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    Irenicus-Bezwinger  Avatar von MiMo
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    Post [Story]Leben und Lügen eines Langfingers

    I


    Kapitel 1

    Tropf, Tropf, …
    Das stetige Tropfen von Wasser war wohl schon immer da gewesen. Nie hatte es auch nur einen Moment Pause gemacht.
    Einer der Tropfen traf das schüttere Haar eines Mannes, der mit seiner Hand hastig durch eben dieses schmutzige strich, um das Wasser wieder loszuwerden.
    Ramirez stand hier nur so rum, an die feuchte Wand gelehnt, die Hände tief in den Taschen verborgen, lauschte er dem unablässigen Tropfen.
    Eine Riesenratte lugte um die Ecke, schreckte jedoch sofort zurück, als sie den Mann sah, der ihr unter seinem fransigen Pony hervor einen verächtlichen Blick zugeworfen hatte. Er war schlecht rasiert, sodass Bartstoppeln sein schmales Kinn bedeckten. Sein Hemd war ihm eigentlich schon lange zu klein, aber ein neues kam nicht in Frage und deshalb straffte sich der Stoff um seinen Oberkörper, als wolle es jeden Moment zerreißen. Seine Hose war fleckig und seine Lederschuhe waren auch nicht mehr das, was sie einmal waren.
    Wie lange sollte das Leben noch so weitergehen? Jeden Tag Gefahr laufend von der Miliz erwischt zu werden und jeden Tag darauf angewiesen genug Beute zu machen, um sie bei Halvor gegen Fisch eintauschen zu können.
    „Bist du so weit?“
    Ramirez wandte sich zu der Dunkelheit um, aus der die Stimme gekommen war. Aus ihr trat nun ein ebenso abgerissener und heruntergekommener Mann hervor. Er war allerdings ein wenig schmaler und muskulöser gebaut als Ramirez.
    „Attila“, bemerkte Ramirez knapp, „Klar bin ich bereit.“
    „Dann lass uns schnell losgehen, sonst wird das heute nichts mehr.“
    Ramirez nickte.

    Kurze Zeit später standen sie im Schatten von Coragons Taverne, über ihnen das vermoderte Tavernenschild, und beobachteten die teils wohlhabenden Bürger, die wie üblich Vatras‘ Predigt lauschten.
    Diese Bewohner der Stadt standen einfach selig lächelnd da und lauschten dem sonoren Sermon des eintönigen Magiers, der in seiner wasserblauen Robe vom Sonnenlicht beschienen auf der Anhöhe stand und seinem Tagewerk nachging.
    Wie zufällig lösten die beiden Bewohner des Hafenviertels sich aus dem Schatten der Schänke und stellten sich hinter die nichtsahnenden Bürger.
    „…und der Mensch erschlug das Tier“, verkündete Vatras mit trauerschwangerer Stimme und ein erschrockener Laut ging durch die Reihen der Bürger, die nur Frieden kannten, die nie ihren Fuß aus der Stadt heraus oder ins Hafenviertel gesetzt hatten.
    Diesen Moment hatte Attila bereits genutzt, um den edel gekleideten Mann, der der Predigt lauschend vor ihm stand, um seinen ganzen Lederbeutel zu erleichtern. Er grinste zufrieden, ließ die Beute in seine Tasche gleiten, wo er kaum hineinpasste und verließ den Platz ohne Aufsehen zu erregen.
    Ramirez seufzte bei dem Gedanken, dass Attila ihn nachher wieder verspotten würde, weil er zu lange gebraucht hatte. Ramirez beeilte sich also und holte seinen Kumpanen schon bald ein.
    „Gute Beute“, empfing Attila ihn, „279 Gold waren in dem Beutel, samt Karte des oberen Viertels. Wie viel hast du bekommen?“
    Ramirez zählte kurz das Gold hinter vorgehaltener Hand. „81 Gold.“
    „Ha“, lachte Attila trocken und schlug Ramirez kumpelhaft auf den Rücken, „Mach dir nichts draus. Hier, die kannst du haben.“
    Er warf Ramirez die Karte in die Arme und ging lachend auf die Kneipe im Hafenviertel zu, sicher um sein ergaunertes Vermögen sofort zu versaufen.
    Ramirez steckte das Gold seufzend in seine Tasche und warf den Lederbeutel weg. Er konnte ihm nur noch Scherereien einbringen, wenn sein ehemaliger Besitzer ihn wiedererkennen sollte. Er bedauerte Attila noch mal kurz, da der so wenig mit seinem Gold anzufangen wusste und morgen schon wieder blank sein würde, dann setzte er seinen Weg fort.
    Er passierte Hannas Stand und dachte wehmütig daran wie schön es sein musste einem ehrenhaften Job nachzugehen. Aber er konnte nicht.
    Er konnte seine Freunde und jahrelangen Gefährten nicht im Stich lassen. Mit Jesper verstand er sich viel zu gut, um ihm den Rücken zu kehren. Es hatte ihm noch immer Spaß gemacht Rengaru zu helfen der Miliz zu entkommen, wenn er sich, ungeschickt wie er nun mal war, mal wieder erwischen lassen hatte und Nagur, mit dem man hervorragend herumalbern konnte. Er wusste es auch zu schätzen, dass Bartok ihn ab und zu mal an Sonja heranließ, ohne dass er dafür bezahlen musste, und dass Halvor auch einen Fisch für ihn hatte, wenn er mal mit leeren Händen von seinem Beutezug zurückgekehrt war. Auch Atilla mochte er trotz seiner überheblichen Art.
    Und dann war da ja noch Cassia, ihre unnahbare Anführerin, die dafür sorgte, dass sie alle zusammenhielten, Kontakte zu außerstädtischen Banditen pflegte und immer wieder die besten Opfer fand. Wenn man mal ehrlich war, war sie ohne ihre ganzen Mitstreiter hoffnungslos aufgeschmissen, obwohl sie selbst wohl die beste Diebin von ihnen war.
    Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als ein besoffener Kerl ihn anrempelte und fast ins Hafenbecken stieß.
    „Hey“, brauste Ramirez auf und schubste den Mann von sich.
    „Willste Schläge oder was?“, lallte der Mann. Es war Moe, der allseits bekannt für seine Rauflust war. Er selbst hatte behauptet sich schon mal mit jedem einzelnen Bewohner des Hafenviertels geprügelt zu haben, was immerhin die vielen Narben an seinen starken Armen erklären würde. Mit seinem breiten Kreuz und seiner bulligen Statur war es sicher ein leichtes gewesen seine Opfer mit nur einem Schlag auszuknocken.
    Seine kleinen Augen lugten hinter einer breiten, hervorstehenden Stirn hervor und ließen vermuten, was nun kam.
    Ramirez hatte sein Schwert gezogen, noch bevor Moe seinen Knüppel erhoben hatte. Er wollte sich verteidigen, doch wusste er nicht, von wo der Schlag kommen würde.
    Doch der Schlag kam gar nicht. Jemand hatte Moes Handgelenk ergriffen und ihn am Angriff gehindert.
    Borka stand direkt hinter dem Schläger. „Typen wie dich kann ich nicht ausstehen“, knurrte Ramirez‘ Retter und stieß Moe ins Hafenbecken. Ein lautes Platschen untermalte das hochschlagende Wasser als der schwere Körper ins feuchte Nass krachte.
    „Danke“, murmelte Ramirez und steckte sein Schwert wieder weg.
    „Seit wann bedankst du dich für etwas?“, erwiderte Borka spöttisch. Ramirez wusste, dass er es nicht so meinte und überging diese Frage deshalb. Ramirez war schon immer höflicher als die anderen Banditen gewesen. Er konnte einfach nicht anders.
    „Mach lieber, dass du wieder weg bist, wenn Moe aus dem Wasser gekrochen kommt“, riet Borka ihm und ging wieder.
    Tolles Gespräch, dachte Ramirez unzufrieden, beschloss aber Borkas Rat zu befolgen und sich schnell noch Fisch von Halvor zu holen, um dann schleunigst in die Kanalisation zurückzukehren.
    Geändert von MiMo (31.03.2017 um 19:25 Uhr) Grund: Borka -.-*

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    Irenicus-Bezwinger  Avatar von MiMo
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    Kapitel 2

    „Macht 20 Gold“, entgegnete der Fischverkäufer, als Ramirez ihm genannt hatte, was er haben wollte. Er bekam das Gold und händigte im Gegenzug den Fisch aus.
    „Ist in letzter Zeit irgendwas besonderes losgewesen?“, fragte Halvor unvermittelt, wachsam nach links und rechts spähend, „Ich war schon längere Zeit nicht mehr im Versteck und du bist seit vorgestern der erste von uns den ich zu Gesicht bekomme.“
    „Eigentlich ist alles so wie immer“, erwiderte Ramirez, während er den Fisch einsteckte. Die nächsten Leute standen in einiger Entfernung und wenn sie leise sprachen, konnten sie sie nicht hören. Nachdem er sich dessen sicher war, fuhr Ramirez leise fort: „Rengaru wird schon wieder gesucht. Pablo hat ihn dabei beobachtet wie er Valentino seine Geldbörse aus der Tasche gezogen hat. Er sitzt jetzt in der Kanalisation fest und darf sich jetzt den ganzen Tag Cassias Gemeckere über seine Tollpatschigkeit anhören, bis die Luft wieder rein ist. Soweit wir wissen hat Valentino außerdem bei Lord Andre persönlich beantragt, dass Rengarus Kopfgeld erhöht wird.“
    Halvor seufzte kopfschüttelnd und begann die Lücke, die die soeben verkauften Fische hinterlassen hatten, wieder aufzufüllen: „Immer dasselbe. Du hast wohl recht, im Prinzip nichts besonderes gewesen.“
    „Hast du eigentlich wieder mal ein paar Artefakte entdeckt?“, fragte Ramirez neugierig. Der Fischhändler hielt quasi den ganzen Tag Ausschau nach solcherlei Kostbarkeiten.
    Halvors Miene wurde ernst. „Ich bin immernoch der Meinung, dass wir versuchen sollten an diese Kisten von den Paladinen heranzukommen, bevor sie aus dem Minental zurück sind. Den ganzen Tag darf ich mir die Dinger angucken, ohne dass wir je einen Plan ausgearbeitet haben an sie ranzukommen.“ Er spähte heimlich zu dem Warenlager der Königstreuen hinüber, das quasi direkt neben Halvors Stand lag.
    „Du weißt, dass Peck und seine Leute die Kisten mit Adleraugen bewachen und sich dabei so gut wie keine Blöße geben.“
    „Peck geht doch jede Nacht in die rote Laterne. Das wäre dann doch die Chance.“
    „Dann sind da immernoch ein halbes Dutzend Wachen bei deiner Traumbeute.“
    Halvor seufzte resigniert. „Sprich Cassia wenigstens nochmal drauf an, mir zuliebe. Wenn einer diesen Coup auf die Beine stellen kann, dann sie.“
    Ramirez gab sich geschlagen: „Na gut. Ich werds ihr nahelegen.“
    Halvor lächelte zufrieden: „Bekommst auch einen Fisch dafür, wenn die Sache gelaufen ist.“
    Ramirez lächelte künstlich. Wenn die Sache gelaufen war, würden sie so viel Gold haben, dass er erstmal für einen Monat ausgesorgt hatte. Trotzdem war es eine seltene Geste des Dankes von Halvor, weshalb er es zu schätzen wusste.
    Er verabschiedete sich von dem Händler und machte sich auf dem Weg zum anderen Ende des Kais. Als er in die Nähe von Kardifs Kneipe kam, hörte er ein lautes Krachen und darauf ein betrunkenes Johlen.
    Seine natürliche Neugier ließ ihn einen kurzen Blick hineinwerfen. Er staunte nicht schlecht, als er Moe bewusstlos auf einem zusammengekrachten Tisch liegend sah. Blut lief ihm aus dem Mundwinkel und tropfte auf die lädierte Holzplatte.
    Vor diesem stand Attila, offensichtlich besoffen, in der Linken eine Bierflasche, die Rechte noch hoch erhoben zur Faust geballt. „Da hast duuuu...sss“, lallte Attila schwankend.
    Kardif kam jetzt, den ersten Schrecken losgeworden, um seine Theke gerannt. Außer ihm, Attila, Ramirez und Moe war niemand hier. Die wenigen Gäste mussten sich verzogen haben, als der Streit begonnen hatte.
    „Du musst mir diesen Tisch bezahlen!“, schrie Kardif Attila außer sich an.
    Attila wandte sich ihm schief grinsend zu und musterte ihn einen Augenblick. Dann – so schnell, dass Ramirez nicht einmal die Zeit gehabt hatte ihn zu hindern – zog er seinen Dolch und hielt ihn dem Barbesitzer an die Gurgel. „Du hascht mir gar nischtsss zu sssagen.“
    „Attila!“, rief Ramirez erschrocken und zog seinen Kameraden weg von Kardif, „Lass das!“
    Attila fasste ihn verächtlich ins Auge. Ramirez wusste wie sinnlos es sein konnte mit Betrunkenen zu reden, weshalb er lieber mit seinen Augen nach einer Antwort suchte. Er fand sie: Der gestohlene Lederbeutel lag vollkommen leer auf einem der Tische. Das ganze Geld war also tatsächlich schon versoffen worden.
    Ramirez nahm seinen eigenen Geldbeutel, den mit den 61 Goldstücken darin, und warf ihn Kardif zu. „Mehr haben wir nicht“, fügte er bedauernd hinzu und schob Attila aus der Taverne heraus.
    Der Wirt sah ihnen leicht verwirrt nach, doch Ramirez war es egal, ihm lag nicht so viel an Gold, wie viele von ihm denken mussten, wenn sie erfuhren, dass er ein Bandit war, und sein größeres Problem war im Moment wirklich den vollkommen besoffenen Attila in eines der kleinen Boote zu zwängen.
    Attila ließ es nach einiger Zeit allerdings mit sich machen und nach einer kurzen Rudertour waren sie am Eingang der Kanalisation angekommen.
    „Und jetzt rein mit dir, bevor uns jemand sieht“, befahl Ramirez inzwischen ziemlich gereizt von dem ständig Unfug brabbelndem Säufer.
    Er knallte die morsche Holztür hinter sich zu, schloss ab und lehnte sich dann laut ausatmend gegen die Tür. Endlich war dieser Tag vorbei. Erst war er von Moe angepöbelt worden, dann hatte Attila sich mal wieder Ärger eingehandelt und letzten Endes hatte er auch noch seine ganze restliche Beute an Kardif verloren. Es war wahrlich kein guter Tag gewesen.
    Er genoss die Ruhe, als Attila so weit weggetorkelt war, dass er ihn nicht mehr hören konnte und ließ seinen Blick über die altbekannten Steine, Häuflein Schutt und gestapelten Bretter wandern. Aber da lag etwas neues auf den gestapelten Brettern.
    Er ging hinüber und hob es auf. Es war ein aktueller „Khorin’scher Bote“, die Tageszeitung der Insel. Auf der Titelseite war Larius, der anscheinend etwas zu dem großen Kriegszug der Paladine sagte. Er blätterte weiter. Ein Bericht über die neuesten Vermutungen über die Entführung der Esmeralda, der übliche Fortsetzungsroman von John Irenicus, den er immer so gern las… Da. Da war, was er gesucht hatte.
    Ein neuer Steckbrief war auf der letzten Seite abgedruckt. Er verkündete, dass Rengarus Kopfgeld auf sechshundert Gold angestiegen war. Unter dem ‚Gesucht‘ war eine schlechte Zeichnung des Flüchtigen, darunter die Worte: ‚tot oder lebendig‘, worunter die Summe der Belohnung prangte.
    Seufzend faltete Ramirez die Zeitung wieder zusammen, klemmte sie unter seinen Arm und machte sich auf den Weg in die hinteren Räumlichkeiten dieses feuchten Schlupfwinkels. Ihm ging durch den Kopf, dass Rengaru bald arge Schwierigkeiten bekommen könnte, wenn er sich weiterhin so unvorsichtig benahm.
    Ramirez selbst hatte lediglich ein Kopfgeld von 400 Gold und auch er war nur noch auf freiem Fuß, weil die Zeichnungen der Miliz so schlecht waren und er sein Äußeres so oft es ging veränderte. Attila hatte bisher ein Kopfgeld von 800 Gold, das lediglich auf einen Unbekannten ausgesetzt war, da sie nie eine Spur desjenigen gefunden hatten, der Sarah in einer dunklen Gasse des Hafenviertels umgebracht hatte.
    Abermals entfuhr Ramirez ein Seufzer. Das Leben war nunmal hart.
    Geändert von MiMo (02.07.2010 um 16:29 Uhr)

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    Kapitel 3

    Ramirez stand nun vor einer Holztür, die genau wie alle anderen Türen in diesem Tunnelsystem morsch war, und mit etwas Anlauf locker in Stücke gerissen werden konnte. Auf Augenhöhe war hier mal ein kleines vergittertes Fenster gewesen, doch von der Existenz der Eisenstäbe zeugten nur noch ein paar verrostete Stummel und das Loch war von der Innenseite mit einem schimmligem Holzbrett verschlossen worden.
    Diese Tür stieß Ramirez nun auf und betrat den Raum dahinter. Es war ein ganz normaler, dreckiger, nasser und stinkender Zweig der Kanalisation. Viele Rohre ragten hier aus den Wänden und verteilten ihren Gubbel auf dem Boden.
    Auf einer an der Wand befestigten und als Bett dienenden Holzplatte saß Rengaru, der für gewöhnlich zwar einen dunklen Stoppelschnitt trug, dessen Haupt nun jedoch vollkommen kahl geschoren war.
    „Ramirez“, begrüßte Rengaru den Neuankömmling schroff. „Cassia hat dir wohl einen neuen Haarschnitt verpasst, damit du bald wieder frei rumlaufen kannst, was?“, vermutete Ramirez und unterdrückte ein Grinsen, während er einen seiner Fische aus seiner Tasche zog und ihn Rengaru hinüberwarf.
    „Danke“, murmelte Rengaru, „Hab seit gestern nur einen ekligen Pilz gegessen, mein Magen hängt mir in den Kniekehlen.“
    Hungrig begann er das Essbare von dem Fisch herunterzunagen, während Ramirez ihm erzählte, was draußen los war. Als er geendet hatte, war von dem Fisch nur noch ein Haufen Gräten übrig.
    „Ihr habt eine Menge Beute gemacht, aber dank Attila habt ihr fast alles wieder verloren“, fasste Rengaru betrübt zusammen und trank etwas aus einer schmutzigen Flasche, „Ich hab gehört wie er an meiner Tür vorbeigekommen ist, hat ganz schön wüstes Zeug gelabert.“
    „Und wenn er noch lauter gebrüllt hätte, hätte man ihn auch noch oben auf dem Galgenplatz gehört.“
    Ramirez und Rengaru wandten sich zur Tür um. Cassia stand in ihr.
    „Er hat mal wieder eine Menge Blödsinn angestellt. Ich hab ihm ein Schlafmittel verabreicht, damit er seinen Rausch ausschlafen kann“, fuhr sie fort, „Auf seiner Kleidung waren überall Holzsplitter. Was hat er kaputt gemacht?“
    „Einen Tisch in Kardifs Kneipe. Ich musste ihn bezahlen“, antwortete Ramirez tonlos.
    Cassia schüttelte den Kopf und verschränkte ihre Arme über ihrem prallen Busen. „Wie dem auch sei. Nagur und Jesper haben heute gute Beute mitgebracht, das reicht für heute. Trotzdem sollte Attila endlich mal lernen sich zu beherrschen.“
    Keiner wusste darauf etwas zu erwidern, weshalb es still war bis Ramirez wieder einfiel, dass er Halvor etwas versprochen hatte: „Halvor meinte es würde sich lohnen das Warenlager in der Nähe seines Stands zu plündern.“
    Cassia wurde sofort patzig: „Dieser Sturkopf kapiert ja auch nicht, dass dort viel zu viele Wachen sind. Es ist viel zu gefährlich.“
    Das klang so endgültig, dass keiner widersprechen mochte.

    Am nächsten Morgen erwachte Ramirez früh, weil Attila seinen Kater mit lautem Ächzen vor ihrer Tür kundtat.
    Ramirez setzte sich auf und rieb sich die Augen. Sicher war es noch lange vor Sonnenaufgang. Rengaru schnarchte im Bett auf der anderen Seite des Raumes laut. Ramirez streckte sich noch einmal, warf dann seine dünne Decke zurück und verließ seine Schlafstätte.
    Als er sich seine zerschlissene Hose überstreifte fiel ihm etwas in der linken Hosentasche auf. Er ließ sein schmutziges Hemd auf sein Bett sinken und zog das Etwas aus der Hose.
    Es war die Karte, die Attila ihm verächtlich zugeworfen hatte, da er keine Verwendung für sie hatte. Da ihm eh noch nicht so recht danach war das Bett zu verlassen, setzte er sich auf dieses und entfaltete das edle Stück Pergament.
    Es war wie Attila gesagt hatte eine Karte des oberen Viertels, doch hatte Attila sie zweifelsohne nicht genau studiert, denn Ramirez fiel nun bei genauerem Hinsehen auf, dass nicht nur die Umrisse der Gebäude, sondern auch die Räumlichkeiten, Türen und Fenster genauestens eingezeichnet worden waren.
    Ramirez zog einen Fetzen Pergament hervor, nachdem ihm eine Idee gekommen war. Desweiteren tunkte er eine zerzauste Feder in ein fast vertrocknetes Tintenglas und begann das erste Haus auf der linken Seite genau abzuzeichnen. Dann legte er das Original beiseite und betrachtete seine Abschrift.
    Das Haus war in drei Räume unterteilt. Der große, direkt hinter dem Eingang des Hauses, musste der Wohnraum sein, dahinter lag ein kleiner Raum ohne Fenster. Das musste eine Art Wasch- oder Lagerraum sein. Das hieß, dass der Raum rechts vom Wohnraum das Schlafzimmer sein musste.
    Wenn die Bewohner nachts dort schliefen, durfte man also keinesfalls diesen Raum betreten. Die anderen Räume konnte man aber sicher ohne Probleme ausräumen, wenn man erstmal drin war. Diese Erkenntnis traf Ramirez wie einen Schlag.
    Die Karte offenbarte ganz erstaunliche Möglichkeiten Raubzüge zu planen. Seine Beobachtungen kritzelte er achtlos in seine selbstgemachte Zeichnung. Fasziniert drehte er den Pergamentfetzen um und zog wieder die Karte zurate, um sich das nächste Haus vorzunehmen, doch da wurde er von einem Gähnen unterdrückendem ‚Morgen‘ begrüßt.
    Er packte sein Schreibzeug schnell wieder in die Ecke und steckte die Karte in. Er wollte Rengaru nichts davon erzählen. Noch nicht.
    Hastig erhob er sich wieder von seinem Bett, griff nach dem Hemd und tat so als wäre er grade dabeigewesen es anzuziehen.
    Renagru rieb sich noch die Augen und hatte von all dem nichts mitbekommen.
    Ramirez zog sich endlich sein Hemd über den Kopf und überlegte grade was er sagen könnte, als Nagur auch schon zu sprechen begann: „Verteufelte Nacht. Hab geträumt das Attila im Rausch Halvor erschlagen hat. Verrückt, was?“
    Ramirez stutzte. So verrückt fand er das gar nicht, aber da er nicht an böse Omen glaubte, beunruhigte es ihn nicht weiter. „Nur ein dummer Traum…“, murmelte Rengaru immernoch schlaftrunken und machte sich langsam daran seine Socken über die klobigen Füße zu ziehen.
    Da mit seinem Zimmergenossen so früh am Morgen eh nichts anzufangen war, verließ Ramirez den Raum und trat auf den breiten Hauptschacht der Kanalisation. Hier war es leer und ruhig.
    Er hatte keine Lust hier zu bleiben und wollte Cassia auch noch nichts von der Karte erzählen, dafür war er sich seiner Sache noch zu unsicher. Also entschied er sich hoch zur Stadt zu gehen.
    Inzwischen graute der Morgen, wie er feststellen musste, als er in das taufrische Sonnenlicht trat und die Vertäuung seines Bootes losmachte. So früh war er selten in der Stadt gewesen.
    Schon kurz nachdem er an den Kai angedockt hatte, sah er Halvor seinen Stand aufbauen. Bartok hatte seinen Posten noch nicht bezogen und selbst die Tür von Kardifs Kneipe war noch verschlossen.
    Ramirez ging durch die erwachende Stadt und überlegte sich, dass er die Stadt so viel lieber mochte als wenn sie lärmig und überfüllt war.
    Geändert von MiMo (02.07.2010 um 16:30 Uhr)

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    Kapitel 4

    Während er so dahinschlenderte, überlegte er, was er nun tun sollte. Ihm fiel nichts ein, weshalb er erst einmal stehen blieb und die Hände in den Taschen vergrub, wie er es so oft tat, wenn er nicht weiter wusste.
    Da berührten seine Finger wieder die Karte und den kleinen Pergamentfetzen. Dieser Fetzen war alles, was er an Beschreibbarem besaß, doch wenn er die Karte weiterhin so detailliert auswerten wollte, ohne in die Karte selbst etwas hineinzuschreiben, musste er sich neues Pergament besorgen.
    Pergament war teuer und er war mal wieder blank. Auch hatte er kaum noch Tinte, der Federkiel musste sich also hinten anstellen, auch wenn der nur noch am Klecksen und Kratzen war.
    Er schlug deswegen einen Weg ein, der ihn zu Brahim, dem Kartenzeichner, bringen sollte. Genug Gold um sich das Material ehrenhaft zu kaufen, würde er heute nicht zusammenbekommen, also würde er es gleich direkt stehlen.
    Als er zu der Hütte Brahims gelangte, sah er, wie der Zeichner sein Haus verließ, um seine allmorgendlichen Einkäufe zu machen. Das war die Chance.
    Er kletterte durch das hintere Fenster, das vom Hafen aus nicht gesehen werden konnte und landete leise auf dem Holzboden der Hütte. Er ließ seinen Blick schweifen, fand eine alte Kommode, ging zu ihr hinüber, zog die oberste Schublade auf… Volltreffer! Sie war voll mit leeren Pergamentbögen, drei volle Tintenfässer standen an der rechten Seite und sogar ein Ersatzfederkiel war hier zu finden.
    Ramirez raffte einen Großteil des Pergaments an sich, steckte eines der Tintenfässer in seine Tasche und wollte schon nach der Feder greifen, als er innehielt.
    Ein schlechtes Gewissen überkam ihn urplötzlich. Brahim war arm und konnte gerade so von seinem kleinen Gewinn an jeder Karte leben. Ramirez ließ seine Hand sinken und versuchte dieses Schuldgefühl zu überwinden. Doch er wandte sich um, schob die Schublade mit dem Fuß zu und verschwand wieder durchs Fenster, ohne die Feder eingesteckt zu haben.

    „Kann ich das hier bei dir lassen, bis ich zurück in die Kanalisation gehe?“
    Halvor sah den Berg Pergament, auf dem das Tintenfass thronte, argwöhnisch an. „Was willst du denn damit?“
    Dieser abfällige Tonfall entging Ramirez nicht, doch er tat, als hätte er ihn nicht gehört. „Ich leg’s in deine Hütte, in Ordnung?“
    Halvor verzog seinen rechten Mundwinkel, immer ein Zeichen von Missbilligung. „Na gut, aber sag mir zuerst, was Cassia zu meinem Vorschlag gesagt hat.“
    „Sie hat dich einen Sturkopf genannt, der die Lage verkennt“, berichtete Ramirez wahrheitsgemäß.
    „So eine sture Frau“, fluchte Halvor, „Kannst deinen Krempel bei mir abladen, aber wehe ich krieg Ärger mit der Miliz deswegen.“
    „Danke“, sagte Ramirez und verschwand nach einigen langen Schritten im heruntergekommenen Haus des Fischhändlers. Er ging zu dem Tisch und legte die Sachen darauf ab.
    Ihm fiel auf, dass das zweite der Betten, das von Halvors Frau Hanna, unbenutzt wirkte. Hatten sie sich gestritten? Ihm ging durch den Kopf, dass es ihn nichts anging und verließ das Haus wieder.
    Er machte sich wieder auf dem Weg aus dem Hafenviertel heraus, um sich an den wohlhabenderen Bürgern der Stadt zu bereichern.
    Er betrat die Händlergasse, wo nichts an den noch recht frühen Morgen erinnerte. Harad hämmert schon eifrig am Amboss, Qualm aus Constantinos Alchemistenstube zeugte von einem missglückten Experiment, Thorben hämmerte an einem Schrank und Bosper öffnete grade seine Tür, um seinen Kunden den Eintritt zu ermöglichen.
    Und da war Ruperts Stand, leer. Ramirez sah seine Zeit gekommen, schlich flugs zu dem Stand hinüber. Thorben stand hinter einem großen Schrank und konnte ihn nicht sehen. Bosper und Matteo würden ihn bestimmt nicht bemerken und die Wachen zum oberen Viertel kontrollierten grade die Papiere eines Bürgers, der ins obere Viertel wollte.
    Er stand nun vor dem Verkaufsstand, überflog ihn mit einem hastigen Blick, fand jedoch kein Gold. Nur Essbares und ein paar abgenutzte Werkzeuge sowie angestaubte Flaschen waren zu finden, nichts von Wert also.
    Ramirez entfuhr ein enttäuschter Seufzer, schnappte sich einen Apfel und verdrückte sich dann schnell wieder.
    Während er an der großen Adanosstatue vorbei in Richtung des Marktplatzes ging, biss er in seine Beute und musste feststellen, dass er muffig schmeckte. Trotzdem war es besser als nichts und außer dem Apfel hatte er im Moment nichts, weshalb er sich mit dem alten Obst zufrieden gab.
    Am Marktplatz war nur wenig los. Die einzigen, die anwesend waren, waren die Händler, die noch damit beschäftigt waren ihre Waren auszulegen, und die Wachen, die die Stadttore beobachteten.
    Hier verbrachte er den ganzen Vormittag und betrachtete das Treiben.
    Ramirez wollte grade gehen, da wurde er von hinten angesprochen: „Hey, du!“
    Ramirez wirbelte herum und sah in das unzufrieden dreinschauende Gesicht von Pablo. „Ich hab vorgestern deinen Kumpel, Rengaru, erwischt wie er etwas gestohlen hat.“
    „Wie kommst du darauf, dass Rengaru mein Kumpel ist?“, erwiderte Ramirez abweisend.
    „Das hat mir mein Bauchgefühl gesagt“, sagte Pablo dreckig grinsend, als wäre das nicht die ganze Wahrheit, „Du weißt doch bestimmt, wo er sich versteckt hat, oder?“
    „Wieso sollte ich? Ich kenne ihn doch gar nicht“, versuchte Ramirez noch einmal sich loszueisen. Die Lage gefiel ihm ganz und gar nicht!
    „So?“, Pablo zog eine Augenbraue hoch, als wolle er ihn beim Lügen ertappt haben.
    „Ich hab jetzt noch was zu tun, wenn du mich also entschuldigen würdest“, Ramirez hatte sich umgedreht und war um die nächstbeste Hausecke verschwunden, bevor Pablo realisiert hatte, dass seine Beute im Begriff war zu fliehen.
    Er fluchte und spuckte auf den Boden. Irgendwann würde er diesen Rengaru und all das andere Lumpenpack zu fassen kriegen.

    Mit klopfendem Herzen schob Ramirez sich durch die dichtstehenden Häuser des Hafenviertels. Das war knapp gewesen. Wie kam dieser tumbe Milizsoldat darauf, dass er mit Rengaru unter einer Decke steckte? Gut, er steckte tatsächlich mit ihm unter einer Ecke, aber woher wusste der das?
    Sie waren nie bei einem ihrer gemeinsamen Raubzüge erwischt worden!
    So langsam beruhigte er sich und auch seine Schritte setzte er nun wieder langsamer voreinander.
    Es wurde allmählich wirklich gefährlich. Die Miliz schien Verbindungen zwischen den einzelnen Diebstählen der letzten Wochen zu erkennen und zu erahnen, dass hinter all dem eine große Gruppe stand, die zusammenarbeitete.
    Ramirez bekam eine böse Vorahnung. Bald würde jemand erwischt werden, wenn das so weiterging. Da war er sich sicher.
    Geändert von MiMo (03.08.2010 um 16:00 Uhr)

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    Kapitel 5

    Die Mittagssonne bäumte sich hoch über der Hafenstadt auf und bescherte den Bewohnern der Insel das erste Mal seit langer Zeit wieder einen heißen Tag.
    Ramirez schlurfte durch die engen Häuserschluchten im Hafenviertel und überlegte noch eben ein Mittagessen zu stehlen und dann schon in die Kanalisation zurückzukehren, um weiter an der Karte zu arbeiten, als er fast mit einem Mann zusammenprallte, der aus einer Gasse links von ihm gekommen war.
    „Nagur!“, rief Ramirez erschrocken aus.
    „Ach, du bist es, Ramirez“, erwiderte Nagur, der ebenso erstaunt über das unerwartete Zusammentreffen war, „Was machst du denn hier im Hafenviertel? Hast du schon genug Gold eingesackt?“
    „Ne, Pablo hat mich fast in Schwierigkeiten gebracht, aber das ist nicht wirklich was Neues. Er meinte nur, ich könnte ihm sagen, wo Rengaru sich versteckt hält.“
    „Das ist nicht gut“, meinte Nagur, „Wenn die Miliz anfängt Verbindungen zwischen uns zu entdecken, sind wir alle in Gefahr, wenn auch nur einer erwischt wird.“
    „Was machst du eigentlich hier im Hafenviertel?“, fragte Ramirez um das Thema zu wechseln.
    „Ich? Ich hab Alrik mal wieder um ein paar Münzen erleichtert. Bei so einem kleinen Kampf mit diesem mittelmäßigen Schläger braucht man sich keine Sorgen um Ärger mit der Miliz zu machen. Die wird in den nächsten zehn Jahren nicht hinters Lager schauen.“
    „Aber nicht, dass du Alrik verärgerst. Er hat uns schon oft interessante Waffen angeboten und uns geholfen, wenn wir ihn mal gebraucht haben“, ermahnte Ramirez Nagur aus Spaß.
    „Ach was“, erwiderte Nagur, „Der prügelt sich doch eh nur den ganzen Tag. Ob er dabei gegen mich oder gegen jemand anderen verliert, ist ihm doch egal.“
    „Ich muss noch zu Halvor“, sagte Ramirez, als er und Nagur auf die breite Hauptgasse traten.
    „Dann trennen sich unsere Wege hier wohl“, erwiderte Nagur. Sie verabschiedeten sich voneinander und gingen dann in entgegengesetzte Richtungen.
    Als Ramirez an Halvors Stand ankam, schien der Fischhändler ihn schon zu erwarten.
    „Ich habe eine Nachricht für dich“, flüsterte Halvor ihm zu, sobald er nahe genug war.
    „Von wem?“, fragte Ramirez leise.
    „Von Ignaz, dem Alchemisten hier im Hafenviertel“, antwortete Halvor, „Er meinte es wäre dringend.“
    „Ignaz hat nach mir verlangt?“, Ramirez war darüber sehr erstaunt, „Ich hab doch bisher noch nie etwas mit ihm zu tun gehabt!“
    „Er meinte, er bräuchte einen Dieb und bat mich einen zu ihm zu schicken. Natürlich haben einige schon lange den Verdacht, dass ich Kontakt zu euch habe.“
    Ramirez legte die Stirn in Falten. Er kannte Ignaz nicht, doch es schien dem Alchemisten wichtig zu sein.
    „Na gut, Ich mach mich gleich auf den Weg“, sagte Ramirez, hob die Hand noch zum Abschied und machte sich dann wieder auf den Weg durch die engen Gassen.
    Ignaz‘ Haus lag in der hintersten Ecke des Hafenviertels, versteckt hinter einer Hausecke. Selten ging jemand dorthin. Angeblich roch es vor seiner Hütte nach Schwefel und ab und zu soll man sogar kleinere Explosionen von dort hören können.
    Doch noch seltener als dass jemand zu Ignaz ging, war, dass Ignaz sein Haus verließ. Für gewöhnlich köchelte er den ganzen Tag vor sich hin und widmete sich voll und ganz seinen Experimenten. Wenn er sein Haus verlassen hatte, um nach einem Dieb zu fragen, musste es also sehr wichtig sein.
    Ramirez schlenderte ein wenig nervös an Carls leerstehender Schmiede vorbei und bog dann um die Hausecke, die ihm den Blick auf das Haus des Alchemisten verwehrt hatte.
    Er konnte auf dem ersten Blick nichts Besonderes erkennen, allerdings roch es wirklich leicht nach Schwefel.
    Er ging auf das Haus zu und trat ein. Zuerst fiel ihm ein Regal mit vielen unterschiedlichen Flüssigkeiten auf, die allesamt leuchteten und eine andere Farbe hatten. Der Inhalt einer großen, lilafarbenen Flasche blubberte sogar munter, obwohl sie nicht auf einem Feuer stand.
    „Wer bist du?“, krächzte eine Stimme, die gerade so das Blubbern der Flüssigkeiten, die auf dem Alchemietisch köchelten, übertönte.
    Ramirez entdeckte Ignaz sofort. Er stand bucklig vor dem Alchemietisch und wurde ein wenig schaurig von den darauf entzündeten Flammen von hinten erhellt.
    Ramirez räusperte sich und trat noch ein paar Schritte auf ihn zu: „Halvor hat mich zu dir geschickt.“
    „Soso“, erwiderte Ignaz und rieb sich freudig die schmutzigen Hände, „Du bist also ein Dieb?“
    „Ähm…ja“, antwortete Ramirez wahrheitsgemäß und wunderte sich zugleich über diese merkwürdige Frage.
    „Dann muss ich dich um einen Gefallen bitten“, sagte der Alchemist mit seiner kratzenden Stimme mehr zu sich selbst als zu jemand anderem und schlurfte zu einem großen Schrank hinüber.
    Er riss ihn auf und Ramirez sah, wie sich unter den paar Kleidern, die traurig von Haken an der Schrankdecke herabhingen, abgenutzte Bücher und fleckige Pergamente stapelten.
    Ignaz zog eines der Pergamente mühsam heraus, schlug die Schranktüren dann wieder zu und schlurfte zu Ramirez.
    Dieser hätte am liebsten einen Schritt rückwärts gemacht, so nah war ihm der Alchemist gekommen.
    Ignaz starrte Ramirez mit einem irren Blick an, wobei er schräg hoch gucken musste, da der Dieb einen ganzen Kopf großer war als er.
    „Hast…“, fing der Alchemist aufgeregt an zu sprechen, „Hast du Probleme mit der Miliz?“
    Ramirez wusste nicht was er antworten sollte und wie sich herausstellte, brauchte er das auch gar nicht. Ignaz hob das Pergament hoch und erklärte mit rasselnder Stimme: „Wenn man diese Spruchrolle anwendet, kann man dem Zielobjekt bestimmte Sachen komplett vergessen lassen. Zum Beispiel eine Prügelei oder wie er jemanden beim stehlen erwischt hat. Für einen Dieb wie dich sicherlich sehr nützlich.“
    Ramirez nahm die Spruchrolle in die Hand und musterte sie interessiert. Unter den wie eine Überschrift zusammengesetzten Runen prangte ein Muster, das ihn an ein Auge erinnerte.
    „Aber warum gibst du mir einfach so eine Schriftrolle?“, fragte er und war schon auf die Antwort gespannt.
    „Nun“, zögerte Ignaz ein wenig, „Diese Spruchrolle wurde noch nicht getestet. Ich muss allerdings unbedingt wissen, ob sie funktioniert. Der letzte der sie testen wollte, hat sich leider nicht wieder bei mir gemeldet.“
    „Heißt das, du selbst hat diese Spruchrolle entwickelt?“
    „Natürlich habe ich das. Sie ist ein Geniestreich ohnegleichen“, lobte Ignaz seine Arbeit mit einem fanatischem Glitzern in den Augen.
    „Warum sollte ich diesen Spruch testen?“, wandte Ramirez nun vorsichtig geworden ein, „Wer weiß was für eine Wirkung sie entfaltet? Vielleicht explodiert der Anvisierte ja auch vor meinen Augen!“
    „Zum einen bin ich mir ziemlich sicher, dass sie so funktioniert wie sie funktionieren soll“, erwiderte der Alchemist gierig, „Und zum anderen wäre es auch für dich und deine Spießgesellen ein gewaltiger Trumpf, wenn ihr einen solchen Spruch besäßet. Ich würde ihn euch in Massen verkaufen. Außerdem stehe ich dann in deiner Schuld. Wenn du mal meine Hilfe brauchst, kannst du zu mir kommen und ich werde sehen, was ich machen kann.“
    Ramirez zweifelte daran, dass er je die Hilfe des Alchemisten benötigen würde, doch hatte dieser vollkommen recht, dass es für ihn und auch für die anderen, vor allem für Rengaru, sehr hilfreich sein würde einen derartigen Zauber in der Hinterhand zu haben.
    „Na gut, ich machs“, besiegelte Ramirez die Abmachung und steckte die Spruchrolle ein.
    „Sehr schön“, erwiderte Ignaz und rieb sich wieder freudig die Hände, „Komm zu mir, sobald du sie ausprobiert hast!“
    Geändert von MiMo (03.08.2010 um 15:54 Uhr)

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    Kapitel 6

    Gespannte Atmosphäre lastete an diesem Abend auf den nasskalten Mauern des kerkerartigen Raums, in dem sie sich versammelt hatten.
    Ramirez hockte neben Rengaru auf einem Stapel morscher Holzbretter, unter dem zuweilen eine Fleischwanze hervorkroch.
    Neben ihnen stand Jesper, der sich mit einer tiefen Grübelfalte auf der Stirn an die Wand gelehnt hatte. Seine Hände hatte er tief in den Taschen vergraben, weshalb er ziemlich besorgt aussah.
    Ramirez ging es ähnlich, denn es war höchst ungewöhnlich, dass sie alle zusammengerufen wurden.
    Attila saß in einer Ecke auf einem umgedrehten Eimer und kratzte mit einem Messer Dreck aus den Ritzen der Steinwand.
    Nagur war ebenfalls da, er sah eher neugierig als besorgt drein.
    Und was Ramirez erst recht stutzig machte war die Tatsache, dass selbst Borka und Halvor gekommen waren. Cassia musste etwas wirklich Wichtiges zu sagen haben.
    Cassia saß ihnen allen gegenüber auf einer alten Holzkiste, die irgendjemand mal hier unten vergessen hatte.
    Mit einem raschen Blick prüfte sie noch einmal, ob alle anwesend waren, dann seufzte sie schwer. Ihr Auftreten war äußerst ungewöhnlich. Normalerweise wirkte sie immer gefasst, stark und auf Draht, heute strahlte sie eher Ratlosigkeit aus.
    Endlich fasste ihre Anführerin sich ein Herz und begann zu sprechen: „Ihr habt sicher bemerkt, dass die Miliz immer aufmerksamer wird und sich unsere Situation zusehends verschlechtert hat. Rengaru ist nicht der erste, den wir hier unten verstecken müssen, um ihn vor dem Knast zu bewahren. Schon jetzt leben wir in schlechten Verhältnissen und in Zukunft wird sich das auch nicht bessern.“
    Alle Blicke waren auf sie gerichtet. Jeder fragte sich, was nun kommen würde.
    Borka hatte kurz verächtlich gehüstelt. Er lebte schließlich nicht unter schlichten Umständen. Er hatte genau wie Halvor eine Arbeit, die ihm genug Geld einbrachte.
    Ramirez schluckte und spürte förmlich wie Rengaru betreten zu Boden schaute.
    Einen Moment entgleisten Cassia ihre Gesichtszüge, doch dann blickte sie wieder alle mit wild entschlossenem Blick an: „Ich halte es für das Beste wenn wir die Stadt verlassen.“
    Attila fiel sein Messer klingend aus der Hand. Nagur zuckte zusammen, als wär kurz vor ihm eine Riesenratte emporgesprungen.
    Bartok löste seine Arme überrascht aus der Verschränkung, Jesper sackte ein kleines Stück die Wand hinunter. Rengaru begann zu zittern. Für Ramirez waren solcherlei Reaktionen jedoch nicht genug. In ihm hatte sich eine Leere ausgebreitet.
    Khorinis, den Ort seiner Geburt, wo er fast sein ganzes Leben verbracht hatte, verlassen? All die verwinkelten Gänge des Hafenviertels und die prachtvollen Bauten in den oberen Vierteln der Stadt, die er nur allzu oft sehnsüchtig betrachtete, der Marktplatz, den er so gerne und so oft besucht hatte und plötzlich schien ihm sogar die Kaserne und Vatras mit seinen Predigten ans Herz gewachsen zu sein.
    „Hier in der Stadt wird es allmählich wirklich zu gefährlich. Andere Banditengruppen haben bewiesen, dass das Leben draußen ertragreicher und weniger entbehrlich ist. Wir könnten endlich frei sein und müssten uns nicht in so einem Loch verkriechen. Wenn wir einen Überfall gemacht haben, sind nicht sofort irgendwelche Milizsoldaten hinter uns her. Das alles muss besser sein, als diese Stadt, die uns misstrauisch immer weiter in den Untergrund drängt“, redete Cassia sich ihre Beweggründe von der Seele und dabei wirkte sie so froh und enthusiastisch wie schon lange nicht mehr. Sie war schon bei ihrer Ankunft auf der Insel eine gesuchte Diebin gewesen und hatte die letzten fünf Jahre fast ausschließlich hier unten verbracht, was ihrem Teint nicht sehr gut getan hatte.
    In Ramirez Kopf drehte sich alles. Er wollte die Stadt nicht verlassen, aber noch weniger wollte er ohne seine Freunde leben. Und was Cassia da sagte, leuchtete ihm durchaus ein…
    „Ich werde die Stadt auf keinen Fall verlassen“, erwiderte Borka als erster, „Ich habe einen Beruf, der genug zum Leben einbringt. Für mich gibt es keinen Grund. Dass es euch hier so langsam zu heiß wird, kann ich jedoch sehr gut verstehen.“
    „Ich werde auch hier bleiben“, warf Halvor ein, „Mir geht’s ähnlich wie Borka, für mich gibt es keinen Grund!“
    „Ich hab mir schon gedacht, dass ihr beiden hier bleibt“, erwiderte Cassia, „Aber was ist mit euch anderen?“
    Stille. Keiner sagte ein Wort. Das Tropfen, das man in diesen Gewölben ständig hörte, schien plötzlich zehnmal lauter zu sein als gewöhnlich.
    Ramirez saß wie versteinert da, sein Herz pochte. Cassia würde gehen, da war er sich sicher. Würde es für sie hier überhaupt eine Lebensgrundlage geben, wenn sie weg war?
    „Ich werde gehen!“
    Alle wandten sich zu demjenigen, der diese Worte mit fester Stimme in den Raum gerufen hatte, um: Rengaru.
    „Ich will nicht mehr hier unten im Dunklen sitzen und Tag für Tag verstreichen lassen, während ich euch allen zur Last falle!“
    „Du fällst uns doch nicht zur…“, wandte Ramirez erschrocken ein, doch Rengaru unterbrach ihn: „Doch, tu ich! Ihr musstet in letzter Zeit immer mein Essen mitstehlen, während ich überhaupt nichts beigesteuert habe! Hier bin ich nur ein Klotz am Bein, draußen kann ich wieder frei sein und euch allen helfen!“
    Rengaru erhob sich ruckartig und ging zu Cassia hinüber, wo er sich mit einem entschlossenem Glitzern in den Augen neben sie stellte.
    „Das klingt interessant“, Jesper hatte sich zu Wort gemeldet, „Ich hätte auch Lust darauf mal wieder etwas neues auszuprobieren.“
    „Dann darf ich endlich töten, oder?“, fragte Attila mit einem irren Blick, den Ramirez beinahe fürchtete.
    „Wenn ihr alle geht, geh ich auch mit“, rief Nagur.
    Cassia lächelte zufrieden, was sich änderte, als ihr Blick auf Ramirez hängen blieb: „Und du, Ramirez?“
    Er zögerte. Wohl war ihm bei dem Gedanken immernoch nicht, doch er nickte: „Natürlich komm ich mit.“
    „Gut, dann ist das beschlossene Sache. In einer Woche brechen wir auf. Bis dahin sollte ich alles Nötige geregelt haben“, beendete Cassia die Sitzung, „Ach ja, eins noch: Verhaltet euch bis dahin bitte ruhig!“
    „Aber sicher doch“, erwiderte Attila, erhob sich und durchquerte den Raum.
    Schwatzend verließen alle das düstere Gewölbe. Glücklich darüber, dass sich endlich mal wieder was spannendes ereignen sollte.
    Nur Ramirez blieb sitzen. Traurig starrte er ins Leere. Nach einigen Sekunden zog er ein paar Pergamente aus seinen Taschen. Es war die Karte und die Aufzeichnungen, die er dazu angefertigt hatte.
    Sollte seine Arbeit umsonst gewesen sein?
    Geändert von MiMo (03.08.2010 um 16:55 Uhr) Grund: Borka -.-*

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    Kapitel 7

    Müde gähnte Ramirez, dessen Augen nach der durchwachten Nacht rot und gereizt waren.
    Er stand im Schatten einer Holzhütte im Hafenviertel und dachte nach. In fünf Tagen würden sie die Stadt verlassen und trotzdem hatte er die ganze letzte Nacht über die Karte gebeugt verbracht. Mit hastigen Bewegungen hatte er immer mehr Informationen, die er der Karte abgewonnen hatte, zu Pergament gebracht.
    Nun war er fertig, doch was brachte es ihm?
    „Was machst du denn hier?“
    Ramirez sah überrascht auf und erblickte Nagur.
    „Ich denk nur ein bisschen nach“, antwortete Ramirez und rieb sich die müden Augen.
    „Über das Fortgehen, oder?“, erriet Nagur sofort was in ihm vorging, „Ich war grade bei Alrik und hab es ihm erzählt. Er wirkte ziemlich geknickt.“
    „Aber Cassia hat ja recht. Da draußen werden wir viel freier leben können“, redete Ramirez sich die Bedenken weg, die er immernoch hegte. Aber da kam ihm ein Gedanke…
    Könnte er genau diesen Fortgang nicht zu seinem Vorteil nutzen?
    „Ich muss weg, bis nachher!“, verabschiedete er sich schnell von Nagur und lief los.
    Das war die Chance seinen Plan doch noch durchzuziehen!

    Kurze Zeit später klopfte er an die morsche Tür, hinter der der Raum lag, den Cassia sich in der ungemütlichen Kanalisation vor wie es schien viel zu langer Zeit ausgesucht hatte.
    „Herein“, hörte Ramirez ihre Stimme von drinnen.
    Er legte seine Hand auf die rostige Türklinke und drückte sie nur vorsichtig hinunter, damit sie nicht abbrach. Er war noch nicht oft in diesem Raum gewesen.
    Nachdem er eingetreten war, untersuchten seine Augen wie gewohnt den recht großen Raum, in dem sich an der Hinterwand Fässer türmten und in einer Ecke das provisorische Bett stand.
    Cassia stand vor einem von flackerndem Kerzenlicht beleuchteten Buchständer, auf dem sie offensichtlich einen an den Wachen vorbeigeschmuggelten Brief las. Hinter dem Buchständer war der Wandbehang, hinter dem sich die Treppe verbarg, die in Hannas Hotel führte.
    „Ramirez! Was willst du denn?“, fragte Cassia offensichtlich überrascht.
    Ramirez fixierte sie und überlegte sich seine Worte, die unbedingt die richtige Wirkung erzielen mussten. „Wenn wir die Stadt verlassen, sind unsere Kopfgelder endgültig egal, oder?“
    „Ich denke schon, die Miliz schert es schließlich erfahrungsgemäß wenig, wenn sich draußen ein paar Gesuchte rumtreiben“, antwortete Cassia mit einer fragenden Falte auf der Stirn, die Ramirez sofort verriet, dass sie versuchte herauszufinden, worauf er hinaus wollte.
    „Ich habe letzte Nacht nicht geschlafen, um etwas zu vollenden, woran ich schon seit einiger Zeit arbeite“, fuhr Ramirez fort und zog ein einzelnes Pergament hervor.
    Cassia nahm das ihr angebotene Pergament in ihre langen Finger. „Eine Karte vom oberen Viertel?“
    „Genau das ist es“, bestätigte Ramirez ihr, „Und das hier ist das, was sie uns verrät.“
    Er zog einen dicken Packen Pergamente hervor. Cassias Augen weiteten sich, während sie die Schriftstücke, die allesamt bis in die letzte Ecke beschrieben worden waren, durchblätterte und ab und zu anhielt, um eine Passage zu lesen.
    „Die Karte verrät uns nicht nur wo die Häuser stehen, sondern auch, wie wir reinkommen, ohne von den Wachen gesehen zu werden. Außerdem kann man erahnen, wo die Besitzer des Hauses schlafen werden und diesen Räumen dann gezielt aus dem Weg gehen. Und selbst wenn sie uns erwischen, ist es egal, solange wir heil dabei wegkommen, denn wir verschwinden danach ja eh aus der Stadt!“
    „Du willst das also in genau fünf Tagen durchziehen?“, fragte Cassia und wühlte immernoch fasziniert in den Pergamenten herum, die sie inzwischen auf ihr Pult abgelegt hatte.
    „Ja“, erwiderte Ramirez, der sich allmählich fragte, ob sie skeptisch oder interessiert war, „Wir könnten sofort mit der ganzen Beute durchs Stadttor abhauen!“
    Cassia rückte die Pergamente wieder fein säuberlich aufeinander und wandte sich dann Ramirez zu: „Der Plan gefällt mir!“ Ein Verlangen nach Abenteuern stand ihr ins Gesicht geschrieben, das er selbst auch schon seit er diese Karte das erste Mal genauer betrachtet hatte, verspürte.
    „Wo steht eigentlich wie wir uns ins obere Viertel einschleichen?“, fragte Cassia mit einem fragendem Blick auf die geschriebenen Seiten.
    Ramirez Lächeln angesichts der Tatsache, dass sein Plan akzeptiert worden war, fiel in sich zusammen.
    „Darüber hab ich noch gar nicht nachgedacht“, gab Ramirez ernüchtert zu.
    „Wir können jedenfalls nicht einfach die beiden Wachen einschläfern oder hinterrücks niederknüppeln ohne gesehen zu werden, das ist unmöglich!“
    Ramirez sah zerknirscht auf den Wandbehang hinter Cassia, um sie nicht direkt ansehen zu müssen. Daran sollte sein Plan, diese geniale Chance reich zu werden, scheitern?
    Das konnte nicht sein.
    „Finde bis morgen Abend einen Weg, sonst sehe ich leider keine Chance das durchzuziehen. Wir sollten es schließlich genau planen!“
    „Gut“, antwortete Ramirez und schlurfte wieder aus dem Raum heraus.

    Ramirez saß auf einer Bank am Hafenkai und betrachtete gedankenverloren den Sonnenuntergang, den er in 5 Tagen das letzte Mal sehen würde.
    Im Innenland gab es nicht diese fantastische Aussicht auf das Meer, an dessen anderen Ende dieses glühende Gestirn untergeht und dem Wasser seine Farbenpracht aufzwingt.
    „Was sitzt du hier so herum? Nimmst du schon Abschied von der Insel?“
    Ramirez wandte sich um. Hinter ihm stand Halvor. Ramirez wunderte sich, warum er ihn nicht gleich an seinem penetranten Fischgestank erkannt hatte.
    „Es wird ganz anders werden, wenn ihr weg seid. Der Handel mit Ware vom Schwarzmarkt wird wohl fast zum Erliegen kommen, ohne euch fehlen mir schließlich sowohl Abnehmer als auch Verkäufer“, Halvor setzte sich neben ihn auf die Bank.
    Ramirez sah schweigend weiter auf das Meer hinaus.
    „Warst…“, kam ihm ein Wort über die Lippen, „Warst du schon mal im oberen Viertel?“
    „Nein“, lachte Halvor, „Versuch auch gar nicht erst da reinzukommen, das ist für unsereins eine brandgefährliche Gegend. Wenn du da Unfug machst, wird dein Strafe dich zu Adanos persönlich bringen!“
    Das hatte Ramirez sich gedacht. Nur ein dummer Ratschlag, den er schon kannte. Nichts, was ihm wirklich weiterhalf.
    „Weißt du…“, Halvor schien bewusst zu sein wie wichtig Ramirez diese Frage gewesen war. Sie kannten sich halt schon eine lange Zeit.
    „Wenn ich irgendein Problem habe und damit einfach nicht weiterkomme, dann stelle ich mich tatsächlich zu Vatras und lausche seinen Predigten.“
    Ramirez sah ihn unglaubig an.
    „Du?!“, entfuhr es ihm, bevor er den Drang niederkämpfen konnte.
    „Ach weißt du… Vatras erzählt von Welten, die sich so fantastisch und friedlich anhören, als wären sie das Paradies auf Erden. Dort müssten wir beide nicht in so einer dreckigen Gegend leben und andere Leute bestehlen. Von so einer Welt zu hören beruhigt und bringt die Gedanken wieder zurück auf den Boden der Realität, sodass einem plötzlich ganz einfache Lösungen für sein Problem einfallen.“
    Ramirez sah ihn weiterhin skeptisch an.
    „Na dann nicht, ich muss jetzt auch wieder an meinen Stand. Komm aber noch mal vorbei, bevor ihr abhaut!“
    Halvor ging und Ramirez war wieder allein.
    Allein mit seinem Problem, dem Meer und seinem Traum vom großen Jackpot.

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    Kapitel 8

    Schon wieder war ein Tag vergangen.
    Ramirez war fast verzweifelt. Er hatte immernoch keine noch so winzige Chance gefunden, unbehelligt ins obere Viertel zu kommen. Er war den ganzen Tag um eben dieses herumgeschlichen und hatte nach einem noch so kleinem Schlupfloch gesucht, doch ihm war einfach keine Idee gekommen.
    Er stand nun vor Coragons Kneipe wie ihm soeben auffiel.
    Vatras Worte wehten zu ihm hinüber und er musste an Halvor und dessen unsinnigen Ratschlag denken.
    Doch er schien recht zu haben. Vatras Worte über Adanos Reich und andere wunderbare Gegebenheiten versteckten seine Verzweiflung in einer der hintersten Schubladen seines Kopfes.
    Sein Blick hing gedankenverloren an der weißen Marmorbaut, die sich über dem Wassermagier erhob und sowohl groß als auch majestätisch im gleißenden Sonnenlicht glitzerte.
    Die weiße Kuppel wirkte fast als wolle sie gegen die tristen, kahlen Steinwände des oberen Viertels hinter ihr, die kaum höher waren als sie selbst, rebellieren.
    Da traf es Ramirez wie ein Schlag. Vorbei war seine Trance, vorbei seine Verzweiflung, ein Hochgefühl machte sich in ihm breit, wie er es heute Morgen noch nicht für möglich gehalten hätte!
    Schnell huschten seine Augen suchend um den Tempel aus Mamor herum und fanden, was sie suchten. Das Dach von Coragons Kneipe ragte nah genug an den Adanostempel heran, um von ihm aus auf den Tempel rüberzuspringen. Es würde knapp sein, doch dass es schaffbar war, bezweifelte Ramirez nicht.
    Sich vom Tempel aus die Mauer zum oberen Viertel hochzuziehen würde ein Kinderspiel sein.
    Ungesehen auf Coragons Dach zu kommen, konnte ebenfalls nicht all zu schwer sein.
    Da hatte er ihn: Den Weg ins obere Viertel!

    „Du hast einen Weg gefunden?“, rief Cassia erfreut.
    Ramirez schnaufte noch, weil er den ganzen Weg gerannt war. Allmählich beruhigte sich sein Atem, sodass er Cassia mehr erzählen konnte.
    „Vom Dach von Coragons Kneipe aus kann man mit ein wenig Glück auf das Dach des Tempels kommen. Von dort aus ist die Mauer des oberen Viertels nur knapp zwei Meter hoch, das ist eindeutig zu schaffen“, erklärte Ramirez ihr übereilig und sich vor Aufregung verhaspelnd.
    „Gut, so eine Chance bekommen wir nie wieder“, erwiderte Cassia, „Das hast du klasse gemacht! Nicht nur dass du einen Weg ins obere Viertel gefunden hast, sondern auch deine genauen Studien der Karte. Überlass jetzt alles weitere mir. In vier Tagen werden wir uns um diese Zeit aufbruchsbereit machen und bis dahin muss noch einiges getan werden! Schick morgen bitte unverzüglich Borka und Halvor zu mir, sie müssen uns unterstützen!“
    Ramirez nickte, dann verließ er Cassias Raum und sprang vor Freude in die Luft. Er hatte es geschafft! Nun stand dem Versuch nichts mehr im Wege!

    Am nächsten Tag schien die Sonne wieder, wie auch schon an den letzten Tagen.
    „Ich soll zu Cassia kommen? Schon wieder? “, reagierte Borka überrascht auf die ihm grade überbrachte Nachricht.
    „Ja, ich würde sagen es ist dringend“, erwiderte Ramirez vielsagend.
    Borka runzelte die Stirn: „Was weißt du darüber?“
    „Cassia wird dir schon alles erzählen“, wimmelte Ramirez ihn ab, „Ich muss jetzt noch zu Halvor.“
    Und schon hatte er sich umgedreht und den ratlos dreinblickenden Borka allein vor der roten Laterne zurückgelassen.
    „Wie, jetzt sofort? Ich kann doch meinen Stand jetzt nicht allein lassen“, entrüstete Halvor sich ähnlich wie Borka, kaum hatte Ramirez die Botschaft überbracht.
    „Mach dir keine Sorgen, ich kann auf ihn aufpassen, bis du wieder da bist“, bot Ramirez sofort an, da ihm schon schwante, dass ihm sonst langweilig sein würde.
    „Danke, Kumpel“, entgegnete Halvor , klopfte ihm auf die Schulter und ging.
    Ramirez stellte sich hinter den Stand und ließ den Blick schweifen. Von hier aus konnte man den ganzen Hafen überblicken, von den Schaumkronen tragenden Wellen bis zu den schäbigen Hütten, in deren engen Gassen sich jegliches Licht verlor.
    Hier war er aufgewachsen und dies war die einzige Ecke der Stadt, wo er noch geduldet wurde, denn jeder der hier lebte, hatte schon mal gestohlen, um über die Runden zu kommen.
    Links von ihm standen die majestätischen Paladine im Licht der bald untergehenden Sonne und schwangen ihre Schwerter durch die Luft, als wollen sie unsichtbare Feinde erledigen. Natürlich waren auch die Kisten, deren Inhalt Halvor so begehrte, zwischen ihnen aufgetürmt und Martin, der sie Tag und Nacht mit seinen Leuten bewachte, saß gähnend auf einer von ihnen.
    Da wurde Ramirez plötzlich aus seinen trübsinnigen Gedanken gerissen. „Wo ist Halvor?“, fragte eine Frau mit roten Haaren in einem grünen, zerschlissenem Kleid müde. Fenia, die Frau von Halvor, stand vor ihm, und Ramirez fiel ein, dass sie nicht bei Halvor die Nacht verbracht hatte, als er selbst damals die Pergamente in seiner Hütte zwischengelagert hatte.
    „Der ist eben nach unten“, antwortete Ramirez leise, „Ist aber bestimmt gleich wieder da.“
    „Gib ihm einfach das hier“, entgegnete sie ruppig und gab ihm eine Halskette, an der ein paar goldene Klumpen glänzten, „Damit wären wir dann endlich quitt. Dir noch einen schönen Tag, Ramirez.“
    Eigentlich wollte er sie fragen, was das heißen sollte, doch sie drehte sich bestimmt um, als wolle sie gar nicht erst zulassen, dass ihr eine Frage gestellt wurde. Mit gerunzelter Stirn sah Ramirez ihr nach.
    Ramirez sah zu, wie die Sonne immer tiefer sank und das Meer bald wieder rot anhauchte.
    „Da bist du ja endlich“, empfing er Halvor, als dieser endlich zurückkam, „Keiner hat etwas gekauft, tut mir leid.“
    „Ein wahrer Teufelsplan, den du da ausgeheckt hast“, erwiderte Halvor Ramirez‘ Worte komplett ignorierend.
    „Was? Jaja“, antwortete Ramirez abgelenkt, da er sich soeben wieder an die Kette von Fenia erinnert hatte.
    Er zog sie aus der Tasche und reichte sie Halvor: „Die hat Fenia für dich abgegeben.“
    Halvors Gesicht wirkte ein wenig eingefallen, als er die Kette erblickte. Er nahm sie und steckte sie schnell ein. „Endlich…“, seine Stimme war kratzig, weshalb er sich kurz räusperte und erst dann weitersprach, „…hat sie sie mir zurückgebracht. Du kannst gehen, bin ja wieder da.“
    Wieder runzelte Ramirez die Stirn, öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch Halvor wandte sich ab. Unschlüssig stand Ramirez da, bis er endlich beschloss zu gehen.
    Als er schon weit vom Stand entfernt war, warf er noch einen Blick über die Schulter. Halvor saß auf einem maroden Stuhl und hatte das Gesicht in den Händen vergraben.

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    Kapitel 9

    Tropf.
    Tropf.

    Würde er dieses Geräusch vermissen? Ramirez wusste es nicht.
    Morgen war es soweit, morgen würden sie ihren phänomenalen Abschied verrichten. Auf ewig würden sie in die Gedächtnisse der geschröpften Bürger eingebrannt werden und keiner würde sie je finden. Die Miliz würde an der Aufgabe verzweifeln sie ausfindig zu machen, vielleicht würde sich sogar Panik ausbreiten.
    Ja, dachte Ramirez, das war die gerechte Rache für ihre Vertreibung, dafür, dass sie hier unten hatten leben müssen, ohne sich an der Oberfläche je einmal frei und unbedarft fühlen zu dürfen.
    Es war wieder die rostige Klinke, die er das letzte Mal mit einem mulmigen Gefühl, und heute vielleicht das letzte Mal berührte, um die sich seine klammen Finger schlossen.
    Er öffnete die wie gewohnt knarzende Tür und trat nun schon zum zweiten Mal innerhalb einer Woche in Cassias Zimmer.
    „Da bist du ja endlich“, empfing sie ihn, „Die Vorbereitungen haben soweit alle sehr gut funktioniert. Alle, die ich dabei haben wollte, haben zugestimmt genau den Part zu übernehmen, den ich ihnen zugedacht habe. Nur mit dir hab ich noch nicht geredet!“
    Ramirez sagte nichts, schluckte nur. Wie komisch es war. Das Gefühl des Abschieds hatte sich von Tag zu Tag ausgebreitet.
    „Ich wollte einfach nur, dass ich alles genauestens weiß, wenn ich mit dir noch einmal über den Plan rede“, erklärte Cassia weiter ihre Hintergedanken, „Morgen um Mitternacht versammeln wir uns an Coragons Taverne, es wäre zu auffällig wenn wir alle zusammen aus dem Hafenviertel dort hin kämen.“
    Ramirez nickte als Zeichen, dass er ihre Befürchtung voll und ganz verstand.
    „Desweiteren hielt ich es für unklug allein loszuziehen. Deshalb habe ich uns in Zweiergruppen aufgeteilt, warum, dürfte dir klar sein“, fuhr sie fort, während Ramirez gebannt lauschte, „Mit den Zweierteams steht und fällt der Plan. Sie sind dafür verantwortlich Beute zu machen und sich nicht erwischen zu lassen. Wir können unmöglich das ganze obere Viertel ausnehmen. Nicht nur, weil das zu lange dauern würde, sondern auch, weil wir uns Gedanken darum machen müssen, wie wir das Erbeutete transportieren.“
    Cassia wies auf zwei leere und arg gebraucht aussehende Säcke: „Jeder nimmt einen und stopft rein, was geht, aber verschätz dich nicht, ich glaube nicht, dass sie allzu viel aushalten.“
    „Wie viele Bürger wollen wir denn nun ausheben?“, erkundigte Ramirez sich, während er einen der Säcke aufhob und nur noch Cassias auf dem feuchten Boden zurückblieb.
    „Ich habe mir die sechs rausgesucht, bei denen es meiner Meinung nach am meisten zu holen gibt. Natürlich ist mir klar, dass wir keine Chance haben das Rathaus zu plündern. Das heißt, dass jede Zweiergruppe zwei Bürger ausraubt“, erklärte Cassia mit sachlichem Tonfall, „Ich werde mit Attila zusammen arbeiten, einer muss ihn ja schließlich unter Kontrolle halten. Wir beide werden uns Gerbrandt und Fernando vorknöpfen. Die beiden sind am weitesten von der Stelle, wo wir über die Mauer klettern, entfernt. Das würde ich deshalb ganz gerne selbst erledigen. Dich habe ich an Rengarus Seite gestellt. Ihr beide kennt euch sehr gut und könnt deshalb prima zusammenarbeiten. Ihr werdet euch das Haus von Valentino und jenes daneben vorknöpfen. Ich weiß nicht wer darin wohnt, doch ist das Haus eines der grüßten in diesem Viertel, was heißt, dass da was zu holen sein müsste. Valentino ist um diese Uhrzeit seltenst zuhause. Wahrscheinlicher ist es, dass wir ihm vor Coragons Kneipe in die Arme laufen, als dass ihr ihm in seinem Haus begegnet. Soweit alles ok?“
    „Ja, klar“, bestätigte Ramirez ihr ihren wie er fand genialen Plan. Cassia hatte wirklich Erfahrung damit solche Pläne zu entwerfen.
    „Gut, Nagur und Jesper kümmern sich dann um Lutero und Salandril. Sobald ihr fertig seid mit eurem Raubzug, geht ihr schnurstracks zurück und verschwindet durchs Stadttor. Lasst uns anderen einfach zurück, umgekehrt gilt natürlich das gleiche.“
    „Wie kommen wir durchs Stadttor? Das ist doch bewacht?“, warf Ramirez ein.
    „Du hast es doch selbst gesagt. Es ist egal, was uns hier vorgeworfen wird, wenn wir es nur raus in die Freiheit schaffen. Allerdings werden wir mit dem ganzen Goldkram keinen Schwertkampf gewinnen“, erwiderte Cassia süffisant lächelnd.
    „Der Schuss muss sitzen, und möglichst zeitnah mit dem deines Partners kommen. Wenn ihr nicht die ersten seid, habt ihr damit aber ja eh kein Problem, dann sind die ja schon längst tot“, während sie das sagte, drückte sie Ramirez eine kleine Armbrust in die Hand, „Einfach rennen, mehr müsst ihr gar nicht, sobald die Wachen tot sind. Ich habe mich mit den Banditen am Leuchtturm in Verbindung gesetzt, sie nehmen uns in dieser Nacht auf, wie es dann weiter geht, sehen wir dann. Noch Fragen?“
    „Ja“, sagte Ramirez, dem der letzte Teil des Plans doch ein wenig riskant vorkam, doch eine andere Frage drängelte sich vor: „Was ist mit Borka und Halvor?“
    „Borka und Halvor werden zusammen mit Alrik und seinen Jungs das obere Viertel unauffällig umstellen, damit sie sofort etwaige Probleme erkennen können. Sie sind nur für den Notfall angedacht, eine reine Sicherheitsmaßnahme. So können sie auch nach unserem großen Raubzug im Idealfall ihren Beruf weiter ausüben“, beendete Cassia die langen Erklärungen.
    Als würden Alrik und seine Jungs einen Beruf ausüben, dachte Ramirez noch spöttisch, doch er beeilte sich lieber noch einmal all die Details in seinem Kopf abzuspulen.
    „Das wesentliche hab ich hier nochmal raufgeschrieben. Auf der Rückseite findest du deine eigene Handschrift und damit verbunden die Notizen zu euren Zielobjekten“, sagte Cassia und blickte ihm eindringlich in die Augen, während sie ihm eins seiner Pergamente zurückgab.
    „Stimmt etwas nicht?“, fragte sie noch einmal leicht irritiert.
    „Nene, ist schon gut“, erwiderte Ramirez rasch. Er hatte gewusst, dass es riskant wurde, warum war ihm dann plötzlich so mulmig zumute? Er hatte für diesen Plan gearbeitet bis zum Umfallen und würde ihn jetzt sicherlich nicht als einzigen sausen lassen.
    „Ich gehe dann und übe noch ein wenig mit der Armbrust zu schießen“, verabschiedete Ramirez sich, als er auch schon die Tür geöffnet hatte.
    „Wenn du noch fragen hast, komm nochmal zu mir. Es ist wichtig, dass wir alle genauestens Bescheid wissen!“, rief sie ihm noch nach.

    Die Sonne war untergegangen.
    Es war soweit.
    Ramirez saß wieder auf der Bank im Hafen. Das letzte Mal hatte er den Sonnenuntergang beobachtet, das letzte Mal war er in der Kanalisation gewesen, sein Boot, das unter ihm von den Wellen umhergeschaukelt wurde, würde er nie wieder benutzen.
    Er hob den leeren Sack, der neben ihm auf den Boden lag, auf und ließ ihn durch die Finger streifen. Würde er in wenigen Stunden wirklich prallgefüllt mit Gold sein?
    Erregung stieg in Ramirez auf.
    Es war als hätte er wochenlang auf diesen Moment hingearbeitet und als würde diese Nacht über sein restliches Leben entscheiden.
    Und wenn er genau darüber nachdachte, war es ja auch so.
    Er hob den Kopf zu der hellen Kugel, die der Mond, der grade für kurze Zeit zwischen zwei Wolken hervorblitzte, darstellte.
    Er hatte keine Zeit mehr seiner Heimat hinterherzutrauern – Schluss mit dem Trübsalblasen.
    Ramirez erhob sich, den Sack in der rechten Hand und warf einen letzten Blick auf das Meer.
    Er würde nicht mehr zögern, denn nun ging es um alles.

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    Irenicus-Bezwinger  Avatar von MiMo
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    Kapitel 10

    Wolken hatten sich wieder vor den Mond geschoben. Kaum noch Licht war nun in Khorinis zu finden.
    Lauter Lärm drang aus Coragons Kneipe und übertönte draußen jedes heimliche Geräusch.
    Ramirez war der letzte, der sich in den Schatten der Kneipe drängte und dort fast gänzlich unsichtbar verharrte.
    „Halvor und die anderen sind auf ihren Posten, also los jetzt“, hauchte Cassia links von ihm.
    Flink stieg sie auf ein Fass, das neben ihr gestanden hatte und zog sich aufs Dach. Ramirez war sich sicher, dass dieses Fass nicht zufällig da stand.
    Nachdem auch Attila aufs Dach gestiegen war, folgte Ramirez.
    Die laut miteinander quatschenden Leute, die unter ihnen gemütlich tranken, hörten die Geräusche der Schritte auf dem Dach nicht.
    Ramirez musste schmunzeln, als er daran dachte, dass Valentino in diesem Moment wahrscheinlich auch unter ihm war.
    Er spürte wie Rengaru, Nagur und Jesper hinter ihm die gleiche gebückte Haltung einnahmen wie er selbst.
    „Verdammt“, hörte er Cassia fluchen. Sie wies mit einem Kopfrucken nach rechts und ihm wollte fast der Atem stehen bleiben.
    Pablo stand mit verschränkten Armen rechts vom Adanostempel Wache. Sie konnten es unmöglich wagen rüberzuspringen, während er dort stand. Zu allem Unglück kam nun auch noch der Mond hinter den Wolken hervor und beleuchtete die Szenerie etwas.
    Ramirez war sich sicher, dass sie jetzt ohne weiteres entdeckt werden konnten.
    Doch da ertönte auf einmal lautes Geschrei aus der Händlergasse.
    Ein Klingen wie es nur entstand, wenn Schwerter aufeinander krachten, hallte durch die Gassen. Pablos Kopf ruckte hinüber.
    Sofort rannte der Milizsoldat zur Stelle des Tumults um für Ordnung zu sorgen.
    Ohne noch länger zu warten sprang Cassia und landete knapp auf dem Tempeldach. Attila folgte ihr und auch Ramirez sprang.
    Cassia lugte schon über die Mauer des oberen Viertels.
    Nun zog sie zu Ramirez‘ Verwunderung ein Stück Pergament hervor.
    Inzwischen waren sie alle auf dem Tempeldach, wo sich ihre dunklen Körper stark von dem weißen Marmor abhoben. Sie mussten von hier weg sein, bevor Pablo wiederkam.
    Cassia schwang das Pergament in die Luft und ein Schauer blauer Funken sprudelte hervor.
    „Das war die einzige Stadtwache, die in diesem Abschnitt Wache steht, wenn ich das richtig sehe. Seid trotzdem auf der Hut“, riet Cassia ihnen eindringlich.
    Die Wolken verdunkelten nun endlich wieder den Mond und die Banditen zogen sich die Mauer hoch. Sie kamen leichtfüßig und fast ohne ein Geräusch auf der anderen Seite auf.
    Einige Meter vor ihnen lag Wambo, der unbequem auf dem Steinboden liegend und noch von ein paar bläulichen Lichtflecken umschwirrt, schlief. Ramirez wurde klar, dass Cassia einen Schlafzauber angewandt hatte.
    Ebenso klar war ihm, dass sie ihn nicht schon bei Pablo verwenden wollte, da sie sicher gewesen war, dass sie im oberen Viertel eine Wache erwarten würde.
    Nagur und Jesper schlichen nach links, während Ramirez mit Rangaru und Attila Cassia nach rechts folgte.

    „Wenn ihr hier noch einmal so einen Tumult veranstaltet, werd ich euch eure dünnen Kehlen aufschlitzen, habt ihr das verstanden?“, fauchte Pablo mehr als gereizt, „Was fällt euch eigentlich ein euch mitten auf der Straße zu prügeln? Na, mir soll’s egal sein.“
    Pablo warf noch einen vernichtenden Blick auf die beiden Störenfriede, wandte sich dann um und ging wieder auf seinen Posten zurück.
    Schnell rannte Halvor zu den beiden zurückgebliebenen, Alrik und Borka.
    „Ihr habt es geschafft! Sie hatten genug Zeit ungesehen über die Mauer zu kommen“, gratulierte Halvor ihnen.
    „Pah, eine kleine Schlägerei zu simulieren ist jawohl das einfachste auf der Welt“, lachte Alrik zufrieden mit ihrer Arbeit.
    „Jetzt wird es riskant. Einen Rückzieher können sie jetzt jedenfalls nicht mehr machen“, wechselte Borka besorgt das Thema.
    „Wir können nichts anderes machen, als ihnen den Fluchtweg zu sicher, dazu sind wir doch schließlich da“, erwiderte Halvor und warf einen Blick auf die beiden Ritter, die das obere Viertel bewachten, „Solange sie an den Wachen vorm Rathaus vorbeikommen, wird schon alles gut werden.“

    Cassia zielte mit ihrem Bogen hoch in die Luft und ließ den Pfeil los. Raschelnd kam er im Gebüsch hinter dem Zaun, der das Rathaus umrahmte, auf.
    Wie beabsichtigt blickte sich eine der beiden Wache nervös um, stupste dann die andere an. Beide blickten gespannt aufs Gebüsch, während sie sich diesem langsam näherten.
    Diese Gelegenheit nutzten Cassia und Attila um am großen Eingang des Rathauses vorbei auf die andere Straßenseite zu gelangen.
    Mit gekonnten, schnellen Sprüngen kamen sie an die Tür von Gerbrandt. Das Schloss hielt Cassia und ihrem Dietrich nicht einmal zwei Sekunden stand.
    Leise öffnete sie die Tür.

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    Kapitel 11

    Sie waren drinnen.
    Jetzt hieß es schnell alles einzusacken.
    Rengaru packte schon einen goldenen Kelch, der auf dem Kaminsims gethront hatte.
    Ramirez packte einen silbern glitzernden Kerzenleuchter in dem sogar Diamanten eingearbeitet waren und steckte ihn in seinen Sack.
    Der Raum war groß und obwohl sie nicht wussten, wem das Haus gehörte, wussten sie, dass dies das Haus eines wirklich reichen Sacks war.
    Rengaru ging zu einem Schrank und öffnete ihn vorsichtig, während Ramirez eine Schublade aufzog und einen Haufen Silberbesteck fand. In der dadrunter schien eine Frau ihren ganzen Schmuck aufzubewahren.
    Kurze Zeit später, als ihre Säcke schon prall gefüllt waren, lugten sie aus der Tür, sahen, dass die Luft rein war und huschten weiter.
    Gleich neben dem Haus, aus dem sie gekommen waren, stand das Haus von Valentino, dessen Vater ein wohlhabender Graf gewesen war und seinem Sohn eine Menge Gold vermacht hatte.
    Doch kaum war die Tür aufgebrochen und die beiden Diebe hineingeschlichen, fiel ihnen etwas Merkwürdiges auf. Nirgendwo war Gold zu sehen.
    Rengaru ging zu einem Schrank und zog ihn auf. Lauter piekfeiner Klamotten kamen zum Vorschein.
    „Wie ekelhaft prunkvoll“, entfuhr Ramirez der Spott.
    „Sei leise!“, zischte Rengaru entsetzt.
    Ramirez sah ein, dass es wirklich besser war die Klappe zu halten und beeilte sich. Er ging zu einem Schrank auf der gegenüberliegenden Wand des Raumes und riss auch ihn auf. Wieder war nur ein Haufen edler Klamotten darin.
    Plötzlich hörten sie, beide noch direkt vor je einem Schrank stehend, Schritte vor dem Haus. Sie hatten kaum Zeit sich einen panischen Blick zuzuwerfen, bevor auch schon ein Ruf zu hören war: „Valentino, bist du da? Du schuldest mir noch was für neulich!“
    Ramirez‘ Herz schlug ihm bis zum Hals. Was sollten sie tun wenn der Mann reinkam? Niederschlagen?
    „Jetzt antworte mir doch, du… Warum hast du denn die Tür aufgelassen?“
    Instinktiv quetschte Ramirez sich zwischen die Kleider in den Schrank und schlug hinter sich leise die Türen zu. Er hoffte inständig so dem Blick des Gläubigers zu entkommen. Und er hoffte, dass Rengaru es auch noch rechtzeitig schaffte.
    Tatsächlich hatte Rengaru sich das Versteck sofort abgeguckt und war in den anderen Schrank geklettert, und hatte die Tür gerade dann geschlossen, als auch schon der Kopf eines Milizsoldaten in schwerer Rüstung seinen Kopf durch die Tür streckte.
    „Is‘ mal wieder beim Saufen und lässt auch noch seine Haustür offen stehen. Unachtsamer Schnösel.“
    In diesem Moment drang ein heftiges Niesen aus einem der Schränke.
    Ramirez musste den Impuls seinen Kopf gegen die Hinterwand des Schrankes zu schlagen unterdrücken. Jetzt gab es keinen Ausweg mehr.
    Rengaru kauerte sich mit laufender Nase auf den Boden des Schrankes und wartete zitternd darauf, dass der Mann ihn fand. Die schwer parfümierten Gewänder hatte seine Nase einfach nicht vertragen.
    Ramirez schob die Türen seines Schrankes einen klitzekleinen Spalt weit auf, so dass er den Rücken des Mannes sehen konnte. Wenn er sich nicht ganz täuschte war der Mann Wambo, eine Wache aus dem oberen Viertel, die in ihren Kreisen als bestechlich und profitgierig bekannt war.
    Langsam näherte Wambo sich dem Schrank in dem Rengaru kauerte. Ramirez überlegte fieberhaft was er tun sollte. Im Schwertkampf war er nicht allzu gut und der Wache sicher unterlegen.
    Er wühlte mit seinen Händen in seinen Taschen und versuchte verzweifelt etwas zu finden, was ihnen zur Flucht verhalf – und schließlich fand er etwas.
    Er wagte nicht zu atmen, als er die Schranktüren noch ein Stück weiter aufzog. Währenddessen griffen Wambos behandschuhten Hände nach dem Knauf des anderen Schrankes.
    Ramirez entrollte die Schriftrolle, spürte wie sie ihre Energie entfaltete und schickte die glitzernden Funken auf die Reise. Ignaz hatte zwar gesagt, dass der Spruch noch unerprobt war, doch es war ihre letzte Chance unentdeckt zu bleiben.
    Die blauen Funken tauchten in Wambos Hinterkopf ein. Der Milizionär zuckte zusammen und erstarrte, die Hand auf dem Türknauf des Schrankes.
    Einige Sekunden verstrichen, in denen weder Ramirez noch Rengaru es wagten zu atmen.
    „Was mach ich hier eigentlich?“, wunderte Wambo sich plötzlich, nahm die Hand vom Knauf und kratzte sich am Kopf, „Ich geh wohl lieber wieder auf Patrouille, bevor mich jemand sieht.“
    Hastig lief der Milizsoldat zur Tür hinaus und schloss selbige hinter sich.
    Ein großer Seufzer entfuhr Ramirez.
    Er und Rengaru kletterten vorsichtig aus ihren Schränken.
    „Lass uns einfach gehen“, hauchte Rengaru flehend, „Ich will nicht eingesperrt oder hingerichtet werden!“
    „Ich hab nichts dagegen, lass uns schnell aus der Stadt verschwinden“, stimmte Ramirez ihm immer noch fertig von der Anspannung eben zu.
    Sie packten die beiden prallgefüllten Säcke, banden sie sorgfältig zu und anschließend auf ihre Rücken. Sie würden keine Hand frei haben, um einen Sack zu tragen, wenn es zum Kampf kam, weshalb es praktischer war sie ähnlich einem Rucksack zu tragen.
    Vorsichtig öffnete Ramirez und sah durch den Spalt, der dadurch entstand, nach draußen.
    „Ich glaube die Luft ist rein“, flüsterte er und wagte den Schritt auf die fein gepflasterte Straße des Viertels der Wohlhabenden. Rengaru dicht hinter sich schlich er im schwarzen Schatten der Häuser zurück zu der Stelle der Mauer über die sie hereingekommen waren.
    Zu ihrem Glück begegneten sie keinem von der Miliz. Rengaru zog sich als erster die Mauer hoch und ließ sich auf der anderen Seite auf das Dach des Adanostempels fallen.
    Als Ramirez auf der Mauer hockte, warf er einen Blick zum Stadttor hinüber. Er entdeckte zwei Gestalten, die mit Armbrüsten auf die Wachen am Stadttor zielten.
    „Jesper und Nagur sind schon da“, erzählte Ramirez Rengaru.
    „Ist doch egal, beeil dich endlich!“, drängelte dieser.
    Doch gerade als Ramirez sich auf das Tempeldach fallen lassen wollte, packte ihn jemand von hinten am Arm. Ramirez riss seinen Kopf herum und sah mitten in das Gesicht von Wambo. „Wollt ihr etwa mit eurer ganzen Beute entkommen?“
    „Wenn du so fragst: Ja!“, erwiderte Ramirez und stieß ihm seinen Ellbogen in den Mund. Zufrieden hörte er das Knacken eines abbrechenden Zahnes, riss sich los und sprang endlich hinunter.
    Wambo hatte jedoch im letzten Moment nach dem Sack mit der Beute gegriffen, der nun an der ganzen Naht entlang aufriss.
    Laut scheppernd schlugen die ganzen Gegenstände auf Ramirez, Rengaru und den Tempel auf, kullerten sogar über dessen Rand um noch einmal einen Höllenlärm zu verursachen, indem sie auf die Straßen schlugen wie ein rasender Troll.
    „Renn!“, schrie Ramirez, denn er spürte förmlich wie Wambo direkt hinter ihm auf dem Dach gelandet war.
    Doch plötzlich kam noch ein Körper von oben herabgesprungen, der den Wambos unter sich begrub.
    „Da komm ich jawohl gerade recht“, begrüßte Cassia sie, während sie Wambo mit ihrem Schwertknauf einen heftigen Hieb gegen den Kopf verpasste. „Der ist außer Gefecht, aber der Lärm wird noch viel mehr von denen auf den Plan rufen. Wir müssen uns beeilen! Wo sind Jesper und Nagur?“
    „Da unten“, antwortete Ramirez und deutete auf die Hausecke hinter der er die beiden herumlungern gesehen hatte. Gerade in dem Moment, wo sie hinsahen, feuerten die beiden ihre Bolzen auf die misstrauisch zu dem Ursprung des Lärms herüber spähenden Torwachen.
    Der von Jesper auf die Reise geschickte Bolzen schlug zwischen den Augenbrauen der einen Wache ein, die sofort zusammensackte. Doch Nagurs Bolzen verfehlte sein Ziel.
    Ohne ausgiebiges Zielen traute Jesper sich auch keinen Treffer mehr zu, schleuderte also genau wie Nagur die Fernkampfwaffe zur Seite und zog das Schwert.
    „Wir müssen ihnen helfen“, entschied Cassia. Atilla war nun auch heruntergekommen, offensichtlich erfreut über die nahende Konfrontation.
    Das Stadttor war quasi unbewacht. Und auch wenn ein Teil der Beute auf dem Boden verstreut vor sich hin glitzerte, hatten sie immer noch eine ganze Menge wertvoller Dinge einsacken können. Sie waren kurz davor ihren Plan zu beenden, kurz davor ein Leben in Freiheit zu beginnen!
    Geändert von MiMo (20.12.2010 um 13:26 Uhr)

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    Kapitel 12

    Die Euphorie war versiegt.
    Zu viele Milizsoldaten versperrten das Tor nach draußen, eine Übermacht von ihnen stand bereit, um gegen sie zu kämpfen, wenn nötig, dabei waren sie selbst doch durch ihre schwere Last auf den Rücken behindert.
    Die Milizionäre kletterten auf die Dächer von umstehenden Häusern, um sie mit ihren Armbrüsten besser treffen zu können, während mindestens zwei Dutzend Soldaten die sechs Banditen umringten.
    Atilla schlitzte einen Milizionär nach dem anderen auf, doch für jeden besiegten schienen zwei Neue nachzurücken.
    Eng zusammengerückt stand das Sextett Rücken an Rücken und hielt sich die drohenden Soldaten mit gezückten Schwertern vom Laib.
    „Wir schaffen das nicht“, flüsterte Ramirez eindringlich.
    „Wir sind verloren!“, stöhnte Rengaru und huschte mit seinem zitternden Blick ein ums andere Mal über die Menge der Feinde.
    „Wir sollten uns tatsächlich zurückziehen“, stimmte Cassia, den Schweiß auf der Stirn, zu.
    „Das machen wir garantiert nicht!“, fauchte Attila halblaut, damit die Feinde ihn nicht hören konnten, „Vor denen brauchen wir doch keine Angst zu haben!“
    „Atilla!“, wies Cassia ihn in seine Schranken, „Wenn du allein kämpfen und sterben willst, bitte, tu das. Wir werden uns zurückziehen!“
    „Na gut“, murrte Attila.
    „Aber wo sollen wir hin?“, sprach Ramirez die ziemlich dringend zu klärende Frage aus.
    „Ins Hafenviertel“, antwortete Attila prompt, „Da kennen wir uns besser aus als die Pfeifen von der Miliz und dort ist es für sie auch am unübersichtlichsten.“
    „Wir dürfen aber auf gar keinen Fall in die Kanalisation flüchten“, gab Cassia zu bedenken, „Wenn wir sie nicht vorher abschütteln können und sie das Versteck entdecken, sind wir verloren!“
    Einen Moment schwiegen sie.
    Die drei Armbrustschützen spannten gerade neue Bolzen ein.
    „Wo sollen wir dann hin?“, sprach Nagur die Frage aus.
    Wie in Zeitlupe nahm Ramirez wahr wie die Milizsoldaten die Bolzen einspannten, die Armbrüste an die Schulter setzten, zielten… Und dann kam ihm ein Geistesblitz: „Wir treffen uns bei Ignaz, wenn wir die Milizen abgehängt haben.“
    „Waru…“, setzte Atilla verwirrt an, doch Cassia unterbrach ihn: „Gut, wir brechen in Richtung Tempelplatz durch den Ring der Milizen und rennen dann in verschiedene Richtungen, los jetzt!“
    Gerade noch rechtzeitig verließen sie ihre mittige Position: Drei Bolzen schlugen in die Pflastersteine des Marktplatzes ein.
    Die Milizionäre ließen sich ohne große Probleme überrumpeln. Mit so viel Gegenwehr hatten sie gar nicht mehr gerechnet. Kurz darauf hatten sie den freien Platz vor sich, an dem für gewöhnlich Predigten abgehalten wurden.
    Wie geplant rannten sie alle in unterschiedliche Richtungen. Ramirez rannte durch die Unterführung an der Alchemiestube des alten Constantino vorbei, hastete an der Schmiede Harads vorüber und war im Hafenviertel angekommen, wo er sich endlich in eine der engen Gassen verkrümelte.
    Hinter ihm hörte er unablässig Schreie und Rufe, Milizsoldaten rannten umher und versuchten händeringend einen von ihnen zu fassen zu kriegen. Die ersten verschwanden nun ebenfalls im dichten Gewirr der Gänge des heruntergekommensten Viertels der Stadt.
    Ramirez versuchte möglichst leise zu atmen, obwohl er Seitenstiche spürte. Langsam schlich er sich zur nächsten Ecke, lugte um sie und wagte sich dann weiter vor.
    „Ramirez!“
    Das eindringliche Zischen war von einem der einmündenden Wege gekommen und Ramirez erhob schreckhaft sein Schwert, bevor er die Männer erkannte. Es waren Halvor und Borka.
    „Was ist passiert?“, fragte letzterer gereizt.
    „Wir wurden erwischt und mussten hierher zurück fliehen, wir…“
    „Habt ihr gar keine Beute gemacht?“, platzte Halvor heraus, als er sich Ramirez genauer besah.
    „Doch, nur mein Sack ist aufgerissen. Der ganze wertvolle Kram liegt jetzt beim Adanostempel verstreut“, erklärte er hastig, „Doch das ist jetzt nicht wichtig. Wir haben abgemacht, dass wir uns bei Ignaz treffen, doch ich bin mir nicht sicher, ob es alle bis dahin schaffen werden ihre Verfolger abzuhängen.“
    „Ihr seid alle ins Hafenviertel gerannt, so viel konnte ich sehen“, versicherte Borka ihm, „Wir kümmern uns um die Anderen, mach du dich schon mal auf den Weg zu Ignaz. Der wird sicher vorgewarnt sein wollen, wenn seine Hütte gleich mit Schwerverbrechern vollgestellt wird.“
    „Danke“, entgegnete Ramirez und lief schnell weiter, während die anderen beiden in eine andere Richtung rannten.
    Er war nun schon ganz in der Nähe von Ignaz‘ Hütte, als er plötzlich einen Schrei hörte. Der Schrei einer ihm sehr gut bekannten Stimme.
    Schnell rannte er zu der ungefähren Stelle, von der der Schrei gekommen war. Als er um die nächste Ecke spähte wurde ihm heiß und kalt auf einmal: Rengaru lag am Boden, sein Gold um ihn herum verstreut.
    Ihm gegenüber stand ein Dutzend Milizsoldaten, ihnen allen voran Pablo.
    „Na, wen haben wir denn da? Wie bist du denn so reich geworden, Rengaru?“, spottete dieser, „Wir nehmen es mal wieder an uns, oder findest du das nicht gut?“
    Rengarus Brust hob und senkte sich, Schweiß lief ihm den Hals hinab und Ramirez sah schon, wie sich Blut darunter mischte. In diesem Moment gab es noch einen Schrei – allerdings von Seiten der Milizsoldaten! Rengaru war aufgesprungen und hatte mit seinem Schwert genau auf Pablos Hals gezielt, doch sein Schlag war geblockt worden. Das Schwert, mit dem der verzweifelte Angriff ausgeführt worden war, steckte ein paar Meter weiter im Boden.
    „Du kannst immer noch nicht besser mit dem Schwert umgehen“, verhöhnte Pablo ihn weiter, „Sammelt das Gold ein und bringt es ihren Besitzern zurück. Und der hier“ – er trat Rengaru ins Gesicht –„bekommt ein Zimmer in der Kaserne. Mit ihm kriegen wir auch die anderen!“
    Es reichte Ramirez. Zornentbrannt zog er seine Klinge und wollte gerade aus seinem Versteck stürmen, als ihn jemand fest am Handgelenk packte und zurückzog.
    „Cassia!“
    „Was machst du denn da, du Dummkopf! Du kommst nicht gegen sie alle an!“
    „Aber wir beide zusammen…“
    „Wambo kommt mit seiner Hälfte jeden Moment hier an, es ist uns unmöglich jetzt was zu unternehmen!“
    Kaum hatte Cassia geendet, schallte Wambos erfreute Stimme zu ihnen herüber: „Ihr habt also einen gefangen, sehr gut gemacht! Er wird uns als Köder für die anderen dienen!“
    Während der Milizionär noch weiter schwafelte, sah Ramirez ein, dass es keinen Sinn hatte. Das Gefühl einen guten Freund im Stich gelassen zu haben, hatte er trotzdem. Mit einem tauben Gefühl ließ er sich von Cassia zu Ignaz‘ Hütte ziehen.
    Geändert von MiMo (20.12.2010 um 13:28 Uhr)

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    Kapitel 13

    „Ich lasse dich hier nicht rein! Du bist doch dieser Attila, der für so viel Gold gesucht wird!“
    „Jetzt lass mich schon rein du alter Zausel! Ich bin ein Kumpel von Ramirez!“
    „Ich kenne keinen Ramirez!“
    „Warum sollte er mich dann zu dir geschickt haben?!“
    „Sackzement, verschwinde!“
    Ramirez konnte sich schon vorstellen, wie Attila mit gezogener Waffe gegenüber von dem gebückten Ignaz stand und drauf und dran war ihn um einen Kopf zu kürzen, noch bevor er um die Ecke hastete: „Nicht Atilla!“
    „Da bist du ja endlich“, begrüßte Attila ihn und ließ sein Schwert wenigstens sinken, „Was hat dich aufgehalten?“
    Hinter ihm standen Halvor und Nagur, Jesper und Borka fehlten mal ganz abgesehen von Rengaru noch.
    „Wo sind die anderen?“, fragte Cassia ihn, während Ramirez sich Ignaz zuwandte: „Erkennst du mich noch? Ich bin’s, der Kerl, der für dich diesen Zauber testen sollte!“
    Plötzlich schien der Alchemist zu verstehen: „Ach, du bist dieser Ramirez? Und das sind deine Freunde? Warum bringst du sie zu mir?“
    „Dringende Angelegenheit, sind auch gleich wieder weg“, speiste Ramirez ihn mit wenigen Worten ab, „Können wir schnell reinkommen? Wir sollten nicht gesehen werden!“
    „Was ist mit meinem Zauber?“
    „Erzähl ich dir, wenn wir drin sind.“
    „Na gut“, brummte der Alte.
    Endlich konnten sie unbehelligt in die von Kerzen noch schummrig beleuchtete Behausung, als auch schon freudiges Rufen erschall: Borka und Jesper waren aufgetaucht!
    „Ich wäre jetzt tot, wenn Borka mich nicht gefunden hätte“, berichtete Jesper noch ganz außer Atem, „Drei von denen haben mich in eine Sackgasse gedrängt!“
    „Deswegen hat es auch so lange gedauert. Aber zu zweit sind wir mit ihnen fertig geworden“, fügte Borka hinzu.
    „Ihr seid noch nicht mal die letzten“, tat Nagur ihre Verspätung ab, „Rengaru fehlt auch noch.“
    „Rengaru wird nicht kommen.“ Cassias Worte ließen alle verstummen. „Er ist von einer großen Gruppe Milizsoldaten gefasst und zur Kaserne gebracht worden. Sie wollen uns damit anlocken und auch noch fangen.“
    Jesper schien vollkommen auf dem falschen Fuß erwischt: „A-Aber, wenn du das gesehen hast, warum hast du ihn dann nicht…“ „…gerettet?“, beendete Cassia den Satz für ihn, „Weil ich es nicht konnte. Es waren mindestens zwanzig Milizen.“
    Ramirez bemerkte, dass sie vollkommen verschwieg, dass er auch dabei gewesen war. Wollte sie ihn damit vor Vorwürfen der anderen schützen, oder war es ihr peinlich zu zweit nicht gegen zehnmal so viele Gegner einen Kampf gewagt zu haben?
    „Was habt ihr getan? Kämpfe mit den Milizen? Gefangener Rengaru, um euch anzulocken? Ich verstehe nicht!“, brabbelte Ignaz in die Stille, doch keiner schenkte ihm wirklich Beachtung.
    „Die Frage ist, wie wir ihn da jetzt wieder rausholen“, rief Cassia im Brustton der Überzeugung, als gäbe es gar keine andere Wahl.
    „Die erwarten uns an der Kaserne, wir würden mitten in die Falle laufen“, gab Jesper zu bedenken, „Wir sollten noch warten!“
    „Nein, sollten wir nicht“, widersprach Cassia heftig, „Im Moment streifen immer noch einige Soldaten durchs Hafenviertel, auf der Suche nach uns. Wenn wir uns beeilen, sind wir vor denen an der Kaserne. So schnell werden die uns auch nicht erwarten.“ Zustimmendes Schweigen von allen. „Also bleibt nur noch die Frage, wie wir vorgehen, oder?“
    „Zwei von uns sollten die Beute zum Stadttor bringen, damit wir auch sofort abhauen können, wenn wir Rengaru da rausgeholt haben“, schlug Nagur vor.
    „Das machen am besten Halvor und ich“, warf Borka ein, „So können wir weiterhin unentdeckt bleiben und nach den Vorfällen hier unseren Berufen nachgehen.“
    Cassia nickte.
    „Ich werde ihn da rausholen.“ Alle, einschließlich Ignaz, starrten ihn verwundert an. Doch Ramirez hatte einen Entschluss gefasst: „Ihr vier werdet die Milizen ablenken, während ich mich an dem Kampf vorbei in die Kaserne schleiche. Entweder ich schaffe es zu den Gefängniszellen oder nicht.“
    Keiner sagte etwas dazu, sodass man einen Moment nur noch den leichten Wind draußen pfeifen hörte.
    „Ich finde den Plan gut“, sagte Jesper endlich seine Meinung, „Es gibt zwar allerhand unkalkulierbarer Gefahren, doch einen besseren Plan scheint es nicht zu geben, oder?“
    „Willst du das wirklich machen?“, fragte Cassia ihn mit leicht besorgt zusammengezogenen Augenbrauen.
    „Ja“, erwiderte er überzeugt.
    „Ihr wollt mit der Miliz kämpfen? Das ist Wahnsinn!“, mischte Ignaz sich plötzlich ein, „Ihr scheint zwar keine schlechten Kämpfer zu sein, doch bin ich mir sicher, dass ihr keine Superkräfte habt!“
    „Was mir da gerade einfällt…“, richtete Ramirez das Wort an den Alchemisten, „Ich hab deine Spruchrolle getestet. Sie hat einwandfrei funktioniert!“
    „Wirklich!?“, Ignaz machte große Augen, „Das ist ja mehr als erfreulich! Vielen Dank!“ Er rannte fast durch den Raum, bis zu einem Schränkchen hin, riss es auf und nahm sieben mit brauner Flüssigkeit gefüllte Fläschchen heraus. „Diese Tränke hier verleihen euch immense Kraft, damit habt ihr bestimmt eine Chance euren Freund da rauszuholen. Ich gebe sie euch aus Dank dafür, dass ihr mir endlich den erhofften Erfolg meiner jahrelangen Forschungen überbracht habt!“
    Er hatte die sieben Flaschen an die anwesenden Banditen verteilt.
    „Kann man das wirklich trinken? Sieht eher nach flüssiger Scheiße aus“, äußerte Atilla seine Bedenken unflätig.
    „Also ich vertraue ihm“, meinte Ramirez glücklich über die Hilfsbereitschaft des Alten, entkorkte seine Flasche und trank sie in einem Zug leer. Eine Wärme, wie er sie noch nie zuvor verspürt hatte, kroch seinen ganzen Körper entlang.
    Als die anderen sahen, dass es Ramirez noch gut ging, fassten sie sich ein Herz und tranken ihre Tränke ebenfalls. Einem nach dem anderen kroch diese Wärme in den Körper. Jetzt hatten sie das siegessichere Gefühl, Ramirez tatsächlich da rausholen zu können.
    „Und dir, Ramirez“, sagte Ignaz andächtig, „Würde ich auch gerne noch das hier geben. In größter Gefahr soll es jeden Feind besiegen, erzählt man sich zumindest.“ Er hielt Ramirez eine kleine, hölzerne Schatulle hin. „Es ist ein Erbstück meines Großvaters und darf erst zum entscheidenden Zeitpunkt geöffnet werden!“
    Ein wenig merkwürdig wurde ihm schon bei diesem angeblich so kostbarem Geschenk des Alten, doch er nahm es an und steckte es ein. Jetzt war nicht die Zeit über Bescheidenheit und Aberglaube nachzudenken.
    Cassia warf einen Blick auf den Mond draußen: „Wir sollten uns beeilen, sonst sind doch schon alle Milizen wieder in der Kaserne bevor wir dort ankommen!“
    Geändert von MiMo (20.12.2010 um 13:24 Uhr)

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    Irenicus-Bezwinger  Avatar von MiMo
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    Kapitel 14

    Um die Kaserne herum patrouillierten ungewöhnlich viele Wachen, die in dem klaren Mondschein alle klar erkennbar waren.
    Sie selbst hatten sich in den Schatten von Coragons Taverne gedrängt, in der Hoffnung so nicht gesehen zu werden.
    „So“, sagte Cassia, „Jesper wird jetzt einen von ihnen mit der Armbrust töten, dann kommen sie alle hierher gerannt. Ramirez, du weißt, was du zu tun hast.“
    Ramirez nickte und ging ein paar Schritte zurück, überquerte den großen Tempelvorplatz und befand sich schon bald am Rande des Marktplatzes, von wo aus er sowohl die Kaserne als auch Coragons Taverne gut sehen konnte. Von letzterer wandte er den Blick schnell wieder ab. Der Hauptmann, der breitbeinig vor dem breiten Tor der Kaserne stand, wurde von mindestens einem Dutzend Milizionären unterstützt.
    Was im Innenhof noch auf ihn lauerte, mochte er sich gar nicht vorstellen. Hoffentlich fielen sie alle auf das Ablenkungsmanöver rein!
    Etwas schoss durch die Luft, Blut sprudelte aus dem Kopf eines Milizen, der sofort zusammenbrach.
    Der Schuss hatte wie geplant gesessen, jetzt musste der ausgelegte Köder nur noch geschluckt werden.
    Tatsächlich eilten fünf Milizen zu dem inzwischen sicher toten Körper, während Wulfgar, der seine Position vor dem Tor verlassen hatte, schrie: „Es kam von dort hinten! Ich sehe sie!“
    Wutentbrannt brüllend stampften mehr als zehn Milizionäre unter der Führung Wulfgars auf Coragons Taverne zu, dessen Besitzer entgeistert einen Vorhang zur Seite schob, um genau wie die meisten seiner Gäste das Ereignis zu verfolgen.
    Zwei letzte Soldaten kamen aus dem Tor der Kaserne gerannt. Mehr würden ihnen nicht folgen, schätzte Ramirez und verließ sein Versteck. Schnell huschte er, immer den Abstand zu den verschiedenen Lichtquellen wahrend, auf die Festung zu, in die es einzudringen galt.

    Die Milizen hatten nicht damit gerechnet auf so heftige Gegenwehr zu stoßen. Die Banditen waren zu viert statt zu sechst, doch dank der Stärketränke, mit denen Ignaz wer weiß was angestellt hatte, verteilten die Gejagten Schläge, denen keiner der Milizen gewachsen schien.
    Einem nach dem anderen wurde das Schwert aus den Händen gekämpft, einer nach dem anderen wich zurück, ehe er blutend zu Boden sank.
    „Diese Tränke sind unglaublich“, rief Nagur Cassia ehrfürchtig zu.
    „Ich weiß. Aber jetzt liegt die Sache nicht mehr in unserer Hand“, Cassias Blick schweifte kurz zur Kaserne, „Ramirez muss Rengaru da jetzt allein rausholen!“

    Ramirez versteckte sich hinter einem Fass, in dem ein Haufen Schwerter standen. Nur der dicken Wolke, die sich gerade vor den Mond geschoben hatte, hatte er es zu verdanken, dass er noch unentdeckt war.
    Drei Soldaten standen noch auf den Dächern um alles gut im Blick zu haben, hatten ihre Blicke jedoch nach außen gewandt, so dass keiner in seine Richtung schaute.
    Ramirez beschloss sich lieber zu beeilen, bevor der Mond wieder alles erhellte und huschte in eine Tür rechts von ihm.
    In diesem Raum war es dunkel, sodass er kaum etwas sehen konnte. Atemlos blickte er sich um, wagte nicht nach Rengaru zu rufen, um festzustellen, ob er da war oder nicht.
    Plötzlich erhellte sich der Raum. Eine Petroleumlampe leuchtete flackernd auf. Sie stand auf einem Tresen, hinter dem ein Mann saß, der sich gerade die Augen rieb.
    „Mann, ich hab geschlafen“, murrte er und blinzelte verschlafen in das Licht, „Habt ihr die Typen endlich… Warte mal, du bist… HIL…“
    Gerade noch rechtzeitig hatte Ramirez ihm den Kopf abgetrennt. Mit einem einzigen langen Hieb. Grauenerfüllt starrte Ramirez auf den umher kullernden Kopf. Noch nie hatte er jemanden getötet. Stehlen und Verletzen war für ihn zum täglich Brot geworden, doch einen Menschen töten?
    Plötzlich bahnte sich wieder ein ganz anderer Gedanke in Ramirez‘ Denken: Rengaru!
    Er wirbelte herum, stürmte aus der Tür, drückte sich dicht an den Schatten der Mauer, der sich vom mondbeschienen Rest des Innenhofes stark abhob und überlegte. Die Tür rechts war näher dran, doch der Weg lag nicht im Schatten. Er entschied sich also für die weiter entfernte Tür links und hoffte inständig, dass es die richtige war.
    „Hast du nicht auch grad etwas aus der Schmiede gehört?“
    „Du auch? Ich dachte ich hätte mir nur etwas eingebildet!“
    „Wie gruselig. Lass uns lieber nachsehen!“
    Mit wild pochendem Herzen war Ramirez ins Innere der Kaserne gehuscht und beobachtete nun, hinter dem Türrahmen versteckt, wie zwei Soldaten vom Dach kletterten und den Raum betraten, in dem er den Mann umgebracht hatte.
    Schweiß stand ihm auf der Stirn. Jeden Moment würden sie ihn entdecken, da war er sich sicher.
    „Ramirez!“
    Erschrocken wirbelte er herum, erkannte die gefährliche Klinge und wich ihr um Haaresbreite aus.
    Ohne den Ruf Rengarus wäre er dem Schwert zum Opfer gefallen. Der Gefangene hockte hinter dicken Gitterstäben.
    „Ihr seid also tatsächlich gekommen, um euren kleinen Freund zu befreien“, belächelte der Milizsoldat, der als einziger bei den Gefangenen gewesen war, Ramirez hoffnungsloses Unterfangen. „Na? Haste deine Freunde sterbend hinter dir zurück gelassen, um so weit zu kommen? Hast du sie alle geopfert, nur um den einen Mistkerl hier rauszuholen?“
    „Halt dein dreckiges Maul!“, brachte Ramirez knirschend hervor, zog sein Schwert und griff an. Ein paar Momente lang tauschten sie Schläge aus. Rengaru hielt den Atem an. Doch der Stärketrank hatte auch bei Ramirez enorme Kräfte entfaltet. Er schaffte es seine Waffe in den Bauch seines Gegners zu treiben.
    Die Augen des Milizionärs weiteten sich, während er röchelnd gegen das Gitter einer unbesetzten aber trotzdem abgeschlossenen Zelle fiel.
    „Ramirez, hol mich hier schnell raus! Wir müssen hier weg!“, rief Rengaru drängend. Ramirez starrte einen Augenblick lang mit glasigen Augen auf den sich qualvoll windenden Soldaten, erst dann wandte er sich seinem Freund zu: „Wie krieg ich dieses Gitter auf?“
    „Schlüssel“, antwortete Rengaru knapp und wies auf eine blutüberströmte Stelle am Gürtel des Soldaten, wo die Schlüssel hangen.
    Ramirez schluckte, zögerte einen Moment die blutgetränkten Schlüssel anzufassen. Und dieser eine Moment reichte dem Soldaten. Er setzte sich hustend noch einmal auf, packte den Schlüsselbund, und warf ihn ehe Ramirez etwas dagegen tun konnte, in die abgeschlossene Zelle hinter ihm.
    „Na, was machst du nun? Lässt du… deinen Freund… jetzt doch zurück?“ Der blutende Körper sackte wieder auf den Boden zurück und blieb dieses Mal für immer reglos liegen.
    „Wie soll ich denn jetzt an die Schlüssel kommen?“, fragte Ramirez hilflos und mit schwacher Stimme. Der Schlüssel lag zu weit in der Zelle als dass er ihn noch hätte erreichen können, und um die Zelle aufzuschließen, brauchte er den Bund.
    Auf dem Innenhof hörte er indes immer mehr Stimmen, die sich angeregt über den tot aufgefundenen Mortis unterhielten.
    Geändert von MiMo (20.12.2010 um 14:30 Uhr)

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    Kapitel 15

    Ramirez stand zitternd in dem Trakt, wo sich die ganzen Zellen befanden und wusste nicht weiter. Jeden Moment würde er gefunden werden und er sah keinen Weg Rengaru zu befreien.
    „Jetzt beeil dich, Junge!“, feuerte ihn ein unbekannter Gefangener an. Er und die anderen guckten ihn alle flehend an. Lass dir was einfallen!“
    Zweifellos hofften sie, dass er ihnen den Schlüsselbund gab, sobald er seinen Kumpel befreit hatte.
    „Ramirez!“ Rengarus Stimme erhob sich über das Gemurmel der anderen, die sofort still waren. „Du hast doch sicher einen Dietrich dabei, oder?“
    Ramirez starrte ihn entgeistert an. Warum hatte er nicht früher daran gedacht? Schnell durchwühlte er seine Taschen, fand auch sehr schnell einen. Dann stürzte er zu dem Schloss von Rengarus Zelle, führte den Dietrich ein, und wusste schon vor dem knackenden Geräusch, dass es nichts brachte. Seine Hand hatte so stark gezittert, dass der Dietrich abgebrochen war.
    Schnell zog Ramirez all seine Taschen nach außen, der ganze Krimskrams, der in ihnen gewesen war, verteilte sich auf dem Boden. Noch drei Dietriche. Zitternd führte er den zweiten ein, erst klickte es zuversichtlich, doch dann brach auch dieser Dietrich.
    Dem nächsten erging es nicht anders.
    „Jetzt bleib ganz ruhig“, mahnte Rengaru ihn.
    „Das ist der letzte. Wenn der daneben geht…“
    „Du bist der unbestrittene Meister im Schlösserknacken! Wenn du es nicht schaffst, schafft es keiner!“
    Doch er musste Ruhe finden. Er versuchte die Szenerie auszublenden, versuchte den Zeitdruck zu vergessen, die Milizen, die schon nach ihm suchten. Seine Hand war nun ruhig. Er führte langsam, hochkonzentriert den Dietrich ins Schloss und stocherte vorsichtig darin herum.
    Es klickte laut.
    Ramirez machte schnell einen Schritt zurück, damit Rengaru die Tür aufstoßen konnte.
    „Frei!“, flüsterte er begeistert, doch Ramirez wollte ihn schon daran erinnern, dass sie hier noch raus mussten, als auch schon ein lauter Ruf hinter ihnen zu hören war.
    „Da sind sie! Er hat den Gefangenen befreit!“
    Ramirez nahm sein Schwert wieder in die Hand, Rengaru nahm die Waffe des Milizen.
    Sie waren entschlossen sich den Weg freizukämpfen, wollten jetzt nicht aufgeben. Doch ihre Hoffnung erstickte vollkommen, als sie sahen, wer die Milizionäre anführte: Lord Andre!
    „Der Ausgang ist umstellt, kommt unbewaffnet heraus!“, gellte die Stimme des Ritters über den Innenhof.
    „Scheiße!“, wimmerte Rengaru.
    Ramirez‘ Hand zitterte noch mehr. Er zitterte am ganzen Leib. Es gab keine Chance der Masse da draußen zu entkommen.
    „Wir sind verloren!“, Rengaru machte noch einen Schritt nach hinten. Etwas zersplitterte unter seinem Fuß.
    Verwirrt blickte er nach unten. Ramirez erkannte sofort, wo er draufgetreten war: Das Kästchen von Ignaz‘ Großvater lag zerbrochen auf dem Boden zerstreut. Es war aus seiner Tasche gefallen, als er diese auf der Suche nach Dietrichen umgestülpt hatte.
    Ein Pergament klemmte unter Rengarus Fuß.
    „Weg da“, fauchte Ramirez ihn an und zog das Pergament unter Rengarus Fuß hervor.
    „Das war eure letzte Chance! Jetzt kommen wir rein und töten euch!“, rief Lord Andre. Die Milizen machten alle einen Schritt auf den Eingang zu.
    Ramirez starrte auf das Pergament. Er hatte in seinem ganzen Leben zwar bisher nur eine einzige gesehen, doch wenn es ihn nicht ganz täuschte, hielt er da eine Spruchrolle in Händen!
    Er fackelte nicht lange: Die Milizen strömten in den Raum, Andre brüllte Befehle, Rengaru kauerte sich in die hinterste Ecke, die anderen Gefangenen sahen mit offenen Mündern zu.
    Schreie. Überall waren Schreie als der Zauber seine ganze Kraft entfaltete und Feuer von der Decke des Raumes und dem Himmel draußen auf die Feinde nieder prasselte. Heulend liefen sie davon, auf der Suche nach Wasser, um ihre brennenden Rüstungen zu löschen oder ihre Wunden zu verarzten.
    Lord Andre stand mit rußgeschwärzter Rüstung zwischen ihnen und versuchte sie in diesem heillosen Durcheinander an der Flucht zu hindern, doch Ramirez und Rengaru mischten sich einfach unter die flüchtenden Soldaten und waren schneller verschwunden als der Lord in diesem Inferno etwas unternehmen konnte.

    „Was ist da hinten los?“
    Nagur starrte auf den entflammten Himmel über der Kaserne. Die Soldaten, die auf sie losgegangen waren, lagen allesamt besiegt am Boden. Bis auf einen: Wulfgar!
    „Wie in guten alten Zeiten, was Attila?“, stachelte Cassia diesen an.
    Einen Moment lang huschte ein erinnerungsseliges Lächeln über Attilas Gesicht. Nie hatten sie ihren ersten gemeinsamen Kampf vergessen, der zugleich einer der letzten gewesen war, den Cassia ausgetragen hatte, bevor sie sich jahrelang in der Kanalisation versteckt hatte.
    „Für die guten alten Zeiten!“, erwiderte Atilla und entwaffnete Wulfgar zusammen mit Cassia.

    Ramirez und Rengaru hatten das Stadttor vor sich. Es standen keine Wachen mehr da, was wohl hieß, dass Halvor und Borka schon da waren. Tatsächlich lugte das Gesicht des Fischhändlers hinter den Stadtmauern hervor und winkte sie schnell herbei.
    Doch hinter ihnen war noch immer ein Verfolger verblieben, der sich von den Feuerbällen nicht hatte aufhalten lassen. Lord Andres Rüstung hatte ihn vor dem Schlimmsten bewahrt.
    Halvors Augen weiteten sich, Borka zog schon sein Schwert. Ramirez wirbelte herum. Sie mussten ihn loswerden, bevor sie die Stadt verließen, sonst würde er die dort gelagerte Beute sehen, und sich auch denken können, dass sie sich in den Bergen verstecken wollten.
    Ramirez, Rengaru, Halvor und Borka machten sich bereit den Oberst zu empfangen. Keiner von ihnen war sich sicher, ob sie diesen Kampf gewinnen konnten. Doch dieser Zweifel war im Nu verschwunden als vier Gestalten sich ihren Reihen anschlossen.
    Cassia, Attila, Nagur und Jesper waren jetzt, wo Rengaru wieder frei war, genau wie die anderen fest entschlossen auch noch den letzten Gegner zu besiegen.
    Lord Andre sah in ihnen nur kleine Fische, die er mit Links fertig machen konnte. Überheblich grinsend sprang er ihnen entgegen, holte zu seinem triumphalen Schlag aus, den er nie beenden würde.
    Sie alle versenkten ihre Schwerter in dem vom hochgeklappten Visier entblößten Gesicht Andres.
    Zumindest fast alle. Ramirez war schon aus dem Tor herausgetreten und ließ sich den leichten Wind, der hier außerhalb der Stadtmauern wehte, um die Nase ziehen.
    Sie hatten es geschafft. Sie waren mit einer immensen Beute der Stadt entkommen und würden sich nun nie wieder vor der Miliz in einer stinkenden Kanalisation verstecken müssen.

    Ignaz stand vor dem Freibierstand und sah den Milizsoldaten dabei zu, wie sie versuchten ihre Kaserne zu löschen. Viel erreichen taten sie freilich nicht, dafür waren die Flammen zu groß und die Wassereimer zu klein.
    Er musste grinsen. Das war das Geschenk seines Großvaters. Und wenn er sich nicht ganz irrte, hatte es seine Aufgabe erfüllt und ein paar Männern geholfen, die es verdient hatten. Diese hatten ihm schließlich auch geholfen.
    Khorinis war schon eine komische Stadt. Die besten Menschen wurden von den Verdorbenen dazu gezwungen ein Leben im Dreck zu führen.

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    Epilog

    „Hey, seht mal was ich hier habe!“
    Ramirez hielt beim Hereinkommen ein dicht beschriebenes Pergament hoch.
    „Von wem ist das?“, fragte Cassia neugierig und ihre Stimme hallte von den Höhlenwänden wieder.
    Ihre kleine Behausung lag an einem Bergabhang, von dem aus man den Weg zu Orlans Taverne sehen konnte. Wenn ihnen das Essen ausging, konnten sie also einfach die Lieferanten oder Besucher überfallen.
    Die Höhle hatten sie so gut es ging zurechtgemacht und seitdem sie darauf achteten das Feuer nie ausgehen zu lassen, wurde sie sogar richtig behaglich.
    „Es ist ein Brief von Halvor.“
    „Was? Wo hast du den denn her?“, Jesper hatte ihm ganz entgeistert den Brief aus den Händen gerissen, „Du warst doch nicht etwa in der Stadt?“
    „Quatsch, ich bin doch auch froh endlich da raus zu sein. Ich hab unten im Wald Ignaz getroffen.“
    „Was wollte der denn da?“
    „Offiziell Kräuter pflücken, doch insgeheim hat er darauf gehofft einen von uns zu treffen, um den Brief zu überbringen. Er hat sich wohl als eine Art Bote angeboten.“
    „Dann hängt der jetzt also auch mit in der Diebesgilde“, ließ Cassia mit einem kleinen Grinsen verlauten, „Ich bin gespannt was der Zausel sonst noch so in petto hat.“
    „Halvor und Borka sind jetzt auch ziemlich auf Hilfe angewiesen, wenn ich den Brief richtig deute“, mischte Jesper sich erneut in das Gespräch ein, „Die haben sich jetzt echt in der Kanalisation versteckt, weil ihre Kopfgelder so tierisch in die Höhe geschossen sind?“
    „Scheint so“, stimmte Ramirez ihm zu, „Die beiden werden aber von Alrik und seinen Jungs unterstützt und werden dementsprechend wohl eher nicht verhungern.“
    „Hanna gibt es ja auch“, warf Cassia ein, „Die hat uns auch immer geholfen, wenn wir uns tatsächlich mal gar nicht blicken lassen durften.“
    „Und Fenia kann sicher auch was von ihrem Stand runterschicken. Die kommen schon klar.“
    „Ich glaube nicht, dass Fenia das machen wird“, Ramirez musste an seine kurzen Aufenthalte bei Halvor denken, bei denen er schon den Eindruck gewonnen hatte, dass es nicht allzu gut um die Beziehung stand, „Ich hatte eher den Eindruck als hätten sie sich getrennt.“
    „Kann schon sein“, Jesper zuckte mit den Achseln, „Jetzt braucht der Bromor wohl einen neuen Türsteher. Aber der findet schon einen neuen Typen. Viel können muss man ja nicht, um vor seiner Tür zu stehen und Leute anzuquatschen.“
    „Wo sind eigentlich die anderen? Immer noch nicht zurück?“, fragte Ramirez in die Runde.
    „Sie sind tatsächlich noch nicht wieder zurück, aber ich hab sie auch nicht so schnell zurück erwartet. Schließlich sollen sie die umliegenden Banditenlager aufsuchen und ein wenig mit ihnen alte Kontakte knüpfen. Wer weiß, wann wir mal ihre Hilfe gebrauchen können.“
    „Die werden sich sicher darum reißen mit uns zusammenzuarbeiten“, lachte Jesper, „Wenn die Kopfgelder von Borka und Halvor in die Höhe geschossen sind, dann werden unsere ins Unermessliche gestiegen sein. Ich wette wir sind die Bande mit den teuersten Köpfen!“
    „Das könnte uns aber auch zum Verhängnis werden“, gab Cassia ernst zu bedenken. „Wir könnten von den anderen verraten werden, damit die das auf unsere Köpfe ausgesetzte Gold kassieren können. Mir ist es wohler, wenn keiner von denen genau weiß wo wir uns versteckt haben.“
    „Höhlen gibt es hier so viele, dass sie unsere nie finden werden, wenn wir dicht halten“, beruhigte Jesper sie, „Hoffen wir jetzt doch lieber, dass sie uns einen guten Preis für unsere Kostproben machen.“

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