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[thoughts] Fetzen

  1. #1 Zitieren
    Schwertmeister Avatar von Miras
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    Ich schreibe mal gerade wie mir die Schnauze gewachsen ist. Mal sehen was dabei rum kommt, hab ich gerade Bock drauf.

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    Und da ist er wieder, einer dieser Abende. Ich komm erst gar nicht auf die achte Flasche Bier, die vorwurfsvoll am Schreibtischrand steht, zu sprechen. Warum auch. Sie ist Symptom, nicht Ursache. Es ist eine bizarre Mixtur, die den Tag ausmacht. Der Vollrausch, die Betäubung, die Erlösung, Das Erwachen, die Reue, das alles findet statt. Dann vergeht einige Zeit. Es dauert Tage, vielleicht sogar Wochen. Was passiert in dem Zeitraum? Das Makabere daran ist, das diese Erinnerungen gehaltloser sind als jene paar Stunden. Falls es Erinnerungen sind. Woran erinnert man sich denn am Ende? Doch nur an die Erlösung, die auch wirklich nur in der Erinnerung stattgefunden hat. Und in freudiger Erwartung stürzt man sich in die erneute Amnesie, als würde man ihr jungfräulich begegnen.

    Doch jede Illusion verfliegt irgendwann...

    Haben sich diese gottverdammten depressiven Idioten eigentlich jemals Gedanken darüber gemacht, dass sie nicht allein sind? Jeder jammert über sein Schicksal, egal ob berechtigt oder nicht. Wer entscheidet das überhaupt? Das Schlimmste daran ist, dass einige es mit Fassung tragen, andere aber an Nichtigkeiten zu Grunde gehen. Wo verschwimmt denn da der Unterschied zwischen frühkindlichem Hilferuf und ernstzunehmender Depression? Wer zur Hölle braucht Unterstützung, wer eine Hand auf der Schulter und wer einen Arschtritt? Ach, dass muss man von Fall zu Fall unterscheiden? Naja, wenn das so ist...

    Und dann sitzt du wieder da mit deiner dämlichen, leeren Flasche Bier. Du kannst gar nichts entscheiden, hast aber alles selber in der Hand. Jeder scheißt auf deine Meinung, aber wenn es zu spät ist warst du nicht da. Nie warst du da, weil du alles schon selber hättest erkennen müssen ohne jemals in der Pflicht gewesen zu sein. Die Frage nach dem WARUM stellt sich da ja noch nicht mal, das ist ja das Lächerliche. Das alles verschwimmt in einer Grauzone zwischen dem abgebrochenen Schulabschluss, der Sinnsuche und dem Beamten des Amtes, der einem doch mit dem Zeigefinger versichterte, man solle froh sein Arbeit zu haben. Was macht denn da noch den Unterschied?

    Ich dachte einmal, und sei es nur für einen winzigen Augenblick, ja, da dachte ich, das Leben eines Menschen hätte schon dann einen Sinn, wenn es nur für eine beschissene winzige Nanosekunde das Leben eines anderen Menschen bereichert. Muss wohl ne Bierlaune gewesen sein...
    Miras ist offline

  2. #2 Zitieren
    Schwertmeister Avatar von Miras
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    Ich hab vor kurzem angefangen Erich Fromm zu lesen.
    Eigentlich ist das gar nicht die Art von Literatur, die ich lese. Ich kann nicht mal sagen, was mich dazu getrieben hat. Vielleicht war es die endlose Belanglosigkeit, mit der ich mich momentan umgebe. Der stumpfe Algorithmus des Alltags, der irgendwie alles ausmacht aber nichts wirklich definiert.
    Vielleicht war es aber auch einfach der Wunsch sich abzugrenzen. Sich in seinem eigenen kleinen Kämmerlein besser zu fühlen als all die Schwachmaten, die zwar in ihrer Idiotie konform sind, aber nie wirklich etwas aussagen. Einen Hauch von greifbarem Nihilismus, falls das möglich ist. Keine Ahnung.

    Jedenfalls hatte ich mir fest vorgenommen das Buch durchzulesen.
    "Die Seele des Menschen: Ihre Fähigkeit zum Guten und zum Bösen", so lautete der Titel. Zeugt es von Wahrhaftigkeit, wenn man ein Buch liest, um mal sagen zu können, dass man es gelesen hat?
    Keine Ahnung ob Andere auch so empfinden, aber genau aus dem Grund hab ich angefangen es zu lesen. Und ich muss tatsächlich festhalten: Das Buch fesselt.
    Fromm geht es vor allem (wie der Titel ja auch schon widergibt) um die uralte Frage nach dem Wesen des Menschen. Ist der Mensch von Natur aus gut oder schlecht? was macht den Menschen aus? und wenn ja, wie viele?
    Ich will das Buch an dieser Stelle eigentlich gar nicht diskutieren. Damit würde ich nämlich auch voraussetzen, dass ich es in seiner Gesamtheit verstanden habe, was nicht stimmt. Ich erahnte an vielen Stellen worum es Fromm ging. Manchmal bekam ich ein Gefühl davon, worauf er hinaus wollte. Manchmal ließ mich das Buch auch in Ratlosigkeit zurück. Da wird hier Aristoteles zitiert, da wird dort Bezug auf Marx genommen und hin und wieder auch ein Traumbild von Freud gedeutet. endlose Querverweise lassen den interessierten Laien ahnungslos zurück. Zugegeben, für den Laien ist es auch nicht geschrieben.
    Um das Gewäsch zu begrenzen: Fromm kommt (aufs Kürzeste reduziert) auf den Gedanken, dass den Menschen weder das Gute noch das Böse ausmacht, sondern den Widerspruch zwischen beidem. Dadurch, dass ihm seine Endlichkeit bewusst und er trotzdem des Denkens befähigt ist, ist er in dem ewigen Zweikampf zwischen Gut und Böse, zwischem Leben und Tod gefangen. Nicht eine Seite, sondern der Kampf zwischem Beiden macht ihn aus.
    Das ist ein Gedanke der mir ausgesprochen gut gefällt. Es erweckt den Anschein, als hätte man eine Wahl.

    Fromm relativiert das in dem Buch selbst, indem er sagt, das natürlich auch äußerliche Faktoren eine Rolle spielen, also Faktoren, die von der Umwelt beeinflusst werden. Die einen schon in der Kindheitsphase, also während man noch keine bewussten Entscheidungen trifft, in eine Richtung lenken.
    Die Frage nach dem freien Willen selbst wird auch in einem eigenen Kapitel behandelt.
    Das alles würde auch zu weit führen. Zu weit in einen Denkansatz, den ich, wie gesagt, selbst nicht richtig verstanden habe.

    Und trotzdem hat sich jeder einzelne Satz gut angefühlt. Jedes Kapitel war wie das Hingeben in einen Brechreiz, der sich über die alltägliche profane Scheiße ergibt. Nicht das es einen Unterschied machen würde. Es ändert nichts, dass ich dieses gottverdammte Buch gelesen habe, dass ich wahrscheinlich nicht mal zur Hälfte verstanden habe. Ich fühle mich unberechtigterweise sonderbar elitär gegenüber diesen "rtl-hartz4-nachmittags-guckern", obwohl ich Derjenige bin, der es sich nachmittags reinzieht, um sich in einem Pfuhl aus Voyeurismus besser zu fühlen.

    Und trotzdem versprach jeder einzelne Satz einen Hauch von Linderung.

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    Kritik und Kommentar sind übrigens sehr erwünscht, egal ob an Stil oder Inhalt
    Miras ist offline Geändert von Miras (07.06.2011 um 05:45 Uhr)

  3. #3 Zitieren
    Ehrengarde Avatar von Wupfmaul
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    Na gut, wenn eine Diskussion erwünscht ist, werde ich mal meinen Senf dazu geben.

    Zum Stil und dem Schreiben an sich werde ich nur ein paar Worte verlieren. Ich konnte deinen Gedanken folgen und den Text gut lesen, von daher gibt es nichts zu meckern.

    Zum Inhalt fällt mir ein bisschen mehr ein: Ich kenne diese Gedanken, die du da hast, nur zu gut. Diese Belanglosigkeiten können einem ganz schön zusetzen. Man sieht einfach kein Ziel vor Augen, denn man fühlt sich nicht dazugehörig und vor allem möchte man es auch gar nicht sein. Denn wie du richtig sagst, wird die Frage nach dem Grund meistens gar nicht gestellt, nur wie soll man damit umgehen, wenn man dauernd auf der der Suche nach eben diesem Grund ist? Was soll man machen, wenn jeder um einen herum einfach nur betäubt vor sich hinlebt und das auch noch ohne Alkohol? Man sieht tagtäglich tausende Sachen, bei denen man einfach nur den Kopf schütteln will, weil diese Dinge einem eben nicht in diesen rein wollen.

    Die Antwort darauf ist so einfach zu verstehen wie schwer umzusetzen: wir sind ein Teil davon. Wir haben einen Bereich um uns herum, den niemand so sehr beeinflussen kann wie wir selbst. Wir haben Gedanken, Überzeugungen und Ideen an die niemand heran kommt, da sie nur uns allein gehören und zugängig sind und wir haben die Möglichkeit, eben diese in die Welt hinaus zu tragen, Tag für Tag. Das mutet sich wie ein Kampf gegen Windmühlen an, aber alleine es zu versuchen bringt schon ein wenig Erlösung. Du schreibst es hier nieder und ich antworte darauf. Je mehr du hinausträgst, desto mehr wirst du die Belanglosigkeiten vertreiben und Menschen treffen, die dich dafür bewundern und Teil davon werden wollen. Vielleicht sind es nicht die Menschen, die dich gerade umgeben, aber es gibt sie, man muss sie "nur" finden.


    Keine Ahnung ob ich jetzt mit meiner Kritik den Nagel auf den Kopf getroffen habe und du verstehst, was ich meine oder ob ich an dir vorbei geredet habe. Ausserdem habe ich die starke Befürchtung mal wieder als Oberklugscheisser rübergekommen zu sein, das kann ich nämlich sehr gut, aber du hast mich animiert zu antworten, denn ich fand deine Gedanken wirklich gut.
    Wupfmaul ist offline

  4. #4 Zitieren
    Veteran Avatar von Rygaroth
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    Ich werde wohl mehr Worte zum Stil verlieren, da mich dies als Selbstschreiberling beim Lesen fast noch mehr interessiert als der Inhalt (aber wen interessieren meine persöhnlichen Belange? ).
    Es gibt im Wesentlichen, meiner Meinung nach, kaum Kritikpunkte an deinem Stil. Mir persönlich fällt er, was daran liegen mag, dass ich normalerweise Fantasy in für dieses Genre üblich "hoch getragener" Schreibweise lese, durch seine Zeitnähe, wenn man dies so ausdrücken kann, auf. Damit ist gemeint, dass der Sprachgebrauch eindeutig in unserer Zeit liegt, obgleich er nicht in den umgangsprachlichen Bereich "abrutscht", sondern trotzdem noch eine Ausdrucksweise bleibt, wie sie in der Literatur verwendet werden kann.
    Desweiteren finde ich, dass die kurzen Sätze in dieser Art von Schreiberei sehr gut als Stilmittel verwendet werden können. Bei vielen Schreiberlingen ist es so, dass kurze Sätze oftmals keine Ausdruckskraft besitzen, es gibt nämlich einen Unterschied zwischen "Dann saß er da traurig vor seiner Bierflasche" und "Und dann sitzt du wieder da mit deiner dämlichen, leeren Flasche Bier". Ich finde, dass du es gut beherrschst, Kraft und Aussage in deine Sätze zu bringen.
    Eine kleine Einschätzung von diesem komischen kleinwüchsigen Zwerg, der Grammatik wichtiger findet als Inhalt
    MfG
    Der Nato-Kampfzwerch
    Rygaroth ist offline

  5. #5 Zitieren
    Schwertmeister Avatar von Miras
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    Der letzte Eintrag scheint ewig her. Es lassen sich einige Gemeinsamkeiten festellen: Es muss immer Nacht sein. Und ich muss mich anscheinend immer in larmoyantem Gewäsch verlieren. Egal. Manches muss schriftlich hinterlegt werden.

    Seit Monaten regt mich diese selbstgeißelnde Isolation auf, die sich "Social Communities" nennt. Meine Abscheu kennt keine Grenzen, obwohl ich mich beim Schreiben dieser Zeilen selbst im Netz bewege. Vielleicht ist das aber auch genau der richtige Rahmen.

    Es geht mir schlichtweg einfach auf den Sack. Alles wird portioniert, fragmentiert und eingeteilt. Ja/Nein Ja/Nein. Sprache beschränkt unser Handeln. Sprache beschränkt die Dimensionen, in denen wir uns bewegen. Die Parameter, unter denen wir Entscheidungen treffen können. Nur wer weiß, wo Norden liegt, weiß, dass er sich vielleicht gerade nicht nach Westen wenden möchte.
    Und genau da wird angesetzt.Täglich können wir unsere Befindlichkeiten ausstoßen, hinausgeschmettert wie schlechten Stuhlgang. Das Besondere unter dem Alltäglichen. Wen interessiert der Karneval unter Gleichfarbigen?!
    Es ist der Wunsch nach Einzigartigkeit, der uns Alle antreibt, ohne zu sehen, wer wir eigentlich schon sind. Das ewige Streben nach dem Sonderbaren, dem Außergewöhnlichen. Das ist die Hybris, die den Menschen brandmarkt und auszeichnet.

    Erich Fromm hat sowas von Recht. Es ist die pure Schizophrenie.
    Miras ist offline

  6. #6 Zitieren
    Schwertmeister Avatar von Miras
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    Hat eigentlich einer mitbekommen, ob Deutschland gewonnen hat? 6:1?! Ich weiss nur, dass Dirk Bach tot ist. Wegen den Iren. Wie sieht es eigentlich in Syrien aus? Achso, ich wusste nicht, dass die EU den Friedensnobelpreis bekommen hat. Ja, der ESM ist mittlerweile legitimiert. Yo, Peer Steinbrück kann Kanzler. Neee, Obama hat beim ersten Fernsehduell Stimmen eingebüßt. Quatsch, die Griechen sind schuld! Nein, Castro wollte den atomaren Erstschlag?! Ich dachte, Stalin wäre genauso schlimm. Was macht eigentlich Hitler?!

    Ich bekomme es nicht mehr differenziert. Ich will hier raus!
    Miras ist offline

  7. #7 Zitieren
    Schwertmeister Avatar von Miras
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    Naja. Ich wohne jetzt wieder in meiner Heimatstadt. Die Straßenlampen sind dieselben geblieben. die Betonblöcke auch.

    Was sich geändert hat, ist mein Blick auf das bisschen Natur. Auf die Bank, auf die sich Penner Paul früher gesetzt hat, setze ich mich mittlerweile selbst gerne. Ich verstehe den alten Mann langsam. Vor allem, wenn sich abends die Oktobersonne über die Bank legt. Ganz freundlich und unverbindlich, versteht sich. Die paar Bäume davor treten fast schuldbewusst von selbst zur Seite, um den Strahlen platz zu machen.
    Die Traurigkeit ist immer noch da. Ein steter Begleiter. Aber sie stört keinen mehr, mich auch nicht. In welchem Wahn hab ich sie eigentlich für mich allein in Anspruch genommen? Sie gehört dazu, ist ein ewiger Begleiter. Ich heiße sie willkommen, wie den Rest. Wir gehören zusammen, wie eine Familie. Wir alle wissen um die Unzulänglichkeiten der Anderen. Aber wir mögen und und arrangieren uns. Wie sich das für eine Gemeinschaft gehört.

    Ansonsten bin ich weder beruflich fortgeschritten, noch habe ich sonst irgendwas bemerkenswertes erreicht.

    Nur, dass ich mich noch nie so sehr selbst mochte, wie in diesen Momenten auf der Bank. In der Oktobersonne in meiner Heimatstadt. Und das ohne erbrachte Leistung. Einfach nur, weil ich bin. Das ist ja schon fast verdächtig!

    Aber auch nur fast.


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    Muss gerade lachen, weil der letzte Eintrag genau 2 Jahre her ist. War Zufall
    Miras ist offline Geändert von Miras (14.10.2014 um 01:50 Uhr)

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