Leichenteich
02.03.2020, 01:05
Das kam mir in meinem anderen Thread wieder in den Kopf. Mein Großvater väterlicherseits war früher in Russland stationiert und kam da auch über längere Zeit nach dem Krieg in Kriegsgefangenschaft.
Ich erinnere mich daran, dass mein Vater früher, als ich ein kleiner Bub war zu mir immer sagte, dass ich garnicht weiß, was Hunger ist, wenn ich zu ihm sagte, dass ich Hunger habe. Mein Vater wurde 53 geboren, ich weiß jetzt auch nicht, wie viel oder wie sehr er etwas vom zerstörten Deutschland mitbekommen hat. Oder ob er damals auch als Kind hungern musste. Aber ich glaub zu seiner Zeit, war Deutschland wieder ganz gut aufgebaut und er sagte sowas nur aus den Erzählungen seines Vaters. Ich weiß es aber nicht genau, weil ich nie mit meinen Vater danach gefragt habe.
Ich hab meinen Opa noch ein ganz kleines bisschen kennengelernt. Er ist gestorben, als ich 6 war. Ich kann mich auch nur an eine Situation mit ihm erinnern. Mein Vater und ich waren ihn besuchen und ich war sehr schüchtern, weil ich ihn ja quasi nicht kannte. Er war aber sehr lieb. Ich hab die ganze Zeit auf den Fernseher geschaut, während er mit meinem Vater geredet hat. Und er sagte dann sowas wie "die jungen Kinder schauen immer nur auf den Fernseher". Als ich ihn dann angeschaut habe, hat er mir Süßigkeiten angeboten, die auf einem Teller auf dem Tisch lagen. Das ist eigentlich meine einzige Erinnerung. Ich kann mich auch an seine Beerdigung nicht erinnern. Mein großer Bruder sagte nur mal, dass mich meine Mutter bei der Beerdigung ermahnt hat, weil ich die ganze Zeit gepopelt haben muss.
Nach der Beerdigung hat mein Vater einen großen Teil des Nachlass bekommen. Und darunter war auch eine Schachtel, in der eine Hakenkreuzbinde zusammen mit ein paar Orden war. Ich erinnere mich noch, dass ich das gesehen habe und das mein Vater zu meiner Mutter sagte, dass man das niemanden erzählen sollte. Irgendwie so in der Art. Oder das das keiner wissen darf. Ich weiß es nicht mehr genau. Ich weiß nur noch, dass in unserem Schrank die Schachtel noch vielleicht ein oder 2 Jahre war und das mein Bruder die Schachtel auch mal einen Freund gezeigt hatte.
Natürlich hatte mein Opa damals auch eine Hakenkreuzbinde, denn die hatte wohl jeder. Was das für Orden waren, weiß ich nicht. Kann natürlich rein militärischer Natur sein. Kann aber natürlich auch...ich sag mal "böserer" Natur sein.
Was ich noch über meinen Opa weiß, was meine Mutter mir erzählt hat ist, dass er immer wieder die selbe Story erzählt hat. Das er in der Kriegsgefangenschaft sehr gehungert hat. Seine Leibspeise waren Bratkartoffeln und er hat sich während der Gefangenschaft gesagt, dass er, falls er es nach Hause schafft jeden Tag Bratkartoffeln essen wird. Und sie sagte mir, dass sie ihn auch so kennengelernt hat, dass es bei ihm nur Bratkartoffeln gab und das sie es schon fast wie eine Sucht gesehen hat. Und auch, dass er sich dadurch ein gutes Bäuchlein angefressen hat.
Meine Mutter meinte aber auch, dass er ein ganz lieber Mensch war. Und das er auch von der ganz friedlichen Sorte war. Und das der Gedanke, dass er höchstwahrscheinlich auch getötet hat...wahrscheinlich auch mehrmals, ihr sehr fremd vorkam, so wie sie ihn kennengelernt hat. Und auch, dass er vielleicht auch an den ganzen Gräueltaten gegenüber den Russen seinen Teil hatte. Ich mein, ich sehe es realistisch. Warum sollte mein Opa nicht genauso schlimm gewesen sein, wie die anderen. Ich wünschte nur, dass ich ihn fragen könnte, was er später darüber dachte. Aber das sollte ich vielleicht noch meinen Vater fragen, der in den 60ern und 70ern bekennender Hippie war und auch, weil er kurze Zeit lange Haare hatte Stress mit der Stasi bekommen hat. Der kann mir wahrscheinlich noch was von seinem Vater sagen.
Das steht noch auf meiner to-do Liste mal meinen Vater dazu auszufragen und auch meine Oma mütterlicherseits. Sie war damals ein Kind und hat seit 43 die meiste Zeit einem Bunker bei Magdeburg verbracht. Mein Opa mütterlicherseits hat als ich ein Kind war immer Storys aus dem 2. Weltkrieg erzählt. Das war so eine Tradition, dass wir in die Sauna gingen, die meine Großeltern im Keller haben (sie sind sehr wohlhabend) und wenn wir nach der Sauna auf der Liege entspannt haben, hat er immer Storys erzählt. Ich kann mich leider nur noch an eine erinnern. Da sagte er, dass ein Stadtteil von Magdeburg gebrannt hat und er als junge damals (34 geboren) aus dem Fenster gepinkelt hat und von da aus die Feuer angeschaut hat. Aus dem Fenster hat er gepinkelt, weil Teile des Hauses, in dem sie gelebt haben nicht mehr intakt waren und die Wasserversorgung sowieso nicht mehr funktioniert hat.
Leider muss ich zugeben, dass ich oft bei den Storys auch nicht zugehört habe. Ich war damals auch noch ganz jung und man hat das ganze auch nie verstanden. Ich erinnere mich aber noch daran, wie meine Mutti mich mal ermahnt hatte, als ich (wahrscheinlich) sowas in der Art sagte, dass die Geschichten vom Opa langweilig sind. Ich kann mich daran nicht mehr so gut erinnern. Aber sie sagte zu mir sowas wie, dass an dem Thema nichts langweilig ist und das ich vom Opa lernen soll.
Recht hat sie!
Sorry, wenn der Thread für manche zu lang ist. Aber ich finde, sowas kann man auch gerne ausführen. Und ich würde auch gern hören, wenn jemand Storys von deren Verwandten weiß. Auch gerne länger. Ich interessiere mich sehr für das Thema und auch sehr dafür wie Menschen individuell zu der Zeit gefühlt haben.
Ich erinnere mich daran, dass mein Vater früher, als ich ein kleiner Bub war zu mir immer sagte, dass ich garnicht weiß, was Hunger ist, wenn ich zu ihm sagte, dass ich Hunger habe. Mein Vater wurde 53 geboren, ich weiß jetzt auch nicht, wie viel oder wie sehr er etwas vom zerstörten Deutschland mitbekommen hat. Oder ob er damals auch als Kind hungern musste. Aber ich glaub zu seiner Zeit, war Deutschland wieder ganz gut aufgebaut und er sagte sowas nur aus den Erzählungen seines Vaters. Ich weiß es aber nicht genau, weil ich nie mit meinen Vater danach gefragt habe.
Ich hab meinen Opa noch ein ganz kleines bisschen kennengelernt. Er ist gestorben, als ich 6 war. Ich kann mich auch nur an eine Situation mit ihm erinnern. Mein Vater und ich waren ihn besuchen und ich war sehr schüchtern, weil ich ihn ja quasi nicht kannte. Er war aber sehr lieb. Ich hab die ganze Zeit auf den Fernseher geschaut, während er mit meinem Vater geredet hat. Und er sagte dann sowas wie "die jungen Kinder schauen immer nur auf den Fernseher". Als ich ihn dann angeschaut habe, hat er mir Süßigkeiten angeboten, die auf einem Teller auf dem Tisch lagen. Das ist eigentlich meine einzige Erinnerung. Ich kann mich auch an seine Beerdigung nicht erinnern. Mein großer Bruder sagte nur mal, dass mich meine Mutter bei der Beerdigung ermahnt hat, weil ich die ganze Zeit gepopelt haben muss.
Nach der Beerdigung hat mein Vater einen großen Teil des Nachlass bekommen. Und darunter war auch eine Schachtel, in der eine Hakenkreuzbinde zusammen mit ein paar Orden war. Ich erinnere mich noch, dass ich das gesehen habe und das mein Vater zu meiner Mutter sagte, dass man das niemanden erzählen sollte. Irgendwie so in der Art. Oder das das keiner wissen darf. Ich weiß es nicht mehr genau. Ich weiß nur noch, dass in unserem Schrank die Schachtel noch vielleicht ein oder 2 Jahre war und das mein Bruder die Schachtel auch mal einen Freund gezeigt hatte.
Natürlich hatte mein Opa damals auch eine Hakenkreuzbinde, denn die hatte wohl jeder. Was das für Orden waren, weiß ich nicht. Kann natürlich rein militärischer Natur sein. Kann aber natürlich auch...ich sag mal "böserer" Natur sein.
Was ich noch über meinen Opa weiß, was meine Mutter mir erzählt hat ist, dass er immer wieder die selbe Story erzählt hat. Das er in der Kriegsgefangenschaft sehr gehungert hat. Seine Leibspeise waren Bratkartoffeln und er hat sich während der Gefangenschaft gesagt, dass er, falls er es nach Hause schafft jeden Tag Bratkartoffeln essen wird. Und sie sagte mir, dass sie ihn auch so kennengelernt hat, dass es bei ihm nur Bratkartoffeln gab und das sie es schon fast wie eine Sucht gesehen hat. Und auch, dass er sich dadurch ein gutes Bäuchlein angefressen hat.
Meine Mutter meinte aber auch, dass er ein ganz lieber Mensch war. Und das er auch von der ganz friedlichen Sorte war. Und das der Gedanke, dass er höchstwahrscheinlich auch getötet hat...wahrscheinlich auch mehrmals, ihr sehr fremd vorkam, so wie sie ihn kennengelernt hat. Und auch, dass er vielleicht auch an den ganzen Gräueltaten gegenüber den Russen seinen Teil hatte. Ich mein, ich sehe es realistisch. Warum sollte mein Opa nicht genauso schlimm gewesen sein, wie die anderen. Ich wünschte nur, dass ich ihn fragen könnte, was er später darüber dachte. Aber das sollte ich vielleicht noch meinen Vater fragen, der in den 60ern und 70ern bekennender Hippie war und auch, weil er kurze Zeit lange Haare hatte Stress mit der Stasi bekommen hat. Der kann mir wahrscheinlich noch was von seinem Vater sagen.
Das steht noch auf meiner to-do Liste mal meinen Vater dazu auszufragen und auch meine Oma mütterlicherseits. Sie war damals ein Kind und hat seit 43 die meiste Zeit einem Bunker bei Magdeburg verbracht. Mein Opa mütterlicherseits hat als ich ein Kind war immer Storys aus dem 2. Weltkrieg erzählt. Das war so eine Tradition, dass wir in die Sauna gingen, die meine Großeltern im Keller haben (sie sind sehr wohlhabend) und wenn wir nach der Sauna auf der Liege entspannt haben, hat er immer Storys erzählt. Ich kann mich leider nur noch an eine erinnern. Da sagte er, dass ein Stadtteil von Magdeburg gebrannt hat und er als junge damals (34 geboren) aus dem Fenster gepinkelt hat und von da aus die Feuer angeschaut hat. Aus dem Fenster hat er gepinkelt, weil Teile des Hauses, in dem sie gelebt haben nicht mehr intakt waren und die Wasserversorgung sowieso nicht mehr funktioniert hat.
Leider muss ich zugeben, dass ich oft bei den Storys auch nicht zugehört habe. Ich war damals auch noch ganz jung und man hat das ganze auch nie verstanden. Ich erinnere mich aber noch daran, wie meine Mutti mich mal ermahnt hatte, als ich (wahrscheinlich) sowas in der Art sagte, dass die Geschichten vom Opa langweilig sind. Ich kann mich daran nicht mehr so gut erinnern. Aber sie sagte zu mir sowas wie, dass an dem Thema nichts langweilig ist und das ich vom Opa lernen soll.
Recht hat sie!
Sorry, wenn der Thread für manche zu lang ist. Aber ich finde, sowas kann man auch gerne ausführen. Und ich würde auch gern hören, wenn jemand Storys von deren Verwandten weiß. Auch gerne länger. Ich interessiere mich sehr für das Thema und auch sehr dafür wie Menschen individuell zu der Zeit gefühlt haben.