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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Kategorischer Imperativ



Jonsen.
07.06.2011, 22:31
Hey,
schreibe morgen ne Ethik Klausur und wir sollen was über den kategorischen Imperativ lernen. Ich weiß nur, dass es irgendwas mit Handeln zu tun hat, dass man nur das tun soll, was gut für einen ist. Stimmt das und kann man dazu noch mehr sagen? Wäre gut wenn ihr mir schnell helfen könntet. Finde in meiner Mappe nichts dazu.

juke*
07.06.2011, 22:33
wie war das noch gleich: handle nur so, dass dein handeln zum allgemeinen gesetz werden kann.

ansonsten spuckt dir wikipedia eine ganze wagenladung an informationen zu dem thema entgegen.

Shadowblade
07.06.2011, 22:34
Ist eigentlich der Grundgedanke Kants (Philosoph der Aufklärung)

Lautet in der am häufigsten Variante Handle so, daß die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne.

Und heißt trivial ausgedrückt "Was du nicht willst, was man dir tut, das füg auch keinem andern zu."

Don Cortez
07.06.2011, 22:46
Der Kategorische Imperativ basiert erstmal auf zwei Annahmen: einmal, dass der Mensch die Vernunft (ratio) und die Handelsfreiheit hat. Freies Handeln ist bei Kant allerdings nicht, Handeln nach Lust und Laune, denn das ist determiniertes Handeln, eben gesteuert nach Lust und Laune. Die Voraussetzung ist eben, dass der Mensch vernünftig und frei handeln kann.
Der KI ist so eigentlich erstmal eine "Leerformel" (so hab ich das damals gelernt), die - wie schon gesagt wurde - eben mit einer Handelsmaxime gefüllt werden muss.
Wie weit ihr in der Klausur oder im Thema da jetzt gehen müsst weiß ich nicht, aber Kant füllt selbst diese Formel (später) dann mit dem Satz: Handle so, dass der Mensch (und jedes andere vernünftige Wesen) nie als Mittel sondern stets als Zweck an sich genutzt wird. So hab ich das in Erinnerung, Garantie gibt's keine ;)

Das mit dem "Was ich nicht will, das man mir..." ist mit etwas vorsicht zu genießen, da man damit in Problemfälle kommt wie "Wenn ich will, dass jeder mir auf die Schnauze haut, darf ich das auch bei jedem machen.", und das ist nicht damit gemeint! :p

Shadowblade
07.06.2011, 22:49
Das mit dem "Was ich nicht will, das man mir..." ist mit etwas vorsicht zu genießen, da man damit in Problemfälle kommt wie "Wenn ich will, dass jeder mir auf die Schnauze haut, darf ich das auch bei jedem machen.", und das ist nicht damit gemeint! :p

Das stimmt.
Pass auf, gleich kommt der alte Ewek und haut uns mit einer kurzen, prägnanten aber ausführlichen Beschreibung des kI vom Hocker :(

Nebenbei...
aus der FAQ von Farin Urlaub:
Frage: Wann hast du das erste mal von Kants kategorischem Imperativ gehört? Er scheint dir ja sehr wichtig zu sein. War das eine prägende Zeit für dich?
Farin: Die Zeit mit olle Immanuel? Jau, das war herrlich! Wir liefen durch Königsberg (Keenichsberch, wie der kleine Mann immer sagte) und warfen Wattebällchen nach streunenden Katzen... von Zeit zu Zeit kehrten wir in ein Wirtshaus ein; wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt, hieß es "Vati Preim", nach seinem Besitzer, dem Vater der berühmten Königsberger Schönheit Betti Preim. Ab und zu waren wir natürlich auch nebenan im "Kater Goische", einem jiddischen Lokal, in dem wir uns den ein oder anderen Apfelsaft wohlschmecken ließen beim gepflegten Würfelspiel. Eines Abends nun - die Würfel waren aus mir unerinnerlichen Gründen nirgends aufzutreiben - fingen wir an, Anagramme zu bilden; und Kant gewann: er formte aus den Namen der beiden Gaststätten "kategorische Imperativ", was nicht zu schlagen war.

:dup:

Jonsen.
07.06.2011, 22:57
Okay danke, ich denke das muss reichen. Wollte eh nur Schadensbegrenzung machen. Alles über 5 Punkte ist eh Luxus :D.

Lg :gratz

Sir Ewek Emelot
07.06.2011, 23:07
Ist eigentlich der Grundgedanke Kants (Philosoph der Aufklärung)

Lautet in der am häufigsten Variante Handle so, daß die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne.

Und heißt trivial ausgedrückt "Was du nicht willst, was man dir tut, das füg auch keinem andern zu."

Nein, das heißt es nicht, weil es beim kategorischen Imperativ um die logische oder praktische Konsistenz der Maxime geht, würde man sie als allgemeines Gesetz formulieren. Die goldene Regel hingegen hängt nicht von Konsistenz ab, sondern vom subjektiven Empfinden.
Konsitenz heißt Widerspruchsfreiheit. Es geht also darum, dass die Maxime auch dann nicht in sich widersprüchlich ist, wenn sie allgemeines Gesetz ist.


Der kategorische Imperativ wurde bereits richtig wiedergegeben.

Das Problem, um das es Kant geht, ist die Begründung und Formulierung einer Moral. Moral ist nach Kant dasjenige, was alle Menschen wollen müssen, sofern sie vernünftig sind. Die Idee ist gewissermaßen, sich zu fragen, was man vernünftigerweise wollen sollte. Das, was hierbei heraus kommt, ist ja durch die Vernunft als wollenswert bestimmt. Darum kann man an andere Menschen den Anspruch erheben, dass sie es auch wollen sollen. Die Frage also ist eigentlich: "Was muss ich wollen, um beanspruchen zu können, dass sich auch alle anderen daran halten?" Denn das geschieht ja in der Moral: Man schreibt Handlungsweisen vor. Und damit man das nicht willkürlich macht, nach Lust und Laune, muss man sich eben Rechenschaft über den eigenen Willen ablegen: Habe ich einen Anspruch auf das, was ich gerade von den anderen will? Darf ich die anderen dazu verpflichten? Und umgekehrt: Muss ich das, was der andere von mir will, anerkennen? Bin ich durch den Willen des anderen verpflichtet?
Die Bedingungen für solche allgemeingültigen, objektiv notwendigen Bestimmungen des Willens, sind Gegenstand der kantischen Moral.

Der Gedankengang ist folgender:
Allgemeingültigkeit und Notwendigkeit hat nichts, was bloß empirisch ist, sondern nur das, was a priori bestimmt werden kann. Alle inhaltlichen Bestimmungen des Willens sind aber empirisch und subjektiv abhängig. Z.B. kann man nicht objektiv und allgemeingültig sagen, dass man Menschen heilen will, weil dies von dem empirischen Faktum abhängig ist, dass es Kranke und Verletzte gibt. Es ist denkmöglich, dass es keine Kranken und Verletzten gibt, und dann ist so ein Handlungsgesetz auch unsinnig. Es hat also nur eine bedingte Gültigkeit, und ist in diesem Sinne subjektiv.
Wenn aber alle inhaltlichen und materiellen Bestimmungen des Willens empirisch und damit nicht allgemeingültig sind, dann bleibt nur eine formale Bestimmung des Willens übrig.
(Anmerkung: "Empirisch" bedeutet, dass es von der Erfahrung abhängig ist, und die ergibt sich aus der Situation. Alles empirisch bedingte ist also situationsabhängig und damit nicht allgemeingültig. Es ist nur in den Situationen gültig, in denen es dann empirisch gegeben ist. Dasjenige, was a priori und notwendig gilt, gilt unabhängig der Situation. Es ist das, was in ALLEN möglichen Erfahrungen gilt).
Eine formale Bestimmung eines Willens, der für alle Menschen notwendig ist, kann aber nur die formale Bestimmung als allgemeingültiges Gesetz sein. Daher also die Konklusion: "Handle so, dass der Bestimmungsgrund Deines Willens zugleich das Prinzip eines allgemeingültigen Handlungsgesetzes sein kann!"

"Maxime" ist nach Kant übrigens eine Art von Bestimmungsgrund für den Willen. Kant unterscheidet Maximen als subjektiven Handlungsprinzipien von "praktischen Gesetzen" als objektiven Handlungsprinzipien. Man kann seinen Willen also durch subjektive Gründe bestimmen, wie etwa unseren Neigungen, Trieben, Lüsten, Ambitionen usw., oder eben durch allgemeine Bestimmungsgründe, eben von reiner Vernunft. Dasjenige, was Dich subjektiv zum Handeln treibt, Deinem subjektiven Willen zugrunde liegt, heißt Maxime, und dasjenige, was dem Willen ALLER vernünftigen Wesen zugrunde liegen soll, heißt "praktisches Gesetz" oder "moralisches Gesetz". Der kategorische Imperativ sagt also aus, dass die Grundlage Deines subjektiven Willens mit der Grundlage eines möglichen, allgemeinen Willens übereinstimmen muss.
Es geht also gewissermaßen nicht darum, WAS Du willst. Du darfst jede Frau vögeln, jeden Kuchen vernaschen, jedes Auto besitzen wollen. Sondern es geht darum, WIE Du es willst. Nämlich so, dass Du wollens kannst, dass alle anderen ganz genauso wollen und handeln wie Du.
Beispiel: Das lügenhafte Versprechen: Du kannst natürlich wollen, aus Eigennutz ein lügenhaftes Versprechen abzugeben. Wäre allerdings der subjektive Bestimmungsgrund (also die Maxime) Deines Willens, ein solches Versprechen abzugeben, ein allgemeines Handlungsgesetz, so gäbe es hierbei ein Problem. Denn würden ALLE Menschen immerzu lügenhafte Versprechen abgeben, dann könnte man mit solchen Versprechen nichts mehr erreichen. Niemand würde mehr etwas auf solche Versprechen geben, weil man schnell merken würde, dass man dem nicht trauen kann. Also könnte man nichts damit erreichen, weil der Erfolg des lügenhaften Versprechens ja davon abhängt, dass die andern einem das auch glauben. Also wäre der Bestimmungsgrund des Willens, aus Eigennutz lügenhafte Versprechen abzugeben, dann nicht mehr konsitent (das heißt widerspruchsfrei), wenn man es als allemeines Handlungsgesetz denkt. In Form eines allgemeinen Handlungsgesetzes wäre es in sich widersprüchlich, weil es auf der einen Seite dem Eigennutz durch Täuschung dienen soll, aber zugleich die Möglichkeit der Täuschung aufgehoben ist, da sich dann niemand mehr dadurch täuschen lässt.

Das stimmt.
Pass auf, gleich kommt der alte Ewek und haut uns mit einer kurzen, prägnanten aber ausführlichen Beschreibung des kI vom Hocker :(

Kurz und prägnant...das konnte ich mal. Aber ich habs verlernt.:(

korallenkette
07.06.2011, 23:14
Du solltest Professor werden, Ewek Emelot! :gratz:gratz

Jonsen.
07.06.2011, 23:21
So genau wollt ich's jetzt eig. garnicht wissen. Aber trotzdem danke für deine Mühe :).

Sir Ewek Emelot
07.06.2011, 23:22
Du solltest Professor werden, Ewek Emelot! :gratz:gratz

Danke.:) Und das, obwohl ich doch angeblich ein "glühender Vaterlandsfreund" bin?:(


Übrigens schön ist auch die Begründung, warum wir eigentlich so wollen sollten, wie oben beschrieben. Es ist nämlich so: Wenn ich nicht wollen kann, dass eine bestimmte Handlungsweise ALLGEMEIN so begangen wird, dann will ich damit ALLGEMEIN, dass nicht so gehandelt wird. Dann kann ich aber trotzdem noch Ausnahmen für mich oder meine Freunde wollen oder? Zumindest ab und zu?
Aber was heißt denn "allgemein"? Allgemein bedeutet doch, dass etwas immer gilt, in allen einzelnen Fällen. Es wäre also in sich widersprüchlich, auf der einen Seite ALLGEMEIN zu wollen, dass nicht gestohlen wird, aber dann eben doch FÜR MICH das Stehlen durchaus zu erlauben. Der Clou: Ich KANN natürlich auch so Widersprüchliches wollen. Nur wäre das eben, weil es widersprüchlich ist, auch unvernünftig. Und ein unvernünftiges Wollen kann ich zwar mit Gewalt, List oder durch Überredung durchsetzen, aber ich kann es nicht anderen gegenüber als Anspruch erheben. Ich kann also versuchen, immer für mich selbst Ausnahmen zu machen, aber dann darf ich mich halt nicht wundern, wenn die anderen das nicht besonders gut finden. Es kann eben nicht moralisch sein.
Die Theorie sagt also nicht, dass man nicht auch amoralischen wollen kann. Aber sie begründet, warum das eine Wollen moralisch ist, das andere hingegen nicht. Und dass die Moral ALLGEMEIN sehr wohl von mir gewollt wird, aber eben nicht immer auch im Einzelnen. Aber dieses Allgemeine Wollen ist eben trotzdem MEIN Wollen, womit ich durch meinen eigenen, allgemeinen Willen einen Grund habe, auch im Besonderen keine Ausnahme für mich zu machen.

korallenkette
07.06.2011, 23:50
Danke.:) Und das, obwohl ich doch angeblich ein "glühender Vaterlandsfreund" bin?:(


Übrigens schön ist auch die Begründung, warum wir eigentlich so wollen sollten, wie oben beschrieben. Es ist nämlich so: Wenn ich nicht wollen kann, dass eine bestimmte Handlungsweise ALLGEMEIN so begangen wird, dann will ich damit ALLGEMEIN, dass nicht so gehandelt wird. Dann kann ich aber trotzdem noch Ausnahmen für mich oder meine Freunde wollen oder? Zumindest ab und zu?
Aber was heißt denn "allgemein"? Allgemein bedeutet doch, dass etwas immer gilt, in allen einzelnen Fällen. Es wäre also in sich widersprüchlich, auf der einen Seite ALLGEMEIN zu wollen, dass nicht gestohlen wird, aber dann eben doch FÜR MICH das Stehlen durchaus zu erlauben. Der Clou: Ich KANN natürlich auch so Widersprüchliches wollen. Nur wäre das eben, weil es widersprüchlich ist, auch unvernünftig. Und ein unvernünftiges Wollen kann ich zwar mit Gewalt, List oder durch Überredung durchsetzen, aber ich kann es nicht anderen gegenüber als Anspruch erheben. Ich kann also versuchen, immer für mich selbst Ausnahmen zu machen, aber dann darf ich mich halt nicht wundern, wenn die anderen das nicht besonders gut finden. Es kann eben nicht moralisch sein.
Die Theorie sagt also nicht, dass man nicht auch amoralischen wollen kann. Aber sie begründet, warum das eine Wollen moralisch ist, das andere hingegen nicht. Und dass die Moral ALLGEMEIN sehr wohl von mir gewollt wird, aber eben nicht immer auch im Einzelnen. Aber dieses Allgemeine Wollen ist eben trotzdem MEIN Wollen, womit ich durch meinen eigenen, allgemeinen Willen einen Grund habe, auch im Besonderen keine Ausnahme für mich zu machen.

Du erklärst das echt toll!
Wenn Du hier vorbeikämst, ich bin sicher, wir hätten immer was zu diskutieren :)
Zumal ich zwar auch Philosophie studiert habe und Kant auch liebe, aber ich weiß nicht - ich hätte das nicht so darlegen können.
Ich würde mich gern nochmal richtig darüber unterhalten, inwieweit Moral und Vernunft sich so sehr und so stark gegenseitig bedingen sollen.

Ich selbst war ziemlich schnell von der Diskusethik fasziniert - Diskurs, das unabdingbare Miteinander, Kant hat das so nicht mitgedacht - sein vernünftiger Mensch bezieht zwar das soziale Miteinander in sein Nachdenken ein (klar), denkt aber für sich allein und sieht das nicht als Teil eines Diskures.
Dadurch kommen auch die Grenzen seiner reinen Vernunftsmoral zum Vorschein - beziehungsweise: Vermutlich bleibt diese Moral - so eindrucksvoll sie ist - von den moralischen Entscheidungen im Leben - und dort brauchen wir sie ja - zu weit entfernt.

Vergiss übrigens Knoxens "Glühender Vaterlandsfreund" - er war in Provozierstimmung und lacht immer, wenn ich ihm sage, dass es Dich nicht kalt ließ.
Ich jedenfalls denke in den Sachen, die Du in dem Thread schriebst, genau so wie Du.