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Das kleine Schreibstübchen - #2

  1. #41 Zitieren
    Mies drauf  Avatar von Mr Sulak
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    Ihm lief das Wasser im Mund zusammen. Wortwörtlich. Man konnte die Spucke dabei beobachten, wie sie langsam aus seinem rechten Mundwinkel austrat und zäh, eher wie Honig denn wie eine Flüssigkeit, auf den staubtrockenen Boden fiel.
    Ein triumphierendes Lächeln umspielte die Lippen des weißen Jungen, der in seiner teuren Stoffkleidung, geschmückt mit einer Goldspange, wie die Statue eines glorreichen Kriegshelden da stand - genau gesagt imitierte er jene, die auf dem Marktplatz, nicht weit entfernt, aufgestellt war. "Ich weiß, dass du drauf scharf bist, Nigger."
    Wie in Trance nickte das Kind ihm gegenüber langsam. Er mochte vielleicht zwölf Jahre alt sein, trug schmutzige Fetzen und war abgemagert wie die Hunde, die in den Straßen des Armenviertels herum streunten und im Müll nach Fressen suchten.
    "Gut. Und los!" Mit einem fiesen Grinsen auf den Lippen rannte der weiße Junge los. Ein Blick über die Schulter brachte ihn sofort zum Lachen: der Nigger versuchte kraftlos, mit ihm mitzuhalten, und fiel dabei immer weiter zurück. Der weiße Junge musste nicht lange überlegen, um zu wissen, wer hier der Sieger war.
    Gleich darauf war er bei dem Kirchturm angekommen. Lässig, nur ein wenig außer Puste, lehnte er sich an die steinerne Wand und packte das Brot aus der Papierverpackung aus, um es sich genüsslich in den Mund zu schieben. Marmelade, Butter und frisches, duftendes Brot - und ein Nigger, der ihn aus großen, verzweifelten, hoffnungslosen Augen anstarrte, dessen Brust sich rasend hob und senkte, und dessen Spucke nicht mehr flüssig genug war, um überhaupt noch aus seinem Mund zu treten. Und der sich einen Moment später mit verkrampfenden Fingern an die Brust langte, um dann quälend langsam auf die Knie zu sinken und nach Luft zu ringen, wobei sein Magen laut genug knurrte, dass es jeder im Umkreis von ein paar Metern hören konnte. Nur, dass niemand da war außer der weiße Junge.
    Mit einem letzten Bissen verschlang der weiße Junge das Brot, drehte sich in einer arroganten Bewegung um und schlenderte gemütlich den Weg entlang. Er entschied, dass dies ein wundervoller Tag war.
    Mr Sulak ist offline

  2. #42 Zitieren
    Truhe  Avatar von Salieri
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    So, eine Woche Rezensionszeit, dann gehts weiter.
    Salieri ist offline

  3. #43 Zitieren
    Truhe  Avatar von Salieri
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    Tut mir leid, ich hatte einige Probleme mit einem User und bin deshalb total drüber weg gekommen...

    Ein jähes Ende
    Salieri ist offline

  4. #44 Zitieren
    Druidin  Avatar von Cécilia
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    Jäh. Ja, so konnte man es nennen. Er stand da und dachte nach. Jäh. Allein wie das Wort schon klang ... Abrupt. Plötzlich. Jäh war es geschehen.
    Sie waren gestern zusammen ausgegangen. In ein schickes Restaurant. Sie hatte bedrückt ausgesehen, sehr bedrückt. Gegessen hatte sie kaum. Und dann hatte sie es gesagt. Ihre Worte waren auf ihn eingestürzt, hatten ihn entsetzt. Fassungslos hatte er sie nur anstarren können.
    "Je crois que je ne t'aime plus."*
    Wie hatte sie ihm das antun können?! Seine Freundin, seine Fast-Verlobte! Sie waren oft ausgegangen, hatten viel gemeinsam erlebt und nun das ... Er hörte ihre Worte immer und immer wieder ...
    Er schloss das Fenster. Nein, es war wirklich unter seiner Würde und nicht seinem Alter gemäß, sich wegen verlorener Liebe umzubringen. Sie hatten nach dem Geständnis über die Lage gesprochen, es war eindeutig. Sie wollte ihn nicht wieder sehen. Was würde es ihm bringen, sich aus dem Fenster zu stürzen? Nichts. Genau. Aber was sollte er tun? Fernsehen brachte ihm nichts, überall waren Romanzen, Seifenopern und Telenovelas. Er überlegte weiter. Was war das Beste nach einem jähen Ende? Er lächelte und ging zum Telefon. Ein Neuanfang mit einer anderen alten Freundin, entschied er.
    ________________________________________________________
    *frz.: "Ich glaube, ich liebe dich nicht mehr."

    Inspiré de la chanson "Elle m'a dit" de Cali
    Cécilia ist offline

  5. #45 Zitieren
    General Avatar von Dr. Strangelove
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    Es ist schon peinlich, wenn man versucht die richtigen Worte zu finden, und das Universum hört auf einmal auf zu existieren. Das war wirklich äußerst peinlich, das Peinlichste wohl, was Gunther jemals in seinem Leben passiert war, und man muss dazu sagen: Gunther hatte bereits ein langes Leben gehabt. Kein überaus langes, aber immerhin lang genug, um ihm Falten ins Gesicht und seinen Haaransatz nach hinten zu treiben.
    Gerade als auch Gunther aufhörte zu existieren, konnte er noch einen Blick auf seinen Mageninhalt werfen, der sich nur wenige Sekunden nach ihm aufzulösen begann: ein Truthahn-Sandwich mit Mais und Salat.

    Truthahn-Sandwich mit Mais und ..., dachte Gunther und bemerkte, sofern es noch etwas gab, was man bemerken konnte, dass auch seine Gedanken sich aufzulösen begannen.

    Salat.
    Das war das Wort, was ihm gefehlt hatte.
    Truthahn-Sandwich mit Mais und Salat. So etwas aß man doch nicht, bevor man aufhörte zu existieren. Genau so, wie man nicht in einem Meeting einfach aufhörte zu exisitieren, weil das die gesamte Realität um einen herum auch tat. Gunthers Partner, mit dem er sich getroffen hatte, schien es ähnlich zu gehen. Er öffnete noch einmal seinen Mund, als wollte er eine Seifenblase auf seiner Zunge tanzen lassen, und war dann ganz weg.

    Wie peinlich, wenn man in einem Meeting sitzt und nicht die richtigen Worte findet, dachte Gunther.
    Und dann löst man sich auf. Man hört einfach so auf zu
    Dr. Strangelove ist offline

  6. #46 Zitieren
    General Avatar von KalomsZweiteFrau
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    Gerichtet:

    Ein Wort, ein Blick,

    Die Hand ergreift die Hand

    Der Atem ruhig, die Stimme traut

    Die Stimme, Hände, Anblick wohl vertraut

    Vertraute Worte, seltsam unverwandt

    Die Hand zieht sich zurück

    Zerreißt das Band:

    Genichtet.
    KalomsZweiteFrau ist offline

  7. #47 Zitieren
    Ehrengarde Avatar von Spike Spiegel
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    "Wo kommt denn der scheiß Nebel auf einma her, verdammt!"
    "Ludwig, das is kein Nebel...schnell, die Masken!"
    Rufe halten durch die Dunkelheit. Über eine Strecke von mehreren Kilometern wurden mit einem Mal mehrere Feuer entbrannt und reges Treiben durchfuhr die leer geglaubten Schützengräben. Unzählige menschliche Gesichter, verzehrt von Leid und Hunger, verschwanden hinter schwarzen Masken. Vereinzelte Schüße waren zu hören, während der tödliche Nebel der deutschen Stellung immer näher kam.
    "Verdammt Paul, was machen wir?"
    "Wir warten auf Befehle."
    "Davon haben wir schon seit 4 Tagen keine mehr bekommen! Was denkt sich die OHL überhaupt!?"
    "Was weiß ich...über sowas mach ich mir scho lang keine Gedanken mehr."
    Es waren mehr und mehr Schüße zu hören, als sich plötzlich einige Soldaten erhoben und zum Angriff aufriefen.
    "Was zum Teufel geht da vor sich?!"
    "Befehle Paul, Befehle."
    Augenblicke später war der gesamte Soldatentross auf den Beinen und stürmte den zersetzenden Schwaden entgegen, gen französischer Linie. Über mehrere Kilometer hinweg stürmten deutsche Soldaten nach vorne und veranlassten weitere verunsicherte Linien sich dem Sturm anzuschließen. Die Befehlsgewalt war auf den Soldatenkörper übergegangen, der eine blutige Schneiße in die feindliche Linien trieb. An mehreren Fronten brachen die deutschen Soldaten, trotz schwerer Verluste, durch und waren innerhalb eines Tages in Sichtweite von Paris, der Entscheidung des ersten Weltkrieges.
    "Ich glaubs ja nich...wir hams tatsächlich geschafft."
    "Haha, jawohl Paul! Jetzt hamse nichts mehr, wo se sich verstecken können. Paris wird uns den Sieg einbringen, ganz sicher! Wir habens fast geschafft!"
    "Pass nur auf das du die Siegesfeier auch noch miterlebst, Ludwig! Die Franzosen werden nun nur noch umso erbitterter kämpfen..."
    Die Nacht über donnerte das Artilleriefeuer, während deutsche Truppen neue Stellungen aushoben. Noch immer schwieg die OHL. Die Offiziere vor Ort waren auf sich allein gestellt und warteten, statt zu handeln. Der nächste Tag, das spürten alle die so kurz vor Paris standen, würde die Entscheidung bringen.
    Noch in den frühen Morgenstunden waren deutsche Soldaten mit dem befestigen ihrer neu errichteten Stellungen beschäftigt. Dieses mal ließ sich jedoch kein Murren oder Raunen durch die Reihen vernehmen. Die Moral war hoch, der Sieg über Frankreich zum greifen nahe. Soldaten begannen wieder davon zu sprechen, was sie alles machen würden, sobald der Krieg vorbei war. Fast schon ungeduldig wurde der Befehl zum Angriff erwartet.
    "Mensch, Paul, was is nur los? Sollten wir nich schon lange in Paris sein. So haben die doch nur Zeit sich wieder irgend ne Scheiße auszudenken um nen paar hundert mehr von uns abzuschlachten. Hier darf nich mehr nachgedacht werden, hier muss jetzt gehandelt werden!"
    "Ludwig, die in der OHL wissen und sehen mehr als wir. Vielleicht ham sich nen paar Franzosen oder Briten bei unserm Vormarsch durch die Linien gestohlen oder die Briten ham einfach wieder Verstärkungen hinter unsern Rücken abgesetzt. So oder so, nen Angriff von Hinten könnte uns zerreiben."
    "Herrschaftszeiten! Wir stehen vor PARIS! Wenn wir da einmarschiert sind, könnense ruhig kommen! Die ham dann kei Granaten mehr, kei Munition, kei Gewehre, kurz, kei Nachschub! Was wollensen machen, uns mit Steinen bewerfen?"
    "Hast ja recht, aber die OHL wird scho ihre Gründe ham."
    "Dein Vertrauen hät ich ma gern."
    "Ohne das, hät ichs nie so weit gebracht, mein Freund."
    Stunde um Stunde verstrich. Man wartete vergebens auf Befehle, als plötzlich eine Nachricht durch die Reihen ging, die Front ziehe sich zurück. Offiziere und gemeine Soldaten zugleich erkundigten sich mehrmals ob die's auch wirklich stimme. Sie konnten es nicht glauben.
    "Verdammte Scheiße, das is zu viel! Das kann nich wahr sein, die Schweine sollen zurück an die Front! Wer zum Teufel gibt kurz vor der Entscheidungsschlacht den Befehl zum Rückzug! Die OHL lässt die ganze Zeit nix von sich hören und nu kommt nur Scheiße bei raus! Des kanns net sein, des darf's net sei! Herrgott noch mal, lass des net wahr sein!"
    "Ludwig, wir wissen nicht einmal ob der Befehl voner OHL kam, wir wissen nur das die Linie neben uns abrückt."
    "Paul, langsam reichts mir mit deinem "wir wissen das nich" und "die OHL aber schon" dreck! Verdammt, der Sieg is da vorne, schau hin, du kannst es doch auch sehen! Und wir marschieren in die andere Richtung! Kämpfen wir jetzt im Krieg um zu verlieren oder was!?"
    "..."
    "Verdammt Paul, wenn wir hier jetzt abziehen, werden Millionen sterben. Millionen! Du weißt genauso gut wie ich, was für ne Hölle das hier ist. Und wir ham die Chance, die hier und heute zu beenden! Aber wenn wir jetzt abhauen, werden wir Jahre brauchen um wieder an diesen Punkt zu kommen, wenn überhaupt...Das darf einfach nicht passieren!"
    "Aber wenn es der Kaiser so will, Ludwig, dann wird es auch so passieren."
    Wenige Momente später riefen auch die Offiziere ihrer Line zum Rückzug auf. Fassungslos packten die deutschen Truppen zusammen und zogen ab.
    "Gnade uns Gott, für das Verbrechen, das wir am heutigen Tag begangen haben..."
    "Ludwig, übertreib mal nich, kein Franzose und kein Brite kann das deutsche Reich aufhalten, egal wie oft es die Stellung wechselt!"
    "Vielleicht, aber irgendwie weiß ich, das dieser Tag, die Welt verändert hat."

    Referenz
    Spike Spiegel ist offline

  8. #48 Zitieren
    Schmetterling  Avatar von Redsonja
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    Dreizehn Stockwerke und seit einer Woche war der Lift im Eimer. Er hielt inne und verschnaufte. Drei waren geschafft. Verfluchte elf Stockwerke blieben übrig. Vor 30 Jahren hätte man das mit ihm machen können, aber jetzt wo er in die Tage kam, nicht mehr arbeiten musste und eher zu Hause vor dem Fernseher sass, war dies zu viel. Selbst während dem Krieg war es besser gewesen. Damals, ja damals was war da gewesen? Sie hatten... Er hielt inne, die Hände in die Hüften gestemmt, glitzernder Schweiss auf der Stirn. Eigentlich wären es nur noch zehn Stockwerke gewesen, doch für ihn endete es hier.
    Redsonja ist offline

  9. #49 Zitieren
    Truhe  Avatar von Salieri
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    Das war doch mal super, jetzt darf noch eine Woche kommentiert werden, ich hoffe, da kommt was.
    Salieri ist offline

  10. #50 Zitieren
    Truhe  Avatar von Salieri
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    Ein Neuanfang
    Salieri ist offline

  11. #51 Zitieren
    Veteran Avatar von Thimo Lurkers
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    Ich sitze allein
    auf einem Stuhl
    vor einem Tisch
    in meinem Haus.

    Vor mir eine Tasse Tee.
    Ich denke nach über mich.
    Ich erkenne mich
    und bin unzufrieden.

    Zu wenig Kraft zum Leben.
    Zu viel Angst vor Enttäuschung.
    Zu wenig Mut zum Sterben.
    Ein Ungewisses danach.

    Das Handy klingelt.
    Eine SMS.
    Nur ein Wort in ihr:
    "Leb!"
    Absender: Gott.

    Thimo Lurkers ist offline

  12. #52 Zitieren
    Druidin  Avatar von Cécilia
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    Er saß am Tisch und konnte nicht denken. Er war müde, unsäglich müde. Letzte Nacht hatte er nicht schlafen können, Albträume hatten ihn verfolgt. Albträume von Kurven, die sich wie Stricke um ihn wanden, ihn fesselten, ihn erstickten ....
    Er schrak auf. Immer noch saß er an diesem Tisch und hielt den Stift in der Hand. Die Linien auf dem Blatt vor ihm verschwammen und er rieb sich die Augen, doch die Kurven und Linien blieben. Was sollte er tun? Es verfolgte ihn, Tag und Nacht, jederzeit. Gestern hatte er es sogar auf der Rückseite der Busfahrkarte gesehen. Die Linien auf dem Blatt bewegten sich erneut, sie schlängelten sich, sie fesselten ihn und drücken zu ...
    "Nein!"
    Er legte den Stift hin und zerknüllte das Blatt mit den Funktionsgraphen impulsiv. Mathe war noch nie seine Stärke gewesen. Dann würde er eben mit der Aufgabe neu anfangen müssen.
    Cécilia ist offline

  13. #53 Zitieren
    Burgherrin Avatar von Kathy
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    Hoffnung?!
    Sie versinkt
    in einem tiefen See
    zunächst kämpft sie
    doch es tut zu sehr weh

    Immer tiefer
    sie hälts nicht mehr aus
    der Kampf ist zuende
    sie kommt nie hinaus

    Immer dunkler
    das Licht erlischt
    der Tod ist nahe
    unmöglich dass sie ihm entwischt

    Da wird sie ergriffen
    von einer starken Hand
    "Der Tod" denkt sie
    "Gott sei Dank"

    Immer höher
    sie versteht es nicht
    wie ist das möglich
    da ist das Licht

    Immer schneller
    wieder an die Luft
    wieder voller Hoffnung
    raus aus der Gruft
    Kathy ist offline

  14. #54 Zitieren
    Mies drauf  Avatar von Mr Sulak
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    Das wütende, fiese Zischen um ihn herum raubte ihm noch den letzten Nerv. Er war sich sicher: würde er auch nur noch fünftausend Jahre länger hier bleiben und dem verheißungsvollen, hinterlistigen Wispern lauschen, das Tag und Nacht, Jahr und Sekunde auf ihn einredete, würde er verrückt werden. Wahrscheinlich verrückt genug, um alles zu vernichten, was auch nur den Ansatz von Mut aufbrachte, sich ihm in den Weg zu stellen.
    Ein Seufzer, laut wie ein Donnersturm und zugleich leise wie das Zirpen einer Grille, hallte durch die erwührdigen Gemäuer und prallte an den Hunderten von Säulen ab, welche die Decke stützten. Sie waren mit kunstvollen Schnitzereien geschmückt, die von den Erbauern direkt aus dem Stein herausgemeißelt worden waren. Nicht wenige von ihnen stellten Szenen aus längst vergangenen Zeiten dar, die so weit zurück lagen, dass sich kaum mehr jemand daran erinnerte. Leichen, abgeschlagene Körperteile, Tod und Verderben waren zu erkennen, aber auch ein neuer Sonnenaufgang, der Licht in die Finsternis und neue Hoffnung auf bessere Zeiten brachte.

    Er wusste, wie sich damals die Welt gefühlt hatte. Er vergaß es nicht. Er vergaß nichts. Das war seine Aufgabe, die er seit Jahrmillionen, vielleicht noch vor Anbeginn der Zeit, ausgeführt hatte. Und er wusste, dass er bald wieder dazu kommen würde, sie auszuführen, auch wenn derzeit eine "Vertretung" für ihn die Arbeit übernahm.
    Ein höhnischer Grunzer duchrollte die Halle wie ein Erdbeben und blieb dabei zierlich genug, um dem ersten Maunzen einer kleinen Katze zu gleichen. Manchmal wunderte er sich über seine Stimme, die sich so unterschiedlich und doch so vollkommen und normal anhörte. Doch seine Gedanken waren gerade nur von der Vertretung bestimmt.
    Er wollte nicht vertreten werden. Er hatte niemals darum gebeten, hatte niemals den Wunsch oder auch nur den Gedanken geäußert, sich irgendwann einmal, in ein paar Millionen Jährchen, zurück zu ziehen. Er war froh mit seiner Arbeit, er hatte Spaß dabei, und er hatte nicht vor, sie an irgendeinen Emporkömmling abzugeben.
    Das Lachen eines Riesen und zugleich jenes eines kleinen Kindes schallte von den Wänden wieder und brachte die Säulen zum Vibrieren, was zu einem überirdisch schönen, reinen Klang führte. Was dachte er nur? Fast schon wie ein anderes Wesen, immer nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht und niemals anderen etwas gönnend... Er war nicht immer so gewesen, nein, er war nie so gewesen. Und erst jetzt fiel ihm auf, dass er schon seit ein paar Jahrtausenden in diesen Hallen brütete und sich beschwerte und nichts unternahm.

    Eine unstete Ruhe überkam ihn, geformt von Jahrmillionen an Erfahrung und dem ungestillten Tatendrang eines Pferdes, das zu lange in seiner Box eingesperrt gewesen war und nur noch den Wunsch verspürte, zu laufen. Mit einem wohligen Seufzer, laut wie ein Donnersturm und zugleich leise wie das Zirpen einer Grille, lehnte er sich zurück und lauschte der Stille um ihn herum.
    Mr Sulak ist offline

  15. #55 Zitieren
    Sergej Petrow
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    So, Zeit für das Thema habt ihr jetzt genug gehabt. Jetzt gibt es eine Woche Zeit, um die Beiträge zu kommentieren.

  16. #56 Zitieren
    Sergej Petrow
    Gast
    Ein neues Thema, welches für die nächsten zwei Wochen Inspiration bieten sollte:

    Unberührte Natur

  17. #57 Zitieren
    Held Avatar von Shadowblade
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    Hmm...
    naja, doch es passt eigentlich schon ganz gut. Ich hab's vor einer Weile geschrieben, ja, ich denke, es passt ganz gut.

    Der Schmetterling

    Starlich steht der Fuchs im Walde
    elstern grient er vor sich hin
    ohne Spatz und ohne Schwalbe
    schärft er seinen Krähensinn.

    Mit der Elster auf dem Grase
    spatzt er Augen, Mund und Kinn
    ein Schmetterling auf seiner Nase
    "Schau, wie federleicht ich bin!"

    Doch der Fuchs, er kann nicht fliegen
    wär auch gern ein Vogel er
    würd so gern' die Wolken kriegen
    die Hasen fliehen nimmermehr.

    Der Schmetterling hebt ab und lächelt
    "Lieber Fuchs, bald fliegst auch du!
    Keine Sorge, auch wer schwächelt,
    niemals ist der Flug tabu!

    Denn der höchste aller Segen
    (den Vögeln bleibt auch er verwehrt!)
    gilt dir als Fuchs, kühn und verwegen
    mit diesem wirst du bald geehrt.

    Denn das Fliegen wie wir's nennen
    wird bei weitem überschätzt
    viel schöner, wirst du bald erkennen,
    ist dein Sein im Hier und Jetzt.

    Drum konzentrier dich auf das Leben
    lebe sorgsam jeden Tag
    im siebten Himmel wirst du schweben!"
    Mit diesem Worte hebt er ab.

    Ich sage dir, was ich hier meine
    sei nicht wie der Schmetterling!
    Sei die Füchsin, sei die Meine
    auf dass es dich zum Himmel bringt.

    Der Schmetterling er redet weise
    denn Er, er kennt ja das Gefühl
    Der Fuchs der schweigt, so still und leise
    erreicht schlussendlich, was er will.

    Und so fliegen wir zusammen
    auf den Schwingen seiner Macht
    der Wind, er trägt uns zwei von dannen,
    durch die bitterkalte Nacht.



    Shadowblade ist offline

  18. #58 Zitieren
    Veteran Avatar von Thimo Lurkers
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    Rechtschreibfehler und Sinnprobleme bitte nicht zu ernst nehmen, entstand aus einem Versuch des automatischen Schreibens.

    Zeitschriftenhändler in Paris. Das war mein Leben. Ein kleines Kiosk, nichts weiter. Eine Stadt, voller Liebe, voll Schönheit, menschlicher wie architektonischer. Eigentlich war ich zufrieden hier, denn es gab jede Woche was neues zu lesen, es kamen ständig neue Leute vorbei, und auch einige altbekannte Gesichter waren dabei. Sie grüßten mich, hoben den Hut im Vorbeigehen, tauschten drei oder vier Wörter aus. Manchmal sah einer von ihnen auf, wenn ein Deckblatt besonders hervor stach. Dann kam er näher ran, erkundigte sich, und ging dann wieder weg, meistens mit dem Heft.
    Heute, am 28.ten Oktober des Jahres 2008, an einem kühlen, aber doch schönen Tag, an diesem Tag, der anderen Leuten wie vielleicht der wunderschönste Tag im Jahr vorkam, an dem andere Leute vielleicht ihr Glück fanden, an einem Tag, so frisch, kühl und sanft, als hätte Gott in eben aus einem Seufzer geschnitzt, da fühlte ich mich plötzlich unwohl, so mitten in Paris. Irgendwie war hier alles so voll und zugebaut. Und obwohl ab und zu ein paar Bäumchen emporblickten, lugten und schauten, dachte ich mir, dass es hier etwas fehlte. Grüne Waldfeen, Geister, die im Gras lebten, es schluckten, die lebten, huschten, flitzten und sich verbargen, all das war nicht hier, und ich war mir an diesm 28ten Oktober mehr denn je bewusst. Und ich wollte nur noch eines: Raus. Und ich schloss mein Kiosk frühzeitig, ging nach Hause, machte mir eine Tütensuppe, und ging in einen Park.
    Der Park hatte einen kleinen See, mit Enten drin, auch ein paar Schwänen, halt so Vögel, die da so rumschwirren. Auch Bäume gab es hier, zurechtgestutzt, und auch Gras, das frisch gemäht und einheitlich geschnitten war. Der Geruch von Benzin lag in der Luft, gemischt mit dem Geruch frisch zerschnitten Rasens, ebenso roch es nach Popkorn. Ich bemerkte, dass das nicht das war, was ich brauchte. Also luief ich los. Einfahch gerade aus. Schneller und schneller und immer schneller, dem, was ich sah, ausweichend, Fussgängern, Autos, Passanten, und solche Sachen. Ich rannte und rannte, so weit ich konnte, denn ich wollte nur eins: Unberührte Natur erleben.





    Und noch ein uralt-Gedicht, dass ich ausgegraben hab und vielleicht auch hierher passt, wenn auch antithetisch...


    Schmetterlinge

    Schmetterlinge fliegen
    Durch Grüne Welten
    Bunt, Schimmernd im
    Licht der Gestirne

    Ein Reh sieht zu,
    Wie sie fliegen
    Und wird von Freude
    Wie Blätterlaub erfüllt.

    Und während sie fliegen
    Geht die grüne Welt
    Durch Menschenhand Stück
    Für Stück kaputt.

    Sie merken es nicht,
    Fliegen nun durch graue
    Welten, erfüllt von Smog,
    Und nicht eine Blume blüht.

    Kein Reh sieht zu,
    Kein Licht dringt durch,
    Sie schimmern nicht mehr,
    Und Sterben.

    Wie sanft ihre Flügel
    Dahingleiten, auf Stürmen
    Auf Böen aus Feinstaub.
    Und werden endlich plattgefahren.
    Thimo Lurkers ist offline

  19. #59 Zitieren
    Truhe  Avatar von Salieri
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    Ihr wisst was jetzt kommt.
    Salieri ist offline

  20. #60 Zitieren
    Truhe  Avatar von Salieri
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    Auf gehts in die nächste Runde, und es geht in Richtung Winter.

    Winternächte
    Salieri ist offline

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