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    Kleiner als drei  Avatar von Lady Xrystal
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    Post [Story]Im Mondlicht sollst du sterben

    Vorwort: So, eine neue Story von mir. Ich weiß, der Titel ist eher merkwürdig gewählt, aber ein besserer und gleichzeitig passender ist mir jetzt nicht eingefallen *gg* Die Geschichte wird um einiges länger werden, als die Vorherige, sowohl von der Länge der einzelnen Kapitel, als auch von der Story selbst her. Ich hoffe trotzdem, es gibt einige Leute, die sich dieser annehmen werden. Viel Spaß

    Prolog

    Es gab ja immer noch Menschen, die glaubten, Myrtana kenne keinen Winter. Doch waren dies nur irgendwelche Spinner aus dem südlichsten Varant, dem Wüstenlande, in dem der Winter nie einbrach.
    In Myrtana gab es sehr wohl einen Winter, und dieser war zum Teil sogar kälter, als das ewige Eis von Nordmar. In jenem Jahre schien er noch eine Spur bitterer zu werden.
    Auch er wusste das. Er konnte es bereits jetzt spüren, förmlich riechen. Er war nur froh darüber, dass er Förster denn Bauer war. Denn würde die ohnehin nur schlecht anhaltende Ernte eines Landwirtes bei solch eisigen Temperaturen vollends zerstört werden und die Schweine, Kühe und Rinder würden frierend im Stall hocken, nicht wissend, ob es die Laune der Natur war oder ihr eigener Herr, der sie letzten Endes in den Tod treiben würde.
    Er blickte gen Himmel. Dieser war tiefblau und sternenklar, der helle Mond hatte sich die letzten Tage sattgefressen und präsentierte nun seine volle Rundung, die sich gewaltig über den ehemals so pflanzenreichen Laubwald erhob. Majestätisch hing er hoch am Nachthimmel, so wunderschön und grausam zugleich.
    Damals, als die Schlacht um das Festland tobte, schien der Mond am Abendhimmel zu jeder Zeit das Einzige, was nicht blutrot getränkt seinen Tagesablauf verrichtete. Er war für viele ein Ort der Ruhe, ein Ort der Besinnung. Die Orkkriege haben auch gut zehn Jahre später ihre Spuren hinterlassen. Er war damals ein junger Knecht, gerademal dreiundzwanzig Lenze hatte er hinter sich, die Volljährigkeit vor wenigen Jahren erst erreicht. Er mag jünger, geschickter, ausdauender gewesen sein, aber war er nicht so klug, stark und vorausschauend, wie er es inzwischen war. Damals kämpfte er tapfer an Seiten der Rebellen, für den König und gegen die Eindringlinge, die Orks.
    Damals.
    Doch war dies alles längst vorbei.
    Der Krieg für immer beendet, Rebellen oder Orksöldner gab es nicht mehr und entgegen aller Erwartungen des klaren Verstandes gewannen die menschlichen Königstreuen den erschütternden Krieg. Die Schlüsselschlacht, die letzte Schlacht um Vengard war ausschlaggebend für den Sieg. Zu jener Vollmondnacht.
    Seit der Vollmondschlacht gab es zwar keinen Krieg mehr, dafür immer mehr Spinner und Idioten. Irgendwelche Vollmondanbeter haben doch tatsächlich eine ketzerische Religion gegründet, fernab des Glaubens an die drei Götter Innos, Adanos und Beliar, die sich seit dem Ende des Orkkrieges wie in nichts aufgelöst haben zu scheinen. Eine Religion, die doch tatsächlich den Mond als ewigen und einzigen Gott anpries. Und sie haben sogar bereits ein Kloster errichtet. Heiliges Mondlicht nennen sie es, das steinige Gebäude in Nordmar, dass dem Kloster der Feuermagier Konkurrenz zu machen schien.
    Das blieb natürlich auch anderen Sonderlingen nicht verschwiegen. Und so haben in Zeiten der vollkommenen Meinungsfreiheit einige alte Kriegsveteranen auf Seiten der Orks eine Siedlung im verschneiten Nordmar errichtet: Helski. Von vielen Seiten verpönt, von einigen wenigen jedoch als letzter Widerstand gegen den für sie abscheulichen König gefeiert.
    Und dann gab es da noch die gefährliche Variante. Die so genannten Nymphen. Junge, wohl sehr hübsche Damen, die sich meist verheiratete Männer suchten, um ihre Triebe zu befriedigen, ihr Vermögen aufzubessern und ihren Blutdurst zu stillen. Zu jeder Vollmondnacht schienen sie erneut zuzuschlagen, es haben bisher so einige unachtsame Männer ihr Leben lassen müssen.
    Natürlich war auch er in Gefahr. Er war, wenn auch nicht gerade glücklich, verheiratet, häufig auch des Nachts im Walde und wurde durchaus von vielen Frauen umworben. Doch glaubte er nicht so recht daran, dass ihm etwas passieren würde. Dazu kannte sich der Förster viel zu gut in diesem Laubwald aus.
    Auch, wenn sämtliche Morde bisher in seiner Region verrichtet worden, waren sie für ihn so fern wie die große Stadt am Waldrand. In den letzten Monaten war nichts geschehen, weder ihm, noch seinen nahen Verwandten und Freunden. Die ganze Geschichte wirkte so falsch, so unreal, so entfernt. Die anfängliche Angst in ihm, die nach der Nachricht des ersten grausamen Mordes aufkam, war bereits binnen weniger Tage vollends erloschen und seit jeher nicht wieder aufgetaucht. Und die Zeichen standen gut, dass dies auch so bleiben würde.

    Langsam schritt er durch den tiefen Schnee. Es war bereits stockfinster, die Zeit für die Heimkehr war gekommen. Er kramte in seiner Tasche, zog ein Stück rotbraunes Holz heraus und entzündete damit ein kleines, prasselndes Feuer, welches ihm den Weg leuchten sollte. Auch, wenn er sich durchaus gut im Wald auskannte, er wollte es nicht riskieren, über einen abgebrochenen Baumstumpf zu stolpern und sich seine Beine zu brechen. Also entschied er sich für den spärlichen Fackelschein.
    Für die meisten sah jede Ecke des Waldes gleich aus. Bäume, Schnee und ein paar dünne Äste zogen sich gleichermaßen über mehrere Kilometer hinweg. Doch der Förster kannte seinen Wald gut, besser sogar noch als sein eigenes Weib. Er wusste genau, wo er war und wie weit er es bis zu seiner Hütte hatte. Er ging behutsam den Weg entlang, als er eine klare, liebliche Stimme vernahm. Eine wunderschöne Damenstimme wisperte einsam in den Wald hinein, in einer unverständlichen Sprache, die bezauberte.
    Kurz blieb er stehen, um den sangesähnlichen Tönen zu lauschen, da verfiel er sogleich dem zuckersüßen Bann der Stimme, die sanft in sein Ohr trat und in seinem Herzen hängen blieb. Der Schall ging im durch Mark und Bein, fesselte ihn unsichtbar an den Ort, an dem er verweilte und brachte ihn in eine Art Trance. Er konnte sich nicht mehr losreißen, doch das wollte er auch gar nicht.
    Nur wenige Augenschläge lang hielten die Klänge stand, dann verstummten sie und er kam wieder zu sich. Umzingelt war er von sechs anmutigen jungen Damen, die ihn allesamt betörten und umwarben. Es kam ihm so vor, als schwebe er leicht im wunderschönen Nachthimmel herum, ganz nahe dem beruhigenden Licht des Vollmondes. Eine Woge der Freude umgab ihn mit einem mal und ihm wurde trotz der immer noch eisigen Temperaturen plötzlich warm ums Herz.
    Vor ihn trat, an ihren sechs Gefährtinnen vorbei, eine schlanke, attraktive junge Frau mit spärlicher Bekleidung. Sie ging nah an ihn heran, blickte ihn mit ihren stechend blauen Augen fest an, streifte mit ihrem rechten Zeigefinger sanft an seiner stämmigen Brust herunter und flüsterte dabei mit einer bezaubernden Stimme:
    »Was macht solch ein starker und hübscher Mann um jene Zeit alleine im Wald?«
    Sie erwartete keine Antwort, drückte stattdessen ihre vollen roten Lippen auf die seine und suchte mit ihrer Zunge ein Durchkommen. Er ließ sie gewähren, trat ein wenig näher an sie heran und hielt sie sanft an ihre sehr gut gebauten Hüften. Sie schlug ihre schlanken Arme über seine Schultern hinweg um seinen Hals, streichelte sanft seinen Nacken und fuhr ihm durchs krause Hinterhaar. Fest umschlungen sank sie langsam in den kalten Schnee und zog ihn mit sich.
    Behutsam legte sie seinen Oberkörper nach hinten, worauf hin er sich vollends mit dem Rücken in den vom Mondschein funkelnden Schnee legte. Er spürte die stechende Kälte kaum, seine Sinne zauberten einen rosaroten Schleier um die Szene, sein Verstand war vernebelt.
    Breitbeinig setzte sie sich auf seinen Unterleib, schlug ihre langen, blonden Haare nach hinten und griff mit beiden Händen an ihren eigenen Rücken. Er sah nur, dass einige seilähnliche Fäden von ihrem Rücken aus in alle Richtungen gezogen wurden und kurz darauf lockerte sich der straffe Stoff, der ihre wohlgeformten Brüste verdeckte. Ganz langsam schob sie den besagten Stoff von ihrem Körper fort und offenbarte ihm ihre Rundungen in ihrer ganzen Pracht. Ihm gefiel der Anblick und sein Unterleib meldete sich zu Wort, was natürlich auch der jungen Dame, die auf ebenjenem saß, nicht verwehrt blieb.
    Er war vollkommen regungslos, in einer Trance, die ihn nicht mehr selbst handeln ließ. Benommen lag er im weißen Schnee, er spürte nur, wie er sanft ausgezogen wurde, hier und da blitze der attraktive Körper der Dame, die ihn schlichtweg verführt hatte, vor seine Augen auf. Unverständlicherweise genoss er die absolute Auslieferung. Beim Sex mit seinem Weib, wenn er es denn mal hatte, spielte immer nur er die führende Rolle und es erregte ihn ungemein, auch mal die Frau ans Ruder zu lassen.
    Es dämmerte ihm. Sein Verstand begann wieder klarer zu werden. Was in Beliars Namen tat er da nur? Er stand kurz davor, das heiligste Sakrament der Ehe mit irgendeiner Frau zu verrichten, die er weder kannte noch dafür bezahlt hatte. Auch, wenn er alles andere als glücklich mit seiner Frau war, er hatte ihr ewige Treue geschworen. Und der Förster stand zu seinem Wort. So verlockend die Situation, in der er sich befand, auch sein mochte, er würde sein Weib nicht betrügen können. Wollen.

    Mit aller Kraft, die ihm zur Verfügung stand, schob er die attraktive Blonde grob von seinem Unterleib herunter und stand sofort auf. Der eisige Schnee, der an seinem hellroten Rücken klebte, kratzte ihn rau und er versuchte verzweifelt, die Schmerzen von seinem Rückgrat zu treiben.
    Er hatte noch gar nicht bemerkt, dass der helle Schein seiner Fackel längst erloschen war und nur noch das Licht des Mondes die Szenerie spärlich erhellte. Also würde er sich nur auf sein Erinnerungsvermögen berufen können, wenn er zu seiner Hütte flüchten sollte. Er rannte los.
    »Ergreift ihn!«, hörte er aufgebracht in sein Ohr dringen, als er sich der schmerzenden Kälte widersetzte und durch den dichten Schnee schnellstmöglich versuchte zu türmen. Hinter ihm ertönte der dumpfe Klang von schmalen Stiefeln, die im Eiltempo auf den Schnee trafen. Sie waren dicht hinter ihm, was ihn dazu verleitete, noch schneller zu rennen. Ohne Verstand lenkte er seine Schritte durch die tiefe Winternacht in Richtung Hütte, bahnte sich an Ästen vorbei, schlug einige Kurven, bis er abrupt stehen blieb.
    Sein Atem hing schwer in der kalten Luft, doch war es sonst still. Unheimlich still. Der Vollmond schien sanft auf den Schnee, malte glitzernde Muster auf ihn. Hatte er es geschafft? Hatte er sie abgehängt?
    Erschöpft blickte er hinter sich, dann in alle möglichen Richtungen und vergewisserte sich, dass er tatsächlich allein war. Er suchte sich seinen Weg weiter, denn war er bereits ganz nah an seinem Heim. Sein Weib würde zu dieser Tageszeit sicherlich bereits im Reich der Träume verweilen, sie wartete nie auf die Rückkehr ihres Mannes. Das war gut, wie er feststellte. Denn nur so konnte er in seine Hütte einkehren, ohne seiner Frau erklären zu müssen, wieso bei Innos Namen er so spät und dazu noch halbnackt nach Hause kam.
    Ungewollt dachte er noch einmal an die Begegnung mit der hübschen Dame zurück. Sie war wirklich wunderschön und ihre liebliche Stimme war bei weitem nicht ihr einziges Kapital. Ihr schwerer, süßlich duftender Atem war wärmend und betörend zugleich und es war, als würde er ihn immer noch in seinem markanten Gesicht spüren. Oder eher in seinem Nacken?
    In seinem Nacken, ja. Eine wärmende Macht, die ihn umgab, sie fühlte sich so real an. Erschrocken fasste er sich an seinen Nacken, drehte sich um seine eigene Achse und blickte nach hinten. Doch war dort niemand. Nichts lebendes, nichts atmendes. Hatte er sich das ganze nur eingebildet?

    »Du gehörst zu mir. Du gehörst mir

    Plötzlich vernahm er ein Wispern. Kein betörendes, viel eher ein bestimmendes. Auch dieser Schall ging ihm durch Mark und Bein, doch entfachte es in ihm ein beklemmendes Wimmern. Es begann ihn verrückt zu machen, er wollte nur noch davon rennen, diese Stimmen nicht mehr hören.
    Verzweifelt griff er sich an den Schädel und rannte geradeaus auf seine Hütte zu. An einer Lichtung am Waldrand erstrahlte das hölzerne Gebäude im Vollmond, doch würde er den Anblick in jener Nacht nicht mehr zu sehen bekommen.
    Geändert von Lady Xrystal (12.08.2008 um 15:58 Uhr) Grund: Einige Rechtschreibfehler ausgebessert

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    Kapitel I

    Es war eisig kalt, als Sirena am Tatort ankam. Der Winter war bitterer, als je zuvor. Er drückte die dürren, blätterlosen Äste des ehemaligen Laubwaldes unter der schweren Last der dicken Schneeschicht gekonnt nach unten. Auch war die Luft von der unerträglichen Kälte der dunklen Jahreszeit verpestet, wie Sirena feststellte, als ein stechender Windstoß ihre vollen braunen Haare nach hinten wehte, ihr unsanft in das errötete Gesicht schlug und ihren ganzen Körper erbeben ließ.
    Der Blick der Dame mittleren Alters schweifte suchend an der Menschenmasse vorbei, die sich konzentriert an dem einen Ort versammelt hatte. Als ein Mann im besten Alter an Sirena herantrat, schien sie gefunden zu haben, wonach sie suchte.
    »Richard von Geldern, dreiunddreißig Lenze alt, verheiratet, zwei Kinder. Wanderer fanden ihn und erkannten ihn sofort. Seine Gemahlin wurde bereits benachrichtigt.«, sagte der ältere Herr mit leiser, dennoch gefasster Stimme. Ähnlich gedrückt, und noch eine Spur abgebrühter stellte Sirena die Frage:
    »Weist irgendetwas auf einen Mord der Nymphen hin?«
    »Auf den ersten Blick nein. Zumindest, wenn man außer Acht lässt, dass der Tote nackt war, als er gefunden wurde. Aber, folgt mir.«
    Der ältere Mann machte kehrt, ging geradeaus zur Leiche und hockte sich neben die Leiche hin. Sirena folgte ihm und tat es ihm gleich, während sie den blutverschmierten Schnee bemerkte, der röter wurde, je näher er sich an der porzellanweißen Haut der Leiche befand.
    »Hier«, der ältere Herr griff den sterblichen Überresten zwischen die Beine, nahm das tote Glied in die Hand und umfasste den Schaft fest mit seiner Rechten.
    »Ihr zeigt mir ein männliches Geschlechtsteil?«, Sirena verstand nicht recht.
    »Schaut genau hin«, mit der anderen Hand hob er die Spitze des Genitals an und bog es so weit nach hinten, wie es nur ging. Es schien deutlich biegsamer, als gewöhnlich. Dann erklärte der ältere Herr weiter:
    »Obwohl der tote Körper bereits fast erfroren ist, lässt sich sein Glied unnatürlich weit nach hinten drücken. Das deutet auf eine Art Gliedbruch hin.«
    Sirena zog sich die ledernen Handschuhe aus, um die Temperatur des Toten zu ermitteln. Die extrem weiße Haut kam wirklich nicht von ungefähr, der Körper wäre dem Erfrieren nahe, würde er noch unter den Lebenden verweilen.. Eindringlich musterte sie noch einmal den Schambereich des Toten.
    »Sagt mir, Antol, wie kann so etwas geschehen?«
    Der ältere Mann, Antol, ließ sich ein wenig Zeit, ehe er Sirenas Frage beantwortete. Mit einem leichten Seufzer erläuterte er:
    »Durch extrem heftigen Geschlechtsverkehr. Oder durch unfreiwilligen.«
    Sirena starrte auf die Leiche und ließ Antols Worte wirken.
    »Ihr glaubt also«, die Dame begann zu verstehen, »die Nymphen haben ihn zunächst verführt und als er begann, sich ihren Reizen zu entziehen...«
    Durchdringend schaute die Brünette Antol an. Dieser dagegen blickte nachdenklich auf die Leiche herab. Erst, als er bemerkte, dass Sirena ihn dazu aufgefordert hatte, ihren Satz zu vollenden, nickte er zustimmend und brachte den erfolgreichen Erklärungsversuch zu Ende:
    »...haben sie sich mit Gewalt das genommen, was sie haben wollten.«
    »Gibt es noch weitere Anzeichen für ein Nymphenopfer?«, wollte Sirena recht schnell wissen.
    »Bisher noch nicht. Wir werden sicher bald mit der Gemahlin des Opfers sprechen, sobald sie sich wieder von ihrem Schock erholt hat. Dann werden wir herausfinden können, ob es Menschen gab, die ihm den Tod wünschten. Denen werden wir, sofern vorhanden, auf den Grund gehen. Sollte sich dabei etwas ergeben, so können wir einen Mord der Nymphen ausschließen.«
    »Erstattet mir bitte Bericht, sobald Ihr etwas Neues entdeckt habt.«
    »Das werde ich, Sirena. Wollt Ihr Euch hier noch ein wenig umschauen?«
    »Ja«, entgegnete ihm die Dame knapp.

    Sirena schaute sich den Schnee um die Leiche herum genau an. Es hatte die letzten Stunden nicht geschneit, deshalb hoffte sie, Spuren oder ähnliches zu finden. Und sie wurde nicht enttäuscht.
    Von der rechten Schulter des Toten führten einige unsorgfältig verwischte, grobe Flecken, die sich für ein scharfes Auge deutlich von den restlichen Schneespuren abhoben, tiefer in den armselig erscheinenden Laubwald hinein. Sirena folgte jener breiten Straße unvorsichtig, sie glaubte nicht daran, auf diese Weise das Lager der Nymphen zu finden. Dennoch hoffte sie auf irgendetwas, das ihr weiterhelfen würde. Schließlich macht jeder mal Fehler, auch äußerst kluge Mörderinnen.
    Behutsam folgte sie den Spuren, die mit einem mal deutlicher wurden. Sie war so fixiert, gleichzeitig jedoch auch so erstaunt über den Wandel der zunächst verwischten Spuren, dass sie den kleinen Abhang vor ihr zunächst gar nicht bemerkte. Erst, als es fast zu spät war, rettete sich die Brünette mit ihren schmalen Fingern an einem erfrorenen Felsbrocken.
    Der Abhang war nicht sonderlich tief, allerdings steil und steinig. Würde Sirena dort hinabfallen wäre sie sicherlich nicht tot. Trotzdem wollte sie sich dies ersparen, auch, da sie nicht wusste, ob die von ihr verfolgten Spuren dort unten tatsächlich weitergingen. Also wollte sie sich wieder hinaufziehen, doch gehorchten ihr ihre Finger nicht, sie fühlten sich taub und leblos an.
    Sirena schaute an sich herauf und entdeckte vier gebogene hellrosa Stäbe, die mit aller zur Verfügung stehenden Kraft einen grauen Stein umschlossen. Erst jetzt bemerkte sie zu ihrem Leiden, dass sie ihre Lederhandschuhe bei der Leiche liegen gelassen hatte.
    Hoffentlich deuten Antol und die anderen dies nicht als Spur, war ihr letzter eher scherzhaft gemeinte Gedanke, ehe ihre schmerzenden Finger versagten und sie in den Abgrund fielen ließen.

    Ein dumpfer Aufprall ließ ihre Schulter schmerzend zusammen zucken, rollte ihren Körper ungewollt auf den Rücken und ließ ihren Kopf gegen den festgefrorenen Schnee schlagen. Ihre Sicht wurde von dem Schlag leicht benebelt, doch zog sie sich schnell wieder auf die Beine. Schwankend trat sie einige wenige Schritte nach vorne, ehe sie sich an einen dürren Baumstamm abfing und darauf wartete, dass ihre Sinne wieder klar funktionieren.
    Sirena hatte sich unterschätzt. Sie hatte den Abgrund zu ihren Füßen unterschätzt. Der Aufschlag mit dem dumpfen Schnee war härter, als sie gedacht hatte, doch hatte sie den Sturz nicht mit bleibenden Schäden büßen müssen.
    Als sie begann, wieder klarer zu sehen, entdeckte die Dame auch sogleich einige Schneespuren. Große, grob verwischte Flecken, die ihr sehr bekannt vorkamen. Mit jedem schleichenden Schritt, den sie entlang der Spuren vernahm, wuchs ihr Interesse. Wie weit war sie vom Geheimnis der Nymphen entfernt? Was würde sie am Ende vorfinden?
    Aber auch ihre Angst wuchs. Eine Angst, die Sirena seit langem nicht mehr verspürt hatte. Die sie nie wieder verspüren wollte. Es war die reine Todesangst.
    Abrupt stoppte die Brünette. Sie bemerkte, dass sie keinerlei Waffen dabei hatte. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass sie tatsächlich auf Nymphen treffen würde, konnte sie sich nicht verteidigen. Und die Damen würden den Eindringling mit Sicherheit nicht auf ein Stück Kuchen oder ein Pils einladen. Sollte Sirena also lieber die Verfolgung aufgeben? Kehrt machen und mit Bewaffnung zu einem späteren Zeitpunkt zurückkehren?
    Nein. Der Winter war unberechenbar, es konnte zu jeder Sekunde wieder anfangen zu schneien, was, wie Sirena in der Vergangenheit viel zu häufig erfahren musste, selbst die eindeutigsten Spuren binnen weniger Augenblicke vernichten konnte. So einen Fehler konnte sie sich nicht erlauben. Nicht, nachdem es ein neues Opfer gab. Das Neunte. Sie würde es sich nie verzeihen, wenn sie der Spur nicht folgen würde.
    Nahezu automatisch begannen Sirenas Beine zu gehen, trugen sie sanft und leise über den tiefen Schnee, an unzähligen blätterlosen Bäumen vorbei, immer der eindeutigen Fährte entlang. Sie war nicht weit gelaufen, da entdeckte sie auch schon einige Zelte zwischen den ärmlichen Bäumen. Langsam und mit schwerem Atem ging sie näher an das Lager heran. Die Bäume und Büsche boten ihr in diesem Winter keinerlei Schutz, so konnte sie sich nur auf ihre eigene Unauffälligkeit verlassen.
    Im Zentrum der Zelte war ein erloschenes Lagerfeuer, um das unzählige Holzbänke herum platziert worden waren. Einige Schneespuren befanden sich um den Feuerplatz, allerdings schien sich keine Menschenseele in unmittelbarer Nähe zu befinden.
    War es das Lager der Nymphen? Oder doch nur eines von Jägern, die den Wald für ihre Suche nach Fleisch und Trophäen missbrauchten?
    Sirena schlich sich in das Lager hinein. Sie spähte mit flüchtigen Blicken einige Zelte aus und tatsächlich war niemand außer ihr selbst zu jener Zeit am Lager. Jedoch schienen auch die Zelte selbst nicht sonderlich viel zu beinhalten. Zumindest dachte Sirena das, bis sie an ein eher abgelegenes Zelt kam.
    Wie auch bei den Bauten zuvor warf sie nur einen flüchtigen Blick hinein. Und mit einem Schlag wurde ihr übel. Ein modriger Gestank stach unsanft in ihre empfindliche Nase und der Anblick von frischem Blut und abgetrennten Gliedmaßen ließen sie erbrechen. Selbst für eine Frau von Erfahrung war jener Anblick nahezu unerträglich.
    Sirena wand sich ab. Das Zelt konnte für ihre Untersuchungen noch so interessant sein, noch einmal würde sie gewiss nicht hineinblicken. Mit einem angewiderten Kopfschütteln versuchte sie sich von den schockierenden Bildern zu lösen. Als sie jenes geschafft hatte, schlich sie sich wieder in das Zentrum des Lagers, um nachzuprüfen, ob sie etwas übersehen hatte.
    Plötzlich fing ihr Kopf an schwerer zu werden. Er dröhnte, als hätte sie unzählige Wacholder über den Durst getrunken. Die Brünette konnte sich nicht daran erinnern, jemals solch starke Kopfschmerzen gehabt zu haben. Sie suchte eine Holzbank, doch fand sie keine. Das Lagerfeuer und die Sitzplätze drumherum schienen vom Erdboden verschluckt worden zu sein.
    Die Dame mit der braunen Haarpracht konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten, langsam und geschwächt sank sie in den kalten Schnee. Alles schien sich zu drehen, ihr Atem stocke ungewollt, was sie verzweifelt nach Luft schnappen ließ und die Organe unter ihrer Brust begannen schmerzlich zu hämmern. Nicht einmal aufrecht sitzen konnte sie. Mit schmerzverzerrtem Gesicht und zugeschlagenen Augen lag Sirena im Schnee, nicht wissend, bwie lange sie jene Pein noch würde aushalten können.
    Sie würde den Zustand nicht lange aufrecht erhalten, da war sich die ältere Dame sicher. Keuchend versuchte sie ihre Gedanken zu sammeln, brachte sich selbst jedoch binnen weniger Momenten davon ab. Es hatte ja doch keinen Sinn mehr.
    Ob sich so wohl ein Herztod anfühlt? Werde ich sterben?
    Ein psychopathisch klingender Laut schien ihre jämmerliche These zu bestätigen. Eine tiefe Männerstimme rief ihren Namen.
    »Sirena.«
    »Oh Beliar, Beliar mein Herr«, mit letzter Macht stieß die geschwächte Sirena ein kaum hörbares Flüstern aus, »nimmt dich meiner an. Nimm mich auf in dein Reich, lass meinen Körper verkommen und schenke meinem Geist neuen Willen.«
    Dann entspannten sich Sirenas Gesichtszüge.
    Sie schien friedlich zu schlafen.

    Wenige Momente später Schlug die Brünette ihre Augen auf. Die Schmerzen waren vergessen, an ihrer Stelle stand eine angenehme Ausgeruhtheit. Zwar war ihre Sicht noch leicht vernebelt, doch konnte sie die Züge eines Menschen vor ihren Augen schweben sehen.
    »Sirena.«
    Eine tiefe Erleichterung schwang in Antols Stimme mit, als er den Namen der Brünetten aussprach. Schnell und ebenso erleichtert fügte er hinzu:
    »Ich dachte, Ihr wärt tot.«
    Das dachte ich auch. Doch Sirena verkniff es sich, ihre Gedanken laut auszusprechen. Stattdessen hob sie eilig ihren Oberkörper an, ignorierte dabei den pochenden Schmerz, der in ihrer rechten Schulter umherschlug und schaute sich eifrig um.
    »Wo ist das Lager?«, fragte die Dame aufgebracht.
    »Welches Lager?«, Antol, der inzwischen wieder aufgestanden war, blickte nur irritiert auf die Brünette herab. Diese jedoch ließ nicht locker. Sie sprang auf, drehte sich mehrmals um ihre eigene Achse und begann dann verzweifelt zu erzählen.
    »Das Lager. Es ist weg. Das kann doch nicht sein. Das Feuer und die Bänke und Zelte. Da war ein Zelt, in dem war frisches Blut. Blut und menschliche Körperteile.«
    »Hier ist kein Lager und hier war vermutlich auch niemals eines. Und selbst -«
    »NEIN!«, Sirena wurde noch ein Stück emotionaler, schrie Antol kleinlaut an und schlug wie wild um sich. Der ältere Herr aber ergriff ihre zu Fäusten geballten Hände, umklammerte anschließend fest ihre gehobenen Arme, sprach beruhigend auf sie ein und zwang sie somit zum Stillstand.
    Mit einer Mimik, einem heulenden Mädchen ähnlich löste sie sich vom Griff des älteren Mannes. Sirena wich einige Schritte zurück und schaute gen Himmel. Dabei entdeckte sie einen Abhang. Es war jener Abhang, an dem sie zuvor abgeglitten war.
    Erst jetzt fing Sirena an wieder klar zu denken. Sie war durch den harten Schlag in eine Art Ohnmacht gefallen, hatte alles nur geträumt. Und dennoch, es fühlte sich für sie alles viel zu real für einen Traum an.
    Sirena atmete einige Male tief durch, um wieder einen klaren Gedanken fassen zu können. Sie schloss ihre Augen, die kalte Winterluft drang in ihre sanfte Nase und der hinunter prasselnde Schnee kühlte ihr erhitztes Gemüt angenehm leicht ab.
    Erst jetzt dämmerte es ihr. Sie schlug ihre Augenlieder wieder auf, starrte dabei jedoch weiterhin in den Winterhimmel.
    Es hatte zu schneien begonnen. Es schneite.
    Geändert von Lady Xrystal (21.08.2008 um 17:51 Uhr) Grund: Rechtschreibfehler verbessert

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    Kapitel II

    »Endlich.«
    Ein erleichtertes Seufzen schwang in ihrer Stimme mit, als Sirena die Tür zu ihrer Hütte von innen schloss und sich geschafft an ebenjene lehnte. Sie war wieder bei sich zu Hause, nach so langer Zeit. Zwar unterschied sich das winterliche Myrtana kaum von ihrer Heimat Nordmar, doch war sie mehr als nur froh, wieder ihr häusliches Gut betrachten zu können.
    Bereits zwei Wochen waren seit dem letzten Mord der Nymphen vergangen. Weder sie, noch Antol oder die anderen, die sich dem Fall annahmen, hatten etwas brauchbares entdeckt. Inzwischen stand zwar fest, dass der Tod des Mannes aus Geldern wie erwartet von den Nymphen heraufbeschworen worden war, doch war dies zu jener Zeit das Einzige, was Sirena mit Bestimmtheit sagen konnte.
    Die Brünette ging an ihr mickrig erscheinendes Bett, welches nur wenige Schritte von der Ausgangstür entfernt war. Sirena lebte stets bescheiden, besaß lediglich eine kleine, spärlich beleuchtete Hütte, in der nur ein prasselndes Kaminfeuer ihr wichtige Wärme spenden konnte. Neben jenem Kamin befand sich eine kleine Holzwanne, die bis wenige Zentimeter vor dem Rand mit Wasser gefüllt war. Unter dieser befanden sich einige verkohlten Holzspäne, die zum Teil noch leicht feuerrot glühten.
    Sirena strich sich ihren wärmenden Mantel vom Leib und streifte sogleich ihre ledernen Handschuhe von ihren Händen. Anschließend tunkte sie ihre rechte Hand in das klare Wasser der Holzwanne und nickte zufrieden. Ihr Bruder hatte sie nicht belogen, er hatte tatsächlich alles für ihre Heimkehr vorbereitet. Genauso, wie sie es am liebsten hatte.
    Das Wasser war noch etwas zu heiß für ihre empfindliche Haut und so beschloss Sirena, noch einige Momente zu warten. Zumindest solange, bis das Brennholz vollends erlischen würde. Geschafft und zugleich in Gedanken verloren setzte sich die Brünette auf ihr bescheidenes Bett. Sie blickte in das fast erloschene Feuer. So ähnlich, nein, fast genauso hatte jenes Lagerfeuer in ihrem Traum ausgesehen, als sie im mysteriösen Lager angekommen war. Da war sie sich mehr als sicher.
    Demonstrativ schüttelte sie den Kopf, damit die Gedanken an jenen Tag verfliegen mochten. Sirena atmete tief die warme Luft ihrer Hütte ein und wieder aus, ehe sie sich voller Elan von ihrem Bett erhob und langsam begann, sich auch ihre weiteren Kleider abzustreifen. Das Holz hatte aufgehört zu glühen und Sirena konnte ein entspannendes Bad kaum mehr abwarten.
    Die ältere Dame mit dem athletischen Körperbau zog an einigen Fäden, um ihre für ihre Lebensverhältnisse prunkvolle Bluse zu lockern. Es war ein Geschenk von Antol, ein Dankeschön für die gute Arbeit, die Sirena in den letzten Monaten geleistet hatte. Eigentlich, so fand die Brünette, war das Präsent gar nicht notwendig, doch der ältere Herr bestand seinerzeit darauf.
    Sirena lockerte den flatternden Ausschnitt des Kleidungsstücks und offenbarte ihre nackte Schulter, als es an ihrer Tür klopfte. Sie schreckte auf, schnürte sich ihre Bluse wieder locker zu und ergriff nach wenigen Schritten die Klinke der Holztür. Doch ehe sie öffnen konnte, wurde ein brauner Kuvert durch die Tür hindurch geschoben. Sirena verhielt sich leise und vernahm von außerhalb stumpfe, schnelle Schritte, die durch den hochstehenden Schnee stapften.
    »Merkwürdig«, wisperte die Brünette, nachdem die Töne verklungen und sie den Brief aufhob. Es stand weder Absender noch Adressat drauf und auch befand sich kein Siegel auf dem Umschlag.
    Was wohl drinstehen mag?, fragte sie sich in Gedanken.
    Gebannt fand Sirena den Weg zu ihrem Bett. Sie öffnete den Umschlag und entnahm daraus ein vergilbtes Stück Pergament, welches sorgfältig gefaltet wurde. Interessiert betrachtete die ältere Frau das Stück Papier, ehe sie es ebenso neugierig entfaltete. Eine tiefschwarze geschwungene Handschrift weiblicher Natur stellte der Brünetten ein Rätsel.

    Das dreizehnte Glied -
    Das Ende vom Lied.
    Das war es auch schon.
    Ein einigermaßen großes Stück Pergament, auf dem lediglich zwei Zeilen zu lesen waren. Stutzig blickte Sirena die wenigen Worte an. Sie hatte nicht einmal den blassesten Schimmer, was ihr diese Botschaft sagen wollte. Und schon gar nicht wusste sie, ob jene Nachricht überhaupt wichtig war. Es könnten schließlich ein paar törichte Kinder lediglich versucht haben, ihr einen Streich zu spielen.
    Unachtsam warf Sirena das Pergament auf ihr Bett. Dann ging sie an ihre Holzwanne, um die Temperatur des Wassers zu erfühlen. Es war gerade noch warm genug für ein entspannendes Bad, wie sie erleichtert fand. Es begann von Neuem.

    Die Brünette schnürte ihre prunkvolle Bluse auf und streifte sie sich ein wenig von ihrem Körper, als es erneut begann, an der Tür zu klopfen. Sichtlich genervt zog sich Sirena ihr Kleidungsstück wieder eher schlampig an und kurz darauf ergriff sie den Türknauf. Sie öffnete und vor ihr stand ein kleinerer junger Mann von gerade mal fünfundzwanzig Lenzen. Seine kurzen Braunen Haare standen wie elektrisiert in alle ersichtlichen Richtungen ab und seine bebende Brust verriet leichte Erschöpfung.
    »Tut mir Leid, dich stören zu müssen, Schwesterherz. Allerdings habe ich eine wichtige Nachricht für dich. Du sollst dich sofort nach Montera begeben, Antol erwartet dich dort. Ich werde dich begleiten, wenn es dir nichts ausmacht.«
    Sirena seufzte.
    »Gib mir ein paar Minuten.«, antwortete sie, ehe sie die Holztür hinter sich schloss und ihre Kleidungsstücke ordnungsgemäß anzog. Mit einer Spur der Enttäuschung blickte sie auf die gefüllte Holzwanne. Niedergeschlagen murmelte sie zu sich selbst:
    »Mit einem heißen Bad wird das wohl nichts mehr.«
    Die ältere Dame schritt fest entschlossen durch die Tür ihrer Holzhütte, nachdem sie sich ihren ledernen Wintermantel umgehangen hatte. Ihr Bruder schien bereits vorausgegangen zu sein, so beschloss sie, an den Rand der kleinen Siedlung, in der sie mit ihrer Familie lebte, zu gehen. Sicherlich würde er dort auf seine ältere Schwester warten.
    Eigentlich war Sirena der Gedanke, ihren Bruder in die ganze Sache hineinzuziehen alles andere als geheuer. Er war noch zu jung und ungebildet, als dass er sich solch einer Gefahr aussetzen könnte. Auch, wenn er alles andere als ein potentielles Opfer der Nymphen wäre.
    Die wirkliche Angst hatte die Brünette nicht vor den Mörderinnen, die seit Monaten durch die Wälder bei Geldern streiften, sondern vor den Einwohnern ihres Dorfes. Sie selbst wurde bereits abfällig beäugt, weil sie sich offensichtlich gegen die Nymphen gestellt hatte. Das gleiche Schicksal könnte auch ihren Bruder treffen. Eine Situation, die sie ihm unter keinen Umständen zumuten wollte.

    Sirena folgte dem Weg nur unachtsam, so kam die schnelle Bewegung des Armes, der sie fest an die hölzerne Palisade der Nordmarsiedlung presste, mehr als nur überraschend. Unsanft wurde ihr Oberkörper an das Holz gedrückt, ein stämmiger Bursche mit muskulösem Körperbau, kantigem Gesicht und einer von Tattoos beschmückten Glatze blickte ihr mit einem fiesen Grinsen direkt in die Augen. Derweil ertönte wenige Schritte vor der ganzen Szenerie eine tiefe, leicht gebrechliche Männerstimme.
    »Na sieh mal einer an, wen haben wir denn da? Wo wolltest du denn hin? Du bist doch gerade erst wieder bei uns in Helski angekommen.«
    »Vater!«, war das einzige, das Sirena in dieser Situation hervorpressen konnte.
    »Ganz recht, meine Liebste. Doch hast du meine Frage nicht beantwortet. Wo willst du hin?«
    Sirena blieb stumm. Zum einen, weil der stämmige Typ ihr den Brustkorb mit einer ungeheuren Kraft zuschnürte, zum anderen aber auch, weil sie ihrem Vater nicht sagen wollte, dass sie auf dem Weg zu Antol war.
    Mit festen Schritten ging der alte Herr auf die Brünette zu. Eine kleine, nahezu unlesbare Handbewegung bewirkte, dass der Glatzkopf vor Sirena von ebenjener abließ. Doch blieb der älteren Dame keine Zeit zum Verschnaufen. Sofort schnellte eine matte Messerklinge an ihre Halsschlagader und ihr alter Vater war nur wenige Nasenspitzen von ihr entfernt.
    »Ich wollte nach Montera«, erklärte Sirena wahrheitsgemäß. Sie wusste, dass es keinen Sinn hatte ihren Vater zu belügen, doch konnte sie ihm auch nicht die ganze Wahrheit sagen.
    »So?«, antwortete der Herr skeptisch, »Nach Montera also? Was treibt dich dorthin? Doch nicht etwa deine Untersuchungen im Fall der Nymphen. Dieser Antol hat seinen Sitz nicht rein zufällig in Montera?«
    »Nein«, antwortete Sirena mit gesenktem Blick leise.
    »Was hast du gesagt?«, die scharfe Klinge glitt an ihrem Hals vorbei zu ihrer Wange und ein wenig Blut tropfte hinunter in den weißen Schnee.
    »Nein!«, erklärte Sirena nun lauter. Sie hatte es doch getan. Sie hatte ihren Vater belogen. Hoffentlich, sagte sie sich insgeheim, glaubt er mir.
    Der alte Herr nahm seine Klinge ruckartig von der Haut der Brünetten, um ihren Blick anschließend mit Gewalt zu sich zu lenken. Mit deutlichem Misstrauen in der schwachen und dennoch angsteinflößenden Stimme sagte er drohend zu ihr:
    »Du wirst mit deinem Bruder dorthin gehen. Und falls du mich auch nur in geringster Weise angelogen hast, wirst du dafür büßen. Ich hoffe, das ist dir klar. Und noch etwas. Du wirst nicht mehr mit diesen Nymphenjägern zusammenarbeiten. Hörst du?«
    »Ja«, Sirena bemühte sich, gehorsam zu wirken.
    Ihr Vater grinste sie mit einer undeutsamen Miene einige Augenblicke lang an, ehe er seine rauen Lippen auf die ihre presste.
    Geändert von Lady Xrystal (07.02.2010 um 20:15 Uhr) Grund: Ein paar Rechtschreibfehler, wieder mal...

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    Kapitel III

    Nicht ein einziges Wort hatte Sirena die letzten anderthalb Tage gesprochen. Nicht ein Ton kam aus ihrem Mundwerk. Sie war vollends verstummt.
    Der Marsch von Nordmar nach Montera im Kernland von Myrtana war lang und beschwerlich, dennoch bahnte sie sich unermüdlich einen Weg durch Eis und Schnee, ohne lange an einem Ort zu verweilen. Nicht nur einmal hatte ihr mitgereister Bruder sie dafür bewundert.
    Doch nun waren sie angekommen.

    Vorsichtig klopfte Sirena an die prunkvolle Tür der Villa am Stadtrand von Montera. Sie brauchte gar nicht lange zu warten, da öffnete ihr ein alter Herr in einem förmlichen schwarzen Gewand die Türe. Mit einer zittrigen, schrillen Stimme begrüßte er die angekommenen Gäste sichtlich erfreut:
    »Ah, Lady Sirena. Der Herr des Hauses erwartet Euch bereits. Wie ich sehe, habt Ihr Begleitung mitgebracht«, seine Laute traten in Sirenas Gehör und zerschnitten es wie eine schmale Messerklinge, die zielsicher eine Scheibe von einem frischen Leib Brot abtrennt. Doch die aus Nordmar kommende Frau starrte den Herren vor ihr trotz der Schmerzen nur unbeirrt an, während sie ihm mit ein paar knappen Erklärungen bedeutete, voran zu gehen.
    Der schwarzgekleidete Herr bat Sirena und ihren Bruder tiefer in die Villa hinein. Der Empfangssaal sah immer noch ganz genau so aus, wie die Nymphenjägerin ihn in Erinnerung hatte. An der hölzernen Decke des Raumes hing noch immer der prächtige, von Gold und Erz verzierte Kronleuchter, die kalten grauen Steinwände wurden von gewaltigen Bildern der besten Künstler des Landes ausgeschmückt und der rote Seidenteppich, der den ganzen Boden verdeckte, sowie die ähnlich roten und gut ausgepolsterten Bänke an der Ostseite des Saals verliehen ebenjenem einen angenehm warmen Farbton.
    »Setzt euch«, erneut drang die unverwechselbare Stimme in Sirenas Ohr, »Ich werde den Meister von eurer Ankunft berichten.«
    Sirena tat, wie es ihr geraten wurde. Sie setzte sich auf die gepolsterte Bank und betrachtete schweigsam den großen Raum. Erstaunt ging ihr Bruder langsam auf die Bank zu und kurz darauf nahm er mit einem zum Kronleuchter gerichteten Blick auf ebenjener Platz.
    »Erstaunlich, nicht wahr?«, murmelte die Brünette mehr zu sich selbst, als zu ihrem Bruder. Sofort wandte er sich seiner Schwester zu:
    »Ich habe solche Villen noch nie von innen gesehen. Ach, was sage ich da? Ich kann nichtmal von mir behaupten, ich hätte solch ein Gebäude auch nur von nahem gesehen. Es ist... ein merkwürdiges Gefühl, findest du nicht?«
    »Es ist nicht das erste Mal, dass ich so etwas zu sehen bekomme«, Sirena antwortete nur gelangweilt. Ihr Bruder aber warf ihr sofort einen fragenden Blick zu. Auch, wenn die ältere Dame nicht über die Fähigkeit verfügte, die Gedanken ihres Gegenübers zu lesen, wusste sie, was ihr Bruder am liebsten sagen wollte. Doch schwiegen beide.
    »Ah!«, eine vertraute Stimme drang in den großen Saal und durchbrach die Schweigemauer. Es war eine warme, angenehme Tonart, kein Vergleich, zu der schmerzenden Stimme des alten Herren im schwarzen Gewand. Sirena erhob sich.
    »Antol.«
    »Sirena, wie ich sehe habt Ihr dem Wetter getrotzt und seid auf dem schnellsten Weg nach Montera gereist. Und Ihr habt Begleitung mitgebracht.«
    »Darf ich vorstellen«, die angereiste Dame deutete mit ihrer rechten Hand auf den noch sitzenden jungen Herren und befahl ihm unauffällig aufzustehen, »Dies ist mein Bruder Siman.«
    »Ach, das seid Ihr? Sirena hat bereits so einiges über euch erzählt«, erfreut ging Antol auf den bereits aufgestandenen Bruder der Brünetten zu und reichte ihm grüßend die Hand. Doch Sirena unterbrach das freudige Aufeinandertreffen mit einer dringlichen Frage:
    »Weshalb habt Ihr mich hierher bestellt?«
    Antol wand sich der Dame, die eben gesprochen hatte, zu und blickte sie mit einer verfinsterten Miene an. Leiser als noch zuvor sprach er:
    »Die Reise muss sicherlich anstrengend gewesen sein. Ich dachte eigentlich, Ihr wärt müde.«
    »Und ich dachte eigentlich, Ihr würdet mich inzwischen kennen, Antol. Ich werde gewiss kein Auge zudrücken können, wenn ich nicht weiß, was los ist«, argumentierte Sirena.
    »Natürlich nicht. Kommt mit.«, Antol schritt an der Dame vorbei in den Raum, aus dem er zuvor gekommen war. Die Nymphenjägerin und ihr Bruder folgten dem wohlhabenden Herren und fanden sich sogleich in einem ähnlich großen Saal wieder. In der Mitte des Raumes erstreckte sich ein riesiger langer Tisch aus edlem Holz, daran waren thronähnliche Sessel mit seidenen Polstern und goldenen Rahmen verziert sorgfältig angeordnet. Der Boden bestand aus dunkelblauen Marmorkacheln, in denen man das eigene Spiegelbild betrachten konnte. Die Wände waren in einem ähnlichen Blau gehalten, alles in allem wirkte der Raum kühl und zugleich edel.
    Schweigsam bat Antol den beiden Gästen einen Sitzplatz an, kurz darauf verschwand er durch eine Tür an der nordöstlichen Ecke des Raumes. Ohne zu zögern nahm Sirena das stumme Angebot an. Sie schob einen der prunkvollen Stühle leicht nach hinten und setzte sich elegant hin. Ihr Bruder aber blieb stehen und betrachtete ähnlich erstaunt, wie zuvor noch im Empfangssaal des Gebäudes, die Räumlichkeit.
    Ohne einen Ton schwang die Tür, durch die Antol zuvor geschritten war, auf. Nachdem der ältere Herr festen Schrittes an den langen Holztisch herangetreten war, schob er einen vergilbten Umschlag zu der sitzenden Sirena rüber. Diese tippte mit einem Finger auf das Kuvert und betrachtete es einen Moment lang. Es hatte kein Siegel und ein Absender war nicht notiert.
    »Ich weiß«, die Stimme der Sirena hallte lauter als gewohnt durch den großen, kühlen Saal und sie zerbrach die Stille, ohne ihr auch nur einen Funken der Angespanntheit zu entziehen.
    »Ihr wisst -«
    »Das dreizehnte Glied«, unachtsam unterbrach Sirena Antol. Dieser blickte sie nur irritiert an.
    »Ich verstehe nicht.«
    »Was?«, gleichermaßen erschrocken wie ungläubig weiteten sich die haselnussbraunen Augen der Brünetten. Hastig stand sie auf, achtete gar nicht auf ihren Bruder, der hinter ihr stand und durch ihre Bewegung unsanft von der Rückenlehne des zurückgeschobenen Stuhls getroffen wurde. Ebenso hastig nahm sie den Umschlag in ihre Hände. Sie riss den Brief auf, entwendete ihm ein vergilbtes Stück Pergament und entfaltete jenes. In einer schwungvollen Schrift standen zwei Zeilen in der Mitte des Blattes geschrieben.

    Der zwölfte Mann,
    Ein schützender Bann
    »Ich... ich...«
    »Sirena!«, Antol, der die Szene wortlos beobachtet hatte, rüttelte seinen Gast mit einem einzigen Wort wach. Anschließend fragte er besorgt, aber auch interessiert:
    »Was ist los?«
    »Ich dachte... Ich habe einen ähnlichen Brief erhalten«, antwortete Sirena gefasster.
    »Was? Also könnten die Briefe etwas für uns bedeuten. Was stand bei Euch drin?«
    »Das dreizehnte Glied – Das Ende vom Lied.«
    »Darf ich mal sehen?«, erst jetzt brachte sich Siman, Sirenas Bruder, in das Gespräch ein. Ohne die Antwort abzuwarten stellte er sich neben seine Schwester. Er beugte sich über das entfaltete Pergament und flüsterte leise die darauf festgehaltenen Worte vor sich her.
    »Ich habe diese Zeilen bereits einmal gehört. Ein Barde sang sie einst auf den Straßen einer großen Stadt. Ich kann mich allerdings nicht mehr an das ganze Stück erinnern«, erklärte Siman kurz darauf den beiden älteren Herrschaften.
    »Denkt nach, Siman«, befahl Antol in einem sichtlich dringenden Ton. Der junge Mann schien zu überlegen, schüttelte kurz darauf jedoch vergeblich den Kopf. Er konnte sich nicht mehr erinnern, war sich Sirena, die den beiden Männern stumm gefolgt war, sicher.
    »Es ist bereits spät. Wir sollten uns schlafen legen«, die Brünette war durchaus müde, doch vor allem wollte sie ihrem Bruder die Ruhe gönnen. Sie kannte ihn inzwischen gut genug, um zu wissen, dass er unter Druck nicht würde ordentlich nachdenken können. Antol schaute kurz zu ihr und schien zu verstehen, auf was Sirena hinaus wollte.
    »Eine gute Idee. Ich habe für Euch ein Zimmer einrichten lassen. Folgt mir einfach.«
    Antol trat aus dem Raum hinaus und führte seine Gäste durch ein edles Treppenhaus in ein für den Rest des Gebäudes eher einfach gehaltenes Zimmer.

    »Enttäuschend«, sagte Siman beiläufig, nachdem Antol aus dem Raum hinausgetreten war und die Geschwister auf ihren Betten gemütlich Platz genommen hatten.
    Sirena aber, die auf dem Rücken liegend durch das helle Kerzenlicht ein sauber poliertes Messer begutachtete, antwortete nicht. Nach einer kurzen Pause legte sich auch ihr Bruder auf den Rücken. Er seufzte leicht und begann dann weiter zu sprechen:
    »Wenn ich ehrlich bin, ich hatte eine etwas angenehmere Bleibe gewünscht.«
    »Wieso?«, fragte Sirena, immer noch mit einem auf die schmale Klinge gerichteten Blick, »Das Zimmer ist groß genug für uns beide, die Betten sind warm und weich und an Versorgung mangelt es uns hier auch nicht. Wenn du aber eine edlere Bleibe meintest, dann solltest du wohl eher im Empfangssaal übernachten.«
    Das Stillschweigen, das sich über den ganzen Tag hingezogen hatte, hielt auch in jener Nacht stand. Dieses Mal antwortete der junge Siman nicht, stattdessen starrte er nachdenklich an die Decke des Raumes. Sirena blickte ihn kurz an, sie vermochte nicht zu sagen, ob er an ihre gesprochenen Worte, die mysteriösen Briefe oder schöne Frauen dachte. Dann, endlich, brach er das Schweigen.
    »Hast du Angst davor, dass Vater erfährt, wo du gerade bist?«
    Die Frage kam für die Dame aus Nordmar mehr als nur überraschend. Leicht fragend wanderten ihre braunen Augen durch das halbe Zimmer, ohne jedoch den Kopf ausschlagend in eine bestimmte Richtung zu neigen. In ihrer Stimme allerdings lag ein gleichgültiger Ton.
    »Nein«, antwortete sie knapp. Schnell jedoch fügte sie bemüht ruhig einige Worte hinzu.
    »Er ist nicht mein Vater.«
    »Erzähl sowas nicht!«, belehrte der junge Siman in einem reifen Ton.
    »Es ist nun mal so. Das weißt du ganz genau«, Sirena beharrte auf ihrer Aussage.
    »Er ist mehr dein Vater, denn meiner.«
    »Ganz sicher nicht.«
    »Sirena –«
    »Hör zu. Nur, weil du nicht sein eigen Fleisch und Blut bist, bist du noch lange nicht fremd für ihn. Er liebt dich, wie ein Vater seinen Sohn lieben sollte. Mich allerdings«, Sirena musste ungewollt ein kurzes spöttisches Schmunzeln loslassen, während sie mir gläsernen Augen auf den Boden starrte, »hat er nie so geliebt.«
    »Das ist nicht wahr«, ihr Gegenüber wollte ihren Worten sichtbar keinen Glauben schenken.
    »Vater hat sich immer einen Sohn gewünscht. Einen Jungen, den er zu einem Abbild seiner Selbst erziehen kann. Und stattdessen hat er mich bekommen.
    »Si –«
    Noch bevor Siman anfangen konnte zu sprechen ging das helle Kerzenlicht, welches den Raum in ein angenehmes Licht getaucht hatte, aus. Sirena wollte jenes Gespräch nicht mehr weiterführen.
    Geändert von Lady Xrystal (07.02.2010 um 20:15 Uhr) Grund: dumdidum...

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    Kapitel IV

    Heimlich schaute sie ihn an. Aus der blätterlosen Gebüschreihe beobachtete sie ihn. Ein gut aussehender Mann Mitte der dreißig Lenze, ein strammer Körper, eines Handwerkers oder gar eines Kriegers gleich.
    »Es geht los«, sie blickte zu ihrer Linken, denn Nixara hatte gesprochen. Die attraktive junge Frau mit der pechschwarzen Mähne, die sich bis hinunter an die Taille erstreckte, war die rechte Hand ihrer gemeinsamen Anführerin, ihre Worte waren Bestimmung. Und sie musste sich daran halten, ob sie wollte, oder nicht. Genüsslich leckte sie sich die rosafarbenen schmalen Lippen, ihr Körper begann innerlich zu Beben und sie baute in ihr selbst eine atemberaubende Spannung auf. Sie wollte.
    Ein leises Wispern nahm den schneebedeckten Platz ein und wie erwartet gab sich der Mann, den sie zuvor noch begierig beobachtet hatte der bezaubernden Stimme gänzlich hin. Das Startsignal.
    Gemeinsam mit der schwarzhaarigen Nixara schlich sie sich lautlos aus dem Gebüsch. Ein angenehmer Windstoß wehte ihr durch die braune Haarpracht und blies einige Schneeflocken auf ihr gerötetes Gesicht, welche sofort zu kühlen Wassertropfen schmelzten.
    Festen Schrittes und mit einem anmutigen Gang trat sie näher an den stämmigen Wanderer heran. Das betörende Flüstern war bereits verstummt und die Aufmerksamkeit des Mannes richtete sich vollends auf die beiden hübschen Ankömmlinge.
    Nixara hielt sich im Hintergrund, während die Brünette mit ihren durchdringenden braunen Augen ihr potentielles Opfer fest anblickte. Mit einer verruchten Stimme machte sie ihm indirekt ein Kompliment, ehe sie ihren bebenden Leib an seine stämmige Brust drückte. Sie umwarb ihn mit allen Mitteln und sank anschließend in seinen schützenden Armen in den kalten Schnee des Hochwinters.
    Inzwischen hatte es heftig zu schneien begonnen. Große Schneeflocken prallten sanft an ihre reine Haut, als sie sich langsam und mit eleganten Bewegungen entblößte. Er starrte sie nur benebelt und mit einem verlangenden Grinsen an, wohlwissend, dass er sogleich das bekommen würde, was er sich beim Anblick der hübschen Dame erhofft hatte.
    Ihr nackter Körper schmiegte sich sanft, zugleich erregt an seinen zum Leben erwachten Unterleib und sie selbst verfiel dem rasenden Rausch der Erregung, während sie gleichzeitig alles um sich herum vergaß. Wo sie war, wer sie war, alles schien vergessen, nur ein stumpfes Geräusch erregte ihre Aufmerksamkeit und hielt sie zunächst davon ab, ihrem Drang zur Befriedigung nachzugehen. Ein regelmäßiges Aufprallen zweier Gegenstände, es hörte sich an wie...

    ...wie kleine Kieselsteine, die unsanft an ein starkes Fensterglas schlugen. Sirena erwachte vollends. Zufrieden wirkende Grübchen umspielten ihre wolligen, leicht geröteten Wangen, als sie ihre Glieder ausstreckte und somit jegliche Müdigkeit abschüttelte. Sie blickte zu ihrer Rechten. Ihr Bruder Siman schlief tief und fest auf dem weniger prunkvollen Bett und er machte keinerlei Anstalten den Morgen begrüßen zu wollen.
    Sirena erhob sich von ihrem durchaus gemütlichen Schlafplatz und vernahm erneut das stumpfe Geräusch, welches sie zuvor aus ihren süßen Träumen gerissen hatte. Sie schaute auf das einzige Fenster des Raumes und ging näher heran. Mit einer einzigen, ruckartigen Handbewegung schob sie den königsblauen Vorhang zur Seite, anschließend sah sie hinunter auf den Vorhof der Villa Antols. Dort stand ein älterer Herr, in einem bunten aber weniger reichen Gewand gehüllt, der neben einem vollbepackten schwarzen Rappen zu ihrem Zimmer hinaufblickte.
    Skeptisch öffnete Sirena das Fenster. Sie schaute zum Herren hinunter und fragte ihn mit gedämpften Rufen, wer er sei und was er von ihr wolle.
    »Mein Name, oh holde Maid, ist nur Schall und Rauch. Aber, wollt ihr ihn wirklich wissen, so will ich kein Geheimnis d'rum machen. Man nennt mich Bernold.«
    Sirena musste bei den Worten des älteren Mannes unweigerlich grinsen, innerhalb weniger Augenblicke hatte er es geschafft, seine Autorität selbst zu bestreiten.
    Entweder, so dachte die brünette Nymphenjägerin belustigt, der Gast ist ein Barde oder ein Spinner. Weniger belustigt hoffte sie jedoch, es würde sich um jemanden von der erstgenannten Sorte handeln. Sirena antwortete auf seine ungewöhnliche Vorstellung:
    »Bernold, sagt Ihr? Mich nennt man Sirena, und ich mache kein Geheimnis aus meinem Namen.«
    »Jedem so, wie es ihm geliebt«, stellte Bernold fest, »doch bin ich nicht hier, um mit Euch über den Sinn der Namensgebung zu philosophieren. Selbst, wenn es bei solch einer reizenden Gesellschaft, durchaus unterhaltsam zu werden verspricht. Nun denn, lasst mich meine Ankunft auf eurem Anwesen bitte erklären.«
    »Nur zu«, Sirena verschwieg, dass die Villa nicht ihr selbst gehörte.
    »Ich bin Barde, stammend aus fernen Ländern, doch beheimatet in der ganzen Welt. Dort, wo man mir Unterschlupf gewährt, verweile ich eine Zeit lang. Doch bleibe ich niemals zu lange an einem Ort. So reise ich von Dorf zu Dorf, Stadt zu Stadt, Land zu Land. Auf meinen zahlreichen Reisen sind mir interessante Zeilen untergekommen. Von Meisterhand gedichtet, wie ich selbst es nicht hätte besser machen können.«
    »Worauf wollt Ihr hinaus?«
    »Man zwitscherte mir zu, es fände sich im Haus des Nymphenjägers eine große Bibliothek. Ich wollte nun um Einlass bitten, damit ich diese Zeilen einem Stück zuordnen kann. Wisst Ihr, ich bin immer bestrebt, meine Dichtkunst zu verfeinern. So lese und untersuche ich oftmals die Werke meiner Konkurrenz.«
    »Ich muss euch enttäuschen. Ich bin nicht die Herrin dieses Hauses. Aber ich denke nicht, dass mein Gastgeber Probleme damit hätte, Euch einen Blick in seine Buchsammlung zu gewähren. Man müsste ihn nur finden.«
    »Oh, wie schade d'rum. Ich hatte geglaubt, zu einer bezaubernden Dame gehöre auch ein bezauberndes Grundstück. Aber, wenn Ihr hier nicht beheimatet seid, so würde ich Euch zumindest darum bitten, Euren Herren von mir zu berichten.«
    Wortlos schloss Sirena das Fenster. Mit einem belächelnden Grinsen lehnte sie sich einen Moment lang in Gedanken versunken an die Wand des Raumes. Sie würde versuchen, den Barden in die Villa hinein zu bringen, soviel stand für sie fest.

    »So früh schon wach? Ungewöhnlich für Euch, meine Liebe«, Antol saß im Essraum an dem langen Tisch und nahm ein paar Scheiben Brot, belegt mit köstlich aussehendem Schinken zu sich, als Sirena an den Hausherren herantrat. Auch sie begrüßte ihn freundlich und setzte sich auf einen der prunkvollen Stühle neben ihm.
    »Auch ein Stück Brot mit Schinken?«
    »Brot ja, Schinken nein«, antwortete Sirena knapp und fügte noch hinzu, »Über einen warmen Tee würde ich mich auch freuen.«
    »Kein Problem«, Antol erhob sich, reichte Sirena eine Scheibe des Weizenbrotes und ging zum Kochtopf, goss ein wenig Wasser hinein, kramte einige Kräuter heraus und brachte das Gebräu zum Kochen. Dabei fragte er seinen Gast:
    »Ihr wollt sicher keinen Schinken?«
    »Nein danke«, beteuerte Sirena erneut, »Ich esse kein Fleisch.«
    »So? Wieso das denn nicht?«
    »Ich bin mit Tieren aufgewachsen, ich bringe es einfach nicht übers Herz.«
    »Auch eine Möglichkeit, eine gute Figur zu bewahren«, das indirekte Kompliment von Antol schmeichelte der athletischen Dame aus Nordmar, auch wenn sie es von ihrem charmanten Gastgeber bereits gewohnt war. Sie erhaschte ein leichtes Grinsen, welches seine Lippen umspielte, als er mit einem Holzlöffel das kochende Gemisch sorgfältig umrührte.
    Eine Weile lang schwiegen sie. Antol goss den gekochten Kräutertee in eine weiße Porzellantasse und reichte sie der wartenden Sirena. Anschließend setzte er sich an seinen Platz, aß sein Schinkenbrot weiter und betrachtete die durchaus hübsche Brünette.
    »Ich bin heute nicht von alleine aufgewacht«, Sirena sah den richtigen Zeitpunkt gekommen, »Ein Besucher klopfte an mein Fenster und bat mich um Einlass.«
    »So?«, Antol wirkte überrascht.
    »Er ist wohl Barde und möchte sich in Eurer Bibliothek umschauen. Ich habe ihm gesagt, dass ich Euch davon berichten werde«, erklärte Sirena
    »Wartet er vor der Haustür?«
    »Ich vermute ja.«

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