Dawnbreaker
20.12.2014, 12:57
Kapitel 01: Suche
Ich mache die Augen auf und sehe in den Himmel. Ein weiterer Tag. Sinnlos, leer und qualvoll. Mit Mühe richte ich meinen Oberkörper auf. Sofort wird mir übel, ich drehe mich zur Seite und übergebe mich. Notdürftig wische ich mir mit dem Handrücken über den Mund. Der Geschmack von Erbrochenem mischt sich mit den Überresten von Talen-Jeis üblem Gesöff, das er mir gestern zum halben Preis verkauft hatte.
Mein Kopf schmerzt und jede Bewegung verursacht mir erneute Übelkeit. Trotzdem rappele ich mich hoch. Eigentlich kein schlechter Platz um aufzuwachen. Vor mir liegt der Honrichsee. Ruhig, tief und dunkel. Ich suche diesen Ort des öfteren auf, denn hier habe ich meine Ruhe und kann meinen Rausch ausschlafen ohne entdeckt zu werden. Hier findet mich niemand. Ich seufze. Wer sollte mich schon suchen?
Jeden Morgen wache ich auf und im Moment des Verstehens um den neuen Tag schleicht sich Bedauern in meinen Verstand.
Jede Nacht trinke ich mich um den Verstand bis mich jener glückselige Moment des Vergessens einhüllt und schlafen lässt.
Jeden Tag quäle ich mich erneut durch die vielen Stunden. Hadere mit mir, meinem Schicksal, mit den Menschen, die mir nur Gutes wollen, mit dem, was hinter mir liegt.
Notdürftig wasche ich mir das Gesicht am Seeufer und spüle mir den Mund aus um wenigstens einen Teil der üblen Vermischung von Gestern und Heute loszuwerden. Ich bleibe so lange am Wasser sitzen bis ich mein Spiegelbild sehen kann. Ich erschrecke vor mir selbst und taste irritiert mein Gesicht ab. Meine Hand fährt die Wange hinunter bis zum Kinn, dann taucht sie ein in mein Ebenbild aus Wasser und Tränen verschleiern mir die Sicht.
Meine blonden Haare stehen mir wild in alle Himmelsrichtungen ab. Kleine Zöpfe verhindern, dass es völlig verfilzt. Es ist mir schon lange egal, wie ich aussehe. Schon lange egal, dass manche Leute auf dem Markt von Rifton auf mich spucken. Schon lange egal, dass ich ….. lebe.
Ich muss schlucken. Ein Kloß im Hals. Ich räuspere mich.
Bald kommt es zurück. Das Verlangen. Ich spüre das Zittern meiner Hände. Noch ein paar Stunden und ich kann keinen Trinkbecher mehr in meiner Hand halten ohne den Inhalt zu verschütten. Noch ein paar Stunden bis zur Erlösung von diesem Tag.
Ein paar Stunden in denen mein verhasster Verstand arbeitet und mich daran erinnert, wie sehr ich dieses Leben verpfuscht habe.
Wie tief ich gefallen bin.
Wie schmerzhaft Gedanken sein können.
Taumelnd stehe ich auf, lehne mich an einen Baum, bis der Brechreiz nachlässt. Mein Kopf schmerzt als sei ich gegen die Stadtmauern Riftons gerannt. Ich muss zeitig auf dem Markt sein um einen guten Platz zum betteln zu ergattern damit ich heute Abend wenigstens halbwegs betrunken werde. Betrunken genug, damit die Stimmen in meinem Kopf schweigen.
Das teure Zeug von Talen-Jei aus dem Bienenstich kann ich mir nicht an jedem Tag leisten. Oft gehe ich zum Hafen und versorgen mich mit Selbstgebranntem, den einige Argonier dort heimlich anbieten.
Am Markt angekommen stelle ich erleichtert fest, dass mir heute niemand meinen Platz streitig macht. Es ist noch recht früh und die Inhaber der Marktstände haben eben erst damit begonnen, ihre Waren in die Auslagen zu räumen. Brynjolf verteilt gerade einige seiner ominösen Elixiere um seinen Stand herum. Er blickt mich kurz an, wühlt in seiner Tasche und kommt hinüber zu mir. „Ach, Dagny …“ seufzt er und seine Augen mustern mich traurig. „Ich gebe Dir etwas zu Essen, Kleines. Gold versäufst Du mir nur.“ Mit diesen Worten drückt er mir einen Kanten Brot in die Hand und etwas Käse.
Ihm zuliebe esse brav auf, obwohl ich mich bemühen muss, das Essen im Magen zu behalten. Im Grunde weiß jeder hier, dass Brynjolf zur Diebesgilde gehört und man kann über ihn sagen, was man will, ich habe eine hohe Meinung von ihm. Nicht nur, weil er mir oft etwas zu Essen bringt. Er hatte mir vor einiger Zeit angeboten, mich in die Diebesgilde aufzunehmen, mir aber gleichzeitig Bedingungen gestellt, die ich nicht bereit war, einzugehen. „Bleib nüchtern! Nicht ist schlimmer als ein besoffener Dieb!“ Und dann sagte er etwas, das bei mir hängen geblieben ist: „Mjoll meint immer, Rifton sei ihre Bestie, die sie bekämpfen muss. Deine Dämonen, Dagny, sind in Dir selbst. Erst wenn Du mit Dir im Reinen bist, kannst Du zu uns kommen.“
Im Reinen … was heißt das? Wenn ich aufwache, kommen sie wieder. Die Stimmen in mir. Erst flüstern sie und wenn ich sie nicht bekämpfe, dann werden sie immer lauter. Meine Waffe ist der Alkohol. Mein Schild das Vergessen.
Gerade jetzt höre ich es wieder …. das Flüstern. Es ist die Stimme meiner Mutter. „Bitte töte mich!“ Ich spüre sie wieder in meinen Armen, ihren kraftlosen Körper. Spüre, dass sie qualvoll sterben wird, dass das Gift in ihrem Körper tobt. Spüre die Verzweiflung erneut. Die Hilflosigkeit.
Wie viel kann ein Mensch von einem anderen verlangen?
Wieder halte ich den Dolch in Händen. Nein! Ich kann es nicht tun!
Meine Hände krallen sich in die Überreste meiner Kleidung, die mich in Fetzen umschlottert. Die Erinnerung kehrt zurück. Mächtig und unaufhaltsam. Sie überschwemmt mich wie eine Flutwelle. Reißt mich empor und schleudert mich gegen Felsen. Ich ertrinke in ihr.
Ich brauche etwas zu trinken. SOFORT!
Also schnelle ich in die Höhe, suche meine letzten Münzen zusammen, renne fast zum Eingang des Bienenstichs und stoße dort fast mit zwei Gestalten zusammen, deren silberne Rüstungen in der Sonne strahlen.
***
Meister Saris hatte uns beigebracht, jedes Lebewesen zu achten, aber bei allen Neun! Hier in Rifton wird einem Hüter dies nicht gerade leicht gemacht. An allen Ecken betteln einen zerlumpte Gestalten an und der Gestank, der vom Kanal her in meine Nase weht lädt nicht gerade dazu ein, hier lange zu verweilen.
Mein Begleiter Voldan verteilt stoisch Münzen und ich beneide ihn um seine Ruhe. Wie ein Wesen, das nicht von dieser Welt ist, steht er da in seiner silbernen Rüstung und all die kleinen und großen Armen scharen sich um ihn.
Ich mache mir mehr Gedanken über unsere Suche nach Meister Saris. Seine letzte Nachricht klang beunruhigend. Seitdem scheint er verschwunden zu sein und ich bat den Orden, mich mit den Nachforschungen zu beauftragen. Widerwillig genehmigte man mir mein Gesuch mit der Auflage, einen Hüter mitzunehmen, da man annimmt, ich sei zu emotional mit meinem Mentor verbunden.
Ich äußerte dem hohen Rat des Ordens gegenüber, dass einige Wächter Stendarrs in der Gegend um Rifton aufgetaucht sind. Nicht, dass wir mit ihnen im Krieg lägen, wir sind nur nicht einer Meinung und das engstirnige Weltbild der Wächter verstand ich noch nie.
Unter den Hütern befinden sich Elfen, Vampire und Werwölfe, so wie Meister Saris. Man wird nicht gut oder böse geboren, sondern dazu gemacht. Es ist keine Frage der Herkunft, des Geschlechts, der Rasse. Wir sind alle von Geburt an gleich.
Das brachte er mir bei und es ist meine tiefste Überzeugung, allerdings gehe ich nicht so weit wie er und glaube, dass in jedem Wesen ein guter Kern steckt. Dafür habe ich zu viel Blut gesehen und vergossen.
Ich will gerade die Tür zur Taverne öffnen, da rennt eine abgerissene Gestalt an mir vorbei, rempelt mich fast an und einen Moment lang stehe ich verblüfft da. Zu verblüfft um ihr Manieren beizubringen. Ich seufze und winke Voldan zu mir. Vielleicht werden in der Spelunke einige unserer Fragen beantwortet? Wer weiß. Ich bin dankbar um jeden Hinweis und trete ein. Sofort schlägt mir der Geruch von abgestandenem Met entgegen.
Voldan deutet zum Tresen. Dort diskutiert die Bettlerin von eben lautstark mit einer Argonierin. Offensichtlich die Wirtin dieses … Etablissements, die nicht bereit ist, Alkohol an die blonde Frau in Lumpen auszuschenken. Wütend läuft diese wieder hinaus. Wir treten zur Seite, sehen uns an. Besser gesagt: Ich sehe Voldan an, der immer noch seinen Helm trägt.
Dann drehe ich mich zur Besitzerin dieser Kaschemme um, richte mich auf um sie ein wenig einzuschüchtern. Manchmal habe ich damit sogar Erfolg. „Wir hätten einige Fragen an Euch.“
Sie zischt mich an mit dem für Argonier typischen Akzent, aber ihre Aussprache ist sehr deutlich. Sie lebt sicher schon sehr lange hier. „Ausssssskünfte gegen Gold.“
Zielsicher schliddern einige Münzen über den Tresen in ihre krallenartigen Hände. „Besssser.“
Ich beuge mich über die Theke und mustere sie. „Ist Euch in letzter Zeit ein Magier begegnet? Sagen wir, in den letzten zwei bis drei Wochen? Er ist leicht zu erkennen, denn sein halber Schädel besteht aus einer Metallplatte.“
Meister Saris hat diese Verletzung der Silbernen Hand zu verdanken. Einer Organisation, die Werwölfe jagt. Sie lauerten ihm auf und schlugen ihm den Schädel mit der Axt ein. So fand ihn ein Wächter Stendarrs. Eines muss man diesen lassen: ihre Heilkünste und ihr Wissen um den menschlichen Körper sind enorm.
Er trat den Wächtern bei, aber es dauerte nicht lange, da kam man hinter sein Geheimnis und er musste fliehen. So gründete er den Orden der Hüter und nahm mich auf, weil meine Eltern zu arm waren, um mich weiter ernähren zu können. Sie verkauften mich und Meister Saris bewahrte mich vor der Sklaverei … und vor Schlimmerem.
Anfangs war er wenig begeistert, nun Amme für mich spielen zu müssen, aber nach und nach wurde er mein Vater und er behandelte mich wie seine Tochter.
Mein Herz verkrampft sich beim Gedanken, dass ihm etwas zugestoßen sein könnte. Ich will nicht daran denken! Aber ich muss es! Ich muss wissen, was geschehen ist. So einen großen Mann mit einer Eisenplatte im Kopf wird doch wohl jemand gesehen haben!
Voldan tippt mir sachte auf die Schulter. Ich drehe mich zu ihm um und er schüttelt den Kopf. Recht hat er, hier finden wir keinerlei Hinweise. Ich überlege kurz, ob wir hier einkehren sollten, aber dazu ist es zu früh am Tag. Wir werden etwas auf dem Markt einkaufen und dann irgendwo im Freien nächtigen.
Ich gehe an den Bettlern vorbei, aber Voldan bleibt vor der streitsüchtigen Gestalt aus der Taverne stehen. Was mag mag ihn jetzt schon wieder dazu bewogen haben? Sicher ist er hellsichtig, aber ich frage mich, warum er gerade mit ihr ein Gespräch beginnt.
Seufzend drehe ich mich um und stelle mich neben ihn. Zum Dank für seine netten Worte faucht dieses Miststück ihn auch noch an: „Wenn Ihr nichts geben wollt, dann verschwindet! Ihr vergrault mir die Kundschaft!“
Ich hole tief Luft um diesem Aas endlich zu zeigen, dass man seinen Mitmenschen ein wenig Respekt entgegen bringen sollte, da legt Voldan sanft seine Hand auf meine Schulter und schüttelt den Kopf. Hat er etwas in ihren Gedanken gesehen? Unmöglich zu sagen, was in ihm vorgeht, da er seinen Helm außerhalb der Stützpunkte des Ordens nie abnimmt. Nun, zum Essen hin und wieder, aber ansonsten muss ich leider mit einem verschlossenen Visier reden. Man gewöhnt sich an alles.
Die Bettlerin steht auf und baut sich störrisch vor uns auf. Es scheint, dass sie anderswo ihre Ration Alkohol bekommen hat, denn sie hält eine Flasche in der Hand und schwankt bedenklich. Ich runzele die Stirn. In so kurzer Zeit zur Volltrunkenheit? Beachtlich!
Aber ehe ich weiter über die Auswirkungen von billigem Fusel nachdenken kann, verdreht der dreckige Blondschopf die Augen und fällt bewusstlos zu Boden. Etwas ratlos stehen Voldan und ich vor dem Häufchen Elend, an dem sich offensichtlich niemand zu stören scheint. Eine andere Bettlerin nutzt höchstens die Gunst der Stunde und setzt sich triumphierend auf den soeben frei gewordenen Platz.
„Sunja, wir können die Kleine hier nicht einfach so liegen lassen!“
Wieder seufze ich. Also, manche Tage sind wirklich verflucht, aber mein Ordensbruder hat Recht. Wir helfen den Menschen. ALLEN. Da hat uns die Vorsehung, der Zufall oder was auch immer einen gehörigen Strich durch die Rechnung gemacht! Wir suchen meinen Meister und finden … was auch immer diese Frau sein mag.
Ich mache die Augen auf und sehe in den Himmel. Ein weiterer Tag. Sinnlos, leer und qualvoll. Mit Mühe richte ich meinen Oberkörper auf. Sofort wird mir übel, ich drehe mich zur Seite und übergebe mich. Notdürftig wische ich mir mit dem Handrücken über den Mund. Der Geschmack von Erbrochenem mischt sich mit den Überresten von Talen-Jeis üblem Gesöff, das er mir gestern zum halben Preis verkauft hatte.
Mein Kopf schmerzt und jede Bewegung verursacht mir erneute Übelkeit. Trotzdem rappele ich mich hoch. Eigentlich kein schlechter Platz um aufzuwachen. Vor mir liegt der Honrichsee. Ruhig, tief und dunkel. Ich suche diesen Ort des öfteren auf, denn hier habe ich meine Ruhe und kann meinen Rausch ausschlafen ohne entdeckt zu werden. Hier findet mich niemand. Ich seufze. Wer sollte mich schon suchen?
Jeden Morgen wache ich auf und im Moment des Verstehens um den neuen Tag schleicht sich Bedauern in meinen Verstand.
Jede Nacht trinke ich mich um den Verstand bis mich jener glückselige Moment des Vergessens einhüllt und schlafen lässt.
Jeden Tag quäle ich mich erneut durch die vielen Stunden. Hadere mit mir, meinem Schicksal, mit den Menschen, die mir nur Gutes wollen, mit dem, was hinter mir liegt.
Notdürftig wasche ich mir das Gesicht am Seeufer und spüle mir den Mund aus um wenigstens einen Teil der üblen Vermischung von Gestern und Heute loszuwerden. Ich bleibe so lange am Wasser sitzen bis ich mein Spiegelbild sehen kann. Ich erschrecke vor mir selbst und taste irritiert mein Gesicht ab. Meine Hand fährt die Wange hinunter bis zum Kinn, dann taucht sie ein in mein Ebenbild aus Wasser und Tränen verschleiern mir die Sicht.
Meine blonden Haare stehen mir wild in alle Himmelsrichtungen ab. Kleine Zöpfe verhindern, dass es völlig verfilzt. Es ist mir schon lange egal, wie ich aussehe. Schon lange egal, dass manche Leute auf dem Markt von Rifton auf mich spucken. Schon lange egal, dass ich ….. lebe.
Ich muss schlucken. Ein Kloß im Hals. Ich räuspere mich.
Bald kommt es zurück. Das Verlangen. Ich spüre das Zittern meiner Hände. Noch ein paar Stunden und ich kann keinen Trinkbecher mehr in meiner Hand halten ohne den Inhalt zu verschütten. Noch ein paar Stunden bis zur Erlösung von diesem Tag.
Ein paar Stunden in denen mein verhasster Verstand arbeitet und mich daran erinnert, wie sehr ich dieses Leben verpfuscht habe.
Wie tief ich gefallen bin.
Wie schmerzhaft Gedanken sein können.
Taumelnd stehe ich auf, lehne mich an einen Baum, bis der Brechreiz nachlässt. Mein Kopf schmerzt als sei ich gegen die Stadtmauern Riftons gerannt. Ich muss zeitig auf dem Markt sein um einen guten Platz zum betteln zu ergattern damit ich heute Abend wenigstens halbwegs betrunken werde. Betrunken genug, damit die Stimmen in meinem Kopf schweigen.
Das teure Zeug von Talen-Jei aus dem Bienenstich kann ich mir nicht an jedem Tag leisten. Oft gehe ich zum Hafen und versorgen mich mit Selbstgebranntem, den einige Argonier dort heimlich anbieten.
Am Markt angekommen stelle ich erleichtert fest, dass mir heute niemand meinen Platz streitig macht. Es ist noch recht früh und die Inhaber der Marktstände haben eben erst damit begonnen, ihre Waren in die Auslagen zu räumen. Brynjolf verteilt gerade einige seiner ominösen Elixiere um seinen Stand herum. Er blickt mich kurz an, wühlt in seiner Tasche und kommt hinüber zu mir. „Ach, Dagny …“ seufzt er und seine Augen mustern mich traurig. „Ich gebe Dir etwas zu Essen, Kleines. Gold versäufst Du mir nur.“ Mit diesen Worten drückt er mir einen Kanten Brot in die Hand und etwas Käse.
Ihm zuliebe esse brav auf, obwohl ich mich bemühen muss, das Essen im Magen zu behalten. Im Grunde weiß jeder hier, dass Brynjolf zur Diebesgilde gehört und man kann über ihn sagen, was man will, ich habe eine hohe Meinung von ihm. Nicht nur, weil er mir oft etwas zu Essen bringt. Er hatte mir vor einiger Zeit angeboten, mich in die Diebesgilde aufzunehmen, mir aber gleichzeitig Bedingungen gestellt, die ich nicht bereit war, einzugehen. „Bleib nüchtern! Nicht ist schlimmer als ein besoffener Dieb!“ Und dann sagte er etwas, das bei mir hängen geblieben ist: „Mjoll meint immer, Rifton sei ihre Bestie, die sie bekämpfen muss. Deine Dämonen, Dagny, sind in Dir selbst. Erst wenn Du mit Dir im Reinen bist, kannst Du zu uns kommen.“
Im Reinen … was heißt das? Wenn ich aufwache, kommen sie wieder. Die Stimmen in mir. Erst flüstern sie und wenn ich sie nicht bekämpfe, dann werden sie immer lauter. Meine Waffe ist der Alkohol. Mein Schild das Vergessen.
Gerade jetzt höre ich es wieder …. das Flüstern. Es ist die Stimme meiner Mutter. „Bitte töte mich!“ Ich spüre sie wieder in meinen Armen, ihren kraftlosen Körper. Spüre, dass sie qualvoll sterben wird, dass das Gift in ihrem Körper tobt. Spüre die Verzweiflung erneut. Die Hilflosigkeit.
Wie viel kann ein Mensch von einem anderen verlangen?
Wieder halte ich den Dolch in Händen. Nein! Ich kann es nicht tun!
Meine Hände krallen sich in die Überreste meiner Kleidung, die mich in Fetzen umschlottert. Die Erinnerung kehrt zurück. Mächtig und unaufhaltsam. Sie überschwemmt mich wie eine Flutwelle. Reißt mich empor und schleudert mich gegen Felsen. Ich ertrinke in ihr.
Ich brauche etwas zu trinken. SOFORT!
Also schnelle ich in die Höhe, suche meine letzten Münzen zusammen, renne fast zum Eingang des Bienenstichs und stoße dort fast mit zwei Gestalten zusammen, deren silberne Rüstungen in der Sonne strahlen.
***
Meister Saris hatte uns beigebracht, jedes Lebewesen zu achten, aber bei allen Neun! Hier in Rifton wird einem Hüter dies nicht gerade leicht gemacht. An allen Ecken betteln einen zerlumpte Gestalten an und der Gestank, der vom Kanal her in meine Nase weht lädt nicht gerade dazu ein, hier lange zu verweilen.
Mein Begleiter Voldan verteilt stoisch Münzen und ich beneide ihn um seine Ruhe. Wie ein Wesen, das nicht von dieser Welt ist, steht er da in seiner silbernen Rüstung und all die kleinen und großen Armen scharen sich um ihn.
Ich mache mir mehr Gedanken über unsere Suche nach Meister Saris. Seine letzte Nachricht klang beunruhigend. Seitdem scheint er verschwunden zu sein und ich bat den Orden, mich mit den Nachforschungen zu beauftragen. Widerwillig genehmigte man mir mein Gesuch mit der Auflage, einen Hüter mitzunehmen, da man annimmt, ich sei zu emotional mit meinem Mentor verbunden.
Ich äußerte dem hohen Rat des Ordens gegenüber, dass einige Wächter Stendarrs in der Gegend um Rifton aufgetaucht sind. Nicht, dass wir mit ihnen im Krieg lägen, wir sind nur nicht einer Meinung und das engstirnige Weltbild der Wächter verstand ich noch nie.
Unter den Hütern befinden sich Elfen, Vampire und Werwölfe, so wie Meister Saris. Man wird nicht gut oder böse geboren, sondern dazu gemacht. Es ist keine Frage der Herkunft, des Geschlechts, der Rasse. Wir sind alle von Geburt an gleich.
Das brachte er mir bei und es ist meine tiefste Überzeugung, allerdings gehe ich nicht so weit wie er und glaube, dass in jedem Wesen ein guter Kern steckt. Dafür habe ich zu viel Blut gesehen und vergossen.
Ich will gerade die Tür zur Taverne öffnen, da rennt eine abgerissene Gestalt an mir vorbei, rempelt mich fast an und einen Moment lang stehe ich verblüfft da. Zu verblüfft um ihr Manieren beizubringen. Ich seufze und winke Voldan zu mir. Vielleicht werden in der Spelunke einige unserer Fragen beantwortet? Wer weiß. Ich bin dankbar um jeden Hinweis und trete ein. Sofort schlägt mir der Geruch von abgestandenem Met entgegen.
Voldan deutet zum Tresen. Dort diskutiert die Bettlerin von eben lautstark mit einer Argonierin. Offensichtlich die Wirtin dieses … Etablissements, die nicht bereit ist, Alkohol an die blonde Frau in Lumpen auszuschenken. Wütend läuft diese wieder hinaus. Wir treten zur Seite, sehen uns an. Besser gesagt: Ich sehe Voldan an, der immer noch seinen Helm trägt.
Dann drehe ich mich zur Besitzerin dieser Kaschemme um, richte mich auf um sie ein wenig einzuschüchtern. Manchmal habe ich damit sogar Erfolg. „Wir hätten einige Fragen an Euch.“
Sie zischt mich an mit dem für Argonier typischen Akzent, aber ihre Aussprache ist sehr deutlich. Sie lebt sicher schon sehr lange hier. „Ausssssskünfte gegen Gold.“
Zielsicher schliddern einige Münzen über den Tresen in ihre krallenartigen Hände. „Besssser.“
Ich beuge mich über die Theke und mustere sie. „Ist Euch in letzter Zeit ein Magier begegnet? Sagen wir, in den letzten zwei bis drei Wochen? Er ist leicht zu erkennen, denn sein halber Schädel besteht aus einer Metallplatte.“
Meister Saris hat diese Verletzung der Silbernen Hand zu verdanken. Einer Organisation, die Werwölfe jagt. Sie lauerten ihm auf und schlugen ihm den Schädel mit der Axt ein. So fand ihn ein Wächter Stendarrs. Eines muss man diesen lassen: ihre Heilkünste und ihr Wissen um den menschlichen Körper sind enorm.
Er trat den Wächtern bei, aber es dauerte nicht lange, da kam man hinter sein Geheimnis und er musste fliehen. So gründete er den Orden der Hüter und nahm mich auf, weil meine Eltern zu arm waren, um mich weiter ernähren zu können. Sie verkauften mich und Meister Saris bewahrte mich vor der Sklaverei … und vor Schlimmerem.
Anfangs war er wenig begeistert, nun Amme für mich spielen zu müssen, aber nach und nach wurde er mein Vater und er behandelte mich wie seine Tochter.
Mein Herz verkrampft sich beim Gedanken, dass ihm etwas zugestoßen sein könnte. Ich will nicht daran denken! Aber ich muss es! Ich muss wissen, was geschehen ist. So einen großen Mann mit einer Eisenplatte im Kopf wird doch wohl jemand gesehen haben!
Voldan tippt mir sachte auf die Schulter. Ich drehe mich zu ihm um und er schüttelt den Kopf. Recht hat er, hier finden wir keinerlei Hinweise. Ich überlege kurz, ob wir hier einkehren sollten, aber dazu ist es zu früh am Tag. Wir werden etwas auf dem Markt einkaufen und dann irgendwo im Freien nächtigen.
Ich gehe an den Bettlern vorbei, aber Voldan bleibt vor der streitsüchtigen Gestalt aus der Taverne stehen. Was mag mag ihn jetzt schon wieder dazu bewogen haben? Sicher ist er hellsichtig, aber ich frage mich, warum er gerade mit ihr ein Gespräch beginnt.
Seufzend drehe ich mich um und stelle mich neben ihn. Zum Dank für seine netten Worte faucht dieses Miststück ihn auch noch an: „Wenn Ihr nichts geben wollt, dann verschwindet! Ihr vergrault mir die Kundschaft!“
Ich hole tief Luft um diesem Aas endlich zu zeigen, dass man seinen Mitmenschen ein wenig Respekt entgegen bringen sollte, da legt Voldan sanft seine Hand auf meine Schulter und schüttelt den Kopf. Hat er etwas in ihren Gedanken gesehen? Unmöglich zu sagen, was in ihm vorgeht, da er seinen Helm außerhalb der Stützpunkte des Ordens nie abnimmt. Nun, zum Essen hin und wieder, aber ansonsten muss ich leider mit einem verschlossenen Visier reden. Man gewöhnt sich an alles.
Die Bettlerin steht auf und baut sich störrisch vor uns auf. Es scheint, dass sie anderswo ihre Ration Alkohol bekommen hat, denn sie hält eine Flasche in der Hand und schwankt bedenklich. Ich runzele die Stirn. In so kurzer Zeit zur Volltrunkenheit? Beachtlich!
Aber ehe ich weiter über die Auswirkungen von billigem Fusel nachdenken kann, verdreht der dreckige Blondschopf die Augen und fällt bewusstlos zu Boden. Etwas ratlos stehen Voldan und ich vor dem Häufchen Elend, an dem sich offensichtlich niemand zu stören scheint. Eine andere Bettlerin nutzt höchstens die Gunst der Stunde und setzt sich triumphierend auf den soeben frei gewordenen Platz.
„Sunja, wir können die Kleine hier nicht einfach so liegen lassen!“
Wieder seufze ich. Also, manche Tage sind wirklich verflucht, aber mein Ordensbruder hat Recht. Wir helfen den Menschen. ALLEN. Da hat uns die Vorsehung, der Zufall oder was auch immer einen gehörigen Strich durch die Rechnung gemacht! Wir suchen meinen Meister und finden … was auch immer diese Frau sein mag.