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Das kleine Schreibstübchen - #2

  1. #261 Zitieren
    Truhe  Avatar von Salieri
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    Google Plus ist nervig und *)"§$[&}#!
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  2. #262 Zitieren
    Truhe  Avatar von Salieri
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    Stille
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  3. #263 Zitieren
    Kind des Zorns  Avatar von Dares
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    Stille beherrschte den Raum, als der Jarl von Wallfall endlich vortrat.
    "Wir werden diese Schmach nicht ungesühnt lassen. Die Südländer werden nicht ungestraft Flussbrücke angreifen. Wir werden dem Jarl von Jarlshorst in die Schlacht folgen." versprach er dem neu erwählten Obersten Jarl des Nordens. Schon folgte der Jarl von Weidland, dem der fruchtbare Westen des Nordens unterstand.
    "Auch meine Männer stehen zu Eurer Verfügung." sprach er ruhig aus.
    Jarl Halgar von Jarlshorst erhob sich von seinem geschnitzten Thron, der mit Drachen verziert war. Es war kein Jubel erklungen, beim Ruf zu den Waffen, da der Norden sowieso schon immer im Krieg mit den Orkhorden aus dem Norden standen, die dort in den Schwarzen Steppen hausten und immer wieder versuchten gute Beute im Süden zu machen. Halgar stand nun vor seiner gut gefüllten Halle und schwieg lange, bevor er zum Sprechen ansetzte.
    "Ich danke jedem Mann, der für unsere gute und gerechte Sache zur Waffe greift. Aber wir werden nicht alle nach Flussbrücke ziehen. Die Hälfte aller Männer wird in den Städten verbleiben und die Zurückgebliebenen verteidigen. Ich werde auch nicht versprechen, dass ich bis zum letzten Mann kämpfe. Wenn wir Flussbrücke verlieren, dann ist der Krieg vorbei. Auf dem offenen Feld können wir die Truppen des Südens nie schlagen, dafür sind sie zu zahlreich." Diese Ansprache war ungewöhnlich und es brandete wieder kein Jubel auf. Die Männer in der Halle kannten das Problem. Aber sie waren alle mehr oder weniger kampferprobt und kannten das Risiko eines Krieges, der Tod war Teil ihres Lebens. Also herrschte nur eine gedämpfte Atmosphäre, aber irgendwie auch ein gewisser Stolz lag in den Hallen. Ein stiller Stolz der Freien Männer des Nordens.
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  4. #264 Zitieren
    Mies drauf  Avatar von Mr Sulak
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    Seit du geboren warst, gab es keine Ruhe mehr.
    Deine Schreie hielten deine Eltern wach. Und wenn du doch mal geschlafen hast, kam dein Atem leise über deine Lippen, und vielleicht - mit einer nicht einmal allzu kleinen Chance - hast du sogar geschnarcht.
    Und als du älter wurdest, wurde es nicht ruhiger. Du fingst an zu krabbeln, und die ersten Vasen gingen zu Bruch. Kaum dass du den Topf und den Löffel entdeckt hattest, konnte man das Scheppern im ganzen Haus und auch noch bei den Nachbarn hören. Und als man es dir endlich austrieb, fandest du eben etwas anderes, um kräftig für Radau zu sorgen.
    Als du schließlich kein Baby mehr warst, schenkte dir dein Vater ein "erstes Trommel-Set". Du hast noch am selben Tag so sehr darauf herum gehämmert, dass es gleich wieder zu Bruch ging. Deinen Eltern wurde klar, dass du sehr laut durchs Leben gehen würdest.
    Du fingst an, Fußball zu spielen. Du warst gut; nicht der Beste, aber doch gut dabei. Du konntest den Leuten sagen, wo sie hin mussten, damit das Spiel glatt ging, und das tatest du mit lauter Stimme, so laut, dass man dich über den ganzen Platz hören konnte und die Leute zu lachen anfingen. Aber das war dir egal; du wolltest, dass man auf dich hört, wenn du etwas zu sagen hattest, und wenn man es tat, klappte es meistens auch. Du warst ein ruhiger Geselle; aber du warst nicht still.
    Später kamst du vom Schlagzeug ab und holtest dir eine Gitarre. Und obwohl man meinen sollte, dass es jetzt ruhiger werden würde im Haus, hörte man eben statt der Trommel den ganzen Tag das Geklimper deiner Saiten. Und es machte dir Spaß, dazu zu singen und erste kleine Lieder einzustudieren.
    Du kauftest dir einen MP3-Player, und nie wieder musstest du ohne Musik zur Schule, später zur Arbeit gehen.
    Du machtest dir nichts aus einer Freundin, bis du schon 25 Jahre alt warst. Dann fandest du das eine Mädchen, das dich zum Lachen brachte und mindestens genauso laut durch die Welt ging wie du. Ihr wurdet Freunde, später ein Paar, und wenn ihr euch strittet, konnte man euch im ganzen Block hören. Das Gleiche galt, wenn ihr zusammen lachtet.
    Du wurdest älter, aber nicht leiser. Du mochtest es, gehört zu werden, hörtest aber noch lieber anderen zu. Du wolltest immer jemanden um dich haben, oder etwas, und wenn es nur dein uralter MP3-Player war mit der uralten Musik darauf.
    Ihr wurdet Eltern. Jetzt brauchtest du keine Musik mehr. Das Schreien war laut und lange genug.
    Das Alter kam, aber du - du wurdest nicht leiser. Die Jüngeren, vor allem auch deine Kinder, fragten sich, warum du dich genauso verhältst wie einer von ihnen. Und die Älteren fragten sich, woher du nur diese Energie nahmst.
    Du wurdest schwach. Deine Knochen knirschten. Dein Rücken schmerzte. Schritte, die du früher mit Leichtigkeit getan hattest, wurden immer mehr zu einer gerade noch ertragbaren Qual. Aber leiser wurdest du nicht. Deine laute Stimme brüllte jetzt einfach nur öfters Flüche über dein Alter und dein vermaledeites Kreuz, die jeden zum Lachen brachten, weil sie mehr als nur farbenfroh waren.

    Du starbst. Plötzlich. Seelig entschlummert, im Bett. Mit deiner Frau im Arm. Mit einem Lächeln auf den Lippen.

    Und unsere Welt wurde ein kleines bisschen stiller.
    Mr Sulak ist offline

  5. #265 Zitieren
    Deus Avatar von Oparilames
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    Eine Träne fiel hinab in einen dunkeln Teich,
    das Licht verirrte sich in den aufstrebenden Tropfen.
    Nun war sie eins mit einem Fremden, nicht mehr allein.
    Blut folgte ihr seicht.
    Nichts ist zu hören, nur Herzklopfen.
    Allein.
    Ein Schluchzen erklingt,
    die Seele singt,
    ein Herz das Schreit,
    der Tränen Quell macht sich bereit
    Zeit eilt,
    Zeit heilt?
    Zeit bleibt stehen.
    Ein letztes Mal drehen,
    dann lautloses Gleiten,
    die Wellen über einen Körper gleiten.
    die Wellen die Seele befreiten
    Und wieder ist nichts wieder wie es vorher war: allein.
    Oparilames ist offline

  6. #266 Zitieren
    Truhe  Avatar von Salieri
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    Verbrechen: Vergehen und Strafe

    Eine neue Reihe, die unregelmäßig fortgesetzt wird und im Allgemeinen das Thema Verbrechen hat. Bitte beachten, dass "Verbrechen" das Oberthema ist, es hier aber um "Vergehen und Strafe" konkret geht. Wie auch schon bei den sieben Sünden steht es jedem frei eine Geschichte mit verschiedenen Folgen, einzelne Werke, oder natürlich auch einfach gar nichts zu schreiben. Viel Spaß.
    Salieri ist offline

  7. #267 Zitieren
    Truhe  Avatar von Salieri
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    Verlustängste
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  8. #268 Zitieren
    Truhe  Avatar von Salieri
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    Helden
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  9. #269 Zitieren
    Mies drauf  Avatar von Mr Sulak
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    Er war einst ein Held

    Mit fester Absicht, in strahlendem Kleid
    Dahin er schritt, dem Sieg entgegen,
    Und sollte der Sieg fordern seinen Tod,
    Wollt er ihm dumm entgegen treten.

    Es war nicht Tod, was er fand;
    Es war der Sieg allein.
    Die um ihn rum, in seiner Hand,
    Trugen schon bald nur sein Gewand.
    Seinem Wort, und war's reinster Tand,
    Folgten sie blind, ohne Anstand,
    Ohne Gedanken, fast wie Sand,
    Der nicht mehr ist als willenlos.

    Und bald ward allen andren gewiss:
    Dies war nicht aller Held;
    Es durchzog das Volk wie einen Riss:
    Die Höher- und Untergestellt'.

    Und was ein strahlender Sieger war,
    Wurde in nur kurzer Zeit
    Zum Despot, zum Beherrscher gar.
    Vor Habgier und Macht ist niemand gefeit.
    Mr Sulak ist offline

  10. #270 Zitieren
    Truhe  Avatar von Salieri
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    Hexenjagd
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  11. #271 Zitieren
    Mies drauf  Avatar von Mr Sulak
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    Geschwind braust sie dahin,
    Auf Besen reitend, den Wind begleitend,
    Mit geradem Rücken und vielen Kunststücken,
    Mit derben Scherz und herbem Schmerz,
    Mit lieben Augen und süßen Trauben,
    Mit eisernem Blick und viel Geschick,
    Mit lieblicher, doch bestimmender Stimme,
    Und Haken schlagend, die niemand erraten,
    Eilt sie davon und mir entgegen.

    Ich renne, ich laufe,
    Ich japse, ich schnaufe,
    Ich eile geschwind von dannen;
    Doch kann nicht erwarten,
    Muss ständig verzagen,
    Und werde von ihr gefangen.

    Sie schleift mich davon, sie lächelt mich an,
    Und sofort verfalle ich ihrem Bann.
    Ich sehe die spitzen Zähne nicht,
    Die fast schon ragen in mein Gesicht.
    Ich weiß sehr wohl, wie sie sein kann,
    Doch ich bin in ihrem schönen Bann.

    Dann hat sie eine lange Weile Spaß - mit mir.
    Ich weiß, sie kann nur dies eine - und nichts dafür.
    Ich merke, wie es mir schlechter geht,
    Sie merkt, wie ich um mein Leben fleh,
    Und lacht und lacht und lacht so schrill,
    Als dass mein Herz stehn bleiben will.

    Mir geht es so schlecht. Und niemals mehr gut.
    Ich wollt, ich könnte sterben.
    Doch dann - aus dem Nichts - da macht sie mir Mut.
    Mit lieblichen Worten. Mit herben.

    Sie lässt mich frei. Sie lächelt mich an.
    Ich sehe die spitzen Zähne.
    Und ich bin gefangen in ihrem Bann.
    Ich weiß, ich zieh meine Lehre.

    Ich gehe von dannen, und in der Tat -
    Warte auf die nächste Hexenjagd.
    Mr Sulak ist offline

  12. #272 Zitieren
    Truhe  Avatar von Salieri
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    Evolution
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  13. #273 Zitieren
    Mies drauf  Avatar von Mr Sulak
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    Evolution

    Der Kugelhagel hatte aufgehört. Wieder einmal.
    »Verdammte Bastarde«, brummte der Mann, wobei er vorsichtig über die Mauerreste hinüber lugte und sofort wieder seinen Kopf einzog. Zwei, drei Kugeln zischten über ihn hinweg und heulten in die Dunkelheit hinein. Eine streifte seinen verstärkten Helm. Er nahm ihn ab und begutachtete mit einer Mischung aus Sorge und Zufriedenheit die schwarze Schmauchspur, welche das winzige Plasma-Geschoss hinterlassen hatte.
    Sorge, weil es schon wieder so knapp gewesen war, viel zu knapp.
    Und Zufriedenheit, weil zumindest die Ausrüstung von bester Qualität war.
    »Ganz im Gegensatz zu dem verdammten Fraß, den sie uns vorsetzen«, führte er seinen Gedanken zu Ende, strich sich seufzend über den ergrauenden Vollbart und setzte dann den Helm wieder auf.
    Neben ihm saß ein Junge. Er hätte ihn „Jüngling“ genannt, wenn das Wort nicht schon so verdammt alt gewesen wäre. Der Kerl zitterte wie Espenlaub – ha! Noch ein Wort, das es eigentlich nicht mehr gab – und seiner Miene nach zu urteilen, war er kurz davor, sich vor Furcht zu bepissen. »Was?«, fragte er mit schlotternden Zähnen.
    »Der Fraß, Junge! Wann war das letzte Mal, dass du eine vernünftige Mahlzeit bekommen hast, frage ich dich?«
    »Sie wären fast getötet worden, Seargent!«
    »Was? DAS?« Er deutete auf seinen Helm und grunzte mit einem breiten Grinsen, so breit, dass sein Bart in der jetzt vorherrschenden Stille raschelte wie früher das Laub auf den Straßen, wenn der Wind es vor sich her fegte. Wahrscheinlich an einem trüben Herbstabend, wenn die letzten Sonnenstrahlen durch die dunklen Regenwolken drangen und Stadt und Land in ein magisches Licht tauchten, und man sich fragte, ob der Sturm vielleicht doch vorüberziehen mochte oder wenigstens nicht allzu sehr wüten…
    Alte Gedanken aus alten Zeiten und alten Schriften. Er liebte diese alten Bücher. Er sah sie noch immer als etwas Wertvolles an, etwas, das man beschützen sollte. Eines trug er sogar immer bei sich, von einem alten Scherzbold namens Terry Pratchett. „Weiberregiment“ hieß es. Er mochte es sehr. Die Hauptperson, Oliver, erinnerte ihn an seine Frau.
    »Das würde mich nicht umbringen, Junge. Hab zu viele Helme in meinem Leben durchgebracht, als dass ich noch daran glauben würde, dass eine Kugel jemals in meinem Kopf endet. Wird eher eine Granate sein, denke ich, oder eine von diesen hässlichen neuen Waffen, mit denen sie ständig prahlen.«
    »Wie könnt Ihr so ruhig sein, Seargent?!«
    »Eh. Man gewöhnt sich an alles, Kleiner.« Nur nicht an den Tod, fügte er ein wenig bitter hinzu. »Die Schweinehunde lassen uns jedenfalls nicht von hier weg. Wenn die Verstärkung nicht bald kommt, war’s das mit uns.«
    Der Junge nickte und schluckte schwer. Es schien ihn zu trösten oder zu beruhigen oder es ihm irgendwie ertragbarer zu machen, dass der Seargent so ruhig hier saß, direkt hinter der vier Meter dicken, von Einschusslöchern übersäten Mauer, und mit ihm sprach, als wären sie auf einem kleinen Ausflug.
    »Welche Generation bist du, Junge?«
    »Tertius Omega«, erwiderte er prompt und wie auf Kommando.
    »Tertius Omega? Sind das nicht eigentlich… Künstler?«
    »Ja, Seargant«, gab der Soldat zu. »Wollte erleben, wie der Krieg ist, Seargent. Wissen alleine reicht nicht.«
    »Und, gefällt dir der Eindruck?«
    Ein gequältes Grinsen kam zur Antwort. »Nicht wirklich, Seargent.«
    Kein Wunder, dachte sich der Ergraute. Ist nichts mehr übrig von der Welt, die es mal in den Büchern gab. Von den guten, alten Tagen, vor den ganzen schmelzenden Polarkappen und dem geringeren Sauerstoffgehalt und dem Pflanzensterben und dem Staub in der Luft und die ganzen anderen grausamen Naturkatastrophen, die über genau die armen Drecksäcke eingebrochen sind, gegen die sie gerade kämpften.
    Sie schwiegen für eine Weile. Das Warten war das Schlimmste, aber der alte Mann hatte eine Waffe dagegen gefunden. In seinen Gedanken war er schon wieder beim Weiberregiment, und er folgte Oliver – eigentlich Polly, aber um in die Armee eintreten zu können, hatte sie sich als Junge verkleidet – auf Schritt und Tritt durch all den Schlamassel, der ihr widerfuhr. Durch die blühende Welt, in der es noch Wälder gab, die den Namen verdienten. Mit Espenbäumen und Espenlaub.
    »Sarge, warum kämpfen sie gegen uns?«
    Der altgediente Recke schüttelte kurz den Kopf und schaute dann den Jungen an. »Was?«
    »Warum kämpfen sie gegen uns, Sarge? Wir sind doch ihre Nachkommen! Sie sollten einsehen, dass ihre Zeit gekommen ist!«
    Der Mann starrte den Soldaten an, dem dabei sichtlich unwohl wurde. »Ich meine, Sarge, sie haben uns erschaffen, und sie können doch nicht einmal mehr vernünftig hier leben! Warum… sterben sie nicht einfach?«
    Künstler, dachte sich der Seargent. Manchmal frage ich mich, ob sie überhaupt so etwas wie Gefühle haben. »Sie könnten dasselbe von uns verlangen, Kleiner.«
    »Aber wir sind der nächste Schritt! Wir kamen aus den Reagenzgläsern, wir sind besser als sie, besser angepasst, besser in allen Belangen! Sie sollten nicht gegen uns kämpfen! Sie sollten uns einfach Platz machen!«
    Die Augen des Alten verengten sich zu Schlitzen. »Du bist nicht zufällig einer dieser verdammten Evolutionsanhängern, die der Meinung sind, Bücher sind unnötig, weil wir ja alle unsere wunderschönen Gehirnimplantate haben?«
    Der Junge mochte die Hosen gestrichen voll haben, aber er war kein Idiot. »Nein, Sarge!«, antwortete er hastig. Eine Spur zu hastig, um genau zu sein.
    »Oh doch, das bist du. Dann solltest du doch einiges wissen, Kleiner! Sagen dir die Neanderthaler was?«
    »Ähm… prähistorische Menschen, Sarge. Mehr Affen als Menschen.«
    »Gut gemacht! Und was ist mit ihnen passiert?«
    »Ähm… sie sind… ähm… ausgestorben?«
    »Sehr gut, Kleiner! Dein Implantat scheint wunderbar zu funktionieren!« Das freundliche Gesicht des Seargent verwandelte sich von einem Moment auf den anderen in eine schrecklich hölzerne Maske. »Und jetzt überleg mal ganz genau, Kleiner. Die Neanderthaler waren stärker als die Vorfahren der armen Schweine, die auf der anderen Seite dieser verminten Dreckslandschaft sitzen. Sie waren muskulöser, sie waren kampferprobter. Sie haben verdammte Säbelzahntiger getötet. Und dennoch sind sie allesamt elendig erfroren und verreckt.«
    Der Junge schluckte erneut. Der Anblick seines Vorgesetzten machte ihn immer nervöser. Er zeigte nicht eine Gefühlsregung. »Okay, Sarge. Aber… was hat das mit allem zu tun?«
    »Streng doch mal deine Birne an, anstatt auf dieses beschissene Stück Elektronik zu vertrauen, Kleiner! Evolution! Warum sind die Neanderthaler ausgestorben, hm?«
    »Weil… weil es ihnen zu kalt wurde, Sarge?«
    Der Alte lachte für einen Moment, dann wurde seine Miene wieder hart und undurchdringbar wie Stein. »Nein. Sie haben sich in die falsche Richtung entwickelt, die armen Kerle. Haben den falschen Weg gewählt, und konnten nicht einmal was dafür, weil sie keine Wahl hatten. Und wir, du und ich, Kleiner, wir hatten keine Wahl und haben scheinbar den richtigen Weg gewählt. Aber die Neanderthaler dachten dasselbe.«
    Sein Sturmgewehr fing an zu summen, als er das Impuls-Kugeln-Magazin einführte und die Waffe entriegelte. »Deine beschissene Evolution ist nichts anderes als ein riesiges Testprojekt. Man mischt ein wenig zusammen, was klug und nützlich klingt, und schaut, ob das Resultat überlebt. Und wenn nicht, hat es Pech gehabt. Diese Bastarde«, er deutete mit dem Lauf seiner Waffe in Richtung Mauer und dem dahinter liegenden Schlachtfeld, »haben uns erschaffen. Und sie taten das mit den besten Absichten. Aber kein Schwein, kein Priester, kein Wissenschaftler, kein Politiker und erst recht kein kleiner verkackter Künstler wie du kann sagen, ob wir auf dem richtigen Pfad sind oder nicht.«
    Mit einem Seufzen kniete sich der Soldat hin und machte sich bereit, einen neuen todbringenden Kugelhagel über die Mauer zu schicken. Bevor er das tat, schaute er aber noch einmal den Jungen an, der aussah, als hätte er gerade einige Kugeln eingefangen. »Evolution ist grausam, Kleiner«, brummte er verbittert. »Evolution ist eine grausame Meisterin. Und wie jede Frau kann man sie nicht verstehen.«
    Dann ging der Seargent zu dem über, was er am liebsten tat: Darüber fluchen, nicht ein Mensch zu sein, nicht in einer Zeit gelebt zu haben, als die Reagenzglas-Evolution noch in weiter Ferne lag, und darüber zu fluchen, Wesen töten zu müssen, die womöglich – oder vielleicht auch nicht – den falschen Pfad beschritten hatten.
    Mr Sulak ist offline

  14. #274 Zitieren
    Truhe  Avatar von Salieri
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    Überleben
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  15. #275 Zitieren
    Mies drauf  Avatar von Mr Sulak
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    Leben
    Heißt Überleben
    Heißt das Rauchen aufzugeben
    Das Trinken
    Das ständige Rumsitzen
    Hinaus in die Natur
    Wo Gefahren lauern
    Besser drinnen bleiben
    Sicher.
    Überleben.

    Langeweile.

    Rauchen?
    Trinken?
    Schlecht.
    Muss leben.
    Überleben.

    Zigarette.
    Rauch. In die Lunge. Ausatmen.
    Entspannte Ruhe.
    Schlechtes Gewissen.
    Fahrrad fahren zum Ausgleich.
    Gefährlich?
    Gefährlich.
    Schlecht fürs Überleben.

    Zum Fenster hinaus schauen.
    Sonne geht langsam unter.
    Rot kriecht gemächlich über den Himmel.
    Rauch ausatmen.
    Lächeln.

    Komme mir gut vor.
    Entspannt.
    Locker.
    Nett.

    Wer will schon überleben.
    Wir wollen leben.
    Mr Sulak ist offline

  16. #276 Zitieren
    Ehrengarde Avatar von Spike Spiegel
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    Überleben ist kein Leben über leben, wenn man überlegt was man unter leben versteht.

    leben, nicht Fakt sondern Akt, ist wertvoll. Das Einzige was wirklich einen Wert hat für den Einzelnen. Das Wie entscheidet wie wertvoll. Doch im Leben ist nur leben gut und Überleben nur gut genug.

    Die allermeisten überleben lange genug um bewusst zu sterben, nicht jedoch bewusst zu leben.

    Warum?

    Furcht.

    Nicht lähmend, sondern treibend. Der erfüllte Wunsch der Sicherheit lässt sie nicht schwinden, sondern anschwellen. Schwellen überschreitend greift sie ein ins Leben und Überleben, verwehrt dem einzelnen aber zu leben.

    Wirklich?

    Selbst Ignoranz reicht nur so weit und Unwissenheit mag das Überleben erträglich, aber auch schwieriger machen. Dennoch, zu wissen ob das Sein allein oder das Tun allein das leben während des Überlebens bestimmte, ist nur denen vergönnt, welche die Jugend hinter sich gelassen, dem Tode nahe stehend, diesem leise zuflüstern:

    "Ich bin gewesen."
    Spike Spiegel ist offline

  17. #277 Zitieren
    Truhe  Avatar von Salieri
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    Mutter / Mütter
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  18. #278 Zitieren
    Mies drauf  Avatar von Mr Sulak
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    Mama, was gibt's heute zu essen?
    Mama, wo sind meine Schuhe?
    Mama, gehst du heute einkaufen?
    Mama, hast du gesaugt?
    Mama! Ich hab dir gesagt, lass meine Post in Ruhe!
    Verflucht, Mama! Wo ist mein Zeugs hin?! Du sollst nicht in meinem Zimmer aufräumen!
    MAMA! ICH KANN DAS ALLEINE, VERDAMMT!
    LASS MICH DOCH EINFACH IN RUHE, MAMA!!!

    He, Mama, was gibt's heute zu essen?

    Hast du nicht gehört, Mama?



    Mama?





    Mama...
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  19. #279 Zitieren
    Truhe  Avatar von Salieri
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    Krankheit
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  20. #280 Zitieren
    Mies drauf  Avatar von Mr Sulak
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    Die Krankheit

    Ich trage sie, mein Leben lang.
    Die Krankheit, die ich niemals loswerden kann;
    Die mich schon vor ewigen Zeiten bezwang.
    Die tief in mir wuchert und gedeiht und schwelt,
    Die ich so oft hasse; allein, Heilung fehlt.
    Ich schleppe sie mit,
    Gebeugt und gebückt,
    Von dieser einen Plage.

    Und ich hasse sie, hasse sie, hass' sie so sehr!
    Manchmal fühle ich mich so leblos und leer,
    Allein wegen ihr!
    Und sie macht es mir schwer,
    Das Leben, gar sehr!
    Ich hass' sie dafür!

    Denn wo ich bräuchte Härte und Stahl,
    Bleibt mir doch stets nur Mitgefühl und Qual.
    Wo ich bräuchte Dinge wie Kälte und Eis,
    Bleibe ich gleich erhitztem Stahl: nur heiß.
    Ich bin übervoll,
    Wo ich bräuchte Leere;
    Stehe alleine,
    Wo ich bräuchte Heere.
    Stehe gegen die halbe Welt,
    Obwohl es mir manchmal gar nicht gefällt.

    Stehe denen bei, die nichts dafür können;
    Helfe eben jenen, die tragen die Schuld.

    Liebe ist eine grausame Krankheit.
    Ich trage sie gebückt und voller Huld.
    Mr Sulak ist offline

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