Kamikaze Kaitou Jeanne
”Ein Wind will ich sein…“
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Format: Manga
Status: Abgeschlossen
Umfang: 33 Kapitel á 7 Bände
Erscheinungsraum: 1998 - 2000
Autor: Arina Tanemura
Genre: Abenteuer, Magical Girl, Drama, Comedy
Kamikaze Kaitou Jeanne (im Folgenden KKJ) ist eines der Erstlingswerke der heute weit bekannten Shojo-Mangaka Arina Tanemura. Dementsprechend könnte man mit der Einstellung, dass die Reihe als klassisches Anfangswerk einer großen Karriere einige Macken hat, an die Serie herangehen.
Mit dieser Einstellung wird man aber bald aufhören können. Auch wenn KKJ definitiv wie ein klassischer Magical Girl-Manga seine ersten Schritte geht, so wird bald klar, dass er das Magical Girl-Genre im Sinne von Sailor Moon und Co. weit übertrifft.
Inhaltsangabe:
Marron Kusakabe führt ein Doppelleben wie kein anderes Mädchen – tagsüber besucht sie, wie ein normales 16-jähriges Mädchen, die Schule und einen Club für rhythmische Gymnastik, nachts jedoch wird sie zur Diebin – als Kaitou Jeanne bricht sie, immer mit Ankündigung, in die Häuser fremder Menschen ein, um deren Bilder zu stehlen. Dies hat jedoch einen besonderen Hintergrund: Die Bilder, die Jeanne „klaut“, sind durch böse Dämonen des Teufels verunreinigt, welche die Menschen besessen machen und deren Charakter und Handlungen beeinflussen. Als Reinkarnation der göttlichen Jeanne d’Arc kann nur Marron mit der Hilfe ihrer kleinen Engelsfreundin Fynn Fish und der ihr inne liegenden göttlichen Macht das Böse der Menschheit bekämpfen und besiegen. Mit Pins reinigt Jeanne die Bilder, welche bei der Reinigung des Bösen verschwinden und eine Schachfigur zurücklassen, im Anschluss aber immer neue Bilder von Engeln zeigen.
Soweit, so gut. Wäre da nicht Marrons beste Freundin Miyako, die Tochter eines Polizeiinspektoren, welche Jeanne jagt – schließlich weiß sie nichts von Marrons geheimem Doppelleben. Und der neue, mysteriöse, nicht zuletzt unglaublich gut aussehende Austauschschüler Chiaki, der Marron unheimlich schnell auf die Schliche zu kommen droht…
Und als wenn die Polizei, das Geheimbleiben vor ihrer besten Freundin und Gymnastikwettkämpfe nicht genug wären, taucht plötzlich ein neuer Kaitou auf – Sindbad. Niemand weiß, woher er kommt… und ob er im Auftrag Gottes oder des Teufels handelt…
Kritik:
KKJ ist, auch heute noch, einer meiner absoluten Lieblinge und stellt als Manga den Anime weit in den Schatten.
Selbst wenn sich der Inhalt nach klassischem Blabla im Magical Girl-/Romance-Genre anhören mag, entwickelt sich KKJ zu einem tiefgründigen und bewegendem Werk. Neben der, endlich, tatsächlich vorkommenden Verwandlung – denn Marron trägt nicht einfach nur ein Matrosenkleidchen, sie sieht als Jeanne tatsächlich der eigentlichen Marron aufgrund von Haarlänge, Haarfarbe und Augenfarbe kaum noch ähnlich! – Marrons besticht das Werk durch seine liebevolle Zeichnung – wenn man denn Tanemuras Stil mag. Und ich liebe ihn. *hust*
Ebenfalls zu erwähnen ist die Intertextualität, der sich diese Reihe bedient – europäische Geschichte (Mythologie Jeanne d’Arcs), die klassische Entstehungsgeschichte der Menschheit im Christentum, gepaart mit der klassischen Idee des Gottes und seinem bösen Gegenspieler und Elementen des Schachspiels – KKJ gibt viele Ansatzpunkte für junges Publikum, sich mit alten Schriften und Mythen zu beschäftigen.
Wie beinahe jedes Werk hat aber auch KKJ seine Schwachpunkte. Die Story ist, bis auf einen großen Bruch, recht vorhersehbar und könnte an einigen Stellen schöner ausgearbeitet sein. Dies ist allerdings ein Meckern auf hohem Niveau, denn KKJ stellt in sich ein gut ausgeplantes Werk dar, was sehr kleine Schwachstellen zeigt. In den Seitenspalten wird deutlich, warum diese winzigen Schwächen vorhanden sind: Zeitmangel. Tanemura erklärt es selbst immer wieder. Jedoch gibt sie sich große Mühe, das Verhalten ihrer Figuren immer deutlich zu machen und eine logische Welt zu erschaffen. Dazu gibt es vor allem in den ersten Bänden immer wieder kleine Chibi-Strips, welche Jeannes Waffen, die Präfektur, die Hierarchie der Engel, etc. erläutern.
Zeichnung: 08/10
Das ist natürlich sehr individuell geprägt – aber ich liebe Tanemuras Stil.
Blumenlastig, riesige Augen, detailliert gezeichnetes Haar, durchdachte Kleidung, passender Einsatz von Rasterfolien – wenn es KKJ an einem nicht fehlt, dann sind es liebevolle Zeichnungen.
Als Tanemura-Fan kann ich aber sagen – in ihren späteren, aktuelleren Werken sind vor allem Körperproportionen noch perfekter als in KKJ. Das fällt hier aber schon eher selten (und eher in den ersten Bänden) auf.
Plot: 08/10
Auch wenn KKJ einen klassischen Anlauf nimmt, kommt mit zunehmender Story mehr und mehr Innovation ins Spiel. Diese ist jedoch, aus heutiger Sicht, auch nicht mehr das, was man als „innovativ“ bezeichnen würde. KKJ baut trotzdem eine Geschichte auf, die sich gut und flüssig lesen lässt und stimmig ist. Dazu tragen besonders die intertextuellen Referenzen bei, die dem Manga einen frischen Kick geben und nicht nur angestaubte Magical Girl-Action stehen lassen.
Charaktere: 07/10
Die Charaktere sind alle eigen und niemand gleicht dem anderen. Dennoch: Aus heutiger Sicht klassische Charaktertypen, die sich alle über einen Kamm scheren lassen.
Was es rettet, ist vor allem die (größtenteils vorhandene) Nachvollziehbarkeit und Entwicklung unserer Protagonistin, wenn es auch recht stereotyp erscheint. Besonders die beiden Hauptcharakterpaare, Marron und Chiaki und Fynn und Access sind in ihren Geschichten und Charakteren stimmig.
Anspruch: 08/10
KKJ ist eine meiner prägendsten Mangaserien meiner Jugend. Kein anderer Manga hat mir so sehr die Hoffnung auf ein gutes, gerechtes Leben und Mut gegeben.
Auch beim erneuten Lesen finde ich KKJ emotional keineswegs flach oder anspruchslos. Die Serie ist auf ihre eigene Weise sehr bewegend, was nicht zuletzt daran liegen kann, dass Tanemura lange, ausgiebig und emotional stark bewegt an dieser Geschichte, vielleicht kann man sogar sagen ihrer Geschichte, gearbeitet hat.
Gesamteindruck
Ein altes Werk, das auch noch heute Spaß macht – Kamikaze Kaitou Jeanne ist auch heute noch ein lesenswerter Manga, der seiner Animeadaption weit voraus steht.
Weitesgehend stimmige Charaktere und ein Plot werden mit unvorhergesehenen Wendungen und Bezugstexten geschmückt, sodass eine neue Geschichte entsteht, die keineswegs nur mit dem starr wirkenden Magical Girl-Genre beschrieben werden kann.
Wertung
8/10