Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Homophobie im Reggae
Anarchist
06.08.2011, 18:45
Hey,
Vielleicht ist einigen ja bekannt dass in vielen jamaikanischen Reggae-acts eine gewisse Homophobie vorherrscht, was mit der Einstellung von den meisten hier wohl hoffentlich unvereinbar ist. Allerdings ist ein reines Verurteilen ohne die Hintergründe zu kennen, doch recht kurzsichtig. Deshalb wird das Thema kontrovers diskutiert.
Hier z.B. ein TAZ Artikel: http://www.taz.de/!44469/
Hier ein Interview mit Gentleman zu dem Thema: http://www.taz.de/!50795/
Ich will zunächst mal gar nicht viel dazu sagen, sondern einfach eure Meinung und Verhaltensweisen dazu hören. Speziell die von homosexuellen zu dem Thema würde mich interressieren. Würdet ihr Interpreten wie Sizzla direkt boykottieren? Versucht ihr das Ganze von einer anderen Ebene zu betrachten und zu verstehen, oder fühlt ihr euch persönlich angegriffen? Oder doch was ganz anderes?
langsam fängt das thema an zu langweilen. irgendwie. im hip hop siehts auch nicht besser aus. §wink
Ich habe Artikel und Interview bereits vor einer Weile gelesen und es hat mich ganz schön zum Kopfschütteln gebracht. Gentlemans aussagen triefen nur so vor Verblendung und Ignoranz - anstatt die Probleme aufzuarbeiten, und eine strukturell homophobe Musikrichtung, und zwar von ihren Wurzeln im Rastafari an, hat zweifelsohne Probleme, übt sich die Reggea-Szene einfach im Achselzucken. Schade drum.
"Ich bin mit Sizzla befreundet - klar bin ich gegen Homophobie, aber hey - soll er halt singen solche Leute anzuzünden und sollen im Jamaica halt Homosexuelle gejagt werden wie Tiere. Ist mir am Ende dann halt auch egal, hauptsache, das Thema kommt nicht so auf den Tisch. Ich will ja weiterhin meine Platten an die ganzen Studenten in Deutschland loswerden."
russenglatze
06.08.2011, 18:56
Da das meiste eh auf englisch ist und ich da nicht viel verstehe ist es mir ehrlich gesagt egal. Wenn mir das lied gefällt, hör ich es mir einfach an. In Ordnung find ich es aber nicht, deswegen stört es mich auch nicht das die alben von diesem sizzla verboten sind.
Es birgt schon eine gewisse Ironie dass ausgerechnet ein Neger gegen eine Minderheit hetzt. §ugly
Es birgt schon eine gewisse Ironie dass ausgerechnet ein Neger gegen eine Minderheit hetzt. §ugly
Ich bezweifle sehr stark, dass Sizzla in seinem Heimatland zu einer Minderheit gehört.
Im Dancehall ist es ja sogar noch heftiger als im Reggae.
Wichtig ist meiner Meinung nach aufjedenfall, dass man darüber aufgeklärt ist, dass es diese Songs gibt. Das ist in dem bereich glaube ich viel weniger bekannt, als beispielsweise bei rechtsradikalem Liedgut.
Kenne auch viele der Homophoben Künstler, Sizzla, Elephant Man, Bunji Garlin, usw.
Hören kann ich sie trotzdem, auch die offen schwulenfeindlichen Song. "Fire Fi Dem" habe ich ne zeitlang sehr gern gehört. Solange man sich dessen bewusst ist, die Aussage nicht unterstützt, und solche Künstler nicht finaziell unterstützt, sehe ich da nicht soviel Probleme.
Ich bezweifle sehr stark, dass Sizzla in seinem Heimatland zu einer Minderheit gehört.
Auf Konzerten in Berlin auf jeden Fall.
Anarchist
06.08.2011, 19:04
Ich habe Artikel und Interview bereits vor einer Weile gelesen und es hat mich ganz schön zum Kopfschütteln gebracht. Gentlemans aussagen triefen nur so vor Verblendung und Ignoranz - anstatt die Probleme aufzuarbeiten, und eine strukturell homophobe Musikrichtung, und zwar von ihren Wurzeln im Rastafari an, hat zweifelsohne Probleme, übt sich die Reggea-Szene einfach im Achselzucken. Schade drum.
"Ich bin mit Sizzla befreundet - klar bin ich gegen Homophobie, aber hey - soll er halt singen solche Leute anzuzünden und sollen im Jamaica halt Homosexuelle gejagt werden wie Tiere. Ist mir am Ende dann halt auch egal, hauptsache, das Thema kommt nicht so auf den Tisch. Ich will ja weiterhin meine Platten an die ganzen Studenten in Deutschland loswerden."
Ich finde deine Aussagen aber schon gewissermaßen westlich-arrogant und kulturimperialistisch. Genau wie man einem Indiohäuptling nicht einfach klar machen kann warum er sich der Direktdemokratie beugen sollte, finde ich es auch schwer einem Rastamann das mit der Homophpbie zu erklären. Das ist natürlich etwas anderes als hierzulande.
Ich finde deine Aussagen aber schon gewissermaßen westlich-arrogant und kulturimperialistisch. Genau wie man einem Indiohäuptling nicht einfach klar machen kann warum er sich der Direktdemokratie beugen sollte, finde ich es auch schwer einem Rastamann das mit der Homophpbie zu erklären. Das ist natürlich etwas anderes als hierzulande.
Sicherlich. Jedoch reden wir hier nicht von dem Unterschied zwischen archaischen Urgesellschaften und leidlich funktionierenden politischen Systemen, sondern von Ideologien, die für so manche tödlich enden.
Außerdem wetterte ich auch hauptsächlich gegen die Szene hierzulande, die sich ja so gerne mit liberalen Federn schmückt, aber auf der anderen Seite diese - nach ihrem Maßstäben gemessen - ebenfalls nicht akzeptable Einstellung toleriert bzw. in ihren Kreisen ignoriert. Das nenne ich Doppelmoral.
Anarchist
06.08.2011, 19:18
Außerdem wetterte ich auch hauptsächlich gegen die Szene hierzulande, die sich ja so gerne mit liberalen Federn schmückt, aber auf der anderen Seite diese - nach ihrem Maßstäben gemessen - ebenfalls nicht akzeptable Einstellung toleriert bzw. in ihren Kreisen ignoriert. Das nenne ich Doppelmoral.
Den Eindruck dass das toleriert wird hatte ich nie. Ich denke kaum ein westl Reggaehörer würde sagen dass er diese Homophobie cool findet.
Die Frage die sich stellt ist dann nurnoch, was weniger liberal, also restriktiver ist. Interpreten wie Sizzla direkt nach westl. Maßstäben zu verurteilen und evtl. gänzlich zu verbieten, oder eine Hetze gegen Minderheiten hinzunehmen.
Eduarius
06.08.2011, 19:56
Auch wenn Homophobie in einer Kultur verankert sein mag, sollte man dagegen angehen. Die Unterdrückung der Frau war ja schließlich auch mal Bestandteil der unsrigen. Ich würde auf jeden Fall weder seine Konzerte besuchen, noch seine Alben kaufen.
Fletcher
06.08.2011, 22:47
Ich finde deine Aussagen aber schon gewissermaßen westlich-arrogant und kulturimperialistisch. Genau wie man einem Indiohäuptling nicht einfach klar machen kann warum er sich der Direktdemokratie beugen sollte, finde ich es auch schwer einem Rastamann das mit der Homophpbie zu erklären. Das ist natürlich etwas anderes als hierzulande.Und wieso muss man es ihm erklären?
Einfach verurteilen und boykottieren.:dnuhr:
Rechtschaffenheit
06.08.2011, 22:50
Interessiert mich im Nahen Osten nicht, interessiert mich auch auf Jamaika nicht.
Nennt mich westlich arrogant oder Kulturimperialist, aber das ist für mich einfach ein Zeichen von Rückständigkeit. Ich stehe zu den den westlichen Werten von Gleichheit und Freiheit und bin überzeugt, dass früher oder später die ganze Welt diese Haltung als natürliche Sichtweise betrachtet.
in einigen fällen stimme ich nicht mit den gedanken und haltungen von künstlern überein.
das hält mich allerdings nicht immer davon ab ihre werke wahrzunehmen und daran gefallen zu finden.
ich finde zum beispiel roman polanski verachtenswert, weil er ein kinderficker ist, mochte aber tanz der vampire sehr, ich finde schwulenfeindlichkeit alles andere als rühmlich und hör dennoch gelegentlich hip hop in dessen texten ebendiese thematisiert wird und ich könnte vermutlich noch eine reihe weiterer passender beispiele finden.
wichtig für mich ist lediglich zu wissen, wofür jemand mit seiner kunst steht. in den seltensten fällen ist es das, weshalb ich den entsprechenden künstler nicht ausstehen kann und wenn es so wäre, dann würde ich auch seine kunst meiden. sollte also z.b. homophobie die zentrale aussage eines künstlers sein, so würde ich seine musik nicht anhören oder seine filme nicht gucken. andererseits ist mir die weltanschauung des künstlers innerhalb gewisser grenzen offen gesagt scheißegal.
"Where Da Hood at" von DMX hat über 6 Millionen Klicks auf Youtube und war bestimmt schon 1000mal auf MTV zu sehen. Gleich in der ersten Strophe macht DMX seine Meinung gegenüber Schwulen deutlich.
Last I heard, y'all niggaz was havin' sex with the same sex
I show no love to homo thugs
Empty out, reloaded and throw more slugs
How you gonna explain fuckin' a man?
Even if we squashed the beef, I ain't touchin' ya hand
Dem Erfolg des Songs tut das trotzdem keinen Abbruch. Ob das am Männlichkeitskult im Hip-Hop oder an der generellen Schwulenangst der Amerikaner kann ich nicht beantworten. Jedenfalls scheinen Schwule zu polarisieren.
Jedem langhaarigen Kid wird hier erklärt, dass man mit langen Haaren ein Statement setzt, das in den meisten Situationen aneckt, weil man sich gegen die allgemein üblichen (Frisur-)Normen stellt und damit zurecht kommen muss. Auch wenn das nicht immer ein positives Feedback nach sich zieht.
In meinen Augen ist das bei Schwulen nicht anders. Wer sich bewusst gegen allgemein verbreitete Standards stellt, muss damit leben, dass er das Interesse anderer Menschen auf sich zieht, sei es konstruktiver oder destruktiver Natur. Auch wenn das nicht fair klingt..Wär's gerecht, wär's nicht das Leben.
Zudem darf man nicht vergessen, dass Homosexualität erst seit einigen Jahrzehnten (offiziell, nicht in den Köpfen der Menschen) akzeptiert ist. Es wird sicherlich noch viele Jahre dauern, bis sich die Menschen daran gewöhnt haben, dass auch Homosexualität kein Gendefekt, sondern ein Äquivalent zu "unserer" Heterosexualität ist. Als Vergleich: Es hat 400 Jahre gedauert, bis ein Schwarzer erstmals Präsident der Vereinigten Staaten geworden ist - Bei 40 Millionen Farbigen in den USA. Und selbst jetzt gibt es immer noch so viele Rassisten in den USA, dass man ohne Probleme jedem Schweizer zwei bis drei Brieffreunde suchen könnte.
Homosexualität ist lange noch nicht in der gesellschaftlichen Akzeptanz angekommen und hat wohl noch einen langen Weg vor sich. Und bis das so ist, hat man als Schwuler wohl mit Vorurteilen und Ablehnung zu kämpfen, ob man möchte oder nicht.
In Jamaika ist Homosexualität ja auch gesetzlich verboten :dnuhr:
Dalai Zoll
07.08.2011, 10:36
Es birgt schon eine gewisse Ironie dass ausgerechnet ein Neger gegen eine Minderheit hetzt. §ugly
Ich bezweifle sehr stark, dass Sizzla in seinem Heimatland zu einer Minderheit gehört.
Neger war gebräuchlich in den 30ger-40ger Jahren. Vielleicht hättest du da auch ein anderes Wort finden können.
Necrophant
07.08.2011, 10:53
ich find reggae ohnehin ziemlich grausam. grausam auch weil freiheit und peace gepredigt wird, aber nicht für andersdenkende. super. :A
Und wieso muss man es ihm erklären?
Einfach verurteilen und boykottieren.:dnuhr:
verurteilen ist rechtlich nicht möglich, da in jamaika (wie schon gesagt) homosexualität illegal und homophobie geduldet/erwünscht(?) ist.
verurteilen auf moralischer ebene bringt uns nichts, und ihn wirds auch nicht jucken.
wenn man etwas ändern will, muss man die weltanschauung des künstlers der unseren anpassen - und deswegen "muss man es ihm erklären". für ihn ist der schwulenhass so normal wie für uns die toleranz.
Preachan
07.08.2011, 11:09
Ich finde deine Aussagen aber schon gewissermaßen westlich-arrogant und kulturimperialistisch.
Ja, das ist im Endeffekt der wirklich spannende Teil der Sache...
Mit welchem Recht versuchen wir, anderen unser Werte- und Normensystem aufzudrücken? Weil wir recht haben, und die anderen nicht?
Wer definiert das? Immerhin haben "die anderen" aus ihrer Sicht genauso recht. Und sowas wechselt im Laufe der Geschichte, man kann nicht sicher sagen, dass es so wie es jetzt ist quasi festgeschrieben und unabänderlich ist.
Aktuell ist in unserem Kulturkreis Homophobie als schlecht deklariert; das ist noch nicht lange so, und auch noch längst nicht bei allen Leuten hier verinnerlicht. Es gibt auch hier Ressentiments gegen Homosexuelle.
Allerdings ist ihre Lage hier natürlich bedeutend besser als in vielen anderen Ländern; hier wird Homosexualität nicht gesetzlich verfolgt, und offiziell darf man seiner Orientierung wegen nicht diskriminiert werden; Gleichstellung wird angestrebt. Das möchte ich nicht kleinreden, da gab es in den letzten Jahren beachtliche Fortschritte, über die ich froh bin.
Nun bleibt aber die Frage, welche Konsequenz wir nun für Künstler aus einem anderen Kulturkreis ziehen. Schwierig.
Persönlich habe ich das hiesige Werte- und Normensystem verinnerlicht und halte es für gut, ich höre mir homophobe und sexistische Musik nicht an, da ich sowas nicht unterstützen will, und die Musik dann auch nicht wertungsfrei genießen könnte. Das ist meine persönliche Konsequenz.
Ich fürchte, dass Veränderungen an solchen Haltungen schwer von außen aufgezwungen werden können, sondern sich jeweils dort entwickeln müssen. Natürlich kann dieser Prozess unterstützt werden, aber ganz von außen geht einfach nicht. Und es dauert lange. Gesellschaften wandeln sich nicht von heute auf morgen.
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