derSpäteLex
06.02.2019, 13:16
Was für eine epische Reise. Nach über 120 Stunden, habe ich den letzten Bösewicht getötet und Ahssun vor dem sicheren Untergang bewahrt. Das waren 120 Stunden voller Frust und Freude. Auf beide Aspekte und mehr möchte ich nun näher eingehen.
Freude:
Ahssun ist eine wundervolle Insel. Vor allem in den ersten 80% der Kampagne. Man erforscht das malerische Umland mit seinen tiefen Wäldern, plätschernden Bächen, verwinkelten Ecken und geheimnisvollen Höhlen. Überall gibt es interessante Details zu entdecken und Schätze zu finden. Oftmals eröffnen sich grandiose Panoramen und einprägsame Perspektiven.
Teils spektakulär geht es dann im Sumpf weiter. Was dieses Gebiet audiovisuell, inbesondere in nächtlichen Stunden zu bieten hat, ist absolute beeindruckend!
Diese Qualität kann dann auch das Ödland in weiten Teilen halten. Die Topografie dieser verdorrten Einöde ist einfach fantastisch. In der Fläche eigentlich recht überschaubar, erfordert es doch eine ganze Weile, sich dort zurecht zu finden. Das liegt wohl vor allem an der clever genutzten Vertikale. Überall gibt es Abzweigungen, Schluchten, verwinkelte Pfade und versteckte Zugänge zu entdecken. Schade nur, dass der bedrohliche Nebel, von dem immer wieder einige Bewohner Ahssuns berichten, zu keiner Zeit vorzukommen scheint. Hier hätte ich mir eine ähnliche Kulisse gewünscht, wie sie des nachts im Sumpf vorzufinden ist. Ein leichter Nebel hätte das Gefühl einer permanenten Bedrohung durch etwas nicht greifbar Böses noch deutlich gesteigert oder überhaupt erst aufkommen lassen.
Neutral:
Hat man das Ödland erst einmal hinter sich gelassen, fällt die Qualität der kommenden Regionen im Vergleich zu Umland, Sumpf und Ödland leider spürbar ab. Das dürfte zum einen an den deutlich kleineren Flächen von Eisregion und Wüste liegen (im Vergleich zum Umland). Und zum anderen an der geringeren Dichte von POIs. Gibt es im Umland noch praktisch alle fünf Schritte etwas zu entdecken, in manchen Fällen erst, nachdem man eine Stelle schon vielfach passiert hatte, so erweisen sich Wüste und insbesondere die Eiswelt nicht nur in ihrer Vegetation als eher karg. Hat man diese Regionen ein mal abgelaufen, gibt es kaum einen Grund noch ein mal zurück zu kehren. Immerhin hat zumindest die Wüste optisch einiges zu bieten. Farbgebung, Texturierung und Topografie sind dort angenehm frisch und hochwertig.
Ein Teil der milden Enttäuschung rührt wohl auch daher, dass es in Eiswelt und Wüste immer wieder "Endpunkte" gibt, die den Spieler nicht mit ein paar Kleinigkeiten belohnen. Da klettert man einen Berg hinauf, erkundet eine Turmruine, tötet eine Horde Monster und findet ... nichts.
Aber sicher hängt das auch mit dem Gothic-Konzept zusammen. Irgendwann gibt es diese Situationen nicht mehr, in denen man auf wackeligen Beinen durch bedrohliche Kulisse stolpert, einfach zu überleben versucht, irgendwann hoffentlich bekanntes Terrain erreicht und sich schwört, später noch mal wieder zu kommen. Man ist dann einfach schon zu stark und echte Hindernisse werden selten.
Frust:
In der aktuellen, von mir gespielten 1.0.0er Version, ist LoA noch gut gespickt mit fiesen Bugs. Manche davon Game braking, andere nur nervig. Ohne den wirklich hervorragenden Support durch Eiskönig, TheEternal, Kersoph, Milky-Way und Co, wäre das Spiel für mich nicht zu beenden gewesen. Noch mal einen herzlichen Dank an alle, die mich bei meiner Reise unterstützt haben! Einen ausführlichen Thread zu den Bugs habe ich bereits erstellt. Daher gehe ich hier nicht noch mal im Detail auf bereits genanntes ein. Die allermeisten Bugs und Flaws sollten inzwischen auch bekannt sein. Vermutlich bin ich in 9 von 10 mögliche Bugs gestolpert. Leider gehöre ich wohl zu den Leuten, die ein Händchen dafür haben, sich in missliche Lagen zu bringen.
Abseits der Bugs gibt es dann noch ein paar ungünstige Questführungen. Da bringen einen Tagebucheinträge auf die falsche Fährte (Nazos & Isere) oder Dialoge suggerieren Möglichkeiten, die so gar nicht existieren (Frauenhandel). Wer das Spiel einfach nur entspannt durchspielen möchte, der sollte vielleicht noch bis zum kommenden Patch warten.
Gar nicht gefallen will mir auch der Zweihand-Kampf. Bis kurz vor Ende gibt es immer eine Einhandwaffe, die letztlich stärker ist. Das liegt nicht nur an den nahezu gleichen Schadenswerten der Waffengattungen bis hin zum Late Game, sondern auch am hakeligen Zweihandkampf an sich. Kann man mit einer Einhandwaffe oftmals den Angriffen der Gegner zuvor kommen oder geschwind ausweichen, fängt man sich mit der klobigen Zweihandwaffe häufiger einen Schlag. Am Kampfsystem kann das LoA Team sicher nicht viel ändern. Das kommt so direkt aus Gothic 2. Möglich wäre aber ein neues ausbalancieren der Schadenswerte im Early und Mid Game. So wie er jetzt gestaltet ist, taugt der Zweihandkampf wohl nur für Masochisten.
Als störend empfinde ich außerdem die Wegfindung einiger NPCs. Besonders im Gedächtnis geblieben, sind mir dabei Cortez auf der Suche nach einem zweiten Zugang zum Sumpf - der Gute brauchte locker fünf Anläufe, um durch das Ruinendorf zu kommen - und der Kampftrupp im Hafen. Bei der Befreiungsaktion verheddern sich viele Kämpfer derart in der Architektur, dass ein direkter Angriff kaum zu schaffen war. Ich musste weite Teile des Hafens alleine säubern, damit mein verpeilter Trupp anschließend überhaupt eine Chance gegen die verbliebenen Gegner hatte.
Auch kommt es immer wieder vor, dass befreundete NPCs an Gegnern festfrieren. Besonders gut geeignet für einen ewigen Patt, scheinen mit Skelettmagier und "fliegende" Einheiten zu sein. Hier wäre wieder Cortez bei besagter Mission zu nennen oder Kastor beim Betreten der alten Orianierfestung.
Sehr unangenehm sind mir außerdem zwei Musikstücke aufgefallen. Nicht, weil sie mir nicht gefallen hätten, sondern weil sie einfach abartig laut abgemischt wurden. Das ist der Track im Krep und der in der Oranierfestung. Letzerer ist sogar so laut, dass meine Leutsprecher massiv übersteuert haben. Spielt man nachts in einer hellhörigen Mietwohnung, ist man da ganz schnell auf den Beinen. Über Kopfhörer scheint das besser zu harmonieren.
Story:
Ich habe bisher noch kein Gothic, Risen oder Elex wegen seiner herausragenden Story gespielt. Für mich war immer Atmosphäre, Gameplay und Erkundung wichtiger. Auch LoA bildet hier keine Ausnahme und brilliert dabei sogar gegenüber dem Original.
Zwar bietet LoA mit der schleichenden Veränderung des Helden eine potentiell interessante Seitenlinie, doch so recht überzeugen, konnte mich dieser Teil nicht. Zu abrupt wirkt hier der Verlauf. Da hilft man in einem Moment einem Einsiedler dabei, seine Vergangenheit zu bewältigen und im nächsten Moment schlachtet man Menschen ohne ersichtlichen Grund brutal ab. Je nach Spielweise (als Rekrut z.B.), passt das überhaupt nicht zu den getroffenen Entscheidungen. Da sitzt man dann überrumpelt und ratlos vorm Bildschirm und versucht zu verstehen, was zur Hölle gerade passiert ist.
Leider dürfte es kaum im Rahmen liegen, diese Brüche jetzt noch ausreichend zu glätten. Vielleicht würde es etwas helfen, an einigen Stellen mehr Tagebucheinträge hinzuzufügen, die sich mit den Folgen der Berührung des Buchs beschäftigen. So ein wenig Introspektive halt, die die Wandlung des Helden nachvollziehbarer macht.
Ähnliches gilt für die Rolle des Helden als Gouverneur, in die man plötzlich hinein rutschen kann. Abgesehen von einer Dialogzeile, scheint die Entscheidung für oder wider, überhaupt keine Rolle zu spielen. Hier hätte ich erwartet, dass die NPCs sich mir gegenüber, quasi als Chef der gesamten Insel, anders verhalten. Man bleibt aber letztlich doch der Laufbursche und wird teils harsch angegangen, wo Unterwürfigkeit, Gehorsam oder Ehrerbietung angebracht wäre.
Abgesehen von diesen Kritikpunkten, bietet LoA eine durchaus interessante Geschichte, die sich nahtlos in das Gothic Universum fügt. Auch die abschließende Szene in der Geisterwelt würde mir wohl recht gut gefallen, könnte ich meinen bösen Part besser akzeptieren. Hat man aber einen guten Helden gespielt, ergeben die Dialoge dort nicht viel Sinn. Denn dann hat man abseits zweier Cutscenes vielleicht überhaupt nichts gewichtig Böses gemacht.
An die philosophische Tiefe eines Nehrims oder Enderals kommt LoA jedenfalls zu keiner Zeit heran.
Fazit:
Legend of Ahssun hat mich in weiten Teilen fantastisch unterhalten. Ich habe mehr als eine Nacht durchgemacht und dann überraschend festgestellt, dass draußen bereits die Sonne aufgeht. Es gab so einige denkwürdige Momente voller Spannung und Gänsehaut und ein tiefes Gefühl von Heimat und Wohlbefinden.
Wären die fiesen kleinen und größeren Bugs nicht und wäre die Charakterentwicklung konsistenter und nachvollziehbarer, könnte ich das Spiel als in jeder Beziehung herausragend bezeichnen. So bleibt es immerhin bei einem sehr guten Spiel, dass für mich sicher eines der Glanzlichter 2019 ist und bleiben wird. Liebe zum Detail, Design und Umfang sind schlicht atemberaubend. Einige aktuelle multimillionen Produktionen großer Studios wirken dagegen fast wie Handygames und ganz sicher lieb- und seelenlos.
Meinen tief empfunden Dank, großen Respekt und ganz viel Liebe an das LoA Team. Ihr seit großartig und ich hoffe sehr, mal wieder etwas von euch zu sehen! Eure Denkmäler in der Ehrenrunde habt ihr euch redlich verdient und euch mit LoA einen sicheren Platz in der Videospielgeschichte reserviert! Zumindest ich werde mich wohl auch noch als tattriger Greis an dieses grandiose Spiel erinnern.
Edit:
Noch ein Nachtrag zu den Ortschaften. Ich gehöre zu der Sorte Spieler, die Städte in "Mittelalter-RPGs" nicht besonders mag. Je größer eine Stadt, desto wahrscheinlicher, dass ich dort die Lust verliere. Novigrad in Witcher 3 war für mich eine echte Hürde. Da hätte ich fast abgebrochen (ein Freund hat dort tatsächlich abgebrochen).
Dieses ewige Herumgelaufe und NPC-Gequatsche zehrt immer an meiner Motivation. Ich will in die Wildnis.
LoA vermeidet es zum Glück, dem Spieler gleich die gesamte Stadt Ahssun aufs Auge zu drücken. Die verschiedenen Viertel wollen nach und nach freigespielt werden. Alle Viertel zusammengenommen, ist diese Stadt schon verdammt groß. Häppchenweise passt es dann aber wieder. Und architektonisch ist Stadt Ahssun eine echte Augenweide. Wirkt auf mich organisch gewachsen und authentisch. Und das gilt genauso für den Hafen, das Freie Lager, die Höfe und das Kloster. Besser geht's eigentlich kaum.
Und noch ein paar Sätze zum Schwierigkeitsgrad:
Ich habe das Spiel auf "Normal" gespielt. Je nach Spielweise, hat das aber nicht sehr viel zu sagen. LoA gestaltet sich für die gewählte Stufe subjektiv eher leicht, wenn man wirklich sehr gründlich spielt, nahezu alle EP und Items mitnimmt und sich für einen Einhand-Stärke-Build entscheidet. Spielt man eher oberflächlich, kann es spätestens ab Ende des 3. Kapitels schon sehr haarig werden. In den höheren Stufen mag das anders aussehen.
Aber auch wenn man eine nahezu optimale Kampfstärke erreicht und fast alle Gegner fallen wie überreifes Obst, gibt es immer wieder Stellen, die Köpfchen verlangen. Da kommt man dann mit stumpfer Gewalt nicht weiter. Das empfinde ich als sehr löblich, auch wenn ich mich von Zeit zu Zeit über solche Situation geärgert habe.
Freude:
Ahssun ist eine wundervolle Insel. Vor allem in den ersten 80% der Kampagne. Man erforscht das malerische Umland mit seinen tiefen Wäldern, plätschernden Bächen, verwinkelten Ecken und geheimnisvollen Höhlen. Überall gibt es interessante Details zu entdecken und Schätze zu finden. Oftmals eröffnen sich grandiose Panoramen und einprägsame Perspektiven.
Teils spektakulär geht es dann im Sumpf weiter. Was dieses Gebiet audiovisuell, inbesondere in nächtlichen Stunden zu bieten hat, ist absolute beeindruckend!
Diese Qualität kann dann auch das Ödland in weiten Teilen halten. Die Topografie dieser verdorrten Einöde ist einfach fantastisch. In der Fläche eigentlich recht überschaubar, erfordert es doch eine ganze Weile, sich dort zurecht zu finden. Das liegt wohl vor allem an der clever genutzten Vertikale. Überall gibt es Abzweigungen, Schluchten, verwinkelte Pfade und versteckte Zugänge zu entdecken. Schade nur, dass der bedrohliche Nebel, von dem immer wieder einige Bewohner Ahssuns berichten, zu keiner Zeit vorzukommen scheint. Hier hätte ich mir eine ähnliche Kulisse gewünscht, wie sie des nachts im Sumpf vorzufinden ist. Ein leichter Nebel hätte das Gefühl einer permanenten Bedrohung durch etwas nicht greifbar Böses noch deutlich gesteigert oder überhaupt erst aufkommen lassen.
Neutral:
Hat man das Ödland erst einmal hinter sich gelassen, fällt die Qualität der kommenden Regionen im Vergleich zu Umland, Sumpf und Ödland leider spürbar ab. Das dürfte zum einen an den deutlich kleineren Flächen von Eisregion und Wüste liegen (im Vergleich zum Umland). Und zum anderen an der geringeren Dichte von POIs. Gibt es im Umland noch praktisch alle fünf Schritte etwas zu entdecken, in manchen Fällen erst, nachdem man eine Stelle schon vielfach passiert hatte, so erweisen sich Wüste und insbesondere die Eiswelt nicht nur in ihrer Vegetation als eher karg. Hat man diese Regionen ein mal abgelaufen, gibt es kaum einen Grund noch ein mal zurück zu kehren. Immerhin hat zumindest die Wüste optisch einiges zu bieten. Farbgebung, Texturierung und Topografie sind dort angenehm frisch und hochwertig.
Ein Teil der milden Enttäuschung rührt wohl auch daher, dass es in Eiswelt und Wüste immer wieder "Endpunkte" gibt, die den Spieler nicht mit ein paar Kleinigkeiten belohnen. Da klettert man einen Berg hinauf, erkundet eine Turmruine, tötet eine Horde Monster und findet ... nichts.
Aber sicher hängt das auch mit dem Gothic-Konzept zusammen. Irgendwann gibt es diese Situationen nicht mehr, in denen man auf wackeligen Beinen durch bedrohliche Kulisse stolpert, einfach zu überleben versucht, irgendwann hoffentlich bekanntes Terrain erreicht und sich schwört, später noch mal wieder zu kommen. Man ist dann einfach schon zu stark und echte Hindernisse werden selten.
Frust:
In der aktuellen, von mir gespielten 1.0.0er Version, ist LoA noch gut gespickt mit fiesen Bugs. Manche davon Game braking, andere nur nervig. Ohne den wirklich hervorragenden Support durch Eiskönig, TheEternal, Kersoph, Milky-Way und Co, wäre das Spiel für mich nicht zu beenden gewesen. Noch mal einen herzlichen Dank an alle, die mich bei meiner Reise unterstützt haben! Einen ausführlichen Thread zu den Bugs habe ich bereits erstellt. Daher gehe ich hier nicht noch mal im Detail auf bereits genanntes ein. Die allermeisten Bugs und Flaws sollten inzwischen auch bekannt sein. Vermutlich bin ich in 9 von 10 mögliche Bugs gestolpert. Leider gehöre ich wohl zu den Leuten, die ein Händchen dafür haben, sich in missliche Lagen zu bringen.
Abseits der Bugs gibt es dann noch ein paar ungünstige Questführungen. Da bringen einen Tagebucheinträge auf die falsche Fährte (Nazos & Isere) oder Dialoge suggerieren Möglichkeiten, die so gar nicht existieren (Frauenhandel). Wer das Spiel einfach nur entspannt durchspielen möchte, der sollte vielleicht noch bis zum kommenden Patch warten.
Gar nicht gefallen will mir auch der Zweihand-Kampf. Bis kurz vor Ende gibt es immer eine Einhandwaffe, die letztlich stärker ist. Das liegt nicht nur an den nahezu gleichen Schadenswerten der Waffengattungen bis hin zum Late Game, sondern auch am hakeligen Zweihandkampf an sich. Kann man mit einer Einhandwaffe oftmals den Angriffen der Gegner zuvor kommen oder geschwind ausweichen, fängt man sich mit der klobigen Zweihandwaffe häufiger einen Schlag. Am Kampfsystem kann das LoA Team sicher nicht viel ändern. Das kommt so direkt aus Gothic 2. Möglich wäre aber ein neues ausbalancieren der Schadenswerte im Early und Mid Game. So wie er jetzt gestaltet ist, taugt der Zweihandkampf wohl nur für Masochisten.
Als störend empfinde ich außerdem die Wegfindung einiger NPCs. Besonders im Gedächtnis geblieben, sind mir dabei Cortez auf der Suche nach einem zweiten Zugang zum Sumpf - der Gute brauchte locker fünf Anläufe, um durch das Ruinendorf zu kommen - und der Kampftrupp im Hafen. Bei der Befreiungsaktion verheddern sich viele Kämpfer derart in der Architektur, dass ein direkter Angriff kaum zu schaffen war. Ich musste weite Teile des Hafens alleine säubern, damit mein verpeilter Trupp anschließend überhaupt eine Chance gegen die verbliebenen Gegner hatte.
Auch kommt es immer wieder vor, dass befreundete NPCs an Gegnern festfrieren. Besonders gut geeignet für einen ewigen Patt, scheinen mit Skelettmagier und "fliegende" Einheiten zu sein. Hier wäre wieder Cortez bei besagter Mission zu nennen oder Kastor beim Betreten der alten Orianierfestung.
Sehr unangenehm sind mir außerdem zwei Musikstücke aufgefallen. Nicht, weil sie mir nicht gefallen hätten, sondern weil sie einfach abartig laut abgemischt wurden. Das ist der Track im Krep und der in der Oranierfestung. Letzerer ist sogar so laut, dass meine Leutsprecher massiv übersteuert haben. Spielt man nachts in einer hellhörigen Mietwohnung, ist man da ganz schnell auf den Beinen. Über Kopfhörer scheint das besser zu harmonieren.
Story:
Ich habe bisher noch kein Gothic, Risen oder Elex wegen seiner herausragenden Story gespielt. Für mich war immer Atmosphäre, Gameplay und Erkundung wichtiger. Auch LoA bildet hier keine Ausnahme und brilliert dabei sogar gegenüber dem Original.
Zwar bietet LoA mit der schleichenden Veränderung des Helden eine potentiell interessante Seitenlinie, doch so recht überzeugen, konnte mich dieser Teil nicht. Zu abrupt wirkt hier der Verlauf. Da hilft man in einem Moment einem Einsiedler dabei, seine Vergangenheit zu bewältigen und im nächsten Moment schlachtet man Menschen ohne ersichtlichen Grund brutal ab. Je nach Spielweise (als Rekrut z.B.), passt das überhaupt nicht zu den getroffenen Entscheidungen. Da sitzt man dann überrumpelt und ratlos vorm Bildschirm und versucht zu verstehen, was zur Hölle gerade passiert ist.
Leider dürfte es kaum im Rahmen liegen, diese Brüche jetzt noch ausreichend zu glätten. Vielleicht würde es etwas helfen, an einigen Stellen mehr Tagebucheinträge hinzuzufügen, die sich mit den Folgen der Berührung des Buchs beschäftigen. So ein wenig Introspektive halt, die die Wandlung des Helden nachvollziehbarer macht.
Ähnliches gilt für die Rolle des Helden als Gouverneur, in die man plötzlich hinein rutschen kann. Abgesehen von einer Dialogzeile, scheint die Entscheidung für oder wider, überhaupt keine Rolle zu spielen. Hier hätte ich erwartet, dass die NPCs sich mir gegenüber, quasi als Chef der gesamten Insel, anders verhalten. Man bleibt aber letztlich doch der Laufbursche und wird teils harsch angegangen, wo Unterwürfigkeit, Gehorsam oder Ehrerbietung angebracht wäre.
Abgesehen von diesen Kritikpunkten, bietet LoA eine durchaus interessante Geschichte, die sich nahtlos in das Gothic Universum fügt. Auch die abschließende Szene in der Geisterwelt würde mir wohl recht gut gefallen, könnte ich meinen bösen Part besser akzeptieren. Hat man aber einen guten Helden gespielt, ergeben die Dialoge dort nicht viel Sinn. Denn dann hat man abseits zweier Cutscenes vielleicht überhaupt nichts gewichtig Böses gemacht.
An die philosophische Tiefe eines Nehrims oder Enderals kommt LoA jedenfalls zu keiner Zeit heran.
Fazit:
Legend of Ahssun hat mich in weiten Teilen fantastisch unterhalten. Ich habe mehr als eine Nacht durchgemacht und dann überraschend festgestellt, dass draußen bereits die Sonne aufgeht. Es gab so einige denkwürdige Momente voller Spannung und Gänsehaut und ein tiefes Gefühl von Heimat und Wohlbefinden.
Wären die fiesen kleinen und größeren Bugs nicht und wäre die Charakterentwicklung konsistenter und nachvollziehbarer, könnte ich das Spiel als in jeder Beziehung herausragend bezeichnen. So bleibt es immerhin bei einem sehr guten Spiel, dass für mich sicher eines der Glanzlichter 2019 ist und bleiben wird. Liebe zum Detail, Design und Umfang sind schlicht atemberaubend. Einige aktuelle multimillionen Produktionen großer Studios wirken dagegen fast wie Handygames und ganz sicher lieb- und seelenlos.
Meinen tief empfunden Dank, großen Respekt und ganz viel Liebe an das LoA Team. Ihr seit großartig und ich hoffe sehr, mal wieder etwas von euch zu sehen! Eure Denkmäler in der Ehrenrunde habt ihr euch redlich verdient und euch mit LoA einen sicheren Platz in der Videospielgeschichte reserviert! Zumindest ich werde mich wohl auch noch als tattriger Greis an dieses grandiose Spiel erinnern.
Edit:
Noch ein Nachtrag zu den Ortschaften. Ich gehöre zu der Sorte Spieler, die Städte in "Mittelalter-RPGs" nicht besonders mag. Je größer eine Stadt, desto wahrscheinlicher, dass ich dort die Lust verliere. Novigrad in Witcher 3 war für mich eine echte Hürde. Da hätte ich fast abgebrochen (ein Freund hat dort tatsächlich abgebrochen).
Dieses ewige Herumgelaufe und NPC-Gequatsche zehrt immer an meiner Motivation. Ich will in die Wildnis.
LoA vermeidet es zum Glück, dem Spieler gleich die gesamte Stadt Ahssun aufs Auge zu drücken. Die verschiedenen Viertel wollen nach und nach freigespielt werden. Alle Viertel zusammengenommen, ist diese Stadt schon verdammt groß. Häppchenweise passt es dann aber wieder. Und architektonisch ist Stadt Ahssun eine echte Augenweide. Wirkt auf mich organisch gewachsen und authentisch. Und das gilt genauso für den Hafen, das Freie Lager, die Höfe und das Kloster. Besser geht's eigentlich kaum.
Und noch ein paar Sätze zum Schwierigkeitsgrad:
Ich habe das Spiel auf "Normal" gespielt. Je nach Spielweise, hat das aber nicht sehr viel zu sagen. LoA gestaltet sich für die gewählte Stufe subjektiv eher leicht, wenn man wirklich sehr gründlich spielt, nahezu alle EP und Items mitnimmt und sich für einen Einhand-Stärke-Build entscheidet. Spielt man eher oberflächlich, kann es spätestens ab Ende des 3. Kapitels schon sehr haarig werden. In den höheren Stufen mag das anders aussehen.
Aber auch wenn man eine nahezu optimale Kampfstärke erreicht und fast alle Gegner fallen wie überreifes Obst, gibt es immer wieder Stellen, die Köpfchen verlangen. Da kommt man dann mit stumpfer Gewalt nicht weiter. Das empfinde ich als sehr löblich, auch wenn ich mich von Zeit zu Zeit über solche Situation geärgert habe.