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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Lieblingsgedichte



mondy
31.07.2007, 13:53
was sind eure lieblingsgedichte?
von wem?
könnt ihr über diesen dichter etwas erzählen?

und kennt ihr auch ein gedicht, dass von einem ort handelt dass in eurer nähe ist ?


ich hab da eins von Günter Eich :



Geisenhausen

Das Gras auf dem Turmgesimse
erzittert im Glockenschlag
Die Flüge der Dohlen teilen den
Himmel mir und den Tag.

So werden Glocken und Vögel
mein Raum und meine Zeit
das Ochsengespann in der Tiefe
zieht Holz in die ewigkeit .

der zeiger der turmuhr läuft schneller
unter dem dohlengewicht.
Die vögel über den dächern
fürchten kein gericht.

Sirius
31.07.2007, 22:26
Lieblingsgedichte?
Die meisten Gedichte die ich höre sind zwar wundervoll aber meisten vergesse ich sie ruckzuck wieder. Aber mein absoluter Favorit ist wohl der Erlkönig:

Erlkönig

Johann Wolfgang Goethe

Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?
Es ist der Vater mit seinem Kind;
Er hat den Knaben wohl in dem Arm,
Er faßt ihn sicher, er hält ihn warm.

Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht? -
Siehst Vater, du den Erlkönig nicht?
Den Erlenkönig mit Kron und Schweif? -
Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif. –

»Du liebes Kind, komm, geh mit mir!
Gar schöne Spiele spiel ich mit dir;
Manch bunte Blumen sind an dem Strand,
Meine Mutter hat manch gülden Gewand.«

Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht,
Was Erlenkönig mir leise verspricht? -
Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind;
In dürren Blättern säuselt der Wind. –

»Willst, feiner Knabe, du mit mir gehn?
Meine Töchter sollen dich warten schön;
Meine Töchter führen den nächtlichen Reihn
Und wiegen und tanzen und singen dich ein. «

Mein Vater, mein Vater, und siehst du nicht dort
Erlkönigs Töchter am düstern Ort? -
Mein Sohn, mein Sohn, ich seh es genau:
Es scheinen die alten Weiden so grau. –

»Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt;
Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt. «
Mein Vater, mein Vater, jetzt faßt er mich an!
Erlkönig hat mir ein Leids getan! –

Dem Vater grauset's, er reitet geschwind,
Er hält in den Armen das ächzende Kind,
Erreicht den Hof mit Mühe und Not;
In seinen Armen das Kind war tot.


Ich glaube über Goethe muss ich nicht viel erzählen oder? Ich weiß nämlich selbst kaum was über ihn:D
Welches das in der Nähe handelt? Nein...es sei denn ich schreibe eins:D

Filiusluna
01.08.2007, 00:59
ja ich find des hier am besten finds einfach toll


Sie Hatte Tränen Im Gesicht , als sie sagte:" Ich Liebe Dich!" Doch er glaubte ihr nicht. Sie ging durch die Straßen , ihr Herz war leer, und ihr Leben wollte sie nicht mehr! Sie stand auf den Schienen und hörte den Zug kommen. "Ihr todesschrei"

Zu spät stand er an ihrem Grab, Mit Tränen im Gesicht, als er sagte:" Ich liebe dich!!!!!!!!!!"


edit: war mal meine sig:D:D:D

Dr. Strangelove
01.08.2007, 09:17
Hallo, Brut meldet sich mal kurz aus dem Urlaub!

Ich liebe Gedichte! Sowohl klassische als auch moderne, doch eine Bedingung steht dabei für mich: sie sollten sich reimen. Gedichte, die sich nicht reimen, sagen mir einfach nicht zu. Von den klassischen Dichtern sind mir Goethe und Heinrich Heine am liebsten, weil ihre Ausdrucksstärke schätze, ihre Kraft, mit der Sprache so zu spielen, sie sanftmütig zu berühren oder machtstrotzend in dei Höhe stoßen. Sie können pompöse, aber auch sehr sensible, feinfühlige Dichter sein, so etwa Heine mit seiner Lorelei.

An modernen Dichtern gefällt mir Erich Kästner am besten. Ich spreche nicht von seinen Kindergedichten, die er in dem etwas merkwürdigen Band Das verhexte Telefon veröffentlicht. Ich meine seine üblichen, kritischen Gedichte, die er "für Erwachsene" geschrieben hatte. Meiner Meinung nach sind sie für jedermann. Kästners Dichtungen sprühen vor mal trockenem, mal augenzwinkerndem Humor und wenden sich kritisch, manchmal hämisch, den kleinen und großen Problemen unserer Welt zu.

Ja ... das wär's dann mal. :)
Grüße,
Brut

Tybald
02.08.2007, 16:26
Mein Prüfungsgedicht, ist zu meinem Lieblingsgedicht geworden. Ein Held.

hrm *räusper*


Theodor Fontane

John Maynard

John Maynard!
"Wer ist John Maynard?"
"John Maynard war unser Steuermann,
Aus hielt er, bis er das Ufer gewann,
Er hat uns gerettet, er trägt die Kron',
Er starb für uns, unsre Liebe sein Lohn.
John Maynard."

Die "Schwalbe" fliegt über den Erie-See,
Gischt schäumt um den Bug wie Flocken von Schnee;
Von Detroit fliegt sie nach Buffalo -
Die Herzen aber sind frei und froh,
Und die Passagiere mit Kindern und Fraun
Im Dämmerlicht schon das Ufer schaun,
Und plaudernd an John Maynard heran
Tritt alles: "Wie weit noch, Steuermann?"
Der schaut nach vorn und schaut in die Rund:
"Noch dreißig Minuten ... Halbe Stund."

Alle Herzen sind froh, alle Herzen sind frei -
Da klingt's aus dem Schiffsraum her wie Schrei,
"Feuer!" war es, was da klang,
Ein Qualm aus Kajüt und Luke drang,
Ein Qualm, dann Flammen lichterloh,
Und noch zwanzig Minuten bis Buffalo.

Und die Passagiere, bunt gemengt,
Am Bugspriet stehn sie zusammengedrängt,
Am Bugspriet vorn ist noch Luft und Licht,
Am Steuer aber lagert sich´s dicht,
Und ein Jammern wird laut: "Wo sind wir? wo?"
Und noch fünfzehn Minuten bis Buffalo. -

Der Zugwind wächst, doch die Qualmwolke steht,
Der Kapitän nach dem Steuer späht,
Er sieht nicht mehr seinen Steuermann,
Aber durchs Sprachrohr fragt er an:
"Noch da, John Maynard?"
"Ja,Herr. Ich bin."


"Auf den Strand! In die Brandung!"
"Ich halte drauf hin."
Und das Schiffsvolk jubelt: "Halt aus! Hallo!"
Und noch zehn Minuten bis Buffalo. - -

"Noch da, John Maynard?" Und Antwort schallt's
Mit ersterbender Stimme: "Ja, Herr, ich halt's!"
Und in die Brandung, was Klippe, was Stein,
Jagt er die "Schwalbe" mitten hinein.
Soll Rettung kommen, so kommt sie nur so.
Rettung: der Strand von Buffalo!

Das Schiff geborsten. Das Feuer verschwelt.
Gerettet alle. Nur einer fehlt!

Alle Glocken gehn; ihre Töne schwell'n
Himmelan aus Kirchen und Kapell'n,
Ein Klingen und Läuten, sonst schweigt die Stadt,
Ein Dienst nur, den sie heute hat:
Zehntausend folgen oder mehr,
Und kein Aug' im Zuge, das tränenleer.

Sie lassen den Sarg in Blumen hinab,
Mit Blumen schließen sie das Grab,
Und mit goldner Schrift in den Marmorstein
Schreibt die Stadt ihren Dankspruch ein:
"Hier ruht John Maynard! In Qualm und Brand
Hielt er das Steuer fest in der Hand,
Er hat uns gerettet, er trägt die Kron,
Er starb für uns, unsre Liebe sein Lohn.
John Maynard."

Lateingenie
02.08.2007, 20:10
Mein Prüfungsgedicht, ist zu meinem Lieblingsgedicht geworden. Ein Held.

hrm *räusper*


Theodor Fontane

John Maynard

John Maynard!
"Wer ist John Maynard?"
"John Maynard war unser Steuermann,
Aus hielt er, bis er das Ufer gewann,
Er hat uns gerettet, er trägt die Kron',
Er starb für uns, unsre Liebe sein Lohn.
John Maynard."

Die "Schwalbe" fliegt über den Erie-See,
Gischt schäumt um den Bug wie Flocken von Schnee;
Von Detroit fliegt sie nach Buffalo -
Die Herzen aber sind frei und froh,
Und die Passagiere mit Kindern und Fraun
Im Dämmerlicht schon das Ufer schaun,
Und plaudernd an John Maynard heran
Tritt alles: "Wie weit noch, Steuermann?"
Der schaut nach vorn und schaut in die Rund:
"Noch dreißig Minuten ... Halbe Stund."

Alle Herzen sind froh, alle Herzen sind frei -
Da klingt's aus dem Schiffsraum her wie Schrei,
"Feuer!" war es, was da klang,
Ein Qualm aus Kajüt und Luke drang,
Ein Qualm, dann Flammen lichterloh,
Und noch zwanzig Minuten bis Buffalo.

Und die Passagiere, bunt gemengt,
Am Bugspriet stehn sie zusammengedrängt,
Am Bugspriet vorn ist noch Luft und Licht,
Am Steuer aber lagert sich´s dicht,
Und ein Jammern wird laut: "Wo sind wir? wo?"
Und noch fünfzehn Minuten bis Buffalo. -

Der Zugwind wächst, doch die Qualmwolke steht,
Der Kapitän nach dem Steuer späht,
Er sieht nicht mehr seinen Steuermann,
Aber durchs Sprachrohr fragt er an:
"Noch da, John Maynard?"
"Ja,Herr. Ich bin."


"Auf den Strand! In die Brandung!"
"Ich halte drauf hin."
Und das Schiffsvolk jubelt: "Halt aus! Hallo!"
Und noch zehn Minuten bis Buffalo. - -

"Noch da, John Maynard?" Und Antwort schallt's
Mit ersterbender Stimme: "Ja, Herr, ich halt's!"
Und in die Brandung, was Klippe, was Stein,
Jagt er die "Schwalbe" mitten hinein.
Soll Rettung kommen, so kommt sie nur so.
Rettung: der Strand von Buffalo!

Das Schiff geborsten. Das Feuer verschwelt.
Gerettet alle. Nur einer fehlt!

Alle Glocken gehn; ihre Töne schwell'n
Himmelan aus Kirchen und Kapell'n,
Ein Klingen und Läuten, sonst schweigt die Stadt,
Ein Dienst nur, den sie heute hat:
Zehntausend folgen oder mehr,
Und kein Aug' im Zuge, das tränenleer.

Sie lassen den Sarg in Blumen hinab,
Mit Blumen schließen sie das Grab,
Und mit goldner Schrift in den Marmorstein
Schreibt die Stadt ihren Dankspruch ein:
"Hier ruht John Maynard! In Qualm und Brand
Hielt er das Steuer fest in der Hand,
Er hat uns gerettet, er trägt die Kron,
Er starb für uns, unsre Liebe sein Lohn.
John Maynard."


Das kam bei uns in ner Schulaufgabe dran §gnah

Außer der ein oder anderer Erlkönigverarsche hab ich keine lieblingsgedichte

Ferox
03.08.2007, 05:30
Die Bürgschaft
Friedrich von Schiller

Zu Dionys, dem Tyrannen, schlich
Damon, den Dolch im Gewande:
Ihn schlugen die Häscher in Bande,
»Was wolltest du mit dem Dolche? sprich!«
Entgegnet ihm finster der Wüterich.
»Die Stadt vom Tyrannen befreien!«
»Das sollst du am Kreuze bereuen.«

»Ich bin«, spricht jener, »zu sterben bereit
Und bitte nicht um mein Leben:
Doch willst du Gnade mir geben,
Ich flehe dich um drei Tage Zeit,
Bis ich die Schwester dem Gatten gefreit;
Ich lasse den Freund dir als Bürgen,
Ihn magst du, entrinn' ich, erwürgen.«

Da lächelt der König mit arger List
Und spricht nach kurzem Bedenken:
»Drei Tage will ich dir schenken;
Doch wisse, wenn sie verstrichen, die Frist,
Eh' du zurück mir gegeben bist,
So muß er statt deiner erblassen,
Doch dir ist die Strafe erlassen.«

Und er kommt zum Freunde: »Der König gebeut,
Daß ich am Kreuz mit dem Leben
Bezahle das frevelnde Streben.
Doch will er mir gönnen drei Tage Zeit,
Bis ich die Schwester dem Gatten gefreit;
So bleib du dem König zum Pfande,
Bis ich komme zu lösen die Bande.«

Und schweigend umarmt ihn der treue Freund
Und liefert sich aus dem Tyrannen;
Der andere ziehet von dannen.
Und ehe das dritte Morgenrot scheint,
Hat er schnell mit dem Gatten die Schwester vereint,
Eilt heim mit sorgender Seele,
Damit er die Frist nicht verfehle.

Da gießt unendlicher Regen herab,
Von den Bergen stürzen die Quellen,
Und die Bäche, die Ströme schwellen.
Und er kommt ans Ufer mit wanderndem Stab,
Da reißet die Brücke der Strudel herab,
Und donnernd sprengen die Wogen
Dem Gewölbes krachenden Bogen.

Und trostlos irrt er an Ufers Rand:
Wie weit er auch spähet und blicket
Und die Stimme, die rufende, schicket.
Da stößet kein Nachen vom sichern Strand,
Der ihn setze an das gewünschte Land,
Kein Schiffer lenket die Fähre,
Und der wilde Strom wird zum Meere.

Da sinkt er ans Ufer und weint und fleht,
Die Hände zum Zeus erhoben:
»O hemme des Stromes Toben!
Es eilen die Stunden, im Mittag steht
Die Sonne, und wenn sie niedergeht
Und ich kann die Stadt nicht erreichen,
So muß der Freund mir erbleichen.«

Doch wachsend erneut sich des Stromes Wut,
Und Welle auf Welle zerrinnet,
Und Stunde an Stunde ertrinnet.
Da treibt ihn die Angst, da faßt er sich Mut
Und wirft sich hinein in die brausende Flut
Und teilt mit gewaltigen Armen
Den Strom, und ein Gott hat Erbarmen.

Und gewinnt das Ufer und eilet fort
Und danket dem rettenden Gotte;
Da stürzet die raubende Rotte
Hervor aus des Waldes nächtlichem Ort,
Den Pfad ihm sperrend, und schnaubert Mord
Und hemmet des Wanderers Eile
Mit drohend geschwungener Keule.

»Was wollt ihr?« ruft er vor Schrecken bleich,
»Ich habe nichts als mein Leben,
Das muß ich dem Könige geben!«
Und entreißt die Keule dem nächsten gleich:
»Um des Freundes willen erbarmet euch!«
Und drei mit gewaltigen Streichen
Erlegt er, die andern entweichen.

Und die Sonne versendet glühenden Brand,
Und von der unendlichen Mühe
Ermattet sinken die Kniee.
»O hast du mich gnädig aus Räubershand,
Aus dem Strom mich gerettet ans heilige Land,
Und soll hier verschmachtend verderben,
Und der Freund mir, der liebende, sterben!«

Und horch! da sprudelt es silberhell,
Ganz nahe, wie rieselndes Rauschen,
Und stille hält er, zu lauschen;
Und sieh, aus dem Felsen, geschwätzig, schnell,
Springt murmelnd hervor ein lebendiger Quell,
Und freudig bückt er sich nieder
Und erfrischet die brennenden Glieder.

Und die Sonne blickt durch der Zweige Grün
Und malt auf den glänzenden Matten
Der Bäume gigantische Schatten;
Und zwei Wanderer sieht er die Straße ziehn,
Will eilenden Laufes vorüber fliehn,
Da hört er die Worte sie sagen:
»Jetzt wird er ans Kreuz geschlagen.«

Und die Angst beflügelt den eilenden Fuß,
Ihn jagen der Sorge Qualen;
Da schimmern in Abendrots Strahlen
Von ferne die Zinnen von Syrakus,
Und entgegen kommt ihm Philostratus,
Des Hauses redlicher Hüter,
Der erkennet entsetzt den Gebieter:

»Zurück! du rettest den Freund nicht mehr,
So rette das eigene Leben!
Den Tod erleidet er eben.
Von Stunde zu Stunde gewartet' er
Mit hoffender Seele der Wiederkehr,
Ihm konnte den mutigen Glauben
Der Hohn des Tyrannen nicht rauben.«

»Und ist es zu spät, und kann ich ihm nicht,
Ein Retter, willkommen erscheinen,
So soll mich der Tod ihm vereinen.
Des rühme der blut'ge Tyrann sich nicht,
Daß der Freund dem Freunde gebrochen die Pflicht,
Er schlachte der Opfer zweie
Und glaube an Liebe und Treue!«

Und die Sonne geht unter, da steht er am Tor,
Und sieht das Kreuz schon erhöhet,
Das die Menge gaffend umstehet;
An dem Seile schon zieht man den Freund empor,
Da zertrennt er gewaltig den dichter Chor:
»Mich, Henker«, ruft er, »erwürget!
Da bin ich, für den er gebürget!«

Und Erstaunen ergreifet das Volk umher,
In den Armen liegen sich beide
Und weinen vor Schmerzen und Freude.
Da sieht man kein Augen tränenleer,
Und zum Könige bringt man die Wundermär';
Der fühlt ein menschliches Rühren,
Läßt schnell vor den Thron sie führen,

Und blicket sie lange verwundert an.
Drauf spricht er: »Es ist euch gelungen,
Ihr habt das Herz mir bezwungen;
Und die Treue, sie ist doch kein leerer Wahn -
So nehmet auch mich zum Genossen an:
Ich sei, gewährt mir die Bitte,
In eurem Bunde der dritte!«

Diese Ballade ist einfach toll. Ich habe sie mal, gemeinsam mit einem Freund, auswendig gelernt und in schauspielerischer Art und Weise in der Schule vor Publikum (Eltern und solche Leute; ein Varieté-Abend, um die Stufenkasse zu füllen) dargestellt.
Was gibt es tolleres: Liebe, Freundschaft, Kameradschaft. Hach, wie schön. :)

KalomsZweiteFrau
07.08.2007, 20:14
Die meisten (hunderte) Gedichte finde ich öd. Aber wenn die richtige Stimmung mit einem guten Gedicht zusammenkommt, dann raschelt's im Karton. Einige (Dutzend) habe mich aus den Socken gehauen. Z.B. dieses: (http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=348)

EIN GLÜCK

Wie hilflos der Spatz auf der Straße liegt.
Er hat soeben was abgekriegt.
Da hebt das den Kopf, was erledigt schien.
Könnten Spatzen schreien, der hätte geschrien.
Der hätte gebettelt: Erlöse mich.
Der Erlöser wäre im Zweifelsfall ich.
Ist sonst niemand da, die Straße ist leer,
der Wind weht leicht, und der Spatz macht´s mir schwer.
Wen leiden zu sehn, ist nicht angenehm.
Wenn wer sterben will, ist das sein Problem.
So red ich mir zu und geh rascher voran.
Ein Glück, daß ein Spatz nicht schreien kann.

Robert Gernhardt 1997.

oder dieses: (http://www.philosophia-online.de/mafo/heft2003-04/Jobst_Claudius.htm)
Matthias Claudius (1740 – 1815)
Kriegslied (1779)

´s ist Krieg! ´s ist Krieg! O Gottes Engel wehre,
Und rede du darein!
´s ist leider Krieg - und ich begehre
Nicht schuld daran zu sein!

Was sollt ich machen, wenn im Schlaf mit Grämen
Und blutig, bleich und blaß,
Die Geister der Erschlagnen zu mir kämen,
Und vor mir weinten, was?

Wenn wackre Männer, die sich Ehre suchten,
Verstümmelt und halb tot
Im Staub sich vor mir wälzten, und mir fluchten
In ihrer Todesnot?

Wenn tausend tausend Väter, Mütter, Bräute,
So glücklich vor dem Krieg,
Nun alle elend, alle arme Leute,
Wehklagten über mich?

Wenn Hunger, böse Seuch und ihre Nöten
Freund, Freund und Feind ins Grab
Versammleten, und mir zu Ehren krähten
Von einer Leich herab?

Was hülf mir Kron und Land und Gold und Ehre?
Die könnten mich nicht freun!
´s ist leider Krieg – und ich begehre
Nicht schuld daran zu sein!

und natürlich das brüllend-augenzwinkernde aus meiner Signatur

K.

schelli22
07.08.2007, 21:40
Der Handschuh

Vor seinem Löwengarten,
Das Kampfspiel zu erwarten,
Saß König Franz,
Und um ihn die Großen der Krone,
Und rings auf hohem Balkone
Die Damen in schönem Kranz.

Und wie er winkt mit dem Finger,
Auf tut sich der weite Zwinger,
Und hinein mit bedächtigem Schritt
Ein Löwe tritt
Und sieht sich stumm
Rings um,
Mit langem Gähnen,
Und schüttelt die Mähnen
Und streckt die Glieder
Und legt sich nieder.

Und der König winkt wieder,
Da öffnet sich behend
Ein zweites Tor,
Daraus rennt
Mit wildem Sprunge
Ein Tiger hervor.

Wie der den Löwen erschaut,
Brüllt er laut,
Schlägt mit dem Schweif
Einen furchtbaren Reif,
Und recket die Zunge,
Und im Kreise scheu
Umgeht er den Leu
Grimmig schnurrend,
Drauf streckt er sich murrend
Zur Seite nieder.

Und der König winkt wieder;
Da speit das doppelt geöffnete Haus
Zwei Leoparden auf einmal aus,
Die stürzen mit mutiger Kampfbegier
Auf das Tigertier;
Das packt sie mit seinen grimmigen Tatzen,
Und der Leu mit Gebrüll
Richtet sich auf - da wird's still;
Und herum im Kreis,
Von Mordsucht heiß,
Lagern sich die greulichen Katzen.

Da fällt von des Altans Rand
Ein Handschuh von schöner Hand
Zwischen den Tiger und den Leun
Mitten hinein.

Und zu Ritter Delorges spottender Weis´,
Wendet sich Fräulein Kunigund:
"Herr Ritter, ist Eure Lieb´ so heiß,
Wie Ihr mir's schwört zu jeder Stund,
Ei, so hebt mir den Handschuh auf."

Und der Ritter in schnellem Lauf
Steigt hinab in den furchtbarn Zwinger
Mit festem Schritte,
Und aus der Ungeheuer Mitte
Nimmt er den Handschuh mit keckem Finger.

Und mit Erstaunen und mit Grauen
Sehen's die Ritter und Edelfrauen,
Und gelassen bringt er den Handschuh zurück.
Da schallt ihm sein Lob aus jedem Munde,
Aber mit zärtlichem Liebesblick -
Er verheißt ihm sein nahes Glück -
Empfängt ihn Fräulein Kunigunde.
Und er wirft ihr den Handschuh ins Gesicht:
"Den Dank, Dame, begehr ich nicht!"
Und verläßt sie zur selben Stunde.

Friedrich Schiller §danke§danke§danke§danke§danke

Gruß scheli22

Lakos
15.08.2007, 16:00
Mein Lieblingsgedicht ist ein ganz kurzes, von Walt Whitman.

O Me! O Life!

O me! Of life!
Of the questions of these recurring,
Of the endless trains of the faithless,
Of cities fill'd with the foolish, ...
What good amid these, O me, O life?

A n s w e r

That you are here - that life exists and identity,
That the powerful play goes on, and you may contribute a verse.

blackscarlett
31.08.2007, 14:06
Laß mich an deinen Lippen trinken,
denn an Munden trank ich mit Verzicht.
Laß mich nicht in deine Arme sinken,
denn mich fassen Arme nicht.

_Romulus_
31.08.2007, 17:07
Es ist nur ein einfaches und kurzes Gedicht, aber ich mag es sehr sehr gerne. :)


Er ist's

Frühling läßt sein blaues Band
wieder flattern durch die Lüfte;
süße, wohlbekannte Düfte
streifen ahnungsvoll das Land.
Veilchen träumen schon,
wollen balde kommen.
Horch, von fern ein leiser Harfenton!
Frühling, ja Du bist ’s!
Dich hab’ ich vernommen!

Eduard Mörike, 1829

Auch mag ich noch J. W. von Goethes Erlkönig oder Heinz Erharts König Erl!
:D

Der König Erl

Wer reitet so spät durch Wind und Nacht?
Es ist der Vater. Es ist gleich acht.
Im Arm den Knaben er wohl hält,
er hält ihn warm, denn er ist erkält'.
Halb drei, Halb fünf. Es wird schon hell.
Noch immer reitet der Vater schnell.
Erreicht den Hof mit Müh und Not---
der Knabe lebt, das Pferd ist tot!

Heinz Erhardt

Dr. Strangelove
31.08.2007, 19:07
Hehe, das gefällt mir ... :D
Stammt nicht auch folgendes von Heinz Erhardt? Ich bin mir nicht mehr so sicher, aber auf jeden Fall begann folgende Version so:


Wer reitet so spät durch Nacht und Gewitter?
Es ist der Vater, er holt noch nen Liter!

Ich bin mir da aber nicht so sicher.
Grüße,
Brut

Tybald
31.08.2007, 19:14
Dies hier hat ein recht unbekannter User geschrieben, den ich schon lange nicht mehr gesehen hab. (vielleicht hat er sich auch umbenennen lassen?)
Jedenfalls kann er sich ja outen, wenn er sein Gedicht hier ließt, ich finde es nämlich sehr sehr schön.


Wenn du merkst, dein Gegenüber ist dir wichtig
Und was sie macht erscheint dir richtig
Wenn du ihr ganz nah sein möchtest
Wenn du in Gedanken bei ihr bist
Dann weißt du, dass es Liebe ist.

Dr. Strangelove
31.08.2007, 19:21
Oh, ich würde gerne mit diesem User sprechen. Mir ist gerade etwas offenbar geworden. ^2^ Leider ist die betreffende Person seit ca. fünf Tagen nicht mehr auf icq oder schuelervz gewesen, und ich vereinsame langsam.
Naja, also wirklich ein sehr wirkungsvolles Gedicht! So viel Wahrheit hab ich in so ein paar kurzen Zeilen selten gehört.
Und klingt noch nicht mal schmalzig.

Tybald
31.08.2007, 19:26
Oh, ich würde gerne mit diesem User sprechen. Mir ist gerade etwas offenbar geworden. ^2^ Leider ist die betreffende Person seit ca. fünf Tagen nicht mehr auf icq oder schuelervz gewesen, und ich vereinsame langsam.
Naja, also wirklich ein sehr wirkungsvolles Gedicht! So viel Wahrheit hab ich in so ein paar kurzen Zeilen selten gehört.
Und klingt noch nicht mal schmalzig.

Beim ersten Lesen dieses Gedichtes hab ich auch so gedacht. Dann stellte sich aber raus, das sie ne ••••• ist ;)
Ich hoffe bei dir isses nich so ^^

Achja: ich mach den Autor mal ausfindig

edit: so....er hatte das Gedicht vor nicht allzu langer Zeit in der ersten Runde des Gedichtewettbewerbs gepostet, ist aber in der Mitgliedsliste nicht mehr auffindbar. Zu dem Zeitpunkt hieß er noch Leor....ich geh von ner Umbenennung aus. Vielleicht findest du ihn ja :)

nùs
15.09.2007, 16:36
Das Büchlein, aus dem ich es entnommen habe, beschreibt es ganz richtig als "rhetorisches Feuerwerk".

Auf die Italienische Weise: O fronte serena

O liebliche Wangen,
ihr macht mir Verlangen,
diß Rote, diß Weiße
zu schauen mit Fleiße!
Und diß nur alleine
ists nicht, das ich meine,
zu schauen, zu grüßen.
zu rühren, zu küssen.
Ihr macht mir Verlangen.
o liebliche Wangen!

O Sonne der Wonne,
o Wonne der Sonne!
O Augen, sie saugen
das Licht meiner Augen!
O englische Sinnen,
o himmlisch Beginnen,
o Himmel auf Erden,
magst du mir nicht werden?
O Wonne der Sonne,
o Sonne der Wonne!

O Schönste der Schönen,
benimm mir diß Sehnen!
Komm, eile, komm, komme,
du Süße, du Fromme!
Ach, Schwester, ich sterbe,
ich sterb', ich verderbe.
Komm, komme, komm, eile,
komm, tröste, komm, heile!
Benimm mir diß Sehnen,
o Schönste der Schönen!

- Paul Fleming

Weltenherrscher
15.09.2007, 23:54
Samuel Taylor Coleridge, "Kubla Khan"

In Xanadu did Kubla Khan
A stately pleasure-dome decree:
Where Alph, the sacred river, ran
Through caverns measureless to man
Down to a sunless sea.
So twice five miles of fertile ground
With walls and towers were girdled round:
And there were gardens bright with sinuous rills,
Where blossomed many an incense-bearing tree;
And here were forests ancient as the hills,
Enfolding sunny spots of greenery.

But oh! that deep romantic chasm which slanted
Down the green hill athwart a cedarn cover!
A savage place! as holy and enchanted
As e'er beneath a waning moon was haunted
By woman wailing for her demon-lover!
And from this chasm, with ceaseless turmoil seething,
As if this earth in fast thick pants were breathing,
A mighty fountain momently was forced:
Amid whose swift half-intermitted burst
Huge fragments vaulted like rebounding hail,
Or chaffy grain beneath the thresher's flail:
And 'mid these dancing rocks at once and ever
It flung up momently the sacred river.
Five miles meandering with a mazy motion
Through wood and dale the sacred river ran,
Then reached the caverns measureless to man,
And sank in tumult to a lifeless ocean:
And 'mid this tumult Kubla heard from far
Ancestral voices prophesying war!
The shadow of the dome of pleasure
Floated midway on the waves;
Where was heard the mingled measure
From the fountain and the caves.

It was a miracle of rare device,
A sunny pleasure-dome with caves of ice!
A damsel with a dulcimer
In a vision once I saw:
It was an Abyssinian maid,
And on her dulcimer she played,
Singing of Mount Abora.
Could I revive within me
Her symphony and song,
To such a deep delight 'twould win me,
That with music loud and long,
I would build that dome in air,
That sunny dome! those caves of ice!
And all who heard should see them there,
And all should cry, Beware! Beware!
His flashing eyes, his floating hair!
Weave a circle round him thrice,
And close your eyes with holy dread,
For he on honey-dew hath fed,
And drunk the milk of Paradise.



"Kubla Khan" ist eigentlich nicht vollständig. Der Dichter beschrieb dieses Werk als "a fragment", und "a vision in a dream". Die Vision des paradiesischen Xanadu hatte Coleridge in einem Opium-Traum, in seinem Heim in einer englischen Kleinstadt. Als er wieder zu sich gekommen war, schrieb er das im Geiste Erlebte nieder. Es wird vermutet, dass nach der 2. Strophe ein Besucher die Konzentration des Dichters störte und es so nicht möglich war, zu dieser Fantasiewelt zurückzukehren, sodass der volle Gehalt der Vision für immer verloren bleiben wird. Daher steht die 3. Strophe, und so gesehen das ganze Fragment, als ein Mahnmal an die Macht der Vorstellungskraft und der künstlerischen Erfindungsgabe. Und wohl an die Notwendigkeit, künstlerische Entfaltung ungestört zur Reife kommen lassen zu müssen.