[Ravenhearth]

Mein erster Beitrag in diesem Thread.

Als es 20 Uhr schlägt, hetzen kleine, trippelnde Schritte über das Pflaster der Stadt. Weil es Winter ist, ist es draußen bereits dunkel und sogar noch kälter. Agnes läuft schnell und zielstrebig, ohne sich umzusehen, obwohl sie sich eigentlich unsicher ist. Sie biegt um die Ecke der Häuserzeile und eine große Gruppe Menschen, glücklicher Menschen, taucht vor einem Restaurant auf. Agnes überlegt, ob sie die Lücken nutzen und hindurch schlüpfen soll, aber sie wechselt auf die andere Straßenseite. Ihre Füße schmerzen in den billigen Schuhen. Zur gleichen Zeit fährt Louise im silbernen Cabrio, dessen Verdeck sie nun geschlossen hat, die Hauptstraße hinunter. Bunte, grelle Lichter von außerhalb fallen ihr ins Auge, während sie ihr Gefängnis geschickt an den parkenden Autos vorbei manövriert. Ihren Mann hat sie zu Hause gelassen, wie ein Accessoire, das einem lästig wird. Der Pelz juckt fürchterlich und mit diesen Schuhen ist Autofahren beinahe unmöglich. Pete beginnt gefährlich zu werden, sie hätte sich nicht mit ihm einlassen sollen, nicht dürfen. Doch es ist jetzt egal, sie trifft sich gleich mit Agnes. Sie kennen sich noch von früher. Als Agnes das Restaurant erreicht, wartet sie davor. Louise hat es gut, findet sie. Louise hat einen Mann, sie nur ihre Katze. Agnes hat es gut, denkt Louise, als sie gerade einen Parkplatz sucht. Sie hat viel weniger Probleme mit den Männern und ganz generell. Weil Agnes ungeduldig wird, geht sie in das Restaurant hinein und bekommt den reservierten Tisch zugewiesen. Sie setzt sich und schaut aus dem Fenster, als sie Louise draußen laufen sieht. Die hat wenigstens Geld. Agnes hat nicht zu viel. Louise betritt das Restaurant und wirft ihre Haare zurück. Sie sieht wenigstens gut aus. Agnes muss sich immer nur ganz wenig schminken. Als sich beide gegenüber stehen und die Hand reichen, denken beide nur: Die hats viel besser, blöde Kuh. Mir gehts schlecht. Es schlägt halb neun.

[Redsonja]

Stellt euch vor eine Gruppe anderer Menschen und zieht euch aus. Selbstverständlich die Hüllen fallen lassen. Ihr werdet eine ehrliche Antwort erhalten. Sind die Menschen angewidert, werfen sie verstohlene Blicke in eure Richtung oder starren euch einfach an. Nun kommt es darauf an, ob ihr euch wohl fühlt. Wie ihr dasteht, ob selbstverständlich oder beschämt. Wenn beschämt, dann lasst es bleiben. Es ist keine gute Idee. Selbst wenn ihr so gerne im Mittelpunkt steht, dass ihr euch dafür blamieren möchtet. Dies kann eure Karriere für verunmöglichen, eure Kollegen hinter eurem Rücken tratschen lassen oder direkt in euer Gesicht lachen. Wenn ihr aber ganz normal da steht, wenn ihr den Menschen mit dem Blick begegnet bis sie wegschauen, dann habt ihr vielleicht den Neid des einen oder anderen. Wusstet ihr nicht, dass Neid eines der grössten Komplimente ist? Zumindest für mich. Neid ist ehrliche Anerkennung. Neid müsst ihr euch verdienen.

[isil]

Ein Brief. Weißer Umschlag, Dunkelgraue, fast schwarze Buchstaben, Wörter, Erinnerungen… Eine Zeitmaschine, zurück zu den Momenten wo man glücklich war, froh, erregt. Der erste Blick, das Gefühl als sich die Augen trafen, der kurze Moment Fassungslosigkeit, der Glanz, das Lächeln auf ihren Lippen, jung, schüchtern. Das kurze Aussetzen des Herzschlages, neben ihr stehen.
Der Versuch zu vergessen, und jetzt dieser Brief, der Blick zur Pinnwand, das Armband von deinem letzten Ferienlager…Die Überraschung, als du sie sahst, neben ihren Freundinnen, und du bei deine Freunden. Zeltlagerspiele, Schnitzeljagten, der Versuch näher zu kommen, sie kennen zu lernen. Die Wasserschlacht, die unsanfte Eroberung, sich am Lagerfeuer gemeinsam trocknen, Sternenhimmel über euch; zu schüchtern sein.
Die neue Schule, der Zufall, die dritte Chance; sich wirklich kennen lernen, nebeneinander sitzen. Ein Team werden, Gruppenarbeit, Hausaufgaben, sich zu Hause fühlen; das unausweichliche, ein Paar werden. Glückliche Zeit. Der Abschluss, Studium, voneinander entfernen, Fernbeziehung probieren, „Es wird das Beste sein wenn wir uns eine Auszeit von einander nehmen, so kann es nicht weiter gehen.“ Hoffen. Über sie hinwegkommen, es nicht schaffen, sie schon. Aus den Augen verlieren, das Vergessen beschleunigen; Leben, Karriere, Spaß haben. Zum Briefkasten gehen. Den Weißen Umschlag öffnen. die Einladung lesen. Erinnern. Das Foto betrachten, die lächelnden Gesichter. Neid.

[Salieri]

Krieg

[Salieri]

Macht

[Faun]

Das kann ja nicht sein, dass einem die Eltern immer noch aus dem Grab alles vorschreiben. Sind doch gar nicht mehr da, ihre Regeln sind kaputt, ihr Regime gebrochen. Trotzdem wird das Zimmer aufgeräumt und Hans kommt immer vor 10 Uhr Abends wieder heim. Also alles wie früher, nur das Essen ist schlechter. Aber endlich eine eigene Bude. Die Sachen der Eltern stehen trotzdem noch überall rum. Wäre irgendwie respektlos, und seine Geschwister haben ja auch irgendwie den Anspruch an ihn, das er ihr Andenken hütet. Aber bedeutet das, so weiter zu machen, wie die Alten das immer wollten?

[Salieri]

Vertrauen

[Tar-Valar]

Ich wollte sprechen, doch man hat mir nicht zugehört; wollte meine Qual zeigen, aber niemand hat hingesehen; ich wollte bemerkbar machen, dass ich Hilfe brauche ... ich wurde ausgelacht. Ich wollte nicht mehr leiden – so wie ihr mich nicht verstehen!
Jetzt kommt ihr an und versucht, mir zu helfen, doch ich höre euch nicht zu; jetzt wollt ihr mir Hilfe zeigen, aber ich sehe nicht mehr hin; ihr wollt euch nun bemerkbar machen und behaupten, ihr seid immer für mich da? Jetzt lache ich darüber!
Jetzt versucht ihr mich zu verstehen, jetzt leidet ihr mit ... doch ich will nicht, dass ihr mich versteht, ich bin ich; manches gehört zu mir, was ihr nicht abkönnt ... versucht nicht, mich zu verstehen. Ihr könnt nicht sehen, was ich fühle, nicht wissen, was ich denke, nicht bemerken, woran ich verzweifel.
Ich will nicht mehr leiden, ich will nicht, dass ihr mich versteht, ich gehe meinen verdammten Weg weiter.
Das Vertrauen habt ihr verschenkt, wie geht es Euch bei dem Gedanken? Nicht zu erfahren, was in mir vorgeht, nicht zu wissen, wie es mir geht, nicht zu sehen, was mich Leiden macht. Denn euer Verhalten war falsch, das wisst ihr selber, aber ändern wird es nichts mehr.

[ImoenShadow]

Erfüllung

[puri]

"Erfüllung"

Weil mir dieses Wort nicht passt
Streiche ich ein L.
So ist's sinnlos, also lasst
mich doch einmal schnell

Rüberfassen in das Wort
"Hafenhurenhaus"
Viele schöne H's gibt's dort,
eins greif ich heraus.

Und so mach ich aus "Erfüllung",
seht nur einmal, wie!,
lyrisch, wie ich bin, "Erfühlung",
das ist Poesie.

[Mr Sulak]

Vom Sein erfüllt. Vom Licht erfüllt. Lasst Euch erfüllen von seinem Wort, von seinen Gaben, von seinen Gesten.

Er lachte freudlos auf. Sicher, es hatte etwas Magisches, wenn nicht gar schon Wahnsinniges, im Tod die Erfüllung zu suchen. Für manche mochte das passen; des Lebens überdrüssig sich von Brücken und Hochhäusern zu schmeißen, in der Hoffnung, dass da noch was kommen würde, etwas besseres als der Haufen Dreck, der sie hier "erfüllte". Mit Schulden, Hohn, missachtenden Blicken anderer Leute, Vorwürfe, keine Freunde, schlicht - die Hölle auf Erden.

Wäre schon schön, seine Erfüllung im Tod zu suchen.

Und wenn nichts danach kam? Dann hatte man wenigstens abgeschlossen. War schon eine Überlegung wert, diese Erfüllung. Keine Sorgen mehr, keine Nöte, keine Ängste, kein Bewusstsein, keine Küsse, keine Hoffnung auf Besserung, keine Eltern, keine Kinder, keinen besten Freund mehr, der immer zu einem hält; keine netten Damen, keine Tuchfühlung, kein Sex.

Kein Sex. Was zur Hölle.

Tja, was soll Erfüllung schon sein. Ein Traum, dem man ewig nachjagt, und wenn man ihn erst mal hat, fühlt er sich sehr viel leerer an, als man es sich vorgestellt hatte. Oder anders. Und man jagt dem nächsten Traum nach, in der Hoffnung, dass der auch in Erfüllung gehen möge, bis man keine Träume mehr hat.

Ein Leben ohne Träume. Muss ein trauriges Leben sein.

Er lächelte verbittert. Ein paar Dinge durften ruhig in Erfüllung gehen. Aber hoffentlich doch nicht alles, was er sich so manchmal wünschte. Wäre schade um die Spannung. Und um die Träume.

[Salieri]

Sieben Sünden: Zorn

Damit schließt die Reihe der Todsünden ab.

[Salieri]

Fernweh

[Redsonja]

Zorn

Einmal im Leben wollte ich eine Frau sein. Zumindest äusserlich. Das andere war mir zu kompliziert und die Angst davor es nicht mehr rückgängig machen zu können zu gross. Ich kaufte mir eine Perücke, ging zur Maske, suchte mir ein passendes Kleid aus und verschaffte mir Körbchengrösse B. Es war ein lauer Sommermorgen und ich lächelte den Passanten zu. Meine Wimpern waren dicht und leicht geschwungen. Meine Stimme schwang im Einklang mit dem äusseren Erscheinungsbild.

An jenem Tag hatte ich eine Präsentation über soziale Architektur zu halten. Es war ungewohnt. Anfangs war ich deswegen etwas nervös. Die Worte verliessen meinen Mund nicht so, wie ich es geplant hatte, doch mit der Zeit ging es wie von alleine. Ich war gut. Richtig gut. Doch war ich die einzige, die das so sah. Fast. Ein übereifriger Student erkundigte sich später bei mir. Er wollte meine Folien haben. Ich sagte zu, sandte sie aber nie. Stattdessen stand ich herum und horchte in die Gespräche hinein. Niemand hatte von mir Notiz genommen. Das war ich nicht gewohnt. Ich wollte ihnen sagen, was ich kann. Aber ich lächelte stumm vor mich hin und zerquetschte einen Bleistift in meiner Faust.

[Mr Sulak]

Zorn

Ich spüre das Feuer in mir
Ich weiß, nichts kann es löschen
Kein Wasser, keine Erde
Zündstoff gibt es zu genüge
Keine Chance, ihn wegzuräumen
Er verfolgt mich
Es brennt lichterloh
Ich könnte schreien
Könnte weinen
Könnte fluchen, beißen, kratzen
Zerstören
Vernichten
Aber das habe ich nicht gelernt
Ich bleibe still
Bebe kurz
Ein lautes Wort
Verzweifeltes Wort
Und Ruhe

Und sie werden sich fragen
Warum
Und weshalb
Und man habe es nie kommen sehen.

[Mr Sulak]

Fernweh

Es ist seltsam.

Ich wollte verreisen. Einfach weg von daheim, von den alltäglichen Dingen, die man eben kennt, die einen regelrecht anöden, die man so oft gesehen hat, dass der Reiz verloren gegangen ist, sie anzuschauen. Weg von den drei Katzen, die immer wieder durch mein Zimmer toben, von meiner Mutter, die mich für kleinere Arbeiten einspannt, weg von meiner Schwester, mit der ich nicht ums Verrecken auskommen kann. Weg von den Gesichtern, die ständig auf der Straße entlang marschieren und die ich tagtäglich sehe, weg von den Nachbarn, die ich jeden Morgen grüße, weg vom Briefkasten, aus dem ich jeden Morgen die Zeitung hole.

Weg von den Gerüchen. Weg von dem ganz feinen Geruch nach Schweiß, mein Schweiß, der in meinem Zimmer hängt, der dort hängen muss, weil die Nächte eben warm sind und es in jedem Zimmer immer ein bisschen danach riecht. Weg von dem Badezimmer, das neben meinem liegt, in dem es immer frisch und zugig ist, weil das Fenster immer offen ist. Weg von den drei Zwerghamstern, die in ihren eigenen Glaskästen sitzen, weil sie sich sonst gegenseitig zerfleischen würden, und weg von ihren Laufrädern, die immer quietschen.

Ich wollte einfach nur weg. Nach Schottland, vielleicht, wo ich schon einmal war, wo alles so gleich und doch so anders aussah. Wo ich mir wie ein Fremder in einer fremden Stadt vorkam und von den Bewohnern wie ein alter Freund behandelt wurde. Wo Glasgow fast schon Nürnberg hätte sein können, hätten die Leute nicht allesamt Englisch gesprochen und mich auf Whiskeys eingeladen.

Und was tat ich?

Ich ging ins Internet, sah mir ein paar Bilder an - jeden Tag - und war zufrieden.

Ich könnte heulen vor Wut. Ich verstehe nicht einmal, was für ein beschissenes Leben ich gerade führe, aber es macht mich rasend. Ich verstehe nicht, warum ich nicht gegangen bin, warum ich mich mit ein paar Bildern habe abspeisen lassen.

Aber es stimmt nicht ganz. Ich will noch immer weg.

Mal sehen, welche Bilder ich heute finde.

[Salieri]

Neusprech

[Salieri]

Verrat

[Salieri]

Meuterei

[Salieri]

Rum und Ehre im Kampf