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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : [Story] Prüfungen



Moonlord
17.04.2014, 19:37
Hallihallo,

endlich komme ich mal dazu, etwas zu dem hochinteressanten Projekt „How to kill Mary“ beizusteuern. http://forum.fanfiktion.de/t/21479/1
Meine Mary Sue lebt, wie könnte es anders sein, in der Welt von The Elder Scrolls. Allerdings habe ich diesmal die Lore wesentlich freier interpretiert, als man es von mir gewöhnt sein dürfte.
Sollte jemand auf sprachliche Barrieren stoßen – Drachisch ist ja nicht so weit verbreitet wie z.B. Englisch – dann hilft ein Blick ans Ende des Kapitels.
Alles klar? Dann kann's ja losgehen.

1. Lokheim

Langsam versank die Sonne über den schneebedeckten Bergen von Keizaal. Eine purpurne Aura hüllte die schroffen Gipfel ein, sandte Myriaden feinster Strahlen den schweren dunklen Wolken entgegen und verzauberte die Welt für ein paar Augenblicke, wandelte sie in ein Reich vollendeter Schönheit und Harmonie. Kestkood hätte Stunden damit verbringen können, diesen Anblick zu genießen, heute hatte er diese Zeit nicht.
Kräftig schlugen seine Schwingen den zunehmend kälter werdenden Wind. Es war nicht mehr weit bis Lokheim, dem Ort, den sie für die Zeit ihrer Ausbildung Heimat nannten. Allzu viel Lust schon zurückzufliegen hatte er allerdings nicht. In der Stunde der Dämmerung war es draußen am schönsten und außerdem …
„Mir wird schlecht, wenn ich nur an sie denke. Müssen wir wirklich schon umkehren?“ brachte Vulonvahdin Kestkoods Gedanken auf den Punkt.
„Ich kann sie auch nicht leiden.“ Kestkood bog seinen langen schlanken Hals zur Seite, um seine Gefährtin, die etwas versetzt in seinem Windschatten flog, anzusehen. „Aber Meister Dwiinkro wird stinksauer, wenn wir uns schon wieder verspäten.“
„An wem das wohl liegt? Er war früher wesentlich ausgeglichener, da hat er nie jemanden wegen einer kleinen Verspätung die ganze Schmiede ausfegen lassen.“ Vulonvahdins hübsches Gesicht verzog sich bei der Erinnerung an alte Zeiten zu einer Grimasse. Dabei waren diese „alten Zeiten“ noch gar nicht so lange her, im Frühling erst … Sie grinste plötzlich. „Wer zuletzt da ist, ist ein Joorre“, rief sie unvermittelt, legte die schmalen Flügel an und ging in den Sturzflug über. Pfeilschnell schoss sie an Kestkood vorbei.
„Hey, warte!“ Auch der grauweiße Frostdrache startete durch. Rauschend folgte er dem nachtschwarzen Pfeil zu dem seine Gefährtin geworden war, rasend schnell näherte sich der geröllübersäte Boden. Ein kleines Rudel Hirsche stob erschrocken davon, doch Kestkood beachtete sie nicht. Er fing seinen Sturzflug erst ab, als die Spitzen seiner Schwingen schon fast die ersten Baumwipfel streiften. „Gleich hab' ich dich!“, schrie er gegen den Wind an.
„Träum' weiter!“ Vulonvahdins Lachen schlug ihm entgegen. „Niemand fängt einen Schlangendrachen!“ Wie um ihren Worten Nachdruck zu verleihen vergrößerte sich der zusammengeschmolzene Abstand zwischen ihnen bereits wieder. Vulonvahdins Flügelschlag verstärkte sich, tief holte sie Luft und dann: „WULD!“ riss sie der Sog des Wortes mit sich fort.
„WULD!“ erklang es beinahe synchron eine Stimmlage tiefer. Auch Kestkood bediente sich der Macht der Stimme, nutzte die uralte Magie der Worte, die nur den Dov gegeben war, der Krone der Schöpfung. Schneller als der Schall schossen zwei Schatten über die Tundra, grauweiß und schwarz, wirbelten umeinander herum, stießen zusammen und stoben wieder auseinander, schraubten sich in schwindelerregende Höhen, um dann wieder wie Meteoriten dem Boden zuzustreben und kurz vor dem Aufschlag federleicht zur Seite zu schweben. Nicht einmal die Falken wären zu solchen Flugmanövern fähig gewesen. Ja, die Dov waren die wahren Herren der Lüfte, der ganzen Welt …
Als das große Felsplateau zu Füßen des Monahven in Sicht kam, bremsten sie ihren Flug. Beiden war es nicht mehr wichtig, wer denn nun gewonnen hatte. Seite an Seite glitten sie heran, zogen einen letzten Kreis am Abendhimmel und landeten.

Sie wurden bereits erwartet.
„Ich brauche wohl nicht fragen, wie es zu dieser Verspätung gekommen ist, oder?“ Dwiinkro wiegte den Kopf mit den breiten orangeroten Knochenplatten missbilligend hin und her.
„Nein, Meister. Ich meine, entschuldigt bitte vielmals, Meister“, stammelte Kestkood, während Vulonvahdin nur schuldbewusst auf den Boden schaute.
„Das habe ich mir schon gedacht“, war alles, was der alte Meister darauf erwiderte. Er wirkte jetzt noch müder als heute Morgen. Irgendetwas musste vorgefallen sein, dass ihn genug Kraft gekostet hatte, um über kleinere Verfehlungen einfach hinwegzusehen. Die beiden schauten sich an. Keine Strafarbeit? Offenbar nicht, denn Dwiinkro fuhr leise fort: „Legt euch schlafen wie die anderen auch. Morgen früh, beim ersten Sonnenstrahl trefft ihr mich auf der Flussinsel im Süden. Ich rate euch dringend, wenigstens diesmal pünktlich zu sein. Die Königin hat vielleicht nicht so viel Geduld wie ich.“
„Die Königin?“ Vulonvahdins Augen wurden groß. „Was macht …?“
Abrupt brach sie unter dem strengen Blick Dwiinkros ab. „Ich werde es morgen erfahren, richtig Meister?“
„Ja. Und jetzt verschwindet, bevor ich es mir anders überlege.“

Der kurze Moment, in dem sich Kestkoods Augen an die tiefe Dunkelheit in den Höhlen unter der Schmiede gewöhnten, hätte beinahe ausgereicht, ihn auf eine zuckende grünliche Schwanzspitze treten zu lassen. ‚Typisch Sahqonviing’, dachte er, ‚hat sich wieder mal mitten im Gang fallengelassen. Selbst Schuld, wenn einer drauftritt.’ Wie zur Bestätigung seiner Worte gab sie einen langen tiefen Schnaufer von sich, drehte sich leicht und ließ auch noch einen ihrer Flügel vor Kestkoods Füße fallen. Kopfschüttelnd stieg er darüber hinweg, drückte sich an zwei weiteren großen Körpern vorbei und fand schließlich weiter hinten die breite Schlafnische vor, die er sich mit Vulonvahdin teilte.
„Was meinst du, warum ist sie hier?“
„Meinst du, was ich glaube oder was ich mir wünsche?“ fragte er zurück.
„Beides.“
„Nun … wünschen würde ich mir, dass sie ihre verzogene Tochter wieder mitnimmt, aber glauben … ich glaube nicht, dass wir solch ein Glück haben werden.“
„Psst! Wenn sie uns hört …“ Vulonvahdin spähte in der Dunkelheit umher, doch obwohl ihre Augen genauso gut waren wie die der Kaaz, oder noch besser, sah sie nichts. Kestkood strich ihr beruhigend mit dem Flügel über die Schultern.
„Keine Sorge, sie ist nicht hier. Die Kulaas schläft nicht beim gemeinen Pöbel. Sie hat ihre eigene Höhle drüben am Hang. Mir riecht ’s ja da zu streng nach Troll, aber wenn sie meint, dass das standesgemäßer ist, will ich sie nicht davon abbringen.“
„Du redest dich noch mal um Kopf und Kragen“, seufzte Vulonvahdin. „Komm, lass’ uns jetzt schlafen. Viel Zeit bleibt nicht mehr.“

*****

Sie erwachten mit einem Donnerschlag.
„Hahnusul, du Ferkel! Was hast du gestern wieder gefressen?“ schallte Sahqonviings aufgebrachte Stimme durch die Höhle. Der Angesprochene blinzelte verschlafen. Hahnusul war braun geschuppt, etwas dicklich und der Ruhigste von allen. Zuerst kratzte er sich ausgiebig den langen Hals, bevor er sich, ohne den geringsten Anflug von Schuldbewusstsein in der Stimme, zu einer Antwort bequemte.
„Na … so zwei Dutzend Schlammkrabben, eine Ziege, einen halben Elf. Zugegeben, der lag wohl schon etwas länger im Wald, da wo es die leckeren Bären gibt, aber gestern waren keine da, also musste ich …“
„Schon gut“, Sahqonviing winkte resignierend ab, „aber geh beim nächsten mal nach draußen. Das hält ja keiner aus.“
Nacheinander verließen sie die Höhle, zuerst Sahqonviing, die es sehr eilig hatte, der „Wolke“ zu entkommen, nach ihr Kestkood, Vulonvahdin, Hahnusul und zum Schluss Sotwuld, der eigentlich immer noch nicht aufstehen wollte.
„Ist doch noch gar keine Sonne zu sehen“, quängelte er vor sich hin. Die anderen ignorierten es. Kurz darauf gesellte sich auch Dwiinkro zu ihnen und sie erhoben sich in die Lüfte, den Blick nach Süden gewandt, wo der Fluss eine größere Insel umspülte.

Die Sonne ging auf, stieg höher, es wurde Mittag. Von der Königin keine Spur.
Die fünf jungen Drachen hockten still in einer Reihe am Fluss. Meister Dwiinkro hatte sie zur Meditation verdonnert, ausgerechnet über das Wort „Verantwortung“ sollten sie dabei nachdenken. Als ob sie nicht alle verantwortungsvoll wären. Sotwuld wurde als erstem langweilig. Vorsichtig schubste er Kestkood, der neben ihm saß, an und flüsterte: „Wo bleibt die Königin denn? Meister Dwiinkro hat doch gesagt, sie kommt bei Sonnenaufgang.“
„Psst!“
„Aber mir ist langweilig und der Meister schon eingeschlafen.“
Wirklich, dem Alten war der Kopf auf die Brust gesunken. Auch wenn man bei flüchtigem Hinsehen annehmen würde, dass er meditierte, belehrten die ruhigen Atemzüge Kestkood eines besseren.
„Weißt du, Sotwuld“, flüsterte er zurück, „es gibt zwei Arten von Pünktlichkeit. Wer zum Volk gehört, hat auf den Augenblick genau am bestimmten Ort zu sein. Ein Adeliger gilt als pünktlich, wenn er am vereinbarten Tag erscheint. Das ist nun mal so.“
„Trotzdem ist das gemein. Warum muss Maariizzul nicht neben uns sitzen und auch meditieren? Sie gehört auch zur Gruppe.“
„Möchtest du, dass sie neben dir sitzt?“
„N-nein.“
Kestkood grinste. „Da hinten kommt sie gerade“, raunte er und stupste dann seinen Meister an, um ihm die Peinlichkeit zu ersparen, von der Prinzessin beim Schlafen erwischt zu werden.
Zuerst war es nur ein Aufblitzen im Sonnenlicht. Kurz darauf wurden die Umrisse eines schlanken Körpers mit kraftvoll schlagenden Schwingen vor dem Blau des Himmels sichtbar. Anmutig gleitend zog sie noch zwei Runden über der Insel, sank dann schwerelos hinab und landete formvollendet, ohne ein einziges Stäubchen aufzuwirbeln, vor den anderen.
„Ich freue mich, dass Ihr uns mit Eurer Anwesenheit beehrt, Kulaas“, wurde sie von Dwiinkro begrüßt. Seine Stimme klang frostig.
„Soo spät ist es doch noch gar nicht“, flötete sie und klimperte dabei mit ihren langen Wimpern. Kestkood hatte sich diesbezüglich schon öfter gefragt, ob mit ihren Genen etwas nicht stimmte. Die Kaaz hatten Wimpern, Elfen und Menschlinge wahrscheinlich auch, da hatte er nie drauf geachtet, aber ein Dov? Nein, niemals!
„Mutter lässt sich entschuldigen oder … eigentlich nicht, sie hat noch etwas Wichtigeres vor als das hier.“ Mit einer geringschätzigen Geste schloss sie die Gruppe, Meister Dwiinkro und die ganze Insel ein. „Ich soll Euch das hier geben, Meister.“
So hoheitsvoll, als wäre sie selbst bereits Königin und würde ihrem Lakaien die Gunst gewähren, von ihr beachtet zu werden, hielt sie Dwiinkro eine Schriftrolle hin, die dieser zähneknirschend an sich nahm.
Kurz vergewisserte er sich, dass auch alle aufmerksam waren, dann entrollte er das dicke Pergament. Dwiinkro räusperte sich.

„Meister Dwiinkro,
WIR haben mit Freuden vernommen, dass UNSERE geliebte Tochter Maariizzul die bisherige Ausbildung mit überragenden Ergebnissen gemeistert hat. Natürlich hatten WIR nichts anderes erwartet.
Es ist nun an der Zeit, die Prüfungen beginnen zu lassen. Kehrt nach Lokheim zurück. Ein Bote wird dort auf Euch warten und die entsprechenden Befehle für Euch bereithalten.

Königin Britfrinah“

„Heißt das, wir haben hier den halben Tag umsonst meditiert?“ fragte Sahqonviing nach einer Weile des Schweigens.
„Scheint so.“ Vulonvahdin hob die Flügel, doch Dwiinkro schüttelte energisch den Kopf. „Was heißt hier umsonst?“, tadelte er. „Meditation ist nie umsonst. Sie schult den Geist und befreit den Kopf von Nebensächlichkeiten. Außerdem hilft sie uns, das Verständnis für die Macht der Stimme zu vertiefen.“
„Ja, ja, können wir jetzt los?“ Maariizzul gähnte demonstrativ, obwohl sie heute vermutlich als einzige richtig ausgeschlafen hatte. „Und lächelt mal etwas! Eure miesepetrige Aura lässt noch meine Schuppen stumpf werden. Freut euch für mich, das ist mein großer Tag, die Prüfungen beginnen endlich und wenn ich damit durch bin, kann ich diesen kläglichen Haufen endlich verlassen.“
„Ja, das ist wirklich eine Freude“, murmelte Kestkood und ließ dabei offen, auf welchen Teil ihrer Äußerung er sich bezog.“ Vulonvahdin verdrehte die Augen, trat etwas beiseite und schwang sich als erste in die Luft.

„So werde ich vom Glanz ihrer Majestät nicht so geblendet“, raunte sie Kestkood im Fliegen zu. Der grinste: „Hey, Sarkasmus ist mein Markenzeichen, färbt das etwa schon ab?“ Sie beschleunigten etwas, um sich ungestört unterhalten zu können, doch Sotwuld holte sie trotzdem bald ein.
„Warum muss sie denn noch einmal die Prüfungen machen? Sie hat doch schon ihren Kriegsnamen“, wollte er wissen.
„Ja, das verstehe ich auch nicht ganz“, stimmte ihm Vulonvahdin zu.
Kestkood lächelte still in sich hinein. Es hatte seine Vorteile, wenn man der Sohn eines Hofbeamten war, eines recht unbedeutenden Hofbeamten zwar, nicht höher gestellt als ein einfacher Krieger, aber sein Vater diente als Eilkurier und bekam so die ganzen Neuigkeiten des Hofes aus erster Kralle mit.
„Sie wiederholt die Prüfungen nicht, sie hat noch keine abgelegt“, antwortete er.
„Aber der Kriegsname … sie darf doch nicht ...“ Sotwuld ließ so schnell nicht locker.
„Doch, sie darf. Sie ist die Kulaas, vergiss das nicht.“ Und leiser fügte er hinzu: „Man sagt, ihr früherer Name hätte ihr nicht gefallen. Niemand darf sie mehr so nennen. Deshalb hat sie ihren Kriegsnamen … vorgezogen und deshalb geht es auch mit der Prüfung so schnell. Wenn sie die geschafft hat, ist alles wieder in Ordnung.“
„Und wenn nicht?“
Kestkood sah den Jüngeren vorwurfsvoll an. „Ein „wenn nicht“ gibt es für die Kulaas nicht.“
„Ich meine ja nur ...“
Die darauf folgende Pause währte keine zehn Flügelschläge. Dazu war Sotwuld viel zu neugierig. „Kestkood?“
„Was?“
„Wie hieß sie denn vorher?“
„Das willst du nicht wissen.“
„Doch.“
„Nein. Zu deiner eigenen Sicherheit.“
„DOCH! Ich bin kein Kind mehr. Ich passe schon auf. Bitte … sag es mir.“
Kestkood kannte den „Kleinen“ lange genug, um zu wissen, dass er nicht eher Ruhe geben würde, bis er seine Antwort bekam. Seufzend schob er sich etwas näher an ihn heran. „Also gut, aber pass auf, dass sie dich nicht hört.“ Er brachte seinen Kopf ganz dicht an Sotwulds Hörloch und flüsterte es ihm zu.
„Sie … sie hieß … nein, das passt!“ prustete er los, wobei er übermütig einen Salto schoss. Kestkood sah ihm mit gemischten Gefühlen nach, sah wie er zuz Hahnusul und Sahqonviing herübersegelte und seufzte.
„Hältst du das für klug?“ wurde er von Vulonvahdin gefragt.
Er zuckte unwillkürlich zusammen wie ein Novize, den man beim Naschen erwischt hatte. „Nein, du hast wie immer Recht. Ich hätte es ihm nicht sagen dürfen. Andererseits wissen es ja viele, Sotwuld hätte auch jeden anderen fragen können.“
„Und wahrscheinlich keine Antwort bekommen.“ Sie sah ihn nachdenklich an. „Ich habe kein gutes Gefühl dabei, Kestkood.“
Das hatte er plötzlich auch nicht mehr.

Der kurze Flug war schnell vorbei. Sie landeten kurz nacheinander auf dem Plateau, wo sie bereits erwartet wurden.
„Oh, Viinturuth, welche Ehre“, begrüßte Dwiinkro den königlichen Boten mit einer Verbeugung.
„Auch mir ist es eine Ehre, Meister des Stahls“, gab dieser höflich zurück.
Währen die beiden noch weitere Begrüßungsfloskeln austauschten, landete auch Maariizzul neben den anderen. Sie schaffte es dabei, genau die Stelle zu erwischen, an der die einfallenden Sonnenstrahlen ihre goldenen Schuppen am vorteilhaftesten zum Glänzen brachten. Selbst Viinturuth kniff kurz geblendet die Augen zusammen und das schicksalergebene Schulterzucken Dwiinkros sprach Bände.

„Ich bin da, es kann losgehen.“
„Danke, Kulaas.“ Viinturuth schaute von einem zum anderen, dann zu Meister Dwiinkro und schließlich wieder auf die Prinzessin.
„Alduin, Euer Vater“, begann er, „unser ruhmreicher König hat beschlossen seine geliebte Tochter Maariizzul den Prüfungen zu unterziehen. Euch fünfen wird die große Ehre zuteil, ihr dabei zur Seite stehen zu dürfen, jeder von Euch wird sie auf eine der Prüfungen begleiten.
Es werden keine leichten Aufgaben sein, das wäre einer zukünftigen Königin nicht würdig. Viel wird von euch verlangt werden und ihr werdet keine Hilfe erhalten, so wie die Traditionen es gebieten. Seid schlau, seid schnell, seid stark. Dann werdet ihr es schaffen.
Die erste der Prüfungen wird in drei Tagen beginnen. Bereitet euch alle darauf vor, denn erst an diesem Morgen werde ich euch sagen, worin die Prüfung besteht, welches euer Ziel ist und wer die Kulaas begleiten wird. So hat es Alduin, unser König, befohlen und so wird es geschehen.“

Viinturuth hatte gesprochen und alle sahen sich betreten an. Nicht einmal Maariizzul schien glücklich über diese Entscheidung zu sein. Viel lieber hätte sie allein alles erledigt, den Ruhm eingeheimst und nicht das Kindermädchen für diese Versager spielen müssen. Doch gegen Alduins direkten Befehl kam selbst sie nicht an. „Na dann bereitet euch mal schön vor“, meinte sie etwas gekränkt. „Ich gehe mir die Krallen feilen.“

*****

Auf dem Monahven:
Alduin hatte sich zusammen mit Britfrinah in seine Gemächer zurückgezogen.
„Paazyuvonkiir wird erwachsen“, murmelte er. „Glaubst du, wir haben eine gute Auswahl getroffen?“
„Du sollst sie nicht immer noch so nennen“, erwiderte die feuerrote Schönheit neben ihm leicht tadelnd.
Er lächelte. „Ich weiß, aber für mich wird sie immer Paazyuvonkiir bleiben, egal wie sie sich jetzt nennt. Doch du hast meine Frage nicht beantwortet.“
Britfrinah dachte kurz nach. „Ja, die Auswahl ist gut, es sind schwere Aufgaben, aber sie wird es schaffen. Mach dir keine Sorgen.“
„Nicht um sie, da hast du Recht, aber ich sorge mich um ihre Begleiter.“
...

Kleines Wörterbuch Drachisch - Deutsch

Lokheim = Himmelsschmiede
Keizaal = Himmelsrand
Joorre = Sterblicher (auch abwertend gemeint)
WULD = Wirbelwind (Geschwindigkeit verleihendes Wort der Drachensprache)
Dov = Drachen
Monahven = Hals der Welt
Kaaz = Katze / Khajiit
Kulaas = Prinzessin

Starring:
Kestkood = Sturm im Schnee; grauweißer Frostdrache
Vulonvahdin = Nachtmädchen; nachtschwarzer Schlangendrache; Kestkoods Gefährtin
Sotwuld = Weißer Wirbelwind; schneeweißer Frostdrache (männlich)
Sahqonviing = Purpurflügel; weibl. Blutdrache; grün-violett gefärbt
Hahnusul = Traumtag oder: Tagträumer; etwas behäbiger männlicher brauner Drache (Feuer)

In Dwiinkro = Meister Stahlzauberer; Verehrter Drache; orangerot
Britfrinah = Wunderschöne heiße Jägerin; roter Drache; Alduins Gefährtin
Maariizzul = Schreckliche Eisstimme; goldfarbener Drache; Alduins Tochter
Viinturuth = Glänzender Hammer der Wut
Paazyuvonkiir = Holdes Goldkind

Moonlord
26.04.2014, 09:34
2. Akavir

„Wohin soll er sie begleiten?“ Kestkood glaubte sich verhört zu haben, er hoffte es. „Dafür ist er noch viel zu jung“, flüsterte er.
„Bin ich nicht!“ Sotwuld hatte es trotzdem gehört und streckte energisch den Hals, um größer zu wirken als er tatsächlich war.
„Aber das muss ein Missverständnis sein! Nicht er sollte gehen sondern ich. Ich war schon einmal in Akavir und …“
Viinturoth schüttelte ablehnend den Kopf. „Ich rechne es deiner Jugend an, dass du noch nicht weißt, was ein eindeutiger Befehl des Königs ist“, sagte er und Maariizzul grinste hämisch dazu. „Du hast es ihm verraten, darüber reden wir noch“, raunte sie.
Kestkood brauchte nicht lange überlegen, worauf sie hinaus wollte. Erst gestern hatte der Kleine, wie er Sotwuld insgeheim nannte, wieder einen Lachanfall gehabt. Natürlich ging es um den früheren Namen der Kulaas und leider hatte sie es diesmal mitbekommen.
Doch ausgerechnet Akavir? Das hatte er nicht verdient!
Ohne es zu merken war er einen Schritt vorgetreten, hinein in den Kreis, in dem der Ort der ersten Prüfung verkündet worden war. Nun zog ihn jemand langsam am Schwanz zurück. „Du kannst nichts dagegen tun“, versuchte Vulonvahdin ihn zu beruhigen. „Es stand von vornherein fest, wer welcher Prüfung zugeteilt ist.“
Viinturoth nickte dazu, sah Kestkood fest in die Augen und sprach: „Auch deine Zeit wird kommen, Kestkood. Glaube nicht, dass Akavir die schwerste der Prüfungen sein wird. Der junge Sotwuld ist ein Frostdrache wie du, er ist geschaffen dafür, diese Aufgabe zu meistern. Habe Vertrauen.“
Etwas zögernd gab er sich geschlagen. „Der König hat es so befohlen“, wiederholte er sinngemäß Viinturoths Worte. „Ich werde nicht daran zweifeln.“
„Gut so. Und nun geht, verabschiedet euch, denn die Reise wird mehrere Tage in Anspruch nehmen.“

„Was ist denn nun so schlimm an Akavir?“ wollte Sahqonviing wissen, als sie sich am Abend in ihre Schlafhöhlen zurückgezogen hatten. „Ein paar Schneedämonen in ihre Schranken zu weisen kann doch nicht so gefährlich sein.“
„Hast du eine Ahnung!“ Kestkood seufzte. „Es sind Dämonen, klar? Unsterbliche verdorbene Wesen, die man nicht einmal schnell mit ein wenig Frostatem einschüchtern kann. Fressen kann man sie auch nicht, man hat eine Ladung nassen Schnee im Maul, mehr nicht. Hahnusul hätten sie schicken sollen.“
Der Genannte sprang erschrocken auf, wobei er sich fast den Kopf an der niedrigen Decke gestoßen hätte. „Spinnst du? Da friere ich mir ja jede Schuppe einzeln ab.“
„Aber du beherrscht von uns allen am besten das Feuer“, widersprach Kestkood, „und das ist die einzige wirksame Waffe gegen diese Brut.“
„Ach so … armer Kleiner …“

***

Der „arme Kleine“ war inzwischen richtig aufgekratzt, so sehr, dass ihn nicht einmal die Gesellschaft der Prinzessin störte. Es gab ja überall Neues zu entdecken, gerade eben einen riesigen See, an dessen Ostufer sich die ärmlichen Holzhütten einer Elfensiedlung drängten. Falmer warfen von winzigen Booten ihre Netze aus. Sie duckten sich ängstlich, als sie die beiden Drachen ankommen sahen, ein paar von ihnen sprangen sogar ins Wasser.
Sotwuld verspürte keinen Hunger. Elfen waren sowieso meist viel zu mager und manche besaßen die Fähigkeit zur Magie. Sie konnten einem Drachen zwar nicht wirklich gefährlich werden, doch als Sotwuld noch klein war, hatte ihm einmal so ein Knirps einen Feuerball voll auf die Zunge gepfeffert. Er hatte drei Tage lang nicht richtig sprechen gekonnt. Sotwuld hielt sich lieber an Tiere, an einen fetten Elch zum Beispiel, doch wie gesagt, er war nicht hungrig.
„Sind wir bald da? Ist es dort hinter den Bergen, Paaz…“ Erschrocken schluckte er den Rest des Namens hinunter. Zu spät.
„Wenn du das noch einmal sagst, kannst du was erleben!“ knurrte Maariizzul ihn an. „Und nein, hinter diesen Bergen liegt erst die Insel des Sahqo Strunmah. Pass auf die Elfen dort auf, sie nennen sich Dwemer und …“
„Kenne ich“, fiel er ihr vorlaut ins Wort. „Die gibt es bei uns im Norden auch. Sie basteln immer an irgendwas herum, was stinkt und Krach macht. Und sie haben harte Rüstungen an, die man schlecht durchbeißen kann. Ekelig!“
Zuerst hatte es den Anschein, als wollte Maariizzul wegen der Unterbrechung böse werden. Dann jedoch lachte sie kurz auf. „Nur das Fressen im Kopf, was? Du wirst bald so aussehen wie Hahnusul. Und jetzt nerv’ nicht mehr, ich sage dir schon, wenn wir da sind.“

Das sollte allerdings noch zwei anstrengende Flugtage dauern. Nachdem sie die Küsten des später Morrowind genannten Landes überflogen hatten, kam sehr lange nichts als Wasser. Sotwuld geriet mehrmals ins Trudeln, da er solche strecken einfach nicht gewöhnt war, fing sich aber immer rechtzeitig ab. Maariizzul hingegen schwebte grazil auf den Lüften dahin, als hätte sie nie etwas anderes getan. Sie ärgerte sich, den kleinen Frostdrachen aufgedrückt bekommen zu haben, wo sie doch alleine viel schneller fertig geworden wäre. Ein paar Schneedämonen in ihre Schranken verweisen, ha! Als ob das eine würdige Aufgabe wäre. Die würden sich genauso wie diese dümmlichen Falmer in den Staub werfen, wenn sie sie nur von weitem sahen. Dann würde sie vielleicht eine Klaue voll abfackeln, so als kleine Drohung, und gut. Prüfung beendet!

Endlich, am Abend des dritten Tages, kam wieder Land in Sicht. Sie trafen auf weite Grasflächen, gemischt mit einzelnen kleinen Baumgruppen, eine Gegend, die schon ein wenig an das Zentrum Keizaals erinnerte. Hier und da ragten Tempelbauten aus dunklem Stein in den Himmel, breit und wuchtig aber nie sehr hoch. Einer von ihnen wies eine große Plattform auf, die sich Sotwuld sofort zur Landung aussuchte.
„Oh Mann, bin ich müde“, japste er, „und hungrig. Wo sind wir hier? Ob es in der Nähe was Leckeres zu fressen gibt?“
„Tsaesci-Land“, war Maariizzuls lapidare Antwort. „Warte einfach ab.“
Auch sie war gelandet. Doch da sie die Reise kaum angestrengt hatte, nutzte sie die Pause um sich die Krallen zu feilen und den Glanz ihrer goldenen Schuppen zu kontrollieren. Man konnte ja nicht von ihr verlangen, dass sie den Dämonen ungepflegt gegenübertrat.
Es dauerte nicht lange, da vernahmen sie aus dem Tempel unter sich den klang von Trommeln. Wumm! Wumm! Immer lauter wurden sie und bald schon war der Schall als feine Vibration mit den Füßen zu spüren.
„Was wird das?“ Sotwuld äugte neugierig über den Rand.
„Futter. Was sonst?“
Er blickte kurz die Prinzessin an, sah dann wieder nach unten.
„Oh!“
Eine lange bunte Prozession kam aus den Toren des Tempels gezogen, wandte sich gerade nach rechts und steuerte auf breite Treppen zu, die auf dieser Seite zur Plattform führten. Die Wesen, etwa menschengroß, bewegten sich seltsam schlängelnd, wiegten sich hin und her und hielten lange Federbüschel in den schmalen Händen, die sie im Takt der Trommeln schwangen. Nur einige beteiligten sich nicht daran und auf diese richtete Sotwuld jetzt seine ganze Aufmerksamkeit. Sie gingen in zwei Reihen, hatten lange Stäbe über die Schultern gelegt und balancierten Silberplatten darauf, welche mit großen Fleischstücken geradezu überladen waren.
„Hmh lecker, Abendessen“, sagte Sotwuld, zufrieden lächelnd. „Ich nehme …“
„Untersteh’ dich etwas anzufassen, bevor ich es berührt habe“, wurde er sofort zurechtgewiesen. „Das ist mein Land. Meine Mutter herrscht hier!“

***

Während sich Maariizzul mit den fettesten, blutigsten Stücken vollstopfte und Sotwuld leise grummelnd auf denjenigen herumkaute, die die Prinzessin für nicht schmackhaft genug hielt, fand einige Flugstunden weiter östlich, im Land Ka Po’ Tun ein anderes Gespräch statt. Viinturoth war, unbemerkt von den beiden, ebenfalls nach Akavir gekommen, um die Prüfung zu überwachen. In Britfrinahs Palast traf er auf Odahviing, ihren Verwalter.
„Die Lage hat sich verschärft, sagt Ihr? … Hmh, das ist nicht gut. Am liebsten würde ich alles abblasen, doch wie erkläre ich es dann Alduin?“
„Gar nicht. Auch die Königin hat ausdrücklich darauf bestanden, die Prüfung unter keinen Umständen abzubrechen. Sie setzt unerschütterliches Vertrauen in ihre Tochter und mal ehrlich, eine abgebrochene Prüfung gilt nach den überlieferten Regeln als nicht bestanden. Was das für Auswirkungen auf Maariizzuls Thronfolgeanspruch haben würde, brauche ich Euch ja nicht zu erklären.“
Viinturoths Schweigen darauf war Antwort genug. Die Kamal, oder Schneedämonen, galten von jeher als aufrührerisch und schwer zu beherrschen. Immer mal wieder war eine kleine Strafexpedition nötig, um sie daran zu erinnern, wer die Herren auf diesem Kontinent waren. In letzter Zeit mehrten sich jedoch die Gerüchte von einem neuen König, Ada’Soon Dir-Kamal genannt, der in einem gigantischen Höhlensystem seine Anhänger um sich scharte. Ein offener Kampf stand bevor.

***

Der Himmel war wolkenlos, kristallklar die Nachtluft und eisig der Wind. Die Monde standen sich gegenüber, wirkten wie aufgespießte blasse Scheiben über den zackigen Graten der Heulenden Berge, die ihren Namen den stetigen, um ihre Gipfel peitschenden Schneestürmen verdankten. Ein Ozean aus unzählbar vielen blassen Sternen glitzerte über ihnen, jeder Punkt eine vergessene erfrorene Seele.
Immer höher stiegen sie, der Kälte des über ihnen lauernden Nichts entgegen. Der Wind schleuderte ihnen Eiskristalle entgegen, so scharf und spitz, dass sie bei jeder Gelegenheit die Augen schlossen und fast blind flogen. Er zerrte an ihren Schwingen und trieb den Frost tief in ihre Knochen. Selbst Sotwuld, dessen Heimat am tief verschneiten Berg Anthor lag, zitterte. Noch nie hatte er solche Temperaturen ertragen müssen, und mit jedem anstrengenden Flügelschlag schienen sie weiter zu sinken.
„Bbald kann ich nnicht mmehr fffliegen“, brachte es zwischen klappernden Zähnen hervor.
Maariizzul sah sich nicht nach ihm um. Sie verzichtete auch auf eine Antwort, denn selbst sie hätte kein vernünftiges Wort mehr über die Lippen gebracht, eine Schwäche die sie auf keinen Fall eingestehen wollte. Längst waren ihre goldenen Schuppen von feinem Eis bedeckt, durch das sie nur noch matt schimmerten. Zu ihrer Erleichterung würde es nachts niemandem auffallen.
Gleich hatten sie es geschafft. Nur noch ein paar letzte verzweifelte Flügelschläge, dann war der Grat erreicht. So dicht, dass ihr Bauch fast den Schnee streifte, schoss Maariizzul darüber hinweg, spürte schon die winzige Erwärmung der Luft und bremste etwas ab, um sich einen kurzen Überblick zu verschaffen.
Daraus wurde nichts. Ein brutaler Schlag in den Rücken stieß sie nach vorn. Sie überschlug sich zweimal in der Luft, versuchte hektisch wieder die Balance zu finden, doch die Kälte forderte ihren Preis. Immer noch halb steifgefroren landete sie im Schnee, rollte und rutschte einen steilen Hang hinab, blieb an einem Felsvorsprung hängen und drehte sich herum. Ein schwerer Körper kullerte einem gigantischen Schneeball gleich an ihr vorbei, walzte über ihren Flügel hinweg. Knochenstacheln bohrten sich schmerzhaft in ihre Haut, rissen sie beinahe mit. Dann war er schon wieder vorbei. Durch eine Wolke aufgewirbelten Schnees sah sie, wie Sotwuld über die Kante des nächsten Abhangs schoss und mit einem erschrockenen Aufschrei verschwand. Wenig später klatschte es vernehmlich.
Stöhnend kämpfte sie sich auf die Beine, alles tat weh. Vorsichtig tastete sie sich an den Rand des Abgrunds vor, spähte hinüber. Da lag er im Schnee, auf dem Rücken mit ausgebreiteten Flügeln. Wäre er nicht so tief eingesunken, dass die Ränder starke Schatten warfen, dann hätte sie ihn gar nicht erkannt, so gut stimmte die Farbe seiner Schuppen mit dem Schnee überein.
„Sotwuld?“
„Aua!“
Erleichtert atmete sie auf. Er lebte noch und begann gerade, sich aus seinem Schneelager zu erheben. Wie hätte sie ihm sonst auch sagen sollen, wie unglaublich dämlich seine Aktion gerade gewesen war? Mit ausgebreiteten Schwingen glitt sie hinab, baute sich vor dem Frostdrachen auf, welcher immer noch seine Knochen sortierte.
„Hast du Tölpel keine Augen im Kopf?“ begann sie wütend. „Wer hat dir gesagt, dass du mich rammen sollst? Ich hätte mir einen Flügel brechen können … oder gleich den Hals! Oder ich wäre bewusstlos einfach erfroren oder …“ Aus ihren Nasenlöchern wölkte bereits wieder leichter Rauch, ein eindeutiges Zeichen, wie heiß es in ihr brodelte.
„Aber ich wollte doch nicht … ich … meine Augen … zugefroren …“ schniefte der Kleine, noch immer vor Kälte zitternd. „Das war doch nicht mit Absicht!“
„Absicht oder nicht, es war dumm!“ Maariizzuls Urteil stand fest. Sotwuld würde nie ein würdiger Untertan für sie werden. Wenn sie erst Königin war, würde sie ihn in den entferntesten Winkel des Reiches verfrachten. Vorerst allerdings …
„Kannst du wieder fliegen?“
Sotwuld schlug ein paar Mal probeweise mit den Schwingen, dann nickte er krampfhaft.
„Ja, es wird gehen.“
„Dann los. Wir müssen weiter nach Norden. Die Berge sind eine Todeszone, ein Schutzwall gegen Angriffe aus dem Süden. Im Landesinneren ist es zwar auch elendig kalt, aber kein Vergleich zu dem hier.“ Sie deutete noch einmal in die Richtung, aus der sie gerade gekommen waren, dann hob sie ab und Sotwuld folgte ihr.

Der Morgen kam, der Vormittag verging und die Sonne brachte die riesige weiße Fläche unter ihnen unbarmherzig zum Leuchten. Mittlerweile hatten sie gut die Hälfte des gefrorenen Landes Kamal überquert. Sotwuld stand kurz davor, wieder einmal zu fragen, wie weit es noch war. Maariizzul stand kurz davor, ihn wegen seiner nervenden Fragerei zu erwürgen, da sahen sie beinahe gleichzeitig die Bewegung. Etwa zehn hellgraue Schatten huschten über denn Schnee.
„Da sind welche!“ rief Maariizzul ihrem Begleiter zu. „Die schnappen wir uns. Mit etwas Glück reicht das schon. Kämpfe nur mit Feuer, Sotwuld. Frost bringt gar nichts und – ganz wichtig – einer muss überleben! Alles klar?“
„Jawohl Ma'am!“ schmetterte Sotwuld bereits voller Tatendrang.
Wie sie es bei den Übungen gelernt hatten, so trennten sie sich. Sotwuld flog nach links, während die Prinzessin nach rechts einschwenkte und etwas höher stieg. In weiten Bögen flogen sie an der Gruppe vorbei, umkreisten sie, zogen die Ringe enger und sandten bereits jetzt kleine Feuerstöße hinab.
„Siehst du, wie leicht das geht?!“ schrie sie, als sich ihre Flugbahnen überschnitten. „Gleich rennen sie wie die Joorre.“
Sotwuld lachte bestätigend. Das war wirklich einfach. Er hatte Gegenwehr befürchtet, irgendwelche magischen Attacken. Diese kamen zwar, waren aber absolut lächerlich. Die Gruppe der Dämonen stand zusammengedrängt im Zentrum ihrer Kreise, hektisch ruckten ihre klobigen Köpfe hin und her. Immer wieder hob einer von ihnen den Blick, richtete seine Pranken auf die Drachen und wirkte Frostzauber, die jedoch entweder zu schwach waren um Schaden anzurichten oder gleich ihr Ziel verfehlten.
„Jetzt!“
Auf Maariizzuls Kommando schoss Sotwuld herab, mitten in die Menge. Er nahm alle Kraft zusammen, konzentrierte sich so sehr es die Situation zuließ und brüllte sein „YOL“ hinab. Ein Feuerball schoss zwischen die Kamal, setzte zwei oder drei von ihnen in Brand und ließ sie panisch auseinanderstieben.
„YOL TOOR SHUL!“ Wo Sotwuld ein Flämmchen zustande gebracht hatte, schickte die Prinzessin eine Feuerflut hinab. Die Wirkung war verheerend. Von mindestens sechs der Dämonen blieb nur rauchende Asche zurück, zwei weitere suchten kreischend ihr Heil in der Flucht, wurden jedoch von Blitzen zerfetzt, die Maariizzul ihnen nachgeschickt hatte. Einer wurde von Sotwuld erledigt, unabsichtlich aber sehr effektiv. Der mächtige Schrei der Prinzessin hatte den Frostdrachen abgelenkt, sodass er seinen Sturzflug nicht mehr rechtzeitig abfangen konnte. Wie ein Stein stürzte er dem Dämon entgegen und matschte ihn breit.
„Hey, cooler Kampfstil. Selbst entwickelt?“ war Maariizzuls spöttischer Kommentar dazu.
Sotwuld kratzte sich verlegen eine Portion graublauen Dreck vom Bauch, dann fiel ihm ein, dass ja noch einer der Kamal übrig war.
Die Kulaas war bereits neben diesem gelandet, hatte sich mit ausgebreiteten Schwingen in Positur gesetzt und wirkte riesengroß.
„Nun, Dämonenwicht? Wer sind die Herren von Kamal?“ fragte sie ihn mit schneidender Stimme.
„Ihr, Herrin. Die Dov sind die unumschränkten Herren der Welt. Bitte, gewährt mir die Ehre eines schnellen Todes.“ Der Kamal warf sich vor ihnen in den Schnee, einem unförmigen Eisklumpen gleich, von dessen Oberfläche der scharfe Wind anhaftende Flocken wegblies.
Maariizzuls Mundwinkel zogen sich in die Höhe, stolz hob sich ihre Brust, die Augen glitzerten. „Nein, du Wurm, ich werde dich nicht töten. Lauf zu deinem Fürsten und berichte ihm, wie kläglich ihr wieder versagt habt. Sag ihm, Maariizzul hat dich geschickt, die goldene Königin von Kamal.“
„Wenn ihr es befehlt, werde ich es tun, oh große Königin … aber ...“
„Aber?“
Maariizzul war erstaunt. Mit Widerspruch hatte sie nun wirklich nicht gerechnet. Doch die Stimme des Kamal klang so, als könnte es wichtig sein.
„Aber?“ wiederholte sie, diesmal etwas eindringlicher.
Der Dämon schien kurz zu zögern, eh er sprach: „Vergebt mir, oh prächtigste aller Drachen, doch ich bin nur ein unbedeutender Knecht meines Fürsten. Wäre es nicht viel wirkungsvoller, wenn Ihr ihm die Nachricht selbst bringen würdet? Es ist auch nicht weit, der Eingang zu seinem Palast ist gleich hinter diesen Hügeln.“
Sie folgte der Richtung seiner ausgestreckten Hand. Tatsächlich, die Hügel konnte man fast berühren. Kurz überlegte sie noch, dann stand ihr Entschluss fest. „Gut, führe uns. Aber keine Tricks! Wenn weitere deinesgleichen dabei draufgehen, wird es deine Schuld sein.“
„Ihr seid zu gnädig, Königin.“ winselte der Kamal. „Bitte folgt mir nun.“

***

„Ich kann nicht glauben, dass ich bei dieser Sache mitmache.“ Odahviing schielte zu Viinturoth hinüber, an dessen Seite er den Heulenden Bergen entgegenflog. Eine Gruppe von zehn ausgewählten Kriegern begleitete sie.
„Wenn alles gut geht, braucht es niemand erfahren“, erwiderte dieser. „Ich mache mir nur Sorgen um ihre Sicherheit. Auch wenn die Befehle der Königin anders lauten, am Tod ihrer Tochter hat sie sicher kein Interesse.“
„An unerwünschter Einmischung aber auch nicht“, knurrte der Rote. „Ihr kennt sie nicht so wie ich.“

***

Kaum war der Kamal mit den Drachen in Richtung der Hügel verschwunden, regte es sich wieder auf dem Schneefeld. Kleine Luftwirbel bildeten sich dort, wo die Aschehaufen lagen, wurde stärker, verfestigten sich und nahmen wieder Gestalt an. Neun Dämonen traten zusammen, unversehrt als wäre nie etwas geschehen.
„Wartet noch etwas“, hielt Kar'goor di'gash, Gardehauptmann und Anführer des Trupps, seine Leute zurück. „Lasst sie erst die Höhle betreten. Der König wird erfreut sein, dass seine Geiseln so dumm sind, selbst zu ihm zu kommen.“

Der Eingang war noch breit genug gewesen, jedoch der folgende Korridor verengte sich mit jedem Schritt. Längst war es so schlimm geworden, dass einem massigen Wesen, wie die Drachen es waren, das Umdrehen unmöglich war. Sie hätten den Gang nur rückwärts wieder verlassen können, doch das war tief unter Maariizzuls Würde. Wenigstens schien es nicht mehr weit zu sein, denn vor ihnen waberte das bläuliche Licht zahlreicher magischer Leuchter in einem großen Raum.
„Schubs nicht schon wieder!“ zischte sie nach hinten. Kurz blieb sie im Eingang stehen und sah sich um. Dann machte sie zwei weitere Schritte nach vorn, um Sotwuld, der trotz ihrer Ermahnung weiter drängelte, auch in den Saal zu lassen. Erleichtert schnaufend schüttelte der Frostdrache die Flügel. „Das ist unheimlich hier“, flüsterte er zurück.
So ganz Unrecht hatte er nicht, musste sie sich selbst eingestehen. Ihr Führer hatte den ganzen Weg über nicht ein Wort gesprochen, jetzt trat er zur Seite und verschwand in einer Gletscherspalte bevor sie ihn noch zurückhalten konnten.
Der Raum war riesig, so groß, dass man die rückwärtige Wand nur erahnen konnte. Kaltes Licht erhellte den völlig ebenen Boden, vielleicht die Oberfläche eines gefrorenen Gletschersees, und ließ die Randbereiche in tiefen Schatten liegen. Keine Bewegung war zu sehen, alles war leer bis auf die Erhebung ganz am anderen Ende.
Mangels besserer Ideen gingen sie darauf zu.
Bald sahen sie, dass es sich um einen Thron aus schroffem Eis handelte, auf dem, flankiert von zwei grimmigen Wächtern, ein besonders großer Dämon saß. Die Kälte, die von ihm ausging, wurde bei jedem Schritt schmerzhafter. Etwa zwei Drachenlängen vor ihm hielt Maariizzul an. Weiter ging es nicht, das spürte sie.
Nun gut, dann würde sie ihm eben von hier aus sagen, was sie von den Kamal hielt. Maariizzul öffnete den Mund, aber der andere kam ihr zuvor.
„Willkommen in meinem Reich, Drachen“, sagte er mit einer Stimme, so scharf wie gefrorenes Glas. „Willkommen in meiner Heimat, die von nun an auch die eure ist. Ich bin Ada'Soon Dir-Kamal, rechtmäßiger König dieses Landes, und ich beuge mich nicht mehr der Willkür eurer Art.“
So viel Frechheit verschlug selbst Maariizzul erst einmal die Sprache. Was sollte das heißen, das Gefasel mit der Heimat?
Der Kamal deutete ihren Gesichtsausdruck richtig, denn er erhob sich von seinem Thron und fuhr fort: „Ihr werdet in meinem Palast als Gäste verweilen, bis euer Volk Akavir verlassen hat und jeder auf diesem Kontinent meine Herrschaft anerkennt! … Bringt sie zu ihrer Unterkunft!“
Bei seinen letzten Worten flirrte die Luft. Dort wo eben noch gähnende Leere geherrscht hatte, umgaben sie jetzt Dämonen. Es mussten hunderte sein.
Sotwuld quiekte erschrocken auf und auch Maariizzul dämmerte langsam, dass hier etwas ganz und gar nicht in Ordnung war. „Auf den König“, zischte sie ihrem Begleiter zu und schrie ihm ihr „YOL“ entgegen. Die Flammen hüllten ihn ein, doch außer ein paar Tropfen, die vom Rand seines Thrones verdampften, passierte nichts. Der Gegenschlag kam schnell und brutal. Ada'Soon klatschte in die Hände, worauf ihnen ein Schwall tödlicher Kälte entgegenschlug. Maariizzul, die geistesgegenwärtig bereits vom Boden abgehoben hatte, wurde nur leicht gestreift, sie wirkte den Zauber Flammenmantel, um selbst zum Feuerball zu werden und so den Frost gar nicht erst an sich heranzulassen. So hoch es ging, flatterte sie der Höhlendecke entgegen, drehte ihren Kopf in alle Richtrungen und ließ ihren heiten Atem auf die Kamal niedergehen.
Sotwuld hatte nicht so viel Glück. Er war nicht schnell genug beim Versuch, den Kamal ebenfalls anzugreifen. Er war ein Frostdrache, Feuerzauber brauchten bei ihm eine viel längere Vorbereitungszeit. Ada'Soons Angriff traf ihn mit voller Wucht. Klirrende Kälte brach über ihn herein und ließ selbst ein Wesen wie ihn im Bruchteil eines Augenblicks erstarren. Tiefgefroren stand er vor dem Thron, unfähig auch nir ein Augenlid zu regen.
Die Prinzessin wehrte sich deweil, so gut sie konnte. Zwei weiteren Angriffen des Dämonenkönigs entging sie mit knapper Not. Es schien nur eine Frage der Zeit, wann sie dem Ansturm der Kamal erliegen würde und schon zogen sich diese um den Thron zusammen, sammelten ihre Magie, um den vernichtenden Schlag gemeinsam zu führen.
Maariizzul kämpfte, wieder und wieder ließ sie die verheerende Macht der Worte auf ihre Gegner los. 'Ich werde tagelang heiser sein, wenn das vorbei ist', schoss es ihr durch den Kopf, obwohl dieser Gedanke das kleinste ihre Probleme beschrieb. Schon sah sie den König, der ihr sein Zepter entgegestreckte, da wurden die Kamal durch Schreie vom Eingang abgelenkt.
Es wurde hell und warm. Eine Feuerwalze rollte durch die Höhle, ergriff die Kamal und verzehrte sie. Gleichzeitig begann es von der Decke zu tropfen. Bevor sie jedoch darüber froh sein konnte, erwischte sie der Frost. Maariizzuls Flügel vereisten. Wie ein Stein fiel sie zwischen ihre Gegner, rutsche noch ein Stück und bleib vor dem Thron liegen. Krampfhaft versuchte sie, ihre Fesseln aus Eis zu sprengen und langsam gelang ihr das sogar. Da richtete Ada'Soon sein Zepter auf sie. „Wenn ich dich nicht als Geisel haben kann, dann stirb!“ rief er wutentbrannt.
Sie holte Luft, wollte ihm ihre Flammen direkt ins Gesicht schreien, doch ihre Stimme versagte im entscheidenden Moment. Schon sah sie das Glitzern um das Zepter des Kamal. Wie würde es sein? Gab es ein Jenseits für Wesen wie sie?
Die Antwort auf diese Frage blieb aus. Stattdessen stürzte die Decke ein. Hausgroße Eisbrocken fielen herab, brachten den Tod unter die Kamal und hinterließen breite Risse im Boden. Einer davon landete genau zwischen ihr und dem König, fing die Energie des tödlichen Zaubers ab und zersprang davon in Tausend Stücke.
Durch das zerstörte Höhlendach drangen weitere Drachenkrieger ein und wendeten das Blatt des Kampfes zu ihren Gunsten.

„Au! Verflucht!“
Sie sah zu ihrer Hand, oder ihrem Flügel, wenn man so wollte. Einer der Splitter des Eisblocks hatte ihr doch tatsächlich eine Kralle abgebrochen!
Während um sie herum die Schlacht tobte und weitere Trümmerteile der Decke krachend zu Boden sauste, tat Maariizzul, was in dieser Situation am wichtigsten war. Sie gab mit Hilfe einer scharfkantigen Schuppe ihrer Kralle wieder etwas die Form zurück. Dass sie jetzt kürzer als die anderen war, würden ihr diese Dämonen ein Leben lang büßen müssen!

***

„Werden Eure Männer schweigen?“ fragte Viinturoth zum Abschied.
Odahviing nickte. „Wir waren niemals hier. Die Kulaas hat aus eigener Kraft die Kamal besiegt. Die Prüfung ist bestanden.“
„Ich danke Euch, mein Freund.“
Viinturoth seufzte, als er sich auf den Weg machte, um der Prinzessin nach Keizaal zu folgen. Zu viel war passiert, das nicht hätte passieren dürfen. Sie hatten eingreifen müssen und damit den Befehl ihrer Herrscher ignoriert. Ada'Soon Dir-Kamal war verschwunden. Vermutlich hatte er den Rückzug in die Gletscherspalten geschafft, dorthin, wo ihm kein Drache folgen konnte. Und das Schlimmste war, sie hatten Sotwuld verloren. Ein großer Eisbrocken der geschmolzenen Decke hatte ihn erwischt, hatte den gefrorenen Drachen einfach zu Splittern zersprengt während Viinturoth selbst noch am Eingang der Höhle gekämpft hatte. Vielleicht hätte die Kulaas ihn retten können, wäre sie nicht mit „wichtigerem“ beschäftigt gewesen. Es würde immer ungewiss bleiben.

***

„Ihr habt es zugelassen?!“ Britfrinah war aufgebracht, so wütend, dass sie sogar den gebotenen Respekt vor ihrem königlichen Gemahl vergaß.
„Was hätte ich tun sollen? Sie opfern?“ hielt Alduin entgegen.
Britfrinah schnaubte nur. „Sie ist meine Tochter. Sie hätte auch ohne fremde Hilfe einen Weg gefunden! Stattdessen habt Ihr erlaubt, dass Zweifel an ihrer Macht entstehen.“
„Zweifel an ihrer Macht? Ihr Handeln war unverantwortlich. Sie ist noch nicht so weit!“
Die Königing fuhr herum, schaute ihren Gemahl mit Zorn in den Augen an. Eine tiefe Kälte legte sich zwischen sie. „Sie ist längst so weit. Maariizzul wird einmal die größte Königin, die wir jemals hatten.“
„Sie wird alles opfern, was sich ihr in den Weg stellt“, antwortete Alduin nur und das Herz wurde ihm schwer.


Kleines Wörterbuch Drachisch - Deutsch

Lokheim = Himmelsschmiede
Keizaal = Himmelsrand
Joorre = Sterblicher (auch abwertend gemeint)
WULD = Wirbelwind (Geschwindigkeit verleihendes Wort der Drachensprache)
Dov = Drachen
Monahven = Hals der Welt
Kaaz = Katze / Khajiit
Kulaas = Prinzessin
Sahqo Strunmah = Roter Berg
YOL TOOR SHUL = Feueratem

Starring:
Kestkood = Sturm im Schnee; grauweißer Frostdrache
Vulonvahdin = Nachtmädchen; nachtschwarzer Schlangendrache; Kestkoods Gefährtin
Sotwuld = Weißer Wirbelwind; schneeweißer Frostdrache (männlich)
Sahqonviing = Purpurflügel; weibl. Blutdrache; grün-violett gefärbt
Hahnusul = Traumtag oder: Tagträumer; etwas behäbiger männlicher brauner Drache (Feuer)

In Dwiinkro = Meister Stahlzauberer; Verehrter Drache; orangerot
Britfrinah = Wunderschöne heiße Jägerin; roter Drache; Alduins Gefährtin
Maariizzul = Schreckliche Eisstimme; goldfarbener Drache; Alduins Tochter
Viinturuth = Glänzender Hammer der Wut
Paazyuvonkiir = Holdes Goldkind; Maariizzuls Kindername
Odahviing = Geflügelter Schneejäger; Britfrinahs Verwalter
Ada’Soon Dir-Kamal = König der Schneedämonen (Kamal)
Kar'goor di'gash = Gardehauptmann der Kamal

Moonlord
25.06.2014, 18:50
3. Atmora

In einem großen Halbkreis saßen sie vor der Schmiede. Die Stimmung war gedrückt, tiefe Trauer lag in ihren Blicken, die auf die Flammen gerichtet waren und den leeren Platz zwischen ihnen. Sie hatten nichts, um es dem reinigenden Feuer zu übergeben, nichts um Sotwuld den Weg zu ihrem Schöpfer ebnen zu können.
„ … fiel als ein Held. Möge Akatosh sich seiner Seele annehmen.“, schloss Viinturoth das Gebet, mit dem sie Abschied genommen hatten.
„Mach's gut, Kleiner“, schniefte Sahqonviing leise und selbst in Hahnusuls so oft in sich gekehrtem Blick schimmerte es feucht.
Vulonvahdin hatte sich fest an Kestkood geschmiegt, immer noch konnte sie es kaum fassen, dass sie ihren quirligen Freund niemals wiedersehen würden. Wie hatte das nur geschehen können? Die Dov waren doch die Herrscher der Welt, sie waren nicht zahlreich, doch sie lebten ewig, nichts konnte ihnen gefährlich werden. Und dann, nach Jahrhunderten unumschränkter Macht, fiel einer von ihnen. Es war unfassbar. Sotwuld riss eine Lücke in ihr Weltbild, die immer bleiben würde. Warum er? Warum gerade der Kleine? Hätte es nicht … Vulonvahdins trauernder Blick schlug in Hass um, als sie den Kopf wandte und zu der einzigen Person sah, die schmollend außerhalb des Kreises hockte. Hätte Kestkood sie nicht zurückgehalten, Vulonvahdin hätte sich wahrscheinlich sofort auf die Prinzessin gestürzt.

Maariizzul bekam das gar nicht mit. Dumpf brütend scharrte sie mit den Krallen Muster in den Staub. Warum waren alle so gemein zu ihr? Sie hatte doch nichts getan! Das mit der kleinen Nervensäge war ein Unfall, nicht ihre Schuld! Hätte er sich besser vorbereitet … Und dann hatten sie nicht einmal etwas Anerkennung für sie übrig gehabt, keine freundliche Begrüßung, weil sie doch so lange weg gewesen war, nichts! Ja, das Leben einer Herrscherin war manchmal einsam. Niemand wollte sie verstehen, aber das war ihr egal. Sie würde Königin werden, nicht einer dieser Miesmacher! Trotzig wandte sie sich um und verließ Lokheim nach Osten zu. Sie wollte allein sein in ihrer Höhle am Hang.

***

Drei Tage waren vergangen, in denen Meister Dwiinkro versucht hatte, der Gruppe etwas „Alltag“ zurückzugeben. Vom ersten Sonnenstrahl bis in die späten Abendstunden hatten sie die Zeit mit Übungen verbracht, mit Flugmanövern, Strategie, Schmiedekunst und Magie. Nicht einen Augenblick gönnte er ihnen Ruhe, keine Sekunde ließ er ihnen zum Nachdenken, und so war tatsächlich ein Anflug von Normalität zurückgekehrt, da alle viel zu müde waren, um über die Geschehnisse in Akavir nachzugrübeln.

Maariizzul hatte sich an alldem nicht beteiligt. Sie hockte in ihrer Höhle, träumte von ihrer glorreichen Zukunft und dachte sich Strafen aus, die sie über unbotmäßige
Untertanen verhängen konnte.
So verging die Zeit bis Viinturoth sie wieder zusammenrief.

„Nichts kann ungeschehen machen, was passiert ist“, begann er, „Doch denkt daran, was ich euch gesagt habe. Es gab einen Kampf und in einem Kampf kann es auch Verluste geben, so schwer das zu akzeptieren scheint. Gebt nicht der Kulaas die Schuld. Sie war es nicht, die die Höhlendecke zum Einsturz brachte. Lasst alle Vorwürfe hinter euch, denn die Zukunft wird eure ganze Aufmerksamkeit fordern.“
Er machte eine Pause, während der er jeden einzelnen musterte. Kestkood, der mit zusammengebissenen Zähnen dasaß, Vulonvahdin, in deren Augen immer noch kaum versteckter Hass glomm, Hahnusul, der beschämt auf seine Füße sah, weil er sich gerade noch in der Nase gebohrt hatte und von Viinturoth dabei überrascht worden war, Maariizzul, die als einzige gespannt seinen Worten lauschte, und zuletzt Sahqonviing.
Der Blutdrache erschauerte unter seinem Blick.
„Ich?“
„Ja“, sagte Viinturoth nur.
Sie wurde gleich noch etwas kleiner, schielte zu Maariizzul und schüttelte sich.
„Ich kann das auch allein“, mischte sich die Prinzessin ein. „Sagt mir einfach, was ich tun soll, und schon ist es erledigt. Ich brauche keinen Ballast.“
Viinturoth tat, als hätte er den Einwurf trotz der Beleidigung überhört.
„Die letzte Prüfung hat gezeigt, dass selbst wir überrascht werden können. Das darf nicht noch einmal geschehen. Wir müssen wissen, was potentielle Feinde planen und deshalb lautet die zweite Prüfung: Beschafft eine Kel.
Fliegt nach Atmora, zur letzten Bastion der Alten und bittet sie, uns eine ihrer Schriftrollen zu überlassen. Denkt daran, dass Gewalt in diesem Fall nicht nur zwecklos ist, sondern auch streng verboten. Die Alten sind keine Feinde. Sie sind neutral, doch sie wissen sich zu wehren und niemand würde euch helfen können.
Diese Aufgabe ist nicht allein zu bewältigen. Denkt immer daran.“

„Schon wieder in die Kälte“, maulte Sahqonviing, als sie am letzten Abend vor der Abreise zusammensaßen. „Warum kann so eine dämliche Prüfung nicht mal im Süden sein, wo es warm ist? Schlimm genug, dass ich die Gesellschaft von Goldie ertragen muss … aber sagt mal, wer weiß etwas über diese Alten?“
Sie sah sich auffordernd um.

Kestkood schüttelte den Kopf. „Ich nicht. Nicht mehr jedenfalls, als wir alle in der Ausbildung gelernt haben. Sie waren schon immer da, heißt es und es gab einmal sehr viele von ihnen. Jetzt nicht mehr.“
„Sie haben einen Turm in Atmora“, ergänzte Vulonvahdin. „Mehr kann ich auch nicht sagen, denn niemand hat sie in den letzten tausend Jahren gesehen. Es gibt auch keine Bilder, ich weiß nicht einmal, wie sie aussehen.“
„Na ja, wie … äh … alt eben.“ Hahnusul seufzte. „Von jeder Kreatur gibt es doch ein Bild, oder? Man muss es nur finden und sich ansehen.“
„Und wo willst du anfangen zu suchen?“ Vulonvahdin verdrehte die Augen. „Ich sagte doch gerade, dass es keine bekannten Bilder gibt.“
„Na in … bei ...“ Hahnusul brach ab. Ihm fiel nichts Sinnvolles ein, was er darauf erwidern konnte.
Sie einigten sich darauf, dass über die Alten so gut wie nichts bekannt war. Vielleicht hätte Meister Dwiinkro dazu mehr sagen können, oder Viinturoth, doch die beiden schwiegen sich aus. Schließlich gab Hahnusul noch einen letzten Erklärungsversuch von sich: Wenn sie wirklich so alt und mächtig sind, wie man sagt, dann sehen sie uns sicher ähnlich, oder?“
Dagegen war kaum etwas einzuwenden.
„Also gut, ich werde es euch erzählen, wenn wir zurück sind. Jetzt brauche ich erst mal einen Elch. Keine Ahnung, ob es die auch in Atmora gibt.“
Da vor Aufregung sowieso niemand schlafen konnte, verließen sie die Höhle, um noch eine nächtliche Jagd einzulegen.

***
Atmora war beinahe genauso weit entfernt wie Akavir, doch die Reise dahin ging schneller vonstatten. Sahqonviing erwies sich als sehr ausdauernde Fliegerin, der auch die kalten Nebel über dem Geistermeer nichts ausmachten. Sie redeten nur das Allernötigste, flogen in einigem Abstand nebeneinander her, die Blicke starr auf das Ziel gerichtet. Maariizzul wusste natürlich, dass Sahqonviing sie für Sotwulds Tod verantwortlich machte. Sie hätte versuchen können, alles zu erklären: dass sie die Gefahr unterschätzt hatte, der Kampf sie abgelenkt und es so zu diesem tragischen Unfall gekommen war. Vermutlich erwartete Sahqonviing sogar etwas in der Richtung, doch niemals würde sie eine eigene Schwäche eingestehen, vor wem auch immer. Lieber langweilte sie sich auf dem öden Flug, der nichts außer im Meer treibende Eisberge bot.

Endlich legte sich der Nebel und eine flache, steinige Küste tauchte vor ihnen auf. Im Tiefflug zogen sie über kargen Boden dahin, auf dem zwischen harten Grasbüscheln ausgedehnte graubraune Flechten ihr Dasein fristeten. Ganz vereinzelt krallte hier und da ein verkrüppeltes Bäumchen seine Wurzel tief ins Gestein.
Sie landeten auf eine Landzunge zwischen angespültem Holz und Tang. Ein Schwarm schmutziggrauer Seevögel stieg auf, wogte einige Male hin und her, um dann empört kreischend das Weite zu suchen.
Die beiden Drachen schauten nur einmal desinteressiert kurz auf. Solch kleines Federvieh lohnte nicht der Mühe, auch nur einen Muskel seinetwegen zu bewegen. Die fette Schlammkrabbe zu Sahqonviings Füßen hatte da weniger Glück. Krachend brach ihr Panzer zwischen den scharfen Zähnen. Beine und Scheren fielen in den nassen Sand, ein Festmal für alle Aasfresser, die bereits in versteckten Ritzen lauerten.
„Daf ift alfo Atmora“, sagte Sahqonviing kauend, „Fiemlich troftlof, wenn du mich fragft.“ Sie spuckte ein großes Stück Schale weg.
„Dich fragt aber niemand“, gab Maariizzul grantig zurück. „Und außerdem, was fällt dir ein mich zu duzen? Ich bin deine zukünftige Königin!“
„Meinetwegen … entschuldigt vielmals, Eure Majestät.“ Es klang alles andere als ehrerbietig, wie sie es sagte. Maariizzul hörte das natürlich heraus und schnaubte genervt. Musste sie das jetzt wirklich ausdiskutieren? Eigentlich hielt sie es schon für notwendig, dass andere die Form wahrten, andererseits … wer würde es mitbekommen? Atmora war der einzige Kontinent Nirns, den die Dov nicht besiedelt hatten, weil er einfach zu unwirtlich war. Es gab kaum große Tiere als Nahrungsgrundlage. Füchse und Kaninchen machten auf Dauer nicht satt, und wer wollte schon jeden Tag Horker fressen? Genauso schlecht war es um die Sklavenvölker bestellt Einige Stämme wilder Nedic-Menschen zogen als Sammler oder Krabbenfänger herum, gelegentlich verirrte sich ein Jagdtrupp der Falmer hierher, aber das war es auch schon. Die Eignung zum Sklaven setzte eben ein Mindestmaß an Intelligenz voraus, an der es den Zweibeinern eindeutig mangelte.
Wenn die riesigen Vogelschwärme mit ihrem nervigen Gekreische nicht wären, hätte man hier ganz gut ein paar Tage entspannen können.
„Für deinen Mangel an Respekt wirst du uns ein paar Horker besorgen, ich habe Hunger“, unterbrach Maariizzul ihren eigenen Gedankengang mit einem Befehl.
„Aber ...“
„Kein Aber! Ich muss mich schließlich orientieren und unsere nächsten Schritte planen. Das ist viel wichtiger. Also mach dich mal nützlich!“
Sahqonviing grummelte noch still vor sich hin, sah aber ein, dass es für ihre Zukunft nicht gut sein würde, sich direkt mit Maariizzul anzulegen. Leider war diese auch noch stärker als sie selbst. Nicht ohne noch einmal ordentlich Sand aufzuwirbeln hob sie ab, um nach Horkern Ausschau zu halten.
Maariizzul hatte sich derweil die Karte genommen, die Viinturoth ihnen mitgegeben hatte. Sie war uralt, mit Sicherheit äußerst ungenau und wies zudem noch etliche Risse und Flecken auf, was die Orientierung nicht einfach machte. Doch die Prinzessin hatte sich schon beim Anflug den Verlauf der Küstenlinie gut eingeprägt. Die breite Landzunge fand sie recht schnell – so viele gab es ja davon nicht.
„Hmh, zwischen diesen beiden Gletschern hindurch müsste es gehen“, sprach sie vor sich hin. „Mir ist bloß noch nicht klar, warum Viinturoth darauf bestanden hat, dass wir einen Fußweg suchen. Einfach drüberweg fliegen sieht doch viel leichter aus. Oder wird das wieder so eine dämliche Frostbarriere wie in Akavir? Gut, wir nehmen den Weg und fliegen so tief wie möglich. Dann ist … hier der Turm. Sieht ja stark zerklüftet aus, die Gegend. Wie kann man sich da nur wohlfühlen? Ich bin schon gespannt, wie diese Typen aussehen werden.“

In diesem Moment klatschte ein großer, schwerer Körper direkt neben ihr in den nassen Sand. „Es ist angerichtet, Euer Majestät!“, hörte sie Sahqonviings Stimme von oben. „Ich hoffe, es mundet Euch.“
„Mach nur so weiter“, knurrte sie zurück. Dieses unverschämte Ding würde schon noch sehen, was es einbrachte, die Thronfolgerin zu verärgern. Aber nicht hier und jetzt. Ohne entsprechendes Publikum fehlte auch Bestrafungen die richtige Würze.
Maariizzul zog sich den fetten Horker heran und biss sich fest. Mit ein paar kraftvollen Schwüngen schleuderte sie ihn herum, bis die dicke, ledrige Haut endlich nachgab und riss, um die dampfenden Innereien freizugeben. Wie befürchtet schmeckte die Leber etwas tranig, das war beim größten Teil dieser Beute so. Nur die Jungtiere machten da eine Ausnahme. Doch Maariizzul schlang sie trotzdem hinunter, wie auch den Rest der „Füllung“, um dann mit weiterem kräftigen Reißen und Zerren an der Haut die fleischigeren Stellen des Horker freizulegen. Erst als sie sich langsam das Blut von der Schnauze leckte, fiel ihr auf, dass Sahqonviing ihr die ganze Zeit nur beim Essen zugesehen hatte. Sie stutzte. War etwas mit der Beute nicht in Ordnung gewesen? Sie hatte nicht krank geschmeckt und gegen die meisten Gifte waren die Dov sowieso resistent … gegen die meisten …
Misstrauisch schielte sie zu ihrer aufgezwungenen Begleiterin hinüber. „Nanu? Hattest du keinen Hunger?“ fragte sie betont ruhig.
Auf Sahqinviings Gesicht machte sich ein zufriedenes Grinsen breit, bevor sie ebenso ruhig antwortete: „Nein. Ich habe schon gegessen. Da hinten waren drei Zweibeiner auf Horkerjagd. Die schmecken zwar auch nicht besonders, aber immer noch besser als zähe Robbe.“
Maariizzul schluckte. „Und mir hast du den Lederlappen gebracht?! Hast du gar nicht daran gedacht, dass mir so ein Falmer auch lieber wäre?“
„Doch … schon.“ Ihr Grinsen war einer Miene gewichen, die perfekt gespielte Betrübnis ausstrahlte. „Aber Euer Majestät hatte einen Horker geordert. Wie kann ich mir da anmaßen, eigenmächtig etwas anderes zu besorgen?“
Es dauerte einige Augenblicke, bis Maariizzul ihre Kiefer wieder zusammenbekam. Auch dann sagte sie nichts. Stattdessen zog vor ihrem inneren Auge eine ganze Prozession aller nur erdenklicher Grausamkeiten vorbei, die sie diesem Miststück antun würde, wenn sie erst einmal wieder zurück in Keizaal wären.

***
In unzähligen Windungen schlängelte sich der geröllübersäte Pfad zwischen steilen, gefrorenen Felswänden oder purem Gletschereis langsam nach Norden. Manchmal war er so eng, dass die beiden Drachen ihre Flügel senkrecht über dem Rücken halten mussten, um überhaupt durchzupassen. Maariizzul war stinksauer und auch Sahqonviings Laune hatte ihren Tiefpunkt erreicht.
„Ich hätte mir beinahe den Hals gebrochen!“, maulte sie ungeachtet der Tatsache, dass sie sich eigentlich vorgenommen hatte, kein Wort mehr mit der Prinzessin zu sprechen, ohne von „Ihrer Majestät“ dazu aufgefordert zu sein. „Warum hat man uns nicht gewarnt, dass man hier nicht fliegen kann?“
„Weil man es nicht wusste, dumme Nuss!“ knurrte Maariizzul zurück. Das Einzige, was sie etwas über ihre Lage hinwegtröstete, war der Umstand, dass nicht sie selbst abgestürzt war, sondern der Blutdrache. Etwa zwei Meilen landeinwärts, von Strand aus gesehen, hatte die Luft mit einem Schlag jegliche Tragfähigkeit verloren. Sahqonviing, die vorausgeflogen war – rein zufällig – hatte ein paarmal hilflos mit den Flügeln geschlagen, um dann wie ein Stein zu Boden zu stürzen. 'Zum Glück hat sie sich nicht wirklich das Genick gebrochen', dachte Maariizzul. Der Gedanke fußte jedoch nicht auf irgendeiner Art von Teilnahme oder Mitleid mit ihrer Reisegefährtin, sondern einzig auf der Tatsache, dass Viinturoth Recht behalten hatte, als er von einem Fußweg sprach. Sie ging deshalb davon aus, dass es sich mit der Behauptung, die Prüfung wäre allein nicht zu bewältigen, genauso verhielt.
„Egal, was diese Alten für Gestalten sind“, fuhr sie fort, „von Magie verstehen sie was.“
„Aber nichts von Anstand. Sonst hätten sie Warnschilder aufgestellt.“
Da war etwas dran, wie Maariizzul zugeben musste. Eine kleine Steintafel mit der Aufschrift „Fliegen verboten“ am Eingang der Schlucht wäre ganz anständig gewesen. Aber wie gesagt, es hatte ja nicht sie getroffen.
„Nicht rumtrödeln, es wird bald dunkel!“ raunzte sie die andere an.

Noch die ganze Nacht bis weit in den neuen Morgen hinein waren sie so unterwegs. Obwohl sie sehr mühsam vorankamen – wer normalerweise fliegen konnte, war eben weite Fußmärsche nicht gewöhnt – hatten sie wenigstens nicht zu hungern brauchen. Eine kleine Rotte von vier Frosttrollen hatte sich als Wegelagerer versucht – mit einem Ergebnis, das wohl so nicht geplant war. Dabei bestätigte sich zu beider Zufriedenheit, dass sich die herrschende Magie nur darauf bezog, keinen Flug zuzulassen. Ihre eigenen Stimmen konnten sie problemlos verwenden.
Endlich verbreiterte sich der Pfad wieder. Die schroffen Felswände traten zurück und öffneten den Blick auf einen riesigen Talkessel von bodenloser Tiefe. Mitten darin erhob sich auf einer Felssäule ein Turm aus graugrünem Glas. Zumindest wirkte er so, denn obwohl er mit allen erdenklichen Erkern, Alkoven, Seitentürmchen, Balkonen und sonstigen Auswüchsen geradezu übersät war, konnten die beiden nicht eine einzige Ritze oder Fuge ausmachen. Der Turm wirkte, als wäre er aus einen einzigen Stück errichtet worden. Vielleicht war es ja genau so, wer wusste das schon und … wen interessierte es?
Die beiden Drachen jedenfalls nicht. Zielstrebig gingen sie auf die schmale Brücke zu, welche sich von ihrem Weg aus über den Abgrund spannte. Ein gigantisches Tor, so hoch und breit wie die Flügelspanne dreier Dov nebeneinander, versperrte den Zugang, doch noch ehe sie sich Gedanken darüber machen konnten, schwangen seine Flügel lautlos auf und gaben den Blick auf eine schimmernde blaue Fläche frei, die wie das Wasser eines klaren Bergsees wirkte, nur eben senkrecht gestellt.
Staunend blieben sie kurz davor stehen. Die Fläche lockte sie, beruhigte und versprach zugleich, völlig ungefährlich zu sein, wenn sie sie durchschreiten würden. Es war Magie in höchster Vollendung, klar und rein, bar jeden Ansatzes von Dunkelheit, wie er in der Welt, die sie kannten, so oft zu spüren war.
Maariizzul fing sich als erste wieder. „Na, dann wollen wir mal“, sagte sie und trat auf das Portal zu. Noch einmal zögerte sie kurz, dann tauchte sie mit dem Kopf voran in die schimmernde Fläche ein und trat entschlossen hindurch. Sahqonviing folgte ihr dicht auf.

„Oh, ist das schön!“
Der Blutdrache schaute sich um. Sie befanden sich in einem kreisrunden Saal, dessen Decke so hoch war, dass sie völlig in der Dunkelheit verschwunden wäre … wenn es so etwas wie Dunkelheit hier gegeben hätte. Stattdessen war der Saal von einem diffusen, sanften Licht erfüllt, welches von überall zugleich zu kommen schien. Myriaden winziger Kristallsplitter bedeckten die Wände, brachen das Licht mannigfach und funkelten dabei in Farben, für die Sahqonviing nicht einmal Namen hatte.
Aus dem vollkommen ebenen Steinboden, der sich angenehm warm unter ihren Füßen anfühlte, wuchsen Bäumen gleich gewaltige Säulen in die Höhe. Um diese Säulen wanden sich Ranken voller kleiner Blätter, breiteten sich gelegentlich aus und vereinigten sich auch mit denen der Nachbarsäulen, wobei sie den Anschein eines natürlich gewachsenen Blätterdaches erweckten. Auch sie waren definitiv aus Stein gefertigt, wie auch die Farbe verriet, und doch bewegten sie sich im leise wehenden Wind leicht raschelnd hin und her.

„Kannst du deine Klappe mal zumachen? Das sieht dämlich aus und wir bekommen Besuch.“ Mit diesen feinfühligen Worten brachte Maariizzul sie wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Für eine Antwort auf diese rüde Störung war es zu spät, denn da stand die Gestalt bereits vor ihnen. Sahqonviing starrte sie an:
Ein Zweibeiner?
Sie hatte sich diese Alten irgendwie anders vorgestellt … majestätischer. Aber vielleicht handelte es sich ja nur um einen Diener, der sie zu seinem Herrn bringen sollte.
Leider zerstreute sich diese Hoffnung sehr schnell.
„Sehr lange ist es her, dass zwei Dov den Weg zu uns gefunden haben“, begann der Ankömmling, wobei seine Worte direkt in Sahqonviings Kopf ertönten. Das Gesicht ihres Gegenüber – sofern er eines besaß – war unter der Kapuze einer erschreckend einfachen grauen Kutte verborgen. Lediglich eine dunkelblaue, flirrende Fläche, ähnlich dem Portal am Eingang, war auf sie gerichtet. Die Kutte reichte bis zum Boden und lag dabei so locker um seinen – oder ihren? - Körper, dass keine Eindeutigen Konturen erkennbar waren. Vermutlich hätten sich darunter auch ein Schwanz und Flügel verstecken können. Letzteres glaubte sie jedoch nicht, da Flügel unter einer Kutte wohl wenig Sinn ergeben hätten.
„Es freut uns, dass ihr den Weg unbeschadet gegangen seid“, fuhr das Wesen fort, „und wir haben beschlossen, eurem Wunsch zu entsprechen.“
„Aber ihr wisst doch gar nicht, ...“, warf Maariizzul ein, brach jedoch sofort ab, als sich die Kutte ihr zuwandte.
„dass ihr uns um eine Kel bitten wollt, um gegen böse Überraschungen der Zukunft gefeit zu sein?“ Die Stimme klang jetzt eine Spur amüsiert. „Kulaas Paazyuvonkiir, die sich selbst Maariizzul nennt, glaubt mir, unserem Volk entgeht nichts von den Geschehnissen dieser Welt.“
Bei der Nennung ihres Mädchennamens zuckte die Prinzessin merklich zusammen und Sahqonviing konnte sich nur mit äußerster Kraftanstrengung ein Grinsen verkneifen.
Der Alte wandte sich indes um und bedeutete ihnen mit einem Wink seines weiten Kuttenärmels, der auch keine Hand erkennen ließ, ihm zu folgen.
„Bitte seid unsere Gäste. Euer Weg war weit und ihr bedürft sicher der Ruhe. Morgen werden wir uns über die Kel unterhalten … und über deren Preis.“

Was nach diesen Worten geschehen war, entzog sich Sahqonviings Begreifen. Eben noch waren sie über den warmen Boden der Eingangshalle gelaufen und plötzlich fanden sie sich vor einer halbrunden Grotte wieder, auf sattgrünem Rasen und mit Blick auf die spitzen Berge Keizaals. „Ja, wie?“ rutschte es Sahqonviing heraus.
„Magie, Dummerchen!“ ertönte Maariizzuls Stimme hinter ihr, gefolgt von genüsslichem Schmatzen. Sahqonviing sah sich zu ihr um.
Die Prinzessin hockte vor einer flachen Steintafel, auf der ein riesiger Fisch zwischen mehreren Portionen Muschel- und Krabbenfleisch lag. „Alles nur Illusion … die Berge und so … das Essen ist echt.“ Wieder biss sie sich einen großen Happen aus dem Fischkörper. „Los komm, schmeckt prima“, meinte sie gönnerhaft mit vollem Maul.
Sahqonviing zuckte mit den Schultern und gesellte sich zu ihr.

***

Diesmal hatte Sahqonviing darauf verzichtet, sich über die plötzliche Ortsveränderung zu wundern. Eben noch hatten sie vollgefressen im Schatten der Grotte geruht, da fanden sie sich im Halbdunkel eines weiten Saales wieder, zur Abwechslung jedoch an unterschiedlichen Stellen. Während Sahqonviing auf einem breiten Sims an der Wand landete, genauer gesagt auf äußerst gemütlichen Polstern darauf, und schnell feststellte, dass ihr heute nur eine Zuschauerrolle zugedacht war, tauchte Maariizzul mitten im Raum auf, auf einer kreisrunden Plattform aus dunkelgrünem poliertem Stein und umgeben von winzigen schwebenden Leuchtkugeln, die mit warmen, pulsierenden Licht ihre Umgebung erhellten. Ihr gegenüber, nur so weit über dem Boden, dass sie dem goldenen Drachen gerade in die Augen blicken konnten, hatten auf breiten, aber unbequem aussehenden Steinsitzen, drei Kuttenträger ihre Plätze eingenommen. Sahqonviing glaubte, den links sitzenden als ihren Gastgeber von gestern zu identifizieren, war sich aber schon kurz darauf nicht mehr so sicher. Irgendwie sahen doch alle gleich aus, selbst der mittlere von ihnen, welcher nun das Wort ergriff.

„Seid willkommen, Kulaas der Dov“, wurde Maariizzul noch einmal begrüßt. „Euer Besuch ehrt uns und erfreut uns zugleich. Seit Euer verehrter Vater uns vor beinahe 500 Zyklen zum letzten Mal besuchte, sind wir begierig darauf von den Fortschritten zu hören, die Euer Volk in der Beherrschung des Thu'um erreichen konnte. Doch zuerst sagt, war Eure Reise angenehm? Entspricht die Unterbringung Euren Wünschen?“
„Vater war …? Aber er hat nicht …?“ Ganz entgegen ihrer sonstigen Art hatte sie die Bemerkung völlig aus dem Konzept gebracht, sodass sie diese Worte herausstotterte ohne es verhindern zu können. Sie fing sich natürlich schnell wieder, doch ihre Antwort kam, bedingt durch den plötzlich aufbrandenden Ärger über die eigene Schwäche, deutlich aggressiver als geplant.
„Danke der Nachfrage“, antwortete sie unterkühlt. „Die Reise war angenehm, bis zu dem Punkt, als man mich meiner Flugkräfte beraubte, und die Unterbringung ist ganz in Ordnung … wenn man nicht zu hohe Maßstäbe ansetzt. Was den Thu'um angeht, so seid ihr sicher auch ohne ermüdende Einzelheiten meinerseits bestens informiert. Eurem Volk entgeht doch nichts von den Geschehnissen dieser Welt, wie mir gestern gesagt wurde.“ Sie wartete kurz ab, aber als keine Reaktion erfolgte, fügte sie mit deutlich vernehmbarem Hochmut in der Stimme hinzu: „Nun, wie ihr selbst gesagt habt, kennt ihr meinen Auftrag. Gebt mir einfach die Kel, um derentwillen ich hier bin. Den Rest können wir uns sparen.“

Die folgende Stille war fast körperlich spürbar. Die drei Kapuzen wandten sich einander zu, schienen kurz miteinander zu kommunizieren ohne dass ein Wort gesprochen wurde. Dann erhob sich der mittlere und trat einen Schritt auf die Prinzessin zu.
„Wir sehen, dass Ihr Eurem Vater nicht sehr ähnlich seid, Kulaas. Ihr mögt eine würdige Herrscherin abgeben in Eurem Land. Hier habt Ihr noch eine Menge zu lernen.“
'Besonders, was Höflichkeit betrifft', warf Sahqonviing in Gedanken ein und hatte gleich darauf das Gefühl, bei einer Sünde ertappt worden zu sein.
Maariizzul hingegen ignorierte die Kritik vollständig. Was wollten diese Zweibeiner überhaupt von ihr? Sicher, sie beherrschten etwas Hokuspokus, doch damit waren sie ihr längst nicht gleichgestellt! Und über die Magie der Stimme würden sie erst recht nichts von ihr erfahren. Wäre ja noch schöner, wenn jeder Dahergelaufene über die Magie der Dov Bescheid wüsste.
Dass ihre Gedanken diesen Telepathen gegenüber ein offenes Buch waren, bedachte sie dabei nicht.
Herausfordernd blickte sie die Alten an.

Der Wortführer hatte gewartet, bis sie ihren Gedankengang beendet hatte, ließ sich jedoch nicht anmerken, ob er nun betroffen, verärgert oder gar belustigt war. Völlig emotionslos erklang seine Stimme erneut:
„Da Euch offenbar so viel daran liegt, Eure Heimat schnell wiederzusehen, werden wir Euch nicht mit unwichtigen Dingen aufhalten.“
Auf eine kaum wahrnehmbare Geste hin schwebten zwei miteinander verbundene Goldschalen von der Decke herab, eine kunstvoll gearbeitete Waage, die nur leicht im Ungleichgewicht war, da sich auf einer der Schalen nichts befand. Auf der anderen lag die Kel, die Schriftrolle, wegen der sie gekommen waren. Sie maß etwa zwei Fuß in der Länge, bestand aus einem dunklen, fast schwarzen Material und war mit goldenen Schüren umwickelt.
Maariizzul ließ ihre Augen begierig über die Kel gleiten, dann warf sie Sahqonviing einen Blick zu, der zu sagen schien: „Siehst du? So muss man mit Zweibeinern umgehen!“
Als sie daraufhin ihre Hand (oder ihre Klauen am Flügel) ausstreckte um die Rolle zu greifen, stieß sie auf unsichtbaren Widerstand. Leicht verwirrt schaute sie auf.
„Ihr wolltet doch nicht die Kel nehmen, bevor wir über die Bezahlung gesprochen haben?“ Obwohl der Tonfall dieser Worte genauso emotionslos war wie bisher, überkam Maariizzul das Gefühl, vorgeführt zu werden. Was meinte dieser Wicht mit „Bezahlung“? Viinturoth hatte nichts davon erwähnt, und folglich war sie auch nicht darauf vorbereitet. Vielleicht hätte sie sich ein paar Goldbarren einstecken sollen? Zweibeiner waren doch gierig danach, wie jeder wusste.
„Natürlich nicht!“, gab sie knurrig zurück. „Ich wollte mich nur überzeugen, dass das keine Illusion ist. So was sollte doch erlaubt sein.“
„Selbstverständlich.“ Die Kapuze nickte gnädig. „Doch entrollt sie erst, wenn Ihr wieder in Keizaal seid. Alles andere würde sie zerstören.“
Maariizzul schnaubte, machte aber keinen zweiten Versuch. „Gut, ich glaube euch.“ Dann blickte sie ihr Gegenüber scharf an. „Ihr sprecht von der Bezahlung? Wollt ihr Gold? Wieviel? Wie ihr seht, haben wir nichts bei uns. Ich gebe euch mein Wort, dass das Gold geschickt wird, sobald wir die Kel abgeliefert haben.“
Maariizzul meinte das durchaus ehrlich. In den Schatzkammern ihres Vaters gab es mehr Reichtümer als sie jemals verbrauchen könnten. Da würde auch eine Wagenladung Goldbarren kaum auffallen.
Damit war wohl alles gesagt. Wieder wollte sie nach der Schriftrolle greifen, als sie ein einziges Wort stoppte: „NEIN.“
„Nein?“ Hatte sie richtig gehört? Die Alten wollten kein Gold? Was dann?
Die Antwort kam sogleich und sie gefiel ihr ganz und gar nicht:
„Ihr habt alles bei Euch, was wir als Bezahlung erbitten.“ sagte der Wortführer der drei. „Ihr müsst dazu wissen, dass wir alle 500 Zyklen einen Zauber wirken müssen, um das Eis daran zu hindern, diesen Kontinent unter sich zu begraben. Für die Vorbereitung benötigt man besonders rare Zutaten … in großen Mengen. Die meisten davon haben wir, doch uns fehlen noch Drachenschuppen. Normalerweise müssten es weit mehr als einhundert sein, doch wenn sie golden sind, reichen fünf davon.“
Das musste Maariizzul erst einmal verdauen. Ungläubig starrte sie den Alten an. „Drachenschuppen?“ flüsterte sie, wie um sich noch einmal zu vergewissern.
„Ja. Wir wissen, dass die Entfernung einiger Schuppen schmerzhaft ist, auch unter dem Einsatz von Magie, und wir wissen, dass die Entfernung einer großen Menge von Schuppen einen Drachen töten kann. Doch fünf Schuppen stellen kein gesundheitliches Risiko dar. Außerdem wachsen sie ja wieder nach.“ Er hielt kurz inne, jedoch nicht lange genug, um Maariizzul Zeit für eine Antwort zu lassen. „Seid noch eine Nacht unsere Gäste. Morgen bei Sonnenaufgang könnt Ihr uns Eure Entscheidung mitteilen.“
Im nächsten Augenblick fanden sie sich vor der Grotte wieder.

„Schuppen! Ich fasse es nicht!“ Maariizzul hatte ihre Stimme wiedergefunden und zog ordentlich vom Leder. „Was bilden sich diese gesichtslosen Missgeburten eigentlich ein? Denke die etwa, ich fliege wegen ihrem dämlichen Zauber halbnackt durch die Gegend? Das können sie nicht ernst gemeint haben. Nein, das ist die Prüfung. Sie wollen sehen, was ich dazu sagen. Na, die werden sich morgen wundern! ...“
So ging das noch eine gute Stunde lang weiter, in der Sahqonviing sich lieber in den entferntesten Winkel verdrückte, um ihre Ruhe zu haben.

***

Der Mittag des nächsten Tages war längst vorbei, als die Küsten Atmoras langsam hinter ihr im Dunst verblassten. Maariizzul genoss den frischen Wind unter ihren Schwingen. Sie hatte es geschafft, sie hatte die Schriftrolle bei sich. Und sie war allein.
Kraftvoll schwang sie sich immer höher hinauf. Die tief hängenden Wolken blieben unter ihr zurück und die Sonnenstrahlen trafen ihren goldenen unversehrten Körper, ließen ihn in ihrem Licht erglühen, als würden sie ein Abbild des göttlichen Gestirns selbst erschaffen.
Sie fühlte sich auch so. Frei und grenzenlos mächtig. Sie hatte gewonnen, hatte die Aufgabe erfüllt und einen Weg gefunden, der Schmach einer kahlen Stelle an ihrem einzigartig schönen Körper zu entgehen.
Der Umstand, dass sie ihre Begleiterin quasi als Bezahlung zurückgelassen hatte, verschaffte ihr keine Gewissensbisse. Als zukünftige Königin musste sie eben Entscheidungen treffen, die nicht immer allen gefielen, und außerdem hatte sich Sahqoinviing das selbst zuzuschreiben. Wäre sie nicht so aufsässig gewesen, dann hätte Maariizzul ja vielleicht über eine andere Lösung nachgedacht, auch wenn das noch einige Tage Verhandlung bedeutet hätte. Nein, es war schon besser so, und wie der Kapuzentyp schon sagte, Schuppen wuchsen nach. Auch sehr viele Schuppen … irgendwann …

***

Auf dem Monahven:
„Sie hat die Schriftrolle gebracht, nur das zählt!“ Britfrinahs Augen blitzten, während sie vor Alduin auf und ab lief. „Sie hatte eine schwere Entscheidung zu treffen und das hat sie getan, nichts weiter.“
Langsam schüttelte Alduin sein mächtiges Haupt. „Der Sinn der Prüfung lag darin, Verantwortung für ihre Begleiterin zu zeigen. Ein kleines Opfer war zu erbringen. Ich habe es damals selbst getan. Aber sie? Stattdessen hat sie den Blutdrachen geopfert. Sie hat versagt!“
„Nein!“ schrie Britfrinah ihn an, und es war ihr dabei egal, ob sie jemand hören würde. „Nein! Sprecht nie wieder von Versagen, wenn es um meine Tochter geht!“ wütend wandte sie sich ab, breitete die Flügel aus und ließ einen tief enttäuschten König zurück.

Kleines Wörterbuch Drachisch - Deutsch

Lokheim = Himmelsschmiede
Keizaal = Himmelsrand
Joorre = Sterblicher (auch abwertend gemeint)
WULD = Wirbelwind (Geschwindigkeit verleihendes Wort der Drachensprache)
Dov = Drachen
Monahven = Hals der Welt
Kaaz = Katze / Khajiit
Kulaas = Prinzessin
Sahqo Strunmah = Roter Berg
YOL TOOR SHUL = Feueratem
Kel = Schriftrolle der Alten

Starring:
Kestkood = Sturm im Schnee; grauweißer Frostdrache
Vulonvahdin = Nachtmädchen; nachtschwarzer Schlangendrache; Kestkoods Gefährtin
Sotwuld = Weißer Wirbelwind; schneeweißer Frostdrache (männlich)
Sahqonviing = Purpurflügel; weibl. Blutdrache; grün-violett gefärbt
Hahnusul = Traumtag oder: Tagträumer; etwas behäbiger männlicher brauner Drache (Feuer)

In Dwiinkro = Meister Stahlzauberer; Verehrter Drache; orangerot
Britfrinah = Wunderschöne heiße Jägerin; roter Drache; Alduins Gefährtin
Maariizzul = Schreckliche Eisstimme; goldfarbener Drache; Alduins Tochter
Viinturoth = Glänzender Hammer der Wut
Paazyuvonkiir = Holdes Goldkind; Maariizzuls Kindername
Odahviing = Geflügelter Schneejäger; Britfrinahs Verwalter
Ada’Soon Dir-Kamal = König der Schneedämonen (Kamal)
Kar'goor di'gash = Gardehauptmann der Kamal

Moonlord
05.07.2014, 09:03
4. Argonien

„Wir werden immer weniger. Wenn das so weitergeht, wird das Miststück auch dich bald auf dem Gewissen haben … oder mich.“ In Vulonvahdins dunklen Augen machte sich Verzweiflung breit, wie sie Kestkood noch nie bei ihr gesehen hatte.
„So weit werde ich es nicht kommen lassen“, versuchte er seine Freundin zu trösten.
„Und was willst du dagegen tun?“
Kestkood senkte den Kopf. Er wusste es auch nicht. Immerhin war es der ausdrückliche Befehl des Königs, der sie alle zur Teilnahme an diesen bescheuerten Prüfungen zwang. Eine Weigerung sie zu begleiten würde einer Missachtung königlicher Befehle gleichkommen, aber etwas anderes wollte ihm nicht einfallen, so sehr er auch darüber nachdachte.
Vulonvahdin schien seine Gedanken lesen zu können: „Mal angenommen, man könnte mit ihr reden und sie bitten, von sich aus auf das Ganze zu verzichtet – was natürlich völliger Quatsch ist – es würde sie das Recht der Thronfolge kosten. Darauf würde sie sich nie einlassen, egal wie viele noch dabei draufgehen. Dann bleibt nur noch …
„Sprich es bitte nicht aus.“ Kestkoods Flügel schnellte vor und legte sich um Vulonvahdins Maul. „Glaub' mir, ich habe auch schon daran gedacht, aber wir wären dann nicht besser als sie ...“
„Aber glücklicher! Ich bin dabei.“
Die beiden wirbelten herum, doch es war nur Hahnusul, der im Eingang zur Schlafhöhle auftauchte.
„Mach' das nie wieder“, zischte der Schlangendrache ihn an. Ihr Herz klopfte so stark, dass die Schuppen vibrierten.
„Was denn? Euch warnen? Na gut, ich sage euch nicht, dass der Meister euch sucht.“ sul drehte sich um, um mit angelegten Flügeln wegzuwatscheln, bis ihn Kestkood zurückhielt.
„Warte! Hast du was neues von Sahqonviing gehört? Ist sie zurück?“
Der dickliche Feuerdrache stand kurz still und seine Flügel zuckten verdächtig. „Nein“, kam es dann leise aus ihm heraus, bevor er die Höhle verließ.
Die anderen beiden folgten kurz darauf.

Draußen wurden sie fast geblendet, so grell blitzten Maariizzuls frisch geputzte Schuppen in der Sonne auf. Das breite Lächeln aus einem Maul strahlend weißer Zähne ließ sie so jung und unschuldig aussehen, wie sie wohl nicht einmal direkt nach dem Schlüpfen gewesen war. Selbst all ihre Krallen waren mit einer leuchtenden roten Schicht überzogen, viel zu farbintensiv, um von getrocknetem Blut zu stammen. Es musste etwas völlig anderes … neues sein, doch so sehr es Vulonvahdins weibliche Neugier normalerweise angestachelt hätte, in diesem Fall brachte es ihrer Feindin nur einen geringschätzigen Blick ein.
Kestkood hingegen war sich ziemlich sicher, was diese Aufmachung bedeutete: Die nächste Prüfung stand an.

Zu dritt – die Prinzessin hatte sie einfach ungefragt begleitet – betraten sie das Plateau vor der Schmiede. Hahnusul, Dwiinkro und auch Viinturoth warteten bereits auf sie. Doch nicht letzterer begann wie erwartet mit der Ansprache, sondern Dwiinkro:
„Es gibt … Neuigkeiten“ hob er an und Kestkood horchte auf. Hatten sie doch etwas herausbekommen? „Von Sahqonviing?“ warf er schnell ein.
„Nein, leider nicht.“ Dwiinkro schüttele bedauernd den Kopf. Eigentlich wollte er über etwas anderes sprechen, doch als er die betrübten Mienen der drei Freunde sah, ergänzte er kurz: „Noch ist nicht alle Hoffnung verloren. Ein Suchtrupp ist nach Atmora aufgebrochen. Sie warten am Strand. Sobald die Sperre aufgehoben wird, können sie ...“
„Die Sperre? … Welche Sperre?“
Dwiinkro verzichtete darauf, Hahnusuls Unterbrechung zu rügen. Stattdessen sprach er einfach weiter: „Vermutlich hat die magische Sperre etwas mit der Vorbereitung ihres Rituals zu tun. Sie wollen nicht gestört werden. Jedenfalls kann der Weg im Moment nicht betreten werden und Fliegen ist immer noch unmöglich. Aber eigentlich wollte ich über etwas anderes mit euch sprechen, über ...“ Er sah Maariizzul streng an, „die letzten Ereignisse auf dem Monahven.“
„Was gibt’s da schon zu besprechen?“ mischte sich die Angesprochene ein. „Mein Vater ist verärgert über die gemeinen Gerüchte, die ihm MISSGÜNSTIGE Untergebene zugetragen haben. Wer wäre das nicht? ICH habe mir nichts vorzuwerfen. Der Kamalrebell ist verschwunden – vermutlich tot – und die Schriftrolle gehört uns. ICH habe die Prüfungen bestanden.“
„Ganz so einfach ist das nicht, und das wisst Ihr, Kulaas.“ kam es nun von Viinturoths Seite. Dwiinkro nickte ihm zu, sichtlich erleichtert, dass der Bote Alduins ihm die unangenehme Pflicht abnahm.
„Ihr habt die Aufgaben erfüllt, dem Wortlaut nach, aber Ihr habt sie nicht so erfüllt, wie es unser geliebter König von Euch erwartet hat.“
„Na und?“ Erfüllt ist erfüllt!“, schnappte sie gehässig zurück. „Erspart mir Eure Predigt und sagt lieber, wie es weitergeht!“
Man merkte Viinturoth an, dass er das Wort der Macht nur mühsam unterdrückte. Leider war es auch ihm, trotz all seiner Befugnisse, nicht gestattet, ein Mitgleid des Königshauses öffentlich zu maßregeln. Tief atmete er durch, bevor er weitersprach:
„Argonien. Das nächste Ziel ist Argonien, genauer gesagtdas Herz der Sümpfe. Geht zu XhysShan und erneuert die alten Verträge.“
„Mehr nicht?“ fragte Maariizzul lauernd. „Keine Tauschgeschäfte oder so? Nur für den Fall … würde ich das gerne vorher wissen, damit mir später niemand anhängt, ich hätte falsche Entscheidungen getroffen, weil ich improvisieren musste.“
„Improvisieren ist genau das Stichwort!“ Die Beherrschung in Viinturoths Stimme tendierte gegen Null. „Unser König wünscht diesmal ausdrücklich keine „Imprivisation“! Sollte Eurem Begleiter erneut etwas zustoßen, dann wird er die Prüfung als Versagen werten, egal wie viele Verträge Ihr abschließt. Ihr wisst, was das bedeutet?“
In der darauffolgenden Stille hätte man die Flügelschläge eines Schmetterlings hören können. Maariizzul schien zwischen einem Ausbruch und Resignation zu schwanken, entschied sich dann aber für das stärkere Gefühl.
„Bei wem darf ich diesmal babysitten?“ knurrte sie.
Die Blicke der beiden Älteren wanderten synchron auf Hahnusul, welcher gleich etwas blass um die Nase wurde.
„Ist das wirklich notwendig?“ fragte Kestkood vorsichtig. „Ich meine, wenn es doch nur um die Verlängerung bestehender Verträge geht, dann könnte sie doch auch allein ...“
„Genau! Das kann ich wirklich alleine machen!“
Erstaunt blickte Vulonvahdin von Kestkood zu Maariizzul und zurück. Die plötzliche Einigkeit der beiden an sich war schockierend aber nachvollziehbar, vor allem, wenn man noch den hoffnungsvollen Blick Hahnusuls dazunahm, der sich im Moment nichts sehnlicher wünschte, als daheimbleiben zu dürfen.
Viinturoth schüttelte bedauernd den Kopf. „Es stimmt, die Aufgabe wäre auch allein lösbar, aber darum geht es nicht. Und ganz ungefährlich ist die Reise nun auch wieder nicht.“
„Weil?“ fragte Maariizzul lauernd.
„Weil man in den Sümpfen nie wissen kann, wer oder was einem begegnet.“
Die Antwort war vage genug, doch mehr wollte er dazu nicht sagen. Nicht zu allen Anwesenden. Er versprach jedoch, vor dem Abflug noch weitere Details bekanntzugeben und so löste sich die kleine Versammlung auf, um noch einen Abend gemeinsam zu verbringen. Nur eine von ihnen zog die Einsamkeit vor.

***

Bis zu den Jerallbergen waren sie gemeinsam gereist. Vulonvahdin und Kestkood hatten es sich nicht nehmen lassen, ihren Freund noch ein Stück zu begleiten. Doch dann kam der Abschied.
„Bring' ihn gesund zurück oder trau' dich nie wieder hierher“, hatte Vulonvahdin der Prinzessin noch zugeraunt, welche diese Warnung mit einem gehässigen Grinsen quittierte. „Ich werde bei meiner Krönung daran denken“, versprach sie, wandte sich ab und stieg den Wolken entgegen. Auch Hahnusul verabschiedete sich hastig, um nicht gleich zu Anfang zurückzufallen.

Ihre erste Rast legten sie auf einer Insel ein, inmitten eines großen Sees. Eine Gruppe zweibeiniger gefiederter Wesen stob kreischend und zeternd auseinander, als Hahnusul sich völlig geschafft einfach ins Gras fallen ließ. Maariizzul schickte ihnen ein kurzes „YOL“ hinterher, was das Chaos ihrer panischen Flucht noch vergrößerte. Sie lachte laut auf, als eines der komischen Wesen in den nächstbesten Tümpel hopste, um seine angesengten Schwanzfedern zu löschen. Kurz darauf hatte sie das Interesse an ihnen verloren.

„Heh“! Schlaf nicht ein, Faulpelz!“ Ein kräftiger Schwanzhieb holte Hahnusul von der Schwelle seines Traumlandes zurück und ließ ihn erschrocken die Augen öffnen.
„Nur ein kurzes Nickerchen“, beschwerte er sich, „so weit kann es doch nicht mehr sein.“
„Hast du eine Ahnung ...“ Maariizzul seufzte. Das fing ja gut an. Gerade hatten sie die Berge überflogen, da machte der Dicke auch schon schlapp. Da waren die ersten beiden Touren ja einfacher gewesen. Sie rief sich noch einmal die Route ins Gedächtnis und auch ihre Aufgabe. Diemal würde sie versuchen, alle so zu machen, wie Alduin es sich vorstellte. Es gab da zwar ein paar Kleinigkeiten, die ihrer Meinung nach noch verbesserungswürdig waren, aber das konnte sie ja immer noch korrigieren, wenn sie erst Königin war.
Eine dieser Kleinigkeiten war der Grund ihrer Reise überhaupt. Mal ehrlich, welchen guten Grund gab es, Verträge mit Bäumen zu schließen, nur um an eine Droge zu gelangen, unter deren Einfluss die argonischen Sklaven höhere Leistungen erbrachten? Wenn man ab und zu einen von denen öffentlich häuten würde, wäre der Effekt doch auch erreicht. Die anderen würden sich mehr anstrengen und keiner der Dov müsste sich in Sümpfe begeben, deren stinkender Morast einem die Schuppen versaute. Oder man könnte die Hist unter Androhung eines kleinen Flächenbrandes zwingen, ihren Saft umsonst herzugeben. Ach, sie hatte so viele Ideen, es wurde wirklich Zeit, einige davon umzusetzen.

Sie trieb Hahnusul wieder hoch. Der Tag war noch lang genug, um es bis zum Rand der Wälder zuschaffen.

So jedenfalls hatte sie sich das vorgestellt.
Ein gutes Stück den Niben abwärts, dort wo sich der Fluss in einem weiten flachen Bassin ausbreitete, blieben sie auf einer kleinen Insel hängen. Hahnusul konnte einfach nicht mehr.
„So fett wie du bist, so schlapp bist du auch!“, wetterte Maariizzul los, kaum dass sie gelandet waren. Der Braune schnappte erst einige Male hektisch nach Luft, bevor er seine entrüstete Antwort herausschnaufte. „Stimmt ja … gar nicht! … Das sind … alles nur gut … entwickelte Flugmuskeln! Außerdem hab' ich Hunger. Mit leerem Magen soll man nicht fliegen.“
„Na toll!“ Die Prinzessin sah sich um. Die Insel bot gerade mal genug Platz, um zu zweit mit ausgestreckten Flügeln sitzen zu können. Dabei störte auch noch ein merkwürdiges steinernes Monument, eine Kombination von ziemlich dämlich dreinschauenden Zweibeinerschädeln. Wer die hier hingestellt hatte, musste entweder ein avantgardistisches Kunstverständnis besitzen oder komplett wahnsinnig sein. Sie tippte auf letzteres. Merkwürdig war auch der Pflanzenwuchs, welcher sich stark von dem der anderen Ufer unterschied. Selbst wenn Maariizzul gerne Grünzeug gefressen hätte – was sie nicht tat – dann hätte sie hier darauf verzichtet.
„Wenn du Hunger hast, wirst du zum da rüber flattern müssen.“ Sie deutete zum Westufer hinüber. „Kaaz-Revier. Die Biester sind zäh und sehnig, und man würgt noch Tage später Fellbüschel aus.“
„Wirklich?“
„Wenn ich 's dir sage ...“
Hahnusul sah gleich noch unglücklicher aus. Er erinnerte sich an eine Begebenheit, die sein Onkel früher immer erzählt hatte. Dieser war auch einmal im Süden gewesen und hatte nicht Fressbares gefunden außer solch einer Katze. Pfiffig wie er war, hatte er sein Futter gegrillt, bevor er es verschlang, aber der beißende Geruch verbrannten Kaazfelles hatte ihn dabei seinen Geruchssinn gekostet. So etwas wollte Hahnusul ganz sicher nicht riskieren.
„Und am anderen Ufer?“ fragte er mit schwacher Hoffnung in der Stimme.
Maariizzuls Mundwinkel zogen sich grinsend in die Breite. „Leckere Argonier. Leider nicht gleich am Ufer, sondern noch einen halben Flugtag weiter weg. Wir könnten aber auch nachts ...“
„Nein, lieber nicht“, kam die Antwort. Und wenn er hier verhungern würde, Hahnusul war viel zu müde, um auch nur noch eine Stunde zu fliegen.
„Na dann eben nicht.“ sagte sie, drehte sich weg und steckte den Kopf unter den Flügel um zu schlafen.

***

Schier endlos zogen sich die Sümpfe unter ihnen hin. Wegen einer tiefschwarzen Gewitterfront im Süden hatten sie sich ostwärts gewandt und hielten nun auf ein sanft geschwungenes Hügelland mit niedrigem Baumbewuchs zu. Maariizzul hatte Hahnusul noch am Morgen geärgert, indem sie ihm erzählt hatte, dass es in ganz Argonien keine größere Beute gab und sie sich die nächsten Tage von Fröschen, Eidechsen und Schlangen ernähren müssten. Noch Stunden später hatte sie sich dann über seinen weinerlichen Gesichtsausdruck amüsiert, bis … ja, bis ihr langsam dämmerte, dass sie mit ihrer Prognose gar nicht so weit von der Wahrheit entfernt war. Tatsächlich hatte sich während des ganzen Nachmittags nicht ein einziges jagbares Wild unter ihnen gezeigt. Auch deshalb steuerten sie die Hügel an, die Bäume standen weniger dicht und der Boden schien trockener zu sein. Wenn sie die Chance auf ein Abendessen hatten, dann dort.

„Da ist was! Rechts, unter den Bäumen.“
Maariizzul wandte sich um. Sie flog etwas voraus und hatte nichts bemerkt. „Was?“
„Keine Ahnung – ein Schatten, aber er bewegt sich.“ Hahnusul lebte sichtlich auf, jetzt wo er Beute witterte. Er drehte ab und begann zu kreisen, um das Tier wiederzufinden. Auch die Prinzessin schwang sich mit kräftigen Flügelschlägen höher in die Luft. Jetzt ging es einmal nicht darum, nicht standesgemäße Arbeit auf andere abzuwälzen. Wenn Hahnusul bei der Jagd versagte, würden sie beide hungern. Das war es nicht wert.
„Ich sehe es“, rief sie ihrem Begleiter zu. „Könnte ein riesiger Schwarzbär sein, oder auch ein Troll oder … keine Ahnung was. Mann, ist das Biest fett, fast so groß wie ein Mammut.“ Um Hahnusul die Richtung zu zeigen, zündete sie einfach die weit ausladende Eiche an, unter der sich das Tier versteckt hatte. Grollend stürmte es aus seiner Deckung, rannte in einem ordentlichen Tempo zwischen den Bäumen hindurch und auf einen der Hügel zu. Mit hochgerecktem Kopf stellte es sich mutig zum Kampf.
„Aber das ist … „ Hahnusul fehlten die Worte. Jetzt, außerhalb der Schatten sah das Tier fast wie ein Drachen aus. Ein flügelloser Drachen zwar, aber sonst war die Ähnlichkeit unverkennbar. Sollte es wirklich ein entfernter Verwandter ihres Volkes sein? Vielleicht war es behindert … wegen der fehlenden Flügel. Bei dem Gedanken stieg so starkes Mitleid in ihm auf, dass der bohrende Hunger schlagartig vergessen war. Hahnusul landete ein ganzes Stück entfernt, um den Anderen (die Andere?) nicht zu erschrecken. Sorgfältig legte er die Flügel an, setzte sein freundlichstes Lächeln auf und watschelte auf ihn zu. „Hallo! Mein Name ist Hahnusul. Mit wem haben wir die Ehre?“

Er bekam keine Antwort, denn Maariizzul teilte seinen Versuch der freundlichen Kontaktaufnahme nicht. „YOL!“ Schon stürzte sie sich eingehüllt in eine Feuerwolke auf ihr Opfer. Ihre langen gekrümmten Fußkrallen zielten genau auf den Rücken der Kreatur, während ihre Zähne auf den kurzen aber kräftigen Hals zuhielten, der perfekte Angriff auf große Beutetiere, brutal aber effizient. Alles ging so schnell, dass Hahnusul den schrillen Schmerzensschrei erst mitbekam, als sich Maariizzul schon eine Weile qualvoll auf dem Boden wälzte. Blitze knisterten über ihren Körper, zwangen ihre Flügel zu unkontrollierten Zuckungen. Ihr Gegner – denn an eine freundliche Annäherung war nun nicht mehr zu denken – trat auf Maariizzul zu und biss ihr in den Schwanz. Wieder jagte ein ganzes Glitzgewitter ihren Körper entlang, um jede bewusste Bewegung zu lähmen. Der erneute Schmerzensschrei ging in ein jämmerliches Wimmern über.
„Heh! Lass sie in Ruhe, du gemeines Vieh!“
Hatte Hahnusul das wirklich gerade gerufen? Erschrocken über sich selbst sah er zu, wie sich der Kopf der Kreatur zu ihm drehte. Dunkler Rauch wallte kurz aus dem halb geöffneten Maul, dann schoss ein Blitz auf ihn zu. Hahnusul hopste unbeholfen zurück und schon begann das Gras vor seinen Füßen zu brennen. „Das hätte ins Auge gehen können!“ Langsam wurde er sauer. Er wollte der armen missgebildeten Kreatur doch nichts tun, aber sich selbst ankokeln lassen? Nein, das konnte er besser.
„So wird das gemacht: YOL TOOR SHUL“. Die Feuerwalze fegte sämtliches Gras zwischen ihnen hinweg, hüllte den Gegner kurz ein und ließ ihn ebenfalls gequält aufbrüllen. Er qualmte anschließend etwas, roch leicht angesengt und schüttelte sich, um dann richtig wütend zu werden. Blitze schossen über seinen Körper hinweg und ein gleißendes Licht erschien im weit geöffneten Maul. Hahnusul wollte nicht wissen, was das war. Panisch quiekend schlug er mit den Flügeln um sich aus der Gefahrenzone zu bringen. Fast hätte er es geschafft. Der Blitz traf die Spitze seiner rechten Schwinge und lähmte sie sofort bis zur Schulter hinauf. Hahnusul fiel, rappelte sich auf und rannte so schnell er konnte auf den Wald zu. Nur weg von der Blitzschleuder!
Hinter sich hörte er stampfende Schritte, die sich langsam näherten. Zu Fuß würde er nicht entkommen, das wurde ihm sofort klar. Ihm bleib nur der Kampf. Eine Weile lief er noch weiter, im Zickzack zwischen den Bäumen hindurch, immer von den Blitzeinschlägen verfolgt, dann drehte er sich um. Weiter wäre es ohnehin nicht gegangen, denn der Wald wurde zu dicht.
Fieberhaft überlegte er, was er diesem Gegner entgegenzusetzen hatte. Feuer? Nein, es verletzte ihn zwar, aber offensichtlich nicht stark genug um den Gegenschlag überleben zu können. Was dann? Schon kam der hässliche Kopf bedrohlich nahe auf ihn zu, das Maul öffnete sich langsam, grelles Licht blitzete auf …
Da hatte er die Idee: „FUS RO DAH!“
Der massige Körper flog davon wie ein Kaninchen, dem man zum Spaß eins mit dem Schwanz verpasst hatte. Dicke Stämme splitterten, als er eine Schneise in den Wald riss. Und plötzlich war Ruhe.
Hahnusul wagte kaum zu atmen, so sehr fürchtete er den erneuten Misserfolg. Gleich würde s sein Gegner auf ihn stürzen und dann …
Die Zeit verstrich. Nichts geschah.
Vorsichtig ging er mit genügend Abstand um die Kreatur herum. Sie rührte sich nicht. Auch die Blitze waren verschwunden. Dann sah er es: Gleich drei dicke Äste oder Stämmchen hatte sich tief in den Leib gebohrt und das große Tier gepfählt. Hahnusul fiel eine ganze Gerölllawine vom Herzen.

Stunden später war er immer noch nicht in der Luft. Sein Flügel war zwar wieder einsatzbereit, doch erst einmal hatte er eine andere Aufgabe zu erfüllen. Mit schweren Schritten, einen Fuß vor den anderen setzend wie ein Zweibeiner, hielt er auf den Wald zu. Halb über seine Schulter gelegt schleifte er die immer noch bewusstlose Maariizzul mit sich. Er hätte warten können, dort wo sie lag, doch eine lockende Stimme rief ihn zum Wald, versprach ihm Ruhe, Schutz und Geborgenheit und – am wichtigsten – eine ordentliche Mahlzeit.

***

Zuerst sah sie nur verschwommene Schemen in braun und grün. „Wo bin ich?“ Maariizzul blinzelte. Blätter und niedergedrücktes Gras, bräunliche Äste und Zweige dazwischen, teilweise mit Moos und anderem Grünzeug überzogen, war alles was sie umgab. Sie war im Wald? Aber gerade war sie noch … Schlagartig zuckte die Erinnerung an den verunglückten Angriff durch ihren Kopf, an den grausamen Schmerz und die Angst. Sie rappelte sich auch, bewegte die Flügel, Beine, Hals und Schwanz. Alles funktionierte einwandfrei.
Sogar die Bissspur am Schwanz war nicht zu sehen, ihre kräftigen Schuppen hatten standgehalten. Maariizzul atmete erleichtert aus. Blieb nur noch die Frage, wie die hierher gekommen war. Das würde ihr der Dicke beantworten müssen. Wo war er bloß?
„Hahnusul?“ Sie sah sich um. 'Typisch! Wenn man ihn braucht ist er nicht da. Wird wohl wieder irgendwo hocken und fressen, natürlich ohne mir etwas anzubieten.' Schnell fand sie die Stelle, an der das Gebüsch niedergetrampelt war. Zwei große Füße und ein schleifender Schwanz hatten deutliche Spuren im weichen Boden hinterlassen. „HAHNUSUL!“
Nichts.
Seufzend folgte sie dem Trampelpfad. Immer wieder warf sie Blicke nach oben, doch sie fand vorerst keine Stelle, an der die Bäume weit genug auseinander standen, um sich in die Luft zu erheben. „Sch***gegend!“ Kurz dachte sie daran, einfach sitzenzubleiben und zu warten bis der andere wiederkam. Doch mit Sicherheit hätte er dann die besten Teile einer möglichen Jagdbeute selbst gefressen und sie würde sich mit den Resten begnügen müssen. Nein, sie konnte ihm nicht trauen, sie würde selbst nachsehen und wehe ihm, sie fand ihn fressend vor! Grummelnd lief sie weiter. Viel länger als sie gedacht hätte zog sich der Pfad. Es wurde mit jeden Schritt sumpfiger und die Blätter zogen sich dichter zusammen. Längst war der Himmel über ihr nicht einmal mehr zu ahnen. „Verdammt, wo steckst du?“
Als wäre das das Stichwort gewesen, sah sie ihn. Hahnusuls bräunlicher Körper hob sich kaum vom Hintergrund des mächtigsten Baumstammes ab, den sie jemals gesehen hatte. Nicht einmal mit ausgebreiteten Flügeln hätten ihn drei Drachen umspannen können. Seine Rinde war erstaunlich glatt für solch einen Waldriesen und schien sogar leicht zu schimmern. Bewegte sie sich etwas sogar?
Maariizzul riss sich von dem Anblick los. So hypnotisierend das auch auf einige wirken mochte, bei ihr griff der Zauber nicht. Sie war sauer und wollte Erklärungen haben. Sofort!
„WAS TREIBST DU HIER?“ brüllte sie ihn an und trat ihm, weil er nicht schnell genug reagierte, mit voller Wucht auf die leicht zuckende Schwanzspitze.
„Aua!“
Er sah sie etwas benommen an. Erst langsam klärte sich sein Blick. „Du bist endlich wach?“
Was sollte das nun wieder heißen? „Natürlich bin ich wach. Ich bin ja nicht so eine Schlafmütze wie du! Wo hast du dich rumgetrieben? Hast du wenigstens was zu fressen besorgt?“
„Äh … ja … aber ...“
Dieses „aber“ interessierte sie nicht. Sie folgte Hahnusuls Blick zum Rand eines Tümpels. Mehrere dicke Fische lagen dort, aber auch etliche Reste früherer Mahlzeiten. Das war doch typisch!
„War ja klar. Du hättest ruhig warten können, bis ich wach bin. Immer musst du zuerst an dich denken!“
„Warten?“ kam es kleinlaut zurück. „Drei Tage lang?“

Maariizzul verschluckte sich fast an ihrer eigenen Zunge. „Drei … WAS? Spinnst du?“ Der Dicke wollte sie verarschen! War doch klar. Sie verschlief doch keine drei Tage, wenn sie auf einer Reise war, die sie so schnell wie möglich hinter sich haben wollte. Nein, drei Tage waren unmöglich. Das musste er sich eingebildet haben. Vielleicht … ja, vielleicht hatte er etwas Giftiges gefressen, Pilze oder so. Genau, das musste es sein.
„Erzähl' keinen Unsinn und pass auf, was du frisst!“ gab sie mürrisch zurück, wobei sie schon den Tümpel erreicht hatte. Zur Sicherheit schnüffelte sie an den Fischen, doch diese rochen noch recht frisch. 'Wird schon gutgehen', dachte sie und begann mit der Mahlzeit.

Als sie sich wieder umsah, hatte sich Hahnusul erneut dem Baum zugewandt. Mit geschlossenen Augen saß er davor, wiegte sich ganz leicht hin und her und atmete dabei so langsam und tief als schliefe er.
Sie schüttelte den Kopf. „Idiot!“
Obwohl sie ziemlich lange geschlafen hatte (Drei Tage – lächerlich!), verspürte sie bereits wieder etwas Müdigkeit. Am Rande der kleinen Lichtung legte sie sich ins Gras uns sah dem Braunen zu. Schnell wurde ihr langweilig.
„Sag mal: Weißt du wo wir sind?“
Keine Antwort.
„Heh! Ich rede mit dir! Fall es dir entgangen ist, das sind nicht die Hügel von gestern Abend. Wo, bei allen bösen Geistern, sind wir?“
Wieder antwortete Hahnusul nicht und sie wollte schon zu härteren Mittel greifen, um seine Aufmerksamkeit zu erzwingen, da drehte er langsam den Kopf.
Maariizzul blieb vor Überraschung das Maul offen stehen. Was war das jetzt wieder?
Hahnusuls eben noch fest geschlossene Augen öffneten sich. Zwei düster glimmende purpurne Sonnen richteten sich auf sie, und die tiefen Stimme, welche ihr Innerstes zum Schwingen brachte, gehörte mit Sicherheit nicht ihrem Begleiter: „Ihr seid in meinem Reich. Hier seid Ihr Sicher, Kulaas. Legt Eure Sorgen ab, kommt zu mir und findet Frieden.“

Das wurde ja immer besser. „Ich will keinen Frieden, ich will nur aus diesem besch*** Wald raus! Wer bist du überhaupt?“
„Oh, vergaß ich etwa mich vorzustellen? Wie unhöflich. Ich bin XhysShan, ich bin der Wald, ich bin der Sumpf und das Land. Und du? Dankst du so deinem Retter? Hahnusul hat dich zu mir gebracht, nachdem du meinen Wächter grundlos angegriffen hast. Doch ich will gnädig sein. Was ist dein Begehr?“
„Jetzt duzen mich sogar schon die Bäume“, stellte Maariizzul grimmig fest. „Na schön. Wenn ich schon mal da bin. Es gibt einen alten Vertrag zwischen den Dov und den Hist. Ich soll dich daran erinnern ihn nicht zu vergessen. So, fertig, können wir jetzt gehen?“
Es war zwar nicht der Wortlaut, den ihr Viinturoth angeraten hatte – genau genommen hatte sie damals gar nicht richtig zugehört – aber es traf die Sache. Außerdem war es besser, in kurzen knappen Worten zu sagen, was man wollte. Dieser Hist mochte ja eine Spur von Intelligenz besitzen aber komplexere Sätze würden ihn sicher überfordern.
Der Purpurschein in Hahnusuls Augen verdüsterte sich etwas. Dann jedoch klarten sie wieder auf und es war sogar eine Spur von Belustigung in der fremden Stimme zu spüren: „Aus dir spricht das unreife Kind. Ich sollte dich für deine Überrheblichkeit tadeln, doch das werden andere übernehmen. Mich gibt es seit Anbeginn der Zeit auf Tamriel. Ich erinnere mich an jede Einzelheit, an die Geburt und das Aussterben so vieler Rassen und Völker, auch an die Erschaffung der Dov, und vermutlich werde ich auch ihren Untergang erleben. Glaubst du, ich würde ein Abkommen mit ihnen vergessen? Unseren Saft gegen die Unantastbarkeit unserer Grenzen, so war es seit langem und so soll es weiterhin sein … Kulaas der Dov, ich biete dir noch einmal an bei mir zu bleiben. Bringe deine Seele in Einklang mit der Natur, lerne das Leben selbst neu kennen, finde den Frieden in dir und dann, in einigen Jahren, kehre zu deinem Volk zurück und werde eine würdige Königin.“
Eine Welle friedfertiger Energie ging von Hahnusul - oder XhysShan – aus, pulsierende Ruhe selbst, die jedes Lebewesen in ihren Bann zog. Jedes – bis auf Maariizzul.

„WAAAS? Ich soll in diesem stinkenden Morast vegetieren und Frösche fressen? Das glaubst du doch selbst nicht! Zeig' mir endlich den Weg nach draußen oder ich kokele dir deine dämliche Rinde an!“ schrie sie nach oben, hoch über Hahnusul hinweg.

Das Purpur in Hahnusuls Augen erlosch. „Dann soll es so sein“, flüsterte er mit hängendem Kopf. Das Blätterdach über ihnen teilte sich und gab den Weg auf einen strahlend blauen Himmel frei. „Grüße Kestkood von mir und Vulonvahdin.“
„Blödsinn! Hoch mit deinem faulen Hintern! Du kommst mit.“
„Nein.“ Es klang leise, doch fest und bestimmt. Mein Platz ist jetzt hier.
„Wo dein Platz ist entscheide immer noch ich!“
Hahnusul schüttelte nur langsam den Kopf und deutete nach oben, wo sich das Blätterdach langsam wieder zu schließen begann.
„Flieg“, sagte er. „Du hast hier keine Macht. Sobald du den Himmel nicht mehr siehst wirst du bleiben müssen.“
Maariizzul schwankte kurz. Sollte sie es riskieren, den störrischen Kerl mit Gewalt abzuschleppen und dabei selbst gefangen zu werden? Die Antwort war eindeutig. „Dann knutsch' doch deinen Baum“, giftete sie, breitete die Flügel aus und hob ab.
Hahnusul blieb zurück, mit einem glücklichen Lächeln auf dem Gesicht.

***

„Ihr kommt allein.“ Es war eine Feststellung, keine Frage. Viinturoth wandte sich seufzend von ihr ab.
„Der Idiot wollte nicht mit. Was kann ich dafür?“, maulte sie.
„Ja, was könnt Ihr dafür ...?“ Der Bote des Königs schwieg lange, wobei er zum Monahven hinüberschaute, als würde von dort die Lösung seines Problems erscheinen. Sie kam nicht.
Als die Prinzessin schon gehen wollte, fuhr er fort: „Da Ihr ohne Euren Begleiter zurückgekehrt seid, habt Ihr bei der Prüfung versagt! Ich werde zu Eurem Vater fliegen müssen, um ihm davon zu berichten. Es tut mir leid.“
Damit wandte er sich endgültig von ihr ab und verließ das Plateau.

Eine völlig schockierte Maariizzul blieb zurück.

***

Auf dem Monahven:
„Vergebt mir, mein König ...“ Dem Diener war seine Angst vor Alduin deutlich anzusehen. „... nichts liegt mir ferner, als Euch Eure kostbare Zeit zu rauben, aber ...“
„Dann komm' zum Punkt!“ erklang es genervt vom Thron herunter.
„ … aber Eure Gemahlin … die Königin … sie ist abgereist und ...“
„Ich weiß. Und was?“
„Und sie hat mir befohlen Euch auszurichten, dass … dass ...“
Er stotterte, und erst als sich Alduin drohend über ihm erhob, schaffte er es weiterzureden: „... dass sich Akavir von Eurem Reich lossagt. Bitte, vergebt mir, mein König. Es waren nicht meine Worte.“
„Verschwinde!“ knurrte Alduin mühsam beherrscht.
Sie hatte es also wirklich gewagt. Die Frau, die er liebte, war ihm in den Rücken gefallen, hatte damit begonnen, sein Reich zu zerstören, alles, wofür er seit Anbeginn der Zeitrechnung gelebt und gekämpft hatte. Und wofür? Für eine Tochter, die es nicht wert war, diese Bezeichnung zu tragen. Für eine Prinzessin, die niemals Königin werden durfte.
Alduin wurde klar, dass er das mit aller Macht verhindern musste.
„Warte!“ brüllte er dem Diener hinterher. „Schicke Paarthurnax zu mir!“
'Wir rüsten zum Krieg.' fügte er in Gedanken hinzu.


Kleines Wörterbuch Drachisch - Deutsch

Lokheim = Himmelsschmiede
Keizaal = Himmelsrand
Joorre = Sterblicher (auch abwertend gemeint)
WULD = Wirbelwind (Geschwindigkeit verleihendes Wort der Drachensprache)
Dov = Drachen
Monahven = Hals der Welt
Kaaz = Katze / Khajiit
Kulaas = Prinzessin
Sahqo Strunmah = Roter Berg
YOL TOOR SHUL = Feueratem
Kel = Schriftrolle der Alten

Starring:
Kestkood = Sturm im Schnee; grauweißer Frostdrache
Vulonvahdin = Nachtmädchen; nachtschwarzer Schlangendrache; Kestkoods Gefährtin
Sotwuld = Weißer Wirbelwind; schneeweißer Frostdrache (männlich)
Sahqonviing = Purpurflügel; weibl. Blutdrache; grün-violett gefärbt
Hahnusul = Traumtag oder: Tagträumer; etwas behäbiger männlicher brauner Drache (Feuer)

In Dwiinkro = Meister Stahlzauberer; Verehrter Drache; orangerot
Britfrinah = Wunderschöne heiße Jägerin; roter Drache; Alduins Gefährtin
Maariizzul = Schreckliche Eisstimme; goldfarbener Drache; Alduins Tochter
Viinturoth = Glänzender Hammer der Wut
Paazyuvonkiir = Holdes Goldkind; Maariizzuls Kindername
Odahviing = Geflügelter Schneejäger; Britfrinahs Verwalter
Ada’Soon Dir-Kamal = König der Schneedämonen (Kamal)
Kar'goor di'gash = Gardehauptmann der Kamal
XhysShan = Herr/Herrin der Hist; größter Baum im Zentrum Argoniens
Paarthurnax = Alduins Feldherr

Moonlord
17.07.2014, 19:43
5. Thras

Am nächsten Morgen erwartete Kestkood eine große Überraschung.
„Du wirst mich begleiten“, hatte Viinturoth gesagt und ihm kaum Zeit gelassen, sich noch schnell von Vulonvahdin zu verabschieden.
„Beiß' ihr bitte nicht die Gurgel durch bevor ich zurück bin. Versprichst du mir das?“
Es kostete Vulonvahdin sichtlich Überwindung, doch dann nickte sie ihm zu. „Einverstanden. Wenn wir etwas unternehmen, dann gemeinsam.“
Noch einmal schlangen sie ihre Flügel umeinander und sahen sich tief in die Augen. „Gemeinsam.“ Es war ein gegenseitiges Versprechen.

Schnell wurden die beiden Punkte am Horizont kleiner bis sie in den Wolken verschwanden. Der Monahven hatte seinen Gipfel verhüllt. Grau und schwer wie ihre eigenen Gedanken kam er ihr vor. „Komm bald zurück“, flüsterte sie und fühlte dabei einen Stich im Herzen. Eine Vision blitzte vor ihren Augen auf, ein Chaos aus Feuer und Rauch, Tod und Wahnsinn. Krieg! Es würde Krieg geben, wusste sie plötzlich, und Kestkood würde mitten hineingeraten. Mit der Vision kam die Angst. Sie hatte bereits all ihre Freunde verloren, und wie, bei den Erschaffern der Welt, sollten sie gemeinsam gegen diese goldene Pest vorgehen, wenn Kestkood starb? Vulonvahdin zitterte stark. So durfte es nicht kommen! Sie musste ihm nach, musste ihn warnen, musste … „KESTKOOD!“ schrie sie voller Panik, „KESTKOOD! WARTE AUF MICH!“ Sie breitete die Flügel aus, stieß sich ab, schlug die Schwingen gegen den Wind und … prallte gegen ein orangefarbenes Hindernis. Die Wucht ihres eigenen Schwungs warf sie auf den Rücken, wo sie kurz benommen liegenblieb. Meister Dwiinkro landete direkt auf ihrem ausgestreckten Flügel, verhinderte so, dass sie sich wieder erheben konnte. „Kestkood … er … ich muss …“, stammelte sie.
„Ganz ruhig Kleine“, erwiderte ihr alter Meister ungewohnt einfühlsam. „Beruhige dich erst einmal.“ Da sie außer einem Schniefen nichts antwortete, beugte er seinen massigen Kopf noch etwas tiefer zu ihr herab und sprach: „Du kannst ihm jetzt nicht helfen, doch das wird auch gar nicht notwendig sein. Dein Gefährte hat eine Audienz bei unserem König, eine Audienz, verstehst du? Er soll ihm nur erzählen, was aus seiner Sicht geschehen ist. Danach wird er sicher ganz schnell zurückkehren.“ Er sah das Häufchen Elend vor seinen Füßen an, gab dann ganz vorsichtig ihren Flügel frei und zog ihren Kopf hoch, damit sie ihm in die Augen sehen musste. „Komm mit in die Schmiede“, forderte er sie auf. „Als ich in deinem Alter war, hat mein Vater mir beigebracht, wie man Schutzamulette schmiedet. Ich glaube, es ist an der Zeit, dieses Wissen weiterzugeben.“
Geduldig wartete er am Eingang der Tiefenschmiede bis Vulonvahdin ihm folgte.

***

Bereits gegen Mittag erhielten sie Besuch. Maariizzul schwebte ein. Wie sie es jedes mal schaffte, dass ihr der Geruch ihrer Trollhöhle nicht anhaftete, bleib ihr Geheimnis. Formvollendet landete sie auf dem Plateau, genau zu dem Zeitpunkt als Dwiinkro mit Vulonvahdin die Tiefenschmiede verließ.
Direkt neben ihr setzte ein zweiter Körper auf: leuchtend rot, schlank und dennoch durchtrainiert, mit einer ehrfurchtgebietenden Aura, die selbst Maariizzuls Ausstrahlung noch übertraf – wenn auch nur um eine Winzigkeit.
Dwiinkro verneigte sich tief. „Was verschafft uns die große Ehre Eures Besuchs, meine Königin?“ sagte er schnell, wobei er Vulonvahdin mit seinem Flügel ein kleines Stück zurückschob, um sie aus dem Fokus Britfrinahs zu bringen.
Vergeblich.
„Ist sie das?“ wandte sich die Rote an ihre Tochter. Es war mehr eine Feststellung, als eine Frage, da die Antwort ja auf der Kralle lag.
„Ja, Mutter. Das ist eine von denen, die nicht wissen wo ihr Platz ist. Man sollte sie ...“
„Später, meine Tochter, später.“
Britfrinah ließ Dwiinkro einfach links liegen, um sich den jungen Schlangendrachen anzusehen. Lange ruhte ihr prüfender Blick auf ihr und Vulonvahdin fühlte sich zunehmend unwohler in ihren Schuppen. Schließlich hatte die Königin ihre Inspektion beendet. „Es wird reichen müssen“, sagte sie mehr zu sich selbst. „Wo ist der andere?“
Meister Dwiinkro schob sich wieder in den Vordergrund. „Ihr wisst sicher, meine verehrte Königin, dass er zum Monahven gerufen wurde.“
Britfrinah sah Maariizzul an, doch die hob nur die Schultern. „Heute früh war er noch da.“

„Natürlich weiß ich das“, log sie. „Ich wollte ihnen nur Gelegenheit geben, sich vor dem Aufbruch zu verabschieden.“
Obwohl Vulonvahdin die Logik hinter diesem Satz nicht erkannte, schwieg sie weiter. Jetzt lieber nichts sagen, als die falsche Antwort geben.

„Es ist so“, fuhr Britfrinah fort, „Die Prüfungen sind natürlich noch nicht abgeschlossen. Es gab nur eine kleine Änderung: Ich habe die Leitung übernommen und werde entscheiden, welche Aufgabe unsere zukünftige Königin noch zu erfüllen hat.“
„Hää?“
Maariizzuls Kopf ruckte herum. Sie war genauso überrascht wie Vulonvahdin, welche mit allem möglichen gerechnet hatte, aber nicht mit einer Weiterführung der von Viinturoth für beendet erklärten Prüfungen.
„Aber Mutter, Ihr werdet mich doch nicht etwa zusammen mit dieser ...“
„Genau das werde ich“ fiel die Königin ihrer Tochter ins Wort. „Die Traditionen der Prüfung müssen schließlich gewahrt bleiben. Einer wahren Herrscherin ist das bewusst, nicht wahr?“
„J..ja, natürlich.“
„Dann ist das geklärt. Morgen früh brecht ihr auf nach Thras. Einer meiner ergebensten Untertanen wird dort gefangengehalten. Befreit ihn und geleitet ihn sicher nach Akavir. Ich werde dort auf euch warten.“
„Aber kann ich nicht mit jemand anders...“
„Nein, Maariizzul. Dafür ist keine Zeit. Ich würde dich selbst begleiten, doch meine Anwesenheit in Akavir ist dringendst erforderlich. Du schaffst das schon.“ Und an Vulonvahdin gewandt fügte sie in einem wesentlich schärferen Tonfall hinzu: „Schlangendrache! Bisher war es so, dass die Prinzessin für ihre Begleiter verantwortlich war. Damit ist jetzt Schluss! Begleite sie, diene ihr wie es sich geziemt und kämpfe für sie. Wenn auch nur ihre kleinste Schuppe einen Kratzer abbekommt, wirst du dir wünschen nie gelebt zu haben. Und jetzt lass' uns allein!“

Auf dem kurzen Rückweg zur Schmiede spürte Vulonvahdin Maariizzuls giftigen Blick im Rücken. Sie ahnte, dass ihr die schlimmsten Tage ihres noch jungen Lebens bevorstanden.

***

Kestkood war heilfroh, endlich die Halle des Königs betreten zu dürfen. Auf dem Monahven hagelte es wieder einmal, er hatte sich gefühlt, als wäre er bei Riesen zur Massage gewesen. „Brrrr!“ Er schüttelte sich, wobei er sich wieder einmal die Frage stellte, warum sich die Adeligen immer auf einem Gipfel niederlassen mussten. Bei den Witterungsverhältnissen Keizaals konnte man sowieso selten genug einen Blick durch die Wolkendecke werfen. An der Aussicht konnte es also nicht liegen.
Wenigstens war es im Innern der Halle angenehm warm. Breite Kohlebecken säumten die Wände, beaufsichtigt von argonischen Sklaven, die mit großen Wedeln aus Vogelfedern für eine gleichmäßige Luftzufuhr sorgten. Zwei elfische Priester, hinter deren hölzernen Gesichtsmasken spitze Ohren hervorlugten, verneigten sich tief vor den Ankömmlingen.
„Lord Viinturoth“, begann einer von ihnen mit einem seltsam klingenden Akzent, „darf ich Euren verehrten Begleiter in die Gästehalle bitten? Die Audienz wird sich vermutlich noch etwas verzögern, da Seine Hoheit mit dringenden Staatsangelegenheiten beschäftigt ist. Euch dagegen, mein Lord, soll ich sofort zu Seiner Hoheit geleiten.“
Viinturoth nickte Kestkood zu, welcher dem zweiten Priester zu einem Seitengang folgte. „Darf ich fragen, um welche Staatsangelegenheiten es sich handelt?“, wandte er sich dann an seinen Führer.
„Der Kriegsrat tagt, Lord Viinturoth. Mehr Informationen kann ich Euch leider nicht geben.“
Der Drache ließ es dabei bewenden. Ohnehin würde er gleich erfahren, worum es ging. Zügig folgte er dem Priester, welcher statt auf Zweibeinerart zu gehen über den Boden schwebte. Eine breite Tür öffnete sich, dann noch eine und sie hatten den Thronsaal erreicht. Routiniert vermied er es, auf den Elfen zu treten, der sich kurz hinter der Tür auf den Boden geworfen hatte (Alduin mochte keine Flecken), und trat auf seinen König und die versammelten Generäle zu. „Zu Euren Diensten, Majestät“, sprach er mit einer Verbeugung.
Alduin sah auf, wobei nicht zu erkennen war, ob er sich über Viinturoths Ankunft freute oder nicht. Seine Stimme verriet ebenso wenig. „Sehr schön. Ihr habt noch nichts Wichtiges verpasst.“ Damit wandte er sich an einen seiner Generäle: „Paarthurnax, wenn Ihr fortfahren würdet ...“
Viinturoth lauschte wie alle anderen den Ausführungen des Strategen. Es folgte eine lange Debatte …

***

Wie vermutet, hatten die Schikanen bereits auf dem Flug begonnen. Sie hatten bei stürmischem Wind das Reach überquert, danach eine immer karger werdende Gebirgsgegend und schließlich, gegen Abend, am Rande der großen Sandwüste gelagert.
„Ich habe Durst!“ … „Ich bin hungrig! Jage mir etwas!“ … „Der Stein drückt – nimm ihn weg!“
So ging das bis spät in die Nacht hinein. Zweimal waren sie „umgezogen“, weil das Wasser im kleinen Tümpel des ersten Lagerplatzes etwas trübe war und der Untergrund des zweiten zu steinig für die „zarte Haut“ der Prinzessin. Vulonvahdin hatte nichts gespürt. Sie hatte eine kleine Herde Bergziegen erwischt, obwohl die Jagd auf diese Tiere nicht leicht war, da sie sich in die zerklüfteten Felshänge flüchteten, wo es praktisch kaum Landemöglichkeiten gab. Das Schlimmste war jedoch nicht die Anstrengung selbst, sondern die Kommentare, welche Maariizzul aus dem Hintergrund abgab. „Mach dies, mach das … stell dich nicht so an!“ Klar, sie hätte ja alles viel besser gemacht!
Am Ende war sie so müde, dass nicht einmal Maariizzuls Schnarchgeräusche sie beim Einschlafen störten.

„Aufstehen, Langschläferin! Bring mir mein Frühstück!“ Der dazugehörige Tritt in die Seite hätte nicht sein müssen, fand Vulonvahdin. „Fang dir selbst was“, knurrte sie zurück.
„Oh? Werden wir schon wieder aufsässig? Das muss ich mir jetzt leider merken. Weißt du, Mutter möchte einen sehr detaillierten Bericht.“
„Kratz es meinetwegen in den Felsen, du dämliches Huhn“, flüsterte sie so leise, dass Maariizzul es nicht verstehen konnte. Ihr Gesichtsausdruck verriet sowieso genug.
Die Prinzessin grinste. „Mach nur weiter so. Das wird sicher sehr interessant.“
Sie konnte sich denken, was Goldie damit meinte: Verbannung auf eine mickrige Insel oder noch etwas gemeineres. Ohne ein weiteres Wort hob sie ab, um ein paar Runden am Himmel zu drehen.
Die kleine Ziegenherde, besser gesagt die kümmerlichen Reste davon, hatte die Nacht genutzt, um auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden. Weit und leer lag die Wüste vor ihr ausgebreitet. Vulonvahdin seufzte. Wo sollte man in dieser Einöde Frühstück finden? Sie vergrößerte den Radius ihrer Kreise und hatte endlich Glück. Unterhalb einer Bruchkante stiegen mehrere große Aasvögel auf, sobald sie sich näherte, um sich unter protestierendem Gekrächze etwas entfernt wieder niederzulassen. Vulonvahdin flog dichter heran.
Die beiden grünhäutigen Zweibeiner, einer davon mit bereits von scharfen Schnäbeln aufgerissenem Bauch, waren besser als nichts. Sie nahm je einen in ihre Krallen und machte sich auf den Rückweg. Am Tümpel ihres ersten Lagers ließ sie ihre Beute kurz ins Wasser plumpsen. Es wurde gleich noch etwas trüber, aber der gröbste Dreck von Maariizzuls Frühstück war damit abgewaschen, sie rochen nicht mehr so streng und selbst die Bauchwunde würde als frische Verletzung durch ihre Krallen durchgehen.

Die Prinzessin nahm gerade ein frühes Sonnenbad, als Vulonvahdin eintraf. „Bitte schön, mehr war nicht da.“
Leicht missmutig besah sich Maariizzul das Essen. „Beim nächsten Mal etwas mehr Einsatz, wenn ich bitten darf“, maulte sie. „Davon wird doch keiner satt.“
„Ich habe auch keinen Hunger. Guten Appetit.“
Maariizzul war bereits beim Kauen. „Die haben auch nichts von Körperpflege gehalten“, meinte sie zwischen zwei Bissen, fraß jedoch ruhig weiter.
Vulonvahdin wandte sich ab, bevor ihr noch schlecht wurde.

Der kommende Tag wurde heiß. Die Wüste glühte unter ihnen in der Sonne, kein Wölkchen zeigte sich. Beide waren froh, als endlich wieder die ersten Bäume des schmalen Küstenstreifens am Horizont auftauchten. Mangels natürlicher Wasservorkommen – Meerwasser war selbst für die Dov nicht trinkbar – landeten sie auf dem Platz im Zentrum einer Gruppe einfacher Lehmbauten.
„RUHE!“ brüllte Maariizzul auf die panisch herumrennenden Zweibeiner ein. „Versorgt uns!“
Es dauerte etwas, bis wirklich Ruhe einkehrte. Die Meisten, vor allem die Weibchen mit ihrer Brut, verschwanden in den Hütten, was keine gute Idee war, wie Vulonvahdin fand. Es würde kaum Anstrengung bedürfen, solch eine windschiefe Behausung einzureißen. Natürlich hatte sie das nicht vor. Viel wichtiger waren die beiden großen Holztröge, welche gerade mit frischem Wasser aus dem Dorfbrunnen gefüllt wurden, und dann die vier (etwas mageren) Rinder, die ein paar Halbwüchsige anschleppten.
„Mehr kann Euch unser bitterarmes Dorf nicht bieten“, brabbelte eine weißhaarige Gestalt – vermutlich der Priester – vor sich hin. „Ich bitte Euch, nehmt es und verschont Eure unwürdigen Diener.“
„Na ja, es wird reichen müssen“, ließ sich die Prinzessin zu einer Antwort hinab. Aber sorgt dafür, dass auf dem Rückweg mehr da ist.“
Das dunkle Gesicht des Alten wurde blass. „N..natürlich. Wie Ihr befehlt.“ Er verbeugte sich so tief, dass sein Bart über den Boden wischte und im Rückwärtsgang eine feine Spur hinter sich her zog.
Vulonvahdin war sich sicher, dass sie dieses Dorf beim nächsten mal wirklich leer vorfinden würden. Sie würde es Maariizzul erst später sagen, damit diese nicht auf dumme Gedanken kam. Doch wenn sie der Küste folgten, fanden sie sicher bald eine weitere Siedlung vor. So schlimm war das ja nicht.

***

Sie hatten noch eine Nacht an der Küste verbracht, waren dann immer weiter nach Südwesten geflogen, bis eine Ansammlung größerer und kleinerer Inseln vor ihnen auftauchte: Der Archipel von Thras.
„Und was jetzt?“ fragte Vulonvahdin, wobei sie sich höher in die Wolken schraubte. Sie hatte schon seit längerem überlegt, welche Strategie der Prinzessin wohl vorschwebte und hoffte, dass es nicht die Brachialmethode sein würde. Einem unverhofften Angriff im Sturzflug würden die Krecken kaum etwas entgegenzusetzen haben, plump und schwerfällig wie sie sich an Land bewegten, allerdings mussten sie dazu ihr Ziel gut kennen und bisher wussten sie nicht einmal, auf welcher der Inseln sie beginnen sollten. Mehrere Frontalangriffe hintereinander waren wiederum zu riskant, denn viele Krecken galten als äußerst magiebegabt. Sie wussten sich zu verteidigen, wenn man ihnen die Zeit dazu ließ.
Dass die Antwort ziemlich lange auf sich warten ließ sagte ihr, dass auch Maariizzul noch keine brauchbare Idee hatte. „Wir landen“, kam schließlich die Antwort. „Halte Ausschau nach einer abgelegenen Insel, so winzig wie möglich und garantiert unbewohnt. Bei Nacht sehen wir uns dann weiter um.“
Es war nicht die Patentlösung, aber immerhin konnte es klappen.
Leicht fiel Vulonvahdin die Suche allerdings nicht. Sie mussten hoch genug fliegen, um über den Wolken zu bleiben, was ihre eigene Sicht stark einschränkte, und tief genug, um noch Einzelheiten der zahlreichen Inselchen erkennen zu können.
Nach einigem Suchen fand sich ein winziges Atoll weit im Westen, welches kaum über die Wellen des Ozeans hinausragte. Mit zwei satten Platschern landeten sie im hüfttiefen Wasser der Lagune.
„Wehe du verschmutzt den Pool“, zischte Maariizzul ihrer Begleiterin zu. Vulonvahdin verdrehte die Augen und streckte ihr die Zunge raus.
Sich gegenseitige so weit wie möglich ignorierend, warteten sie dann auf den Einbruch der Nacht. So angenehm das warme Wasser und die kühlende Meeresbrise auch waren, beide sehnten den Zeitpunkt herbei, alles hinter sich zu bringen. Schließlich brach Vulonvahdin das bedrückende Schweigen: „Dürfte ich jetzt erfahren, wie unser Plan aussieht? Ich möchte ja nicht absichtlich Fehler machen. Und wen sollen wir eigentlich retten?“
Maariizzul atmete tief durch.
„Durnehviir“, beantwortete sie die letzte Frage zuerst, „den Ersten Magier von Akavir. Er befand sich auf einer inoffiziellen Mission nach Yokuda. Mehr musst du darüber nicht wissen. Auf dem Rückweg wollte er wohl rasten und wurde von den Krecken gefangen genommen. Warum diese schleimigen Widerlinge das gemacht haben, wissen wir noch nicht. Es gab jedenfalls noch keine Lösegeldforderungen.“
„Eine Geiselnahme?“ vermutete Vulonvahdin.
„Wozu? Dann hätten sie doch Forderungen gestellt, oder?“
Die Schwarze zuckte mit den Schultern. Es würde schone einen Grund geben, wenn nicht jetzt, dann eben in naher Zukunft. Vielleicht hatten die Krecken einfach die Gelegenheit genutzt und vorgesorgt. Sie sprach das allerdings nicht aus sondern stellte lieber die nächste Frage: „Gibt es Hinweise wo er sein könnte?“
Genau darauf schien Maariizzul gewartet zu haben. Es war immer befriedigend, mehr zu wissen als alle anderen, auch wenn sie jetzt ihr Wissen teilen musste – um der Sache willen.
„Gibt es. Thras ist kein einheitliches Reich, sondern besteht aus mehreren lose verbundenen Inselfürstentümern. Eines davon ist Agonio, gleichzeitig die größte der Inseln, flach wie ein Brett und beinahe vegetationslos. Es gibt zwar etliche oberirdische Gebäude, aber keine richtige Stadt. Die meisten Bauten reichen tief in den Boden hinein und erstrecken sich bis weit unter den Ozean. Viele werden sogar regelmäßig überflutet, was ihre Bewohner nicht stört, da sie sich im Wasser wohler fühlen als an Land. Gefangene kann man unter diesen Umständen allerdings nicht unterbringen – wenn sie überleben sollen, und das ist bei Geiseln ja meistens der Fall. Durnehviir wird also in der Nähe der Oberfläche festgehalten werden, ich vermute in einer der Zitadellen an der etwas steileren Ostküste. Und ...“ sie grinste überlegen, „davon gibt es nur zwei.“
„Wovon wir nur die richtige erwischen müssen“, warf die Schwarze ein. „Ansonsten sind sie vorgewarnt und empfangen uns beim zweiten Versuch mit allem was sie haben.“
Maariizzul sah sie grimmig an. „Pessimistin!“ Doch sie musste zugeben, dass Vulonvahdin Recht hatte. „Wir teilen uns auf“, entschied sie spontan. „Ich nehme die nördliche, du die südliche Festung. Sobald es dunkel genug ist starten wir.“

***

Auf dem Monahven:
Die Generäle hatten den Thronsaal verlassen, nur noch Viinturoth und Paarthurnax leisteten ihrem König Gesellschaft.
„Wie schnell wird das Heer bereit sein?“ wollte Alduin wissen. Paarthurnax wiegte den Kopf hin und her als dächte er angestrengt nach. „Die letzte Mobilmachung liegt Jahrhunderte zurück. Das dauert seine Zeit. Ich denke auch nicht, dass uns Bri... Akavir so schnell angreifen wird. Auch dort muss man erst einmal seine Kräfte konzentrieren ...“
„Eine diplomatische Antwort, alter Freund.“ Alduin seufzte. „Doch genau genommen ist es besser so. Vielleicht können wir Akavir doch noch zurückholen, ohne einen offenen Krieg zu riskieren. Und NEIN ...“, auf Paarthurnax' skeptischen Blick hin wurde er lauter, „... ich beabsichtige nicht, irgendjemanden um etwas zu bitten! Es sei denn ...“ er wandte sich Viinturoth zu: „Holt mir diesen Jungen herein. Wie heißt er gleich? Kestkood? Mir kommt da gerade eine Idee.“
„Jawohl, Majestät.“ Mit einer tiefen Verbeugung verließ Viinturoth den Saal um Kestkood zu holen.

***

Vulonvahdin glitt lautlos durch die Lüfte. So tief wie nur irgend möglich schwebte sie über dem Wasser, darauf hoffend, nicht vorzeitig entdeckt zu werden. Gelegentlich spritzte ihr Wasser ins Gesicht. Es war wesentlich salziger als es hätte sein sollen und brannte in den Augen. Vulonvahdin biss die Zähne zusammen und flog weiter.
Die Wegbeschreibung war ausreichend um die Festung auf Anhieb zu finden, kaum höher als ein normales Haus der Elfen, aber wesentlich wuchtiger trotzte sie den Brechern des anstürmenden Meeres. Der Schlangendrachen grinste, als er näher kam. Die Verteidigungsanlagen mochten für Angreifer von See oder Land schier unüberwindlich sein, gegen Luftangriffe waren sie ein einziger Witz. Mauern, so breit dass eine ganze Gruppe der Dov bequem darauf landen konnte! Es wirkte beinahe wie eine Einladung.
Sicherheitshalber drehte sie noch eine Runde um das Bauwerk, sah sich alles genau an und fand nichts. Die Festung schien ausgestorben zu sein, kein Lebewesen ließ sich blicken.
Was nun?
Sie hatte mit einem Angriff gerechnet, wenigstens mit ein paar Wachen, die sie notfalls verhören konnte. Doch so? Wie es aussah hatte sie die falsche Festung erwischt. „Joorredreck!“ knurrte sie. „Soll ich jetzt dem Prinzesschen helfen, oder was?“ Sehr unangenehm stieg Britfrinahs Drohung wieder aus ihrem Gedächtnis auf: „Wenn auch nur ihre kleinste Schuppe einen Kratzer abbekommt, wirst du dir wünschen nie gelebt zu haben.“
Die Vorstellung war nicht gerade sehr erheiternd. 'Wenn ich mich nicht beeile, sieht die Süße wie der Kratzbaum eines Ogers aus', dachte sie. 'Dann kann ich mich auch gleich von den Krecken einsperren lassen.' Nach einem letzten Blick auf den leeren Innenhof der Festung wandte sie sich nach Norden. Sie musste die andere Festung erreichen, und zwar möglichst schnell.
In diesem Moment schlug die düster-violette Wolke über ihr zusammen. Vulonvahdin verließ sämtliche Kraft, selbst jeder einzelne Atemzug wurde zur unglaublichen Anstrengung. Ungebremst stürzte sie in den Innenhof, wo sie reglos liegen blieb.

***

„Na? Wieder unter den Lebenden?“
Die Stimme klang amüsiert, obwohl sie Vulonvahdin völlig fremd war. Sie blinzelte. Schummeriges Licht einiger blakender Fackeln umfing sie. Sie lag auf altem müffelndem Stroh an eine kalte Wand aus rauhem Kalkstein gelehnt. Als sie den Kopf etwas hob um besser sehen zu können, stieß sie sich an der niedrigen Decke.
'Willkommen im Knast', meldete sich ein böses kleines Stimmchen in ihrem Kopf, wurde aber sofort von der realen Stimme des Anderen übertönt: „Los, hoch mit dir. Ausruhen kannst du dich später noch. Du könntest mir hier helfen.“
Ganz vorsichtig, um sich nicht wieder den Kopf zu stoßen, erhob sie sich. Der Raum, in dem sie sich befand, wurde durch eine massive Wand geteilt und hinter dieser war die Stimme erklungen. Auch andere Geräusche drangen herüber, das Rascheln von Pergament oder das Klappern von Metallschalen. Vulonvahdin lugte um die Ecke: „Hallo?“
„Ja, ja, komm' her und halte das mal.“
Ein sehr muskulöser, grauschuppiger Dov hantierte mit einer ganzen Palette dampfender Tiegel, Kessel und Zangen an einem breiten Holztisch. Es roch nach verbrannten Kräutern, Schwefel und Holzkohle. Er deutete auf einen besonders schwer aussehenden Kessel und dann zur Feuerstelle auf der anderen Seite der Raumes. „Dahin bitte, aber kipp es dir nicht auf die Füße.“
Vulonvahdin staunte über sich selbst, als sie feststellte, dass sie den Kessel bereits die halbe Strecke geschleppt hatte – wie selbstverständlich. Sie setzte ihn ab. Die grünliche brodelnde Flüssigkeit darin sah sehr ungesund aus. Damit wollte sie auf keinen Fall in Berührung kommen.
„Wer seid ihr überhaupt?“ fragte sie mit einem Blick über die Schulter.
„Zum Feuer!“
„Ja, schon gut.“ sie schob den Kessel vorsichtig weiter, bis er am gewünschten Platz angelangt war. „Noch einmal: Wer seid ihr und wo bin ich hier gelandet?“
Der Graue drehte sich kurz um, wandte sich aber gleich wieder seinem Arbeitstisch zu. „Durnehviir. Wer sonst? … Was deine zweite Frage betrifft: du bist in Kudokis' Haus.“
Der Schlangendrachen sagte erst mal nichts. Die Überraschung stand ihr ins Gesicht geschrieben. „Durnehviir? Aber ich … wir ...“
„Wer sollte ich sonst sein? Gib mir mal den Korallenstaub rüber. Nein, nicht den weißen – den roten dort aus der Kiste. Du hast mich gesucht? Wer hat mich vermisst? Lass mich raten … Odahviing? Verflucht! Wo hab' ich die Schneebeeren wieder hingelegt?! Oder war es jemand anderes? Und was meinst du mit „wir“? Du bist doch allein, oder? Kudokis' Diener haben niemand außer dir gesehen. Ach da sind sie ja. So, das müsste reichen. Nun noch Wacholder ...“
Auf den ersten Blick war es nicht so einfach aus den ständig wechselnden Themen schlau zu werden. Durnehviir verwendete mehr Gedanken auf sein Experiment als auf eine brauchbare Antwort auf ihre Fragen. Und wer, bei Kaan, war Kudokis? Kein Dov trug einen dermaßen dämlich klingenden Namen.
Leider musste sie vorerst auf Antworten verzichten, denn plötzlich gab es eine Knall und beißender grünlicher Qualm breitete sich aus.
„Verdammt! ANS Feuer habe ich gesagt, nicht INS Feuer! Los, wir müssen raus.“
Er zog sie mit sich, bevor Vulonvahdin noch fragen konnte, wie sie denn so schnell das Gefängnis verlassen sollten. Zum Glück hatten sie es nicht weit. Sie verließen den Raum und Durnehviir warf krachend die schwere Metalltür hinter ihnen zu. Danach drückte er einen Hebel, worauf es kräftig zu rauschen begann.
„Was macht ihr da?“ fragte sie vorsichtig.
„Ich flute den Raum … mal wieder“, grummelte er. „Schade um die ganzen Zutaten. Das wird teuer. Na, wenigstens hast du nicht die Bibliothek abgefackelt.“
„Woher sollte ich denn wissen, dass der Kessel explodiert?“ verteidigte sie sich. „Was war da überhaupt drin?“
Durnehviir sah sie lange prüfend an. „Ein Virus“, meinte er dann trocken.
„Ein … WAS?“
„Keine Angst, unser Volk ist dagegen immun. Nur das Bindemittel ist extrem ätzend.“ Er zögerte kurz, bevor er fortfuhr. „Hast du schon mal von der Thrassischen Pest gehört? Mein Freund Kudokis benötigt etwas Unterstützung gegen die Elfen im Süden. Im Gegenzug hilft er mir. So einfach ist das.“
Sie sah ihn zweifelnd an. „Ihr experimentiert mit einer tödlichen Krankheit im Auftrag dieser … Schnecken? Ihr seid gar nicht gefangen? Habe ich das richtig verstanden?“
Er nickte.
Das musste man erst einmal verdauen. Wie groß musste ein „Gefallen“ sein, um dafür eine Massenvernichtungswaffe zu erfinden? Als ob das nicht schon schlimm genug war, drängte sich ihr eine zweite Frage auf: „Weiß … die Königin davon?“
„Nein. Sollte sie?“
Jetzt verstand Vulonvahdin gar nichts mehr. Sollten sie Durnehviir nicht retten, weil er als enger Vertrauter der Königin galt und in Akavir dringend gebraucht wurde? Was lief da gerade falsch?
Der Graue betrachtete sie aufmerksam. Jede noch so kleine Änderung ihrer Mimik schien er zu registrieren und – schlimmer – deuten zu können. Sein eigenes Maul zog sich immer mehr in die Breite, bis er lachend sprach: „Heh, du schaust als ob du noch nie etwas von Politik gehört hast. Dabei ist es ganz einfach. Ich werde es dir erklären.“ Er räusperte sich. „Ich bin der Erste Hofmagier von Akavir, ein schöner Titel, aber außer dem Wohnsitz in einem kalten Tempel bringt er nicht viel ein. Dann die ganzen Intrigen des Hofes, stinklangweilige Zeremonien, an deren Sinn sowieso niemand glaubt … Irgendwann beginnt man nach Alternativen zu suchen und stolpert zum Beispiel über ein kleines Inselreich mit einem aufstrebenden Fürsten. Wenn der dann noch etwas hat, mit dessen Hilfe man sich sein eigenes Herrschaftsgebiet schaffen könnte und dafür nur ein wenig Unterstützung bei seinen eigenen Plänen verlangt, wer könnte da widerstehen?“
„Ihr … wollt die Königin … verraten?“ Jetzt war es heraus. Vulonvahdin trat instinktiv zurück. Ihre Augen wurden groß.
„Verraten ist so ein böses Wort. Ich ziehe „verlassen“ vor. Die gute Britfrinah wird ohne mich klarkommen, da bin ich mir sicher. Vielleicht hat sie schon jetzt Odahviing zum neuen Ersten Magier ernannt. Er passt ja farblich viel besser zu ihr.“ Eine wegwerfende Geste rundete seine Worte ab.
Während sie sprachen, waren sie dem kahlen Gang gefolgt und in die Bibliothek gelangt, wo sich Unmengen an Regalen die Wände entlang zogen. Dieser Kudokis musste schon uralt sein, wenn er all diese Werke selbst zusammengetragen hatte … oder seine Diener mit nichts anderem beschäftigen. Wenn Vulonvahdin erwartet hatte, ihn hier anzutreffen, täuschte sie sich. Im Raum war niemand.
„Du wirst mich sicher bald fragen, warum ich dir das alles erzähle“, begann Durnehviir von neuem. „Ich habe mich etwas einsam gefühlt, das ist alles. Außerdem brauche ich jemanden, der mir im Notfall den Rücken freihalten kann. Du bleibst also hier, als meine Schülerin.“
„Das ist doch Schwachsinn!“ rief sie aus. „Warum sollte ich?“
Durnehviir sah sie nur einmal scharf an. Da wusste sie, dass sie keine Wahl hatte. Der alte Magier hatte sie in seine Pläne eingeweiht, zwar ohne sie zu fragen, doch das zählte nicht. Er würde sie niemals gehen lassen und sich den Weg freizukämpfen war illusorisch. Sie hätte ja nicht einmal gewusst in welche Richtung sie fliehen musste.
„Ich habe keine Wahl, oder?“ fragte sie, obwohl die Antwort längst feststand.
Er schüttelte den Kopf, doch was er dann sagte, klang merkwürdigerweise nicht so falsch oder beherrschend wie sie vermutet hatte; eher verständnisvoll. Genau das machte ihr Angst.
„Vulonvahdin – so heißt du doch, oder? - glaubst du wirklich, dass es ein gutes Ende genommen hätte, wenn ich mit euch nach Akavir zurückgekehrt wäre? Glaubst du, die Prinzessin hätte dich großmütig gehen lassen? Ihr wurdet beobachtet, seit ihr südlich von Vandor in die Lagune geklatscht sein. „Wehe du verschmutzt den Pool“ - kommt dir das bekannt vor?
Bleibe hier und werde meine Schülerin so wie ich von Kudokis lerne. Für den Anfang werden uns die Krecken verbergen und schützen. Danach … wenn wir es zur Meisterschaft gebracht haben, dann kann uns weder Paazyuvonkiir noch Britfrinah, ja nicht einmal Alduin selbst etwas anhaben.“
Sie sah das gefährliche Lodern der Gier nach Macht in seinem Blick, doch trotzdem stimmte Vulonvahdin schließlich zu. Es war nicht die Angst vor ihm oder einer Gefangenschaft, falls sie sich weigerte. Es war auch nicht die Gewissheit dass er Recht hatte und Maariizzul ihr sicher etwas gemeines antun würde, wenn alles erledigt war. Es war der Wunsch nach Macht, der wie ein Funke im trockenen Gras auf sie übergesprungen war, nicht der Wunsch nach einem eigenen Reich, sondern die Hoffnung, eines Tages mächtig genug zu sein, um Maariizzul für alles büßen zu lassen, was sie ihr und ihren Freunden angetan hatte. Eine einzige Frage stand noch aus: „Was hat euch dieser Kudokis versprochen?“
Durnehviir lächelte als er sprach: „Die hohe Kunst vollendeter Nekromantie.“

***

„Verflucht nochmal, wo sind die alle hin?“ Maariizzul hatte die nördliche Festung leer vorgefunden, völlig leblos, nicht einmal ein Tier hatte sich in der Umgebung gezeigt. Sie hatte angenommen, die falsche Zitadelle erwischt zu haben und war gegen Mitternacht noch mit ordentlich Wut im Bauch nach Süden geflogen. Diese schwarze Zicke hatte sicher mit einer unüberlegten Aktion alles vermurkst und sie würde ihr notgedrungen helfen müssen. Deshalb hatte sie sich auch nicht sonderlich beeilt. Sollte Vulonvahdin ruhig etwas schmoren.

Als sie dann dort ankam, fand sie eine ebensolche gähnende Leere wie im Norden vor. Toter Stein, aufgeschichtet um einen staubigen Innenhof, in dem sich nicht die kleinste Spur von Leben zeigte. Auch Vulonvahdin war nirgends zu entdecken.
Sollte sie etwa bereits auf dem Rückweg sein?
Maariizzul verwarf den Gedanken schnell wieder. Sie traute ihrer aufmüpfigen Dienerin ja einiges zu, doch ihrer Mutter unter die Augen zu treten ohne Maariizzul an ihrer Seite zu haben, würde auch sie nicht wagen.
Stocksauer suchte sie die ganze Insel ab, dann die nächste und noch eine. Die Nacht verging und ihr war es inzwischen egal, ob die Krecken sie sahen oder nicht. Fast hoffte sie schon auf einen Angriff, um sich einen dieser Schleimlinge schnappen und ihn verhören zu können. Doch nichts geschah.
Gegen Mittag des nächsten Tages machte sie sich hungrig und durstig und vor allem erfolglos auf den weiten Weg nach Akavir.

Noch Jahrzehnte später erzählten sich die Bewohner des späteren Hammerfell Schauergeschichten über einen goldenen Drachen, der in rasender Wut ganze Landstriche ausgelöscht hatte ...


Kleines Wörterbuch Drachisch – Deutsch

Lokheim = Himmelsschmiede
Keizaal = Himmelsrand
Joorre = Sterblicher (auch abwertend gemeint)
WULD = Wirbelwind (Geschwindigkeit verleihendes Wort der Drachensprache)
Dov = Drachen
Monahven = Hals der Welt
Kaaz = Katze / Khajiit
Kulaas = Prinzessin
Sahqo Strunmah = Roter Berg
YOL TOOR SHUL = Feueratem
Kel = Schriftrolle der Alten

Starring:
Kestkood = Sturm im Schnee; grauweißer Frostdrache
Vulonvahdin = Nachtmädchen; nachtschwarzer Schlangendrache; Kestkoods Gefährtin
Sotwuld = Weißer Wirbelwind; schneeweißer Frostdrache (männlich)
Sahqonviing = Purpurflügel; weibl. Blutdrache; grün-violett gefärbt
Hahnusul = Traumtag oder: Tagträumer; etwas behäbiger männlicher brauner Drache (Feuer)

In Dwiinkro = Meister Stahlzauberer; Verehrter Drache; orangerot
Britfrinah = Wunderschöne heiße Jägerin; roter Drache; Alduins Gefährtin
Maariizzul = Schreckliche Eisstimme; goldfarbener Drache; Alduins Tochter
Viinturoth = Glänzender Hammer der Wut
Paazyuvonkiir = Holdes Goldkind; Maariizzuls Kindername
Odahviing = Geflügelter Schneejäger; Britfrinahs Verwalter
Ada’Soon Dir-Kamal = König der Schneedämonen (Kamal)
Kar'goor di'gash = Gardehauptmann der Kamal
XhysShan = Herr/Herrin der Hist; größter Baum im Zentrum Argoniens
Paarthurnax = Nach Grausamkeit strebender Fürst; Alduins Feldherr
Durnehviir = Nie sterbender Fluch; Britfrinahs Gefolgsmann
Kaan = Kyne

Moonlord
13.09.2014, 17:50
6. Kaan

Auf dem Monahven:
„Das Heer ist bereit zum Aufbruch, Euer Majestät“, teilte Paarthurnax seinem König mit.
Alduin starrte stumm geradeaus. Mit keiner Regung deutete er an, ob er seinen Heerführer überhaupt wahrgenommen, geschweige denn verstanden hatte.
„Euer Majestät? Das Heer ...“
„Ich weiß, mein Freund.“ Die Antwort war kaum zu verstehen, so leise sprach er mitten in den Raum. Die darauf folgende Stille, in der sich beide nur ansahen, war fast körperlich spürbar. Schließlich straffte sich Alduin, die Starre fiel von ihm ab und hoch aufgerichtet auf seinem Thron wandte er sich Paarthurnax zu: „So sei es. Lasst die Truppen ausrücken! Sammelt euch an den Hängen des Sahqo Strunmah. Beim nächsten Blutmond brechen wir auf nach Akavir. … Ist Viinturoth bereit?“
„Ja, Euer Majestät, er wird wie befohlen von Argonien aus die Südroute nehmen.“
Alduin nickte. „Was sagen die Priester?“
„Dass alles nach Plan verläuft. Das Ritual in Bromjunaar wurde vollzogen. Der Junge ist verschwunden, IHRE Statue noch unverändert. Das bedeutet wohl, dass er SIE noch nicht erreicht hat. Wir müssen warten.“
Wieder nickte Alduin bestätigend. Dann bohrte sich sein Blick in den von Paarthurnax. „Sprecht frei, mein Freund, bin ich meinem Volk ein guter König?“
„Selbstverständlich seid Ihr das! Wie könnte ich daran zweifeln?“
Alduin winkte ab. „Ihr könnt und Ihr werdet.“
„Niemals!“ Sein Heerführer verbeugte sich so tief, dass sein Kopf den Boden vor Alduins Thron berührte. „Ich habe Euch ewige Treue geschworen, mein König. Niemals könnte ich diesen Schwur brechen.“
„Auch das werdet Ihr.“ Die Worte des Königs waren nüchtern, bar jeder Emotion, jeder Anschuldigung. Immer noch schaute er Paarthurnax eindringlich an. „Ich mache Euch keinen Vorwurf, mein Freund. Vieles wird sich ändern, wenn diese Sache vorbei ist. Auch ich werde mich ändern … SIE hat mir einen Blick in die Zukunft gewährt, eine Zukunft, auf die ich nicht stolz sein kann, doch die zu beeinflussen nicht in meiner Macht liegt.“
„SIE verlangt einen Preis?“
„Ja. SIE verlangt immer einen Preis. Ich werde ihn zahlen, denn die Alternative wäre weitaus schlimmer. Unser gesamtes Volk würde vom Antlitz Nirns getilgt werden.“

Oblivion:
Seit drei Tagen irrte er schon durch diese Welt, wobei Kestkood die Zeitspanne nur grob schätzen konnte. Ganz grob, denn hier gab es keine Tageszeiten, oder sie vergingen so langsam, dass es ihm noch nicht aufgefallen war. Weder Sonne noch Monde hatte er zu Gesicht bekommen, kein Hell oder Dunkel am ständig wolkenverhangenen Himmel. Kestkood hatte sich bei seiner Schätzung ganz einfach darauf verlassen, wie oft er hungrig und müde geworden war. Dann hatte er gejagt und geschlafen und seine Suche weiter fortgesetzt.
Ersteres war erstaunlich leicht, denn es gab haufenweise Wild auf den vielen kleinen fliegenden Inseln, welche fast ausnahmslos mit hohem Gras bewachsen waren, dass sich im ständigen Wind wiegte. Die Hirsche, Ziegen und Hasen, ja selbst die gelegentlich anzutreffenden Bären waren halb durchsichtig und schmeckten sonderbar „leicht“, doch sie sättigten ihn, auch wenn er sich nie ganz sicher war, ob er wirklich seinem Körper Nahrung zuführte oder nur seinem Geist die Illusion verschaffte, satt zu sein.
Das mit dem Schlafen stellte sich schon als komplizierter heraus. Kestkood hatte feststellen müssen, dass sich die Welt um ihn herum veränderte während er schlief. Beim ersten mal hatte er sich in einem Gebüsch zur Ruhe gelegt, mitten auf einer weiten Ebene. Aufgewacht war er am Rande eines winzigen Inselchens, von dem er zu allem Überfluss auch noch herunterfiel. Nur sein Flugvermögen hatte ihn vor dem Sturz ins Bodenlose bewahrt. Nein, Kaans Welt war nichts für flügellose Wesen.

Mit diesem Gedanken war er wieder bei seiner Aufgabe. Er dachte zurück an die Audienz beim König, eine Audienz, die Alduin ihm ganz allein gewährt hatte. Welcher Dov in seinem Alter durfte sich dessen schon rühmen?
Schon als sich die Türen zum Audienzsaal für ihn öffneten war er überwältigt gewesen. Er hatte einen riesigen Raum erwartet, ja, aber das? Die Halle war gigantisch, groß genug, um bequem einige Runden fliegend unter der hohen Decke drehen zu können, ohne Angst haben zu müsse, irgendwo anzustoßen. Mächtige, reich verzierte Säulen stützten eine Kuppel aus nachtschwarzem Lavagestein. Darauf abgebildet, und zwar als gemeißelte Reliefs, war ein kompletter Himmel mit den Monden, unzähligen Sternen, für die man matt glimmende Welkyndsteine verwendet hatten, und dicke, Schatten werfende Wolken, die so echt wirkten, als schwebten sie tätsächlich im kräftig blasenden Wind dahin. Kestkood hatte gestaunt, seinen Blick nach oben gerichtet, hatte er Alduin erst bemerkt, als er beinahe über die Schwelle vor dem Thron gestolpert wäre. Voller Schrecken war ihm eingefallen, wo er sich gerade befand … und warum. Doch Alduin hatte ihn nur abwartend angesehen, kein Wort des Tadels ob seines ungebührlichen Auftretens war gefallen. Aber es kam noch besser:
Der große Alduin hatte ihn schließlich gefragt, ob er diese Mission übernehmen wolle. Kestkood hatte sich ungeheuer geehrt gefühlt, so sehr, dass ihm nicht einmal der Gedanke gekommen war, was passiert wäre, wenn er abgelehnt hätte. Wäre dann Viinturoth geschickt worden oder gar Heerführer Paarthurnax?
Er hatte gar nichts gesagt, nur stumm und aufmerksam zugehört, während der König selbst ihm die Aufgabe erklärte.
Die ganze Sache war nicht ungefährlich. Eine Göttin in ihrem Reich aufzusuchen, erforderte Mut und Opferbereitschaft. Zuerst war er nach Bromjunaar geflogen, dem spirituellen Zentrum des Reiches, wo die Priester ein Ritual vorbereitet hatten, welches ihm gestatten sollte, von seiner Welt in Kaans eigene Sphäre zu wechseln. Kestkood war skeptisch gewesen. Nicht wegen der Magie an sich. Magie gehörte zum Leben dazu, jeder Dov beherrschte sie. Feuer, Eis, Telekinese … es war ganz normal. Diese Form von Magie jedoch erzeugte ein starkes Unwohlsein in ihm. Ein Wechsel zwischen den Welten erforderte unglaublich viel Energie und ein Verständnis magischer Vorgänge, das nur wenigen Wesen gegeben war. Sie hatten sich eines Hohepriesters der Krecken bedienen müssen, einer aufgedunsenen Gestalt von abgrundtief schwarzer Aura, welche zusammen mit einem Dutzend Elfenmagier das Ritual vollzogen hatte. Den Tod von fast zweihundert Sklaven, deren Lebensenergie der Krecke benutzte, hatte man wohlweislich vor Kestkood verheimlicht. Auch wenn es nur Menschen gewesen waren, hätte dieser Tribut ihn doch gewaltig schockiert.

Akavir:
„Warum bekomme ich kein eigenes Kommando, Mutter? Selbst Odahviing hast du zum General befördert. Er führt sogar das Zentrum in die Schlacht. Soll er etwa den ganzen Ruhm ernten? Was bleibt dann für mich? Ich habe keine Lust im Palast zu sitzen und zu warten, bis jemand Nachrichten von der Front bringt. Ich will kämpfen!“ Zur Bekräftigung setzte Maariizzul einen der großen Wandbehänge in Brand. Einige Tang-Mo-Sklaven eilten kreischend herbei, um ihn zu löschen, mussten aber jammernd mit ansehen, wie sich die kostbare Stickerei in Asche verwandelte. Maariizzul grinste schadenfroh, dann pustete sie die ganze Affenbande mit einem „FUS RO DAH“ quer durch die Halle und wandte sich wieder Britfrinah zu. „Und? Darf ich?“ Als wäre gar nichts passiert schaute sie ihre Mutter mit großen runden Kinderaugen an. Ein Klimpern mit den Wimpern und sie hatte gewonnen.
„Na gut“, ließ sich Britfrinah überreden, „du bekommst deine Aufgabe.“
„Welche? Den Südflügel? Ja, ich fliege dann nach Argonien und äschere diesen dämlichen Wald ...“
„Nein!“
„Nein? Aber wieso nicht? Die Hist unterstützen doch Alduin und ...“
„Alduin ist immer noch dein Vater! Unser gemeinsames Problem regele ich selbst“, antwortete die Königin fest und ließ ihrer Tochter keine Chance zum Widerspruch. „Du kümmerst dich um jemand anderen.“ Sie grinste bösartig. „Der Name Durnehviir dürfte dir ja noch bekannt sein. Er ist immer noch in Thras und ich werde das Gefühl nicht los, dass er mich gerade verrät … Ich gebe dir fünf Assassinen meiner Garde mit. Ihr fliegt einen großen Bogen über Pyandonea, das ist unauffälliger. Finde Durnehviir und überzeuge ihn davon zurückzukehren oder sorge dafür, dass er uns niemals in die Quere kommen kann. Das schaffst du doch?“
„Natürlich, Mutter, ich breche sofort auf.“

Oblivion:
Immer noch flog er im kräftigen Wind. Inselchen um Inselchen zog unter ihm hinweg, und immer noch hatte er kein Anzeichen dafür entdecken können, wo sich die Göttin vor ihm verbarg. Kaan spielte mit ihm, das war Kestkood klar, doch was sollte er dagegen tun? Heute Morgen - wenn es denn Morgen war, was man bei diesen ewig gleichbleibenden Lichtverhältnissen nie so genau sagen konnte – war er einfach auf einer Insel gelandet, hatte sich hingelegt und abgewartet. Vielleicht wollte Kaan ja nicht, dass er sie fand. Vielleicht wollte sie zu ihm kommen.
Zuerst hatte er versucht, die schnell treibenden Wolken zu zählen, dann die über der Wiese tanzenden Schmetterlinge, dann die Grashalme vor seiner Nase. Er hielt nie lange durch. Ohne ein verlässliches Zeitgefühl konnte er auch nicht sagen, wie lange er so dalag und sich langweilte, wo doch seine Mission eigentlich Eile verlangt.
Obwohl … spielte hier Zeit überhaupt eine Rolle? Wie schnell oder langsam wanderte die Sonne über Keizaal, während er in Kaans Sphäre herumirrte? Er konnte nur hoffen, dass die Zeit dort langsamer verging, dass nicht bereits alles verloren war, bevor er SIE nur zu Gesicht bekam.
Gegen Mittag – natürlich wieder nur geschätzt – wurde ihm die Warterei zu viel. Kestkood stieg auf und ließ sich vom Wind treiben. Ob er nun faul herumlag oder flog, schien ja egal zu sein, da konnte er sich auch etwas Bewegung verschaffen.
Er näherte sich einer größeren Insel … einer sehr großen, wie es aussah. Mit etwas Glück gab es hier so etwas wie ein Festland, und wenn das so war, dann würde er darauf Kaans Palast finden. Paläste baute man doch auf dem Festland, oder? Jedenfalls wenn man die Wahl hatte und die Inseln dafür zu klein waren und … 'Was denke ich da nur?', schoss ihm gerade durch den Kopf. 'Bin ich schon so lange ohne Gesellschaft, dass ich anfange durchzudrehen?' Es wurde wirklich Zeit für ein Ende seiner Mission!
Zum Abendessen gab es Schlammkrabben. Es war der erste Tag, an dem er auf diese Leckerbissen traf und sich freudig darauf stürzte. Sie schmeckten auch genauso wie zu Hause, nur das Knacken der brechenden Panzer zwischen den Zähnen fehlte hier. Na ja, man konnte eben nicht alles haben …
Als er sich nach der Mahlzeit umsah, bemerkte er die dunkle Wolke weit hinten am Horizont. Sie sah nach Regen aus, und obwohl ihm ein Gewitter eigentlich nichts anhaben konnte, nicht mal im Flug, wurde Kestkood doch nicht gern nass. 'Schade, das wird wohl nichts mit dem Nachtlager', dachte er. Wieder schwang er sich in die Luft, diesmal um ein ordentliches Stück aus der Flugbahn der Wolke zu kommen.

Geschätzt zwei Stunden später war sie immer noch da und größer als vorher. Bedrohlich füllte sie einen Großteil des Horizontes aus. Schnell kam sie auf ihn zu, und das, obgleich der Wind eigentlich in die entgegengesetzte Richtung blies. „Was bin ich nur für ein Idiot?“ entfuhr es ihm, als diese Beobachtung in seinem Verstand ankam. „Das kann keine normale Gewitterwolke sein!“
Als er nach unten sah, zog dort eine Insel vorbei, und mitten darauf thronte ein Felsen, der dem heimatlichen Lokheim zum Verwechseln ähnlich sah.

Nordostküste der Schwarzmarsch:
„Wir sollten nicht hier sein, Kulaas“, bemerkte der Anführer der Gardistentruppe. Maariizzul sah ihn durchdringend an, worauf er seinen Blick senkte. „Ich weiß!“ erwiderte sie dennoch gereizt. „Ich muss nur schnell etwas erledigen, dann fliegen wir weiter. Oder gibt es Einwände?“
Beinahe synchrones Kopfschütteln der Assassinen.
„Gut!“ Sie grinste überlegen. „Ihr könnt das ruhig in den Bericht schreiben. Mein Erfolg wird mir Recht geben … Los jetzt!“
Sie standen nebeneinander am schmalen Strand, das stürmische Meer im Rücken, die Blicke fest auf den Waldrand gerichtet. Trotz ihrer Worte ließ sich Maariizzul Zeit. Ihr Blick galt allein den Bäumen, den Hist, die wie eine gewaltige braun-grüne Mauer vor ihr aufragten. 'Ihr seid Schuld, dass mein eigener Vater sauer auf mich ist! Ihr habt die Prüfung absichtlich sabotiert!' dachte sie, wobei noch immer das überhebliche Grinsen auf ihrem Gesicht lag. Jetzt driftete es in puren Sadismus ab. 'Ich werde euch zeigen, was es heißt, sich mit der Königin der Dov anzulegen!'
Tief holte sie Luft, und dann, als Maariizzul ihren Flügel als Zeichen sinken ließ, ertönte es aus sechs Kehlen gleichzeitig: „YOL TOOR SHUL!“
Eine gigantische Feuerwalze raste auf den Wald zu, äscherte das dürre Gras und die wenigen Sträucher auf seinem Weg augenblicklich ein, traf auf die Stämme, schlug an ihnen empor auf die tiefgrünen Kronen zu und … bewirkte nichts.
Maariizzul blieb das Maul offen stehen.
Hier stimmte doch etwas nicht.
Genau so schnell, wie die Flammen am Waldrand emporgestiegen waren, fielen sie wieder in sich zusammen. Und jetzt konnte sie auch ganz deutlich das schwache grüne Glitzern erkennen, welches den Weg des Feuers begleitete. Eine magische Barriere? Wo, bei allen finsteren Ausgeburten Oblivions, kam die denn schon wieder her?
Die Prinzessin setzte zu einem zweiten Anlauf an. Sie würde sich eben etwas mehr anstrengen müssen. Gut, auch die Hist verfügten über Magie – wusste man ja – aber sie war schwächer als die Macht der Drachen! Einige Anläufe mehr, und sie würde den doofen Wald brennen sehen!
„YOL TOOR SHUL!“ schrien alle gemeinsam.
Wieder raste das Feuer auf die Bäume zu. Wieder traf es auf die seltsame Barriere, doch Maariizzul glaubte zu erkennen, dass das Glitzern diesmal schon etwas schwächer geworden war. Also ein dritter Versuch!
Sie war gerade dabei Luft zu holen, als etwas Merkwürdiges passierte, so merkwürdig, dass sie sich beinahe an ihrem eigenen Atem verschluckt hätte: Die Bäume bewegten sich!
Sie schwankten nicht nur hin und her, wie das jeder Baum bei kräftigem Wind tat – nein – sie rückten auseinander, gaben eine Lücke frei, und dort erschien jemand, mit dem Maariizzul nun wirklich nicht gerechnet hatte.
Ein pummeliger brauner Drache kam langsam auf sie zu.
Hahnusul!
„Was willst du Kröte denn hier?!“ Maariizzul war sauer. Richtig sauer. Nicht nur die Hist waren am miesen Ausgang damals Schuld gewesen. Wenn sich der Dicke nicht geweigert hätte, mit ihr zurückzukehren, dann hätte sie sich die ganze Aktion hier sparen können. Obwohl … wollte sie das überhaupt? Ihr Grinsen kehrte zurück. Das Auftauchen dieser Plage kam ihr doch ganz gelegen, wenn sie richtig darüber nachdachte. So konnte sie gleich beide Probleme mit einem Schlag erledigen.
„Du hast kein Recht, hier zu sein“, schallte ihr eine dunkle, seltsam geschlechtslose Stimme entgegen. Hahnusul hatte den Waldrand erreicht und trat langsam zwischen den Bäumen hervor. Sein Blick richtete sich auf Maariizzul, seine Augen pulsierten in sämtlichen Grüntönen, die sie kannte, und in noch ein paar mehr. Das allein war schon merkwürdig, doch dann registrierte sie, dass Hahnusul beim Sprechen das Maul kein bisschen bewegt hatte.
„Ich habe jedes Recht, dass ich will, Baum!“ antwortete sie. „Argonien ist ein Teil meines Reiches und wird es immer bleiben!“
„Nein!“ XhysShan-Hahnusul schüttelte den Kopf. „Du bist verbannt. Du wirst dem Wald kein Leid antun! Geh, solange du noch kannst!“
'Na, das wird jetzt spaßig.' Maariizzul dachte gar nicht daran, sich dem Befehl eines Baumes zu beugen. Wo käme sie denn da hin? „Wir werden ja sehen, wer hier das letzte Wort hat“, knurrte sie, wobei sie zwei Schritte zurück trat.
Hahnusul folgte ihr.
„YOL TOOR SHUL!“
Die Flammen brandeten über ihn hinweg, trafen auf die grüne Barriere, die nicht nur den Waldrand sondern auch Hahnusul schützte.
„FUS RO!“ Diesmal gehörte die Stimme dem Dicken selbst. Ihre Kraft erwischte Maariizzul frontal und schob sie ein paar weitere Schritte über den schmalen Strand, bis sie Meerwasser unter ihrem Bauch spürte. Hahnusul setzte nach … und ging ihr in die Falle.
„Tötet Ihn!“
Sie hatte auf weiteres Feuer verzichtet. Das würde später kommen. Jetzt galt ihr Befehl den Assassinen, welche sich von zwei Seiten auf den Braunen stürzten, um ihn ganz trivial mit Zähnen und Klauen in Stücke zu reißen.
Zumindest war das der Plan.
„***! Was zum …?“ Zwei der Assassinen hatten Hahnusul beinahe erreicht, als sie mit den Köpfen voran in den Sand krachten. Dicke Wurzeln, die buchstäblich aus dem Nichts erschienen waren, klammerten sich um ihre Körper, schnürten ihre Flügel zusammen, hielten ihre Hälse am Boden fest. Den anderen vier, weiter hinten, erging es ebenso.
Es sah demütigend aus, wie sich der Stolz der Garde im Dreck wand. Nur Maariizzul blieb verschont. Immer noch stand sie bis zum Bauch im Wasser, dort wo die Wurzeln nicht hinreichten.
„Gib auf!“ schallte ihr wieder die dunkle Stimme XhysShans entgegen. „Dein Feuer kann uns nichts anhaben. Gib auf und wir werden das Leben deiner Diener verschonen!“ Zur Bekräftigung zogen sich die Wurzeln ein Stück in den Boden zurück, drückten die Köpfe der Assassinen gnadenlos in den Sand. Noch etwas mehr und sie würden keine Luft bekommen.
Maariizzul sah nur einmal kurz hin.
„Sie haben versagt. An ihren Leben liegt mir nichts“, erwiderte sie flügelzuckend. „Doch du entkommst mir nicht!“ 'Wenn du unempfindlich gegen Feuer bist, dann eben so!' ergänzte sie in Gedanken und änderte ihre Taktik.
„FO KRAH DIIN!“
Wo vorhin noch heiße Flammen ihren Rachen verlassen hatten, schlug jetzt eine Welle aus Kälte zu. Sie nutzte diese Worte so selten, dass die wenigsten wussten, dass Maariizzul sie überhaupt beherrschte. Hahnusul gehörte offenbar nicht dazu.
Der beißende Frost fegte über ihn hinweg. Kurz glühte es grünlich auf, doch die Barriere war gegen Hitze gedacht, das genaue Gegenteil ließ sie augenblicklich in Milliarden winziger Fünkchen zersplittern. Die Worte verloren nur einen Bruchteil ihrer Kraft, bevor sie Hahnusul trafen. Augenblicklich erstarrte er. Das Grün zog sich aus seinen Augen zurück – sehr langsam, wie es Maariizzul erschien. Sie lächelte kalt, „Na? Überrascht?“, und wandte sich wieder dem Waldrand zu: „und jetzt lasst sie frei!“
„Nein! Sie darf nicht gewin...!“
Hahnusuls Aufschrei ging in Maariizzuls nächstem Schrei unter. „FUS RO DAH!“ erklang es nun von ihrer Seite mit der Macht der voll ausgebildeten Stimme. Ihr immer noch halbgefrorener Gegner wurde wegkatapultiert, riss sich mehrfach rückwärts überschlagend eine Schneise in den Wald, an deren Ende er bewusstlos liegenblieb. Die Prinzessin kümmerte sich nicht darum. Da ihr Gefolge immer noch gefangen war, breitete sie die Flügel aus, um aus der Luft – weit weg von der Reichweite irgendwelcher Wurzeln – ihr Vernichtungswerk zu beginnen. Höher und höher stieg sie auf, den Blick geradeaus gerichtet, auf das Herz des Waldes zu, dort, wo XhysShan lebte, den – oder die – sie sich bis zuletzt aufheben würde.

Über dem Padomäischen Ozean:
Unendlich weit erstreckte sich die dunkle Fläche des Ozeans. Beinahe spiegelglatt lag das Wasser unter ihnen wie eine riesige blaugraue Schiefertafel. Die paar Schaumkronen winzigster, von schnell abtauchenden Meereswesen erzeugter Wellen konnte man an den Krallen abzählen, und nur ganz am Rande des Sichtfeldes ragten zwei Inselchen über den schnurgeraden Horizont: Esroniet und Yneslea.
Kein Lufthauch regte sich. Die Sonne hatte sich hinter dichten Regenwolken verborgen, die dem finsteren Farbton des Wassers in nichts nachstanden.
Nur wenig tiefer verharrten sie, zwei weitere wolkenähnliche Gebilde, doch diesmal in allen Farben schillernd. Grün- und Brauntöne überwogen bei weitem, Bronze und Orange gesellten sich dazu, viel Weiß und vereinzelte Sprenkler in Rot oder Schwarz.
Sie bewegten sich. Unzählige starke Schwingen schlugen auf der Stelle, hielten massige Körper in der Luft, deren weiche Bauchseite oft genug durch Rüstungsplatten geschützt war. Runenbedeckte Ringe aus Gold oder Silber schmückten so manche Kralle und glommen mit den gnadenlosen Blicken geschlitzter Echsenaugen um die Wette.
Zwei Heere standen sich gegenüber, sammelten sich für den entscheidenden Schlag. Hier, verborgen vor den Blicken der meisten Lebewesen, würde die Schlacht stattfinden.

Alduin selbst führte seine Streitmacht an. Seine Miene drückte finstere Entschlossenheit aus. Obwohl das Kräfteverhältnis eher etwas zugunsten Akavirs ausschlug, würde er siegen. Er hatte es gesehen, hatte IHRE Vision empfangen und glaubte unerschütterlich daran. Niemand machte Alduin die Macht streitig, selbst seine Gefährtin, die er über tausende von Jahren geliebt hatte, nicht. Sie würde nicht alles zerstören was er sein Leben lang beschützt hatte, und sollte es dafür nötig sein, dass Britfrinah starb – nun, so hatte das Schicksal es so gewollt.
Ein Schatten legte sich auf den Geist des Königs, es hatte begonnen.

„Akavir ist frei! Niemand wird uns mehr vorschreiben, wie wir in unserem eigenen Reich zu herrschen haben!“ Britfrinah flog die Reihen ihrer Untertanen entlang, kreiste über ihnen, um auch dem letzten von ihnen ihre Botschaft zu vermitteln. „Heute werden wir beweisen, dass Akavir seinen Namen nicht umsonst trägt! Ihr seid die Krone der Schöpfung, die stärksten aus dem Volk der Dov! Zeigt es ihnen! Kennt weder Schmerz noch Gnade! Tötet alle bis auf den König, er gehört mir allen!“ Sie schwebte zu ihrem Platz an der Spitze des Heeres, nickte dem neben ihr schwebenden Odahviing zu, holte noch einmal tief Luft: „FÜR AKAVIR!“
Und das Inferno brach los.

Die beiden Heere hielten aufeinander zu. Dicht an dicht, in geschlossener Formation, flogen sie, zuerst stumm, doch das änderte sich schnell. Nur wenige Flügelschläge trennten sie noch voneinander, als die erste Reihe beider Seiten die Rachen aufriss, um dem Gegner die Worte der Macht entgegenzuschmettern. Frost prallte auf Feuer, Druckwelle auf Blitz. Allein der dabei erzeugte Lärm war unbeschreiblich. Fauchend schlugen die Geschosse in die Reihen, stießen einzelne Gegner zurück oder brachten sie dazu, mit steifen Flügeln der Wasserfläche entgegenzutrudeln. Die meisten jedoch fingen sich schnell wieder, stiegen empor und reihten sich erneut ein. Ihre angeborene Resistenz milderte die Wirkung der todbringenden Worte erheblich und wo das nicht half, taten die Runen in den Rüstungen und Ringen ihr Werk.
Drei oder vier Wellen an Schreien ließen die Luft erzittern bevor die Fronten aufeinandertrafen. Der Aufprall war mörderisch. Bis zuletzt dachte keine Seite daran abzudrehen. Mit durchgedrückten Hälsen, die Flügel wie im Sturzflug angelegt, oder auch im allerletzten Moment hoch aufgerichtet, mit vorgestreckten Klauen, krachten sie ineinander, verhakten sich, wirbelten umeinander und schlugen tiefe Schneisen in die gegnerischen Reihen. Was die Magie der Stimme nicht zu leisten vermochte, schaffte die pure Kraft. Knochen splitterten, Flughäute rissen, Hörner brachen ab und ein wahrer Regen aus Schuppenteilchen ging hernieder. Mit einem Schlag hatten sich die Formationen aufgelöst, jeder kämpfte von nun an allein.

„STRUN BAH QO“ schallte Britfrinahs kraftvolle Stimme den düsteren Wolken über ihr entgegen, worauf sie sich mit unglaublicher Geschwindigkeit zusammenzogen. Keine drei Atemzüge später antwortete der Himmel. Ein grellweißer Blitz schoss herab, traf einen schmutziggrauen Krieger Alduins in ihrer Nähe und ließ ihn qualvoll zuckend ins Meer stürzen. Die Königin sah ihm kurz voller Verachtung hinterher, um sich gleich darauf auf den nächsten Gegner zu stürzen. Weitere Blitze folgten, schlugen rechts und links von ihr ein. Auch zwei ihrer eigenen Kämpfer fielen der Naturgewalt zum Opfer. Sie machte keinen Unterschied.
Britfrinah war es egal, sie schaute nicht mal hin. „FO KRAH DIIN“ schrie sie ihrem nächsten Gegner, einem bulligen Blutdrachen mitten ins Gesicht. Die Kälte verwandelte seine Augen sofort in blinde Eisklumpen. Orientierungslos schlug er mit den Schwingen, versuchte seine Heilkräfte zu mobilisieren aber schaffte es nicht. Gnadenlos hackten Britfrinahs armlange Fangzähne nach seinen Flughäuten, trafen ihr Ziel und rissen es bis zum Ansatz auf. Plötzlich seines Flugvermögens beraubt, wurde er unter den triumphierenden Gelächter der Königin ein weiteres Opfer des unersättlichen Meeres.

Auch Alduin führte mit aller Härte seinen Kampf. Flankiert von den besten Soldaten seiner Garde kreiste er hoch oben, direkt unter den Gewitterwolken. Immer wieder stieß er dort hinab, wo seine Kämpfer am stärksten bedrängt wurden, half so gut er konnte und stieg wieder auf. Es war wichtig den Überblick nicht zu verlieren und außerdem suchte er jemanden.
Dann – endlich – sah er sie. Er hatte den Fehler gemacht, sie lange im Zentrum der Schlacht zu suchen, doch da war sie nicht. Statt dessen leuchtete das unverkennbare Rot ihrer Schuppen kurz am äußeren westlichen Rand auf. Alduin genügte dieser Augenblick. „Nach Westen!“ brüllte er seiner Garde zu, dann schlug er bereits die neue Richtung ein.
Blitze zuckten auf einmal auf. Sie waren noch zu weit entfernt, um ihm selbst gefährlich werden zu können. Nichts desto trotz beschleunigte er seinen Flug. 'Sie muss völlig wahnsinnig sein', schoss es ihm durch den Kopf. Er kannte jedes Wort der Macht, wusste um jeden Schrei, seine Vor- und Nachteile. „Sturmruf“ gehörte zu den ganz wenigen, die ausschließlich dann eingesetzt werden durften, wenn man ohne Verbündete kämpfen musste. Das Risiko, seine Freunde zu verletzen, war einfach zu groß. Dass Britfrinah so etwas billigend in Kauf nahm, zeigte ihm einmal mehr, wie sehr er sich in ihr getäuscht hatte.

Die Annäherung blieb nicht unbemerkt. Gerade noch hatte sie gegen einen viel größeren Gegner gekämpft und gewonnen, da drehte sie sich herum und sah Alduin entgegen. Diese Reaktionsschnelligkeit, dieses Talent, auch in schwierigsten Situationen immer den Überblick zu bewahren, hatte er stets an ihr bewundert. Nun ärgerte er sich darüber.

„Sieh mal an, wer mich da beehrt.“ Ihre Stimme war kalt und schneidend wie der Nordwind in Keizaal. Alduin bremste seinen Flug. Auf seinen Wink hin, blieben die Gardisten etwas zurück. Nur er schwebte flügelschlagend vor seiner Gefährtin. Beide starrten sich an.
„Hör auf mit dem Wahnsinn“, begann der König als erster. „Rufe deine Krieger zurück. Ergieb dich und niemand wird mehr zu Schaden kommen.“
Sie lachte nur. „Glaubst du das wirklich? Nein, Akavir wird frei sein. Frei und mächtig. Du bist nicht länger unser Herrscher“, giftete sie. „Wenn du den Krieg beenden willst, dann danke hier und jetzt ab. Setze unsere Tochter auf den Thron. Dann … und nur dann werde ich meine Krieger zurückrufen.“
Alduin schnaubte. „Vergiss es! Mein Rücktritt steht nicht zur Disposition. Maariizzul ist nicht reif für den Thron und das weißt du. Sie würde vieles falsch machen, vieles opfern, was ich in Jahrhunderten geschaffen habe.“
„Vielleicht ist es das ja wert? Vielleicht müssen sich alte Strukturen endlich ändern? Vielleicht ist unser König ja mit der Zeit selbstzufrieden und träge geworden.“ Ihr Grinsen war an Verschlagenheit nicht mehr zu überbieten.
Alduin wollte noch etwas erwidern, doch ihm fehlten einfach die Worte dafür. Es war zu spät. Egal wie der Krieg ausgehen würde, egal was ihm Kaan versprochen hatte, er würde verlieren.
Resignierend wandte er sich ab. „Nehmt sie fest“, waren seine an die Wachen gerichteten Worte. Die Gardisten rückten vor, bildeten einen Halbkreis um Britfrinah. Doch sie dachte gar nicht daran, sich so einfach geschlagen zu geben. „STRUN BAH QO!“ rief sie erneut in den düsteren Himmel. Der erste Blitz schlug im Schädel eines der Gardisten ein und tötete ihn sofort, der zweite verfehlte Alduin selbst nur knapp. Dieser wirbelte herum. „IIZ SLEN NUS!“ war seine Antwort und sie hätte jeden Gegner auf der Stelle paralysiert. Doch Britfrinah war schneller. Ohne das Ergebnis ihres Angriffs abzuwarten hatte sie sich fallen gelassen, war der Meeresoberfläche entgegen gestürzt und jetzt bereits auf dem Weg nach Westen, weg von der Schlacht.
Die anderen folgten ihr sofort, aber durch die immer noch herabzuckenden Blitze war es gefährlich, eine gerade Linie zu fliegen. Mehrmals sandte Alduin seine Stimme den Wolken entgegen, um das Wetter wieder zu beruhiger, doch im Vergleich zu Sturmruf war der Schrei zu schwach. Es dauerte. So bekam Britfrinah einen gehörigen Vorsprung, den sie als ausdauernde Fliegerin auch hielt.
Immer weiter entfernten sie sich von der Schlacht. Alduin wusste sein Heer bei Paarthurnax in guten Krallen. Sein alter Freund würde schon dafür sorgen, dass sich ihre Verluste in engen Grenzen hielten. Britfrinah dagegen überließ es jedem selbst, zu kämpfen wie er es für richtig hielt. Für sie zählten nur eins: mit Alduin im Schlepptau zum Sahqo Strunmah zu gelangen.

Nordostküste der Schwarzmarsch:
„IIZ SLEN NUS!“
Gerade noch voller Vorfreude über ihren kommenden Triumph, klatschte Maariizzul wie ein Stein zu Boden.
'Wer, verflucht noch mal, war das?', dachte sie, während sie darum kämpfte, die Lähmungserscheinungen zu überwinden. Es gelang ihr nicht.
Gleich darauf spürte sie den Wind eines großen landenden Körpers schräg hinter sich. Dumm nur, dass sie weder den Kopf drehen noch etwas sagen konnte.
„Fesselt sie!“ war alles, was sie daraufhin vernahm. Doch es genügte, um an der Stimme zu erkennen, mit wem sie es zu tun bekommen hatte: 'Viinturoth!'

Sahqo Strunmah – Kraterrand:
„Gib endlich auf! Die Zeit deiner Herrschaft ist vorbei.“
Schwer atmend saß Alduin auf dem schmalen Sims. Hinter ihm gähnte der Abgrund, darin leuchtete die düstere Glut geschmolzenen Steins. Etwas weiter abseits, am steilen Nordhang kauerten die beiden letzten Überlebenden seiner Garde. Jeweils zwei pechschwarze Dov hatten sich auf ihre ausgestreckten Flügel gesetzt und hielten sie so am Boden fest – Britfrinahs Assassinen.
„So schweigsam?“ stichelte sie weiter. „Hat es dem großen Alduin die Sprache verschlagen?“
„Dieser Hinterhalt ist selbst unter deiner Würde“, gab Alduin zurück.
Grinsend zog sich ihr Maul in die Breite. „Na also, es geht doch.“ Sie deutete auf mehrere schwarze, rauchende Klumpen an den Hängen des Sahqo Strunmah. „Wärst du etwas entgegenkommender gewesen, dann würden diese da noch leben.“ Wieder wandte sich ihr Kopf ihm zu. „Andererseits … hat es auch Spaß gemacht, sich mal wieder richtig anzustrengen. Bewegungsmangel ist schlecht, nicht wahr? Man wird mit der Zeit so träge, wie … ein altersschwacher König zum Beispiel. Aber das kennst du ja.“
In Alduin kochte es, was Britfrinah sehr wohl bemerkte, und sie genoss ihren Triumph. Wer konnte schon von sich sagen, Alduin besiegt zu haben, auch wenn der Kampf nich gaaanz fair verlaufen war. Doch danach würde später niemand fragen. Es gab nur noch ein Problem.
„Fassen wir zusammen“, fuhr sie fort. „Der König wird abdanken – ganz freiwillig natürlich – und den Thron für seine Tochter frei machen. Sie wird noch etwas Unterstützung benötigen, aber dafür hat sie ja mich. Was hier genau passiert ist, braucht ja niemand zu wissen, oder? Meine Garde ist absolut loyal. Deine dagegen … na ja, war wohl zur falschen Zeit am falschen Ort. … Werft sie in den Krater!“
Ihre Assassinen reagierten prompt. Mit ein paar raschen Bissen auf die Nervenknoten sorgten sie dafür, dass die Gefangenen ihre Flügel nicht bewegen konnten. Schon schleppten sie sie zum Kraterrand.
„HALT!“ Alduin hatte sich genau in dem Augenblick, als sich Britfrinah ihren Häschern zuwandte, in die Luft erhoben. Drohend schwebte er etwas über ihr. Seine Augen leuchteten mit der Glut des Vulkans um die Wette. „LASST SIE FREI!“
Kurz zögerten die Assassinen, die Stimme des Königs zeigte noch ihre Wirkung, doch dann packten sie wieder zu, um den Befehl ihrer Herrin kaltherzig auszuführen.
„FUS RO DAH!“ Die Kraft seiner Worte fegte gleich die ganze Gruppe ein Stück zurück. Er setzte erneut an, als er das Lachen in seinem Rücken hörte.
„Es wäre auch zu leicht gewesen, nicht wahr? Fast schon langweilig.“ Auch sie flog jetzt, schwebte mitten über dem Krater und lachte ihn aus. Und dann richtete sie ihren Blick wieder empor. Alduin ahnte, was jetzt kam, nur diesmal war er schneller.
„LOK MAH GOLZ!“
„STRUN...“ brachte Britfrinah noch heraus, da flogen ihr die ersten Meteoriten um die Ohren.
Wütend fuhr sie herum. Alduin schwebte ruhig eine Flügelspanne vor ihr. Er sah sie an, hoffend, dass sie ihren Fehler einsehen würde, dass vielleicht doch noch alles wieder so wie früher werden würde. Was er sah, überzeugte ihn endgültig davon, dass es kein Zurück mehr gab. Britfrinahs Augen glühten rot vor Hass. Sie war zu weit gegangen, um jetzt noch aufgeben zu können und wollte es auch nicht mehr. Lieber würde sie sterben.
Als sich Alduin langsam abwandte, geschah es. Ein besonders großer Stein traf ihre Schulter, zertrümmerte Knochen und zerfetzte weiterrutschend ihre Flughaut. Sie kreischte auf vor Schmerz und Verzweiflung. Dann fiel sie und der Feuerberg nahm das Opfer an.

Oblivion:
Kestkood stand am Rand des kleinen Plateaus, dort wo sich im Original die Schmiede befand, und wartete. SIE kam. Wahrhaft gigantisch und pechschwarz baute sich die Wolke vor ihm auf. Noch verdeckte sie den ganzen Horizont aber an den Rändern schrumpfte sie bereits, zog sich zusammen, verdichtete sich immer mehr. Schon bald hatte er das Gefühl, etwas Festkörperliches vor sich zu haben, statt eines Gebildes aus wabernder Luft und Schatten, und doch erkannte er nur zu deutlich die Bewegung darin, wie ein schwarzer Wirbelsturm, auf die Größe eines Baumes komprimiert, absolut tödlich und dabei von einer Eleganz, die sämtliche Blicke auf sich zog.
„Du hast lange gebraucht, mich zu finden“, wandte sich die Stimme an ihn. Sie erklang direkt in seinem Kopf, war ruhig und seltsam geschlechtslos, auch wenn man sagte, dass Kaan eine Göttin war. Doch was wusste er schon von den alten Mächten der Welt? Nicht viel, wie er gerade feststellen musste.
„Ich … ich wusste nicht, wonach ich suchen sollte, … Majestät.“
Redete man so eine Göttin an? Er hoffte es.
„So? Was bringen sie euch Kindern heutzutage nur bei?“ Die Stimme klang leicht belustigt, wodurch Kestkood vermutete, mit seiner Anrede richtig gelegen zu haben. Entsprechend mutig fuhr er fort: „Ähm … ich … das hatten wir noch nicht im Lehrplan.“ Er kam sich wie ein Novize im ersten Ausbildungsjahr vor. „Aber ich werde alles nachholen. Versprochen!“
Ein paar weiße Blitze durchzuckten die Wolke. Er wurde das plötzliche Gefühl nicht los, dass sie lachte. Kurz darauf beruhigten sich die Wirbel wieder.
„Aber deshalb bist du nicht hier“, brachte Kaan das Gespräch wieder auf den Punkt. Der Drache schüttelte den Kopf. „Nein, nicht deshalb. Alduin, mein König, hat mich geschickt, um ...“ Er überlegte, wie er es am besten ausdrücken sollte. All die Worte, die er sich in den letzten Tagen für genau diesen Augenblick zurechtgelegt hatte, waren auf einmal wie weggeblasen. Kestkood seufzte. Dann begann er einfach ganz von vorn, erzählte, wie Maariizzul zu ihrer Gruppe gestoßen war, wie die Prüfungen begannen und er einen seiner Freunde nach dem anderen verloren hatte – durch ihre Schuld -, wie er schließlich zum Monahven gerufen worden war und was Alduin ihm aufgetragen hatte. „Bitte, Euer Majestät, helft uns, dass dieser Krieg vermieden wird“, schloss er.
Lange antwortete die Göttin nicht. Nur die wirbelnden Schlieren verstärkten sich, wurden noch dunkler. (Ging das überhaupt?)
„Diesen Wunsch kann ich dir nicht erfüllen“, sagte sie dann und Kestkood sah erschrocken auf. „Der Krieg hat bereits begonnen. Du kamst zu spät.“
„Aber...“ Unsägliche Traurigkeit überkam ihn auf einmal. Er hatte versagt! Sein Wissen, wie er die Göttin finden konnte, hatte nicht ausgereicht, um die Katastrophe zu verhindern. Wenn er doch nur schneller gewesen wäre oder aufmerksamer oder ...“
Die Stimme unterbrach ihn erneut: „Dieser Krieg war notwendig für die Veränderung eurer Welt. Auch wenn du rechtzeitig gekommen wärst, wäre er nicht verhindert worden. Dich trifft keine Schuld. Ich beobachte euer Volk schon so lange es existiert, wie mein Bruder Akatosh euch erschuf, wie ihr eure Welt kennenlerntet und sie euch unterwarft. Ihr seid die Krone unserer Schöpfungen, niemand konnte euch widerstehen. Doch in den letzten Jahrtausenden ist eure Entwicklung zum Stillstand gekommen. Keine Feinde bedeuteten keine Herausvorderung für euch. Statt Neues zu suchen habt ihr euch mit dem Erreichten begnügt, wurdet selbstgefällig und träge … jedenfalls die Meisten von euch.
Lange habe ich mich mit Akatosh beraten und nun haben wir eine neue Aufgabe für euch. Euer König wird sie erkennen, wenn der Krieg beendet ist, was schon bald sein wird. Es bleibt nur noch eine Sache zu erledigen.“
Kaum waren Kaans Worte verklungen, da blähte sich die Wolke wieder auf, raste auf Kestkood zu und hüllte ihn ein. Alles wurde schwarz.

Bromjunaar:
„Wohin habt ihr Elfenlutscher mich gebracht? Nehmt mir sofort diese verdammte Augenbinde ab und lasst mich frei! Oder ihr werdet es bereuen! Nein, ihr werdet es sowieso bereuen, ihr … ihr …!“
So langsam fielen Maariizzul keine Schimpfworte mehr ein. Wo hatte es das schon mal gegeben, dass ein Dov, noch dazu eine Kulaas, gefesselt und geknebelt mit verbundenen Augen durch die Gegend geschleppt worden war? Mit dicken Wurzeln der Hist zusammengeschnürt war sie von vier kräftigen, stinkenden Kriegern durch die Luft getragen worden. Stundenlang! Gut, den Knebel hatte sie mit der Zeit einzuäschern geschafft, auch wenn es verdammt auf der Zunge gebrannt hatte, die sich jetzt noch taub anfühlte. Den übrigen Fesseln hatte weder Feuer noch Frost etwas anhaben können und die Augenbinde war so geschickt an ihren Hörnern befestigt, dass sie sich beim besten Willen nicht abstreifen ließ.
Es war so erniedrigend!
Nun lag sie schon seit einer gefühlten Ewigkeit in einer Matschpfütze, da der Schnee unter ihr längst geschmolzen war, und keiner kümmerte sich um sie. Sie hasste das! Sie HASSTE das!!!

Endlich hörte sie Stimmen. Maariizzul unterdrückte mühsam ihren nächsten Tobsuchtsanfall um zu lauschen.
„ … Hahnusul? Wie geht es ihm?“ Das war doch die Stimme dieses Kestkood, wenn sie sich nicht irrte. Eine andere – inzwischen noch mehr gehasste – Stimme antwortete ihm. Viinturoth: „Es tut mir leid, Kestkood, ich weiß es nicht. Die Hist haben ihn wieder zu sich genommen, aber ich denke wir werden ihn wiedersehen … später bestimmt.“
'Scheiß Gefühlsduselei! Von mir aus kann er sich den Hals gebrochen haben.' „Willkommen in meinem bescheidenen Heim“, knurrte Maariizzul den beiden entgegen. „Es ist leider etwas dunkel hier. Kann mir mal jemand den Lappen von den Augen nehmen, bevor ich noch wahnsinnig werde?!“
Sie spürte, dass die beiden vor ihr stehen bleiben und sie ansahen. Leider waren sie nicht allein, eine große Anzahl Wachen folgte ihnen. 'Mist!'

„Keine Magie! Keine Tricks!“, legte Viinturoth fest.
„Schon klar.“
Er nahm ihr die Augenbinde ab und sie blinzelte. Es war nicht sehr hell, sodass sie schnell wieder genug erkennen konnte. Maariizzul lag vor dem Eingang eines Tempels, der in den Berg gemeißelt worden war. Um sie herum standen an die einhundert schwer gerüstete Krieger – grob geschätzt – was jeden Fluchtversuch von vornherein aussichtslos machte. Noch etwas weiter hinten, und nur ganz vereinzelt durch einige Lücke erkennbar, erstreckte sich eine gewaltige Stadt aus grauem Stein. Die Hälfte der Gebäude war überdimensional groß und schien allen möglichen Göttern geweiht zu sein. Es knisterte geradezu vor Magie in der Luft. Es war Bromjunaar, ohne Zweifel.
Maariizzul war noch niemals hier gewesen und legte gerade fest, dass sie, wenn alles vorbei war, auch nur noch einmal hierher kommen würde. Danach würde kein Stein mehr auf dem anderen stehen, soviel stand fest. Doch vorerst …
„Betrete den Tempel!“ erreichte sie Viinturoths Befehl (!). „Du wirst bereits erwartet.“

'Na toll, und wie?' Kaum hatte sie das gedacht, als die Fesseln von ihr abfielen.
Maariizzul wirkte etwas erstaunt, beschloss dann aber mit einem Seitenblick auf die Wachen, sich wie die stolze Prinzessin zu verhalten, die sie ja auch war. Mit Viinturoth und seinen Lakeien würde sie später abrechnen. Erst einmal konnte es nicht schaden, sich anzusehen, wer sie denn da erwartete.

Ihre Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Warum musste man Höhlentempel immer so weit verzweigt anlegen? Und die Gänge so eng, dass sie schon wieder laufen musste? Endlich erreichten sie einen großen Saal, dessen hohe Decke nur von wenigen Stützen gehalten wurde. Der Boden war relativ eben, die Wände grob behauen und ausnahmslos kahl. Alles machte einen gewaltig trostlosen Eindruck. Alles, bis auf … sie schluckte. Was war das?
Genau gegenüber des Eingangs, den jetzt direkt hinter ihr ein heruntergefallenes Eisengitter versperrte, stand ein Blitz. Ja, es hörte sich aberwitzig an, völlig unnatürlich, aber es war so. Ein gleißender blauweißer Blitz war in seiner Bewegung erstarrt, reichte leise knisternd von der Decke und traf in feinen Verästelungen den Boden.
„Knie nieder!“
Die Stimme in ihrem Kopf erschreckte sie nur kurz. Der Anblick war einfach zu skurril. Maariizzul rührte sich nicht.
„KNIE NIEDER!“
Ein stechender Schmerz durchfuhr ihr Hirn, um dem Befehl Nachdruck zu verleihen. Leider bewirkte er genau das Gegenteil.
„Warum?“ knurrte sie den Blitz an. „Wer bist du überhaupt, dass du es wagst, mir befehlen zu wollen?“
Ein weiterer, kräftigerer Stich ließ sie kurz zusammenzucken.
„Lass das! Mir ist übrigens egal, wer du bist. Sag was du von mir willst und ...“
„Ich werde dich richten!“
„Du … WAS? … Hah!“ Hatte sie richtig verstanden? Ein Blitz wollte sie richten? Ein bescheuerter Energiestrahl? Langsam reichte es. „Du willst mich umbringen?“, fragte sie nach – der Form halber.
„Nein. Du hast vieles verdient, aber nicht den Tod. Ich werde ...“
„Dein Pech!“ fiel sie der Stimme ins Wort. Unmittelbar darauf wälzte sich schon ein Flammenmeer auf den Blitz zu. Es flackerte kurz, knisterte lauter, das Feuer erlosch. Mehr passierte nicht.
'Dann eben damit:' „FO KRAH DIIN!“ Die gesamte Höhlenwand vor ihr war plötzlich mit einer Eisschicht überdeckt. Die gesamte Wand HINTER dem Blitz. Dieser knisterte weiter fröhlich vor sich hin.
Maariizzul machte ihr Misserfolg rasend. Sie schnaubte, dass bereits kleine Rauchwölkchen aus ihren Nasenlöchern stiegen. Kein Feuer? Kein Eis? Nun gut, sie erinnerte sich an den Schrei, den ihr ihre Mutter erst kurz vor dem Aufbruch nach Lokheim beigebracht hatte:
„STRUN BAH QO!“
Sekundenlang blieb es still. Dann ertönte ein Lachen in Maariizzuls Kopf, dass sie sich am liebsten die Ohren zugehalten hätte, was natürlich nichts brachte.
„Hast du gerade versucht, in einem geschlossenen Raum die Wolken zu rufen?“ Wieder lachte sie, doch dieses Lachen hatte nichts Fröhliches mehr an sich. Leiser – und gefährlicher – fuhr die Stimme fort: „Hast du geglaubt, mein eigenes Element gegen mich richten zu können?“ … dramatische Pause … „Weißt du überhaupt, wer vor dir steht?“
'Natürlich, ich bin ja nicht doof!', dachte Maariizzul. Allerdings war ihr diese Erkenntnis eben erst gekommen, etwas spät wie sie fand.
„Was willst du, Göttin?“ wiederholte sie ihre Frage von vorhin.
„Was ich will ist nicht von Bedeutung. Was ich tun werde, sollte dich mehr beunruhigen … obwohl es keinen Unterschied macht.“ Die darauffolgende Pause kam Maariizzul ewig vor, doch irgendetwas hinderte sie an einer Antwort. Stumm wartete sie ab, was Kaan als nächstes sagen würde.
Sie erfuhr es sogleich.
„Von alters her habe ich die Seelen derer zu mir genommen, deren Körper zerstört worden sind. Sie sind immer bei mir und wenn ihre Zeit gekommen ist, gebe ich sie frei, auf dass sie wiedergeboren werden. Manchmal jedoch hat es eine Seele nicht verdient, ein neues Leben zu bekommen. Sie ist verdorben, ein Fluch für das eigene Volk. So wie deine. Lange genug habe ich es mit angesehen.
Du hattest die Frechheit, die Stimme, die Macht, welche ich dereinst deinem Volke gab, gegen mich zu richten. Stümperhaft! Jetzt werde ich dir zeigen, wie so etwas aussehen muss.“
Ein Rauschen erfüllte die Luft, Sturm kam auf, obwohl sie sich immer noch in der Höhle befanden, und dann zuckten Blitze von der Decke, unzählige grelle tödliche Entladungen. Sie alle schlugen in Maariizzuls Körper ein, verbrannten ihn, lösten erst ihre goldenen Schuppen auf, dann die Haut darunter, dann das Fleisch. Nur die Knochen blieben zurück, leicht geschwärzt und immer noch von mumifizierten Sehnen zusammengehalten.
Maariizzul bekam jedes Detail mit, fühlte den rasenden Schmerz in jedem sich auflösenden Nerv, warf sich zuckend hin und her und konnte ihrem Schicksal doch nicht entgehen. Halb wahnsinnig, halb bewusstlos lag sie da, als die blitze ihr Werk vollendet hatten und vernahm zum letzten Mal die Stimme der Göttin: „Deine Seele kann nicht geläutert werden. So soll dies deine Strafe sein: Du wirst zum Leben verdammt … in dieser Form! Deine Seele ist für alle Zeit an deine Knochen gebunden und sie wird sich immer erinnern, wie strahlend schön dieser Körper einst war. Erst wenn jemand erscheint, der würdig ist dich im Kampf zu besiegen, werde ich deiner Seele dir Ruhe des ewigen Nichts gewähren.“
Mit diesen Worten löste sich der Blitz auf. Kaan verschwand wieder in ihre eigene Sphäre. Sie hinterließ den tobenden Rest der ehemals schönsten Tochter der Dov und zwei weitere Drachen, die sich geschockt von ihrem Platz am Höhleneingang abwandten.
Noch Stunden später gellten Kestkood Maariizzuls Schreie in den Ohren.


Kleines Wörterbuch Drachisch – Deutsch

Lokheim = Himmelsschmiede
Keizaal = Himmelsrand
Joorre = Sterblicher (auch abwertend gemeint)
WULD = Wirbelwind (Geschwindigkeit verleihendes Wort der Drachensprache)
Dov = Drachen
Monahven = Hals der Welt
Kaaz = Katze / Khajiit
Kulaas = Prinzessin
Sahqo Strunmah = Roter Berg
YOL TOOR SHUL = Feueratem
FUS RO DAH = Unerbittliche Macht (eine Art Kraftstoß)
FO KRAH DIIN= Frostatem
IIZ SLEN NUS = Eisform (entspricht Lähmung)
STRUN BAH QO = Sturmruf
LOK MAH GOLZ = Alduins Meteoritenschwarm-Ruf (eigener Übersetzungsversuch)
Kel = Schriftrolle der Alten

Starring:
Kestkood = Sturm im Schnee; grauweißer Frostdrache
Vulonvahdin = Nachtmädchen; nachtschwarzer Schlangendrache; Kestkoods Gefährtin
Sotwuld = Weißer Wirbelwind; schneeweißer Frostdrache (männlich)
Sahqonviing = Purpurflügel; weibl. Blutdrache; grün-violett gefärbt
Hahnusul = Traumtag oder: Tagträumer; etwas behäbiger männlicher brauner Drache (Feuer)

In Dwiinkro = Meister Stahlzauberer; Verehrter Drache; orangerot
Britfrinah = Wunderschöne heiße Jägerin; roter Drache; Alduins Gefährtin
Maariizzul = Schreckliche Eisstimme; goldfarbener Drache; Alduins Tochter
Viinturoth = Glänzender Hammer der Wut
Paazyuvonkiir = Holdes Goldkind; Maariizzuls Kindername
Odahviing = Geflügelter Schneejäger; Britfrinahs Verwalter
Ada’Soon Dir-Kamal = König der Schneedämonen (Kamal)
Kar'goor di'gash = Gardehauptmann der Kamal
XhysShan = Herr/Herrin der Hist; größter Baum im Zentrum Argoniens
Paarthurnax = Nach Grausamkeit strebender Fürst; Alduins Feldherr
Durnehviir = Nie sterbender Fluch; Britfrinahs Gefolgsmann
Kaan = Kyne

Moonlord
13.09.2014, 17:51
Epilog

Lokheim:
Die Sonne stand hoch am Himmel, Mittag war gerade vorbei. Kestkood hatte mit Meister Dwiinkro die Schmiede verlassen, in die er nach den Ereignissen vor gut drei Monden zurückgekehrt war.
Es war nicht leicht gewesen, wieder zur Tagesordnung überzugehen. Viinturoth hatte ihn von Bromjunaar zurück begleitet - ein Flug, auf dem keiner ein einziges Wort gesprochen hatte – und war dann zum Monahven weitergereist.
Der Krieg war wohl erst einmal vorbei, auch wenn niemand genau sagen wollte, was alles geschehen war. Kestkood brannte vor Neugier, wollte selbst hinauf fliegen, um sich zu erkundigen, doch er konnte nicht. Die Macht der Schmiede selbst schien ihn zurückzuhalten.

„Was meint Ihr, Meister, wie es Hahnusul wohl gehen wird? Viinturoth hatte doch gesagt, dass er von den Hist gerettet wurde … irgendwie.“
„Ganz gut, denke ich.“
Kestkood fuhr herum.
Er traute seinen Augen nicht. In der Tür zur Wohnhöhle stand wirklich und leibhaftig sein nicht mehr ganz so pummeliger Freund und grinste ihn an.
„Wie …?“
„Ich bin heute Vormittag angekommen und wollte dich in der Schmiede nicht stören.“, sagte er nur, immer noch grinsend, bevor sie aufeinander zustürzten und die Flügel umeinander schlugen. Dwiinkro lächelte nur dazu.
„Du musst mir alles erzählen“, begann Kestkood, wurde aber gleich unterbrochen.
„Später“, meinte Dwiinkro und deutete nach Norden. „Schaut!“
Ein Schatten zeichnete sich am Himmel ab, der schnell größer wurde und einen grünlich-violetten Schimmer bekam, die typische Färbung eines Blutdrachen. „Sahqonviing!“
Beide hoben ab, um ihrer Freundin entgegenzufliegen, umkreisten sie glücklich, rempelten sich freundschaftlich im Flug an und kehrten dann zu dritt zur Schmiede zurück.

Bis zum Abend saßen sie gemeinsam vor dem Feuer der Schmiede und erzählten sich ihre Erlebnisse. Sahqonviing deutete auf eine Reihe glänzender Schuppen an ihrem Bauch, die in viel satterem Grün leuchteten als jemals zuvor. „Die Magie der Alten ist gar nicht so übel“, meinte sie. „Noch mal möchte ich das nicht durchmachen müssen, aber sie haben sich wirklich rührend um mich gekümmert und Atmora ist wieder für ein paar Jahrhunderte sicher.“
„Und dann haben sie dich gehen lassen?“ wollte Hahnusul wissen.
„Nein, nicht sofort jedenfalls. Ich glaube, es hängt mit einem Besucher zusammen, aber genaueres hat man mir nicht gesagt.“ …
Auch Hahnusul berichtete ausführlich von den Hist und zeigte ein paar neue Zauber, die er dort gelernt hatte. Dann war wieder Kestkood an der Reihe.
Gerade wollte er von Kaans Reich erzählen, als es geschah:

Grell schoss die Flamme des Schmiedefeuers in die Höhe, überflutete die drei mit warmem Licht und zuckenden Schatten. Alle wandten gebannt ihren Kopf dem Feuer zu und sahen, dass sich inmitten der Flammen das Gesicht einer Frau zeigte. Sie öffnete den Mund und sprach: „Heute sehen wir uns zum letzten Mal. Ich bin gekommen, um euch zu sagen, dass ihr vier die Prüfungen bestanden habt, die für eine andere Person gedacht waren.
Hahnusul, du hast die Weisheit der Hist erfahren, ihre Kraft zu heilen und zu erhalten. Nutze sie wohl.
Sahqonviing, dir wurde ein Teil des Wissens der Alten zuteil, die Macht der Vorhersage. Verwende sie, um dein Volk auf den richtigen Weg zurückzuführen.
Kestkood, du hast bisher noch nichts erhalten. Deshalb gebe ich dir die Kraft der Winde. Mögest du ein großer und vor allem gerechter Krieger werden.“
Die drei sahen sich an, wussten nicht was sie erwidern sollten, so plötzlich und unerwartet war alles gekommen, als Kaan noch einmal den Mund öffnete:
„Ja, ich spüre eure Frage. Ich habe von vier bestandenen Prüfungen gesprochen. … Auch die Seele des kleinen Sotwuld habe ich wieder freigegeben. Seine Belohnung ist ein neues Leben. Er wurde bereits wiedergeboren. Ich denke, ihr werdet ihn erkennen, wenn ihr ihn trefft.“

„Und Vulonvahdin?“
Kaans Gesicht, dass bereits am Verblassen war, kehrte noch einmal zurück. Kestkood sah in die Augen der Göttin und nur er allein hörte ihre Antwort in seinem Kopf: „Kestkood, es tut mir leid. Selbst der Macht einer Göttin sind zuweilen Grenzen gesetzt. Deine Gefährtin weilt an einem Ort, wo nicht einmal ich ihre Seele spüren kann. Sie hat diesen Weg selbst gewählt. Ich kann ihr nicht helfen.“


Kleines Wörterbuch Drachisch – Deutsch

Lokheim = Himmelsschmiede
Keizaal = Himmelsrand
Joorre = Sterblicher (auch abwertend gemeint)
WULD = Wirbelwind (Geschwindigkeit verleihendes Wort der Drachensprache)
Dov = Drachen
Monahven = Hals der Welt
Kaaz = Katze / Khajiit
Kulaas = Prinzessin
Sahqo Strunmah = Roter Berg
YOL TOOR SHUL = Feueratem
FUS RO DAH = Unerbittliche Macht (eine Art Kraftstoß)
FO KRAH DIIN= Frostatem
IIZ SLEN NUS = Eisform (entspricht Lähmung)
STRUN BAH QO = Sturmruf
LOK MAH GOLZ = Alduins Meteoritenschwarm-Ruf (eigener Übersetzungsversuch)
Kel = Schriftrolle der Alten

Starring:
Kestkood = Sturm im Schnee; grauweißer Frostdrache
Vulonvahdin = Nachtmädchen; nachtschwarzer Schlangendrache; Kestkoods Gefährtin
Sotwuld = Weißer Wirbelwind; schneeweißer Frostdrache (männlich)
Sahqonviing = Purpurflügel; weibl. Blutdrache; grün-violett gefärbt
Hahnusul = Traumtag oder: Tagträumer; etwas behäbiger männlicher brauner Drache (Feuer)

In Dwiinkro = Meister Stahlzauberer; Verehrter Drache; orangerot
Britfrinah = Wunderschöne heiße Jägerin; roter Drache; Alduins Gefährtin
Maariizzul = Schreckliche Eisstimme; goldfarbener Drache; Alduins Tochter
Viinturoth = Glänzender Hammer der Wut
Paazyuvonkiir = Holdes Goldkind; Maariizzuls Kindername
Odahviing = Geflügelter Schneejäger; Britfrinahs Verwalter
Ada’Soon Dir-Kamal = König der Schneedämonen (Kamal)
Kar'goor di'gash = Gardehauptmann der Kamal
XhysShan = Herr/Herrin der Hist; größter Baum im Zentrum Argoniens
Paarthurnax = Nach Grausamkeit strebender Fürst; Alduins Feldherr
Durnehviir = Nie sterbender Fluch; Britfrinahs Gefolgsmann
Kaan = Kyne