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    Legende Avatar von Waylander
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    Waylander ist offline
    Er hatte lange geschlafen. Zu lange. Die Beine schmerzten ihm, der Rücken tat weh, als er sich aus dem schmalen Bett schälte.

    Anne hatte ihn in ihre Taverne eingeladen. Waylander hatte sich gefreut. Doch es gab nichts zu trinken. Es ginge lediglich darum, bei ihr zu schlafen. Waylander hatte sich gefreut. Doch sie schliefen in zwei Zimmern.
    So war der Tag verflogen, das Meer war weiter Meer, die Berge scherten sich ohnehin einen Dreck um die Belange der Menschen. Und auch der Wald war Wald geblieben.

    Waylander erwachte erst in den späten Abendstunden. Die sperrigen Fensterläden waren geschlossen, sanft-weißes Licht drang durch die vielen Ritzen und verlor sich auf dem Fußboden. Von der Schankstube drang Lärm herein. Musik, Lachen und ein Geruch nach Bier und Rauch.

    Waylander streckte sich und gähnte herzhaft. Auch die Schultern schmerzten, der Nacken. Der Krieger konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal so schwer hatte schuften müssen.

    Anne hatte ihn gezwungen zu rudern. Er hätte es eh angeboten. Er war der Mann, sie war eine Frau. Das gehörte sich so. Hätte er vorher geahnt, wie anstrengend dieses Rudern war, hätte er auf seinen Stolz verzichtet.

    Ein gutes hatte die Plackerei gehabt: Waylander musste nicht mehr selbst nach einem Kurs suchen oder aufgrund irgendwelcher Sterne den Weg bestimmen.
    Die Geräusche drangen erneut an sein Ohr. Musik, Bier. Er hörte vor allem das Bier. Seine Kehle war trocken, seit sie diesen Seelenverkäufer verlassen hatten.
    Waylander schnürte die Riemen an seiner Rüstung fest, presste seine Füße in die Stiefel, schnallte sich sein Schwert um, Snaga ließ er in der Ecke.
    Snaga? Die Doppelschneidige Axt. Er hatte keine nicht den blassesten Schimmer, warum er sie nicht an Kires Grab gelassen hatte. So viele Erinnerungen waren an die beiden Klingen gebunden. Ähnlich wie das Blut der unzähligen Feinde, die diese Schneiden das Leben gekostet hatten. Orks. Vor allem Orks.

    Er öffnete die Tür zum Schankraum und fand sich rasch inmitten einer trunkenen Meute wieder. Damit konnte er umgehen. Haudegen, Taugenichtse, Piraten. Piraten waren wie Banditen. Nur mit Flossen.

    Die Musik verstummte, die Gespräche ebenso. Niemand sagte etwas, als Waylander den Raum betrat. Die Stimmung war angespannt. Der Krieger spürte die Augen auf sich ruhen, die skeptischen Blicke einem fremden Gegenüber. „Was ist? Feiern wir oder glotzen wir fremde Leute an?“, sagte der blonde Krieger mit donnernder Stimme. Er wünschte, er hätte Snaga mitgenommen.

    Doch seine Worte hatten offenbar das erste Ungemach zerstreut. Der Lautenspieler zupfte wieder, die ersten Piraten setzten ihre Unterhaltung fort. Waylander schob sich zur Theke und bestellte sich ein Bier.

  2. Beiträge anzeigen #242
    Ritter Avatar von Rethus
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    Rethus ist offline

    Auf einem kleinen Schiff eines Händlers; Überfahrt nach Khorinis

    Es war wieder spät geworden. Längst hatte sich die Sonne hinter den Horizont gelegt. Gespannt schaute der Glatzkopf genau an die Stelle, wo sie sich zuletzt Blicken gelassen hatte.
    Gestern noch spürte er festen Boden unter seinen Stiefeln. Jetzt bewegten sich Planken darunter. Seine kräftigen Arme stützten sich auf die Reling. Einige Fuß unter ihr schlugen die Wellen gegen den Buk des Schiffes, das Kurs nach Khorinis eingeschlagen hatte. Für Rethus fühlte sich die Fahrt mit dem Kahn ziemlich ungewohnt an, aber er mochte nicht sagen, sie sei unangenehm. Nur bevorzugte er eher festen Boden unter sich.
    Die Idee, ein Schiff zu führen, schien ihm gerade sogar fast zu gefallen. Doch wozu? Wozu sollte er so etwas gebrauchen? Rethus seufzte. Man konnte nicht alles im Leben tun, dennoch einiges. Er, der Sohn Vogors‘, sogar eine ganze Menge.

    Hinter ihm lag Argaan, das sich bald an den Horizont verflüchtigt hatte. Nur schwach erkannte er noch die Lichter der Stadt Thorniara. Sie wirkten eher wie das Schimmern eines Sternes am Himmel. Schaute er allerdings nach vorne, da bot sich ihm ein anderer Anblick: Khorinis. Die Südküste war fast erreicht. Doch erspähte er nur die Silhouette der Insel. Von dort leuchteten nicht genug Lichter, um es eindeutig sehen zu können.
    „Herr Büttner!“
    Rethus fuhr herum. Der Maat, der am gestrigen Tage mit ihm am Hafen gesprochen hatte, stand unmittelbar vor ihm. Hinter diesem befand sich die gesamte bewaffnete Besatzung des Schiffes, genauer gesagt schlappe acht Mann. Irgendwie ahnte der Grufti schon, was gerade passierte?
    „Was führt dich zu mir?“ entgegnete Rethus.
    Der Maat warf den Sack mit den achtzig Goldmünzen vor Rethus‘ Füße, wodurch sich die Hälfte seinen Inhaltes auf dem Deck entleerte. Misstrauisch wurden die Augen des Mantelträgers zu Schlitzen, während sie sich ganz langsam von den Goldmünzen auf den Maat richteten.
    „Herr Büttner sagst du“, meinte dieser verächtlich. „Soll ich nicht besser sagen: Rethus? Mir ist vorhin eingefallen, woher ich dein Gesicht kenne. Es prangert überall an den Steckbriefen in Thorniara. Das miese Geld, das du mir auf korrupte Weise angeboten hast, benötige ich nicht, wenn ich dein Kopfgeld erhalte…“ Sein Gesicht verfinsterte sich. „Du verdammter Verräter und Deserteur. Männer, nehmt ihn fest. Wir werden ihn nach unserer Rückfahrt ausliefern.“
    Rethus wartete nicht länger. Schnell zog er mit der Rechten eine der beiden Gruftklingen aus seiner Doppelschwerthalterung, um dem Mann, der ihn gerade festnehmen wollte, eine deftige Wunde quer über die Brust zu schneiden. Sofort drehte er sich, um sein Schwert bis zum Anschlag in den Körper des Maats zu stechen.
    Mit einem Ruck zog er jenes wieder heraus. Der Maat sank hinter ihm auf die Knie und kippte kurz darauf gänzlich neben dem anderen Toten um. Sogleich zogen die anderen ebenfalls ihre Waffen. Rethus parierte den Angriff seines nächsten Gegners, stieß einen anderen mit einem Tritt beiseite, um dann in die Oberschenkel des Mannes zu schneiden, dessen Angriff er pariert hatte. Mit der selben Drehung erstach er auch diesen, als jener auf dem Rücken gelandet war. Nun wehrte er die nächsten Angriffe ab, wich zurück und preschte wieder nach vorne. Einer der Männer traf er, indem er mit seinem Schwert gegen dessen rammte. Die Kraft die dahinter steckte, sorgte dafür, dass sein Gegenüber nach hinten stolperte.
    Elegant schwang er sein Schwert herum, ließ weitere Angriffe seiner Gegner versagen und entwaffnete dabei auch gleich zwei. Plötzlich verschwand das Klirren der Schwerter. Die, die noch ihre in den Händen hielten, wichen zurück. Insgesamt stand der ehemalige Gardist nur noch vor fünf Soldaten. All ihnen stand die Furcht ins Gesicht geschrieben.
    „Habt ihr genug?“ entgegnete nun er spöttisch. Sie antworteten nicht. „Ich gebe euch einen guten Rat: Steckt eure Waffen weg und werft die Leichen über Bord. Betrachtet mich quasi als euren neuen Obermacker auf dem Schiff. Und ich will, dass dieser Vorfall nicht an den Kapitän gerät. Alles klar?“
    Zwei von ihnen stammelten ein ‚Aye‘. „Alles klar?“ hakte Rethus lauter nach. „Aye!“ war nun die eindeutige Antwort von jedem.
    „Wir werden unsere Überfahrt nach Khorinis wie gehabt fortführen. Dort setzt ihr mich am Hafen ab. Danach könnt ihr mich meinetwegen wieder jagen, aber bis dorthin bleibt ihr besser von euren Waffen fern. Sonst ergeht es euch wie eurem Maat. Ist das klar?“
    „Aye“, antworteten sie wieder.
    Seine Anspannung fiel nun langsam von ihm. Er begriff erst in diesem Augenblick, dass er gerade quasi das Schiff gekapert hatte. Zu solch einem Zwischenfall wollte er es eigentlich nicht kommen lassen, aber jetzt war es geschehen und er musste mit den Konsequenzen klarkommen. Sogleich steckte er sein Schwert zurück, während die Soldaten wie von ihm aufgetragen die Leichen entfernten und sich zurück zu ihren Kabinen begaben.
    Der Grufti ahnte jetzt schon, dass er keine Sekunde auf diesem Schiff schlafen würde. Die Wahrscheinlichkeit, dass einer von der Besatzung ihn im Schlaf erdrosseln würde, war einfach zu groß…

  3. Beiträge anzeigen #243
    Ritter Avatar von Rethus
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    Rethus ist offline

    Auf einem kleinen Schiff eines Händlers; Am westlichen Kliff von Khorinis

    Es wurde immer schwerer, wach zu bleiben. Der Glatzkopf hatte es tatsächlich geschafft, seit dem Vorfall in der letzten Nacht kein Auge zu zumachen, auch wenn er es nur zu gerne getan hätte. Im Inneren würde er umfallen vor Müdigkeit, doch die Anspannung, dass er ermordet werden könnte, wenn er schlief, war so groß, dass es keiner Konzentration bedurfte, um trotzdem wach zu bleiben.
    Am jetzigen Abend engten sich seine Augen mittlerweile zu engen Schlitzen zusammen, die rot umrandet waren. Seine Müdigkeit stand ihm im wahrsten Sinne ins Gesicht geschrieben. Ein unwahrscheinlich besoffenes Gefühl in ihm, raubte ihm den Verstand. Selbst Rum konnte ihm nicht den ekelhaften Geschmack im Mund vertreiben.

    Sein Tot wäre es, würde jetzt nur einer von der Besatzung auf die Idee kommen und das Schiff langsamer werden zu lassen, um Zeit zu gewinnen, denn dann schlief Rethus womöglich doch noch ein. Mehrere Male am Tag hatte er Ausdauersport am Deck gemacht. Misstrauisch wurde er dabei von der bewaffneten Besatzung begafft. Sie ließen ihn nicht einmal aus dem Blick. Zu seinem Gunsten blickten alle anderen hingegen amüsiert drein. Dies verriet ihm nämlich, dass niemand etwas von letzter Nacht weitergetratscht hatte.

    Bald würden sie endlich ankommen. Schon jetzt beobachtete der Grufti den Küstenstreifen im Osten, der ganz nah lag. Am nächsten Morgen würden sie wohl im Hafen einlaufen… doch da wäre der Glatzkopf schon längst verschwunden. Er traute keinem am Bord dieses Schiffes. Womöglich würden sie Rethus beim Wort nehmen und sofort Alarm blasen, sobald dieser den ersten Fuß auf die Insel gesetzt hatte. Und dann hatte er wirklich schlecht Karten im Angesicht zur Stadtwache in Khorinis. Nein, er wollte von Bord springen, sobald das Kliff verschwand und sich ein Strand auftat. Dort wollte er sich endlich ein Lager zum Schlafen suchen…

  4. Beiträge anzeigen #244
    Sleeping Dragon Avatar von Françoise
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    Die Gilde Innos' im Forenrollenspiel
    Françoise ist offline
    Die See ging ruhig und schwappte gegen den Bug des Schiffes, auf dem sich Françoise und einige andere Anhänger des Ordens befanden. Nicht zu vergessen, die eigentliche Besatzung, denn das Steuern eines Schiffes beherrschte weder die Priesterin noch einer ihrer Gefährten. Und da es somit anderen überlassen war, auf den Kurs und all die nautischen Dinge zu achten, verbrachte Françoise ihre Zeit damit, weiter die Schriften aus Geldern zu studieren.
    Inzwischen hatte sie sich hinreichend mit den Feinheiten der beherrschenden Magie vertraut gemacht und probierte sich insgeheim darin. Vielleicht vom moralischen Standpunkt etwas fragwürdig, allerdings diente es einem guten Zweck und Françoise beließ es bei unwichtigen Zaubereien. Letztlich ging es ihr schließlich darum, das dahinter stehende Prinzip zu erkennen und zu verstehen. Dafür war es nicht notwendig, jemanden völlig dem eigenen Willen zu unterwerfen.
    Sie hatte allerdings noch längst nicht alles gelernt. Inzwischen war Françoise auf weitere Ausführungen gestoßen, die ganz offensichtlich von Feuermagiern stammten und später von mindestens einem Orkschamanen für Forschungszwecke verwendet wurden - das schloss die Priesterin aus den grob geschriebenen Ergänzungen am Rand des Textes. Der Inhalt handelte von einem Bereich, den Françoise ausgesprochen interessant fand; der Telepathie. Die Verbindung zwischen dieser Fähigkeit und den anderen beherrschenden Zaubern lag nicht so offen auf der Hand. Man drang lediglich in die Gedankenwelt eines anderen ein, ohne jedoch Veränderungen darin vorzunehmen oder Kontrolle auszuüben. Folglich erlangte man nur eines und das war Wissen. Und genau das war auch der springende Punkt, denn wie schon das allseits bekannte Sprichwort sagt, ist Wissen Macht. Ganz besonders natürlich geheimes Wissen. Abwegig, dass ausgerechnet Feuermagier dieses Talent besaßen, war es deshalb keinesfalls. Als Richter oblag es ihnen, die Wahrheit zu finden, und kaum ein Verbrecher könnte seine Untaten im Angesicht eines Gedankenlesers noch verbergen.
    Françoise war ausgesprochen begierig darauf, dieses Talent zu meistern. Natürlich kam ihr beim Erhaschen des ersten fremden Gedanken in den Sinn, dass sie in Sphären vordrang, die die meisten für sich und nur für sich behalten wollten. Intime Geheimnisse, die man niemandem verriet. Allerdings war der Nutzen viel zu groß, als dass die Priesterin diese Gabe hätte ignorieren können. Davon abgesehen, erkannte Françoise sehr schnell, dass es bei weitem nicht so einfach war, die tieferen Gedanken und Erinnerungen wahrzunehmen. Versehentlich würde sie deshalb kaum ein persönliches Geheimnis erfahren; es sei denn, derjenige würde unentwegt an nichts anderes denken.

  5. Beiträge anzeigen #245
    Schwertmeisterin Avatar von Keala
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    Keala ist offline

    Richtung Khorinis

    Es war längst wieder dunkel. Kea stand an Deck, lehnte sich auf die Reling und schaute hinaus. Diese Überfahrt gefiel ihr deutlich besser als die andere, das Schiff war nicht überfüllt, die Anzahl der Personen überschaubar, es herrschte kein Platzmangel, es waren keine Orks an Bord. Und doch blieb beim Gedanken an die letzte Überfahrt ein Wermutstropfen. Kea seufzte leise, wollte sich nun auch keine Blöße geben vor den nachtaktiveren Mannschaftsmigliedern. Es war nicht zu leugnen, dass sie Faren vermisste. Tags mochte sie vielleicht nach Unabhängigkeit streben, Perfektion in dem, was sie tat, nachts dagegen fehlte er ihr, die Wärme, sein Herzschlag, ruhig und regelmäßig, der es ihr so leicht machte, einzuschlafen, wenn sie nach einem Albtraum aufgewacht war. Seine Hand, die sanfte Geste, wenn er ihr das Haar aus dem Gesicht strich. Längst war es nicht mehr kurz genug, dass das noch häufig geschah, doch sie nahm sich vor, etwas dagegen zu unternehmen, allein um der Geste willen. Und wenn es nur das Haar über der Stirn war (manche Leute nannten das Pony, aber für Kea war ein Pony ein kleingeratenes Pferd, und daran hielt sie fest).
    Die Wellen brachen am Rumpf des Schiffes. Ihr Rauschen erinnerte sie wieder an die Überfahrt, an die Nacht, die sie im völlig überfüllten Bauch verbracht hatten. Beide hatten sie nachts nicht viel Schlaf gefunden, erst am frühen Morgen, sodass sie spät hochgekommen waren. Allzu lange konnte die Überfahrt noch nicht her sein, während der die Abenteurer aus Al Shedim auf Decken, dicht gedrängt hatten nächtigen müssen. Nun aber, da Kea und Cyrith an Deck halfen, standen ihnen Hängematten zur Verfügung. Es war der Wächterin ein Rätsel, wie man da rein- oder rauskommen sollte, ganz zu schweigen von schlafen, war sie es doch von Kindesbeinen an gewohnt, in der Horizontalen zu nächtigen. Dazu kam noch das Geschaukel ... aber das bereitete Kea weniger Probleme. Wenn sie da an die Überfahrt nach Setarrif dachte, wie viele Seekranke es da gegeben hatte ... unter anderem auch der Vater der Stummen, die vor der Schlacht in Faring gewesen war. Kea verstand sich womöglich nicht allzu gut darauf, aus Gestik und/oder Mimik etwas herauszulesen, aber es war der Stummen sehr deutlich anzusehen gewesen, dass diese eine übertriebene Paranoia vor der Reling entwickelt hatte - Faren war das überhaupt nicht aufgefallen. Vermutlich waren beide Nomaden auf Schiffen nicht unbedingt gut aufgehoben. Ob sich sowas vererbte?
    Kea schaute hinab, musterte ihre Rechte, die nach so langer Zeit seltsam verändert aussah. Mit dem wenigen Gold, das sie noch gehabt hatte, hatte sie sich noch in Thorniara ein Paar Handschuhe bersorgt, den überzähligen Finger mit Stroh und Sand gefüllt und vor dem Kapitän des Schiffes behauptet, der Finger sei ihr mehrmals gebrochen worden und nun völlig steif. Für den alten Seebären war das überhaupt kein Problem, solange sie zupacken konnte. Drei der behandschuhten Finger umschlossen die Reling, einer lag da. Es war von den Matrosen niemandem in den Sinn gekommen, dass der Finger nicht völlig steif, sondern völlig verschwunden sein könnte, und Kea wagte zu behaupten, mit solchen Raubeinen kannte sie sich aus. Die hätten es sie sofort wissen lassen, wenn sie es herausgefunden hätten, denn die Deserteurin der Orksöldner traute denen gar nicht zu, abzuwarten und sie irgendwann mit ihrer Schwäche zu konfrontieren ... das erschien ihr einfach zu weit hergeholt bei diesen einfachen Gemütern.
    Ein Würgen, das jeden anderen aus den Gedanken geholt hätte, ließ die Wächterin wieder in Erinnerungen schwelgen. Ja, die Überfahrt nach Setarrif war mehr als seltsam gewesen, besonders was die Nomaden anging, Ravenne und Bardasch. Bardasch hatte vermutlich nicht allzu viel mitbekommen, was allerdings eher für ihn sprach. Er hätte doch wohl vorher bedenken können, dass er auf Schiffen Angst bekam? Farens "Mittel" hatte ihm nur kurzfristig geholfen und dann hatte der Spaß für Ravenne erst wirklich angefangen. Genervt stöhnte Kea.
    »Ehrlich, daran hättest du auch etwas früher denken können!«
    Sie wartete das neuerliche Würgen ab, bevor sie weitersprach. Eigentlich hatte sie so nichts gegen Cyriths Martyrium ... wenn er dadurch noch in der Lage gewesen wäre, seine Arbeit zu erledigen und dabei nicht das Deck, das sie zu schrubben hatte, dreckig gemacht hätte, kaum dass sie auf die ersten großen Wellen außerhalb des Hafens gestoßen waren. Nun hatte sie nicht nur sowieso seine Arbeit mitzuerledigen sondern noch obendrein Zusatzarbeit.
    »Du hättest es vielleicht mal in Thorniara erwähnen können - bevor wir abgelegt haben. Aber vermutlich geht es sowieso zum einen Ohr rein, zum anderen wieder raus ...«
    Kea stieß sich missmutig von der Reling ab. Es wäre nichts gewesen, wenn seine Heimlichtuerei nur Cyrith zum Verhängnis geworden wäre, aber dass sie davon in Mitleidenschaft gezogen wurde, hob ihre Laune nicht gerade außerordentlich. Außerdem scheuerten Sand und Stroh am Fingerstumpf, dass sie sich nichts sehnlicher wünschte, als den Handschuh einfach abnehmen zu können - unmöglich, da sie beim Rest der Besatzung ihren Schlafplatz hatten. Sie waren Matrosen, keine Passagiere. Sie zumindest.
    »Falls du nichts mehr einzuwenden hast -« damit rechnete sie fest »- dann ziehe ich mich zurück.«

  6. Beiträge anzeigen #246
    Schwertmeister Avatar von Cyrith
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    Cyrith ist offline
    Natürlich hatte er seine Seekrankheit gerne vergessen, mal kam er mit ihr klar und mal nicht. Doch dieses mal war die Krankheit gegen den Dieb und er konnte kaum seine Arbeit nachgehen. Die Seefahrt würde sicherlich einige Tage dauern und er musste versuchen damit klar zu kommen. Er hatte seine Ration heute schon ziemlich liegen gelassen und eher dem Schakal was zu Essen gegeben.

    Die Dunkelheit war nun eingebrochen, die Wellen knallten gegen das Schiff und ab und zu wurde der Dieb Nass von den hohen Wellen. Hoffentlich würde kein Sturm aufkommen, den ansonsten würde das Schiff noch mehr durchgeschüttelt. Das wäre sicherlich Hässlich gewesen und der Schiffsboden würde gleich mal eine andere Farbe aufnehmen. Während der Dieb versuchte den Boden zu schrubben, hatte es sich sein Schakal schon bequem gemacht und lauerte unter einer Sitzbank.

    Diese Seefahrt würde noch einige Zeit dauern und der Schwarzhaarige musste versuch damit klar zu kommen ohne seinen gesamten Körper auszukotzen. Seine Schülerin war vom Ärger gezeichnet, den er machte mehr Dreck als er sauber machte.

    „Geh dich ruhig ausruhen, ich werde hier wohl noch ein paar Stunden sitzen, gebe auf dich Acht ich traue keinem Hier“ antwortete der Dieb auf die Worte seiner Schülerin und sprang wieder zum Rande des Schiffes um sich zu übergeben.

  7. Beiträge anzeigen #247
    Schwertmeisterin Avatar von Keala
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    Keala ist offline
    Im Weggehen hörte sie die hastigen Schritte, gefolgt von einem Würgen und einem Platschen. Erneut stöhnte sie genervt. Kein Wort, kein einziges verdammtes Wort hatte er darüber verloren, als sie Bescheid bekommen hatten, dass sie mitfahren durften, als sie das Schiff betreten und sich eingerichtet hatten, als sie ihre Aufgaben zugewiesen bekommen hatten ... aber kaum waren sie aus Thorniara raus gewesen, die erste hohe Welle hatte den Rumpf der Maiblume getroffen, war der Lehrer zur Reling gehechtet, wegen der Nässe ausgerutscht und ... Es blieb nicht viel zu sagen. Kea war nach dem Vorfall mehr als sauer. Das war noch erniedrigender als während ihrer Zeit als Sklavin!
    Sie stützte sich an der Wand, als sie sich unter Deck begab, massierte dann abwesend ihre Rechte. Alles in allem war ihr Laune mehr als mies, durch verschiedenste Faktoren begünstigt. Resigniert blieb sie stehen, schaute in den düsteren Raum. Von den Seemännern war keiner mehr wach außer der "Nachtschicht", das war ihr nur zu recht. Nur müsste sie noch ihre Hängematte finden, das war ungleich schwieriger. Schließlich machte sie sich auf den Weg, tastete sich voran, so gut es mit Handschuhen ging, fand ihre Habseligkeiten. Die nächste Schwierigkeit würde also die Hängematte selbst sein, die unbequem hoch hing. Natürlich hing sie hoch, das musste sie, damit man beim Schlafen nicht auf dem Boden lag, aber sie hing so hoch wie bei den anderen Seemännern, und das machte der Kleingeratenen zu schaffen. Einige Versuche waren nötig, bis Kea es hineingeschafft hatte, ohne das Gleichgewicht zu verlieren, aber wenigstens weckte sie niemanden dabei. Hoffentlich würde diese Überfahrt nicht allzu lange dauern, um Cyriths als auch um ihrer selbst willen.

  8. Beiträge anzeigen #248
    Schwertmeister Avatar von Cyrith
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    Cyrith ist offline
    Der Tag war überstanden, der Dieb hatte mit einigen Männern den Mast gereinigt und auf dieser hohen Arbeitsstelle musste er sich zum Glück weniger übergeben. Das wenige Essen das er heute verschlungen hatte war noch im Magen und so einigermaßen hatte er sich auch an diese verdammten Wellen gewöhnt. Sein Schakal schlummerte den ganzen Tag mehr oder weniger, den es gab wenig zu tun für das Tier. In Khorinis würden sie wahrscheinlich einige Befehle üben, damit der Schakal auch im Kampf nützlich war.

    Doch zu erst musste er wieder von diesem Schiff runter, lange würde er dies sicherlich nicht mehr aushalten. Hoffentlich würde Rethus in Khorinis auf sie warten, ansonsten würde es schwieriger werden den Glatzkopf zu finden. Seufzend blicke er auf den Himmel, die wenigen Sterne die zu erkennen waren glitzerten wunderschön und es war ein herrlicher Anblick dies alles zu sehen.

    Langsam fragte er sich was ihn alles auf Khorinis erwarten würde. Von einigen Leuten in Bakaresh hatte er mal von diesem Ort gehört, der ehemaligen Kolonie die dort das ganze Erz abgehauen hatten für den König. Lange ist diese Epoche her und in diesem Tal werden sicherlich nur noch Banditen oder irgendwas anderes sein, die dort Schutz suchen. Was wohl alles geschehen würde?

  9. Homepage besuchen Beiträge anzeigen #249
    Provinzheld Avatar von Fross
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    Fross ist offline
    Fross verstand es selbst nicht. Ihm war einfach bewusst geworden, was seine Aufgabe war. Im Grunde hatte er nichts damit zu tun gehabt, ausgenommen davon, dass er die ausführende Hand in diesem mysteriösen Schauspiel gewesen war. Er hatte den Sarg an Bord geschleppt und die Mannschaft der Scanderia zu Tode erschreckt; die Burschen mieden sie, als hatten sie sich in Scheiße gewälzt. Was taten sie hier eigentlich? Er hatte nicht den Hauch eines Schimmers.
    „Keinen Schimmer“, beantwortete Fross die Frage, doch irgendetwas saß ihm quer, und er merkte erst jetzt, wie quer es ihm saß. Was war es nur? Irgendwas, das mit Kialar zu tun hatte. Der Schattenlose schüttelte den Kopf, um ihn freizubekommen und das Ding zutage zu fördern, das er unbedingt wissen musste. Kialar, Kialar, Kialar…
    „Jetzt fällt es mir wieder ein!“, rief er laut und spürte förmlich, wie die halbe Mannschaft an Deck hinter ihm zusammenzuckte. „Die Hexe –“
    „Hexer“, berichtige Kialar ihn müde und fiel ihm dabei mitten ins wütende Worte.
    „Nein, Hexe“, sagte Fross. „Sie, nicht er. Sie hat nur so getan wie ein er. In Wirklichkeit ist sie eine sie.“ Sie hatte ihm etwas gesagt, das ihm schon wieder entglitten war und dann doch wieder einfiel: „Wieso hast du eigentlich einen Schatten und ich habe keinen?“ Dann zog er Bär aus seiner Tasche und hielt ihn über seine Hand. „Und wieso hast du eigentlich einen Schatten und meine Ratte hat keinen?“

  10. Beiträge anzeigen #250
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    Kialar ist offline
    Es war recht viel auf einmal, das Kialar nun erfuhr. Recht viel auf einmal, was auch sein Körper erfuhr, denn Müdigkeit schlug ihn nun mitten ins Gesicht. Er strauchelte fast, so sehr packte ihn die unmittelbare Erschöpfung, die sein Gewaltmarsch vom Bluttal nach Thorniara nun mit einem Mal einforderte. Seine Knie wackelten etwas, als er sich mit dem Rücken an der Reling niederließ und kurz seine Augen schloss, um aus dem Chaos, den der heutige Tag gebracht hatte, schlau zu werden.
    Der Hexer war eine Hexe. Ein Übel wurde durch das anderen eingelöst, das machte die Sache weder besser noch schlechter.
    Fross hatte tatsächlich keinen Schatten. Ihn überraschte weniger die Tatsache, dass der Nordmarer wohl ebenfalls bestohlen worden war - im Grunde genommen hatte er es schon lange gewusst -, als vielmehr jenes, das Kialar seinen eigenen Schatten zurückgewinnen konnte und ihn noch immer besaß. Er hätte angenommen, dass die Hexe diesen Pfand mit gewisser Hartnäckigkeit zurückhaben wollen würde, doch scheinbar war der Schatten nur ein kleiner Auftakt, eine kleine Laune gewesen, um sie gefügig zu machen. Selbst mit dem Schatten stand der Wüstensohn nicht unbedingt besser da als Fross.
    Fross hatte eine Ratte, die Ratte hieß Bär und diese hatte ebenfalls keinen Schatten. Das warf so viele Fragen auf, dass Kialar nicht mal einen Ansatz dazu entwickeln konnte.
    Um aber wenigstens auf eine Frage zu antworten „Ich habe meinen Schatten in einer Höhle zurückgeholt. Er war in einer Flasche versteckt…deine habe ich aber leider nicht gefunden, hm.“
    Fross nickte und hielt ihm noch mal die Ratte vors Gesicht, doch der Novize winkte erschöpft ab, denn er wusste es nicht. Er wusste gar nichts, nicht einmal wohin sie unterwegs waren. „Weißt du, wohin wir segeln?“, wollte er vom Nordmarer wissen, doch wiederum zuckte dieser nur mit den Achseln.
    Der Novize seufzte und hatte eine Idee. Zumindest der Kapitän müsste doch wissen, wohin es ging. Außerdem schien er seine Gedanken nun wieder klarer fassen zu können, so als wäre er von der Kontrolle der Hexe entlassen worden. Was ihm das mitten im Meer auf einem Schiff mit einem Sarg brachte, konnte nicht einmal sein Optimismus beantworten…

    „Herr Kapitän, wohin fahren wir eigentlich?“, sprach er den dürren Mann mit dem obligatorischen Kapitänshut an.
    „Was soll das heißen? Wisst ihr das nicht?!“, antwortete dieser mit leicht schwelendem Zorn.
    Fross, der sich neben ihn gesellt hatte, übte mit ihm gemeinsam ein weiteres Achselzucken.
    „Ihr seid mir vielleicht geisteskranke Vögel…findet es selbst heraus, wenn wir ankommen…!“, wütete er und murmelte „…falls wir überhaupt ankommen.“ Ein jäher Blitz in der Ferne, dessen Donner übertrieben laut zu ihnen schallte, ließ den Kapitän zusammenzucken. „Verdammte Scheiße…“
    „Sturm voraus.“, kam es vom Aussichtsposten über ihnen.
    „Danke…“, sprach der Kapitän bitter und flucht ein weiteres Mal.
    Als Fross und Kialar immer noch da standen, rief er endlich „Nach Gorthar, nach Gorthar!“ und sie zogen ab, um dem Schiffsoberhaupt den nötigen Platz zu bieten, seinem Unmut freien Lauf zu lassen.
    Etwas abseits stehend, fasste er für sich und Fross zusammen. „Eine Hexe hat uns dazu verleitet, einen Sarg nach Gorthar zu schaffen.“ Wortlos nahm es der Nordmarer zur Kenntnis und Kialar schüttelte unaufhörlich den Kopf, während er sich wieder an die Reling lehnte und gedankenverloren in den immer dunkler werdenden Himmel starrte.

  11. Homepage besuchen Beiträge anzeigen #251
    Provinzheld Avatar von Fross
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    Fross ist offline
    Nachdem Kialar ihm auf die Frage nach seinem Schatten keine bedeutende Antwort gegeben hatte und der Kapitän so freundlich gewesen war, ihnen das Reiseziel mitzuteilen – Gorthar, ein Ort, von dem Fross noch nie etwas gehört hatte – hatte Kialar sich unter Deck verkrochen, um eine Mütze voll Schlaf zu nehmen. Der Hüne selbst wollte derlei nicht in Anspruch nehmen, solange er noch stehen konnte. Ihm gefiel nicht, wie die Mannschaft ihn ansah, ihm gefiel nicht, wie sie flüsterten. So blieb er an Deck, lungerte an der Reling herum und starrte auf das Meer hinaus, dessen Horizont Thorniara schon lange hinter sich gelassen hatte.
    So unbewegt stand er da, dass eine einsame Möwe auf einer Kiste neben ihm landete und die Federn kurz plusterte. Fross drehte ihr den Kopf zu, ebenso Bär, der aus einer für ihn improvisierten Brusttasche lugte. Eine Weile sah er sie an, dann erhob sie sich wieder in die Lüfte und flog gen Thorniara. Fross hatte gehört, dass sich Möwen in Küstennähe aufhielten und nicht weit auf das Meer hinausflogen, dementsprechend konnten sie noch nicht weit sein.
    Gerade, als er sich umdrehte, wurde ein junger Mann in seine Richtung gestoßen. Die Stoßer machten sich so schnell vom Acker, wie ihre Fäuste den Rücken des Burschen verlassen hatten. Wie ein nasser Sack stand der Junge vor ihm und sie starrten einander an.
    „Ich“, begann der kleine, der kaum älter als fünfzehn sein konnte und fast den Kopf in den Nacken legen musste, um Fross direkt anzusehen. „Also, der Käpt'n“, sprach er weiter und zeigte mit dem Daumen über seine Schulter, drehte seinen Körper leicht in eben jene Richtung, als wollte er der Situation, Fross, entfliehen. „Ein Sturm, wir sind bald mitten drin.“
    Fross sah, dass sich vor dem Bug tatsächlich etwas zusammenbraute. Dem Donnergrollen hatte er noch nicht ganz getraut und einfach gehofft, dass sich das wieder verzog – denn er war Schifffahrten einfach nicht gewohnt, und sein Magen auch nicht.
    „Ich sehe ihn“, sagte Fross.
    „Der Käpt'n sagt, Ihr sollt unter Deck gehen … Herr?“
    Fross war noch nie in seinem Leben so förmlich angesprochen worden. Einerseits gefiel es ihm nicht schlecht, andererseits musste er sich abermals fragen, was in diese Seeleute gefahren war. Vermutlich die Hexe, das vermaledeite Miststück.
    Obwohl er lieber an Deck bleiben wollte – und dies auch definitiv tun würde, und wenn er sich mit einem Seil an die Relling festbinden musste – ging er unter Deck, um nachzusehen, ob Kialar noch schlief.

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    Fross ist offline
    Kialar schlief noch bis in den späten Abend hinein und Fross saß einfach nur auf seiner Hängematte und dachte nach. Dass man zwei Landratten wie sie nicht als Seeleute einsetzen würde, war klar gewesen, aber warum sie abseits der regulären Mannschaft einquartiert worden waren, war ihm ein Rätsel – und andererseits auch nicht. Nicht mehr. Nicht, seit er der Liebe teilgeworden war, die man ihm hier entgegenbrachte. Es war nicht nur pure Angst, sondern reinste Abneigung: Die wollten Kialar und ihn nicht hier haben. Also warum nahmen sie sie mit?
    Die Hexe. Bestimmt hatte sie wie immer ihre lange, blassen Finger im Spiel. Nicht nur bestimmt, ganz sicher, natürlich, auf jeden Fall. Die war ihm schon komisch vorgekommen, als er sie das erste Mal getroffen hatte. An diesem Eindruck hatte sich nichts geändert. Sie schien ihm eine Frau zu sein, die halt ihre Schergen brauchte, und sie verfügte über Magie, der er nichts entgegenzusetzen hatte. Sie hatte ihn sogar dazu gebracht, seinen Posten in der Stadtwache praktisch aufzugeben, indem er Tares bewusstlos schlug, nur, um hier sein zu können. Wenn er einer aus der Mannschaft gewesen wäre – und das wäre er jetzt lieber – hätte er auch Bedenken gehabt bei den Kerlen, die der Kapitän an Bord ließ und die einen schwarzen Sarg mitbrachten.
    Fross verbrachte eine halbe Ewigkeit im Frachtraum damit, ihn anzustarren und mit den Tieren zu reden. Bär hatte sich bereits verabschiedet und lungerte sicherlich in einem Sack voll Korn herum; wenn der Koch ihn fand, dann hieß es Adé, kleiner Bär, aber das war sein Pech. Eigene Dummheit. Da konnte Fross dann auch nichts dran ändern.
    Am schlimmste war es gewesen, durch den kurzen, aber heftigen Sturm zu segeln. Fross hatte gereiert, als hatte er so besonders viel im Magen gehabt, und er hatte sich tatsächlich mit einem Seil festbinden müssen, während See und Himmel ihm immer neues Wasser ins bleiche Gesicht peitschte. Kialar schlief durch. Glücklicher Bastard.
    Als das Meer langsam wieder zur Ruhe gekommen war, hatte Fross sich nach unten begeben, wie ihm geheißen worden war, und als er nun an den Quartieren der Mannschaft vorbei ging, hörte er etwas Seltsames.
    „Die haben den Jonas an Bord gebracht!“, hörte Fross eine Stimme sagen. Jonas? War das in irgendeiner Sprache ein Wort für 'Sarg', 'Kialar' oder vielleicht auch 'Hexe'? Vielleicht lag ja die Hexe im Sarg. Ihre Art zu reisen. Aber nein, der Sarg war schon schwer gewesen, bevor sie verschwunden war.
    „Daher der Sturm“, sagte ein anderer. „Das Wetter war gut, bis sie den vermaledeiten Sarg an Bord gebracht haben. Dann kamen die Blitze und die Wellen.“
    „Das sind Hexer, die Männer!“, sagte die erste Stimme wieder und eine ganz neue warf beschwichtigend ein – und Fross nickte innerlich: „Der eine ist aus Nordmar. Ich glaube nicht, dass er ein Hexer ist. Außerdem trägt er eine Uniform aus Thorniara. Der ist ein Mitglied der Stadtwache. Die laufen nicht rum und sind Hexer.“
    „Natürlich sind sie das!“, sagte die erste Stimme, nun fester, lauter, beinahe fanatisch. „Das ist nur Lug und Trug, damit man ihm vertraut. Wenn er zur Wache gehört, was macht er dann hier? Der ist genauso ein Hexer wie die Alte, die dem Käpt'n die Tiere hat eingehen lassen.“
    „Und sie haben den Jonas an Bord gebracht“, sagte Stimme Nummer zwei ein weiteres Mal. Fross wusste immer noch nicht, was ein Jonas war. Aber bitte, sollten sie nur weiterreden.
    „Der Jonas liegt in ihrem Sarg“, sagte der erste dann. Und Fross war ernsthaft verwirrt. Das Gespräch ging noch weiter – ein Mann beschwerte sich, dass er wegen ihm und Kialar beinahe über Bord gegangen war – aber Fross hörte nicht mehr zu. Er eilte in das Quartier, das Kialar und er teilten, und rüttelte den Sandmann wach.
    „Kennst du Jonas? Die Leute sagen, der liegt in unserem Sarg, das arme Schwein. Ein Freund von denen ist er nicht. Aber woher wissen die das?“ Und dann: „Meinst du, sie haben in den Sarg geschaut?“

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    Kialar ist offline
    „Was, Jonas…wer?“, schreckte Kialar aus dem Schlaf und rieb sich verwirrt die Augen. In seinem Traum war er auf dem Hof gewesen. Es hatte Frühling geherrscht, Freude und die Arbeiten waren gut vorangegangen. Doch das Knarren der Dielen um ihn herum und der Lärm, der über ihm auf der Takelage herrschte, sowie die Wellen, die stetig an Unruhe zunahmen, rissen ihn zurück in die Realität. Er war nicht am Hof, er war gefangen auf einem Schiff mit einem Sarg und einer Aufgabe, die er nicht verstand.
    „Ich kenne keinen Jonas.“, sagte er und richtetet sich endlich auf, um Fross ins Gesicht zu schauen. „Oh Innos, sie haben den Sarg geöffnet?!“
    „Haben sie?“, erwiderte Fross, doch der Novize war noch zu sehr in Schlafwelten verstrickt um zuzuhören, hechtete aus dem Bett, um nur kurz darauf zu schwanken und umzukippen. Das Schiff hatte einen neuen unruhigen Kurs aufgenommen und das Gleichgewicht des Wüstensohns wurde dieses Umstandes erst jetzt gewahr. Er stieß sich beim Hinfallen glücklicherweise nur leicht den Kopf, ächzte, richtete sich aber sofort wieder auf und suchte den Weg zum Lagerraum. Die festen Schritte Fross’ folgten ihm. Im Stauraum angekommen standen ein paar Leute um den Sarg, scheinbar rätselnd und noch immer in einer Diskussion verstrickt.
    „Sollen wir ihn öffnen…?“
    „Von wegen Öffnen, so was bringt Unheil!“
    „Haben wir nicht schon Unheil genug?!“
    „Verdammt, wir müssen das Ding loswerden…“
    „Sowas kannst du doch nicht machen, du hast ja gesehen…“
    Fross und Kialar räusperten sich und es herrschte plötzlich eisige Stille, als sich die Anwesenden umdrehten. „Scheiße, jetzt verfluchen sie uns…“, sagte einer davon.
    „Wir wollten nicht!“, verteidigte sich ein anderer.
    „Ihr wolltet nicht und werdet nicht.“, sprach Kialar in seinem hartnäckigsten Befehlston, während Fross seine riesige Präsenz in den Vordergrund rückte.
    Einer der Männer war aber doch mutig und trat entschlossen vor „Ihr bringt Unheil über unser Schiff!“ und ein paar der anderen schloss sich kleinlaut an.
    Der Wüstensohn hatte keine Ahnung, wie er dem entgegnen konnte und entschied sich für die ehrliche Variante „Hört zu, wir sind selbst nicht gerade glücklich über die Situation. Das einfachste ist, wenn alle Beteiligten Ruhe bewahren und wir möglichst schnell in Gorthar ankommen.“
    Er erntete ein paar seltsame Blicke, aber der Konflikt schien zumindest aufgeschoben, denn die Männer sagten daraufhin nichts, traten an ihnen im großen Abstand vorbei und gingen wieder auf das Deck.
    Kialar seufzte und wandte sich an Fross. „Das ist wohl noch nicht vorbei, wie?“

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    Fross ist offline
    „Was ist an Jonas so wichtig?“, fragte Fross und trat drei Mal vorsichtig gegen den Sarg. „Und wenn sie den Sarg nicht geöffnet haben, woher wissen sie, wer drin liegt?“ Konnte auch was ganz anderes drin sein. Gold zum Beispiel, Diamanten oder Rätselkarten. Der Hüne fühlte sich versucht, den Sarg zu öffnen. Wenn Kialar ihn aufhalten wollte, sollte er es versuchen.
    „Ich mach mal auf“, sagte er finalistisch. Kialar legte ihm eine Hand auf den Arm.
    „Das wirst du nicht“, sagte er ernst. „Du kannst den Sarg nicht öffnen.“
    „Wieso nicht? Die Hexe ist nicht hier.“
    „Sie hat Augen überall“, sagte Kialar geheimnisvoll und runzelte dann die Stirn, als wusste er selbst nicht ganz, wovon er da redete. „Wir dürfen den Sarg nicht öffnen. Niemand darf den Sarg öffnen. Darauf habe ich Acht zu geben.“
    Fross wusste nicht, was er darauf entgegnen sollte. Er stieß Kialar mit dem Ellenbogen beiseite und machte sich daran, den Sarg zu öffnen, was sich als nicht besonders einfach erwies, da er fest vernagelt war. Er musste irgendwie die Nägel da raus kriegen.
    „Hilf mir“, sagte er zu Kialar, doch der bewegte sich kein Stück. „Wir sollten wissen, was da drin ist.“
    „Was ist wohl in einem Sarg?“, entgegnete der Sandmann und zuckte mit den Schultern.
    „Es ist der Sarg, den wir für eine Hexe eskortieren“, sagte der Hüne, „es könnte alles darin sein.“
    „Es ist eine Leiche in dem Sarg“, sagte Kialar. Fross seufzte.
    „Und woher willst du das wissen?“, wollte er wissen.
    „Ich weiß es einfach.“ Kialars Stimme wirkte überzeugend. „So, wie ich wusste, dass ich nach Thorniara muss. So, wie du wusstest, dass du zu diesem Schiff hier musst. Ich weiß es.“
    Das klang logisch. Auf seine eigene Weise.
    „Also liegt tatsächlich Jonas in diesem Sarg?“, fragte er und deutete auf das schwarze Ding.
    „Ich weiß nicht“, gestand Kialar. „Ich weiß nur, dass da eine Leiche drin ist.“
    Fross musste sich damit zufrieden geben.

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    Kialar ist offline
    …und wieder standen Fross und Kialar am Sarg und betrachteten das rätselhafte, schicksalsträchtige Ding aus Holz, dessen Inhalt sie zwar nicht kannten, aber doch besser nicht ergründen wollten. Zumindest war das die Ansicht des Novizen, der sich auch vor dem Zorn der Hexe fürchtete, die dem Treiben sicher nicht einfach so tatenlos beiwohnen würde. Ein heftiges Schwanken des Schiffes und laute Rufe von oben, lockten die beiden dann doch noch auf das Deck um zu sehen, was geschah.
    Es regnete, es stürmte, eben ein klassisches Unwetter auf See und die Crew eilte panisch umher, versuchte dies und das zu richten, wobei der Novize beim besten Willen nicht feststellen konnte, was sie eigentlich taten. Jedenfalls herrschte höchste Alarmbereitschaft. Stimmen tönten durch das Getöse, der Kapitän schrie wilde Befehle durch die Gegend und das Schiff riss von einer zur anderen Seite, von den Wellen umhergeworfen wie ein simples Spielzeug.
    „Verschwindet runter!“, wandte sich ein großer Matrose an sie.
    „Wir…“, wollte gerade Kialar antworten, wurde aber heftig zur Seite gestoßen, als das Schiff urplötzlich auf eine große Welle traf. Ein Schrei ertönte von einer Seite des Decks, gefolgt von Hilferufen. Der Wüstensohn hatte alle Orientierung verloren und schwankte inzwischen vollkommen durchnässt in Richtung dieser Rufe. Wo Fross war, wusste er nicht.
    Seine Hände ertasteten Reling und er blickte um sich. Ein paar Meter weit entfernt, kämpfte einer der Crew-Mitglieder ums nackte Überleben. Gerade noch mit einer Hand an ein Seil gekrallt, suchte er sich wohl wieder auf das Schiff zu hieven, während ein anderer Matrose damit beschäftigt war, das Seil nicht loszulassen, was in dem Tosen rundherum fast unmöglich. Mit einer Zielstrebigkeit kämpfte sich Kialar Schritt um Schritt voran, bis er endlich so weit war, seine unterstützende Kraft zu dem Kampf um den Mann am Seil hinzuzufügen. Gemeinsam zogen sie, doch seine Kraft war einfach nicht ausreichend genug.
    Wo steckte Fross nur?

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    Fross ist offline
    Fross packte Kialar von hinten mit einem Arm, mit dem anderen umarmte er die Reling, und mit vereinter Kraft zogen sie den vom Schicksal Begünstigten wieder hoch. Einen Augenblick lang herrschte Schweigen zwischen den Männern, die gerettet hatten und dem Geretteten. Der blickte, als war er gerade doch über die Reling ins Wasser geflogen.
    Als der Bug gegen die nächste Welle stieß, wurden sie an die Situation erinnert, und Fross zog und schleppte Kialar zurück unter Deck, wo sie klatschnass auf der Treppe hocken blieben.
    „Er hat doch gesagt, geht unter Deck“, sagte Fross. „Dass du auch nie zuhörst.“
    Sie gingen in ihre Kajüte, wo Fross bis auf die Unterwäsche seine nasse Kleidung los wurde und über eine Leine hängte, die er zwischen den beiden Hängematten gespannt hatte. Dann legte er sich auf die seine und lehnte sich zurück. Obwohl das Schiff immer noch wankte und wackelte, ging es ihm gut. Keine Übelkeit. Dies verdankte er der Gewissheit und der steten Wiederholung der Tatsache, dass er nichts im Magen hatte.
    „Ich habe nichts im Magen“, flüsterte er sich zu. „Wo nichts ist, kann auch nichts raus kommen.“ Und so beruhigte er sich, obwohl er langsam begann, dass Meer zu hassen, dass ihn schon mehr als einmal betrogen hatte. Was bei Innos suchte er eigentlich hier? Er konnte nicht einmal schwimmen, also warum befand er sich auf einem Schiff?
    Diese Hexe! Sie hatte ihm das angetan.
    Fross wartete einige Augenblicke, dann sah er sich nach Kialar um, der in seiner Hängematte schlief, als war alles in Ordnung. Gut, dachte sich Fross, sollte er das denken. Er würde in der Zwischenzeit tun, was das Richtige war, und schlüpfte in Unterhosen in den Lagerraum. Dort stand er, der schwarze Sarg, und Fross brauchte nicht lange, um ihn aufzubrechen, mit all den Gerätschaften, die bereit zur Nutzung hier herumlagen. Als auch der letzte Nagel aus dem Holz entfernt war, öffnete er den Sarg – und sah einen Mann darin liegen. Er sah friedlich und grauenhaft zugleich aus, mit seiner grauen Haut und dem stumpfen schwarzen Haar. Der Hüne konnte sich nicht entscheiden, ob er schon lange tot war oder erst seit kurzem, denn seine Haut – er drückte mit den Fingern darauf – war weich. Und sie war warm. Dieser Mann war definitiv nicht tot. Er schlief nur, wie es schien.
    Damit Kialar nichts bemerkte, und weil er irgendwie fand, dass ihn die ganze Sache doch nicht so viel anging, nagelte er den Sarg wieder zu und hoffte, dass keiner seinen kleinen Exkurs in den Lagerraum bemerkt hatte, als er in das Quartier zurückkehrte.
    Er war lebendig, dachte Fross unwillkürlich, als er wieder in seiner Hängematte lag, in eine dünne Decke gewickelt. Er war nicht tot, er war lebendig.
    Kialar hatte ihn angelogen.

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    Kialar ist offline
    Es herrschte Dunkelheit auf dem endlosen Meer und auch die Stimmung am Schiff war deutlich getrübt. Ihre Rettungsaktion hatte ihnen nur wenig Zeit verschafft, die Gunst etwas zu heben, aber letztlich war wieder Misstrauen ihnen gegenüber entstanden. Die Schiffscrew war ungeduldig, nervös und schon machten die ersten Gerüchte die Runde.
    Sie hatten den verfluchten Sarg auf das Schiff gebracht, waren Hexer, machten seltsame Rituale in der Nacht, hatten jemanden zu einer Schwalbe verwandelt, würden schlechtes Wetter bringen und überhaupt…
    Fross und Kialar hatten überdies keine Wunderwaffe gegen diese abenteuerlichen Anschuldigungen. Wie konnte man auch beweisen, etwas nicht gemacht zu haben?
    Somit stand der Novize mit etwas Ungemach an der Reling, während ein weiterer Sturm im Anmarsch war. Das Wetter schien ihre Situation auch nicht zu verbessern und die ohnehin seltsame Stimmung der Mannschaft schien mehr und mehr zu kippen. Der Wüstensohn sorgte sich und auch Fross schien nicht ganz zufrieden mit ihrer Rolle auf dem Schiff.
    Er hörte einen Eimer kippen, welcher plötzlich gegen ihn stieß. Mit gerunzelter Stirn versuchte er das Stück aufzuheben und bemerkte aus dem Augenwinkel wie der vermeintlichen Attentäter mit unheilvollem Blick in seine Richtung sah. „Äh…behalt ihn ruhig.“, sagte er daraufhin und zog mit leisen Schritten ab. Tatsächlich schien die ganze Mannschaft einen Bogen um sie zu machen und selbst der Kapitän wimmelte sie mit raschen Worten ab, wenn es darum ging, herauszufinden, ob sie noch auf Kurs waren.
    Hinter ihrem Rücken wurde getuschelt und der Wüstensohn wartete nur auf den Moment, bis das Fass überlief. Missgestimmt entschied er sich in die Kajüte zu gehen.
    Ungeachtet stieß er beim Hinabsteigen gegen einen Matrosen. „Verdammt, wer…?!“, wütete dieser los und der Novize sah sich augenblicklich mit seinem Gegenüber rangeln. Er wusste selbst nicht, was er tat, aber mit einem Mal sah er sich nach hinten kippen und als er das nächste Mal aufstand ging ein Raunen durch die umliegenden Crewmitglieder.
    Über seiner Hand schwebte ein kleines Feuer, er strömte förmlich über von Magie und unkontrollierbarer noch dazu! Sein Puls schnellte in die Höhe, seine Hände zitterten und einen Moment lang tanzten kleine schwarze Flecken vor seinem Augen. Unangenehmes Schweigen lag in der Luft und mit einem Mal hörte er, wie sich langsam jemand näherte. Es war Fross und selbst dieser schien von seinem Verhalten beunruhigt.
    Was tat er hier nur?

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    Fross ist offline
    Kialar trug nicht zu einer Verbesserung der allgemeinen Situation bei.
    „Hast du nicht pro-Mannschaft gepredigt?“, fragte er den Sandmann und tippte ihm auf die Schulter. Dies schien den jungen Mann nur noch mehr in Rage zu bringen – wobei, war Rage das richtige Wort für den Zustand, in dem er sich befand? Er schien einfach nur ernsthaft die Schnauze voll zu haben. Dabei sollten sie bald in Gorthar ankommen, kein Grund, sich jetzt noch Ärger zu machen.
    „Seht ihr?“, sagte da ein Alter. „Er ist ein Hexer!“
    „Er wird das Schiff niederbrennen!“, schrie ein Jüngerer.
    Kialar sah sich in einer unhaltbaren Situation, eingekesselt von den Männern, die ihn nicht durchlassen wollten. Die Flamme in seiner Hand wütete weiter, leckte die schlanken Finger des Mannes hinauf, während dieser sich mit Müh und Not zurückzuhalten schien. Fross machte Nägel mit Köpfen: Er holte einen Eimer Wasser und kippte ihn über Kialars Hand. Das Feuer erlosch und Fross merkte, dass das gar keine so gute Idee gewesen war. Denn jetzt fühlte sich die Mannschaft nicht nur bestätigt, sondern auch in der Übermacht. Er wusste nicht, wie viele von ihnen sich auf ihn stürzten, aber Fross ergriff die Leiter nach unten, schwang sich darauf und machte sich geschwind auf den Weg ans Oberdeck, während Innos weiß was mit Kialar geschah. Oben hatten die Matrosen noch nichts mitbekommen, aber das sollte sich bald ändern, denn Schreie drangen von unten an die Frischluft und wer sonst sollte Schuld daran sein als einer derjenigen, die sowieso Schuld an allem waren?
    Dennoch konnte Fross den Häschern entgehen, die den Rufen des Kapitäns zum Trotz weiter Jagd auf den Hünen machte, der sich einmal um die Takelage schwang und auf dem harten Brett landete, dass er zuvor noch nicht gesehen hatte. Wo kam dieses Brett her?
    Ein Blick nach unten zeigte ihn die See, die wieder zu toben begann. Kein guter Ort, um sich aufzuhalten, doch vor ihm versperrten die Mitglieder der Mannschaft den Weg und er sah, wie Kialar von mehreren Matrosen begleitet an Deck gebracht wurde, hinterdrein der Sarg. Die Männer machten sich gerade daran, den Sarg einfach über die Reling zu werfen.
    „Der darin lebt!“, brüllte Fross über das Donnern hinweg, „Jonas lebt!“
    „Es ist also der Jonas!“, schrie die Menge und Fross wusste sich nicht zu helfen. Hatten sie nicht gesagt, dass es sich um Jonas handelte? Waren sie bereit, einen Mord zu begehen, nur um den Kerl loszuwerden? Sie waren es: Wie in Zeitlupe sah Fross zu, wie der Sarg in die Fluten fiel und schwimmend darauf zu liegen kam. Als etwas in ihm alle Hemmungen verlor – sowie das Wissen um die Tatsache, dass er nicht schwimmen konnte. Er sprang seitlich von dem Brett in Richtung Sarg, kam klatschend auf dem eiskalten Wasser auf und hundeschwamm zu dem hölzernen Endvehikel, an dem er sich prustend und Wasser spuckend festhielt. Der Sarg durfte nicht verloren gehen!

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    Kialar ist offline
    Es ging alles schneller, als sein Geist es fassen konnte. Gerade war er noch kurz davor gewesen, seinen Eid Innos’ zu brechen und dem Tier in ihm den Vorzug gegeben, da hatte Fross schon alles geklärt. Damit war aber wohl endgültig der letzte Grund für die Mannschaft gegeben, all ihr Unglück in form des Sarges und der beiden Begleiter über Bord zu werfen. Wie ein dunkler Chor schien die Mannschaft ein Unheilvolles Lied zu singen. „Jonas über Bord!“ und unaufhaltsam näherte er sich, von der Menge getragen und vollkommen hilflos, stetig der Außenplanke, die ins pure Schwarz zu führen schien. Selbst der Kapitän tat nichts gegen die aufbrausende Menge und schon landete der Sarg in den Fluten des eiskalten Meeres.
    „Nein, nein, nein!“, ratterte es in seinem Kopf. Es schien eine Unendlichkeit zu dauern, bis er endlich im Nass landete und ihn die Endgültigkeit des kalten Meeres umschloss.
    Prustend und hilflos mit Armen und Beinen strampelnd suchte er sich über Wasser zu halten. Panik rannte alle Türen ein und wie ein nasser Sack, sah er sich in die unbarmherzige Tiefe des Meeres sinken, doch in diesem seltsamen Moment kam ihm plötzlich ein Licht und langsam kämpfte er gegen die Fluten an. Mit neugewonnener Kraft riss er sich zusammen und schaffte es irgendwie an die Oberfläche.
    Das Bild, was sich ihm nun bot, war jedoch alles anderes als befreiend. Das Schiff war schon außer Sicht, überall nur tiefste Schwärze, unruhige See und…ein Strampeln, gefolgt von den Lauten eines mit dem Wasser hadernden Wesens. Kialar wusste in diesem Moment nicht, wer es was, obwohl die Auswahl denkbar gering ausfiel, doch als er die roten Haare aufleuchten sah, beschleunigte er sein Tempo. Jeder Schlag war mühevoll und kostete ihm Zeit, die er nicht hatte und endlich erreichte er den Hünen, der sich verzweifelte in eine bestimmte Richtung zu bewegen versuchte, ohne dabei eine sonderlich geübte Figur zu machen, doch was immer es war, was er so hilflos suchte, es war weg.
    Der völlig durchnässte Novize wunderte sich in diesem Moment nicht, warum der Nordmarer nicht schwimmen konnte, sondern versuchte bestmöglich Hilfe zu leisten. Erst jetzt wurde ihm klar, welch imposante Schwere Fross mit sich trug und haderte, nicht selbst mit dem panisch herumwerkenden Nordmarer mit unterzugehen…es war sinnlos. Er hatte einfach keine Kraft, um Fross über Wasser zu halten. Einen kurzen Moment lang, wollte er alles hinwerfen, aufgeben, sich in die Tiefen sinken lassen, dann blitze es aus der Ferne auf und wie ein von Innos’ gesandtes Symbol konnte man den Sarg nicht weit entfernt an der Meeresoberfläche treiben sehen. Ihre einzige Rettung war eine Kiste mit einer Leiche und er griff nach diesem so makabren Strohhalm.
    Wie ein Berserker schwamm in dessen Richtung und hievte sich darauf, um kurz darauf die Beine strampeln zu lassen und den denkbar unmöglichen Bootersatz in Richtung Fross zu lenken, der sich kaum mehr oben halten konnte. Nur behäbig ließ sich das zweckentfremdete Objekt steuern, doch mehr und mehr näherte sich seinem Freund…

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    Provinzheld Avatar von Fross
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    Fross ist offline
    Das war's, dachte Fross. Mal wieder. So schön es auch anzuschauen war, Wasser war einfach nicht sein Freund; es wollte ihn tot sehen. Seine Waffenknechtsuniform machte die Angelegenheit nicht hoffnungsfroher, denn sie sog sich mit Wasser voll und zog ihn nach unten, immer weiter in die Tiefe, die ihm Ruhe gönnte, sobald er einmal losgelassen und seinen Körper entspannt hatte. Unter Wasser hörte er das Rauschen und den Regen nicht, der auf die Oberfläche trommelte; er spürte, wie ihn sanft die Wellen trugen und lauschte dem Lied, das das Lied aller Ertrunkenen war. Müdigkeit breitete sich in dem Hünen aus und er sank wie ein Stein, wie ein Bleigewicht…
    Er atmete Luft. Er spuckte das Wasser aus seinen Lungen und hielt sich an dem Sarg fest, der ihnen nun als hölzernes Vehikel diente. Es war Kialar, der ihn nach oben gezogen hatte, und gerade in diesem Moment wusste Fross nicht, ob er ihm dafür danken oder den Schädel einschlagen wollte. Es war dort unten so friedlich gewesen…
    „In welche Richtung geht es nach Gorthar?“, brüllte Kialar über das Tosen des Sturms hinweg, der sie über eine Welle nach der anderen trieb.
    „Keine Ahnung“, brüllte Fross zurück und spuckte noch etwas Wasser aus. Immer wieder versanken sie in den Wellen, aber Fross durfte den Sarg nicht loslassen. Er klammerte sich an den Gedanken, dass er sich nur daran festzuhalten brauchte und alles würde wieder gut werden. Ob ihm dieser Gedanke von der Hexe eingepflanzt worden war oder nicht, er war beruhigend. Als plötzlich …
    „Ist da Land?“, rief Fross, griff einmal über den Sarg, um sich besser halten zu können, und deutete mit der anderen Hand in die Richtung, in der er festen Boden vermutete. Kialar konnte ihm diese Frage nicht beantworten, doch auch er schien die Sicht nicht für eine Fatamorgana zu halten und sie strampelten mehr oder weniger strategisch in Richtung fester Boden – so sie hofften.

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