PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : [Story] Geschichten aus Atmora - Band III



eclipse500
10.10.2013, 06:37
Liebe Leser,

manche Märchen haben ja einen wahren Kern und so ist es vielleicht auch mit dieser (wohlbekannten) Geschichte. Doch lest selbst.


Frieda und die Schwefelhölzchen


Es war der letzte Tag des Jahres und man feierte das Fest des Neuen Lebens. Die Hafenstadt war festlich geschmückt, trotz der beißenden Kälte feierten die Leute ausgelassen. Vielleicht wollten sie einfach mit purer Fröhlichkeit ein wenig Glück für das kommende Jahr erzwingen, wer kann das heute noch sagen…
Frieda ging alleine durch die schneebedeckten Straßen, sie trug nur wenig am Leibe und fror ganz entsetzlich. Ach, wenn doch nur ihre liebe Großmutter noch unter den Lebenden weilen würde, sie hatte immer so wunderbare Geschichten erzählt. Frieda war oft auf ihrem Schoß gesessen und hatte zugehört, wenn sie von früher berichtete. Aus einer Zeit, als sie selbst noch jung gewesen war. Damals war das Land angeblich noch grün und fruchtbar gewesen, doch dann hatte irgendwann der Winter Einzug gehalten und er war nicht mehr fortgegangen. Großmutter, die in jungen Jahren weit herumgekommen war, hatte auch erzählt, daß angeblich damals alle Länder grünten und blühten, das konnte die kleine Frieda schwer glauben, denn sie kannte nur Schnee und Eis.
Ihre Eltern waren arme Tagelöhner, stets schlecht gelaunt und mürrisch und immer ließen sie ihre Mißstimmung an ihrer kleinen Tochter aus. Hätte Frieda nicht ihre Großmutter gehabt, sie wäre längst fortgelaufen. Nun aber, vor wenigen Tagen, da schloß die alte Frau für immer ihre Augen und Frieda weinte bitterlich. Doch sogar in dieser schweren Zeit schickten sie die Eltern hinaus in die Kälte, um Schwefelhölzchen zu verkaufen und so zumindest ein paar Kupferlinge nach Hause zu bringen.
Nun also, während sich die meisten Leute an Feuern wärmten oder in geselligen Runden zu Laute und Trommel ausgelassen tanzten, schlich Frieda bibbernd durch die Stadt. Doch niemand war weit und breit zu sehen, der ihr auch nur ein Schwefelhölzchen hätte abkaufen wollen. Schon senkte sich die Nacht herab, doch nach Hause traute sich Frieda nicht, denn Vater würde sie sicherlich furchtbar anschreien oder gar schlagen, wenn sie keine Münzen vorweisen konnte. Seit zwei Tagen hatte sie nichts gegessen und zu allem Überdruß verlor sie vorhin auch noch ihre einzigen Holzpantoffel. Sie hatte nur kurz eine Rast einlegen wollen, um ihre müden Füße auszuruhen, da war ein streunender Hund vorbeigekommen, der mit einem der Pantoffel im Maul einfach davongerannt war. Als sie nun mit nur einem Holzschuh weitergehumpelt war, rollte ein Fuhrwerk so knapp an ihr vorbei, daß sie vor Schreck zur Seite hüpfte und dabei ihren verbliebenen Pantoffel abstreifte. Als der Wagen weg war, wollte Frieda ihren Schuh wieder holen, doch da sah sie, daß die großen Räder den Pantoffel zerbrochen hatten.
So ging das arme Kind nun barfuß weiter. Am Hafen sah sie große Schiffe liegen, mit denen tapfere Krieger angeblich am nächsten Morgen über das weite Meer fahren wollten zu einem anderen Land jenseits des Horizontes, wo es angeblich blühende Wiesen gab und grüne Wälder und Sommer und Sonnenschein, und wo sie ein neues Leben beginnen wollten, jenseits von Winter, Eis und Schnee.
Niemand war weit und breit zu sehen, da setzte sich Frieda an eine Mole, lehnte sich an einen hölzernen Poller und starrte in den Himmel, wo Masser und Secunda in den schönsten Farben leuchteten. Es war so kalt, daß im Hafenbecken große Eisschollen schwammen und die Hände und Füße des Mädchen schon ganz blau gefroren waren. Ihre Eltern hatten ihr strengstens verboten, auch nur ein einziges Schwefelhölzchen selbst anzuzünden, denn die sollte sie ja verkaufen. Doch nun war die Not Friedas so groß, daß sie sich selbst sagte: ‚Ein Hölzchen will ich anzünden, damit ich nicht gar so friere.’
Und so strich sie mit zitternden Fingern ein Schwefelhölzchen an und das kleine Lichtlein wärmte ihre Finger. Doch was war das? Ihr war, als ob sie am größten und schönsten Kaminfeuer säße, das sie sich vorstellen konnte. Wohlige Wärme breitete sich in Friedas Körper aus, doch da erlosch das kleine Hölzchen. Mit vor Kälte fast schon tauben Fingern strich sie ein neues an, da vermeinte das Mädchen, vor sich die reichhaltigste Festtagstafel zu sehen und die besten gebratenen Speisen riechen zu können. Doch wieder erlosch das Schwefelhölzchen und nur Kälte und der eisige Wind umgaben die arme Frieda. Rasch entzündete sie das nächste Hölzchen und sie sah vor sich einen wunderschön geschmückten Baum des Neuen Lebens stehen, über und über mit bunten Kerzen verziert, die strahlend hell leuchteten. Frieda jauchzte vor Glück und streckte die Ärmchen aus, um den herrlichen Baum zu berühren, doch da erlosch auch dieses Hölzchen. Just in diesem Moment sah sie am Himmel eine Sternschnuppe dahinrasen und im Geiste hörte sie die Stimme ihrer Großmutter, die immer gesagt hatte: ‚Wenn ein Stern herniederfällt, dann stirbt jemand und seine Seele geht ein nach Aetherius.’
Und wieder strich das kleine Mädchen an der Mole ein Hölzchen an, da stand ihre Großmutter vor ihr, schöner und jünger, als sie Frieda je gesehen hatte.
„Großmutter!“, jauchzte das Mädchen, „nimm mich mit!“
„Das kann ich nicht“, erklang da die gütige Stimme der Frau vor ihr, „denn du bist zu Großem auserkoren! Aber ich will eine Weile bei dir bleiben, um dich zu wärmen.“
Frieda wußte, wenn das Schwefelhölzchen ausging, dann würde ihre Großmutter verschwinden, also entzündete sie eines nach dem anderen, um nur ja ihre geliebte Oma nicht wieder zu verlieren.
So verging die Nacht. Am Morgen klirrte der Hall von hunderten Stiefeln im Hafen und eine große Schar Krieger, aber auch viele mutige Familien bemannte die Schiffe, um die Reise zu einem sagenhaften anderen Kontinent namens Tamriel anzutreten, wo es nicht nur Schnee und Eis gab, sondern wo sie sich einen neuen Lebensraum erhofften, den sie besiedeln konnten.
Eine der Frauen, die sich ebenfalls auf diese Reise wagten, sah ein kleines Mädchen mit wunderschönen blonden Locken an einem Poller lehnen, ganz starr, im Schoß ein Bündel abgebrannter Schwefelhölzchen. Schon dachte sie, das arme Kind sei erfroren, doch am fast unmerklichen Zittern erkannte sie, daß noch Leben in ihm war. Aus einer Laune heraus hob die Frau das Kind hoch, wickelte es in eine Decke und nahm es mit an Bord, wo es sich in einer Kabine rasch erholte und von ihrer Großmutter erzählte, die die ganze Nacht bei ihr gewesen sei.
Während der Überfahrt machte sich Frieda auf dem Schiff nützlich, kochte und putzte und eines Tages rief einer der Männer: „Land in Sicht…“

Frieda gelangte mit dem Troß der Siedler aus Atmora an die Küsten eines anderen Kontinents, nachdem sie größer geworden war, zog sie immer weiter, rastlos, wie früher ihre Großmutter. So gelangte sie in ein Land, das ‚Cyrod’ genannt und von Elfenstämmen regiert wurde. Sie lernte einen Bauernjungen kennen, in den sie sich verliebte. Doch die Menschen in Cyrod wurden als Sklaven der Elfen gehalten und auch Frieda und ihr Mann wurden versklavt; sie mußten Frondienste für die Elfenherren leisten. Zuweilen dachte Frieda an die Winternacht im Hafen zurück, wo ihr die geliebte Großmutter erschienen war und gesagt hatte, daß sie zu Großem auserkoren sei. Da hat sie sich wohl geirrt, dachte Frieda dann weiter, denn nun mußte sie für grausame Elfen niedere Dienste verrichten und im Staub vor ihnen kriechen.
Dann merkte Frieda, daß sie ein Kindlein unter dem Herzen trug und als sie damit niederkam, erschien ihr die Großmutter erneut. „Nun ist es vollbracht, du hast getan, wozu du bestimmt warst und ich kann dich mit mir nehmen, dorthin, wo du keine Schmerzen mehr fühlen wirst…“
Und sie umarmte Frieda und führte sie fort aus dieser Welt, hinein ins Licht von Aetherius. Ihr Mann aber weinte sehr um sein geliebtes Weib, doch dann blickte er auf seine Tochter, der Frieda mit ihrem letzten Atemzug das Leben geschenkt hatte, und unter Tränen lächelte er. Der Mann wußte es noch nicht, doch dieses Mädchen sollte das Leben in Cyrod für immer verändern. Später würde man sie ‚Al-Esh’ nennen und in den Geschichtsbüchern würde ihr Name für immer als ‚Heilige Alessia’ verewigt werden…