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    Deus Avatar von John Irenicus
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    Post [Story]Muido

    „Hoch auf dem gelben Wagen
    Sitz’ ich beim Schwager vorn.
    Vorwärts die Rosse jagen.. oder war es traben? Ach, egal…“

    „Naja, traben wäre eigentlich logischer.“

    Mud schreckte hoch und wäre beinahe mitsamt seinem kleinen Höckerchen im Halbdunkel umgekippt, wenn er nicht rechtzeitig nach der Tischkante geschnappt hätte. Nichts war ihm peinlicher, als beim Singen erwischt zu werden. Außer vielleicht, wenn er beim Verrichten seiner Notdurft überrascht wurde. Dann schubsten sie ihn nämlich immer.
    Er blickte seinen Besucher an. Der Mann war älter als er, wie wohl fast alle hier. Er war unauffällig, dunkles Haar, ein paar Bartstoppeln. Nicht schlechtaussehend. Er machte alles in allem einen netten Eindruck – bis er anfing, seinem Unmut gehörig Luft zu machen.
    „Hör mal, ich will’s kurz machen“, meinte er, „ich habe nämlich so langsam keinen Bock mehr auf den Kram. Wenn ich gewusst hätte, was das für eine verdammte Scheiße ist, die mir diese Schrulle da aufgehalst hat… also, ich weiß ja was jetzt kommt, aber egal, ich muss es ja fragen: Heißt du zufällig Muido? Oder weißt du, wo dieser Typ bei Beliar steckt?“
    Mud klappte die Kinnlade herunter. Er war froh, dass er sich noch am Tisch festhielt, denn sonst wäre er wohl hintenüber gekippt.
    „Muido…“, wiederholte er ungläubig. In seinem Kopf fing es an zu rattern wie in einem nach etlichen Jahren der Pause frisch aufgezogenen Uhrwerk. Längst vergessene Rädchen begannen sich wieder zu drehen, griffen ineinander und wirbelten so jede Menge Staub auf.
    „Also nich’“, stellte der Andere fest und machte schon kehrt, doch Mud war gerade noch rechtzeitig aufgesprungen um ihn aufzuhalten.
    „Warte!“
    „Wie? Was denn noch? Junge, ich muss weiter, ich will diesen Mist jetzt endlich erledigt haben.“
    „Ich bin Muido!“
    Der Mann lehnte sich an den Türrahmen und blickte Mud äußerst skeptisch an.
    „Du?“, fragte er mit einem unterdrückten Lachen, „bei all dem Trallafitti habe ich jemand wichtigeren erwartet, nicht so ein – sorry – Würstchen wie dich.“
    Mud war geneigt, sein Gegenüber anzufassen um ihn auf keinen Fall einfach so ziehen zu lassen, aber er beherrschte sich. Als er den Mann genauer musterte, erkannte er, dass dieser einen ziemlich großen Sack aus Leinen geschultert hatte.
    „Aber es ist wahr!“, sagte er und ballte vor Körperspannung die Fäuste, „Ich heiße Muido!“
    „Nu komm, komm, komm“, meinte der Dunkelhaarige beinahe väterlich, „ich will diesen Mist hier zwar loswerden, aber meine Aufgabe will ich schon wie aufgetragen erfüllen. Hat was mit Anstand zu tun. Ich meine, hör mal: Ich frage hier schon die ganze Zeit rum, wo Muido ist, dann kennt ihn angeblich keiner, und jetzt, nur ein paar Schritte vom Eingangstor der Burg entfernt, quasi nahe eines zentralen Punkts dieses komischen Lagers hier finde ich ihn? Da passt doch irgendetwas nicht zusammen. Findest du nicht auch?“
    Seine Überlegungen hatten etwas Entlarvendes, doch Mud wollte nicht so schnell aufgeben. Immerhin sagte er doch die Wahrheit!
    „Unter meinem richtigen Namen kennt mich hier kaum einer“, erklärte er missmutig, „alle nennen mich Mud. Immer nur Mud. Muido hat mich seit Ewigkeiten keiner mehr genannt.“
    „Aha, so ist das also. Mud.“
    Der recht kräftige Kerl grinste, wirkte aber immer noch nicht so richtig überzeugt. Er verlagerte seinen Stand nun so, dass er an die andere Seite des Türrahmens lehnte, als wollte er den Sack, der hinter seinem Rücken von seiner Schulter baumelte, verbergen.
    Er sah Mud eindringlich an. Dieser spürte, wie ihm einzelne Schweißperlen aus den Achselhöhlen die Arme herunterliefen und dann und wann in seinem Hemd hängen blieben. Das passierte immer, wenn er nervös war. Er hasste es.
    „Naja, wenn ich es mir recht überlege…“, begann der Fremde zögerlich und packte Mud dann am Arm, der zunächst erschrocken zurückwich.
    „Keine Angst, ich will dir nichts“, beruhigte er ihn, „du scheinst auf die Beschreibung dieser Alten zu passen, aber bei dem Licht hier kann ich das nicht genau erkennen. Komm halt mal raus hier aus der Kaschemme.“
    Etwas widerwillig ließ sich Mud aus seiner Hütte ziehen. Um diese Zeit verließ er sie nicht gerne – draußen war einfach noch zu viel los.

    Das Licht blendete ziemlich, Mud musste die Augen zusammenkneifen. Trotzdem tat es ihm sehr gut, die warmen Sonnenstrahlen auf dem Gesicht zu spüren. Erleichtert stellte er fest, dass niemand in der unmittelbaren Nähe von ihnen war.
    „Schmächtig, straßenköterblond, kleiner Oberlippenflaum… passt“, zählte der Typ auf.
    „Du bist mein Mann!“
    Mud war aufgrund der Wortwahl peinlich berührt.
    „Wie meinst du das?“, frage er und kratzte sich dabei verlegen am Kopf.
    „Hast du doch gerade selbst gesagt“, antwortete der Fremde, „Jetzt sag bloß nicht, du willst hier alles wieder auf den Kopf stellen oder was? Du bist doch Muido, meintest du gerade noch.“
    „Aber ja, ja, das stimmt“, sagte Muido rasch.
    Es fühlte sich komisch an, dass sein Name nun schon so oft gefallen war. Es weckte in ihm bestimmte Gefühle von Heimat. Geborgenheit. Das, was der Mann vor ihm dann erklärte, fügte sich perfekt dazu, wie ein fehlendes Puzzlestück.
    „Tja, dann habe ich hier jetzt was für dich“, verkündete er sichtlich erleichtert, nahm den leise scheppernden Sack von seiner Schulter und lehnte ihn behutsam an die Außenwand Muds kärglicher Behausung.
    „Von der werten Frau Mama“, fügte er augenzwinkernd hinzu.
    „Von Mama?“, entfuhr es Mud, dessen Aufregung nun kaum noch Grenzen kannte. Sein Herz klopfte schnell und kräftig.
    „So isses“, bestätigte der Fremde und zog ein zusammengerolltes Papier aus seiner Weste hervor.
    „Das hat sie mir auch noch mitgegeben. Ich will ja nicht drängen, aber da steht wohl auch was über meine Belohnung fürs Überbringen drin. Sonst hätte ich das ja auch gar nicht gemacht – schlimm genug, dass ich hier in diese Scheißbarriere gestoßen werde, da habe ich ja eigentlich keinen Bock, auch noch die Problemchen der braven Bürger von draußen zu regeln. Aber ich dachte mir, wenn ich hier schon mit Nichts beginne, kann ich vielleicht schnell was abgreifen. Dann hilft man ja gern. Wenn du die Nachricht dann also mal zuerst lesen würdest…“
    Mud nahm den Brief an, entrollte ihn und las ihn sich stumm durch.


    Lieber Muido,

    es tut uns Leid, dass wir uns erst jetzt melden. Aber Schätzelein, du glaubst nicht, wie aufwändig und teuer das ist, die Erlaubnis für so etwas zu bekommen. Aber man hat’s ja, und du bist es uns wert, Schnuckelchen!
    Wir hoffen, du kommst einigermaßen in dieser furchtbaren Kolonie zurecht! Bitte bleib stark! Du weißt, selbst wenn wir das Urteil erfolgreich anfechten könnten, diese Barriere muss erst fallen, damit du zu uns zurückkehren kannst. Wir haben aber die besten Magier des ganzen Landes damit beauftragt, nach einer Lösung zu suchen!
    Halt dich bloß von allen Unholden fern, hörst du?
    Damit es dir nicht zu schwer fällt, haben wir dir ein paar deiner Sachen geschickt und noch ein paar Geschenke dazugetan. Wir hoffen, sie gefallen dir! Außerdem haben wir dir Großmutters altes Amulett mitgeschickt. Es ist nicht magisch, doch jede Menge wert! Hoffentlich kannst du dir damit einen erträglichen Lebensstandard finanzieren und musst nicht in der Gosse leben. Für einen Mann deines Standes geziemt sich das nicht – auch nicht in einer Gefängniskolonie.
    Wenn du diesen Brief liest, hat die Übergabe also geklappt. Wer immer dir die Sachen überreicht hat, bitte gib ihm den Lederbeutel aus dem Sack als Belohnung.
    Lass nicht von anderen auf dir herumtrampeln, geh Ärger lieber aus dem Weg. Lass dich nicht mit diesem Koloniegesockse ein, hörst du? Diese unverschämten Unterschichtler pressen den König mit ihren Forderungen geradezu aus, und er entlohnt sie auch noch fürs Nichtstun! Mit solchen Schmarotzern willst du gar nichts zu tun haben!
    Ferner sollst du wissen, dass wir dich lieben. Sei artig.

    Mama & Papa



    Muds Herz schlug jetzt sogar noch schneller. Seine Eltern hatten ihm einen Brief geschrieben und Geschenke geschickt! Endlich wieder seinen echten Namen zu hören und zu lesen machte ihn glücklich. Es war ein Lichtblick im grauschwarzen Alltag der Kolonie, in der er doch niemanden hatte, an den er sich wenden konnte. Er drückte das Briefpapier mit beiden Händen zärtlich an seine Brust und schloss die Augen. Ja, ab heute sollte er wieder Muido heißen. Von den anderen brauchte er sich überhaupt nicht so gängeln zu lassen. Schluss mit Mud. Es sollte wieder nur noch Muido geben.
    Seine sehnsuchtsvollen Gedanken wurden allerdings vom Überbringer dieses Briefs durch ein Räuspern unterbrochen. Mud öffnete die Augen wieder.
    „Äh… ich will ja nicht stören“, merkte der Bote an, „aber was ist denn nun mit meiner Belohnung? War immerhin nicht einfach, in einer Kolonie voller Dreckskerle und Viecher den Kram heile hier hinzubringen.“
    „Ja, ja, natürlich!“, erwiderte Mud rasch und griff nach dem großen Leinensack, um das Band was diesen oben zusammenhielt zu lösen. Seine Hoffnung, nicht lange herumkramen zu müssen, erfüllte sich. Direkt obenauf lag ein prall gefüllter Lederbeutel. Er nahm ihn heraus und schnürte den Sack notdürftig wieder zu – den Rest würde er sich alleine in seiner Hütte anschauen.
    „Hier, bitte sehr.“
    Mud reichte dem Fremden seinen verdienten Lohn.
    „Und danke. Vielen Dank.“
    Er empfand etwas wie Sympathie für ihn. Auch, wenn dieser Mann ganz offensichtlich ein Verbrecher war, immerhin hatte er ihm diesem Brief und seine Sachen überbracht. Ein ganz so schlechter Mensch konnte er nicht sein. Vermutlich auch aus keinem schlechten Hause.
    „Was ist da drin, Goldmünzen?“
    „Ich denke schon…“, vermutete Mud und erkannte, worin das Problem lag. Wie sich herausstellte, wusste das sein Gegenüber bereits ebenso gut.
    „So wie ich das mitbekommen habe, sind die Dinger hier doch so gut wie nix wert!“
    Er starrte auf den Beutel in seiner Hand. Mud hatte schon Angst, der Kerl würde nun durchdrehen, doch stattdessen setzte dieser bloß eine etwas genervte Miene auf und wandte sich ab.
    „Naja, da kann man wohl nix machen… immerhin bin ich den Kram jetzt endlich los. Ich bin dann mal weg.“
    „Halt, warte!“, hielt ihn Mud schon das zweite Mal an diesem Tag auf.
    Der Fremde drehte sich langsam um.
    „Was denn nun noch?“
    „Wie heißt du?“, fragte Mud unumwunden, wenn auch mit der leisen Befürchtung, mal wieder etwas zu aufdringlich zu sein.
    „Du kannst mich Mike nennen“, knurrte er, wobei sein Blick allerdings viel mehr Freundlichkeit vermittelte als sein Tonfall.
    Es gab eine kleine Pause, dann setzte er sich wieder in Bewegung.
    „Okay, wenn das alles ist… dann mach’s mal gut… Muido.“
    Geändert von John Irenicus (21.09.2010 um 01:33 Uhr)

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    Deus Avatar von John Irenicus
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    Das schwere Amulett war der erste Gegenstand gewesen, den Muido aus dem Sack gezogen hatte. Es war eine Art Collier mit einem großen, sternförmigen Anhänger unten dran und lag nun auf den drei Büchern, die er ebenfalls geschickt bekommen hatte und unter denen auch der Brief seiner Eltern lag.
    Eines davon war sein absolutes Lieblingsbuch: Eine Sammlung von Kinderliedern aus aller Welt. Er erinnerte sich noch gut daran, wie er mit dem Kindermädchen Lieder daraus gesungen hatte, vor allem abends vorm Einschlafen. Die einsamen Stunden in seiner Hütte konnten jetzt wieder mit Leben gefüllt werden – zumindest ein ganz kleines bisschen. Und vielleicht würde Muido sich dann für ein paar Augenblicke wieder wie zu Hause fühlen.
    Die anderen beiden Bücher waren eine Abhandlung über Finanzwirtschaft und ein Myrtanisches Gesetzbuch mit einem Vorwort vom obersten Richter auf Khorinis. Ersteres fand Muido zwar nicht wirklich interessant, letzteres allerdings konnte ihm vielleicht endlich helfen, sich über seine Rechte im Klaren zu sein, damit niemand mehr mit ihm einfach so umsprang, wie er wollte. Es war ein seltsames, unbekanntes Gefühl der Chance, welches sich zuerst in Muidos Bauchgegend, dann rasch im ganzen Körper ausbreitete. Wie elektrisiert besah er sich die anderen Gegenstände und Geschenke.
    Zwei davon hatte er auf seiner alten, gelben Wollmütze abgelegt und sie sofort erneut ins Herz geschlossen. Es waren zwei kleine Kuscheltiere, bestehend aus feinstem Gewebe und liebevoll gearbeitet. Beim Kuschelmolerat musste Muido allerdings kurz schlucken. Es sah sehr süß aus, wie es perfekt auf seiner Handfläche Platz nehmen konnte, doch in den Wäldern der Kolonie hatte er gelernt, dass die Wirklichkeit leider ganz anders aussah. Da war ihm das größere, flauschige Schaf doch lieber. Es war zwar schon ein wenig abgegriffen und nicht nur durch den Transport im Sack stark in Mitleidenschaft gezogen worden, doch Muido liebte es immer noch so sehr wie am ersten Tag.
    Sanft griff er es und hob es hoch, um ihm einen zärtlichen Kuss zu geben. Kurz bevor seine Lippen das etwas schmutzige, künstliche Fell berührten, hielt er allerdings inne. Von draußen waren ganz eindeutig Schritte von mehreren Personen zu vernehmen, die sich auf seine Hütte zu bewegten. Das konnte nichts Gutes bedeuten.
    Hektisch verdeckte Muido seine beiden kleinen Freunde mit der Wollmütze, die gerade so dafür reichte – zum Glück war sie ihm schon seit jeher viel zu groß gewesen. Das prunkvolle Amulett konnte er gerade noch so zurück in den Sack schmeißen, in dem es irgendwo klirrend hängen blieb. Das riesige Behältnis schob er mit den Füßen so gut es ging in die Ecke der Hütte, direkt hinter den Tisch. Mit dem kleinen Hocker ratschte er über den Boden und postierte sich so gut es ging vor seinen ganzen Errungenschaften. Er schaffte es gerade noch rechtzeitig, als er schon aus der Tür heraus sehen konnte, wie drei Buddler vorbeigingen und kurze, abwertende Blicke auf und in seine Behausung warfen.
    Da sie einfach weitergingen, wollte Muido schon entspannt in sich zusammensinken, aber dann blieb doch noch einer der Buddler abrupt stehen und kam auf den Hütteneingang zu. Muido war in höchster Alarmbereitschaft, da nun auch die anderen beiden Männer stehen geblieben waren.
    „Ja, das war ja mal wieder klar“, kommentierte der Buddler mit gespielt mitleidigem Tonfall, als er wie zuvor noch Mike im Hütteneingang stand, „In der Arena gibt’s das heftigste, geilste, brutalste und verdorbenste Spektakel seit drei Monaten, und Mud hat nichts besseres zu tun als in seinem stinkenden Schuppen rumzuhocken.“
    Muido kannte diesen Buddler. Die mittellangen, braunen Haare, der schlaksige Körperbau – Das war Patrick, in seiner Art ein ziemlich aggressiver Mensch, welcher sich allerdings zumeist auf bloße Worte beschränkte. Diese konnten auch verletzend sein, doch waren sie eher zu verkraften als beispielsweise eine Zahnlücke. Muido fuhr mit der Zunge über sein Gebiss und streifte die Lücke in der unteren Backenzahnreihe.
    „Jetzt guckste auch noch so wie ein scheißender Scavenger… willste nicht mal raus hier und ein bisschen was erleben?“
    „Ach komm, lass ihn“, rief einer der beiden anderen Buddler von draußen, „der will doch sowieso nicht, der Spinner. Was willste überhaupt mit dem? Komm jetzt, sonst kriegen wir keine guten Plätze mehr.“
    Patrick wandte sich nachlässig um und gab so die Sicht auf seine beiden Kumpanen frei.
    „Hat dich hier jemand nach deiner Meinung gefragt, Fettsack?“, rief er und sparte Muido damit die Überlegungen, welcher von beiden denn wohl gerufen hatte.
    „Patrick, er hat doch Recht“, meldete sich jetzt der mit den extrem kurz geschorenen Haaren zu Wort, „Warum bist du jetzt so scharf darauf, dass er mitkommt? Hast du se nich mehr alle, oder was? Bleib hier oder komm in die Puschen… ich halte dir jedenfalls keinen Platz frei.“
    Muido verfolgte das Gespräch mit großen Augen und wusste nichts zu alledem zu sagen. Er hoffte nur, dass die Buddler jetzt fertig waren und endlich gehen würden, damit er in Ruhe seine Sachen begutachten konnte.
    „Nee, Mann!“, befand Patrick in ziemlich ökonomischer Sprechweise und spuckte direkt vor Muidos Hütte auf den Boden, „Ich komm da einfach nicht drauf klar, dass sich das jemand einfach so entgehen lassen kann. Echt mal! Heute werden Männerträume wahr, und da soll verdammt nochmal jeder dran teilhaben. Ohne Scheiß! Selbst dieser kleine Wichser hier. Das hat was mit Männerehre zu tun, weißt du? Nein, weißt du nicht, du verschissene Schwuchtel.“
    Muido zuckte bei diesem rauen Umgang empfindlich zusammen, ein derartiger Tonfall war ihm wirklich unangenehm. Trotzdem war es ihm lieber, dass sich die drei Buddler untereinander kabbelten, als ihre Aggressionen an ihm abzulassen. Nur, dass es unbedingt vor seiner Hütte geschehen musste, ließ einen dicken Kloß in seinem Hals entstehen.
    „Heeeyheeeyhey!“, rief der mit dem Kampfschnitt verärgert, „Wer ist hier die Schwuchtel, hä? Versuchst du nicht gerade mit Mud anzubandeln? Willste ihn flachlegen oder was? Hat’s vorletzte Nacht nicht gereicht, als du dir wieder eine Ritze in den Boden gebuddelt hast und -“ „Ich hab’s dir gesagt, das war nur einmal, Mann!“, schnitt Patrick ihm das Wort ab, „Was würdest du denn tun, wenn deine Eier kurz vorm Platzen wären? Frag mal lieber Fetti, was der mit diesem gammeligen Stück Käse macht, dass er unter seinem Bett versteckt…“
    „Ich verstecke nichts!“, empörte sich der Dicke, errötete und stapfte ein paar Schritte auf Patrick zu, der sich davon allerdings nicht einschüchtern ließ.
    „Natürlich versteckst du nichts“, spottete Patrick, „weil du einfach zu blöd dazu bist.“
    Muido hielt ängstlich den Atem an. Eine Prügelei, in der ein Dreizentnermann involviert war, wollte er nicht unbedingt vor seiner Haustür haben. Vorsichtig rutschte er mit seinem Hocker noch ein Stück zurück, so dass er schon den Sack in der Ecke ein wenig eindrückte. Der verkniffene Gesichtsausdruck des Dicken ließ schlimmes vermuten, doch dann lockerte sich seine Miene zum Glück wieder.
    „Laber du nur“, meinte er abfällig grinsend, „Kannst ja auch nichts dafür, dass du Komplexe wegen deinem kurzen Schwanz hast. Schon in Ordnung.“
    „Ich kann meinen wenigstens noch sehen, wenn ich an mir runtergucke, du fette Qualle“, gab Patrick postwendend zurück, wirkte aber nun auch entspannter als noch vor wenigen Augenblicken.
    „Ey Leute, habt ihr euch jetzt abgeregt?“, mahnte der Dritte, „Ich habe keine Lust wegen der ganzen Warterei hier ein Wiedersehen mit Velaya zu verpassen. Vielleicht kennt sie mich ja noch – so einen Mann wie mich vergisst man schließlich nicht.“
    Patrick und der Dicke entgegneten dem Gerede mit schallendem Gelächter. Es war irgendwie eindrucksvoll zu beobachten, wie der Körper des Übergewichtigen bei jeder Zuckung noch lange danach vor sich hin schwabbelte.
    „Wiedersehen, das ich nicht lache“, höhnte Patrick und schnappte nach Luft, „Du bist doch gar nicht erst zu ihr durchgekommen, du Depp!“
    „Die Wachen haben dich kurz vor ihrer Kammer aufgegriffen und mit großem Hallo aus der Burg geschmissen“, fügte der Dicke bebend hinzu, „Das Scheppern und das Gebrüll hat man noch im ganzen Außenring gehört… und hinterher hattest du beide Augen blau!“
    Missmutig ließ der Kurzhaarige die Schultern hängen und steckte die Hände in die Hosentaschen. Wäre er nicht ganz offensichtlich so ein fieser Typ gewesen, hätte Muido vielleicht sogar Mitleid mit ihm gehabt.
    „Ist ja gut, ist ja gut“, beruhigte er seine beiden Kumpel, die sich nur schwer wieder einkriegten, „Aber wenn ich zu ihr gekommen wäre… ja, dann wäre sie auch gekommen. Und das nicht nur einmal, das schwöre ich euch.“
    „Ist klar“, erwiderte Patrick und wischte sich beiläufig eine Träne aus dem Augenwinkel, „Du kannst sie ja heute fragen, was sie von dir hält. Oder halt, ich kann das für dich machen. Nachdem ich sie ordentlich durchgevögelt habe, natürlich.“
    Der Dicke war gerade wieder still geworden, da musste er schon wieder brüllend loslachen. Muido erschrak ob der Lautstärke. Der füllige Mann nutzte sein Körpervolumen offenkundig optimal aus.
    „Ihr seid mir vielleicht welche“, meinte er und wurde dabei plötzlich wieder ernst, „Ihr müsst wohl mal lernen, eure Fantasien von der Realität zu trennen. In Gedanken hab ich die Schlampe auch schon zigmal gefickt, aber was glaubt ihr denn, ihr Spinner? Dass sie sich von Typen wie euch mal eben durchbumsen lässt? Die zieht da heute ihre Show in der Arena ab und verschwindet dann ganz schnell wieder.“
    „Ja, wenn sie dich sieht, dann schon“, kicherte der Kurzgeschorene, was der Dicke mit einer genervten Grimasse quittierte.
    „Aber vermutlich hast du Recht, Dicker… oh Mann, ich würde echt alles dafür geben, es ihr mal so richtig besorgen zu dürfen. Wenn sie doch nur wüsste, was sie verpasst!“
    Auf seinem Gesicht breitete sich ein richtig verträumter Ausdruck aus, was Muido ziemlich erstaunte. Genug Zeit sich darüber zu wundern bekam er allerdings nicht, denn leider hatte Patrick ihn noch nicht vergessen. Der schlanke Riese kam auf ihn zu, hockte sich hin und legte in kumpelhafter Weise den Arm um ihn. Muido konnte sich nicht helfen, das Gefühl der Nähe zu diesem Mann behagte ihm irgendwie, auch wenn da immer noch die Gefährlichkeit Patricks war, die ihn nervös machte. Außerdem war eine unangenehme Note von Alkohol im Atem des Buddlers auszumachen.
    „Was meinst du denn dazu, Kleiner?“, fragte Patrick und drückte noch ein wenig fester zu.
    „W-Was?“, stotterte Muido, der gar nicht wusste, wie ihm geschah. Mit seinen Gedanken war er die ganze Zeit bei seinen Sachen, die jetzt nicht mehr weit von Patrick entfernt waren. Zum Glück bemerkte der Buddler den großen Sack in der Ecke nicht – oder er interessierte sich schlichtweg überhaupt nicht dafür.
    „Na Velaya… du hast sie doch auch sicher schonmal gesehen. Gefällt dir doch auch, oder?“
    Erwartungsvoll starrten ihn die Buddler an. Muido schluckte, und es fühlte sich an als musste sich sein Speichel geradezu an dem gewachsenen Kloß in seinem Hals vorbeiquetschen. Der lange Arm Patricks um seinen Hals tat sein Übriges dazu.
    „Ähm, naja“, begann Muido vorsichtig und suchte hektisch nach den passenden Worten für diese Art von Gesellschaft. Als er sie nach einer gefühlten Ewigkeit endlich gefunden hatte, bemühte er sich, möglichst lässig zu klingen, obwohl er sich dabei schrecklich unwohl fühlte.
    „Klar, ich würde diese geile Drecksnutte auch gerne mal so richtig durchvögeln.“
    Muido erntete grölendes Gelächter von allen drei Buddlern, die es ausnahmsweise mal nicht feindselig meinten. Patrick gönnte ihm einen anerkennenden Blick und versetzte ihm einen freundschaftlichen Hieb gegen die freie Schulter.
    „Da habt ihr’s gehört“, lachte er, „der Junge weiß, was gut ist!“
    Die anderen beiden nickten zustimmend.
    „Jetzt müssen wir aber wirklich in die Hufe kommen“, meinte der Kurzhaarige, und jetzt gab auch Patrick ihm Recht.
    „Ja, ab geht’s – und du kommst mit!“
    Muido zuckte heftig zusammen, als Patrick ihn am Arm packte und hochziehen wollte. Der Buddler hob beschwichtigend die Hände.
    „Hey, nun hab dich doch nicht so, wir tun dir nichts“, versprach er, „Du solltest halt wirklich mitkommen. Sieh nur zu, dass du deine Hose nicht zu straff geschnürt hast, sonst könnte es eng werden, hehe… und nimm Erz mit. Der Eintritt kostet heute zehn Brocken – lohnt sich aber, garantiert.“
    Mit zitterigen Knien erhob Muido sich von seinem Hocker und befühlte den Beutel an seinem Gürtel. Es mussten sich ziemlich genau zwanzig Bröckchen Erz in ihm befinden.
    „Jetzt mach nicht so lahm“, trieb Patrick ihn an, „du willst doch gleich eine gute Sicht auf’s Geschehen haben! Woah, das wird so geil…“
    Patrick und die anderen beiden Buddler setzten sich in Bewegung. Nach kurzem Zögern und einem letzten, verstohlenen Blick auf seinen Krempel in der Hütte folgte Muido ihnen wortlos.

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