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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : [Schreibtheorie] Vickys Schreibecke - Die Recherche



eclipse500
05.05.2013, 10:30
Über das richtige Recherchieren gibt es unzählige Bücher, DVDs, Artikel und Threads auf Webseiten. Unterscheiden muß man hierbei, für welchen Zweck man recherchiert. Da es hier im Storyforum nicht um Journalismus, zu erarbeitende wissenschaftliche Abhandlungen für Universitäten o.ä. geht, werde ich mich im Folgenden nur auf die Recherche beschränken, die für Romane und Belletristik-Texte geeignet ist.

Der Sinn der Recherche ist klar: wir wollen möglichst richtige Informationen in unseren Texten verwenden

Da es sehr viele Wege der Recherche gibt, werde ich mal berichten, wie ich das selbst so halte, damit wir einmal gleich ein paar praktische Beispiele haben. Außerdem werde ich versuchen, eine allgemeingültige Ableitung davon herauszuarbeiten. Klingt jetzt alles irgendwie furchtbar theoretisch, laßt uns einfach anfangen…

Zuerst einmal ein ganz wichtiger Punkt, eigentlich genauso wichtig wie die Recherche selbst: übertreibt es nicht mit dem Recherchieren! Das mag jetzt vielleicht ein wenig befremdlich klingen, wo wir uns doch eigentlich mit dem Zusammentragen von richtigen Hintergrundinformationen beschäftigen wollen, aber man kann sich auch leicht in Recherchen verlieren und so vom Hundertsten ins Tausendste kommen, wie ja eine Redensart geht. Hier muß ich mich z.B. sehr oft selbst disziplinieren, wenn ich beim Schreiben wieder mal im Hintergrund 20 Webseiten offen habe, rund um mich riesige Landkarten Tamriels ausgebreitet liegen und ich in aufgeklappten Ordnern verbissen jenen einen Namen eines NPCs aus dem Spiel ‚Morrowind’ suche, der doch damals von Sadrith Mora aus kommend…

Da vergeht schon mal eine halbe Stunde, der Name will sich nicht finden lassen und schlußendlich bin ich völlig aus meinem Schreibduktus herausgerissen. So sollte es nicht sein…

Daher gleich einmal vorweg: Recherche ja, aber am besten ‚blockweise’, genauso wie das Schreiben. Wenn man weiß, daß man beim Schreiben jetzt zu einem Text/einer Passage kommt, wo man Hintergrundwissen benötigt, dann sollte man versuchen, die notwendigen Informationen vor dem Schreiben zusammenzutragen, damit man dann möglichst seinen Schreibfluß nicht unterbrechen muß. Dabei unterscheide ich aber allgemeine und spezielle Informationen.

Allgemeine Informationen beziehen sich, wie der Name schon sagt, auf globale Dinge. Beispiel: Wenn ihr in euren Texten eure Protagonisten oft reisen laßt, dann solltet ihr zumindest eine grobe Vorstellung der Länder bzw. des Kontinents haben, der/die bereist wird/werden. Oftmals genügt hier – wenn wir konkret Tamriel hernehmen – eine Landkarte des Kontinents, wo auch alle topographischen Gegebenheiten erkennbar sind. Denn man kann eben nicht einfach so von Cyrodiil nach Himmelsrand reisen, weil man dazu die Jerall-Berge überqueren muß und der klare Menschenverstand sagt uns, daß dies im Winter z.B. kaum möglich sein wird, weil die wenigen zugänglichen Pässe dann völlig verschneit sind. Wir müssen dies der Authentizität willen berücksichtigen, soll unsere Story ‚stimmig’ sein.

Spezielle Informationen sind dann nötig, wenn wir in unserer Geschichte über Bereiche sprechen möchten, die weder wir noch die Allgemeinheit der Leser so ‚aus dem Handgelenk’ wissen. Beispiel: Gerade in Fantasygeschichten wird sehr oft das Pferd als Fortbewegungsmittel Nummer 1 gewählt. Wir sollten daher eine Minimuminformation über Pferde und das Reiten an sich besitzen. Für die Handlung mag das nicht wichtig sein, aber für das Ambiente schon, denn damit wird die Story in sich einfach stimmig (wie Immersion-Mods für Spiele).
Da ich selbst lange Jahre geritten bin (und hoffentlich bald wieder damit anfange), mußte ich für diesen Teilbereich nichts recherchieren, jemand der von Pferden allerdings keine Ahnung hat, sollte sich zumindest die grundlegendsten Begriffe aneignen, um diese dann im Text richtig zu verwenden.
Wie heißen (grob) die einzelnen Teile des Zaumzeugs/Sattels? Wie die Gangarten der Pferde? Was gilt es beim Reiten zu beachten? Denn ein Pferd ist kein Auto, man kann nicht einfach einsteigen, losfahren und am Zielort wieder den Motor abstellen, aussteigen und weggehen. Der aufmerksame Leser wird wohlwollend bemerken, wenn wir unser Pferd nach einem längeren Ritt ‚trockenreiten’, d.h. vielleicht kurz im Schritt gehen lassen, dann in einem Stall absatteln, womöglich trockenreiben oder kurzfristig eine Decke auflegen, damit sich das Tier nicht erkältet (immerhin kann unser Leben vom Pferd und seiner Gesundheit abhängen!!). Das Tier soll nach einem Ritt getränkt und gefüttert werden und auch Zuneigung von uns erfahren, denn es ist ein Lebewesen und sehr oft unser guter Freund.
All diese Dinge sind für die Handlung an sich völlig nebensächlich, jedoch ein hie und da gekonnt eingestreuter Begriff oder eine oben beschriebene Handlung macht den Text einfach stimmig.

Schreiben wir diese speziellen Informationen, die wir vielleicht im Zuge unserer Texte noch öfters brauchen, in ein separates Dokument, um jederzeit Zugriff darauf zu haben und nicht ständig wieder Webseiten durchsuchen zu müssen.

Dazu gleich noch etwas Wichtiges:

Überfrachten wir die Leserschaft nicht mit Fachbegriffen, auch wenn uns diese bekannt sind! Es interessiert den Leser wenig, wie wir bei unserem Pferd den Kehlriemen mit dem Backenstück und der Trense verbinden und daß wir nur einen Einohrzaum verwenden.
Wir schreiben kein Sachbuch, sondern einen Roman/Fantasygeschichte und allzuviele Fachausdrücke machen einen Text steril und ‚wissenschaftlich’. Das langweilt den Leser.

Zurück zur Recherche. Wir haben also nun herausgearbeitet, daß wir möglichst vor Schreibbeginn die wichtigsten Informationen zusammentragen sollten. Wo und wie recherchieren wir jetzt also?

In der heutigen Zeit haben wir es relativ leicht, denn das Internet beinhaltet eine Fülle an Informationen, die meistens ausreichend sind, um die für unsere Texte nötigen Dinge herauszufinden. Da aber liegt auch schon eine Schwierigkeit begraben: die schiere Menge an Informationen. Wie filtern wir jetzt das heraus, was wir wissen möchten, ohne uns 6 Stunden durch unzählige Webseiten graben zu müssen?

Hier ist ein bißchen gesunder Menschenverstand gefragt. Verzetteln wir uns nicht damit, doch noch jene Seite zu betrachten, um zu verifizieren, daß das, was auf der anderen Seite gestanden hat, auch wirklich richtig ist. Lesen wir nicht 20 Artikel zum gleichen Thema, die alle im Kern dasselbe aussagen. Filtern wir aus einigen wenigen Treffern die für uns wichtigen Informationen heraus, notieren wir sie und lassen wir es gut sein.
Selbstverständlich kann man, wenn man ein besonders interessantes Gebiet entdeckt hat, das uns auch abseits unseres Textes beschäftigt, seinWissen darüber vertiefen und auch ganze Tage mit der Lektüre dieses neuen Themas verbringen. Unterscheiden wir aber zwischen der gezielten Recherche und dem allgemeinen Aufnehmen neuer Informationen.

Speichern wir für uns notwendige einschlägige Webseiten als Favoriten, damit wir sie im Bedarfsfall schnell wieder öffnen können, ohne wieder die gesamte Suchroutine durchlaufen zu müssen. Machen wir bei unseren Favoriten Unterordner, wo wir gezielt Webseiten abspeichern. Denn ich denke, nicht nur bei mir ist die Favoritenleiste ellenlang… Struktur ist auch hier wichtig, damit wir uns nicht unnötig beim Suchen aufhalten müssen.

Ich selbst verwende neben dem Internet sehr wohl auch ‚echte’ Bücher und Nachschlagewerke zu manchen Themen, jedoch ist es so, daß – speziell in unserem Fall – das Internet wohl die meisten benötigten Informationen bietet. (Anders sieht das bei Recherchen aus, die Reporter, Wissenschaftler etc. anstellen müssen; diese Leute müssen sehr wohl auch mal vor Ort gezielt nach Infos suchen, mit Leuten reden, Bibliotheken aufsuchen etc.)

Obwohl ich eingangs erwähnt habe, daß man am besten vor Schreibbeginn recherchiert, so empfiehlt es sich doch, beim Schreiben die gerade besprochenen einschlägigen Webseiten im Hintergrund geöffnet zu haben, um im Bedarfsfall rasch den einen oder anderen Begriff nachzuschlagen und den Schreibfluß möglichst nur kurz unterbrechen zu müssen.

Zum Abschluß möchte ich noch auf ein Schreibprogramm hinweisen, das speziell für Autoren entwickelt worden ist, wobei ich mir selbst stark die Anschaffung desselben überlege. Es heißt ‚Scrivener’ und ist nicht gerade günstig, jedoch hat es viele Features, die einfach wahnsinnig praktisch sind. Zu viele, um sie hier aufzuzählen, macht euch über untenstehenden Link einfach selbst ein Bild. Einer der Punkte ist auch die sehr praktische Möglichkeit, direkt aus dem Programm heraus online zu recherchieren, deshalb habe ich das jetzt hier erwähnt. Selbstverständlich muß ich zugeben, daß ‚Scrivener’ eigentlich nur dann Sinn macht, wenn man wirklich regelmäßig längere Texte oder Bücher schreibt. Für meine Zwecke scheint es jedoch wie geschaffen zu sein.

http://www.literatureandlatte.com/scrivener.php?show=intro


So, soweit einmal meine Gedanken zum Thema Recherche. Wie seht ihr das? Macht ihr das ganz anders, habt ihr eigene Techniken, um an Infos zu kommen? Findet ihr es überhaupt wichtig, zu recherchieren? Reden wir darüber…