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    Kämpfer Avatar von Madderikk
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    Post [Story]Noch namenlos (Arbeitstitel)

    Hallo Story-Forum,

    ich hatte vor einiger Zeit mal eine Storyeingebung und wollte diese festhalten. Ursprünglich war sie als Gothic-Modifikation geplant und das ist wohl auch der entscheidende Grund, warum ich mich erdreiste meine "literarischen" Ergüsse hier zu posten.

    Genau genommen spielt meine Geschichte nämlich nicht im Gothic-Universum, zumindest möchte ich mich darauf noch nicht festlegen. Dennoch kann ich nicht abstreiten, dass ich zweifellos von den Spielen inspiriert wurde. Wer den Prolog meiner Geschichte liest, wird vielleicht auch erkennen warum.

    Desweiteren erhoffe ich mir in diesem Forum mehr Kommentare, als in dem der Eigenkreationen. Mir ist durchaus bewusst, dass das vielleicht ganz den Regeln entspricht, aber ich will ehrlich sein.

    Nichtsdestotrotz wünsche ich euch jetzt viel Spaß beim Lesen des Prologs meiner Geschichte.

    PS: Namen sind übrigens alle mithilfe meiner "Assoziationsgabe" und Wörterbuch-Übersetzungen kreiert worden. Wer Lust hat, kann sich ja ein wenig im Schlussfolgern und Herleiten der Namen versuchen

    To-Do-List:
    - Gothic weiter einbeziehen
    - Namen einfallen lassen
    - Weiterschreiben


    Done-List:
    - angesprochene Fehler im Kommentarthread beseitigt
    - Absätze hinzugefügt (richtig so?)
    - Gespräch zwischen Literajus und Archiatros leicht erweitert
    Geändert von MiMo (31.03.2017 um 19:28 Uhr)

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    Kämpfer Avatar von Madderikk
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    -Prolog-


    Es war Nacht. Eine regnerische und nahezu stürmische Nacht, in der sich die Bäume wegen des Windes schon unheilvoll verbogen. Zudem war es kalt und jedes Mal, wenn der Wind gegen Literajus’ kaltnasse Roben blies, lief ihm ein Schauer über den Rücken. Literajus ist überzeugter Mönch der Bruderschaft des ehrwürdigen Numenon und tätigte gerade einen Sicherheitsrundgang im Kloster. Eng umschlungen von seiner Mönchskutte und mit hochgezogener Kapuze, dachte er beim Laufen nur noch an die wohlige Wärme des Kamins in seinem Zimmer. Er wollte wieder dort sein und das so schnell wie möglich, doch er hatte seine Pflichten zu erledigen. Jede Woche kümmert sich ein anderer Genosse um die Sicherheit des Klosters und das Tag und Nacht. Dies war nun der letzte Tag in seiner Woche und Literajus sehnte fieberhaft der wohlverdienten Erholung entgegen.

    Seine letzte Anlaufstelle des Rundgangs war wie üblich das Eingangstor. Im Schutz der Außenmauer lief er also darauf hinzu, in den Gedanken weiter bei seinem warmen Gemach. Dort angekommen, wuchtete er den stämmigen Barrikadenbalken aus der Halterung, was ihm dicke Schweißperlen auf seine ohnehin schon nasse Stirn trieb. Vollzogener Arbeit stieß er die beiden Tore sanft nach außen auf, doch etwas blockierte. Er dachte der Wind würde ihm Widerstand leisten oder ein Ast der nahe stehenden Bäume versperrte den Weg, aber auch mit mehr Kraftaufwand ließ sich nichts machen. Er spähte durch den schmalen Spalt in die Dunkelheit, konnte aber absolut nichts erkennen. Ihm blieb also nur übrig, sich durch den Spalt zu quetschen und sich die Sache aus der Nähe anzuschauen. Während des Grollens des tobenden Gewittersturms, presste er sich durch die Lücke. Doch schon beim ersten Schritt merkte Literajus einen störenden Gegenstand am Bein. Vorsichtig tastete er mit seinen Lederschuhen nach dem Objekt. Die Formen kamen ihm merkwürdig bekannt vor. Es mochte das Rad eines Karrens sein, jedoch erschien es ihm zu bizarr, das lediglich ein Holzrad die Torflügel blockieren konnte. Dort musste noch mehr sein und Literajus war sich fast sicher, dass auch noch der Rest des Karrens dort liegen müsse. Als hätte jemand die Gedanken lesen können, die ihm im Kopf rumschwirrten, kam vom Donner begleitet der erhellende Lichtblitz.

    Literajus erschauderte und blieb starr stehen. Vor ihm lagen, neben dem Rad, wirklich noch die Trümmer des Wagens. Doch viel schlimmer war das, was sich inmitten des Chaos befand. Es war der leblose Körper einer Frau. Ihre ungewöhnlich elegant aussehende Kleidung war vollkommen schwarz und sah verbrannt aus, die Haare standen in alle Richtungen ab. Sofort wurde Literajus klar, dass sie von einem Blitz getroffen worden sein müsse. Seine Augen hatten sich mittlerweile an die Dunkelheit gewöhnt, vielleicht schärften sich seine Sinne auch durch den Schock, und er musterte weiterhin den Unfallort. Nun erkannte er auch die Ursache der Blockade, es war ein zersplitterter Holzbalken, der sich in den Scharnieren der Torflügel verhakt hatte. Offensichtlich wurde er durch die Wucht des Blitzeinschlags dorthinein katapultiert und hatte sich dementsprechend fest verkeilt. Ungewöhnlich war nur, dass dies bei beiden Toren passiert zu sein schien. Literajus dachte sich nichts weiter dabei und schenkte dem Zufall Glauben. Sein Blick schweifte über die Überreste und er blieb wieder an der Frau haften.

    Diesmal sah er direkt in ihr schönes Gesicht, es hatte den Ausdruck purer Angst. Zögernd trat er an die Tote heran. Er musste sie aus dem Sturm holen, auch wenn sie nicht mehr lebendig war. Literajus drehte sie auf den Rücken und sah nun, dass sie etwas schützend in den Armen unter ihrem Körper vergraben hatte, ein Leinenbündel. Behutsam tastete er danach und nahm es mit aller Vorsicht aus den starren Händen der Frau. Überrascht von dem Gewicht des Stoffes, untersuchte er das Bündel genauer und drehte es um. Ihm stockte der Atem, was ihm dort entgegensah, waren die geschlossenen Augen eines Neugeborenen. Es schien jedoch zur Freude Literajus’ nur bewusstlos. Allerdings warf das Komplikationen auf, die ihn stark zum Nachdenken brachte. Das größte Problem war: was sollte er nun mit den beiden Körpern machen? Das Beste wäre, sie erstmal in den Krankenraum zu Archiatros zu bringen. Das Kind musste unbedingt raus aus dem Regen und in die gesunde Wärme der klösterlichen Räumlichkeiten. So nahm er kurzerhand die Frau und warf sie sich auf die Schulter, in der rechten Hand hielt er weiterhin das in Bündeln gewickelte Baby, und begab sich in Richtung Krankenzimmer.

    Schweißgebadet wachte Literajus am Morgen auf und saß abrupt mit dem Oberkörper senkrecht im Bett. Seine Gedanken rasten. Hatte er das alles nur geträumt? Waren die tote Frau und ihr Baby nur eine Einbildung während seiner nächtlichen Wanderung durch das Kloster? Er war schließlich müde gewesen und vielleicht hatte ihm sein Hirn daher einen Streich gespielt. Aber konnte dies wirklich nur eine Halluzination gewesen sein? Es fühlte sich doch alles so real an und er konnte sich noch an jede einzelne Bewegung erinnern.

    Ohne lang zu zögern beschloss er der Sache auf den Grund zu gehen und sich zum Krankenflügel zu Archiatros zu begeben. Also warf er sich seine braune Robe über und fixierte diese mit einem Stück Seil um die Taille. Danach schöpfte er eine Hand voll Wasser aus dem auf seinem Nachttisch stehenden Krug und wusch sich das Gesicht. Seinen Kampfstab ließ er bedenkenlos in der Ecke neben der Tür stehen und trat durch eben diese. Das helle Morgenlicht strahlte im entgegen, er befand sich im Innenhof des Klosters. Zu seiner Rechten grasten auf einem Stück Wiese die Milch bringenden Schafe. Zu seiner Linken befand sich der gepflasterte Kampfplatz, wo schon zu dieser Stunde einige Novizen ihren Umgang mit dem Stab trainierten. Aufsicht hatte, wie immer, der mürrisch dreinblickende, aber herzensgute Caducifer. Er war kräftig gebaut und dennoch geschickt, was ihn zum besten Kämpfer der Bruderschaft und somit zum idealen Lehrmeister machte. Er bemerkte Literajus und winkte ihm mit einem Lächeln zu, welches dieser erwiderte und ebenfalls die Hand zum Gruße erhob. Literajus wollte schon auf seinen Gesellen zutreten, um mit ihm ihr allmorgendliches Gespräch zu führen, aber dann fiel ihm ein, was sein eigentliches Ziel war. Flotten Schrittes überquerte er den Innenhof auf dem gepflasterten Weg, bog nach rechts ab und ging geradewegs auf die Tür des Krankenzimmers zu.

    Dort angekommen atmete er noch einmal tief durch, ergriff schließlich den Türknauf und schob sie nach innen auf. Ein würziger Geruch schwang ihm entgegen. Der Raum war voll gehangen mit Kräutern und sonstigen Pflanzen dessen Name Literajus nicht einmal kannte. Er war sich aber sicher, dass Archiatros genau wusste, welches Kraut er wie einsetzen musste, um das passende Heilmittel herzustellen. Schließlich übte er sich in der Alchemie und er war keineswegs ein Anfänger auf diesem Gebiet. Dann hörte er eine Stimme, sie kam von Archiatros selbst: „Willst du noch ewig im Türrahmen verharren, Literajus? Du bist doch sicher wegen dem Jungen hier?“. Er saß auf einem der drei Krankenbetten und schaute nun zur Tür. Es war also doch keine Einbildung gewesen, dachte Literajus und sagte: „Nein, natürlich will ich hier nicht stehen bleiben. Jetzt, wo du es sagst, kommt mir das Innere deiner Stube auch gemütlicher vor.“ Während er eintrat und die Tür hinter sich schloss, stellte er die Frage, die ihm auf der Seele brannte: “Wo ist denn das Kind? Es ist doch nicht…es kann doch nicht an den Folgen des Blitzeinschlags gestorben sein?“. Archiatros musste laut auflachen, amüsiert meinte er: „Herrgott nein, hast du deine Augen etwa in deinem Schlafgemach gelassen? Es liegt direkt neben mir.“. Dann fiel auch Literajus das bemitleidenswerte kleine Geschöpf auf der Bettdecke auf. Die Gestalt sah so abgemagert und zerbrechlich aus. Er kam näher und setzte sich, gegenüber von seinem Klosterbruder, auf die andere Seite des Bettes, den Blick auf den Jungen gerichtet. „Wie geht es ihm?“ fragte er, zwar mit beruhigter Tonlage, aber dennoch mit Besorgnis in der Stimme. Archiatros erwiderte ernst: „In Anbetracht der Umstände geht es ihm ziemlich gut. Er hat sogar enorm Glück gehabt, dass er überhaupt noch am Leben ist. Einige Prellungen hat er sich zugezogen, aber nichts, was ich nicht heilen könnte. Dennoch muss ich ihn noch einige Tage hier behalten. Du siehst seinen Körper ja selbst. Er muss dringend aufgepäppelt werden. Ich habe bereits den ganzen Vormittag damit zugebracht ihm einen Heiltrank zu brauen. Eigentlich müsste er jeden Moment fertig sein…“

    Als ob auf diese Worte gewartet wurde, hörte man nun ein lautes Blubbern und Kochen vom nahestehenden Tisch. Darauf standen einige Apparaturen, von denen Literajus nur wusste, dass sie zur Alchemie dienten, da er sie bereits in Büchern und Schriftrollen gesehen hatte. Es waren gläserne Behälter und Kolben, die von einem metallenen Gestänge in die Luft gehalten wurden. In einem besonders großen Gefäß brodelte eine grüngelbe Flüssigkeit. Archiatros sprang auf und eilte zum Tisch hinüber. „Wie ich sagte, der Trank ist fertig. Wo war ich stehen geblieben…? Ach ja! Der Junge wird in einigen Tagen wieder wohlauf sein…“ Er hielt inne und seufzte, „was man von seiner Mutter allerdings nicht behaupten kann.“ Auf einmal fiel es Literajus wieder ein, er hatte die Frau ebenfalls in den Krankensaal gebracht, aber als er sich umsah, fand er sie nirgends. Archiatros musste seine Bewegungen gedeutet haben und sagte: „Die Novizen haben sie bereits mit in den Wald genommen. Sie wollten sie begraben. Tragisch in dem Alter mit einem kleinen Kind im Arm zu sterben. Was hast du nun mit dem Jungen vor, eine Mutter hat er schließlich nicht mehr?“. Literajus war in Gedanken immer noch bei der Frau, er dachte an ihr angsterfülltes Gesicht. Hatte sie wirklich nur den Blitz kommen sehen oder war ihr schon zuvor etwas anderes zugestoßen? „Literajus?“ Archiatros riss ihn aus seinen Überlegungen und werkelte währenddessen immer noch an den Instrumenten herum. „Was? Ach so, nun ja…Ich denke, ich werde ihn aufnehmen. Wir können ihn nicht einfach abschieben und seinem Schicksal überlassen. Ich kann nicht sagen warum, aber irgendwie fühle ich mich dem Jungen auf eine merkwürdige Art und Weise verpflichtet. Du hast recht, es ist wirklich schade um den Verlust seiner Mutter, aber es ist wohl besser, wenn sie schnellstmöglich begraben wird. Nochmal möchte ich nicht in ihr Gesicht blicken müssen.“ Archiatros wandte sich vom Tisch ab und blickte, mit einer Flasche in der Hand – die Flüssigkeit hatte nun einen noch helleren Farbton angenommen - zu Literajus. Er nickte zustimmend und mitfühlend, dann sagte er: „Dann werde ich dem Kleinen mal seine Medizin geben. Was auch immer du mit ihm in Zukunft machen solltest, zuerst musst du zu Regulus gehen und mit ihm darüber sprechen. Er ist schließlich unser Oberhaupt und wird wissen, was richtig ist. Am besten begibst du dich sofort zu ihm.“ Er hat recht, dachte Literajus und meinte: „Vielen Dank für deine Hilfe, ich werde direkt zu ihm gehen. Sag mir bescheid, wenn es was Neues von dem Jungen gibt.“ Mit diesen Worten verließ er den Saal, während Archiatros schon dabei war dem Kind die Medizin einzuflößen.

    Gesagt, getan. Literajus folgte dem Weg bis zur Mitte der Klosteranlage, wo eine kleine Kapelle stand, an dessen Altar Regulus den Großteil des Tages mit Predigen verbrachte. Vor der Kapelle blieb er noch einen Moment stehen. Er wollte vor Regulus die richtigen Worte wählen und versuchte nun krampfhaft sich ein oder zwei Sätze zurechtzulegen mit denen er ihm die Sachlage schildern konnte. Nach einem befreienden Seufzer durchquerte er schließlich den steinernen Torbogen und ging entlang der mit Novizen besetzten Bänke geradewegs auf Regulus zu. Dieser unterbrach seine Predigt und starrte Literajus erwartungsvoll an. Literajus war nun klar, dass er zuerst das Wort ergreifen müsse und sagte: „Meister Regulus, könnte ich bitte kurz unter vier Augen mit Euch sprechen?“ Ernst wandte sich der kleine Mann mit grauem Kurzhaarschnitt den Novizen zu und als er sprach zeichneten sich auf seinem strengen Gesicht deutlich die Falten des Alters ab. „Ihr habt gehört, was unser ehrwürdiger Bibliothekar wünscht. Ich erkläre die Predigt hiermit für beendet. Geht nun euren Beschäftigungen nach.“ Murmelnd machte sich die Menge auf, um sich ihrer alltäglichen Arbeit zu widmen.

    Regulus wartete bis der letzte Novize durch den Ausgang geschritten war und blickte dann in Literajus Augen. Seine eigenen waren von einem graublauen Farbton und strahlten Erfahrung und Weisheit aus. Er ergriff das Wort: „Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du das ‚Meister‘ weglassen kannst. Wir kennen uns schon zu lange, als dass wir auf solche Formalitäten Acht geben müssten. Aber nichts für ungut, was ist dein Anliegen?“ Literajus grinste und war erleichtert. Es stimmte, sie kannten sich schon seit der Aufnahme von Literajus selbst. Damals war Regulus sein Mentor gewesen und zu dieser Zeit hatte er noch den Posten des Bibliothekars inne, welchen er nach der Ernennung zum Ältesten an seinen Schützling weitergeben musste. Aufgrund dieser engen Bekanntschaft konnte Literajus die meisten Reaktionen seines ehemaligen Meisters genau deuten und der Kommentar über die einstige Anrede ließ auf ein entspanntes Gespräch schließen. „Es tut mir Leid, Mei…Regulus. Es stimmt wahrhaftig: der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Nach all den Jahren kann ich immer noch nicht aufhören dich als Mentor zu begrüßen. Nun gut, mein Anliegen…also…ich weiß nicht, ob du schon davon gehört hast, aber…“. Der Alte unterbrach ihn mit einer mahnenden Handbewegungen und sagte dann: „Ach Literajus… Du hast wieder versucht, dir die Worte bereits vor unserem Gespräch zurechtzulegen, nicht wahr? Jedes Mal, wenn du das tust, kommst du vor lauter Stottern gar nicht erst zu deiner eigentlichen Aussage. Trotzdem weiß ich, worauf du hinauswillst. Schließlich spricht schon das komplette Kloster über deinen nächtlichen Fund. Du willst sicher über die Zukunft des Kindes mit mir sprechen.“ Sein ehemaliger Mentor wirkte trotz seines Alters immer noch aufgeweckter und spitzfindiger als so mancher Novize, was Literajus immer wieder auf’s Neue beeindruckte, aber schließlich war Regulus nicht grundlos zum Ältesten ernannt worden. „Ich hätte wissen müssen, dass dir nichts entgeht. Ja, du hast recht. Ich bin wegen dem Jungen hier. Am liebsten wäre es mir natürlich, wenn wir ihn als Novizen aufnehmen könnten. Selbstverständlich würde ich mich als sein Mentor bereitstellen, denn irgendwie fühle ich mich ihm verpflichtet. Allerdings steht mir nicht zu darüber zu entscheiden und daher habe ich dich aufgesucht.“ Regulus dachte einen Moment über das Gehörte nach und meinte schließlich: „Wenn du dir wirklich absolut sicher bist, dass dieser Junge für das Leben im Kloster geschaffen ist und wenn es deine Sorgen beruhigt, dann sei dir im Klaren, dass du in Zukunft die volle Verantwortung für sein Tun und sein Verhalten trägst, solange er die Volljährigkeit noch nicht erreicht hat. Willst du dir also wirklich diese Verantwortung auferlegen und für ihn bürgen?“ Literajus schluckte und horchte in sich, aber es gab absolut keine Zweifel, sodass seine Antwort „Ja, das schwöre ich“ lautete. „So sei es, sein Leben liegt nun in deinen Händen. Dennoch bin ich mir sicher, dass du das Richtige getan hast und durch deine Vernunft bald ein Ausnahme-Novize vor uns stehen wird. Nichts ist mir lieber, als ein Mann, den wir von Kindesalter an auf den richtigen Weg führen können. Ein dahergelaufener Ausgestoßener auf der Suche nach Erleuchtung wird nie das Wissen und die Vernunft erreichen, die jemand erlangt, der von Grund auf der richtigen Lehre unterzogen wird. Falls du also nun kein weiteres Anliegen mehr hast, würde ich dich bitten mich auf meine nächste Predigt vorbereiten zu lassen. Numenons Erschaffung des Kosmos ist oft ein Thema, welches die Novizen nicht ohne Hinterfragung verinnerlichen wollen, weshalb ich auf alles vorbereitet sein will.“

    Das hinderte Literajus nicht daran, sich bei Regulus mehrfach für die Güte und das Vertrauen zu bedanken, sodass schon die ersten Novizen wieder in die Kapelle schritten, als er sich endlich zu seiner Bibliothek begab, wo er sich sofort auf die Suche nach Büchern über das Erziehen von Kleinkindern machen wollte. Nur ein belesener Bibliothekar ist ein guter Bibliothekar…und in diesem Fall vielleicht auch ein guter Ziehvater, waren seine Gedanken beim Eintritt in das literarische Heiligtum des Klosters.
    Geändert von Madderikk (23.11.2010 um 16:09 Uhr) Grund: Sig aus ;)

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    To-Do-List und Done-List befinden sich im ersten Post.

    -Kapitel 1-


    Seit diesem denkwürdigen Tag waren nun einige Jahre vergangen und auch wenn Literajus immer noch täglich in der Bibliothek saß, um ein Auge auf die Schätze des Wissens zu werfen, so hatte sich doch sein restliches Leben grundlegend verändert. Cyrôn, wie er den Jungen getauft hatte, weil dieser Name in der alten Sprache für etwas Neues stand, war inzwischen ein junger Mann geworden. Wie Regulus es prophezeit hatte, entwickelte er sich zu einem außerordentlich begabten Novizen – er lernte sehr schnell, war geschickt im Umgang mit dem Stab und sein Wissensdurst konnte die Bibliothek manchmal nur schwer stillen. Doch er war nicht nur in dieser Hinsicht besonders. Ihn umgab eine unheimliche Aura, weshalb vor allem viele jüngere Novizen ihn mieden. Einzig Literajus selbst wusste, woher diese unbekannte Kraft kam; es war Magie. Schon im Kindesalter von Cyrôn hatte er sie in ihm entdeckt. Er erinnerte sich noch zu gut daran, wie er quer durch den Raum geschleudert wurde, als er versuchte dem einjährigen Jungen eine Windel umzubinden, was dieser jedoch ganz und gar nicht lustig fand. Seither verheimlichte er diesen Umstand, weil er befürchtete, sie würden seinen Ziehsohn sonst verbannen. Magie ist für die Mönche schon seit Anbeginn der Herrschaft vom allmächtigen Numenon ein Werkzeug des Teufels gewesen und sollte, wo sie auch waltete, nur Böses mit sich bringen. Tatsächlich gelang es Literajus bisher aber dieses Geheimnis insoweit für sich zu bewahren und die magischen Ausbrüche Cyrôns so geschickt zu verschleiern, dass er sich nicht mal sicher war, ob sich sein Zögling überhaupt selbst über seine Kräfte bewusst war. Dies und die Tatsache, dass sich Cyrôn kurz vor der endgültigen Aufnahmeprüfung in den Kreis der Bruderschaft befand, beanspruchte natürlich auch Literajus sehr, denn er war sich durchaus darüber im Klaren, dass sich Cyrôns Magie irgendwann entfalten und herausbrechen würde und dann stünde ihm so oder so das befürchtete Schicksal bevor, wenn nicht sogar schlimmeres.

    Laute und schnelle Schritte von draußen rissen Literajus aus seinen Gedanken und einen Augenblick später stürmte Cyrôn in die Bibliothek. Die Tür flog mit voller Wucht auf und Literajus hörte am folgenden lauten Krachen, wie sie auf die Wand prallte und nahezu zerbarst. Er hatte die Augen währenddessen geschlossen, um das Unheil nicht mit ansehen zu müssen und nachdem er sie wieder langsam öffnete, sah er wie Cyrôn bereits die arg rampunierte Holztür ins Schloss fallen ließ.
    „Wie oft habe ich dir schon erzählt, dass du nicht mit einer Stärke von 50 Pferden in die Räume platzen sollst!?“, schrie Literajus auf und mit leiser werdender Stimme fügte er hinzu: „Und schon gar nicht in meine Bibliothek.“ Er sah den beschämten Blick seines Schützlings und wusste, dass er seine Konsequenz nicht weiter durchziehen und auf ihn sauer sein konnte. Bevor er jedoch etwas zur Beschwichtigung sagen konnte, kam ihm Cyrôn zuvor: „Es tut mir leid, Vater. Ich werde mich zügeln.“ Beim Klang des Wortes ‚Vater‘ zuckte Literajus innerlich zusammen. Er hatte seinem Ziehsohn nie wirklich von seiner Herkunft und seiner verstorbenen Mutter erzählt und das schmerzte, denn eigentlich erzog er Cyrôn auf eine ehrliche Art – Geheimnisse gab es zwischen den beiden fast keine. Er war nicht der leibliche Vater Cyrons und vermutlich um diese Rolle seinem „Sohn“ gegenüber nicht zu verlieren, hielt er die Wahrheit verborgen. Literajus kämpfte oft mit diesen Gedanken und stillte seinen Kummer jedes Mal mit der Tatsache, dass ihn Cyrôn im Gegenzug nie über seine Mutter ausgefragt hatte. Es gab also keinen Grund für den Bibliothekar mit der Sprache herauszurücken.

    Um seiner Träumerei endlich ein Ende zu setzen, richtete er das Wort wieder an den vor ihm stehenden Novizen: „Also Cyrôn, was hast du nun wieder angestellt?“. Euphorie machte sich im jungen und noch makellosen Gesicht des Halbstarken breit. Mit ehrfürchtiger Stimme ließ er verlauten: „Ich hab Caducifer im Stabkampf besiegt und somit die Geschicklichkeitsprüfung bestanden.“
    „Du hast was…ist das wirklich wahr?“. Literajus Stimme klang überrascht und ungläubig. Konnte er wirklich schon so stark geworden sein?
    „Ja, das ist es.“, antwortete eine tiefe Stimme. Sie kam von der Tür her und als Literajus‘ Blick dort angelangt war, sah er Caducifer selbst dort stehen, er fuhr fort: „Ich hätte wissen müssen, dass du schnurstracks in die Bibliothek rennst und mit deinem Sieg prahlen musst. Aber gut, du hast es dir ja auch redlich verdient. Das war ein wirklich glorreicher Kampf, aus dir kann noch was werden.“
    „Danke Meister, ich gebe mein Bestes“, entgegnete Cyrôn bescheiden und blickte dann wieder in die Augen seines Vaters. Literajus realisierte, was sein Schützling vollbracht hatte und eine Woge von Stolz überkam ihn. „Das ist ja fabelhaft!“, rief er hocherfreut, stand auf und schritt auf Cyrôn zu, um ihn einer herzlichen Umarmung zu unterwerfen. Danach blickte er in das leicht beschämte Gesicht des Jungen und war sich sicher, dass dieser sich eine andere Art der Beglückwünschung in der Gegenwart von Caducifer gewünscht hätte, aber das war dem Bibliothekar in diesem Augenblick der Freude und Erleichterung egal. Er gab Cyrôn wieder aus der Umklammerung frei und sprach mit fröhlichem, aber ernstem Ton: „Damit hast du die erste Prüfung bereits erfolgreich absolviert. Ich bin wirklich stolz auf dich, aber du weißt ja, dass die Alchemieprüfung und der Glaubenstest wesentlich weniger Talent, sondern mehr Wissen erfordern. Also mach dich lieber auf und lerne für den morgigen Tag.“ Cyrôn nickte, sichtlich froh über die Begeisterung seines Ziehvaters, und ging an Caducifer vorbei durch die Tür auf den Hof.

    Literjaus wandte sich nun an Caducifer. „Also, wie hat er es geschafft?“ und mit einem Lachen fügte er hinzu: „Dem Eintreten in Räume nach zu schließen, bist du jedenfalls weit geschickter als er.“
    Ein Lächeln huschte über Caducifers ernstes Gesicht, aber als er sprach, klang seine Stimme so aufgeklärt wie eh und je: „Ich habe so etwas noch nie erlebt. Dies war kein normaler Kampf. Es begann wie immer, ich konnte meine Erfahrung nutzen, seine Schläge ohne große Probleme parieren und ab und zu einen Gegenangriff ausführen. Doch er entwickelte entgegen der normalerweisende eintretenden Erschöpfung immer mehr Kraft und die Geschwindigkeit seiner Schlagabfolgen erhöhte sich enorm, sodass ich nur noch mit Müh und Not dagegenhalten konnte. Als es mit meiner Ausdauer schließlich dem Ende zuging, er hingegen vollkommen fokussiert und fit schien, brach ich den Kampf ab.
    Aber das ist nicht alles! Seine Schläge waren keine herkömmlichen Angriffe. Bei jedem Treffer spürte ich einen Schauer durch meinen Körper strömen und meine Kräfte schienen dadurch schneller zu schwinden. Desweiteren fiel mir ein merkwürdig roter Schleier um ihn und seine Waffe auf. Jedoch kann dies auch eine Einbildung, die aus meinem Kampfeseifer heraus entstand gewesen sein und schließlich war dieser Schleier so leicht, dass nur ich ihn wahrgenommen habe. Ich hab bereits die beim Kampf Anwesenden danach gefragt, um mich zu vergewissern und keiner von ihnen hat etwas Ähnliches bemerkt.
    Nichtsdestotrotz bin ich mir sicher, dass du davon erfahren und eventuell mal mit Regulus darüber reden solltest. Ich kann nur darüber urteilen, was mir widerfahren ist und sowas habe ich, wie gesagt, noch nie erlebt.“
    Einen kurzen Moment lang herrschte Stille, dann fand Literajus seine Stimme, auch wenn nur für wenige Worte, wieder: „Vielen Dank für die Auskunft, Caducifer. Das ist in der Tat ein komischer Umstand. Ich werde noch heute Regulus um Rat fragen.“ Caducifer nickte ernst und schritt ohne ein weiteres Wort aus der Bibliothek hinaus. Literajus stand noch eine Weile reglos da und dachte angestrengt nach: Wie ich befürchtet hatte, entfaltet sich die Magie langsam. Nur leider früher, als erhofft. Wenn es zu weiteren Zwischenfällen kommt, kann das zu ernsten Problemen für Cyrôn und mich führen. Ich muss handeln… und zwar schnell!
    Geändert von Madderikk (23.11.2010 um 16:14 Uhr)

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    Ja, mich gibt's noch :P

    Der zuvor letzte Absatz des letzten Posts wurde durch den Kommenden ersetzt:

    Hastig legte er die Schriftrollen und Bücher auf seinem Schreibtisch zusammen, zurrte seinen Gurt enger und eilte zur Tür. Als er hinaustrat, war er noch immer so tief in Gedanken versunken, dass er nicht einmal bemerkte, wie die mitgenommene Tür hinter ihm wieder aus den Angeln zu fallen drohte.

    Die Sonne stand im Zenit und ließ alles um Literajus herum glitzern und blinken, weshalb er gezwungen war den Kopf auf die mühevoll gepflasterten Steine zu richten. Seine eigenen Schritte beobachtend lief er wie von Geisteshand geführt zum Schlafgemach von Regulus, wo dieser sich zur Mittagszeit gewöhnlich aufhielt, um sein Mahl zu verzehren und anschließend ein gesundes Nickerchen zu halten, wie es für einen Mann in seinem Alter üblich war. Schließlich waren seit der Nacht in der er Cyrôn gefunden hatte 17 Jahre vergangen und schon damals zählte Regulus nicht gerade zu den Jüngsten – genau genommen war er mit seinen 71 Jahren sogar der Älteste der Bruderschaft, was sich seitdem natürlich nicht geändert hatte. Hoffentlich schläft er noch nicht, dachte Literajus bei sich, als er vor der reich verzierten Holztür seines ehemaligen Mentors stand und noch einmal tief durchatmete bevor er klopfte.
    Von innen hörte er ein raues Murmeln, was Literajus als Aufforderung zum Eintreten deutete und die Tür öffnete. Ein schwaches Dämmerlicht, ausgehend von einer Kerze auf dem kleinen Nachtschränkchen, schien ihm entgegen. Die Vorhänge vor dem Fenster waren zugezogen, sodass eine Hälfte des Raumes nahezu völlig im Dunklen verborgen lag. Aus Erfahrung wusste Literajus allerdings, dass dort ein Tisch mit vier Stühlen, sowie ein gemütlicher Sessel in der Ecke standen. Ebenso gab es dort eine Kochstelle, mit Büchern gefüllte Regale und eine große solide Truhe, dessen Inhalt Literjaus noch nie zu Gesicht bekommen hatte, was sie für ihn aber nur umso interessanter machte. Schon zu den Zeiten, als er noch der Lehrling Regulus‘ war, hatte er seinen Mentor oft danach gefragt, was sich denn in dieser Truhe befände. Jedoch wurde er immer mit einem strengen und bestimmenden Kopfschütteln dazu gebracht, seine Neugier im Zaum zu halten. Literajus‘ Blick wanderte von den Schemen in der Dunkelheit zum Bett neben dem Nachtschränkchen. Regulus war dort bereits für seinen Mittagsschlaf eingedeckt und hatte ein Buch auf dem Schoß liegen, da er vor dem Einschlafen zu lesen pflegte. Von dem schwachen Lichtschein beleuchtet, wirkte der blasse Alte fast zerbrechlich und sah aus wie ein Kranker, der nicht mehr lange zu leben hatte. Zwar trat er immer noch selbstbewusst und aufrecht bei seinen Predigten auf, aber zumindest Literajus konnte aufgrund der langen und intensiven Bekanntschaft mit seinem Mentor erkennen, dass dies Regulus immer mehr Anstrengung kostete. Der Anblick, dem ihm der Alte nun bot, bestätigte es nur ein Mal mehr – er war bemitleidenswert.
    „Ich biete keinen wirklich guten Anblick, oder Literajus?“, der krächzende Klang von Regulus‘ Stimme ließ den Bibliothekar aus seinen Träumereien zurück in die Gegenwart blicken. Sein Mentor schaute ihn aus seinen verblassenden und ausdrucksschwachen Augen heraus an, eine leichte Form des grauen Stars war bereits erkennbar. Die Spuren des Alters zeichneten sich also überall auf der Erscheinung seines Gegenübers ab.
    „Ich wünschte, ich könnte das Gegenteil behaupten, alter Freund.“, entgegnete Literjaus, während er sich zum Bett hinbegab und sich auf dem Rand niederließ. Er war sich wohl bewusst, dass dies nicht die Aufmunterung war, die man in einem solchen Falle als Betroffener erwartete. Aber warum sollte er diesem weisen und rationalen Menschen etwas vormachen? Vermutlich wusste dieser sowieso genau darüber Bescheid, wie es um ihn stand.
    „Hach ja…deine ehrliche Ader weiß mal wieder gekonnt aufzubauen. Aber im Grunde ist es genau das, was ich an dir schätze und weshalb ich mich auch nicht schäme in dieser Verfassung vor dir zu sitzen und meine Schwäche zu entblößen.“ Auch wenn Regulus nicht mehr in bester Form war, so klangen seine Worte doch noch immer gutmütig und mit jeder einzelnen Silbe aus dem Herzen gesprochen.
    Literajus lächelte, von der Aussage seines Mentors geschmeichelt, und besann sich an den Grund seines Besuchs: „Ich will auch jetzt ehrlich zu dir sein. Ich bin hier, um deinen Rat zu ersuchen…“
    „Immer heraus damit. Du weißt, mir brauchst du nichts zu verheimlichen“, sagte der Alte besänftigend, als Literajus zögerte. Bestärkt durch den Zuspruch des Klostervorstandes begann er von Caducifers Bericht über die merkwürdige Aura und ausgeprägten Kräfte seines Zöglings Cyrôn zu erzählen. Allerdings ließ er jegliche Wörter, die die Aufmerksamkeit auf übernatürliche Aktivitäten lenken könnten, bewusst aus. Während Literajus sprach, hörte Regulus aufmerksam zu und selbst als dieser mit seiner Ansprache geendet hatte, hielt er noch einen kurzen Moment inne bis er endlich zur Antwort ansetzte: „Du sagst also, du vermutest Magie in den Adern deines Schützlings.“
    Natürlich hatte Literajus Magie mit keinem Wort erwähnt, aber genau genommen war er nicht einmal wirklich überrascht über die Erkenntnis seines Mentors – man konnte ihm einfach nichts vorgaukeln, so sehr man es auch versuchte. „Nun ja, auszuschließen ist es jedenfalls nicht, jedoch kann und will ich mich bei diesem Umstand nicht festlegen, aber ich muss ehrlich zu dir sprechen. Solange ich noch auf dieser Welt weile, halte ich meine schützende Hand über euch beide, aber schau mich an; mein Ableben rückt immer näher, du kannst darauf nicht mehr lange vertrauen. Sollte Cyrôn also weiterhin aufgrund von unerklärlichen Ereignissen auffällig werden, kannst du vielleicht noch auf Rückhalt von Caducifer und Archiatros hoffen, aber nach meinem Tod wird Attilus meine Position einnehmen und du weißt, wie konservativ er eingestellt ist. Ich bezweifle, dass er euch dann noch lange im Kloster dulden wird. Es liegt an dir, wie es weitergeht. Du kannst versuchen als Attilus‘ Gegenspieler aufzutreten und dich zur Wahl als Klostervorstand aufstellen zu lassen, aber ich bezweifle, dass das deiner Art entspricht.“
    Er hatte recht, Literajus schauderte beim bloßen Gedanken sich gegen die autoritäre und führungsstarke Person von Attilus behaupten zu müssen. Darüber hinaus traute er sich die Verantwortung und Ausdauer, welche die Leitung des Klosters bedurfte, nicht zu. Außerdem würde er durch eine derartige Auflehnung wohl nur das Gegenteil erreichen, nämlich sich dadurch unbeliebt zu machen. In der Geschichte des Klosters gab es schließlich noch keinen einzigen Fall bei dem sich jemand dem vorbestimmten Ältesten entgegenstellt und dessen Position in Anspruch gestellt hatte – unter Mönchen ziemte sich so etwas nicht.
    Nach zur Kenntnisnahme von Literajus unzufriedenen und entsetzten Gesichtsausdrucks setzte Regulus seinen Redefluss fort: „Natürlich gibt es noch andere Möglichkeiten, allerdings sind diese Maßnahmen drastisch und erfordern Eingeständnisse sowie eine ordentliche Portion Mut und Aufopferung. Da ich bezweifle, dass du deinen Zögling, auf sich alleine gestellt, in die weite Welt hinausschicken wirst, musst du dich auf eine wohl unvermeidliche Verbannung vorbereiten oder selbst die Initiative ergreifen und nach einem guten Platz für euch suchen. Jedenfalls steht fest, dass du nicht darauf hoffen kannst, Attilus würde schon nichts bemerken. Genauso wenig wirst du ihn überreden können Cyrôn als Mitmönch zu akzeptieren.“
    Literajus war von den auf ihn niederprasselnden Worten, die so endgültig wirkten, wie gelähmt. Das, was ihm in seinem tiefsten Inneren schon längst bewusst war, traf nun mit der Bestimmtheit von Regulus‘ weisen Schlussfolgerungen wie ein Blitz auf ihn ein. Erst jetzt wurde er sich seiner prekären Lage so richtig bewusst. Wieder war es die Stimme des Alten, die ihn aus seiner scheinbar ewig andauernden Apathie riss: „ Ich bin mir sicher, du brauchst jetzt einige Zeit zum Überlegen, aber ich denke auch, dass du zu dem richtigen Schluss kommen wirst.“
    „Ja…ja…danke für den Rat, Regulus. Ich…gehe jetzt.“, sagte Literajus, wobei er die Sätze nur mit viel Mühe und einem Zittern in der Stimme hervorbrachte. Schlaff stieß er sich vom Bettrand ab und schlurfte die wenigen Schritte zur Tür. Dort angekommen drehte er sich nochmal kurz und sah, wie Regulus bereits wieder sein Buch in Händen hielt und aufmerksam darin las. Auf der Vorderseite hieß es „Die drei Götter“, ein Buch das Literajus aus der Bibliothek kannte. Darin ging es um eine Religion, die in fernen Landen weit verbreitet ist. Dort herrschen Innos, Adanos und Beliar über die Welt. Sie haben starken Einfluss auf das Volk und bestimmen das Leben und Handeln der dortigen Menschen. Er denkt wohl schon länger über derartige Ungewöhnlichkeiten nach, dachte Literajus, als er schließlich wieder auf den Hof trat.
    Geändert von Madderikk (23.11.2010 um 16:20 Uhr) Grund: Sig aus

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