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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : [Story] Vergebene Hoffnung



Lord Noname
08.03.2014, 22:30
Wichtige Personen:

Kommandant Harald, Kommandant der Garde
Leutnant Bruno
Altmeister Ignatius, Anführer der Magier
Meister Corûn
Meister Thortius
Schüler Aldrun, Schüler Thortius'
Gerold, Anführer der Bergleute
Wilhelm, einfacher Soldat


„Abteilung halt!“, rief der Leutnant.
„Hier ist die richtige Stelle. Hier ist ihre Macht weitaus stärker. Das habe ich seit Jahren nicht mehr gespürt.“, sagte der greise alte Mann. Seine rote Robe wies ihn als ehemaligen Zauberkundigen aus. Seine Gestalt war hoch gewachsen, sein schütteres weißes Haar leuchtete sanft in der untergehenden Sonne. Er wandte sich zum Kommandanten und den durchgeschwitzten Soldaten des alten Reiches um und hob die Arme seitlich an.
„Bei den Göttern, wir haben es geschafft. Unser Ziel ist erreicht und wir werden obsiegen!“
Der Kommandant wandte sich an den Leutnant. „Lassen Sie bitte das Lager herrichten. Wir werden hier nächtigen und morgen werden die Bergleute anfangen, Bodenproben zu nehmen. Ich will dort drüben am Flusslauf zur Rechten und Linken des Lagers je eine Wache und auf der Gegenseite drei weitere. Zusätzlich soll einer der Wachen durch das Lager schreiten und sich um das Feuer kümmern. Wir werden die Wachen zur halben Zeit ablösen. Ich will morgen alle bei bester Tatkraft haben.“
Der Leutnant salutierte und wandte sich den Männern zu. Die Rüstungen waren verschieden. Es waren schwere, glänzende Rüstungen aus Metall, lederne Kluften, leichte aus schwerem Stoff und verschieden farbige. Der Trupp glich nicht den Heeren aus vergangenen Zeiten, vielmehr war es eine Ansammlung heruntergekommener Männer. Sie waren unrasiert, sie waren dreckig, stanken und ihre Gesichter zeugten vom Grauen der vergangenen Jahre. Als der Leutnant den Aufbau des Lagers befahl, hellten sich die Gesichter merklich auf. Die noch schmutzigeren Bergleute freuten sich, denn sie waren die weiten Märsche nicht gewohnt. Selbst die hehren Magier freuten sich, dass sie ihre Salben und Tränke anwenden konnten, um die körperlichen Leiden zu lindern. Die zerschlissenen Roben hingen von den kranken und gebeutelten Schultern herab.
„Meister Ignatius, wir freuen uns ungemein. Selbst die Schüler spüren die Macht der Kristalle. Ich habe mit Bruder Thortius gesprochen. Er glaubt, dass er die Steine nutzbar machen kann. Sein Schüler Aldrun hat bereits einen der Steine nutzbar machen können. Er konnte ein Feuer entzünden.“
„Das klingt gut, mein alter Freund.“, sprach der ehemalige Altmeister. „Wir werden sehen, dass wir mit unserer Suche noch nicht am Ende, jedoch weit vorangekommen sind. Sage den Bergleuten, dass wir unbedingt das Gewölbe mit den Kristallen finden müssen. Es muss hier eine Höhle geben.“
„Wir du wünschst. Ich werde mit Gerold sprechen.“
Der Magier wandte sich um und ging auf den Anführer der Bergleute zu. Dieser erhob sich, da er im Gras ruhte und grüßte den ankommenden Meister der alten Künste.
„Sind wir endlich am Ziel unserer Reise, Meister Corûn? Unsere Füße sind lahm und unsere Buckel wollen die Hacken nicht mehr tragen. Wir wollen zu unseren Familien zurück.“
„Gerold, wir sind am Ziel. Wir haben zusammen vieles erreicht. Wir sind den Titanen entkommen, haben die Meere bezwungen, die Wälder, die Berge. Nun stehen wir hier und müssen die Höhlen finden, in denen unsere letzte Hoffnung schlummert. Morgen werden wir die Gegend genauer erkunden. Wir spüren die Macht, die von den Kristallen ausgeht.“
„Die Macht? Dieser Ort ist schlecht zur Suche nach Höhlen. Ihr habt uns in ein Tal geführt, hier ist Wald, Wasser und kein Stein. Der einzige Weg eine Höhle zu finden, liegt im Boden unter uns. Aber das würde Jahre dauern, bis wir dort auch nur eine große Grotte finden würden. Schaue dich doch mal um.“, der Bergmann zeigte auf die Wiesen, den Wald und den Flusslauf. „Die Berge sind im Westen, hinter uns und im Norden. Hier ist nichts.“
„Ich kann deine und eure Furcht verstehen. Doch hier ist die Lösung. Unter uns, zwischen uns. Nicht weit. Wir werden morgen sehen. Die Nacht bricht ein. Vielleicht finden wir im Wald eine Klippe. Ich kenne die Gegend hier nicht so gut.“
„Dann sollten die Kundschafter suchen. Wir sind keine Waldläufer.“
„Du kennst mich schon seit Jahren, Gerold. Ich verlange von euch nichts, was ihr nicht leisten könnt. Ihr solltet euch zur Ruhe legen. Morgen wird ein harter Tag.“

Die Nacht verlief ruhig und ereignislos.Die Wachen wurden abgelöst und weit entfernt heulten einige Wölfe. Doch die Bergleute waren sehr unruhig. Sie schliefen schlecht und sie wirkten unruhig. Selbst die Beteuerung der starken Soldaten vermochte daran nichts zu ändern.
Als die Sonne am Horizont aufging und ihre sanften, doch kräftigen Strahlen durch den morgendlichen Nebel durchstieß, erhob sich das Lager. Die Feuer wurden geschürt und das Frühstück wurde zubereitet. Etwas altbackenes Brot, etwas überreifen Käse und vertrocknetes Obst war alles, was von den üppigen Vorräten aus Caldera mitgebracht worden war. Zeit zum Jagen war bisher nicht sonderlich verfügbar gewesen, doch jetzt sollten sich die Dinge bestimmt ändern. Der Wald sah gut und dicht aus, da musste etwas zu essen schlummern.
An einem der Feuer saßen der Kommandant und der Altmeister zusammen. Sie aßen ihr karges Mahl. Der Altmeister hatte noch etwas alte Milch, die er hinunterwürgte.
„Das hätten wir uns nie erträumen lassen, was?“, sprach der Kommandant.
„Als ich noch ein Kind war, sagte mein Vater zu mir einst, als der Hunger groß war, wenn der Magen gefüllt ist, dann geht es mir gut. Ich aber glaube es nicht. Diese Milch ist zum Kotzen und das Brot zeigt schon leichten Schimmel.“
„Wann habe ich einen Magier je so sprechen hören?“, lachte der Leutnant.
„Nicht im alten Reich“, stimmte der ehrwürdige Magier mit ein.
Heiter war die Stimmung gewiss nicht, doch ein lockeres Wort vermochte diese zu heben und den Männern das Gefühl der Normalität zu geben. Doch eines konnte nicht gelichtet werden, der immer gegenwärtige dunkle Schleier am Horizont. Es war kein Staub, es war keine Asche. Es war kein Rauch und kein Sand. Das Licht schaffte es einfach nicht durch den beinahe dämonischen Dunst.
„Die Männer werden unruhig, Herr Leutnant“, meldete der Gruppenführer. „Die Nacht war dunkel und der Mond schien auch nicht gerade helle.“
„Mache dir keine Sorgen, Karsten. Wir sind hier, wir sind am Ziel. Alles wird gut.“
„Dieser Spruch ist der letzte Scheiß. Die Tage werden kürzer, die Nächte werden Dunkler. Alles ist am Ende. Es naht.“
„Junger Freund“, begann der Altmeister, „als ich ein junger Bursche deines Alters war, dachte ich auch, dass alles am Ende wäre. Es gab damals einen Krieg der Götter. Es gab nicht viele Helden in den alten Tagen, doch einer, seinen Namen habe ich vergessen, der besiegte das Unheil der alten Tage. Er stellte sich den Horden der Dunkelheit, er besiegte einen Erzdämonen und verbannte diesen in die Unterwelt. Er war ein Mann, wie es keinen zweiten gab. Als Gefangener begann seine Geschichte und als Held kehrte er zurück auf das Festland. Ich war zu dieser Zeit in unserer Hauptstadt, daher kann ich nur sagen, was mir berichtet wurde. Doch dieser Mann war es, der unsere Männer die letzte Hoffnung geschenkt hat, nur so konnten wir die Belagerung durch die Horden unserer Feinde überstehen. Leider ist er im letzten Kampf gefallen und sein Ehrenmal wurde uns durch die Erde genommen. Die Titanen sind nun zurück, es liegt an uns, den nächsten Helden in unseren Reihen zu finden. Ich sah schon viele Männer sterben, ich habe auch unsere Reise nicht vergessen. Ich sehe so vieles in unseren Leuten, dass ich gar nicht sagen kann, dass wir nicht derartige Helden vermissen würden. Glaubt mir, ich sehe viel Potential.“
„Danke, Altmeister Ignatius. Aber ich glaube es dennoch nicht. Wir haben nichts erreicht. Es wird immer schlimmer. Meine ganze Familie ist auf See verschollen!“
„Habe Geduld. Die Macht der Kristalle wird uns das geben, was uns die verschwundenen Götter genommen haben. Die Freiheit, die Macht zu Schaffen. Wir werden die Titanen besiegen und erneut in ihre Verliese sperren!“
„Ich habe den Feuertitanen gesehen. Mein Dorf ist niedergebrannt. Wie sollen wir einer solchen Macht nur widerstehen, geschweige sie vernichten?“
„Habe ein wenig Vertrauen, lieber Freund. Unser Altmeister Ignatius weiß, was wir benötigen.“, sprach Meister Corûn. Er wandte sich an den Leutnant.
„Du solltest die Männer besser im Griff haben. Wäre unser alter Orden noch nicht vernichtet worden, so wären dies die Männer der heiligen Flamme. Wo ist die Inbrunst geblieben, die uns fesselte? Wo ist die Hitze geblieben, die unsere Herzen schürte? Wo ist die Glut, die unsere Feinde verbrannte? Ihr seid unsere Wächter, ihr sollt für die Sicherheit dieser Expedition sorge tragen.“
„Die Männer sind halt unruhig. Wir brauchen diese Steine, wenn möglich sofort. Es reicht doch schon, wenn ihr nur zwei oder drei nutzbar macht, damit die Männer bei der Stange bleiben. Zeigt ihnen ein paar Kunststücke und sie werden euch treu ergeben sein.“
„Kunststücke?“, fuhr Meister Thortius hoch. Doch Meister Corûn unterbrach ihn, „Magie ist zwar eine Kunst, doch die Kunst ist nicht gleich ein Kunststück. Wie würdet ihr Krieger euch fühlen, schimpften wir die Kunst des Krieges ein Kunststück?“
„Bitte verzeiht mir, werte Meister der Künste. Ich...“
„Schon gut, fangt die Männer wieder ein und bringt sie auf Linie. Wir haben noch viel zu tun.“
Der Leutnant machte sich mit dem Gruppenführer auf und machte die Männer klar zur Suche einer Senke. Einige der Bergleute fingen dort an zu graben, wo bereits einige Magier versammelt waren. Der Kommandant blickte auf Ignatius.
„Ist es das alles wert? Wir haben Haus und Hof geopfert, dieses Ziel zu erreichen. Gibt es keine anderen Inseln, kein anderes Land, das weniger gefährlich ist?“
„Doch, aber dorthin will ich mich nicht wagen. Es ist viel zu nah an unserer Bedrohung. Zudem ist dort eine andere Gruppe Magier hin unterwegs. Doch sie verfolgen gänzlich andere Ziele als wir. Sie haben bereits einen eigenen Orden gegründet. Wir hingegen sind vom hohen Rat persönlich beauftragt worden. Ich hoffe, dass in Zwischenzeit nicht allzu viel geschehen ist.“
Das Reich war am Fallen, doch in der Stunde der Not haben die Magier sicherlich die Weisheit und die Kraft zu den Menschen gebracht. Unsere Reise ist schon zu lang, wir sind bereits seit zwei Jahren unterwegs. Wir haben mehr als die Hälfte meiner Männer verloren. Hier müssen wir Recht behalten, sonst ist alle vergebens gewesen.“
„Nicht dieses Mal.“, sprach Ignatius.
„Das sagtest du schon zuvor und das Mal davor. Unsere Vorräte sind aufgebraucht, wir haben nichts mehr von Wert. Die Feuerwaffen sind verloren, die Schilde rissig und die Schwerter stumpf. Wir brauchen einen Schmied, der das gröbste richten kann. Wir brauchen einfach zu viel.“
„Die Magie ist hier so stark, dass ich mich fast so fühle, wie früher. Sie entzieht sich mir zwar noch, jedoch merke ich meine geistige Macht wieder.“
„Uns geht es allen so“, bestätigte Thortius.
„Das will ich hoffen“, sprach der Kommandant eher zu sich selbst, als zu den anderen.

Der Schüler Aldrun stand abseits bei Gerold. Dieser blickte immer wieder in dieselbe Richtung und nickte ab und zu. Sie waren so ins Gespräch vertieft, dass sie das Herannahen des Altmeisters nicht bemerkten. Erst, als dieser ihnen die Hände auf den Rücken legte, zuckten beide zusammen.
„Wie ich sehe, läuft alles so wie es sein sollte.“
„Aber sicher, Altehrwürdiger. Dein Schüler hat mir gezeigt, wo ich zu graben habe. Wenn alles stimmt, wie er sagt, dann haben wir gegen Abend die ersten Steine.“
Aldrun bejahte die stille Frage des Altmeisters mit einem heftigen Nicken. Das Antlitz des Altmeisters erhellte sich ein wenig, dann verblasste es wieder. Er deutete dem Schüler ihm zu folgen und ging auf den Wald zu. Als sie ihn betreten hatten, wandte er sich um.
„Wie kannst du die Macht der Kristalle so klar fühlen? Du bist erst Schüler geworden, als die Magie im Sterben lag. Wieso kannst du mehr fühlen, als jeder Meister?“
„Vielleicht liegt es daran, dass ich noch nicht so mit der alten Magie verbunden war, wie ihr Magier. Es könnte auch das letzte Geschenk der Götter an uns Menschen sein. Vielleicht bin ich solch ein Held, wie du immer erzählst. Meinen Namen kennst du zwar, doch ich kann auch mächtig und stark sein, wenn ich muss.“
„Die Jugend spricht aus dir. Dir fehlt einfach zu viel, als dass du hunderte Männer führen könntest. Es fehlt dir die Gerissenheit, das Feingefühl und die Klugheit das zu tun, was richtig ist.“
„Bist du es denn?“
„Dann wäre ich jetzt nicht hier. Leider gibt es zu viel, was wir noch nicht verstehen. Wir haben noch viel vor uns.“
Sie schritten immer weiter in den dunklen Wald. Die Geräusche der Hacken und Schaufeln, das Stapfen der Soldaten und das Rufen nach ihnen wurde immer leiser.
„Altmeister, wieso führst du mich soweit fort?“
Der Schüler spürte eine Veränderung. Der alte Mann wurde schneller in seinen Bewegungen, er schritt leichter und federnder, als er es je getan hatte seit er ihn kannte. Es wurde kalt und dunkel. Doch die Dunkelheit war nicht durch das dichte Dach der Bäume geschuldet, vielmehr wurde alles Licht dunkler. Als ihm Dämmerte, was geschehen würde und er umzukehren versuchte, fing der Altmeister in einer alten Sprache zu sprechen.
„Nörfi eða Narfi hét jötunn, er byggði í Jötunheimum. Hann átti dóttur, er Nótt hét...“
Der Schüler sprang zurück. Es war dunkel geworden. Fast wie die Nacht, schon konnte er nichts mehr sehen. Etwas packte ihn, etwas zog an ihm. Sein Geist wurde durchlöchert vom Schmerz. Er versuchte zu schreien, doch eine Stimme im Kopf ließ ihn erschaudern.
„Dich nehme ich mir. Dieses Gefäß ist aufgebraucht. Ich brauche es nicht mehr. Da du bald über die Magie verfügen wirst, nehme ich mir dein Leben. Sei mir zu Diensten und du wirst belohnt werden. Die Jungfrauen werden sich für dich opfern, mein Junge. Nimm das, was dir gehört und du wirst herrschen. Gemeinsam werden wir über diese Welt herrschen.“
„Nein, schrie er in die Stille hinein.“
Hatte er geschrien oder hatte er es nur gedacht? Er wusste es nicht mehr. Bis die Stimme sich wieder meldete.
„Ein Geist, der störrisch ist. Ihr Magier bildet euch etwas ein. Aber dafür seit ihr weitaus bessere Quellen der Macht, als die bloßen Bauern und Soldaten. Ich werde dich auskosten bis zum letzten Seelentropfen.“
Da fühlte er es, es schnitt in sein Herz. Er fühlte stechenden Schmerz, ungemeine Pein, Angst, Wut, Hass. Er hasste die Welt, dort wo seine Liebe einst saß, verdorrte der letzte Rest seines Verstandes. Er versuchte panisch der Übernahme zu entgehen, er schleuderte Gedankenblitze hin und her, versuche die alten Sprüche, doch nach und nach verlor er die Reste seines Verstandes. Als nichts mehr zu retten war, erschien der Dämon in Form des Altmeisters in seinem Geist.
„So hast du mich gesehen und so wirst du mich für alle Zeiten sehen. Deine Seele gehört mir.“
In der größten Verzweiflung packte Aldrun seine ganze Kraft und zog am letzten verbliebenen Licht in seinem Geist. Er schuf eine Kammer, ein Verlies und stieß sich samt diesem Fetzen ein. Nicht die ganze Seele sollte dem Dämonen zum Opfer fallen. Als sein Verlies zufiel, erschütterte etwas seinen Geist. Er bekam nichts mehr mit, es wurde dunkel um ihn herum und eine lange Nacht begann.

„Hier sind sie!“, klang es aus der Ferne. Einer der Kundschafter muss sie gefunden haben. Leutnant Bruno rannte so schnell es ging durch den dichten Wald. Er kratzte sich die linke Wange auf und sein Arm prallte gegen einen gebrochenen Ast. Dellen und Schrammen zierten seinen alten Brustharnisch, als er durch das Unterholz brach.
„Was ist hier geschehen?“, entfuhr es ihm.
Die Lichtung glich einem Schlachthaus. Überall war Blut, Eingeweide schlingerten über den Boden und der Altmeister lag ausgeweidet da, wie Vieh auf einer Schlachtbank. Der junge Schüler lag in einer schier unmöglichen Stellung und schien schwer verletzt zu sein. Ihm lief Blut aus Nase, Ohren und dem Mund. Selbst seine Augen schienen zu bluten. Zwei große Wölfe lagen tot am Boden. Ihnen staken mehrere Pfeile der Kundschafter aus den Rücken.
Welch eine schreckliche Kunde, dachte der Leutnant. Wie konnte dies geschehen? Wir sind verloren!
Er befahl den Kundschaftern den leblosen Leib des Schülers zu untersuchen, da dieser noch zu leben schien. Als einer der Männer nickte, durchfuhr dem Leutnant ein Gefühl des Glücks. Es war nicht alles verloren!
Im Lager verbreitete sich die Nachricht vom Tod des Altmeisters wie ein Lauffeuer. Selbst Bergleute, die bereits tief gegraben hatten, gruben schneller, um nicht auch Opfer der wilden Wölfe zu werden.
„Meister Corûn, Altmeister Ignatius ist tot. Dieser Schüler ist schwer verletzt, er braucht dringend Hilfe!“
„Bringt ihn zu meinem Zelt, ich habe noch einige Kräuter zur Heilung. Wir brauchen ihn, er ist der Schüler, der die Kraft der Kristalle am deutlichsten zu spüren vermag.“
Zusammen liefen sie zu dem Zelt und schnell war der leblose Körper so aufgebahrt, dass die Magier sich um ihn kümmern konnten. Als Alchimisten und Heilungskundige konnten sie fast jedes Leben erretten. Zumindest jedes, das noch nicht die Pforte zum Tode überschritten hatte. Dieser Körper war noch stark, in ihm wohnte noch die Kraft der Jugend.
Schnell war ein Trank gemischt und ein Sud eingegeben. Die Verbände wurden aufgelegt und die Heilung begann. Da das Kraut bereits sehr alt war, war die Wirkung des Heiltrank entsprechend schlecht. Doch es reichte aus, um dem Körper wieder Leben einzuhauchen.
„Was ist passiert?“, fragte Aldrun.
„Ein paar Wölfe hat euch überfallen.“
„Und der Altmeister?“, hustete der Verletzte.
„Ich wünschte, ich hätte bessere Neuigkeiten, doch er ist tot.“
„Die Steine!“
„Ruhe dich aus, mache dir nicht zu viele Gedanken. Wir werden dir einen besorgen, wenn wir genügend haben. Vielleicht können wir bereits heute Abend mit der magischen Heilung beginnen.“
Corûn zog sich zurück und überließ es seinem Schüler, den halb Toten zu versorgen. Er beriet sich mit den verbliebenen Magiern. Es waren nicht mehr viele. Meister Thortius, Meister Tyrius und die Schüler Heribert und Roland waren im Lager, die anderen noch im Wald.
„Wir müssen herausfinden, was geschehen ist.“
„Unsere Brüder sind noch im Wald. Doch was die Waldläufer sagen, lässt nicht auf die Wildheit der Wölfe schließen. Es muss etwas anderes gewesen sein. Ein Wesen unheimlicher Macht.“, sagte Thortius.
„Oder einfach die Wölfe“, warf Heribert in den Raum.
Sie sahen sich alle an und verfielen in eine schweigende Diskussion, wie man sie von früheren Magiertreffen her kannte. Sie sahen sich so lange an, dachte so lange über das Problem nach, bis sie alle die selben oder ähnliche Schlussfolgerungen gefunden hatten. Als noch kein Ende in Sicht war, sank die Sonne bereits am Horizont und der erste Bergmann kam mit einem Faustgroßen, grünlich schimmernden Stein heran.
„Ist dies einer der magischen Steine?“
Keiner der Magier antwortete, darum ging er zum Zelt, wo sich der verletzte Schüler und der sich um ihn sorgende Schüler aufhielten.
„Schüler, ist dies einer der magischen Steine? Wir haben ihn gefunden und er leuchtet so wohlig warm.“
„Es ist einer.“, sagte der Verletzte. „Gib ihn mir bitte, ich brauche Heilung. Ich kann ihn benutzen, ich habe schon viele solcher Steine genutzt.“
Der Bergmann gab ihm den Stein.

Als der Verletzte ihn entgegennahm, umhüllte ein grünes Licht den ganzen Körper und die Wunden wurden geheilt. Aus der weiten Ferne riefen die Magier, ihm den Stein zu entreißen, doch es war zu spät, dieses Unheil begann am 10242. Tag des Exitus der Götter.