war die Zeit, in der du mich gesucht hast. Du bist bei mir gelandet und hast zu mir gesprochen.“
Terz antwortete nicht. Logan befürchtete, dass sein Freund vielleicht schon mehr vergessen hatte, als ihm selbst bewusst war.
„Weißt du eigentlich, was mich vor dieser Gefahr bewahrt hat?“ Fragte Terz.
„Vor vier Tagen flog ich über den Strand des Sees, genau dort, wo wir von Solos Männern angegriffen wurden.
Ich fand die anderen, meine Kameraden, Drogan.“
Terz schlug mit den Flügeln und erhob sich in die Luft und obwohl Logan seine Stimme nur geistig hörte, nahm er die Trauer darin deutlich wahr.
„Drogan war mein Bruder! Das war es, was ich niemandem erzählen durfte. Er hat dafür gesorgt, dass ich vor der Zeit in die Leibwache aufgenommen wurde, weil ich ihn darum gebeten habe. Und jetzt ist er tot.“
Logan senkte den Kopf, um nicht das Bild des Adlers vor sich zu haben, der wie ein lebendiges Mahnmal über ihm kreiste.

Gorn mit der Axt
25.01.2006, 10:44
Viele Minuten verstrichen, ehe Terz sich tiefer sinken ließ und auf den Ästen der Palme landete. Er schien sich beruhigt zu haben.
„Soll ich“ setzte Logan zögernd an. „Soll ich versuchen, dich zurückzuverwandeln? Die volle Kontrolle über meine Magie habe ich noch nicht zurück, aber vielleicht reicht es ja.“
„Nein!“ Logan zuckte zusammen, als die Stimme scharf in seinen Geist schnitt. „Nein. In dieser Gestalt werde ich dir besser helfen können, die Armee wiederzufinden. Selbst wenn es dir gelingen würde, die Verwandlung rückgängig zu machen, würde ich dich doch nur aufhalten.“
Logan schaute verwundert nach oben, aber die Blätter versperrten den Blick auf Terz.
„Warum solltest du mich aufhalten? Du warst schneller, stärker, ausdauernder als ich. Ich wäre es der uns aufhielte.“
Ein Seufzer ging durch seinen Kopf, wie ein leichter Windhauch.
„Du solltest das Risiko nicht eingehen, deine Gabe zu benutzen, ehe du nicht gelernt hast, mit der Macht des Splitters umzugehen. Außerdem wäre ich bestimmt kein lohnender erster Versuch.
Logan, in dem Moment, in dem du mir diesen Körper schenktest, hatten mich Solos Schergen schon besiegt.
Ich war schwer verletzt. Ich denke, wenn du mir jemals meine alte Gestalt wiedergäbest, würde ich sterben, noch ehe ich mich bei dir bedanken könnte.“
Logan schwieg bedrückt. Terzes Worte hatten die Schlinge um sein Herz noch enger gezogen, aber zugleich verschaffte ihm der Gedanke, dass er seinem Freund so das Leben gerettet hatte, eine gewisse, unerwartete Erleichterung.
Die Sonne war nun endgültig hinter dem Horizont versunken. Die ersten Sterne leuchteten am Himmel und spendeten ein schwaches Licht. In Logans Innerem tobte noch stundenlang ein heftiger Sturm und erst in den Morgenstundeerbarmte sich die Dunkelheit ihm ein wenig Schlaf zu schenken.
Die nächsten Tage vergingen für ihn in einem Wechsel zwischen drängenden Schuldgefühlen und wilder Erwartung. Er führte lange Gespräche mit Terz über seine früheren Verwandlungen. Währenddessen rückte der Saum der Wüste immer näher, aus der sandigen Dünenlandschaft würde eine weite Steppengegend, die mit vereinzel-ten Büschen und Flecken schulterhohen gelben Grases bedeckt war.
Es war am sechsten Tag ihrer Reise als Terz Logan aus großer Höhe zurief, er habe in der Ferne die Armee des Imperiums entdeckt.

Gorn mit der Axt
28.01.2006, 17:25
Lange Zeit schwiegen sie.
Kalar führte ihn tiefer und tiefer in den Berg, und bald hatte Frald, obwohl er gedacht hatte, sich in den verzweigten Tunnel schon recht gut auszukennen, heillos verirrt, wusste nicht einmal mehr in welche Richtung sie gingen. Aber weil Kalar noch immer milde verärgert wirkte, wagte er ihn auch nicht nach ihrem Ziel zu fragen.
Einmal jedoch glaubte er eine Stelle wieder zu erkennen und blieb verblüfft stehen.
Wenn er sich nicht irrte, und er war sich ausnahmsweise damit relativ sicher, dann waren sie an jenem Ort, an jener geheimen Tür, die über die Fabrikhallen hinausführte und die er auf seinem Weg aus dem Berg gesehen hatte.
„Warum führst du mich hier lang?“
Kalar musterte ihn missbilligend, aber gleichzeitig stand da auch noch etwas anderes in seinen Augen. Vielleicht dachte er auch an Fralds Ereignis mit dem zwergischen Führer?
„Du meinst, weil auch Baldur diesen Weg wählte?“ Ein kurzes, ganz kurzes Schmunzeln erschien auf seinem Gesicht. „Mir ist überhaupt nicht aufgefallen, dass wir eurem Weg folgen, aber du hast recht. Merkwürdig. Mmh“ er brummte. „Aber egal.“
Er öffnete die Geheimtüre und die Öffnung tat sich vor ihnen auf. Es war für Frald verblüffend, dass sich der Anblick in keinster Weise von dem vor mehreren Wochen unterschied, trotz der fortgeschrittenen Tageszeit schufteten die Zwergenarbeiter dort unten im gleichen Trott, jeder langte kräftig zu, obwohl die Hitze der Schmiedeöfen selbst bis hier hin als warmer Lufthauch zu spüren war. Frald bewunderte ihren Eifer. Keiner verharrte, keiner hielt in der Arbeit inne, niemand ruhte.
Frald kniff die Augen zusammen. Niemand?
„Was zeigst du mir hier?“ Kalar zog ihn zurück in den Gang und setzte sich auf eine schmale Holzbank, die an stählernen Sprossen aus dem Mauerwerk ragte. Versonnen spielte er mit dem Griff des Hammers an seiner Hüfte.
„Sag mir Fraladruin“ sagte er dann. „Wo waren wir in der Geschichte unseres Volkes.“
„Du hattest mir gerade erzählt, wie die ersten Hochkönige in den Norden kamen.“ Erwiderte er zögerlich.
„Du sagtest, seit jener Zeit wäre das Blut der Menschenstämme vermischt worden und ihr hättet euch in die Berge zurückgezogen.“
Kalar nickte langsam.
„Weißt du, wer der Zwerg war, der dich aus unserem Berg hinausführen sollte? Jener Zwerg, den du dann gerettet und zu uns zurückgebracht hast?“ Frald schüttelte stumm den Kopf. „Was sollte diese Frage jetzt?“ überlegte er.
Doch Kalar ging nicht weiter darauf ein
„Gut, Telastir war also der erste Hochkönig Jehranas, soweit waren wir. Er war ein großer König, anders kann man es nicht sagen, über vierzig Jahre hinweg einte und befriedete er Gebiete, die noch eine Generation zuvor noch nicht einmal von seinem Volk gehört hatten. Kein Königreich verblieb im Norden oder Süden ohne Wandel und es überdauerten nur jene, die sich ihm unterordneten oder sich als treue Verbündete erwiesen.
Aber auch ein König wird alt und so kam Telastir zu der Frage, welcher seiner beiden Söhne das Imperium regieren sollte, das er ihnen hinterließ, denn er wollte das noch frisch gebackene Großreich nicht in zwei Hälften spalten, er ahnte wohl, dass ein solcher Schritt bald in den Krieg geführt hätte.“

Gorn mit der Axt
30.01.2006, 11:28
Frald unterbrach ihn aufgeregt. „Aber der Krieg ist dann doch ausgebrochen, oder? Ansonsten gäbe es doch heute kein Nord- und Südland?“ Kalar schnaufte verächtlich. „Ja, Frald, der Krieg kam sogar noch früher, als der alte König erwartete. Als sich die Entscheidung immer mehr in die Länge zog, entschloss sich der eigentliche Thronerbe, der Ältere der beiden Prinzen, Urotain, zum Handeln. Ab hier gibt es mehrere Versionen der Geschichte, die erzählt werden. In manchen wird der Prinz mit seinem Vater gleichgesetzt, ein ehrlicher, aber auch klar denkender Mensch, der einen Bruderzwist einfach mit radikaleren Mitteln verhindern wollte, in anderen Schriften wird er als Monster, als Verkörperung des Bösen geschildert und seine Tat mit Machthunger begründet. Meiner Meinung nach ist die Wahrheit hier wie in den meisten alten Legenden in der Mitte zu suchen.
Aber wie auch immer, Urotain schmiedete ein Komplott, er bereitete ein Attentat auf seinen jüngeren Bruder und Rivalen Telatain vor. Doch der Plan scheiterte und Urotain floh hierher, ins Nordland, wo Kriegsherren, deren Loyalität ihm statt dem Hochkönig galt, ihn unterstützen und eine Diktatur errichteten.“
„Urotain, ist das ein anderer Name für…?“ Er zögerte. Doch der Zwerg erriet wohl seine Frage.
„Der Hochkönig benannte seine Söhne in der Elbensprache, die damals ebenso wie die einfachere Sprache der Menschen oft verwendet wurde, aber heute vergessen ist. Urotain brach mit seinem Erbe und gab sich einen neuen Titel. Und so wurde aus dem „Herrn des Wissens“ der „Herr der Finsternis“. Urorkon.
Er wurde der neue Herrscher des Nordlandes und begründete jenes Geschlecht, das heute noch über unser Land herrscht.“ Frald fuhr sich durch die Haare. Was hörte er denn da? Es grenzte an Verrat, auch nur hier bei diesem Zwerg zu sitzen und sich Lügen über ihren König anzuhören, doch Kalar erzählte schon weiter.
„Denk bitte einmal darüber nach, Frald, ich weiß, wie absurd sich das jetzt für dich anhören muss, aber wenn der Urorkon wirklich solch ein gütiger und gerechter Herrscher ist, warum dürft ihr dann nichts über eure Geschichte erfahren? Warum sind Schriftgelehrte und Geschichtenerzähler geächtet, wenn sie keine königliche Befugnis haben? Warum lautet dann der Beiname des Herrschers der Dunkle, diese und andere Fragen musst du dir doch auch schon einmal gestellt haben. Nun, jetzt habe ich dir erzählt, wie der Titel des Urokon entstand, die Antworten auf die anderen Fragen musst du dir, nach dem, was ich dir als nächstes erzähle, selbst geben.“
Er strich sich über den Bart.
„Nun, ich hoffe, dass dir vom Folgenden wenigstens ein Teil schon bekannt es. Es geht um die Folgen der Schlacht der Trennung, oder des Bruderkrieges, wie sie viele damals nannten.“ Frald schüttelte den Kopf. Die Geschehnisse, von denen der Zwerg ihm hier berichtete lagen fast vier Jahrtausende zurück, kein Stamm hatte schriftliche Aufzeichnungen über jene Epochen, die vor dem zweiten Krieg angesiedelt waren.
Kalar seufzte. „Dann werde ich ein wenig weiter ausholen müssen. Der Krieg zwischen Urotain und Telatain zog sich über viele Jahrzehnte hin, im achtzehnten Jahr des Krieges gelang es den nordischen Truppen den König samt seiner Leibgarde gefangen zu nehmen und hinzurichten, aber inzwischen war Telatains Sohn alt genug, die Krone seines Vaters zu übernehmen. Der Krieg entwickelte sich zu einer Blutfehde, die über Generationen hinweg andauerte und beide Völker und Reiche auszehrte. Erst nach zweihundert Jahren ist es zwei Herrschern gelungen, einen einstweiligen Frieden auszuhandeln. Damit begann das „Zeitalter des Chaos“.“
Er wedelte mit der Hand in Fralds Richtung.
„Diese Epoche hatte den Kontinent über tausend Jahre lang fest im Griff, eine Kriegserklärung folgte der nächsten, Bürgerkriege und Hungersnöte tobten, Staatsmänner sprachen öffentlich über Frieden aber brüteten im Geheimen über vergifteten Dolchen und intrigierten öfter gegen den eigenen Herren als dessen Feinde.
Es war eine Zeit zahlloser Kleinkriege, in dem vieles, das früher allgemein bekannt war, in Vergessenheit geriet.
Nur in den Südlanden, wo die Zeichen der Zeit weniger brutal wüteten und hier bei uns, bei den Clans der Zwerge, wurden die Erinnerungen auf beständigere Art und Weise festgehalten, das ist vielleicht auch der Grund, warum nichts vom diesen Schlachten in euren Überlieferungen Erwähnung findet.“
Kalars Augen verengten sich.

Gorn mit der Axt
04.02.2006, 13:21
„Dieses Zeitalter endete erst, als vor etwa 2500 Jahren eine stärkere Linie aus dem Geschlecht des Hochkönigs wieder die Regentschaft übernahm und die in ihrer Abwesenheit entstandenen kleineren Reiche in einem großen Bestreben einte.“
Frald schaute ihn ratlos an. „Welches Bestreben meinst du damit?“
Der Ausdruck in Kalars Augen war schwer zu deuten. „Kannst du dir das wirklich nicht denken?
Ihr ernanntes Ziel, um wieder über ein geeinigtes Nordland zu regieren war, “ sagte er düster „die Vernichtung der Zwerge.
Frald ließ geräuschvoll die Luft entweichen, die er angehalten hatte.
„Warum haben sie das versucht?“ Fragte er.
„Das ist einfach nachzuvollziehen, wenn man die damalige Aufteilung des Nordlandes kennt.“
Mit dem hölzernen Stiel seines Hammers zeichnete er eine Karte in den Staub.
„Schon damals lebten wir Zwerge hier im Osten des Landes, in den Gebirgszügen an den Rändern der Argasch, die Menschen hatten sich dagegen im Westen angesiedelt. Das lag daran, dass der Jeldin-Pass, die einzig größere Passage über das Grenzgebirge, sich hier im Norden nach Westen hin öffnet. Natürlich existierten Mischzonen, in denen beide Völker halbwegs friedlich koexistierten, aber in dieser Hinsicht leistete uns das Gebirge gute Dienste, jener lange Seitenarm, der sich nach Norden hin bis zur Küste erstreckt, war lange Zeit die festgelegte Grenze zwischen den beiden Territorien.
Das passte den Urorkons aber nicht. Sie wussten, um ihre Herrschaft über das Reich dauerhaft zu festigen waren zwei Dinge nötig. Das eine war die Einigung aller Reiche des Nordlandes unter ihrer Führung. Dabei standen wir Zwerge im Weg. Wir lagen zwar nicht im Krieg mit den Herren der Menschen, aber wir hatten auch nicht vor, uns ihnen zu unterwerfen. Ähnlich ging es euren Clans, obwohl ihr euch offiziell dem König untergeordnet hattet, hatte er doch noch nicht die vollständige Kontrolle über euch.“
„Und was haben sie dagegen getan?“ verlangte er zu wissen. Alles, was sich um die Vergangenheit seines Stammes drehte, faszinierte einen Clansmann zutiefst.
„Die Herrscher aus vom alten Blut der Hochkönige entsandten riesige Armeen gegen uns, aber in unseren Berg-festungen waren wir lange Zeit geschützt. Dann aber erfand der Feind eine neue Waffe, mit der er auch uns gefährlich wurde.“
„Die Dämonen!“ hauchte Frald seine Vermutung heraus, aber Kalar schüttelte den Kopf.
„Nein, jene Kreaturen erschufen die dunklen Hexenmeister ihren Herren erst viel später für den Kampf gegen das Imperium, zur Zeit unseres Kampfes war an sie noch nicht zu denken. Nein, die Gelehrten der Urorkon hatten in der Einöde im Norden ein Reagenz entdeckt, eine dunkle, ölige Flüssigkeit, die sie in tausenden von Fässern abpumpten und nach Osten verschifften. Jedes Mal, wenn sie sich den Zugang zu einer unserer oberen Hallen erkämpft hatten, fluteten sie die Schächte mit jedem Gebräu, das auf seinem Weg in die unteren Schächte mit einer einzelnen Fackel in Brand gesetzt wurde und alle Verteidiger in den Tod schickte.“
„Sie haben euch ausgeräuchert? Das ist so ziemlich das Feigeste, was ein Krieger tun kann! Warum haben sie nicht anständig gekämpft?“ Empörte er sich.
„Nun, weil sie es auf anständigem Weg nicht geschafft haben, nehme ich an. Damals gab es in ihren Heeren noch keine ehrenhaften Clansmänner, die sie an die Regeln des offenen Kampfes erinnerten.“ Er sagte es mit einem leichten Anflug von Belustigung.
Frald kam sich auf einmal fürchterlich naiv vor, aber Kalar sprach nicht weiter darüber und überging diese Peinlichkeit.

Gorn mit der Axt
08.02.2006, 18:01
„Was im Nachhinein mit meinem Volk geschah, das möchte ich dir für den Schluss aufheben.
Es war aber wohl so, dass die Herren, als sie erkannten, dass die Zwerge kein dauerhaftes Problem mehr darstellten, ihre Aufmerksamkeit vom Osten in die umgekehrte Richtung wandten. Die Clansmänner aber, dein Volk, wollten sie nicht vernichten, ihr wart die besten und tapfersten Krieger, euch zu töten wäre für ihr dauerhaftes Ziel, den Sieg über das Imperium, eine Dummheit sondergleichen gewesen. Deshalb bedienten sie sich anderer Mittel. Sag mir, Frald, welchen Weg würdest du wählen, um einen Clan auf lange Zeit an dich zu binden?“
„Eine Hochzeit!“ schoss es aus Frald heraus. „Aber das können sie nicht getan haben, eine Hochzeit erfordert immer die Einwilligung des Stammes und des Vaters der Braut, sie kann nicht erzwungen werden.“ Stellte er fest.
„Von euch“ erwiderte der Zwerg. „Kann sie nicht erzwungen werden, weil ihr euch nie jener Tricks bedienen würdet, die zu den Beliebtesten des Urorkon zählen. Er schickte seine Attentäter zu jedem einzelnen der großen Clans und entführte das erstgeborene Kind des Clansführers mit der Forderung um eine rasche Vermählung.
Die Antwort der Stämme ließ nicht lang auf sich warten, die mächtigsten Krieger eines jeden Stammes reisten als Duellkämpfer zum Urorkon, um die Gefangenen zurückzufordern, aber sie kamen nicht zurück.
Bald brachen die ersten der Anführer aus Sorge um ihre Angehörigen ein und versprachen das Aufgebot.“
Er legte ein Pause ein, er aus dem Gang hinter sich Schritte vernahm. Ein müder Zwerg in Lederschürze taumelte auf sie zu, blieb kurz stehen, um sie anzuschauen, nickte Frald grüßend zu und verschwand hinter der Geheimtür.
„Das Ende vom Lied war, dass sämtliche Clansherren eine Blutsverbindung zur Linie vom Alten Blut hatten und so an dessen Entscheidungen gebunden waren. Wenn er zum Krieg aufrief, hatten sie Folge zu leisten.
Das war aber noch längst nicht alles. Jahrzehnte später, nachdem sich der größte Zorn der Clansmänner gelegt hatte, suchte er unter seinen treuesten Gefolgsmännern solche aus, die ein Talent dazu hatten, überzeugend zu reden und stattete sie mit besonderen Vollmachten aus. Er ernannte sie zu Uroks, Meistern, die in seinem Namen durch die abgelegenen Dörfer pilgern und den Menschen sein Wissen näher bringen sollten.
In Wirklichkeit jedoch war der einzige Sinn ihr Kaste den Stämmen über mehrere Jahrhunderte ein fast religiös zu nennendes Dogma aufzuzwingen. Du siehst, wozu das geführt hat, eure Krieger erinnern sich nicht mehr der alten Werte und Geschichten über das Verbrechen an ihren Vorfahren, nicht an die misslungene Vergeltung, sondern stechen sich gegenseitig beim Versuch dabei aus, möglichst hoch in der Hierarchie der Stammes und Clanskrieger aufzusteigen, oder sogar in der Leibgarde, dem Urorkon selbst als Schild zu dienen.“ Kalar sprach nun wesentlich lauter als zu Anfang, den letzten Satz hatte er fast geschrieen, aber das nahm Frald nicht war. Er war wie vor den Kopf geschlagen. Es gab nichts, wirklich absolut nichts, was dem, was er in seinem Stamm über die Krieger gelernt hatte, mehr widersprochen hätte, als jene paar Worte, die der Zwerg soeben ausgesprochen hatte.
Und doch…
Kalar hatte mit einer Ehrlichkeit und Überzeugungskraft gesprochen, die die Uroks, die religiösen Lehrmeister, die sein Dorf besucht hatten nie zu erreichen vermochten. Er sah in seine Augen und fand darin nichts als Offenheit und Wahrheit, die seinen Blick stumm standhielten. Traurig und aller Illusionen beraubt schüttelte er den Kopf. Nun glaubte er einiges dessen, was sein Großvater ihm früher erzählte, besser zu verstehen und fühlte sich schuldig, dass er seinen Worten nicht besser gelauscht hatte.
Vielleicht spürte Kalar etwas dessen, was in ihm vorging, denn er stand auf und legte ihm die Hand auf die Schulter., immer noch ohne etwas zu sagen.
„Was“ fragte Frald, seine Gefühle nur mühsam zurückhaltend. „Was hat er danach deinem Volk angetan. Es muss doch etwas damit zu und haben, was du mir hier zeigen wolltest.“

Gorn mit der Axt
10.02.2006, 15:36
„Ja“ antwortete Kalar schlicht. „Es war so, dass die Urorkons auf den Geschmack gekommen waren.
Dass ihre Meister innerhalb von nur zweihundert Jahren aus einem potentiellen Feind ihre mächtigste Waffe geschmiedet hatten, hatte sie tief beeindruckt. So sehr, dass sie es nun mit den verbliebenen Zwergen gleich tun wollten. Ihre Armee hatte Stamm für Stamm von uns vernichtet, uns immer weiter gen Osten gedrängt.
In dieser Zeit wählten einige von uns den letzten möglichen Ausweg und flohen mit allen ihren Sippen nach Süden. Dort ist es ihnen eine Zeit lang wohl ergangen, aber bald hörte man nichts mehr von ihnen. Obwohl sie die Menschen des Südens in den wenigen Botschaften als aufgeschlossen und ehrenhaft bezeichnen, nehmen die meisten Zwerge an, dass die Flüchtlinge mit den Anhängern des Imperium in Konflikt gerieten und getötet wur-den, weil der Kontakt bald darauf abbrach.
Danach war die geringen Hoffnung auf Flucht verloren, die Truppen der Herren hatten die Pässe nach Süden schon besetzt und das Meer, das unser kleiner werdendes Reich nach Osten und Norden begrenzte, war für uns ein unüberwindbares Hindernis, denn“ hier kratzte er sich verbissen am Kopf. „So weit unsere Technik auch damals schon war, ist es den Zwergen nie gelungen, das Wasser zu bezwingen, das Talent deines Volkes für die Schifffahrt scheint uns einfach zu fehlen.“
Frald, der in seinem Leben erst einmal, vor wenigen Wochen, das Meer erblickt hatte, zuckte mit den Schultern.
Kalar seufzte. „Da mein Volk jetzt eingekesselt war zwischen den Menschen im Westen und dem Ozean im Osten gab es nicht wenige, die es vorgezogen hätten, sich die Bedingungen des Urorkon anzuhören, aber es kamen keine. Ein Stamm nach dem anderen wurde ausgerottet, ihre Berge ausgebrannt und alles, was einmal auf sie hindeutete vernichtet. Erst im Nachhinein wurde uns klar, dass sie so vorgingen, um die Überlebenden gefü-giger zu machen.
Schließlich waren von den ursprünglichen Clans nur noch drei übrig, die dazu noch beträchtlich dezimiert waren,
die Anführer dieser Clans machten, um das Überleben ihrer Art zu sichern, den Boten des Urorkon das Angebot sich zu unterwerfen. Das Folgende geschah dann so schnell, dass sie schon auf unsere Kapitulation gewartet haben mussten. Jeder Clan wurde in einen anderen, ihm fremden Berg umgesiedelt, wobei drei Orte gewählt wurden, die so abgelegen und weit voneinander entfernt waren, dass ein Kontakt nur schwer möglich war.
Und so ging es viele Jahre weiter. Sieh nach dort unten.
Du hast gefragt, warum so wenige unserer Männer zu sehen sind. Da ist die Antwort.“ Zischte er verbissen aus den Mundwinkeln.
„Die Menschen haben uns versklavt, die Männer arbeiten für den Herrscher in den Minen und Metallwerken und Manufakturen, während sich die Frauen um die Kinder und die Alten kümmern und die meisten da draussen nichts von unserem Leid ahnen.“
Frald war fassungslos. „Aber ihr seid doch Krieger! Warum wehrt ihr euch nicht?“
Kalars Knöchel knirschten, als sie den Stiehl seines Hammers fester umschlossen.
„Wir sind keineswegs alle Krieger, falls du das vielleicht denkst. Ich zum Beispiel bin Forscher und Mechaniker, ich könnte dir zwar mit zwei von meinen Leuten in einem Tag einen Rammbock aufziehen, mit dem du selbst die großen Schlossportale des Finsteren sprengst, aber im Kampf Mann gegen Mann würde ich untergehen, da brauche ich mir nichts vorzumachen. Außerdem ist es nicht nur das.
Ständig werden wir überwacht, jene Menschen, die du dort sahest, waren jene, die wir Aufseher nennen, die sind stark und schwer bewaffnet und würden wir sie angreifen, dann würde bald wieder die Armee anrücken, ganz davon abgesehen, dass wir die beide anderen Clans vermutlich nicht rechtzeitig warnen können.
Darum ist es auch seit Anbeginn der Gefangenschaft unsere größte Furcht, dass dort irgendein Zwerg den Kopf verlieren könnte und die Aufseher ganz plötzlich auf unsere Frauen und Kinder losgehen.“
Für Frald war es ein fürchterlicher Anblick, den sonst so aufgeweckten und fröhlichen Zwerg nun so grimmig und bedrückt dort sitzen zu sehen. Seine Augen schauten verschleiert auf den staubigen Boden und seine Schul-tern hingen kraftlos herab, als würden Tonnenlasten auf ihnen liegen.

Gorn mit der Axt
15.02.2006, 09:40
„Aber das könnt ihr doch nicht zulassen!“ Fuhr er auf. Kalar zuckte zusammen.
„Ihr müsst doch irgendetwas machen können! Warum schickt ihr keine Boten zu den anderen Stämmen? Ihr könntet die Arbeiter an der Waffe ausbilden, Höhlen in den Berg graben, wo die Alten und Schwachen bei einem Kampf in Sicherheit wären, alles, nur nicht einfach rumsitzen und darauf warten, dass die Nordländer eurer Dienste müde sind!“
Es blitzte kurz in Kalars Augen auf. „Ich bin froh, dass du dich so für uns einsetzt. Karas und seine Anhänger halten dich für einen Feigling und Betrüger, wie es für sie alle Menschen sind und rechnen fest damit, dass du uns verraten wirst.“
„Wer ist Karas?“
Kalar hob drei Finger hoch und zählte ab.
„Der Rat der Fürsten wird aus den Anführern der drei verbliebenen Clans gebildet. Karas ist einer dieser Fürsten, er und seine Stammesführer vertreten eine recht extreme Ansicht und stehen dafür ein, sich von den Menschen zu isolieren, die sie zugleich fürchten und verachten. Das darf man ihnen aber nicht zu hoch anrechnen, denn ihr Clan, der Goldturmclan im Norden hat unter der Knute der Aufseher stets am meisten gelitten.
Baldur dagegen“ Bei diesem Namen hörte Frald auf. „Baldur ist ein sehr junger Anführer, eben jener Zwerg, den du damals nach diesem Angriff zu uns zurückbrachtest. Er ist dafür im Untergrund gegen die Wächter des Urorkon anzukämpfen, was vielen der Zwerge zu riskant ist. Er würde wohl all das durchsetzen, das du aufgezählt hast, aber sein Clan ist mit Abstand der kleinste der drei und deshalb hat er im Rat am wenigsten zu sagen.
Aber dadurch, dass du sein Leben für ihn eingesetzt hast, hast du dir die Freundschaft seines Clans versichert und das kann in der Zukunft einiges bedeuten. Talon ist der älteste der drei Fürsten und hat auch das meiste ansehen, selbst bei einigen der Stämme anderer Clans. Er hat sich früher oft für einen Kurs ausgesprochen, der dem Baldurs ähnlich ist, aber heute ist er vorsichtig und zögernd geworden, weil die Sorgen ihn gebrochen haben. Er zweifelt an seinen früheren Ansichten du Plänen und liegt mit sich selbst im Zwiespalt. Wenn er noch etwas im Rat anordnen möchte,“ schloss Kalar „dann sollte er sich beeilen, denn im gleichen Maße, in dem die beiden anderen Fürsten an Macht zunehmen schwindet seine Kraft.“
Bei den letzten Worten verlor seine Stimme an Kraft und er musterte Frald mit einer Miene höchster Konzentration.
Dann leuchtete es in seinen Augen auf, als habe Jehran selbst ihm die Lösung für ein schwieriges Problem verraten.
Er packte Frald grob an seinem Ledergürtel, nun, da beide standen, kam er nicht mehr an die Schulter, und zog ihn wieder jenen Weg zurück, den sie gekommen waren, bog jedoch schon nach wenigen Metern in einen neuen, Frald unbekannten Tunnel ab, der seiner groben Schätzung nach ins Zentrum des Berges führen musste.
„Frald, mir ist etwas eingefallen, was unsere gesamte Situation auf den Kopf stellen könnte. Ich bringe dich jetzt in den Fürstenrat, kein Sorge, das ist mir erlaubt, weil ich einer der niederen Stammesführer Baldurs bin.
Wenn wir dort angekommen sind, tu exakt das, was ich dir jetzt gleich sage, dann könnten wir genau das bekommen, was wir schon seit Jahrhunderten zu erreichen suchen.“

Gorn mit der Axt
19.02.2006, 17:26
Kalar hastete nun durch den Gang und stieß keuchende Laute aus.
„Im Rat besteht schon seit langen Jahren Stagnation, Talon steht halb auf der einen, Karas dagegen komplett zur anderen Seite und Baldur versucht sich darin, die Waage zu halten und zwischen beiden zu vermitteln, obgleich er eigentlich mit Talon einer Meinung ist. Aber weil seine Stimme das wenigste Gewicht hat, fällt ihm das immer schwieriger, das hat er schon oft beklagt. So wie die Dinge jetzt stehen, kann keine Entscheidung getroffen werden und das können die vernünftigeren unter uns schwerer hinnehmen, als einen Beschluss, der ihren Interessen widerspricht. Deine Ankunft aber hat einige Dinge ins Rollen gebracht.
Der Rat drohte über der Diskussion über dich auseinander zu brechen, weil Karas dafür war, dich loszuwerden, Talon aber auf deinen Status als Krieger der Clane beharrte. Aber ich hätte ja nie gedacht…“ er verhaspelte sich und wäre gestolpert, wenn Frald ihn nicht gehalten hätte.
Dann aber blieb Kalar so schnell stehen, dass Frald schon zehn Schritte weiter war, bevor er das Fehlen des Zwerges bemerkte.
„Sag mir bitte, Fraladruin,“ Kalar sprach ebenso respektvoll wie aufgeregt. „welchen Rang hast du bei deinen Clans. Wenn du ein Krieger werden konntest dann musst du zur Sippe des Stammesführers gehört haben?“
Er verstand nicht genau, was sein Freund mit der Frage bezweckte, besonders jetzt, da er noch vor Sekunden so rasch ausgeschritten war, aber er antwortete.
„Ich bin der Enkel des Stammesführers. Doch mein Ehrwürdiger Großvater lag schon vor Wochen, als ich aufbrach mit einer schweren Krankheit im Sterben. Sollte Jehran ihn schon zu sich gerufen haben, werde ich wohl bei meiner Rückkehr zum Clansführer gerufen werden, um von ihm zum Stammesführer ausgerufen zu werden.“
Frald hatte Kalar bisher nur wenig über seine Familie und sein zu Hause erzählt. So rechnete er jetzt von dem stets so höflichen Zwerg mit den obligatorischen Beileidsbekunden, aber stattdessen reckte Kalar triumphierend die Faust nach oben, als habe Frald seine Hoffnungen bestätigt.
Dann aber entschuldigte er sich rasch für diese unpassende Reaktion und huschte weiter durch den Tunnel.
An einer Biegung verlor Frald ihn aus den Augen, und als er an der Ecke ankam, da stand Kalar schon vor einem schmalen, mit Runen verzierten Tor ganz aus Stein, dass er mit gemessener Bewegung öffnete.
Dort drinnen saßen etwa vierzig Zwerge an drei langen, rechteckigen Tischen, die in Form eines Hufeisens angelegt waren und warfen den beiden Störenden teils fragende, teils missbilligende Blicke zu. Leises Murmeln und Zischen kam zudem auf, als der Fürstenrat Frald erkannte.
Frald schluckte und überlegte, warum Kalar ihn hier her gelotst hatte.
Was sollte er hier, mitten im Kreis der zwergischen Anführer ausrichten können?

Gorn mit der Axt
05.03.2006, 10:12
„Sag den Männern, das muss schneller gehen. Wenn sie immer noch so lahm sind, während die Dämonen auf sie einstürmen, dann können sie sich gleich selber aufspießen!“ Der so abgefertigte Konas, ein junger Major mit mehr Ehrenabzeichen als Narben eilte fast fluchtartig unter dem schadenfrohen Grinsen veteranenhafter Kollegen zu seiner Abteilung.
Jindas Blick wanderte durch die Reihen der Offizieren. Er verspürte aus früheren Zeiten den Drang danach zu seufzen, stattdessen fluchte er nun, scheuchte verdiente Männer, die dem Rang nach über ihm standen, hier und dorthin, ordnete Botengänge und Spähtrupps an, verteilte Wachmannschaften und beriet sich mit den erfahrenen Veteranen der Legion.
Andraeis und Ziordan, die auf der Anhöhe hinter ihm standen, redeten miteinander und belächelten den Anblick.
„Man könnte fast neidisch werden, nicht wahr?“ erkundigte sich der König schmunzelnd.
„Seit der junge Mann endlich das Krankenbett verlassen durfte kommandiert er meine Truppen herum.
Ihr glaubt es mir vielleicht nicht, Ziordan, aber ich habe heute morgen tatsächlich mit angehört, wie er einen meiner obersten Generäle wegen seiner taktischen Überlegungen praktisch zusammengefaltet hat.“
Der Magier zog interessiert die Augenbraue hoch.
„Und, was ist dann geschehen?“
„General Gravus hat doch wirklich versucht, auf seiner Strategie zu beharren. Zum Schluss hat er den Major dann auf seinen Rang hingewiesen und versucht, ihn aus seinem Zelt zu weisen.“
Ziordan wedelte nichts sagend mit der Hand.
„Ich nehme an, dass der Herr Major dafür nicht gemaßregelt wurde.“
„Gemaßregelt!“ nun platzte es aus dem König heraus. „Der Gravus wurde gemaßregelt und niemand sonst.
Als er ihn heraus werfen lassen wollte, hat der Soldat von der Wachmannschaft sich schlicht geweigert und hat dann gefragt, ob es ihm nicht wohl wäre.“ Ein zutiefst vergnügtes Lachen entstieg seiner Kehle, seit Beginn des Krieges ein selten zu hörendes Vergnügen.
„Gravus hat fast der Schlag getroffen, er musste an die frische Luft gebracht werden und der Major hat ihm einen der Medici hinterhergeschickt.“
Ziordan musterte die vier Männer der Leibgarde, die um sie herumstanden.
Zwei von ihnen ergraute Veteranen gelang es mit Mühe ihre stoische Miene zu bewahren, während der Offizier eine schmerzliche Grimasse zog und der Jüngste Gardist so aussah, als habe er sich beim Versuch nicht zu lachen bereits einige Rippen gebrochen.
„Man wünschte sich fast wieder sechzig zu sein.“ Meinte er trocken, aber in seinen Augen funkelte ein Lachen.
„War die Taktik des Generals denn so schlecht?“
Der König nickte in Gedanken irgendwo zwischen Belustigung und Resignation.
„Ja. Er hatte vor die Schwertkämpfer in Belagerungstürme zu setzen und vorrücken zu lassen, damit sie die Köpfe der Untiere erreichen könnten. Dabei schien er vergessen zu haben, dass es unter den Angreifern sowohl Bogenschützen mit Brandpfeilen, als auch Feuerspeiende Bestien gibt. Die zwanzigtausend Krieger seines Kommandos hätten unserer Seite nur noch als Brennholz gedient.“
Schnell fanden die beiden Männer wieder zum gewohnten Ernst zurück und schlenderten den mit Salz bestreuten Weg herunter.
Das Wetter war zum Anfang des elften Monats, vor sechs Tagen, umgeschlagen und hatte den gesamten Norden des Imperiums mit einem dichten Schneetreiben eingedeckt, das die an die südliche Hitze gewöhnten Kämpfer in ernste Probleme gestürzt hatte.

Gorn mit der Axt
13.03.2006, 09:00
„Mit all diesem Wasser unter unseren Füßen hätte dieser wahnwitzige Plan sogar gelingen können.“
Der König glitt auf dem feuchten Gras aus und wurde von einem der Gardisten festgehalten.
„Danke, Forsby. Ziordan, ich weiß nicht, was wir machen sollen. Seit etlichen Jahren schon haben wir keinen Winterkrieg mehr geführt und die Offiziere wissen darüber genau so wenig wie der unerfahrenste Soldat.
Wo wir den Feind doch eben erst vereinzelt bezwungen hatten, ist es jetzt, als habe er den Heimvorteil bekommen.“
Ziordan hob eine Hand voll des puderigen Neuschnees auf und verrieb sie zwischen seinen Pranken.
„In der Tat haben die Nordmänner Erfahrung darin, bei Kälte unterwegs zu sein und auch die Glätte von Schnee oder Eis wird sie nicht wesentlich behindern. Aber je weiter sie nach Süden eindringen, desto schwieriger werden sie es haben.“
Die Brauen des Königs wanderten zusammen.
„Darauf können wir uns nicht verlassen. In den langen Wintern zeiht das Eis manchmal tief den großen Fluss herab, bis an die Hauptstadt. Ich erinnere mich noch, wie ich es als Knabe von sieben Jahren das erste Mal dort gesehen habe, weil Onkel Karlof mich in nicht aufs Land raus gelassen hat.“
Ziordan starrte misstrauisch auf eine kompakte Wolkenfont, die sich über ihrem Heer zusammeballte.
„Ich fürchte die Erzählung eurer Kindheitserinnerungen werden wir auf einen späteren Zeitpunkt verschieben müssen. Lasst uns zu ihm heruntergehen.“
Jinda bemerkte ihr Nahen schon aus weiter Ferne und widmete sich nach der unvermeidbaren Ehrenbezeichnung schon wieder seinen Karten und Schlachtplänen.
„Seid gegrüßt, euer Majestät.“ Sagte er, als sie vor ihm standen.
„darf ich nach dem Anlass eures Besuchs fragen?“ erkundigte er sich und hatte und untersuchte dabei abwesend einen unleserlichen Teil der Karte.“
Der König warf seinem Zauberer einen amüsierten Blick zu, aber nach außen hin verhielten sie sich als das, was sie waren. Zwei Höhergestellte im Gespräch mit einem Offizier.
„Wir sind neugierig, was ihr über die jetzige Lage denkt.“ Erklärte Ziordan. „Das Wetter wird in den nächsten Wochen vermutlich noch um einiges schlimmer werden.“
Anstatt zu antworten ging Jinda mit langen Schritten zu einem Stapel alter Pergamente und zog eine arg zerknitterte Kladde heraus, die er vor dem König auf den Tisch warf.
Dieser mustere sie aufmerksam und las den verwischten Titel. „Aufzeichnungen und Statistiken des königlich gordianischen Wetteramtes. Wo habt ihr das her?“ fragte er ungläubig.
Inzwischen hatte Jinda seinen Platz an der Karte verlassen und sichtete die Kurzdepeschen der Kundschafter.
„Ich habe vor zehn Tagen einen Boten zur Hauptstadt geschickt um ein Exemplar aus der Senatsbibliothek zu entleihen. Ich hielt es für recht nützlich. Beachtet bitte besonders die Seiten CCV bis CCLIX betreffend die Jahreszeiten der letzten Zweihundert Jahre. Wolkenbrüche und heftige Niederschläge entlang der Küste, zugefrorene Flüsse, Überschwemmungen wie in Theras und Temperatureinbrüche bis weit unter den Gefrierpunkt.
Das alles erwartet uns spätestens in der dritten Vorwoche des Jehrantages. Wir werden uns für dieses Wetter rüsten müssen, sonst haben wir gegen die Nordländer keine Chance, die Derlei jeden Tag erleben.“
Andraeis schaute in fasziniert an. „Und wie sollte man sich auf das Wetter vorbeireiten? Wie können die Schwertkämpfer ja nicht dick in Pelze vermummt aufs Schlachtfeld schicken.“ Jinda gab ein kurzes, tonloses Lachen von sich.

Gorn mit der Axt
15.03.2006, 08:16
„Nein, Mylord. Es hat keinen Sinn, unsere Männer vor der Kälte zu schützen und dann gegen die Attacken der Nordländer unbeweglich zu machen. Außerdem sind da ja noch die Tzetzlani. Nach den Angaben Pirins gebieten sie über die Elemente. Nach dem, was wir in der Inselstadt erlebten mag ich daran nicht mehr zweifeln, deshalb können wir uns auf keine wetterlage einrichten.“
„Worauf wollt ihr dann hinaus?“ drängte jetzt Ziordan. „Wir können doch dem Wetter nicht davonlaufen!“
Kurz blitzte es in Jindas Augen auf und der Mystiker bereute seine harschen Worte.
„Wir können nicht davonlaufen, wir können den Unwettern aber wohl ausweichen. Er zeigte auf die Karte, über die er sich anfangs gebeugt hatte. „Der Rückweg zur hauptstadt führt kaum sechzig Meilen an den Randgebieten der großen Wüste vorbei, ich habe den Offizieren deshalb den Befehl gegeben unseren Kurs weiter nach Westen zu verlagern. In der Wüste herrschen zu jeder Jahreszeit höhere Temperaturen als im Tiefland und auch übermäßiger Regen wird dort nicht auftreten. Vielleicht haben wir zur Abwechslung sogar ein wenig Glück und das ungedämpfte Sonnenlicht schwächt die Dämonen und Tzetzlani.“
Er kehrte dem Hochkönig und seinem Mystiker den Rücken zu und geriet sofort mit einem zurückkehrenden Boten in eine heftige Diskussion. Ziordan fasste währenddessen Andraeis beim Arm und führte ihn aus dem Zelt.
Der starrte ihn mit großen Augen an.
„Hat den Offizieren befohlen die Marschrichtung zu ändern! Kommandiert die Legion Gordians im Krieg! Spricht zu meinen Generälen wie mit schuldhaften Schuljungen!“
Er blickte seinen Freund ratlos an.
„Sagt mir, Ziordan, dieser junge Mann dort im Zelt, der die drei Magier begleitete, ist er ein Genie? Oder bloß wahnsinnig?“
Der Magier zuckte mit den Schultern.
„Ich kenne den Jungen nicht viel besser als ihr, Mylord.“ Sagte er, aber zugleich dachte er an ein ganz gewisses Gespräch mit Jinda zurück. Armer Junge!
„Ich werde als Magier weit älter, als es uns Menschen für gewöhnlich gegeben ist, deshalb weiß ich, dass die Reife eines Mannes nicht an seinem Alter zu messen ist.“ Der König nickte. „Der Krieg macht oft aus Jungen Männer, aber das ist es nicht, was ich in seinen Augen sehe.“
„Oder wenigstens nicht alles.“ Bestätigte Ziordan. „In seiner Strategie ist er fehlerlos. Er kommt auf neue Ideen, auf neue Pläne, die den verstockten Generälen nie einfielen. Aus diesem Grund ist er den Offizieren ein Dorn im Auge, aber die einfachen Männer lieben ihn, weil sie sehen, wie er sich für sie aufopfert. Aber das tut er, weil er sich dazu gezwungen fühlt, nicht weil er es möchte.“ Verstehen glomm in den dunklen Augen.
„Ich denke, jetzt begreife ich es. Er kämpft diese Kampf, weil er muss, nicht weil er ihn gewählt hat!“
„Aber trifft das nicht auf uns alle zu?“ fragte Andreais verwirrt.
Der Magier stieß ein schnaufendes Lachen aus. „Verzeiht, Majestät, ich habe mich unklar ausgedrückt.
Natürlich hat sich niemand diesen Krieg gewünscht, aber was ich meinte, war, dass der Junge nicht dort kämpft, wo er es gerne wollte. Seine Freunde mussten ohne ihn losziehen.“
„Ob er vielleicht nur kämpft, damit sie etwas haben, wohin sie zurückkehren können?“ Der König sponn den Gedanken weiter. „Damit ihr Sieg nicht sinnlos wird?“
Ziordan schwieg einen Moment. Er dachte an ein angespanntes Gesicht und klare, helle Augen, in denen sich Stahl widerspiegelte. „Was auch seine Beweggründe seien mögen, ich bin mir nicht sicher, ob ich in seiner Nähe weilen möchte, falls seine Freunde nicht zurückkehren.“
Darauf wusste Andraeis nichts zu antworten.
Still wanderten sie nebeneinander durch den weichen Schnee. Beide froren.
„Er ist kalt geworden.“ Sagte Andraeis dann auf einmal. „Das ist wohl das beste Wort.“
Wieder legte sich mit dem Schneetreiben auch die Stille über beide Männer.
Ziordan zog unbehaglich den Mantel höher ins Gesicht.
„Waren das die Augen eines Wahnsinnigen?“ fragte er sich. Seinen König wollte er mit dieser Überlegung nicht behelligen. „Nein“ dachte er. „Ein Wahnsinniger empfindet keinen Schmerz, weil die Vernunft, die Erinnerung ihn verlassen hat. Er weiß nicht mehr, was ihn früher geschmerzt hat.“ Diese Überlegung brachte die schmerzliche Gewissheit. „Solche Augen hat nur jemand, der sich seinen klaren Verstand bewahren konnte, sich den Wahnsinn aber herbeiwünscht! Gütiger Jehran, wie muss ein Mensch gebrochen worden sein, damit er sich das wünscht!“

Gorn mit der Axt
20.03.2006, 18:07
Die Lage der Legion sah in Wirklichkeit sogar noch verzweifelter aus, als man es nach dem Geflüster der Soldaten im Heerlager vermuten könnte. Aller nördlichen Landstriche des Imperiums standen nun unter der Kontrolle des Feindes. An der Grenze dieses Gebietes lauerten große Verbände von Nordländern, angeheuerten Söldnern aus den Grenzgebieten und Dämonen, mit denen sich die mutigen Kämpfer der Legion und der kleineren Landesheere schwere, aber sinnlose Rückzugsgefechte lieferten. Noch weit aussichtsloser war der offene Kampf gegen die Hauptstreitmacht des Feindes, die gleich einer dunklen Woge über das menschenleere Markor hereingebrochen war, und gegen die Tzetzlani, die überall und nirgends zu sein schienen und unter den Menschen Angst und Schrecken verbreiteten.
Wie schon seit Wochen bildete die kämpfende Masse der Legion den einzigen Schutz vor dem Chaos. Wo sie beharrten und sich aufopferten, da klaffte eine Lücke in der geschlossenen Front des herandrängenden Feindes, eine Zuflucht, die in wenigen Tagen Tausenden das Leben rettete. Flüchtlinge, Überlebende, die die Ankunft der Nordländer wie durch ein Wunder unbeschadet überstanden hatten, hatten dieses Lager als einziges Ziel vor Augen. Krieger waren es, die von ihrer Truppe getrennt worden waren, elternlose Kinder und Frauen, die alle jenen einen Ort suchten, wo jene wenigen zu finden waren, die der Dunkelheit noch aufrecht den Weg versperrten.
So wurde aus dem Ausleger des Imperiums ein letztes Nadelöhr, durch das sich die Bürger auf ihrer Flucht nach Süden drängten. An den Küsten Gordians, dem letzten freien Königreich, geriet der Strom ins Stocken.
Die beiden großen Inseln vor der Küste, die südlichsten Punkt Jehranas, war es, wo sie auf die Entscheidung warteten. Diese Entscheidung würde in der Hauptstadt getroffen werden.
Als Kern und Angelpunkt der Verteidigung, als uneinnehmbarste aller imperialen Festungen, war sie es, um die sich die Pläne des Feindes drehten.
Würde diese Trutzburg des Südens fallen, so wusste er, war der Untergang der südlichen Reiche gekommen.

Gorn mit der Axt
24.03.2006, 16:43
Die Zwerge schauten überrascht zu ihm herüber.
Einige von ihnen musterten in kalten Blickes, andere ignorierten ihn, aber ein paar wenige, so auch Baldur, den er aus dem Eis gerettet hatten, nickten ihm grüßend zu.
Sie saßen nicht, wie er auf den ersten Blick vermutet hatte in U-Form beieinander, sondern waren in drei Grup-pen geteilt, die jeweils an einem langen Tisch saßen.
Talon, der älteste der Zwergenfürsten hatte seinen Platz in der Mitte des längsten Tisches. Nun stand er auf und richtete das Wort an Kalar.
„Ich grüße dich Kalar, vom Stamm der Eismine. Lange bist du der Versammlung fern geblieben.“
Frald schaute bei diesen Worten auf seinen Begleiter herunter. Dass Kalar einer der Stammesführer und damit ranghöher war als er, hatte er vorhin, aufgebracht über die Sklaverei der Zwerge, kaum wahrgenommen. Als er es jetzt das zweite Mal hörte, fragte er sich, was den Zwerg dazu bewogen haben mochte, sich eines ihm frem-den Clansmannes anzunehmen. Gerne hätte er seinen Begleiter gefragt, aber Talon sprach schon weiter.
„Wenn du deinen Platz im Rat wieder einzunehmen gedenkst, so gehe zu den Brüdern deines Stammes. Aber warum hast du den Menschen Fraladruin vor uns gebracht?“
„Um uns zu verhöhnen!“ rief Karas aufgebracht und sein schwarzer Bart zitterte. „Baldur, die Kinder der Eismi-ne haben wohl das rechte Maß verlernt! Nur geladene Zwerge dürfen zu Gast bei der Versammlung der Fürsten sein.“
Der schmalere und jüngere Anführer des Eisminenclans wollte schon heftig aufbegehren, unterließ es aber als die um ihn sitzenden Zwerge hastig auf ihn einredeten. Statt dessen war es Kalar, der dem Fürsten antwortete.
„Vielleicht sollte der Führer des Goldbergclans die Fehler zuerst bei sich selber suchen, bevor er andere verdäch-tigt.“ Karas Gesicht verfärbte sich tiefrot. Er schien über den ruhigen Ton der Erwiderung mehr erzürnt als Bal-dur über die Beleidigung seines Clans. Er war es wohl nicht gewohnt, dass ihm offen Paroli geboten wurde, soviel war Frald inzwischen klar.
„Der Mensch Fraladruin hat einen der unseren gerettet, einen Zwerg. Und nicht nur irgendeinen Zwerg, nicht nur eines der Stammesführer, sondern einen unserer drei letzten Fürsten. Nach dem alten Recht wird ihm dadurch das Recht des Min Bresorga zugesprochen, das Recht unter uns als Zwerg behandelt zu werden.“
Unter den versammelten Zwergenführern hob ein großes Raunen an und Karas ließ sich schwer zurück in seinen Stuhl fallen. Talon jedoch runzelte die Stirn.
„Du begibst dich auf dünnes Eis, Kalar. Diese Regel ist seit über zweitausend Jahren nicht mehr angewandt worden. Nicht mehr, seit die Schergen Urorkons die Stämme versklavten und sich zu den Führern der Clans-männer erklärten. Wer sagt dir, dass der Rat Fraladruin dieses Recht zusprechen wird?“
Kalar warf seinem Fürsten einen kurzen Blick zu. Frald sah, wie Baldur den Blick erwiderte und nickte. Einer der Clans, das wusste er nun, würde sich Kalars Plan nicht widersetzen, wie auch immer der aussähe.
„Ich weiß, dass der Rat der Fürsten ihm das Recht zusprechen wird, ihr keine andere Wahl habt.“
Ein ohrenbetäubender Knall ertönte. Karas war zornesbleich aufgesprungen und hatte seinen Schmiedehammer auf die Tischplatte niederfahren lassen.
„Wer sagt, dass wir keine Wahl haben? Wie kannst du es wagen den Fürsten vorschreiben zu wollen, was sie zu tun haben! Kriech wieder in dein Labor zurück, du Tunnelmade!“
Kalar versteifte sich, sagte aber nichts, dafür riss Baldur seinen Hammer heraus, stieß die beiden Zwerge neben sich zur Seite und tat es Kalar gleich.
Die Spannung zwischen den beiden Fürsten war spürbar, beide schienen nur auf die Gelegenheit eines Kampfes zu warten, die Kalar ihnen präsentiert hatte.

Gorn mit der Axt
26.03.2006, 19:00
„Ruhe!“ Jetzt war auch Talon auf den Beinen und mit ihm alle seine Stammesführer und in seiner Empörung wirkte er den jüngeren Zwergen überlegen.
„Karas, wie könnt ihr euch erdreisten, in den heiligsten Hallen unseres Volkes eure Waffe zu ziehen! Und ihr Baldur! Runter mit eurem Hammer! Außerhalb eures Volkes habt ihr genügend Feinde!“ Mühsam fasste sich der jüngste der Fürsten; Baldur senkte den Kopf und setzte sich wieder, Karas machte sich keine Mühe, seinen Abscheu zu verbergen und ließ seinen Hammer offen auf dem Tisch liegen.
Talon betrachtete die Geste voller Missbilligung, aber dann richtete sich sein strenger Blick auf Kalar.
„Kalar Kabhaltsson, ihr werdet eure Worte erklären müssen. Ich dulde es nicht, dass die Autorität des Rates untergraben wird.“
Frald schaute eingeschüchtert auf den Zwerg an seiner Seite herunter.
Als die Waffen gezogen wurden, war Kalar kalkweiß geworden, aber jetzt verneigte er sich tief vor jedem Einzelnen der Fürsten, ehe er weitersprach.
„Verzeiht mein Fürst, ich habe meine Worte schlecht gewählt. Aber wahr ist es, dass ihr das Recht Fraladruins akzeptieren müsst. Es ist fest verankert im ältesten Teil des Rechten Maßes: Wer einen Zwerg rettet, der gilt vor den Fürsten als einer der unseren! Dabei ist egal, wann die Regel das letzte Mal zur Geltung kam.
Denn kein Fürst kann etwas an dem Rechten Maß ändern. Das kann nur der gesamte Rat. Und ich habe nicht vor, dieser Änderung zuzustimmen.“
Talon nickte zweifelnd.
„Nun gut, es ist wohl so. Nur einstimmig könnten wir dem Krieger das Recht verwehren und diese Möglichkeit hast du uns genommen.“ Er richtete den Blick auf Frald und sagte feierlich.
„Fraladruin, vom Stamme Ingmars, Blut vom Dragorclan: Kark Bresorga, riminem es Dar’Koburn stat.“
Baldur wiederholte die Worte, doch Karas schwieg eisern und umfasste den Griff seiner Waffe.
Frald schaute sich unsicher um, unwissend, ob von ihm eine Reaktion erwartet wurde, aber niemand sagte etwas.
Dann ging Kalar mit ihm gemessenen Schrittes zu dem Tisch zu ihrer rechten herüber, Baldurs Tisch, und sie setzten sich auf zwei eilig herbeigetragene Stühle.
Danach herrschte Stille in der großen halle, nur da und dort sprachen einige der Zwerge leise miteinander. "Jetzt bist du offiziell einer der unseren! Der rat hat es verkündet." raunte sein Freund ihm zu.
Anscheinend hatte die Überraschung von Fralds Ehrung bei den Zwergen die Diskussion nachhaltig unterbrochen.
Resigniert schwang Talon seinen Hammer und schlug sacht auf den Tisch. Die dicken Bohlen aus dunklen Holz gaben ein tiefes Brummen von sich.
„Ich schlage vor, die Fürstenhäuser ziehen sich in die Pause zurück. Zur zweiten Stunde des Abends werden wir uns wieder hier versammeln und die Besprechung fortsetzen.“
Murmelnd standen die Zwergenführer auf. Türen, eine hinter jedem Tisch, wurden jetzt von Zwergendienern geöffnet und helles Licht flutete in die Halle, als die drei Clans sich trennten.
Fraladruin, der weit aus der Masse der Kleineren herausragte, folgte ihnen zögerlich, von Kalar und Baldur angeleitet. Hinter der Türe lag eine weitere Halle, kleiner als der große Beratungssaal, aber auch gemütlicher, mit einer Vielzahl von kleinen Kaminen, um die jeweils ein Tisch und eine Handvoll Stühle gruppiert waren.
Zielstrebig ging Baldur auf eine dieser Sitzecken zu und nahm seufzend Platz. Kalar und Frald setzten sich zu ihm.
Der Zwergenfürst hielt die Hände an das lodernde Feuer und grinste breit.
„Ich bin sehr zufrieden mit euch, Kalar. Euer Plan hat ausgezeichnet funktioniert.“
Kalar lächelte bescheiden.
„Es war unser Plan, mein Fürst, und er ist noch nicht geglückt.“
Freundlich schaute er Frald an, der mit Unverständnis in den Augen auf dem zu schmalen Hocker Platz genommen hatte. Baldur bemerkte sein Unbehagen und schmunzelte. Schnell war ein ausladender Sessel geordert und Frald konnte es sich endlich bequem machen. Das hatte er auch dringend nötig, denn auch wenn sein Körper sich weitgehend erholt hatte, waren sein Muskeln von dem langen Marsch durch den Berg und dem andauernden Stehen in der Ratshalle schmerzhaft verspannt.
Voller Wohlbehagen drückte er den Rücken an das erwärmte Leder.

Gorn mit der Axt
30.03.2006, 07:12
„Von welchem Vorhaben sprecht ihr?“ erkundigte er sich verhalten. „Hattet ihr die Geschehnisse dort im Saal geplant?“
Kalar schüttelte erschrocken den Kopf.
„Hältst du uns für solche Narren? Karas Reaktion hätte fast zum Kampf geführt, die Situation wäre eskaliert.
Aber tatsächlich sind wir ein gewisses Risiko eingegangen, das wir vielleicht zuvor unterschätzt haben.“
Hier übernahm Baldur das Wort.
„Wir hatten uns überlegt, dich in die Ratsversammlung einzuschleusen. Das hatten wir schon vor, seit du mich damals gerettet hast.“ Dankbar nickte er Frald noch einmal zu.
„Als ich erwachte und die freudigen Gesichter meiner Clansmänner sah, da wusste ich, dass es nötig sein würde, dich vor die Stammesführer zu bringen.“
„Als du Baldur herbrachtest und dabei selbst schwer erkranktest, waren viele Zwerge in ihren Grundfesten erschüttert. Du musst daran denken, Fraladruin, die meisten unserer Leute sind einfache Arbeiter und wissen weit weniger über unsere Historie als die Fürsten oder Gelehrten. Für sie sind die Aufseher, ja eigentlich alle Nordländer, Städter wie Clansleute, alle Menschen sehen sie als Bedrohung, als ihren Feind an. So haben ihre Väter und Vorväter es sie gelehrt, seit unser Volk versklavt wurde. Zweitausend Jahre sind eine lange Zeit, Frald, auch für uns. Mehr Generationen, als man zählen kann, und du bist der einzige Mensch, der sich als Freund der Zwerge erwiesen hat.“ Erklärte Kalar.
„Deshalb war es von so großer Bedeutung, die Zwerge aller Stämme von dir erfahren zu lassen. Vor den Stammesführern könntest du mehr sein als nur ein Zwerg nach Recht, du könntest ein Symbol sein, ein Zeichen, dass es immer noch Ehre im Herzen von Nordländern gibt, dafür, dass es Menschen gibt, in denen die Zwerge Freunde haben könnten. Du, Fraladruin, du könntest uns helfen unser Volk aus der Gefangenschaft zu führen.“ Schloss Baldur triumphierend.
„Ich muss mich dafür entschuldigen, dass ich dich unwissend in die Ratsversammlung geschickt habe, aber nur so konnten wir auf die Stammesführer wirklich überzeugend wirken. Natürlich ist mir die Idee dazu nicht erst vorhin gekommen.“ Erzählte Kalar zerknirscht.
Frald behagte es gar nicht ohne seien Erlaubnis als Werkzeug missbraucht zu werden, aber da er die Beweggründe des freundlichen Zwerges achtete und Kalar sich ehrerbietig bei ihm entschuldigt hatte, ließ er die Sache auf sich beruhen.
Anstatt sie zu rügen fragte er die beiden Zwerge vielmehr nach dem Grund ihres Tuns. Sicher, beide hatten lang und breit erzählt, welche Bedeutung er für die Zukunft der Zwerge haben könnte, aber was er nun mit dem Sitz im Rat anfangen konnte, war ihm unklar.
„Oh, du brauchst nicht viel zu tun.“ Erklärte Kalar eifrig und Baldur nickte im Hintergrund bestätigend.
„“Du sollst nur im Rat von deinen Leuten berichten, wie ihr lebt und was euch ausmacht. Keiner von uns Zwergen wüsste soviel über die Clansleute zu erzählen wie du. Unsere Hoffnung ist, dass jene, die sich noch nicht offen zu Karas bekannt haben, ein Bündnis mit euren Leuten überdenken mögen und sich unserer Sache anschließen, bevor die Versammlung zur abschließenden Abstimmung gelangt.“
Baldur blickte ihn bei diesen Worten hoffnungsvoll an, aber an Fralds Gesicht ließ sich gerade keine Emotion ablesen. Er war wie vor den Kopf geschlagen. Mit den Zwergen verbünden! Gegen ihren Herrscher, gegen Urorkon!
Ein unfassbarer Gedanke!

Gorn mit der Axt
02.04.2006, 18:49
Auch wenn die Clansleute ihren Herrn nicht liebten, so würde jeder Stammeskrieger sein Leben geben, um ihn zu schützen, allein schon deshalb, weil sie auf ihre Ehre der Linie der Urorkons als Vasallen verschworen waren.
Und erst die Clanskrieger! Die dienten den acht mächtigen Clansführern, den direkten Untergebenen des Herrschers. Niemals würde man sie zu etwas bewegen können, das in ihren Augen Verrat war. Von den Kriegern in der Leibgarde des Finsteren, die von allen Clansleuten das meiste Ansehen genossen, ganz zu schweigen.
Und dazu kam noch die Mission, die zu erfüllen ihm sein Großvater aufgetragen hatte. So sehr die Clansmänner ihrer Ehre auch verbunden waren, so waren sie ebenso tief gläubig. Eine heilige Aufgabe, zudem überbracht von einem Boten Jehrans, dem Hauptgottes ihres Stammes, durfte nicht einfach ignoriert werden. Auch wenn die angekündigte Zeit der Erfüllung schon schmerzhaft nahe und der Ort fern und unbestimmt war, rechtfertigte seine Trauer um das Schicksal der Zwerge es, diesen heiligen Plan des höchsten zu Gunsten ihrer Rettung scheitern zu lassen?
Mehrmals setzte Frald dazu an, etwas auf Kalars Plan zu erwidern, aber er fand einfach nicht die richtigen Worte. Er war kein Redner.
Der Zwerg beugte sich vor, wollte Frald bedrängen, seine Meinung kund zu tun, aber Baldur hielt seinen Mann zurück.
Stockend und erschüttert bis ins Mark berichtete Frald den beiden Zwergen schließlich doch von den Ehrenbanden und den Werten seines Volkes. Als Frald geendet hatte, saßen sie alle bedrückt auf ihren Stühlen. Die frohe Laune war ihnen vergangen.
Aus dem Schatten der Eingangstür erklang ein gedämpfter Gong.
Kalar stand geistesabwesend murmelnd auf, Frald und Baldur dagegen blieben sitzen.
Der Zwerg schüttelte hilflos den Kopf.
„Was für traurige Streiche uns die Götter spielen! Als mir dieser Plan kam schien alle so einfach. `Bringe Frald zu den Stammesführern und alles wird sich richten’ Hah!“ Es war ein trauriges Lachen.
Baldurs Leute gingen an ihnen vorbei zur Ratshalle und warfen dem unvertrauten Menschen zwiespältige Blicke zu.
„Weißt du, Fraladruin, ich kannte die Schwierigkeiten unserer Seite. Ich wusste, dass Talon nur schwer zu überzeugen ist, dass Karas uns Steine in den Weg werfen würde. Aber ich habe nie damit gerechnet, dass es auf eurer Seite für ein Bündnis ebenfalls so fatal aussieht. Ohne Hilfe der Clansleute werden die Zwerge die Freiheit nie wiederfinden. Und wenn der Urorkon das Imperium erst einmal niedergeworfen hat, wird er uns nicht mehr brauchen.“
Seufzend stand er auf, gebeugt, als sei er über die Nachricht um jahrzehnte gealtert. Doch bevor er sich abwen-den konnte, erfasste Frald mit festem Griff seine Hand.
„Dazu wird es nicht kommen!“
Baldur lächelte ihn müde an, sein Kampfgeist war sichtbar erloschen.
„Was wäre, wenn wir die Stammesführer davon überzeugen könnten, dass du mit deiner Theorie recht hast? Dass Urorkon sich wirklich eurer entledigen wird, wenn er das Südland erst eingenommen hat. Wird die gleiche Sorge um die ihnen Anvertrauten, die sie vorher vom Kampf abhielt, sie dann nicht dazu zwingen, sich gegen ihre Unterdrücker zu verteidigen?“
Baldur starrte ihn an. Dann lachte er und ein strahlendes Lächeln überzog sein Gesicht.
„Oh, Fraladruin, vielleicht hat mich meine Hoffnung in dich doch nicht getäuscht. Ich habe nicht die geringste Ahnung, ob dieses Vorhaben möglich ist, bei dem Misstrauen, das heute in unseren Reihen herrscht, aber ich danke dir, dass du mir die Kraft wiedergibst, es wenigstens zu versuchen.“

Gorn mit der Axt
06.04.2006, 19:04
Jetzt hatte Thimris endgültig den tiefsten Punkt seiner Reise erreicht.
Noch immer stolperte er blind durch die Labyrinthe unterhalb des Grenzgebirges, ohne Licht, ohne Wissen um den richtigen Weg.
Wenn er müde wurde, schlief er und wenn er hungrig wurde, aß er von seinem knappen Vorrat, unbeeindruckt von dem Wechsel von Tag und Nacht in der Welt über ihm.
Die Gänge, die er durchwanderte mussten Hunderte von Meilen lang sein, endlos zogen die rauen Steine unter seinen tastenden Fingern hinweg, unzählige Male erwies sich der eingeschlagene Weg als Sackgasse und er musste mit viel Mühe einen Umweg suchen.
Doch das alles störte ihn wenig.
Denn ausgerechnet in diesen Tagen seiner schweren Reise, verließ ihn der Mut nicht, der sich nach dem sonder-baren Treffen mit dem sterbenden Hüter unter dem Berge als ein so wankelmütiger Gefährte gezeigt hatte.
Natürlich dachte er noch immer mit Sorge an das Imperium, an seine Geschwister; er vermisste sie. Aber es schien als sei in der tiefen Dunkelheit seine Furcht geläutert worden. Frei von Schuld, frei von Vorwürfen konnte er an sie denken und darauf vertrauen, dass sie stark genug waren, diese Prüfungen zu meistern.
Nach seiner vierten Pause, es mag der Abend des Zweiten oder der Vormittag des dritten Tages gewesen sein, nahmen seine Augen das erste Mal wieder etwas anderes war als die ewig gleiche Schwärze. Der Tunnel war nicht erleuchtet, nicht mehr als eine mondlose Nacht nur vom Licht der Sterne erhellt wird. Aber in all dem Nichts, das sich vor ihm ausbreitete, war da auch eine tiefere Finsternis. Er tastete sich heran und sein Herz machte einen Sprung, als der kaum sichtbare Schein nach der nächsten Biegung des zerklüfteten Weges merklich heller wurde.
Der Boden, die Wände und die Decke, jeder Stein um ihn herum war mehr oder weniger mit einer fahlen, blass leuchtenden Flechte überzogen. In der Ferne hörte Thimris ein Tröpfeln von Wasser.
Er schritt aus, eckte in unbedachter Eile mehrmals an, doch der Schmerz wurde unwichtig, als er vor sich eine grob aus dem Stein gehauene Treppe wahrnahm. Einen Moment wurde ihm schwarz vor Augen vor Erleichte-rung, aber dann stieg er entschlossen empor. Der Weg, den Arbeiter vor Jahrtausenden wie für ihn geschaffen hatten, gab ihm die Möglichkeit den Splitter und das Herz des Kristalls zurückzuerobern. Egal, wie aussichtslos dieses unterfangen auch wirkte, er war zutiefst froh, dass ihm wenigstens der Versuch dazu vom Schicksal ge-währt worden war.
Die Minuten verstrichen. Ein Ende der Treppe war nicht in Sicht.
Dann, ganz plötzlich, der Abbruch.
Vor Thimris erstreckte sich ein weites, gähnendes Loch, in das er fast hineingestolpert wäre. Einen Moment dachte er, er könne sich nicht halten, verzweifelt suchten seine Arme und Beine nach Halt, fanden ihn aber erst, als sein Oberkörper schon weit über dem klaffenden Abgrund hing.
Mühsam kämpfte er um sein Gleichgewicht, wankte, taumelte und neigte sich schließlich nach hinten.
Er schlug sich beim Aufprall hart den Hinterkopf, aber noch mehr als der richtige Schmerz war es der Schock, der ihn bewegungsunfähig machte. Lange Minuten lag er wie betäubt auf dem Boden, ehe er vorsichtig nach jenem Loch im Gestein tastete, dem er beinahe zum Opfer gefallen wäre. Ja, da war es. Er befühlte den Rand. Er hatte viel Glück gehabt, diese Grube noch rechtzeitig zu bemerken, so abrupt endete der Rand im Nichts. Er las einen der Steine vom Boden auf und warf ihn in die Tiefe. Thimris zählte stumm mit. Sieben ... acht ... zehn Sekunden vergingen, bevor er den Aufprall wahrnahm. Gute tausend Fuß, schätzte er bedauernd. Wäre das Loch in der Treppe weniger tief gewesen, hätte er vielleicht versucht, herunter und auf der anderen Seite wieder hinauf zu klettern. So musste er sich einen anderen Weg suchen. Frustriert schoss er einen weiteren Kiesel ins Loch. Die letzte Tunnelbiegung lag weit zurück. Vor der Treppe. Und wenn dies nun der einzige Weg war, der zurück in die Stadt führte ? fragte er sich. Er konnte sich keine weitere Verzögerung leisten. Der letzte Sichelträger hatte vielleicht schon die Grenzen der Stadt weit hinter sich gelassen. Er könnte schon hunderte von Meilen entfernt seinem Herren entgegeneilen. Trotzig wandte Thimris sich wieder um und ließ seine Augen gewissenhaft über jeden Fingerbreit des Abgrundes wandern. Dort ! Hatte er da nicht etwas gesehen ? Er trat beiseite, in der Hoff-nung, dass das spärlich wachsende Moos die Schatten dann erhellen möge.

Gorn mit der Axt
11.04.2006, 18:52
Und wirklich : Am linken Rand des Loches war noch ein schmaler Streifen bröckeligen Gesteins von der Treppe verblieben. Ein Fuß, kaum eine Handbreit stellenweise. Mit einem Dankgebet an Jehran auf den Lippen erklomm er die erste Stufe. Beide Hände sorgsam jeden Halt ertastend am Gestein der Tunnelwand. Gut, dass er nicht auf die Idee gekommen war zu springen, dachte er, als er nach unten sah. Der Abgrund war nicht nur wesentlich tiefer, sondern auch erheblich breiter als vermutet. Er wäre entweder in die Leere oder direkt gegen das gegenüberliegende, senkrecht aufragende Geröll geprallt. Zuletzt kam er dann doch auf der anderen Seite an. Hier war die Treppe zwar mit Schutt bedeckt, aber wenigstens ging es weiter. Zwei Mal mündete der Schacht in kleine, schmucklose Kammern, in denen er eine Pause einlegte. Zwei Mal ging es danach ohne Änderung weiter.
Erst die dritte Öffnung mündete in eine größere Halle. Thimris sah sich interessiert um. Überall standen massive, metallene Blöcke, Maschinen aus Stahl, hier und dort auch die letzten Überreste von dem Holz vermoderter Tische und Bänke. Diese vom Alter unkenntlich gemachten Objekte gaben Thimris Rätsel auf. Aber in der gigantischen Gussglocke erkannte er den Schmelztiegel des Dorfschmiedes wieder, wenn auch hundertfach größer.
Er musste wieder im Bergwerk sein oder in einem der angrenzenden Bereiche, in denen das geförderte Erz verarbeitet wurde.
Beschwingt lief er zwischen den Reihen hindurch, die wie eine Menagerie in die Jahre gekommener Monstren über ihm aufragten. Seinen Weg überließ er größtenteils dem Zufall. Er wanderte aber stets nur nach oben, und in jene vage Vorstellung der Richtung, die er für Norden hielt.
Eine Halle nach der anderen durchquerte er, ohne dass sich etwas an der Umgebung änderte.
Er legte sich, war müde, aber er schlief nicht ein. Warum das so war, wurde ihm lange nicht klar. Ein leises, hauchzartes Summen erfüllte die stickige Luft. Die Steine unter ihm bewegten sich im Einfluss kaum spürbarer Vibrationen.
Überrascht schaute er nach allen Seiten. Aber dort war kein Ursprung des Geräusches zu entdecken. Der Gedanke an die Sichelträger machte seine Erschöpfung vergessen. Aber dieser Ton hatte nichts von dem schrillen Zischen der Dämonen in sich. Thimris bemühte sich, seine Schritte zum Quell zu lenken, aber die Wände, die allenthalben unterbrochen waren, spielten seinen Sinnen mehr als ein Mal einen Streich. Als er sein Ziel schließlich erreichte, blieb er verblüfft und überwältigt stehen. Aus unsichtbarer Höhe strömte ein Wasserfall hinab, ein glitzernder Bogen in all der Finsternis. Am Rand des Raumes war ein riesiges Schaufelrad aufgehangen, das sich unter der Last unzähliger herabtropfender Wassertropfen ächzend drehte. Und daran ...
Thimris trat näher. So etwas hatte er noch nie gesehen. Ein Fluss schimmernden Eisens war es, der da vom Rad ausging. Das leise Summen, das ihn hierher geführt hatte, wandelte sich mit jedem weiterem Schritt mehr zu einem ohrenbetäubenden Donnern auftreffenden Wassers. Jetzt war er heran. Es war kein Strom. Es war ein endloses Band glänzender Platten, die das Rad zog und schob, und die in schneller Folge aus der Tiefe hinaufgezogen und nach Norden geführt wurden. Instinktiv sprang Thimris auf, als die nächste Platte emporstieg.
Rasch wurde er voran getragen. Der Wasserfall und das Zahnrad vereinten sich mit der Dunkelheit vor ihm und das Klappern der einrastenden Platten verstummte. Der metallene Weg führte leicht bergan. So verblieb nur der schmale Streifen des Silbers vor ihm, alles um ihn herum, selbst unter ihm, war Dunkelheit. Es war, als fliege er im Nachthimmel.
Seine Bewunderung für die Baukünste des Untergegangenen Volkes von Ur-Gish war grenzenlos. Was hätten sie erreichen können, wenn ihre Kultur nicht ausgestorben wäre. Wie hatte es eigentlich geschehen können, dass ein Volk, das solche Monumente errichten konnte überhaupt in Vergessenheit geriet. Eine Katastrophe, die zu so etwas fähig war, konnte und wollte er sich nicht vorstellen.
Das gleichmäßige Gleiten beruhigte ihn. Er fühlte sich sicher. Er dämmerte ein, schlief kurze Zeit, erwachte wieder.
Ein oder zweimal geriet der Boden unter ihm in sichtweite, als er sich der Bahn entgegenstreckte oder besonders dicht mit dem leuchtenden Moos bewachsen war. Dieser Ort hier war ungezähmt, ursprünglich. Die Erbauer der Stadt hatten die riesigen Kavernen des Berges so belassen, wie sie vorgefunden hatten, nur die ewig fortdauernde Straße war Zeugnis, dass Menschen jemals hier gewesen waren.
Schließlich, als Thimris schon dachte, die Straße setzte sich wirklich bis in die Unendlichkeit fort, erfüllte wieder ein dieses leichte Summen die Luft. Suchend schaute Thimris in die Ferne, aber die Dunkelheit verhüllte alles, was weiter als einige Schritte von ihm entfernt war. Deshalb konnte er nicht mehr rechtzeitig abspringen, als die Platten vor ihm umklappten und wieder in der Tiefe versanken, aus der sie gekommen waren.
Thrimris rutschte zur Seite, fiel, prallte hart auf ein brutal in den Weg ragendes Hinderniss, berührte noch im Sturz ein halbes Dutzend andere, bevor er mit einem Aufprall, der ihm die Luft aus den Lungen presste, sicheren Boden erreichte.
Aber dann, vor sich, sah er den Ausgang.

Gorn mit der Axt
18.04.2006, 18:24
Ein Portal, ebenso gewaltig wie das Eingangstor, erstreckte sich dort.
Aber dann der Schreck. Ein Türklopfer, ein Knauf, alles, was zum Öffnen der gewaltigen Flügel hätte dienen können, fehlte. Doch Thimris zwang sich zur Ruhe. Er sammelte seine Gedanken und Fähigkeiten.
Der Splitter und damit auch der fliehende Sichelträger waren weit entfernt. Nicht so fern, dass seine Anwesenheit ihn nicht geschwächt hätte, aber doch weit genug.
Ein winziger Lichtpunkt sammelte sich über seinen ausgestreckten Fingern, erzitterte und flog dann wankend auf die mächtigen Tore zu. Ein gedämpftes Krachen ertönte, hallte in den tiefen des Berges wieder.
Thimris besah sich den Schaden. Kein Lichtstrahl lugte herein. Seine Sphäre hatte den massiven Stein des Portals geschnitten, doch auf der anderen Seite versank der neugeformte Tunnel in Schutt und Staub. Der nördliche Eingang war, wer weiß seit wie vielen Jahren oder Jahrhunderten bereits, verschüttet.
Thimris atmete tief ein. Er hatte nur eine Idee, wie die Hürde zu nehmen war. Er trat in den Schatten in der Ecke der Eingangshalle, weit genug von dem Ziel seines Trachtens entfernt.
Mühselig sammelte er das wenige, was ihm von seinen Reserven noch verblieben war. Zwei Lichter in seinen Händen bildeten sich strahlend, wuchsen heran bis auch der letzte Winkel des Raumes in mattes Licht getaucht war. Als er sie ausgelaugt losschickte, teilten sie sich und prallten gegen die titanischen Türpfeiler, in denen die Portale verankert waren. Sie bohrten sich tief ins Gestein und detonierten erst dort. Gesteinsbrocken, so groß wie Marktkarren fielen zu Boden und die Tore erzitterten. Mit ein wenig Glück, so hoffte Thimris, würden sie sich unter dem Druck des Gerölls nach innen neigen und den Durchgang freigeben.
Und es gelang.
Der linke Torflügel drehte sich in seiner Fassung, neigte sich kaum merklich, aber als sein Gewicht ihn erst nach unten zog, fiel er rasend schnell. Thimris hatte die Hände auf seine Ohren gepresst, aber bei dem Höllengelärm fürchtete er dennoch seine Trommelfelle würden platzen. Die Flut des hereindrängenden Schutts presste schließlich auch die rechte Hälfte nach innen. Der doppelte Knall wurde zuletzt noch übertönt vom Rauschen des Gesteinsstroms, der in die Halle gegen die mächtige Säulenkonstruktion der fliegenden Straße krachte.
Aber auch er versiegte mit der Zeit.
Als Thimris es endlich wagte, die Augen zu öffnen, erstreckte sich dort, wo vorher massiver Stein der Weg versperrt hatte ein großer Hang aus herabgestürzten Trümmern, aber ganz oben, wo die Tore an die Decke gemündet hatten, war helles Sonnenlicht zu sehen. Er kletterte, sprang, rannte den steilen Hang hinauf und riss die Augen auf, als er die Spitze erreichte. In der eisigen Luft, die durch die neue Öffnung hereinströmte, stellten sich die Haare an seinen Armen auf, aber er hatte die Höhlen hinter sich gelassen. Vor ihm erstreckten sich weite, schneebedeckte Täler und Schluchten. Als erster Bewohner des Imperiums seit über siebenhundert Jahren setzte er einen Fuß in das Nordland.
In diesem Augenblick des Triumphes ertönte hinter ihm ein schwelendes, unfassbar tiefes Grollen.
Eine Schrecksekunde lang dachte Thimris bei diesem Geräusch an den großen Drachen, aber als er sich umdrehte, sah er, dass es etwasvielfach erschreckenderes und mächtigeres war. Der Erdrutsch hatte die jahrtausendelange Ruhe der Höhlen gestört, das alte Gleichgewicht erschüttert. Nun brachen spröde Stützpfeiler, uralte Verstre-bungen hielten dem Druck nicht länger stand. Die Stadt Ur-Gish und mit ihr das ganze unterirdische Reich brach in sich zusammen.
Diese Löcher im Berg waren von solch immenser Größe, dass das Grenzgebirge selbst wankte und einbrach, das Zentrum des Kontinents presste sich selbst in eine neue Form.
Thimris legte in trotziger Verzweiflung einen Schutzschild über sich, als praktisch die gesamte nördliche Bergwand und alle nachkommenden Massen auf ihn einstürzten.
Weit drang diese Welle aus Eis, Steinen und Erde durch die Täler, über viele Meilen strömte die Lawine einer unaufhaltsamen Flutwelle gleich und bahnte sich ihren Weg. Wälder, Ebenen, sogar kleinere Berge verschwanden auf diesem Weg, der nur eine Schneise zerschmetterter Elemente zurückließ und zuletzt, weit, weit draußen in den tiefen Schluchten und Senken von Argash zum Stehen kam.

Gorn mit der Axt
21.04.2006, 15:11
16. Kampf im Untergrund

Das Wiedersehen Logans mit seinem Freund Jinda, Ziordan und Andraeis war nicht leicht.
Obwohl alle froh waren, dass der erste der Splitter gefunden und vor den suchenden Augen der Nordländer si-cher war, wurde die Stimmung eher bedrückend ob der traurigen Neuigkeiten.
Nach den langen Verzögerungen auf seiner Reise war Logan beunruhigt zu erfahren, dass es weder von Jeel und Thimris noch von Allen und Wern eine Nachricht gab, die er schon lange zurück im verhältnismäßig sicheren Heerlager gewähnt hatte. Auch war er entsetzt als er von den zahllosen Niederlagen des Imperiums an allen Fronten erfuhr und in den Augen seines Freundes sah, was der Krieg und unterdrückte Angst bei Jinda angerichtet hatten. Andraeis und Ziordan wechselten verstehende Blicke.
Aber noch ein weiteres schreckliches Ereignis sollte den Abend seiner Ankunft überschatten.
„Nun,“ meinte Andraeis erleichtert und klopfte Logan auf die Schulter. „ das ist doch wenigstens mal eine gute Nachricht unter alle den Schlechten. Ich bedaure es dir nichts über das Fortkommen deiner Geschwister mitteilen zu können.“ Ehrlich besorgt legte sich seine Stirn in Falten. Die letzten Wochen hatten auch ihm viel abverlangt, aber indem er ihnen Arroganz und Eitelkeit opferte, erstarkte er zugleich von innen.
„Ich fürchte, dass wenn sie nicht bald zurückkehren, jede Hilfe für uns vergebens sein wird.“
Logans Erwiderung erstickte er schon im Keim und hob entschuldigend die Hand.
„Mir ist bewusst, welcher Gefahr du und deine Geschwister euch für das Imperium aufbürdet, und nichts liegt mir ferner als zur Eile zu rufen. Aber es ist so, wir werden uns nicht mehr lange halten können. In ein oder zwei Wochen werden wir uns in der Hauptstadt verschanzen. Werden wir erst belagert, wird es für sie kein Durchkommen mehr geben.“
Logan sah bei diesen bedrückenden Worten zu Jinda herüber, doch sein Freund schaute nur starr auf den festge-tretenen Zeltboden. Es gehörte nicht viel dazu, zu erraten, um wen seine Gedanken kreisten.
Oben, auf der Nabe, in der sich die aufstrebenden Zeltstangen trafen, erklang der Schrille Ruf eines Vogels.
Besorgt wandte Logan den Kopf zur durchhängenden Zeltplane, auf der sich deutlich Terzes Schatten abzeichnete.
„Ziordan deutete seine niedergeschlagene Miene richtig und lenkte ein.
„Es wäre sehr hilfreich, wenn ich denn Splitter einmal sehen könnte.“
Auf Logans Gesicht zeigte sich für einen Moment Verwirrung, dann antwortete er.
„Ja, natürlich. Wie dumm von mir.“
Er nahm seinen Beutel auf und entpackte den Stein mit großer Vorsicht.
Als sein helles Strahlen das Zelt durchdrang, war vom König ein Laut der Bewunderung zu hören und in Ziordans Augen trat wilde Begeisterung.
„Fantastisch! Etwas vergleichbares habe ich außerhalb An’glions nie gesehen. Ich spüre seine Macht.“
Er stieß ein leises Summen aus.
Ziordan griff nach dem Splitter, doch seine Finger verharrten in der leeren Luft, so als umfassten sie einen Gegenstand gleicher Form, aber mit vielfacher Größe des Kristalls.
„Und du sagst, du konntest seine Kräfte sofort nutzen?“
Logan nickte. „Aber das Gleichgewicht war gestört. Ich war danach wochenlang nicht fähig, überhaupt wieder meiner Gabe Herr zu werden, von dem Splitter gar nicht zu reden.“
Ziordan dachte kurz nach. „Dann werde ich es jetzt am besten einmal versuchen. Vielleicht kann ich dir dann besser helfen dich auf ihn einzustimmen.“
Er wartete, bis Logan seine Zustimmung gegeben hatte, dann schloss er die Augen.

Gorn mit der Axt
26.04.2006, 19:49
Kurz darauf öffnete er sie verwirrt.
„Es geht nicht!“ meinte er frustriert. „Der Stein funktioniert, ich kann ihn deutlich spüren, aber er nimmt keinerlei Magie von mir an.“
Sein Blick ruhte auf Logan, dann wanderte er in die Höhe, bis er Terzes Abbild streifte.
„Natürlich! Ich hätte sofort darauf kommen müssen. Der Stein hat sich auf deine Gabe eingestellt, auf deine individuelle Verbindung zur Magie. Aber das bedeutet, dass ohne große Mühe niemand außer dir den Stein benutzen können wird.“
Der König nickte bestätigend.
„Nun, das ist bedauerlich, aber ich halte es nur für gerechtfertigt, dass darin sein Vorrecht bestehen sollte, schließlich war er es auch, der die Strapazen der Suche auf sich nahm, nicht wahr, mein freund?“
Aus Ziordans Kapuze erscholl ein gedämpftes Murmeln und der König lächelte.
Dann strichen seine Finger über die rotgefleckte Landkarte und seine Züge verhärteten sich.
„Es ist vielleicht am besten, wenn du den Splitter jetzt sofort ausprobierst. Wenn es dir nicht gelingen sollte, seine Kraft freizusetzen, dann möchte ich das lieber jetzt erfahren, als auf der Höhe der Belagerung, wenn ich darauf angewiesen bin.“
Logan neigte zustimmend den Kopf und trat mit einer leichten Verbeugung nach draußen.
Hier war die Luft kühler. Selbst in der Nähe der Wüste war der Anbruch des Winters spürbar. Fast war es, als bräche gemeinsam mit den Dämonen auch das Klima des Nordlandes über sie herein. Er dachte an die Magi unter den Tzetzlani und erzitterte.
Dann aber fasste er sich und lenkte seine Konzentration auf den Kristall.
Er ging langsam vor, denn wo zuvor ein stiller See ruhte, tobte jetzt ein weites Meer, das ihn sofort umschlang und von allen Seiten auf ihn einwirkte. Zuerst schreckte Logan vor dieser gewaltigen, ungezügelten Kraft zurück, dann aber machte er entschlossen Schritt um Schritt auf das Zentrum dieser Macht zu. Gerade wollte er ein Erstes der wenigen Muster erproben, dass die lange Unterbrechung in der Wüste in seinem Gabengedächtnis überstanden hatte und ruhelos schlummerte, da spürte er in den wilden Wogen der Magie einen... Pfad, eine Strömung, geradliniger und ebenmäßiger als die zufälligen Wirbel um ihn herum.
Er folgte diesem Pfad, doch der brachte ihn nicht, wie er angenommen hatte weiter ins glühende Innere der Gabe sondern führte vielmehr zurück in die äußeren Gefilde. Dort floss er stetig weiter auf die Grenzen der Magie zu, schwächer hier zwar, so dass er ihn wohl nicht bemerkt hätte, wenn er nicht schon danach suchte.
Hier war seine Gabe kein tobendes Meer, sie war seicht und schwach, soweit von Quelle und Verstärker entfernt.
Langsam schob er sich vorwärts und spürte seine Gabe enden. Aber die Magie ging weiter.
Wirklich wie ein Ozean gab es seichte und tiefe Stellen und hier, nachdem er den Bereich, der allein früher ihm zugänglich war, überschritten hatte, nahm die innere Kraft wieder zu.
Auch die Strömung, der er folgte, kam wieder sichtbar stärker zum Vorschein.
Irgendwann war das Ende erreicht. Der Strom versank in der Tiefe, die hier noch undurchdringlicher war als in seinen Gefilden.
Logan blickte ins Wasser und sah seinen Bruder.
Vielleicht wäre das Wort spüren angemessener, auf jeden Fall wurde ihm in diesem Moment klar, dass ihn sein Weg in die Gabe seines Bruders gelenkt hatte. Er konzentrierte sich, tauchte tief in die Magie ein, suchte den Ursprung.
Kälte!
Das war es, was er als erstes wahrnahm, eisige, nein, brennende Kälte. Kurze Eindrücke durchzuckten seinen Geist, Thimris, wandernd in einer phantastischen Landschaft in der Dunkelheit, Thimris in einer Kaverne, erfüllt von schimmerndem Licht, Thimris, begraben unter einem Berg aus Eis und gefrorener Erde.
Logan zuckte zurück!