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    Deus Avatar von Laidoridas
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    Post [Story]Ghostwriter

    G h o s t w r i t e r

    „Und Ihr habt diese Geschichte wirklich nur für mich verfasst?“
    Lächelnd strich Thorben über den schmucklosen, dunkelroten Einband des kleinen Büchleins.
    „Nun, lest selbst. Sieht doch ganz danach aus, nicht wahr?“
    Zufrieden lehnte sich Jonathan im reichlich ausgepolsterten Sessel des Holzkunstmeisters zurück und hielt die Augen eine Weile geschlossen, während ihm die durchs Fenster hinein dringende Sonne das Gesicht wärmte. Er befand, dass es eine gute Idee gewesen war, den Tavernenbesuch gestern Abend ausfallen zu lassen...er hatte sich lange nicht mehr so gut gefühlt.
    Ganz entzückt entzifferte Thorben derweil den großzügig verzierten Schriftzug auf dem Buchdeckel: „Wundersame Geschichten für neugierige kleine Tischlerjungen! Das klingt herrlich, mein hochgeschätzter Dichter!“
    Die Augen noch immer nicht geöffnet, verzog Jonathan ein wenig das Gesicht. „Ich bin kein Dichter, Meister Thorben. Habt Ihr je ein Gedicht von mir gelesen, hm?“
    Neben ihm hörte er Derwen leise seufzen.
    „Ich bin mir sicher, dass Ihr Eurem Sohn einige vergnügliche Stunden damit bereiten werdet“, versprach sein Begleiter. „Jonathan weiß genau, was kleine Jungen gerne vorgelesen bekommen.“
    Thorben hatte inzwischen bereits ein wenig im Buch herumgeblättert und las sich hier und dort einen Absatz durch. Jonathan, dem die Hitze im Gesicht allmählich unangenehm wurde, richtete sich etwas ungeschickt im Sessel auf und blinzelte, als wäre er gerade aus einem tiefen Schlaf geweckt worden.
    „Dass mein Diener all meine Bücher schätzt, ist mir klar“, brummte er. „Gefällt es Euch denn, Holzkunstmeister Thorben?“
    Zu seiner Verwunderung zögerte der Angesprochene ein wenig.
    „Nun, äh...ihr wisst ja, er ist gerade erst vier geworden und...“ Thorben errötete ein wenig. „Glaubt Ihr wirklich, er sollte schon so etwas lesen?“
    Jonathan runzelte etwas verunsichert die Stirn. „Meint Ihr die Stelle mit dem Drachen, der von seinem Bruder in einen Kamin verwandelt wird und dem kleinen Mädchen die Hand verbrennt? Ich dachte, es wäre ganz lehrreich...und ich habe mich schon deutlich zurückgehalten, die Brandblasen hätte ich gut und gerne noch zwei oder drei Seiten länger beschreiben können!“
    „Nein, eigentlich meine ich...“ Die Furcht, einen hoch angesehenen Künstler zu verärgern, stand mit einem Mal nur allzu deutlich in Thorbens Augen. „Ich wollte Euch nicht zu nahe treten, es ist alles...ja, hervorragend beschrieben, soweit ich es erkennen kann...und irgendwann hätte ich es ihm ohnehin erklären müssen, vielleicht war es gar keine schlechte Idee von Euch, das Ganze in eine Geschichte zu verpacken.“
    Thorben strahlte mit einem Mal wieder und schloss das Buch mit einem ganz offensichtlich hochzufriedenen – aber, fand Jonathan, doch leicht nervösen – Lächeln. Nachdem er das Werk auf dem edel verzierten Tisch abgelegt hatte, holte er ein prall gefülltes Säckchen aus einer unten an den Tisch angebrachten Schublade hervor und drückte es dem Schriftsteller feierlich in die Hand.
    „Euer versprochener Lohn, mein Herr. Man hat Euch wahrlich nicht unverdient gelobt!“

    Die Zeiten, in denen das Hafenviertel ein Ort der Mittel- und Gesetzlosen gewesen war, gehörten schon lange der Vergangenheit an; dennoch fühlte sich Jonathan nicht ganz wohl, als er gemeinsam mit Derwen die Straßen dieses Stadtteils durchschritt. Noch immer haftete den engen, schwach beleuchteten Gassen ein dezent anstößiger Geruch an.
    „Der Tischler hat sich ziemlich seltsam verhalten, was?“
    Derwen warf ihm einen tadelnden Blick zu. „Nenn ihn bloß nicht in aller Öffentlichkeit so, Jonathan. Du weißt, wie die Leute hier in Khorinis drauf sind...“
    „Jaja, er ist Holzkunstmeister, schon klar“, knurrte Jonathan. „Und gerade eben habe ich ihn genau so angesprochen, was willst du also noch vor mir? Du wirst wohl kaum von mir verlangen, dass ich mich in unseren privaten Gesprächen an solche sinnlosen Formalitäten halte!“
    „Natürlich nicht“, versicherte ihm sein Diener. „Aber pass bloß auf, dass du dir bei deinen Kunden keine solchen Fehler erlaubst...wir sind hier in Khorinis, nicht in irgendeinem Provinznest.“
    Jonathans Aufmerksamkeit wurde vorübergehend von einer großen Gebäuderuine abgelenkt, die sich nun rechts von ihnen erstreckte. Vermutlich würde sich dort bereits in wenigen Monaten ein Prachtexemplar einer Villa bestaunen lassen – langsam aber sicher war auch das Hafenviertel dabei, sich dem vor Reichtum beinahe erstickenden Rest der Stadt anzupassen.
    „Thorben schien jedenfalls nicht besonders begeistert zu sein“, kam Jonathan auf den Beginn des Gespräches zurück. „Irgendetwas muss ihn an meinen Geschichten gestört haben.“
    Derwen schien ganz erschrocken darüber, dass es sein Geldgeber wagte, die eigene Unfehlbarkeit infrage zu stellen.
    „Natürlich hat ihn nichts gestört!“, stellte er entrüstet klar. „Weißt du nicht mehr, was er dir noch gesagt hat, bevor er uns zur Tür herausgebracht hat? ‚Innos selbst muss Euch die Kraft verliehen haben, Werke von solcher Kraft zu schaffen, und...’“
    „...angesichts meines immensen Talentes muss er noch Adanos selbst um Hilfe dazu gebeten haben“, beendete Jonathan den Satz und bemühte sich gleichzeitig, seine Augen möglichst auffällig zu verdrehen. „Das hat er gesagt, ich weiß! Aber ich weiß auch, was er gedacht hat, verdammt!“
    Erschrocken zuckte Derwen angesichts des fürchterlichen Vulgärausdrucks in sich zusammen. „Still jetzt!“, zischte er. „Du willst doch nicht, dass dich einer so etwas sagen hört! Außerdem sind wir gleich angekommen, beruhige dich besser wieder.“
    „Glaub mir, Derwen...“ Jonathan musste grinsen. „Bromor hat schon ganz andere Sachen als ‚verdammt’ gehört.“

    Der Besitzer des Freudenhauses zog eine schwer zu deutende Grimasse, als er das Buch von Jonathan entgegennahm.
    „Wisst ihr, ehrlich gesagt hab ich keinen blassen Schimmer von Büchern“, gestand er, während er stirnrunzelnd das Deckblatt musterte, „aber wenn ich meine Rote Laterne hier noch ein paar Jahre länger behalten will, muss ich diesen ganzen verdammten Kulturscheiß wohl oder übel mitmachen...“
    Jonathan konnte nicht anders, als seinem Diener einen spöttischen Blick zuzuwerfen. Der sah leise grummelnd in eine andere Richtung, nur um sich sichtlich erschrocken wieder abzuwenden, nachdem er bemerkt hatte, dass leicht bekleidete Damen in sein Blickfeld geraten waren.
    Lust und Verlangen – Jetzt wird geknuddelt!“, las Bromor stockend und dachte anschließend kurz darüber nach. „Also...der Titel klingt gut!“
    „Geht auch ordentlich zur Sache, das kann ich Euch sagen“, nuschelte Derwen schüchtern.
    Nur mit dem vollen Einsatz all seiner Willenskraft brachte es Jonathan fertig, nicht erneut zu grinsen. Er hatte den Gesichtsausdruck seines Dieners bei der Lektüre am vorherigen Abend noch gut in Erinnerung.
    „Ein roter Einband hätte vielleicht besser gepasst als ein blauer“, meinte Bromor. „Nicht, dass mich das irgendwie interessieren würde, aber ihr wisst ja, wie diese ganzen schwerreichen Kunstfanatiker hier sind...wenn da irgendwas nicht ganz, äh...’optisch aufeinander abgestimmt’ ist, dann wollen die auch kein Gold dafür rausrücken! Ach, scheiß was drauf...“
    „Euer Buch hat doch einen roten Einband“, murmelte Jonathan geistesabwesend. „Guckt mal richtig hin...“
    Bromor hörte gar nicht mehr zu, er hatte das Buch auf der Theke abgelegt und sich in sein Hinterzimmer zurückgezogen – vermutlich, um den Geldbeutel mit der Entlohnung zu holen.
    Jonathan beschloss, in einem der gemütlichen Sessel auf Bromors Rückkehr zu warten, doch nach dem Abgang des Freudenhausbesitzers dauerte es keine zwei Sekunden, bis ihn ein völlig schockierter Derwen in die Seite stieß. „Jonathan, es hat keinen roten Einband!“, flüsterte er mit einer Stimme, die jeden Moment zu kippen schien. „Das Teil ist blau!“
    Der Schriftsteller hob, inzwischen etwas beunruhigt, den Blick und stellte fest: das Teil war blau.
    „Hm, ich hätte schwören können, ich hätte das Buch mit dem blauen Einband für Thorbens Kindergeschichten benutzt...“ Jonathan erstarrte. „Verdammt, ich habe das Buch mit dem blauen Einband für Thorbens Kindergeschichten benutzt!“
    „Soll das heißen, du hast die Bücher falsch beschriftet?“, keuchte Derwen. „So was ist dir bisher nur ein einziges Mal passiert, und da warst du stockbesoffen!“
    Ich hätte mich gestern Abend doch in der Taverne betrinken sollen, erkannte Jonathan. Dann hätte ich jetzt wenigstens eine Ausrede.
    „Oh Innos, langsam wird mir klar, wieso Thorben so seltsam reagiert hat!“, entfuhr es dem Diener, der in all der Aufregung völlig vergaß, dass er eigentlich gar nicht bemerkt hatte, dass Thorben seltsam reagiert hatte. „Was meinst du, wie er reagiert, wenn er gleich mal ins Buch schaut und liest! Der wird toben, das sag ich dir!“
    „Immer mit der Ruhe“, redete Jonathan mit gedämpfter Stimme auf seinen Begleiter ein. „Thorben hat sich ja auch nicht groß beschwert. Wir werden das schon...irgendwie regeln.“
    „Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass Bromor ein Buch mit Kindergeschichten in der Roten Laterne auslegt! Kinder sind nun wirklich das letzte, woran die Leute hier denken wollen!“
    Derwen errötete mal wieder, aber Jonathan hatte im Augenblick wirklich anderes im Kopf, worüber er sich Gedanken machen musste.
    „Hör zu, wir klären die ganze Sache einfach auf“, schlug er vor. „Die beiden geben ihre Bücher zurück, ich wechsle die Einbände aus – das kriege ich schon irgendwie hin – und alle sind glücklich.“
    „Bist du sicher, dass-“
    „Seid ihr beide bald mal fertig mit eurem Gelaber? Ich würde dann gerne mal zahlen, wenn ihr mein Geld denn nehmt.“ Bromor musste schon seit einiger Zeit wieder hinter der Theke stehen, denn er hatte die Zeit genutzt, um ein wenig im Buch zu schmökern. „Du hast es ja wirklich drauf, muss ich sagen...das ganze Gerede über dich ist echt kein Stück übertrieben!“
    „Ähm, heißt das...du bist zufrieden mit meiner Erzählung?“
    „Klar doch...ich meine, selbst einer wie ich sieht doch auf einen Blick, dass Euch im Schreiben keiner was vormacht! So viele Wörter...“
    Absolut sicher war sich Jonathan nicht, ob er sich über Bromors Reaktion nun freuen sollte oder nicht – sehr sicher war er sich allerdings in seinem Entschluss, das Gold zu nehmen und schleunigst zu verschwinden, bevor sich einer der literaturkundigeren Besucher der Roten Laterne das Buch vornahm.
    Vielleicht hätte er seinen Namen doch nicht ganz so groß auf den Einband schreiben sollen...
    Geändert von Laidoridas (09.08.2008 um 22:59 Uhr)

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    Deus Avatar von Laidoridas
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    Die Kühle des Abends hatte sich über Khorinis ausgebreitet und ein für die warme Jahreszeit erstaunlich kräftiger Wind blies über den dicht bevölkerten Marktplatz der Hafenstadt. Kurz bevor die Marktstände schlossen, hatten viele der Adligen und reichen Bürger ihre Bediensteten losgeschickt, um noch einige letzte Einkäufe zu erledigen. Morgen, am Tag des geheiligten Friedens, würde es dazu schließlich keine Gelegenheit geben.
    In Gedanken noch immer bei seiner, letzten Endes hoffentlich nicht allzu folgenschweren, Verwechslung schob sich Jonathan mit Derwen im Schlepptau zwischen den Menschenmassen hindurch in Richtung des Gemüsestandes. Die Erzählungen über Khorinis´ Vergangenheit als ruhige Kleinstadt schienen ihm an solchen Tagen nicht wahrscheinlicher als seine eigene Trilogie über die heimtückische, inselübergreifende Verschwörung der Fleischwanzen.
    So unwahrscheinlich ist die ja auch gar nicht, ging es ihm durch den Kopf, während er sich unter einer großen Holzplanke hinwegduckte, die jemand über den Platz trug. Würde mich nicht wundern, wenn sich die Viecher tatsächlich dazu verschworen haben, mich jeden Morgen zu wecken, indem sie in meine Nase krabbeln.
    Jonathans aufkeimende Pläne, die überraschend erfolgreiche Trilogie um einen Band zu erweitern, wurden von einer allgemeinen Unruhe beiseite geschoben, die sich nun auf dem Marktplatz ausbreitete.
    Derwen stieß ihn mit dem Ellenbogen an und deutete in die Richtung der großen Theaterbühne, auf der sich soeben ein Ausrufer eingefunden hatte.
    Das anfängliche Chaos legte sich nun und machte Platz für etwas, das man im Vergleich zum vorherigen Geräuschpegel nur mit völliger Stille gleichsetzen konnte.
    Im Gegensatz zu den anderen Anwesenden war Jonathan nicht allzu interessiert an irgendeiner Ankündigung – schließlich hatte er ohnehin nicht vor, allzu lange auf Khorinis zu bleiben.
    Werde ich wohl jemals irgendwo dauerhaft bleiben? Schon wieder diese elenden tristen Gedanken – nicht einmal an einem derartig unterhaltsamen Tag ließen sie ihn ganz los. Ich kann das nicht ewig machen...dieses ständige Herumgereise...
    Gleichzeitig wusste er jedoch, dass es keine andere Möglichkeit gab, bei sich zu behalten, was ihm am Wichtigsten war. Irgendwann vielleicht...irgendwann wird es nicht mehr nötig sein...
    Er unterbrach seinen Gedankengang, als sich der Ausrufer vernehmlich räusperte. Jonathan fand es ziemlich beeindruckend, wie es der Mann schaffte, so laut zu sein – allein mit einem Räuspern. Eine kurze Idee kam ihm, wurde jedoch rasch von der Erkenntnis erdrückt, dass es Dinge gab, die man nicht unbedingt in Geschichten verpacken musste.
    „Bürger von Khorinis, im Namen des Statthalters Lutero ergeht folgende Bekanntgabe: heute Morgen bei Sonnenaufgang wurde Matteo, hiesiger Großhändler und Besitzer des augenblicklich im Hafen anliegenden Frachtschiffes Matteo I tot in seinen Gemächern aufgefunden.“
    Ein Raunen ging durch die Menge. Jonathan, der den Namen Matteo zwar mehrmals gehört hatte, aber noch nicht allzu viel mit ihm verband, zeigte sich wenig schockiert.
    „Wenn sich der Kerl beim Überleben ähnlich viel Mühe gegeben hat wie bei der Namensfindung für sein Schiff, dann wundert es mich wenig, dass er jetzt tot ist...“
    „Es kann eben nicht jeder so einfallsreich sein wie du“, erwiderte Derwen. Bei jemand anderem hätte Jonathan hinter diesen Worten unter Umständen Ironie vermutet, aber er wusste genau, dass ihn sein Diener wirklich für den Größten hielt. Und so allein stand er mit dieser Auffassung ja nun wirklich nicht da...er brauchte sich nur kurz umzusehen, um gleich ein halbes Dutzend Blicke auszumachen, die sich lieber auf ihn als auf den Ausrufer richteten. Natürlich kannten längst nicht alle sein Gesicht, aber er hatte keinen Zweifel daran, dass jeder, der des Lesens mächtig war oder sich schon einmal mit jemandem unterhalten hatte, der des Lesens mächtig war, seinen Namen kannte. Derartige Gedanken hatten nichts mit Hochmut zu tun, fand Jonathan, das war ganz einfach so.
    Nachdem sich die durch die Bekanntgabe von Matteos Tod ausgelöste Unruhe wieder einigermaßen gelegt hatte, fuhr der Ausrufer mit kräftiger Stimme fort.
    „Da Matteo keinerlei Nachkommen hinterlassen und vor seinem Tod keine Erben angegeben hat, fällt sein gesamter Besitz der Stadt Khorinis zu – mit einer Ausnahme. Da Schiffe laut dem alten Stadtgesetz von Khorinis nicht in den Zuständigkeitsbereich der Stadt fallen, wird das bereits genannte Frachtschiff Matteo I bis auf weiteres herrenlos bleiben. Der Stadtrat hat vor einer Stunde getagt und folgendes beschlossen: der zukünftige Besitzer des Schiffes wird durch einen fairen Wettbewerb unter dem Auge Adanos’ festgelegt, der dem Wesen unserer Stadt entsprechend nicht mit dem Schwert, sondern mit der Feder ausgetragen werden soll. Einen Monat lang hat jeder Einwohner von Khorinis die Möglichkeit, eine eigens auf Pergament niedergeschriebene Erzählung im heiligen Tempel des Adanos abzugeben und sich auf diese Weise am Wettkampf um das Frachtschiff zu beteiligen...“
    Der Geräuschpegel stieg wieder deutlich an, die meisten Menschen schienen sich entweder über ihre Gewinnchancen zu unterhalten oder wandten sich desinteressiert ab.
    „...welches übrigens von oben bis unten mit Erz beladen ist.“

    „Was zum Henker soll ich mit einem Schiff voller Erz?“
    In sein Haus am Rande der Stadt zurückgekehrt, hatte sich Jonathan gleich an die Fortsetzung seines aktuellen Werkes gemacht, einer epischen Geschichte im Auftrag der Innoskirche. Im Großen und Ganzen sollte sie aus nichts anderem als einer Lobpreisung an Innos bestehen, ausgebreitet über ein ganzes Buch. Auf Anordnung des obersten Priesters Pyrokar durfte die Erzählung keinerlei Kampf- oder Nacktszenen beinhalten, was die Arbeit weder leichter noch unterhaltsamer machte.
    „Reich werden“, schlug Derwen vor und kippte aus einem kleinen Döschen vorsichtig einige Krümel eines Gewürzes auf den Braten, der in seiner Pfanne vor sich hin brutzelte.
    „Für meinen Geschmack bin ich reich genug“, murmelte Jonathan. „Verdammt, an diese Stelle muss einfach eine Nacktszene! Pyrokar hat schlicht und ergreifend keine Ahnung von guter Literatur!“
    „Wie bitte?“, erkundigte sich der beschäftigte Derwen. „Das letzte Argument gegen deine Teilnahme habe ich nicht ganz verstanden.“
    Jonathan legte die Feder beiseite und seufzte.
    „Hör zu, ich werde nicht teilnehmen. Ich habe ganz einfach kein Interesse an einem großen Haufen Erz.“
    „Dann nimm eben einfach so teil“, schlug sein Diener vor, während er mit einer Gabel die Konsistenz des Bratens testete. „Wer soll den Wettbewerb denn gewinnen, wenn nicht du?“
    „Jemand anders“, brummte Jonathan. „Es ist mir natürlich klar, dass ich gewinnen würde, nähme ich denn teil. Die Idioten würden mich zum Sieger erklären, ohne sich meinen Beitrag überhaupt durchgelesen zu haben!“
    Derwen schien betroffen. „Das stimmt nun wirklich nicht...jeder liebt deine Geschichten, das weißt du doch!“
    Wütend richtete sich Jonathan auf und wollte im ersten Moment schon voll von theatralischem Zorn gegen das Tischbein treten, ließ es dann aus Sorge um die Gesundheit beider Beine doch lieber bleiben.
    „Genau das ist es doch“, beschwerte er sich. „Wer sagt mir denn, dass jeder meine Geschichten liebt? Wer sagt mir, dass überhaupt irgendjemand meine Geschichten mag? Glaubst du etwa, Thorben hätte sich nicht beschwert, wenn ich irgendein namenloser Möchtegernpoet wäre? Mein Name mag ziemlich praktisch sein, wenn es darum geht, Geld zu verdienen...aber er ist ganz sicher nicht dazu geeignet, sich eine ehrliche Meinung einzuholen.“
    „Was ist mit mir?“ Derwen wirkte deutlich beleidigt, was seinen Arbeitgeber nicht sonderlich überraschte. Immerhin kannte er ihn inzwischen seit einer ganzen Weile. „Glaubst du etwa, dass ich nicht ehrlich zu dir bin? Deine Geschichten sind wundervoll, Jonathan...jede einzelne von ihnen!“
    „Na klar...das würde ich dem Typen, der mir jede Woche einen Batzen Gold in die Hand drückt, auch sagen“, knurrte Jonathan, obwohl er im Grunde wusste, dass es sein Diener ernst meinte. Möglicherweise war es etwas ungerecht, seine Verärgerung über das Nacktszenenverbot an Derwen auszulassen, aber andere Personen standen für diesen Zweck im Augenblick nun einmal nicht zur Verfügung. „Wie dem auch sei, den Wettbewerb werde ich ignorieren. Mein Name wird da zur Abwechslung mal nirgendwo auftauchen!“
    Geändert von Laidoridas (02.06.2008 um 23:04 Uhr)

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