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    Schwertmeister Avatar von Nienor
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    »Wir mögen es nicht, wenn wir die Ursache für Schwierigkeiten sind«, wandte er sich in tadelndem Tonfall an Nienor.
    »Aber Eure Leute haben doch mit dem Vorfall nichts zu tun.« Nienor wußte, daß das nur eine schwache Verteidigung war.
    Und so war es denn auch: »Das ist ohne Belang. Für einen Außenstehenden wird sich der Fall so darstellen, daß in unserem Lager ein Einheimischer getötet wurde. Daß er ein Dieb war, eine zwielichtige Gestalt, spielt keine Rolle. Daß er vielleicht sogar in den Augen mancher Leute den Tod verdient hat, erst recht nicht. Denn darüber sollte sowieso kein Mensch zu richten haben, wenn er es vermeiden kann.
    Alles, was bleibt, wird der Makel sein, der auf unserem Namen lastet. ›Im Lager der Thurg’arsi wird gemordet‹, wird es heißen, wenn die Leute hier später über diese Ereignisse hier reden.«
    Nienor blickte zu Boden und schwieg.
    »Ihr habt recht, aber was sollte ich tun? Er hat mich angegriffen und ich mußte mich verteidigen, wenn ich nicht sterben wollte.«
    Der Dolmetscher nickte. »Das mag sein. Deswegen werdet Ihr auch weiterhin mit uns mitziehen dürfen. Ihr habt, wenn man Euren Worten Glauben schenken kann, oh Kriegerin, Euer Leben verteidigt. Und daß es dazu kam, lag an den unzureichenden Wachen der Thurg’arsi. Deshalb – und nur deshalb – dürft Ihr uns weiter begleiten.«
    »Ich danke Euch und stehe tief in Eurer Schuld.« Nienor verneigte sich vor dem Mann. Selbst Dumak hielt es nun für richtiger, ihm ebenfalls seine Ehrerbietung zu zeigen.
    »Noch eine Frage«, wandte sich der Thurg’aur an die Kriegerin. »Hätte es nicht gereicht, ihn lediglich unschädlich zu machen?«
    Nienor errötete. Jetzt war es aus.
    »Ich... es ging so schnell«, stammelte sie, fasste sich dann jedoch. »Es war ein Kampf auf Leben und Tod. In wenigen Augenblicken mußte ich Entscheidungen treffen, überließ meine Verteidigung den Instinkten, denen der Kämpfer für gewöhnlich vertraut, wenn es hart auf hart kommt. Denn in solchen Augenblicken geht alles zu schnell, um zuerst nachzudenken. Wenn Ihr nur selbst einmal in einen ernsten Kampf verwickelt wart, wißt Ihr, was ich meine.«
    Der Thurg’aur nickte schweigend zu den erregten Worten der Kriegerin.
    »Ihr habt recht, verzeiht meine Frage.« Und dann verabschiedete er sich und war schon kurz darauf in der Dunkelheit verschwunden. Der dunkle Umhang und der ebenso gefärbte um den Kopf geschlungene Stoff taten ein übriges dazu, daß der Mann schnell von der Nacht verschluckt wurde.
    Nienor atmete auf. Beinahe war es herausgekommen. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie hatte in tobender Wut den Eindringling getötet, weil sie fürchtete, daß er ihr Horn stehlen wollte. Blind vor Zorn hatte sie ihn umgemäht und fast noch Dumak dabei getötet. Ohne nachzudenken. Wie rasend. Was passierte nur mit ihr? Früher hatte sie nie so gehandelt. Früher hätte sie nach einem Weg gesucht, den Gegner unschädlich zu machen, ohne ihn auf dem schnellsten Wege zu töten. Langsam beruhigte sie sich wieder. Den Dolmetscher hatte sie ja zum Glück beruhigen können. Für dieses Mal. Oder hatte der Thurg’aur etwa doch eine Ahnung? Das Ende des Gespräches blieb rätselhaft.
    »Wollen wir nicht noch einmal in der Taverne nach dem Mann, der dich ablenken sollte, forschen?«, riß Dumak sie aus ihren Gedanken.
    »Ich glaube nicht, daß das irgendeinen Sinn hätte. Sein Komplize«, sie deutete auf den immer noch auf dem Bauch liegenden Leichnam vor ihnen, »hat sich sicher schon längst aus dem Staub gemacht.«
    Nienor kniete sich hin und drehte den Toten auf den Rücken. Mit schreckgeweiteten, starren Augen starrte er gen Himmel.
    »Wo er wohl herkommt?«, flüsterte sie leise.
    »Keine Ahnung«, log Dumak ohne zu zögern. »Ich hab ihn heute das erste Mal gesehen. Er muß uns beobachtet haben, als wir das Lager verließen, um in die Taverne zu gehen und hat sich vielleicht gedacht, daß bei uns etwas zu holen wäre.«
    Ja, das klang plausibel. Nienor nickte stumm. »So mag es gewesen sein. Aber wir müssen ihn trotzdem begraben.«
    »Dort hinten, an der Baumgruppe dort«, der Barde zeigte auf ein paar in der Nähe stehende Bäume, die leise im Nachtwind rauschten, »liegen jede Menge Feldsteine. Bauen wir einfach einen Hügel um ihn, damit keine wilden Tiere durch den Leichengeruch angelockt werden.«
    Und so machten sie es dann auch. Jeder schleppte so viel von den Steinen heran, bis der Tote unter einem länglichen Hügel verschwunden war. Als sie damit fertig waren, kündigte sich durch einen Lichtschimmer der nächste Tag an. Weit im Osten wurde der Himmel hell.

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    Archipoeta Avatar von Dumak
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    Der vergessene Wald
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    Die Nacht war vorbei und im Lager der fremdländischen Händler regten sich die ersten Männer. Die Wachen gaben ihre Posten nun endlich auf und ruhten sich noch eine Weile von der durchwachten Nacht aus, während andere die leichten Zelte niederrissen, die Planen zusammenrollten und die Stangen, die die Stoffbahnen ihre Form gegeben hatten, einsammelten und zu Bündeln schnürten. Andere Männer holten aus dem nahen Brunnen, der zum Gasthof gehörte, Wasser für die Tiere. Schlauch um Schlauch wurde gefüllt mit dem kühlen Nass, das der lange Schwengel aus dem Brunnenloch hervorholte. Eine ganze Reihe von Männern war mit dieser Tätigkeit beschäftigt, während andere den Tieren die Waren, von deren Last die Walzensnapper für die Dauer der Nacht entlastet worden waren, wieder aufluden und die Bündel, Säcke und Taschen festzurrten. Jeder hatte seinen Platz, seine Aufgabe und alles lief reibungslos. Nur Nienor und Dumak saßen erschöpft vom Steineschleppen auf einem Steinhaufen und hatten kaum einen Blick für die emsige Geschäftigkeit der Thurg’arsi.
    Doch die Männer achteten kaum auf ihre Mitreisenden. Vermutlich verstanden nicht wenige unter ihnen nicht einmal, warum man diese seltsamen Nordländer überhaupt mitnahm. Bisher hatten sie nur für Ärger gesorgt. Die beiden Rukhori, die ihnen gestern schon als Reittiere gedient hatten, wurden vorgeführt und einer der Thurg’arsi winkte Nienor und Dumak heran und bedeutete ihnen, daß sie aufsteigen sollten. Danach war er so schnell wieder verschwunden, wie er gekommen war, vermutlich um sich Wichtigerem zuzuwenden. Die Hilfe für die fremden Reisenden war für ihn sicher nur eine zusätzöliche Belastung, derer er sich schnell entledigen wollte. Das würde auch seine kurz angebundene Art erklären, mit der er den beiden auf ihre Sättel geholfen hatte. Nachdem die Reisenden jedoch in den flachen Sätteln saßen, wurden ihre Tiere bald darauf in die lange Linie der Karawane eingereiht. Doch es dauerte noch eine ganze Weile, bis es endlich wirklich losging, denn immer nur ein Tier nach dem anderen zog an und begab sich auf die heutige Wegstrecke. Mit Schnalzlauten bewegten die Treiber die Rukhori dazu, die Wiese, die als Nachtlager gedient hatte, zu verlassen und sich wieder auf den Handelsweg zu begeben, der am Gasthof vorbei nach Süden, tiefer in den Wald hinein führte. Die lange Kette der dichtgedrängt stehenden Tiere zog sich auf diese Weise weit auseinander und bis die Reihe an Dumak und Nienor war, blieb genug Zeit für die beiden, sich noch ein letztes Mal umzuschauen. Das Gras der Wiese war niedergetrampelt von den breiten Pranken der Rukhori, die jeweils wie zwei Säulen den gesamten massigen Körper der Tiere trugen. Etwas abseits, am Rande des ehemaligen Lagers war der Steinhaufen zu sehen, hell stachen die aufgetürmten Brocken aus dem Grün des Grases hervor. Hier lag er also, dieser seltsamem zwielichtige Kerl. Dumak war nun der einzige, der noch wußte, wo sich diese heißbegehrte Formel befand. Eine Formel für was auch immer. Vielleicht irgendeine mächtige Magie? Wenn er nur an Nienors Gepäck kam, aber als er daran dachte, was mit dem letzten passiert war, der dies probiert hatte, lief es ihm ganz kalt den Rücken hinab. Doch halt, vielleicht wußte der Komplize, der die Kriegerin im Gasthof vergeblich abzulenken versucht hatte, mehr über die Hintergründe. Es hieß also, noch auf der Hut zu sein, denn vielleicht kam er mit Verstärkung zurück. Aber vielleicht war er auch nur ein schnell angeheuerter Ahnungsloser, der nun nur vergebens auf seinen Lohn warten würde, jetzt, wo sein Auftraggeber tot unter dem Steinhaufen hinter Dumak lag.
    In diesem Moment ruckte der Rukhoa Dumaks an und Nienor, direkt hinter ihm, befand sich nur wenige Augenblicke später nun auch endlich auf der Reise. Da beide ziemlich weit hinten in der Karawane eingereiht waren, hatte es seine Zeit gedauert, ehe die lange Kette der Tiere sich so weit auf den Marsch gemacht hatte, daß Nienor und Dumak den Ort der letzten Rast verlassen konnten. Hinter ihnen befanden sich nur noch wenige Tiere. Auf den letzten fünf saßen noch einmal schwer bewaffnete Thurg’arsi, ihre langen Speere ragten in den Himmel und die Speerschäfte saßen rechts von ihnen in einer Art am Sattel befestigtem Schuh oder Schlinge aus Leder, so daß nicht die Krieger selber das Gewicht der Waffe zu tragen hatten, sondern die tiere, denen das aber wohl kaum etwas aus machte angesichts der schweren Lasten, die einige der Rukhoa ein ganzes Stückchen weiter vorne in der Karawane trugen.

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    Schwertmeister Avatar von Nienor
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    Es machte sich bald bemerkbar, daß Nienor des Nachts nicht zum Schlaf gekommen war. Da der Reiseweg nicht sonderlich abwechslungsreich war, blieb nicht einmal die Ablenkung durch die Umgebung. Die Karawane drang immer tiefer in den Wald ein. Bald gab es keine offenen Flächen, keine Wiesen, keine Heidelandschaft mehr. Nur noch uralte Baumriesen säumten den Weg. Dazwischen jüngere Stämme, die sich mühsam im Lauf vieler Jahrzehnte nach oben, ans Licht gekämpft hatten und darauf hofften, die alten Baumriesen dereinst zu beerben und ihre Stelle einzunehmen. Der ewige Kreislauf des Lebens. Am Boden, der mit einer Krautschicht bedeckt war, wuchsen kleine Baumschösslinge. Die, die es schafften, nicht von den Tieren des Waldes abgenagt zu werden, würden in späteren Jahrhunderten einmal die Krone des Waldes bilden.
    Stunden vergingen und das einzige, was Nienor beobachten konnte, war die zunehmende Dichte des Waldes. Die Lager der Holzfäller und die Meiler der Köhler, sie in der Taverne gesehen hatten, mußten in Waldgebieten liegen, die die Karawane der Thurg’arsi nicht berührte. Nur einmal konnte man in der Ferne das rhythmische Hacken von Äxten vernehmen und ein- oder zweimal stieg Nienor der Duft von schwelendem Holz in die Nase. Spechte übernahmen die Geräusche der Äxte und hämmerten in ihrem eigenen Rhythmus gegen die Rinde der Bäume, um sie nach Nahrung abzusuchen. Eichhörnchen wuselten hin und wieder an den Stämmen empor und verschwanden in den dichtbelaubten Kronen. Schmetterlinge kreutzten in ihrem typischen Zickzackkurs den Weg und verführten den einen oder anderen Rokhoa dazu, den Kopf zu heben und dem bunten Flatterding nachzuschauen, ehe der unablässige Zug der Karawanenreihe den Schmetterling aus dem Sichtfeld geraten ließ. Manchmal versuchte einer von ihnen, sich auf einer der hochaufragenden Speerspitzen der Krieger niederzulassen, die jedoch im Schrittakt der Reittiere mitschwankten. Vögel zwitscherten unsichtbar in den Bäumen.
    Dumak schaute staunend auf das blühende Leben rings um ihn. Doch während die immer gleichen Wälder eintönig an Nienor vorbeizogen, schweiften ihre Gedanken immer wieder ab, vergingen sich in wirren Vorstellungen von zusammenstürzenden Bäumen, durch die sie hindurchlief. Dann wandelten sich die Baumreihen in hohe Wellen, die über ihr zusammenschlugen, sie mit nach unten rissen, ihr keine Möglichkeit zum auftauchen ließen. Ertrinkend sog sie in letzter Sekunde die Luft ein und schreckte hoch. Jetzt erst bemerkte sie, daß sie sich auf dem breiten, sicheren Rücken eines Walzensnappers befand, strich über die rauhe, ledrige Haut ihres Reittieres und nahm den Duft des Waldes wahr. Doch nur wenige Augenblicke später befand sie sich im nächsten Albtraum. Aus dem Dunkel des Waldes stießen abartige Monster hervor, den Rachen weit aufgerissen, nur um sie zu zerfleischen. Wieder schreckte sie hoch, die Mponster verschwanden. Dafür bemerkte Nienor fliehende Menschen, verfolgt von schwarzen, auf hässlichen Tieren reitenden Gestalten. Sie wollte eingreifen, schrie auf, trieb ihr Tier an. Doch plötzlich drangen fremde Rufe, von denen sie nicht wußte, von wo sie kamen, auf sie ein. Noch einmal änderte sich die Szenerie. Jetzt erst war sie wach. Dumak hatte sich umgedreht und rief ihr voller Erstaunen eine Warnung zu. Der Rukhoa Nienors hatte plötzlich einen Satz gemacht und war gegen den des vor Nienor reitenden Dumak geprallt. Ein kurzes Geschiebe, eine kleine Unordnung, die sich aber zum Glück schon wieder aufgelöst hatte.
    Die allnächtlichen Albträume begannen, Nienor heimzusuchen, da sie die letzte Nacht nicht geschlafen hatte. Jetzt blieb ihr nur übrig, dies auf dem schwankenden Reittier nachzuholen. Zur Sicherheit band sich die Kriegerin selbst fest, um nicht im Schlaf herunterzugleiten. Dann nestelte sie aus dem hinter ihr auf den Rücken des Rukhoas gebundenen Gepäck die kleine Phiole von Meister Dakasto heraus, öffnete sie und streute ein wenig von dem weißen Pulver auf ihre Handfläche. Als sie die Phiole wieder verstaut hatte, griff sie als nächstes nach ihrer Wasserflasche und spritzte ein paar Tropfen über das in ihrer Hand befindliche Pulver und leckte es dann mit der Zungenspitze auf. Schnell spülte sie mit einigen kräftigen Schlucken genug Wasser hinterher, um den seltsam unangenehmen Geschmack des Pulverchens wegzuwaschen. Und kaum hatte Nienor die Wasserflasche wieder weggepackt, hüllte sie schon das Verlangen nach einem tiefen Schlaf ein. So tief, daß er vollkommen traumlos war. Nach hinten auf ihr Bündel gelehnt saß die junge Kriegerin auf dem Rukhoa und holte den fehlenden Schlaf nach, während rings um sie der Tag verging und die fremden Händler aus dem Süden ein gutes Stück des Weges durch diesen Wald schafften.

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    Archipoeta Avatar von Dumak
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    Dumak hatte sich wieder umgewandt, nachdem Nienor ihren Rukhoa zur Räson gebracht hatte. Er hatte zwar auch die Müdigkeit in den Knochen gespührt, jedoch hattei hn der rauschende wald mit all seinen vielfältigen Geräuschen und Bewegungen sao sehr in seinen Bann gezogen, daß er gleich anfing, in seinen Gedanken irgendwelche Reime zusammenzubasteln. Dumak war sich sicher, daß es eine gute Idee gewesen war, der khorinischen Enge zu entfliehen. Was hatte ihn nur so lange auf der Insel gehalten, wo man doch so einfach von ihr entfliehen konnte. Er dachte ohne Bedauern an all die Leute, die noch in der Stadt an ihrem schon längst zerronnenen Wohlstand hingen. In diesem Augenblick war Dumak so froh wie selten, daß er kein festes Haus sein Eigen nannte, daß ihn keine Familie, für die er sorgen mußte, irgendwo erwartete, auf ihn wartete, dafür sorgte, daß er immer wieder zurück kam. Er konnte tun und lassen, was ihm beliebte. Es war wunderbar, auf dem Rücken dieser urtümlichen, ruhigen und genügsamen Tiere, dicht unter den grünen Blättern der Baumkronen und weit vom Boden entfernt durch die Welt zu schweben und von oben herab alles mit einem gewissen Abstand, der in eine wohltuende Ruhe mündete, zu beobachten. Die Probleme von Khorinis, von ganz Myrtana waren so unendlich weit weg. Daß er in der Barriere gewesen war, das war hier so unwichtig, vermutlich hatte in diesen Gegenden sowieso noch nie irgendjemand davon gehört, von diesen fremden, seltsamen, verschwiegenen Händlern erst recht keiner. Und Myrtana, soviel hatte der Barde nun schon mitbekommen, war sogar schon im unmittelbar südlich gelegenen Gorthar nur als halb barbarisches Reich irgendwo im Norden bekannt. Und je weiter sie nach Süden zogen, desto weiter lag mit Myrthana auch seine Vergangenheit hinter ihm. Hier war Dumak nur irgendein Reisender, ein unbekannter Barde, ein unbeschriebenes Blatt. Was war schöner, als sich durch das Reisen gleichzeitig von seiner Vergangenheit zu entfernen. Bald schon dachte er überhaupt nicht mehr an die Insel im Norden, an das verfluchte Minental, an die Orkkriege. Stattdessen war er einfach nur neugierig, was ihn wohl weiterhin erwarten würde. Die Ereignisse in Gorthar lagen schon wieder ein, zwei Nächte weg und der hartnäckige Verfolger war tot. Dumak hoffte, daß er nun nicht mehr aus Gorthar verfolgt wurde und war sich ziemlich sicher, daß mit dem von Nienor Getöteten der Spuk nun ein Ende hatte. Er wußte ja nicht einmal, was für eine besondere Formel es war, um die es ging. Aber er würde noch dahinterkommen, sobald er Gelegenheit dazu bekam.
    Dumak drehte sich um. Nienor saß halb, und halb lag sie auf ihrem Gepäck. Irgendwo darin steckte das kleine Säckchen, das diese mysteriöse Formel enthalten mußte, nach der so viele suchten in Gorthar. Was das Leben doch manchmal für seltsame Zufälle bereit hielt.

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    Schwertmeister Avatar von Nienor
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    Es begann schon zu dämmern, da stockte die Karawane plötzlich und die Tiere an der Spitze bogen vom Weg ab, um sich auf einer großen Lichtung zu sammeln. Nienor schreckte wieder hoch, der Tag, dank des Medikamentes im Schlaf auf dem rücken des Rukhoa war weit weniger angenehm für sie gewesen, als für Dumak. Auf der Lichtung wurden die Tiere in schnell zusammengezimmerte Pferche getrieben. Andere Männer bauten die einfachen Zelte, die schon am Vortag zum Einsatz gekommen waren, wieder auf und wieder andere entzündeten Feuer, an denen die zweite und letzte Mahlzeit des Tages zubereitet wurde. Dumak und Nienor mußten sich nun nach etwas Essbarem umsehen, denn dies war ja ihrem eigenen Geschick überlassen, wie der Thurg’aur, der mit Nienor die Reisebedingungen ausgehandelt hatte, schon von Anfang an zu verstehen gegeben hatte.
    Nienor fühlte sich fremd, denn sie verstand kein Wort der fremden Sprache und die Männer selbst waren so fremdartig gewandet, daß auch schon bei ihrem anblick kein Gefühl des Vertrautseins aufkam. Dazu waren die Rukhori alles andere als normal für sie.
    »Wie wärs, wenn du uns was jagst?«, fragte Dumak direkt heraus, als beide zusammen auf der Lichtung standen, umgeben von den Feuern der Thurg’arsi, an denen die Männer saßen und ihre Mahlzeit genossen, sich unterhielten und vermutlich irgendwelche Geschichten austauschten.
    »Wie wärs, wenn du...«, Nienor brach ab. ›Wenn du dir selber was besorgst‹, wollte sie barsch antworten, doch dachte sie daran, daß der Dieb – und für solch einen hielt Nienor Dumak nach wie vor - diese Aufforderung zu schnell in die Tat umsetzen würde. Falls man ihn dabei erwischte, bekam auch Nienor Ärger. Sie mußte also auch für Dumak mit sorgen.
    »Begleite mich einfach. Vielleicht kannst du mir helfen, etwas Wild aufzuspüren.«
    Dumak schien nichts dagegen zu haben und so verließen sie beide das Lager in Richtung des Waldes. Bald waren die heiseren Rufe der Rukhori, das leise Murmeln der Männer und all die anderen Lagergeräusche hinter ihnen verstummt und die Stille des Waldes umfing sie. Unter Nienors Füßen knackte ab und an ein trockener Zweig, Dumaks Hund raschelte in altem Laub, sonst war nicht viel zu hören. Irgendwo rief ein Vogel, verstummte dann jedoch. Mittlerweile waren sie eine ganze Weile unterwegs.
    »Wie ausgestorben. Seltsam«, flüsterte Nienor Dumak zu.

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    »Wer weiß, vielleicht alle schon im Schlaf?«, vermutete der Dieb.
    Nienor schüttelte den Kopf. »Um diese Zeit? Nein, das glaub ich nicht«, antwortete sie leise. »Aus irgendeinem Grund scheint es hier kaum Tiere zu geben.«
    »Und was soll das für ein Grund sein?« Dumak war skeptisch.
    »Ich weiß es nicht, aber normal ist das nicht. Nichtmal Vögel sind mehr zu hören. Kein Specht, der an einem Baumstamm klopft, ja nicht einmal der Wind, der durch die Zweige rauscht.«
    »Quatsch, irgendwas muß es hier geben. Ich werde schon was finden, pass nur auf.« Und damit stapfte er davon. Das heißt, eigentlich schlich er eher, verursachte kaum ein Geräusch und schaffte es immer wieder, die Stellen am Boden zu finden, die ein lautloses Auftreten ermöglichten. Nienor blieb zurück und wartete auf Dumaks Rückkehr. Im Lager hatte Dumak es noch geschafft, sich bei einem der Thurg’arsi, der ihn vermutlich nicht ansatzweise verstanden hatte, einen alten Bogen zu erschnorren, mit dem er nun bewaffnet war.
    Der Dieb schlich sich durch den Forst und langsam kam ihm die Stille auch unheimlich vor. Selbst der Hund gab keinen Laut von sich und schlich viel mehr als er trabte. Endlich, nach einer ihm unglaublich lang erscheinenden Zeit hörte er ein leises Rauschen und Plätschern, das von einem Bach herrührte, der sich sein Bett durch den Waldboden gegraben hatte. Vielleicht gab es hier Fische. Das sumpfige Ufer machte es Dumak schwer, bis zum Wasser vorzudringen, zu allem Übel wurde es nun dunkel und durch die großen Bäume viel noch weniger Licht, als tagsüber. Doch Dumak fand nach kurzer Suche einen alten, umgestürzten Baumstamm, der über das Ufer ins Wasser ragte. Auf diesem erreichte er ohne Mühe den Bach. Er legte sich flach auf den Stamm, hielt sich fest an der rissigen, rauhen Rinde und starrte hinab ins Wasser. Wenn man nur lange genug starrte, sah man bestimmt etwas. Naja, vielleicht auch nicht.
    Da. Eine Bewegung im Wasser. Tatsächlich ein Fisch, der in der Strömung stand und träge mit der Schwanzflosse steuerte, so daß er fast still im sprudelnden Wasser kurz hinter einem kleinen Strudel stand. Dumak holte den Kurzbogen vom Rücken und legte einen Pfeil ein. Wenn der Fisch weiterhin so unbeweglich wäre, rechnete sich Dumak durchaus eine Chance aus, ihn zu treffen. Konzentriert spannte er, auf dem Bauch liegend seinen Bogen und zielte. Der Pfeil mußte einfach treffen. Der Abstand betrug höchstens sieben Fuß. Das konnte klappen. Zischend bohrte sich der Pfeil ins Wasser und zog eine Spur aus Luftblasen hinter sich her. Und das alles in einem Buchteil eines Augenblicks. Der Fisch wand sich getroffen hin und her und wurde nun, da er nicht mehr gegensteuerte, von der Strömung mitgerissen.
    »Halt, mein Fisch!« Dumak stürzte ohne zu überlegen hinter dem Fisch her und fiel so geradewegs in den eiskalten Bach. Aber die Beute wollte er sich nicht entgehen lassen. Immerhin konnte er so Nienor zeigen, dass er auf keinen Fall in irgendeiner Weise auf sie angewiesen war. Der Hund jaulte auf und rannte am Bachufer hin und her. Letztendlich erwischte der Barde das gefiederte Ende seines Pfeils und somit auch den aufgespießten Fisch, der wild hin und her zappelte. Leider war er dabei vollkommen durchnässt worden. Und nun, wo er ein Stück von der Strömung mitgerissen worden war, gab es auch keinen Baum, an dem er ans Ufer gelangte. Zäher Matsch, bedeckt mit den schleimigen Resten des vorjährigen Laubes bedeckte den Ufersaum. Und als sich Dumak dahindurch gekämpft hatte, war er bis zu den Knien mit Dreck bedeckt. Endlich zog er sich an den Ruten einer am Ufer stehenden Weide aus dem Schlamm empor und erreichte trockenere Bereiche. Der Hund winselte freudig. Pudelnass und verdreckt stand er kurz darauf wieder bei Nienor. Auf dem Rückweg hatte er sich keine besondere Mühe mehr damit gegeben, möglichst leise zu sein. Hier war ja doch niemand außer den beiden.

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    »Wie siehst du denn aus?« Nienor schüttelte, halb amüsiert, halb erschreckt, den Kopf.
    »Ich bin in einen Bach gefallen. Aber ich hab etwas gefangen«, fügte er schnell hinzu, um Nienor keine Zeit für irgendwelche Vorwürfe zu lassen.
    »Hier, ein Fisch.«
    »Mhm, in der Dunkelheit kann ich ihn kaum erkennen, laß uns schnell zum Lager zurückgehen.«
    Und so fanden denn die beiden nach kurzer Zeit wieder zurück in das Lager der Thurg’arsi, d geleitet von den Feuern, die die Händler hatten auflodern lassen und an denen sie sich zu kleinen Gruppen zusammengefunden hatten.
    »Können wir uns hier niederlassen?«, fragte Nienor, als sie den Mann an einem Feuer entdeckte, mit dem sie schon zu Beginn der Reise gesprochen hatte. Er rückte wortlos beiseite und auch einige andere machten Platz. Verwundert sahen die Männer, wie Dumak Kochgeschirr aus seiner Tasche herausholte und sich ans Ausnehmen des Fisches machte. Der Thurg’aur, der ihre Sprache beherrschte, meinte zu Dumak: »Du willst diesen Fisch wirklich essen?«
    »Und ob ich das will«, antwortete der Barde und Gelegenheitskoch im Brustton der Überzeugung. Die anderen Männer am Feuer ließen ein Raunen vernehmen. Der Mann hatte ihnen die Antwort Dumaks übersetzt.
    »Weißt du denn nicht, oh hungriger Weintrinker, daß in diesem Wald nichts eßbares zu finden ist?«
    »Nichts essbares? Und was ist das hier?« Er zeigte auf den ausgenommenen Fisch vor ihm. »Genau, ein Fisch. Er mag nicht besonders groß sein, aber es ist unbestreitbar ein Fisch. Ich werde wohl als der Held, der im Wald ohne Essen das Essen fand, in die Geschichte eingehen.«
    »Nun, dann iss den Fisch, aber sag nicht, wir hätten dich nicht gewarnt.«
    Dumak hatte mittlerweile damit begonnen, den Fisch in einer Art Pfanne oder kleinem Topf über dem Feuer zu brutzeln. Die Männer sahen schweigend zu.

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    »Wollen wir den Fisch wirklich essen? Vielleicht ist irgendetwas damit?«, mischte sich Nienor ein. Sie war vorsichtig geworden bei den Worten des Thurg’aur.
    »Achwas, was soll schon damit sein? Er duftet wunderbar, das ist damit.« Und Dumak wendete ihn, damit auch die andere Seite schön brutzelig würde.
    »Aber die Männer meinen, es gäbe hier nichts essbares. Sie kennen diesen Wald sicher besser als du. Sie reisen jedes Jahr hier entlang, schon seit wer weiß wie vielen Jahren. Wir beide waren hier noch nie.«
    Doch Dumak hörte nicht auf Nienors Einwände. »Mir knurrt der Magen und ich hab mich redlich abgemüht, diesen einen Fisch zu fangen«, knurrte er, »also werde ich ihn auch essen.« Und er wandte sich wieder seinem Fisch zu.
    Fragend sah Nienor zu dem Thurg’aur, der sie gewarnt hatte. »Was ist mit diesem Wald und dem Fisch? Ist der Fisch giftig?«
    »Wir wissen nicht, was es mit diesem Wald im Land hier, fern unserer Heimat geschehen ist. Wir wissen nur, daß er anders als alle anderen Wälder ist, durch die wir ziehen. Noch nie hat jemand von uns oder auch einer derjenigen, die vor uns diesen langen Weg in den Norden gezogen sind, ein Tier hier gesehen. Auch das Vogelgezwitscher, das die Luft in diesen Gegenden ansonsten erfüllt, ist hier noch nie zu vernehmen gewesen. Und grüne Blätter haben diese Bäume auch noch nie getragen, wenn wir durch diesen Wald gezogen sind. Wir glauben, daß der Wald verwunschen oder verzaubert ist von bösen Dämonen. Wir nennen ihn den vergessenen Wald. Vergessen von der Welt und vergessen von den Kräften der Natur.« Er machte hastig ein Zeichen der Abwehr. Die anderen am Feuer taten es ihm nach, obwohl sie wohl kaum die für sie fremden Worte verstanden hatten. Doch die Geste war eindeutig für sie gewesen und in einer Bewegung, wie sie jeder der Thurg’arsi seit frühester Kindheit kannte, drückten sie ihre Furcht vor bösen Mächten aus.
    »Verzaubert... So schein es mir auch fast, als ich mit ihm da«, sie zeigte auf den am Kochtopf hantierenden Dumak, »durch den Wald gezogen bin. Es herrschte eine merkwürdige Stille, die kein Laut, kein Vogel, ja nicht einmal ein Windhauch unterbrach. Nur das Knacken der toten Zweige unter meinen Füßen war das einzige Geräusch. Und daß nur braune, verdorrte blätter an den Zweigen hingen, ja daß selbst die Nadeln der Tannen und Föhren braun und alt waren, ist auch uns aufgefallen. Wirklich eine merkwürdige Gegend.«
    Nienor verstummte und versank in Schweigen. Dumak hingegen widmete sich weiterhin seinem Fisch.
    »Iss ihn nicht!«, bat Nienor. »Hast du nicht gehört, der Wald ist verzaubert. Der Fisch ist sicher giftig oder er verwandelt dich in irgendetwas. Wer kennt sich schon mit Magie aus?«
    Doch der Barde war zu hungrig, als daß er sich wirklich von Nienor davon abbringen lassen würde, den Fisch wirklich zu essen. »Er ist gleich fertig. Wenn du nichts davon willst, bleibt eben mehr für mich übrig.«
    Nienor schüttelte den Kopf. Nein, sie wollte nichts. Aber Dumak war selbst für sich verantwortlich.
    Sie fragte stattdessen den Thurg’aur nach seinem Namen. »Sagt mir, jetzt, wo wir für eine Weile Reisegefährten sind, wie lautet Euer Name. Ihr habt ihn mir noch nicht genannt.«
    »Es stand mir noch nicht an«, erwiderte der Thurg’aur. »Und auch jetzt wäre es unhöflich, ihn zu nennen.«
    Nienor wirkte enttäuscht. »So wollt Ihr also weiterhin namenlos für mich bleiben?«
    »Habt Geduld, Nienor. Bei uns ist es Sitte, daß zuerst die weisesten Männer, die Anführer, dem Gast vorgestellt werden. Und danach ist es den anderen gestattet, ihren Namen zu nennen.«
    Nienors Mine hellte sich auf. »Wenn das so ist.... Ich würde mich freuen, eure Anführer kennen zu lernen.«
    Der Thurg’aur verneigte sich leicht. »Folgt mir.«
    Und er führte die junge Frau fort von dem Feuer, an dem Dumak immernoch versuchte, seinen Fisch, mit dem wohl irgendetwas nicht stimmte, zu brutzeln.
    »Dort, am größten Feuer, dem in der Mitte des Lagers sitzen die drei Anführer unserer Karawane.« Er wies mit dem Arm in die angedeutete Richtung. »Dort sitzen sie«
    Nach ein paar Schritten waren sie angekommen und standen vor dem großen Lagerfeuer, um das schweigend einige Männer saßen. Offenbar hatten sie sich gerade unterhalten, denn das Schweigen war jenes, das auftrat, wenn man plötzlich verstummt, durch eine Störung oder Unterbrechung. Der Thurg’aur, der Nienor geführt hatte, sprach mit einer kleinen Gruppe von drei älteren Männern, einer von ihnen hatte einen dünnen, weißen Bart. Alle drei waren sie umhüllt von dem burnusartigen Gewand, das jeder der Thurg’arsi trug und das den ganzen Körper umhüllte und nur den Kopf und die Hände frei ließ. Im Gegensatz zu den restlichen Thurg’arsi, verhüllten sie ihr Gesicht nicht, so daß man die Schmucknarben, die die Wangen und die Stirn überzogen, im Feuerschein gut erkennen konnte.
    Das Gespräch zog sich hin. In einer sehr fremdartigen, mit vielen Kehl- und Reibelauten durchsetzten Sprache unterhielten sich die Männer. Aber es blieb immer ruhig und wurde nie laut. Endlich wandte sich ihr Führer wieder an Nienor.
    »Also hört: Dies sind unsere weisen Führer auf dem Pfad des Nordens. Sie sind viele Male schon in Sachanil, das ihr Gorthar nennt, gewesen. Auf ungezählten Reisen haben sie sich Erfahrung, Ansehen und Reichtum erworben und sind darum den weisesten unter den Weisen gleichzusetzen. Ihre Namen sind Cheleb ben Farsi, Hargura und Chatab jub Hamsad. Sie bilden den Rat. Sie entscheiden über alle wichtigen Dinge, unsere Reise betreffend. Ich mußte mich bei ihnen für Euch verbürgen, damit Ihr mitreisen konntet.«
    »Und das habt Ihr einfach so getan, ohne mich zu kennen?« Nienor war erstaunt. Sie hätte das wohl nicht getan.
    Der Thurg’arsi antwortete: »Erweist ihnen die Ehre, die ihnen zusteht. Danach können wir uns weiter unterhalten.«
    Nienor wandte sich den dreien, ihr eben vorgestellen Männern zu, verbeugte sich langsam und lächelte dabei ein wenig, auch wenn man das in der Dunkelheit der Nacht nicht mehr sah. Doch vielleicht erhellte ja gerade eine neugierige Flamme, die aus dem Feuer emporstrebte, ihr Gesicht in diesem Moment, so daß das Lächeln doch gesehen wurde. Zwei der drei Führer nickten würdevoll aber kurz zurück, nur der rechte, der mit dem weißen Bart verzog keine Mine.
    »Laßt uns wieder zurückkehren an unseren Platz«, schlug der Thurg’arsi vor.
    Nienor verlor keine Zeit und folgte ihm. Doch schon unterwegs war die Neugier wieder so groß geworden, daß Nienor nicht länger an sich halten konnte. »Wie ist nun Euer Name? Ich hoffe doch, daß Ihr ihn mir jetzt nennen dürft?«
    Der Thurg’aur nickte. »Sicher kann ich das. Ich bin Sechab ir Khufs.«
    »Und warum, Sechab«, der fremdartige Name klang ungewohnt aus ihrem Mund, »habt Ihr Euch für mich verbürgt, wo Ihr mich doch überhaupt nicht kanntet?«
    »Ganz einfach. Ich bin der Durghari dieser Reise. Das bedeutet, ich bin für den Kontakt mit Fremden zuständig. Und Durghari wird man nur mit einer gewissen Menschenkenntnis.«
    Konnte Nienor so etwas wie ein stolzes Lächeln im Gesicht Sechabs erkennen? Sie war sich nicht sicher.
    Plötzlich erklang ein Schrei. Er kam von ihrem Feuer.

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    »Nein, nicht, aufhören!« Dumak schrie in höchster Not, wilde Wesen, Dämonen, in Schatten gehüllte Schemen, undeutlich, allgegenwärtig, hin und herflatternd, durch ihn hindurchbrausend, sie griffen nach ihm, verschlangen ihn, spieen ihn wieder aus.
    Der Barde wälzte sich unkontrolliert hin und her. Die Männer am Feuer waren aufgesprungen, riefen wild durcheinander, griffen nach ihren Waffen.
    Nienor und Sechab eilten die letzten Schritte in schnellem Lauf heran, um zu sehen, was passiert war.
    Der Barde hatte seinen Fisch tatsächlich gegessen! Sein Kochtopf war leer, lag umgestürzt auf dem Boden und mit der linken Hand hatte er noch den groben Holzlöffel umklammert, den er als Kochwerkzeug benutzt hatte. Er hielt ihn, wie eine Waffe. Vielleicht hatte er damit herumfuhrwerkt und so die Männer in zusätzliche Aufregung versetzt.
    Mittlerweile lag Dumak nur noch still auf dem Rücken, die Augen weit offen und den Blick verzückt in den Sternenhimmel gerichtet. Die Männer, die ihre Waffen gezogen hatten, kamen ihm vorsichtig näher.
    »Was ist passiert?«, fragte Nienor den Durghari.
    »Die Männer meinen, er sei von Dämonen besessen. Plötzlich sei er aufgesprungen, fing zu brüllen an und tanzte wild umher, ohne Rücksicht auf andere Männer oder auch nur das Feuer. Er sprang mitten hinein und brüllte sich die Seele aus dem Leib. Aber nicht aus Schmerz über die Heiße glut unter seinen Füßen.«
    »Er hat den Fisch gegessen! Er hätte auf Eure Warnungen hören sollen.«
    »Ja, besser wäre es für uns alle gewesen. Ich fürchte, die Männer werden ihn nun nicht mehr gerne unter sich haben wollen. Er ist von bösen Geistern besessen und niemand wird sich ihm ohne Furcht oder Mißtrauen nähern.« Es klang fast bedauernd, wie der Durghari das sagte.
    Nienor hielt den Atem an. »Aber wir dürfen doch weiterhin mit euch reisen? Oder laßt ihr uns hier zurück? Ich denke, er ist einfach nur krank. Der Fisch war sicher giftig. Und außerdem hat er sich die Beine verbrannt. Man kann ihn doch nicht hier so zurücklassen.« In Nienor regte sich Mitleid.
    Dumak hingegen bekam von all dem nichts mit. Ganz still war es geworden, die quälenden Geister, die sich seiner bemächtigt hatten, waren verschwunden. Stattdessen tauchte ein Schimmer am imaginären Horizont seines Wahns auf, der sich zu einem immer stärkeren Leuchten aufschwang, bis ein mächtiger Glanz das ganze Firmament einnahm, so daß man nicht mehr sagen konnte, wo der Ursprung des Lichtes war. Verzückt lag Dumak im Gras, doch für ihn war es, als liefe er über Wolken, sprang hinein, rutschte hindurch und tauchte wieder auf. Farben fingen ihn auf und wundersame Geräusche waren sein Trittbrett, von dem aus er weiter in das Unbekannte vordrang.

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    Nienor beugte sich vorsichtig über Dumak. »Er ist ganz heiß. Wie im Fieber.« Sie zog ihre Hand von seiner Stirn zurück und wandte den Blick zu Sechab.
    »Habt ihr denn keinen Heiler bei euch? Irgendjemanden, der sich mit Kräutern auskennt. Er glüht richtig. Er ist einfach nur krank. Ihr müßt keine Angst vor ihm haben.«
    Sie stand wieder auf. Dumak hatte wohl gar nicht mitbekommen, daß sie ihn berührt hatte. Er war in einer anderen Welt.
    »Ich werde mich darum kümmern. Aber es wäre trotzdem besser, wenn ihr euch einen eigenen Lagerplatz sucht. Irgendwo abseits der anderen. Ich werde versuchen, den Rat zu überzeugen, euch weiterhin mitzunehmen. Doch jetzt sucht euch einen eigenen Platz. Glaubt mir, es ist besser so.«
    Es gab wohl nichts, was man dagegen sagen konnte. Nienor griff Dumak von hinten unter die Achseln und zog ihn fort, an den Rand des Lagers der Thurg’arsi. Hier, weit weg von den Männern und auch von den Rukhoa legte sie ihn wieder nieder. Dann holte sie sich etwas Holz aus dem nahen Wald. Abgestorbene Äste lagen genug herum, so daß bald ein ansehnlicher Haufen zusammengekommen war. Von einem der Feuer holte sie sich einen brennenden Ast und ihr eigenes Feuer brannte bald genauso hell, wie die der anderen. Nur war es hier stille. Dumak lag auf einer Decke und starrte in den Himmel. Er war noch immer woanders, nicht ansprechbar. Nienor hingegen wühlte in ihrem Bündel nach dem wenigen Essbaren, das sie noch bei sich hatte und begnügte sich mit einem Kanten Brot und einem Schluck Wasser aus ihrer Flasche.
    Kaum hatte sie die wenigen Bissen heruntergespült, tauchten zwei Schatten aus der Dunkelheit abseits des Feuers auf. Es war Sechab und ein weiterer Mann.
    »Das ist der Kräuterkundige unserer Gruppe. Ich konnte ihn dazu überreden, sich deinen Freund anzuschauen.«
    ›Er ist nicht mein Freund‹, wollte Nienor erwidern, aber dann ließ sie es. Das war ja nun auch egal. »Ich danke Euch«, erwiderte sie stattdessen.
    Der Mann beugte sich über Dumak, befühlte seine Stirn, den Hals, den Puls. Dann klappte er das Kinn Dumaks herunter und betrachtete sich die Zunge. Oder waren es die Zähne? Nienor kam es fast vor, als würde er sich ein Stück Vieh anschauen, ob es ein gesundes Gebiss und starke Fesseln hätte.
    »Sagt, Sechab, was behandelt dieser Kräuterkundige sonst so alles?«
    »Die Rukhori vor allem. Sie sind unser wichtigster Besitz. Ohne sie könnten wir diese Reisen nicht unternehmen und müßten uns unseren Lebensunterhalt wie andere unseres Volkes mit Räuberei verdienen.«
    Das war interessant. Die Thurg’arsi waren also nicht alle Händler. Doch jetzt war keine Zeit für neugierige Fragen zu den anderen Thurg’arsi. Jetzt war erst einmal Dumak dran. Der Kräutermann hatte sich wieder erhoben und flüsterte mit Sechab. Schließlich, nach einigem hin und her wandte sich dieser wieder an Nienor: »Er wird dir ein paar Kräuter geben, die du ihm ins Heu misch... also er meint: aus denen du einen Sud kochst, den du ihm da«, er zeigte auf Dumak, »einflößt. Danach sollte er schlafen und am nächsten Morgen müßte sein Fieber gefallen sein. Vielleicht frißt er dann auch wieder. Also vielleicht nimmt er dann auch wieder etwas zu sich«, verbesserte er sich. Der Kräutermann war wohl wirklich vor allem ein Viehdoktor. Aber er war der einzige, der im Moment zur Verfügung stand. Er hielt Nienor ein Büschel, graugrüner getrockneter Pflanzen hin, die sie nicht kannte. Sie rochen scharf und streng würzig.
    Nachdem die beiden wieder gegangen waren, machte sich Nienor daran, in einem Becher, den sie über das Feuer stellte, den Sud herzustellen. Etwas Wasser und die Kräuter hinein, dann stellte sie den Becher in die Glut des Feuers, bis das Wasser zu brodeln anfing. Mit Hilfe eines Lappens nahm sie den Becher aus dem Feuer und fischte mit Dumaks Löffel die gröbsten Pflanzenteile hinaus. Der Barde lag immernoch still und ohne Regung neben dem Feuer auf dem Rücken auf der Decke. Nienor hob seinen Kopf an und flößte ihm den Trank, nachdem er etwas abgekühlt war, vorsichtig ein. Zuerst hustete der Barde und spuckte und sabberte, doch dann schluckte er gehorsam das Getränk, das noch genauso interessant-unangenehm roch, wie die Kräuter, aus denen es gemacht war, herunter.
    Später lag er wieder still und regungslos da. Nienor starrte in das Feuer, das langsam niederbrannte. Dann holte sie die Phiole mit dem weißen Inhalt heraus, die sie von Meister Dakasto aus Gorthar bekommen hatte. Nachdenklich betrachtete sie den Flakon und seinen Inhalt. Dann nahm sie den Becher, mit dem sie eben den Trank für Dumak bereitet hatte und füllte ihn erneut mit Wasser. Doch diesmal stellte sie ihn nicht ins Feuer, sondern zählte eins, zwei, drei Tropfen des Schlafmittels ab, die sie in das Wasser tropfen ließ. Die milchigweiße Flüssigkeit löste sich im Wasser auf und bald war nichts mehr davon zu sehen. Mit einem Zug trank Nienor den Becher aus. Es schmeckte nach nichts. Wie Wasser eben. Und Nienor spürte auch nichts. Sie packte den Becher wieder weg und starrte weiter ins Feuer. Plötzlich bemerkte sie, daß Dumak neben ihr seine Augen geschlossen hatte.
    »Wenigstens einer von uns zwei Kranken, der beruhigt schlafen kann.« Sie stocherte etwas in der Glut. Ein verbrannter Ast fiel in sich zusammen und einige Funken stoben empor, mitgenommen von der heißen Luft, die über dem Feuer aufstieg.
    Plötzlich umfing sie eine große Müdigkeit und auch Nienor wickelte sich in eine Decke und legte sich neben dem Feuer nieder, ohne noch daran zu denken, daß ihr der Schlaf in den letzten Wochen nur Albträume und keine Erholung beschert hatte.

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    Dumak hingegen entglitt in einen ruhigen Schlaf ohne Träume. Die Wirkung der Kräuter entfaltete sich und so schlief er tief und fest, ohne an irgendetwas zu denken. Nur manchmal war ihm, als liefe er über saftig grüne Weiden, die bis zum Horizont reichten und aus irgendeinem nicht nachvollziehbaren Grunde freute er sich darüber. Doch dann war wieder traumlose, schwarze Nacht um ihn.
    Stunden vergingen so, die Nacht schritt fort und die Wachen des Lagers wechselten lautlos und im eingespielten Rhythmus von Menschen, die monatelang nichts anderes getan hatten, als immer wieder des Nachts Wachwechsel durchzuführen. Dumak wälzte sich umher. Plötzlich Stimmen, jemand rief Dumak in seinem Traum. Leise, glockenhelle Stimmen, die seinen Namen riefen: »Duuumak... Duuuuumak.«
    In seinem Traum schlug der Barde die Augen auf. Weite Wälder waren zu sehen. Und er schwebte darüber, als sei es das Normalste der Welt, über Bäumen dahinzuschweben. Etwas, das er nicht erklären konnte, zog ihn weiter. Vielleicht die Stimmen? Sie waren nah bei ihm und doch ganz fern. Wo zogen sie ihn hin? Lange glitt er über die Bäume, die sich in tiefstem Grün dahinzogen. Mächtig mußten die Baumriesen unter ihm sein, denn manchmal blitzten dicke Äste zwischen dem Laubdach hervor.
    Und die Reise ging weiter. In der Ferne tauchte ein Berg auf, der sich zuerst sanft, dann immer mächtiger und steiler aus der Umgebung erhob. Seine Flanken waren nicht von Bäumen bedeckt, er war kahl bis zum Gipfel. Und die Bergkuppe krönte ein Schloss, eine Burg, groß und breit dahingelagert. Doch sah Dumak nun, als er näherkam, dass die hohen Hallen, aufgetürmt aus glattgehaunen Steinen, allesamt zerfallen waren. Wind wehte pfeifend durch die hohlen Gemäuer und gerbte die Gräser, die sich in Mauerritzen festklammerten.
    Dumak spürte festen Boden unter seinen Füßen. Er stand im Burghof. Neugierig schaute er sich um, entdeckte jedoch nur halb zerfallene Ruinen, die wie zerklüftete Felsen um ihn herum aufragten. Weiter hinten bemerkte er noch ein Gebäude, das weniger zerfallen war, als der Rest. Doch ehe er seine Schritte dorthin lenken konnte, veränderte sich plötzlich das Umfeld. Die Umgebung flimmerte und verschwamm. Zerlaufende Farben mischten sich zu einem Konglomerat aus dem Grün der Gräser und dem Grau der geborstenen Steine. Dann verblasste das Bild und ein neues entstand, als sich die Farben wieder entwirrten.
    Dumak stand nun in einem Raum, weiße Wände und eine gewölbte, auf runden Säulen mit einfachen Kapitellen ruhende Decke umgaben ihn. In der Mitte des Raumes jedoch, der nicht mehr als zehn Schritte im Durchmesser maß, stand ein steinerner Sockel, alt und schartig, die Ecken und Kanten mit Abbrüchen bedeckt. Auf dem Sockel jedoch stand eine Harfe und ihre Saiten schimmerten hell im Sonnelicht, das durch Löcher in der Wand herein fiel. Kostbar sah sie aus, verziert mit Gold und Silber, fein geschwungen, eine vollendete Form. So als ob sie gerade erst hierhergestellt worden war, stand sie auf ihrem Sockel. Kein Staub, keine Patina ließen die glänzende Oberfläche verblassen.
    Dumak wollte näher gehen, das Instrument berühren, es aus der Nähe betrachten. Doch er unterließ es, den ersten Schritt zu machen. Etwas in seinem Innersten hielt ihn zurück, so daß er sich nicht bewegte und einfach stehen blieb, um die Schönheit des Instrumentes weiterhin aus sicherer Entfernung zu betrachten. Das Bild der Harfe brannte sich tief in sein Gedächtnis ein.
    Und so schlummerte er weiter, der Traum verblasste und die Nacht verging, um einem neuen Tag Platz zu machen. Die Wachen wechselten das letzte mal und kurze Zeit später weckte das heisere Blöken der Rukhori das restliche Lager, Nienor und Dumak auch.

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    Auch Nienor hatte dank des Pülverchens, das sie von dem Heiler in Gorthar bekommen hatte, ruhig geschlafen. Das erste mal seit Wochen – wenn man von der einen Nacht im Hause Meister Dakastos absah. Sie fühlte sich erfrischt, fast tatendurstig.
    Als sie sich nach Dumak umblickte, fand sie nur noch sein leeres Lager, er mußte also schon aufgestanden sein. Und richtig, nachdem sie sich ein wenig im Lager umgesehen hatte, entdeckte sie den Barden, wie er am Rande stand und einfach nur in den Wald schaute. Er achtete nicht auf den Hund, der ihn freudig mit dem Schwanz wedelnd umsprang. Ein leichter Wind war aufgekommen und die kahlen Äste der Bäume schwankten rhythmisch hin und her. Doch es sah nicht friedlich aus, es wirkte eher drohend. Die Bäume sahen aus, als wollten sie der Erde, in der ihr Wurzelwerk verankert war, mit aller Macht entkommen, um auf die Thurg’arsi loszugehen. Hin und her schwankten ihre Wipfel und gaben ein dumpfes Knarren von sich, das aus allen Teilen des Waldes ertönte.
    »Es klingt schauerlich. Können Bäume wütend sein?«, fragte Dumak in nachdenklichem Tonfall die zu ihm getretene Nienor. »Ich glaube, wir können froh sein, daß sie in der Erde stecken und nicht plötzlich losrennen. Ich will nicht unter einem Baum begraben werden.«
    Nienor lachte hell auf.»Was ist denn mit dir los? Hat dich der Fisch gestern Abend etwa kränker gemacht, als es den Anschein hatte? Wandernde Bäume... ich bitte dich. Wie kommst du nur auf solche Märchen?«
    Dumak wandte den Blick von den Bäumen ab. »Danke, daß du dich um mich gekümmert hast.«
    »Schon gut, nicht ich habe mich gekümmert, sondern der Tierheiler der Thurg’arsi. Ich hoffe, du verspürst keine Nebenwirkungen. Ich will dich nicht sehen, wie du zwischen den Rukhori Gras zupfst, nur weil die Kräuter, die er dir gegeben hat, irgendwelche Nebenwirkungen hatten.«
    Dumak grinste. »Wer hat hier wohl die lebhaftere Phantasie von uns beiden?« Dann wurde er wieder ernst.
    »Ich hatte heute Nacht einen Traum. Er war ziemlich seltsam. Vor allem kann ich mich noch sehr gut an jede Einzelheit dieses Traumes erinnern.«
    »Laß mich raten. Du träumtest von saftigen Wiesen?«
    Dumak schüttelte belustigt den Kopf. Scheinbar fand Nienor diese Idee wirklich lustig, sonst hätte sie sich diese ja nicht so ausgiebig ausgemalt.
    »Nein, anders, viel seltsamer. Ich flog über Bäume hinweg, über endlose Wälder, bis in der Ferne ein Berg auftauchte, auf dessen Spitze eine alte, längst zerfallene Burg stand. In der Burg befand sich ein Raum und in dem Raum stand eine Harfe, neu wie gerade erst geschaffen.«
    Nienor hatte still zugehört. »Uns was, meinst du, hat es mit diesem Traum auf sich?«
    »Ich weiß es nicht genau, aber mir ist, als müßte ich diese Harfe finden, es war, als hätte sie mich zu sich gerufen, den Weg gezeigt, durch meine Träume hindurch.«
    »Vielleicht der Fisch...«, vermutete die Kriegerin.
    »Wer weiß...«, antwortete der Barde vieldeutig und versank wieder in Schweigen.
    »Vergiss nicht das Essen«, riet ihm Nienor noch, dann ließ sie ihn wieder allein. Dumak stand noch eine ganze Weile still da und starrte in den Wald. Der Wind beugte die Wipfel der Bäume und ließ die Äste knarren. Dann, irgendwann drehte sich der Barde um und lief ins Lager zurück. Nienor hatte recht. Es gab nur zweimal am Tag etwas zu essen. Früh vor dem Aufbruch und abends, nach dem Tagesmarsch. In der Zeit dazwischen saß man auf dem Rücken der Lasttiere.
    Nienor befand sich gerade im Gespräch mit Sechab, dem Durghari. Sie zahlte ihm einige Münzen für etwas Verpflegung und ein Säckchen grobes Mehl, etwas Trockenfleisch, geschnitten in dünne Streifen und ein paar getrocknete, dunkelrote Beeren wechselten den Besitzer.
    »Hier, ich habe uns für die nächsten paar Tage etwas zu beißen besorgt. Von der Jagd in diesem Wald nehmen wir wohl lieber erst einmal Abstand.«
    Sie gab Dumak eine Handvoll von den verschrumpelten Beeren. »Hier nimm, sie schmecken süß und klebrig.«
    Zögernd griff Dumak zu. Vorsichtig kostete er. Und dann stopfte er sich immer mehr von den Beeren in den Mund. »Wirklich... gar nicht schlecht«, brachte er zwischen zwei Bissen heraus und konzentrierte sich dann sofort wieder auf das Essen weiterer Beeren.
    »He, schling nicht zu viel davon runter, wir brauchen auch noch was für die nächsten Tage.
    Ich hab mit Sechab geredet. Die Thurgausi kennen diesen Wald, denn sie durchziehen ihn ja jedesmal mit ihren Karawanen. Sechab sagte, daß der Wald sich noch zwei weitere Tage hinziehen wird. Danach kommt ein Fluß, ein Strom, breit und träge. Er wird Gelab genannt und fließt von West nach Ost und teilt die Reiche Gorthar und Haruthar. An seinen Ufern wird sich die Karawane ein paar Tage aufhalten, denn es gibt nur eine Fähre hinüber, auf der nur wenige Tiere Platz haben. Und deshalb müssen die Rukhori in kleinen Gruppen herübergebracht werden. Ebenso die Ladung und die Männer. Sechab meinte, um über den Fluß zu kommen, wird die Karawane etwa drei Tage benötigen. Sechab machte sich Sorgen, weil diese Stelle ein Ort ist, wo die Karawanen der Thurg’arsi schon öfter überfallen wurden. Was auch kein Wunder ist. Die Thurg’arsi können nicht entfliehen, weil sie den Fluß im Rücken haben. Darum meinte Sechab, werden gerne fremde Krieger mitgenommen, die helfen, die Karawane bei solchen Überfällen zu verteidigen. Darum wurde ich auch als Reisende akzeptiert. Die Ältesten meinten, ich könnte der Karawane nützen.«

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    Schweigend hatte Dumak zugehört. »Ich verstehe. Aber warum haben sie mich dann nicht links liegen gelassen, als sie mich in ihrer Wolle gefunden haben? Nur, weil du für mich gebürgt hast?«
    Nienor nickte, ohne etwas zu sagen.
    Doch Dumak war schon wieder woanders. »Zwei Tage noch, sagst du? Und dann drei Tage an diesem Fluß?«
    Er versank wieder in Grübeleien. Nach einer ganzen Weile meinte er »Ich muß sie finden. Ich werde die Gruppe verlassen und in diesem Wald hier nach dem Berg suchen.«
    Nienor wußte sofort, wovon der Barde redete. »Aber die Thurg’arsi werden weiterziehen«, warf sei ein.
    »Fünf Tage müssen mir genügen. Aber ich kann nicht anders. Meine Gedanken, mein Geist, mein ganzer Körper verlangt danach, zu diesem Ort zu gelangen. Ich muß ihn finden. Unbedingt.«
    »Es scheint dir ja wirklich sehr wichtig zu sein.«
    »Nein, noch viel wichtiger«, unterbrach sie Dumak hastig. Er wirkte fahrig, wie im Fieber und von etwas besessen.
    »Du kannst unmöglich alleine losziehen. Du weißt doch nichtmal, wo dieser Berg liegen soll.« Nienor schüttelte den Kopf. »Wenn er überhaupt existiert.«
    »Ich weiß es, er ist da!«
    »Ja, in deinem Traum vielleicht.«
    »Nein, wirklich! Er zieht mich an. Ich fühle es mit jeder Faser. Es ist, wie eine dieser eisernen Nadeln, die immer in die gleiche Richtung zeigen sollen und von denen die Seeleute in ihren Grusegeschichten von Seeungeheuern und Piraten erzählen. Es gibt diesen Berg und ich fühle, ich weiß, wo ich ihn finde. Und ich werde ihn finden!« Dumak meinte es wirklich ernst.
    »Ich werde gehen, ob alleine oder nicht. Was kann mir in diesem toten Wald schon passieren? Hier lebt ja doch nichts.«
    »Hast du die Bäume vergessen?« Nienor suchte nach irgendeinem Grund, ihn nicht gehen zu lassen zu müssen.
    »Ach, glaubst du nun etwa doch daran?« Dumak schaute sie fragend an.
    »Nein, natürlich nicht. Aber ich kann dich nicht so einfach losrennen lassen. Andererseits kann ich dich auch nicht tagelang begleiten. In wenigen Tagen sind die Thurg’arsi am Fluß und vielleicht wird meine Hilfe dort benötigt. Sechab sagte zwar, daß es in den letzten Jahren ruhig gewesen sei, doch das will nichts heißen. Durch die Unruhen in Gorthar kann es auch an seiner Südgrenze zu Veränderungen gekommen sein. Vielleicht haben sich neue Räuberbanden gebildet, geboren aus der Not.«
    Doch Dumak schüttlte unwillig den Kopf. »Egal, ich muß dem Ruf in meinem Inneren folgen. Ich kann nicht anders. Ob du nun mitkommst oder nicht.«

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    »Ich werde mitkommen. Ich hab kein gutes Gefühl bei der Sache. Und ich werde aufpassen, daß wir nicht zu lange weg bleiben, so daß wir am Fluß wieder auf die Thurg’arsi treffen werden.«
    Dumaks Gesicht hellte sich auf.
    »Und außerdem kann man dich sowieso nicht alleine lassen.«
    Sein Gesicht wurde wieder düster.
    »Das war ein Scherz. Ich komme mit, weil ich selber neugierig geworden bin. Wenn du dir so sicher bist, dann ist ja vielleicht wirklich etwas dran. Und zu zweit werden wir die Gefahren leichter meistern können. Denn ich denke nicht, daß es ein Spaziergang werden wird. Es passiert doch immer irgendetwas. Ich werde mit Sechab reden.«
    Nienor verließ Dumak und ging den Durghari suchen. Sie fand ihn inmitten der anderen Männer, wo er zusammen mit ihnen die Tiere belud und die Waren festzurrte.
    »Sechab. Dumak und ich werden für einige Tage die Gruppe verlassen, um in diesem Wald nach etwas zu suchen. Wir werden versuchen, in vier Tagen an diesem Fluß zu sein.«
    Der Mann schaute Nienor an. »Seid Ihr Euch sicher, daß das eine gute Idee ist? Wir könnten jeden Kämpfer am Fluß gebrauchen.«
    Nienor senkte kurz den Kopf. »Ja, ich weiß«, sagte sie dann, »aber wir werden uns beeilen. Mir erscheint die Sache wichtig. Ich kenne Dumak ein wenig. Und bisher war er noch nie von einem Ziel so überzeugt wie jetzt. Ich hab ihn eigentlich immer nur von einem Tag zum anderen lebend gesehen. Sich keine Gedanken um die ferne Zukunft machend. Doch jetzt scheint er richtiggehend besessen von dieser Idee, durch den Wald zu laufen, um diese Burg aus seinen Träumen zu finden.«
    Nienor schwieg kurz. Dann setzte sie noch hinzu: »Und ich weiß, wie belastend Träume werden können.«
    Doch mehr sagte sie nicht.
    Sechab nickte. »Da ich Euch wohl nicht aufhalten kann, werde ich Euch wohl oder übel ziehen lassen und hoffe, daß Ihr und Euer Freund euch wohlbehalten und zeitig genug und wieder anschließen werdet. Lebt wohl.«
    Und damit ging Sechab weg, um woanders im Lager beim Aufbruch zu helfen. Nienor ging zu Dumak zurück.
    »Hast du alles, was du mitnehmen willst?«
    »Ja, und du hast mit den Thurg’arsi geredet?«
    »Ja, aber wir sollten trotzdem keine Zeit verschwenden.«
    Und so gingen sie los, verließen das Lager der Karawane und suchten sich ihren Weg durch den Wald, dessen Beginn am Rande des Lagerplatzes mit dicken Stämmen markiert war.

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    Bald hatten sie die dicken Stämme, die Säulen gleich in den Himmel ragten, umschlossen und nichts mehr erinnerte daran, daß nur wenige Schritte hinter ihnen eine Lichtung mit dem Lager der Thurg’arsi, die gerade im Begriff waren, aufzubrechen und den alten Handelsweg, der diesen Wald querte, zu beschreiten, lag. Die Nomaden aus dem Süden würde eine weitere Tagesreise auf diesem Weg ein Stück näher an ihre Heimat führen. Doch wie weit es tatsächlich noch war, bis die Händler in heimatlichen Gefilden eintrafen, ahnten weder Dumak, noch Nienor. Ihr Weg führte sie tiefer und tiefer in diesen seltsamen Wald, doch nicht ziellos gingen sie zwischen den Baumriesen hindurch. Dumak versprürte einen inneren Drang, einem bestimmten Weg zu folgen. Kein ausgetretener Weg, kein Pfad, nichtmal ein Wildwechsel war es, dem er folgte. Es entsprang seinen Gedanken, seinen Wünschen, eine bestimmte Richtung einzuhalten, die er sich und Nienor nicht erklären konnte. Er wußte nur, es war richtig. Und Nienor ließ sich von ihm führen, folgte ihm. Was blieb schon anderes übrig?
    Die einzigen Geräusche, die man hörte, waren das Knacken trockener Zweige unter ihren Füßen, das Rauschen des Windes über den Baumkronen und das Knarksen der Äste, wenn ebendieser Wind an ihnen rüttelte. Nichts sonst trübte die Stille. Und während sie stundenlang durch diesen immer gleichen Wald liefen, redeten sie kein Wort. Begleitet von hohen, geraden, säulenartigen Stämmen, deren rissige Rinden wie die Falten im Gesicht eines hundertjährigen Greises wirkten, setzten sie ihren stummen Weg fort. Wie lange mochte dieser Wald stehen? Wie lange schon mochte er in diesem Zustand sein, in einem Zustand der angehaltenen Zeit. Wie ein Tod, der letztendlich doch nicht eingetreten war – sterbend und doch noch lebendig. Vielleicht ließ sich das Rätsel mit Hilfe von Dumaks Traum lösen. Wenn sie den Berg mit der Burg fanden. Und in der Burg den Raum mit der Harfe.
    Den ganzen Tag waren sie gelaufen, immer unter den kahlen Ästen der knorrigen Bäume hinweg. Immer wieder mußten sie sich unter tief herabhängenden Zweigen durchschlängeln. Nur altes, dunkelgrünes Moos und graue, zerfaserte Flechten bedeckten den Boden und auch die Stämme und Äste. Dies war der einzige Schmuck, der die Bäume vor völliger Kahlheit bewahrte. Wenn man es denn so nennen wollte. Dumak hatte mehrmals versucht, ein Lied anzustimmen. Er wollte Nienor zeigen, daß er mehr drauf hatte, als sie ihm zugestehen wollte. Doch die Stimmung, die dieser düstere Wald verbreitete, war so erstickend, daß er jedesmal schon nach wenigen Silben in ein Flüstern zurückfiel und schließlich ganz verstummte. Als ob der Wald keine Unterbrechung seiner ewig währenden Ruhe dultete. Selbst sein Hund gab keinerlei Laut von sich, trottete stattdessen mit hängender Zunge und leise hechelnd neben dem Barden her. Die dunklen Augen des Tieres schauten Dumak hin und wieder an, so als wollten sie sagen »Was hast du dir hier bloß wieder eingebrockt.« Doch der Barde achtete nicht darauf.
    Am Ende des Tages, es wurde schon längst dämmrig, beschlossen die beiden, für heute auszuruhen. Dumak sammelte etwas Holz und wollte damit ein kleines Feuer anzünden, um die Kälte der Nacht zu vertreiben, doch er hatte Mühe, das Holz überhaupt zum Brennen zu bewegen. Ständig erstickten die mit viel Mühe entzündeten Flammen und nur dicker Qualm stieg noch aus dem Holzstapel auf. Das Holz wollte einfach nicht brennen, obwohl es nicht sonderlich feucht, sondern trocken und morsch war. Irgendwann packte Dumak Zunder, Stahl und Feuerstein wieder weg und ließ es sein.
    »Wir müssen ohne Feuer auskommen«, zog er ein resigniertes Resümee.
    »Was solls«, meinte Nienor nur achselzuckend. »Wilde Tiere gibt’s hier sowieso nicht.«
    »Was mögen wohl die anderen machen?«, fragte sie stattdessen leise.
    »Na das, was sie wohl jeden Abend machen: Sie pferchen die Rukhori zusammen und setzten sich an ihre Lagerfeuer.«
    »Sie werden sich ihr Holz wohl von woanders mitgebracht haben«, vermutete Nienor, denn sonst würden auch die Feuer der Thurg’arsi nicht brennen – genauso wie ihres.
    Irgendwann verstummten beide. Den Rücken jeweils an einen Baumstamm gelehnt, schliefen sie ein, eingehüllt in Decken.

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    Es war schon hell, als Nienor aufwachte. Ihr Schlaf war dank des Mittelchens, das sie von dem Heiler in Gorthar bekommen hatte, ruhig, tief und ereignislos gewesen. Dumak schlief noch. Die junge Kriegerin betrachtete den Dieb – oder war er nun wirklich ein Barde? Sein schwarzes Haar war durch die Nacht etwas ungeordnet. Gestern war es, nach hinten gekämmt und zu einem Zopf zusammengebunden, glatt gewesen. Nun waren es durch den Schlaf zerzaust und einzelne Strähnen hingen wirr und ungeordnet ins Gesicht. Das Ende des Zopfes lag auf Dumaks Schulter. Das Haar fiel nur durch einen matten Glanz auf. Die schwarze Rüstung aus Schuppen, gemacht aus Minecrawlerplatten dagegen war zwar ebenfalls schwarz, aber matt und stumpf. Kein Licht spiegelte sich in ihr wider. Das Gesicht war von Bartstoppeln umrahmt und die Augenlider zuckten unruhig auf und nieder: Dumak träumte.
    Plötzlich schlug er die Augen auf. »Können wir endlich weiter?«, grinste er.
    »Ja, sobald du endlich wach bist.« Nienor erhob sich von dem alten Baumstamm, auf dem sie saß. Von hier aus hatte sie Dumak beim Schlafen zugesehen. Ihre Habseligkeiten hatte sie schon vor einiger Zeit zusammengepackt: Die dicke, zottlige Decke und das Horn der Seeschlange. Sie hatte es unbewußt berührt, über die rauhe Oberfläche gestrichen und nach kurzer Zeit dann erst bemerkt, was sie tat. Das Horn schien eine geradezu magische Anziehungskraft auf sie auszuüben. Doch konnte sich Nienor nicht dazu durchringen, weiter darüber nachzudenken. Es war eben so. Punkt. Jeder Anflug von Unbehagen, dieses Horn, die hart umkämpfte Beute eines schwierigen Kampfes zu erklären, sich zu fragen, was daran denn so besonders sei - schließlich war es ja nur das Horn irgendeines Meeresungeheuers – wurde im Keim erstickt. Sie hatte Scheu davor, ja einen regelrechten Widerwillen dagegen, über die Bedeutung dieser Trophäe nachzudenken. Es war ihr Horn.
    Doch nun steckte es wieder im Bündel, das Nienor schulterte, lauernd, auf die nächste Geegenheit wartend, die junge Kriegerin erneut in seinen Bann zu ziehen.
    Dumak war fertig, auch er hatte nicht viel zu packen. Einige Hände voll Beeren, ein bisschen hartes Brot und ein, zwei Schlucke aus dem Wasserschlauch mußten genügen. Das war die Frühmahlzeit. Bis zum Nachmittag würde es nichts mehr zu essen geben. Schweigend machten sich beide auf. Dumak voran, denn er wußte, nein, er spürte den Weg. Von wissen konnte keine Rede sein, auch wenn er mit großer Selbstverständlichkeit durch den toten Forst ging, Bäume umkurvte, über gestürzte Baumriesen stieg, Löcher und Gräben übersprang. Nienor folgte ihm. Ereignislos vergingen die Stunden, durch das kahle Dach des Waldes drang das Licht des Tages herein, blauer Himmel war über ihnen zu sehen, durchbrochen von einigen weiß-grauen Wolkenfetzen, die ein starker Wind schnell über das Firmament trieb, einem unbekannten Ziel entgegen. Doch hier unten am Boden, unter all den Bäumen merkte man nichts vom Wind. Hier, im Wald, war es windstill. Geräusche hörte man meilenweit. Überall das Knarksen von Stämmen, das Reiben von Ästen an anderen Ästen. Zweige und kleine Äste, abgestorben und irgendwann vom Baum gefallen, raschelten unter ihren Füßen.
    Ab Mittag – jedenfalls schätzte Nienor, daß es um die Mittagszeit war – stieg das Gelände immer mehr an. Zuerst sanft, kaum merklich. Dann wurde der Waldboden immer unregelmäßiger, kleine Hügel, die sich mit steilen, grabenartigen Tälern abwechselten, erschwerten das Laufen. Doch Dumak fand unbeirrbar seinen Weg.
    »Hast du wieder geträumt, letzte Nacht?«

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    Der Barde drehte sich nicht um. »Ja, genau das Gleiche, wie die Nacht davor. Der Wald, der Berg, die Burg und die Harfe«, sagte er im Gehen und erklomm verbissen den nächsten Hang. Nienor folgte ihm, seine Trittspuren nutzend.
    »Ich glaube, wir kommen dem Berg näher. Es wird immer hügliger.«
    »Das kann alles mögliche sein. Vielleicht wird’s auch wieder eben«, antwortete Nienor.
    Doch Dumak ging unbeirrt weiter. Und wirklich, nach einiger Zeit stieg der Weg, den er nahm, merklich an, die Querrinnen und kleinen Täler ließen sie hinter sich und liefen nun in Serpentinen einen langen Hang hinauf. Das Ende war nicht abzusehen, denn nach einer gewissen Entfernung war der Horizont von Baumstämmen ausgefüllt, nahen und fernen. Überall sah man die Stämme. Dumak blieb kurz stehen und kniff die Augen zusammen, so daß die Wahrnehmung der Entfernung verschwunden war. Jetzt sah der Wald aus, als würden die Stämme in einer Reihe stehen, einen mächtigen Zaun bilden. Er lief weiter. Dicht hinter ihm Nienor.
    Einige Stunden später, es war mittlerweile Nachmittag, lichtete sich der Wald plötzlich. Sie waren die letzte Zeit ununterbrochen bergauf gelaufen, so daß sie nun schon eine beträchtliche Höhe erreicht haben mußten. Jetzt, da der Wald zurückgetreten war, machte er einer verdorrten Wiese Platz, die den restlichen Hang bedeckte. In weiter Ferne sah man auf der Bergspitze dunkle Felsen. Oder waren es Mauern?
    »Da, siehst du? Ich wußte, daß ich recht habe«, meinte der Barde triumphierend. Sein Hund, der die beiden still begleitet hatte, hob stolz den Kopf.
    »Ich habe nie daran gezweifelt«, antwortete Nienor mit einem Lächeln. Der Hund legte den Kopf schief, andte sich dann um und trabte weiter.
    Und Dumak stieg ebenfalls weiter den Berg hinauf. Die Wiese wurde steiler, zwischen den horstartigen Grasbüscheln suchte sich der Barde seinen Weg. Felszacken ragten hier und da empor, umrahmt von Büscheln alten Grases. Dazwischen immer wieder offene Flächen, bedeckt mit Felsschutt. Hin und wieder löste sich ein Stein, wenn ihn der Tritt eines der beiden Wanderer berührte und polterte ein paar Schritte hinab, ehe er vom nächsten Grasbüschel aufgehalten wurde. Hier und da wurde auch eine kleine Lawine draus, durch die sich kleinere Schuttpartieen nach unten schoben, ehe sie wieder zum Stillstand kamen. Staub stieg auf und wurde langsam hinweggetragen. Es war ein unwirkliches Szenario. Hoch über ihnen die Wolken, schnell hinfortgeschoben von starken Winden, doch hier unten blies keine frische Böe, es war so gut wie windstill. Die Staubwolken hinter den beiden lösten sich deswegen nur langsam auf.
    Immer steiler wurde der Anstieg. Schon nahm Dumak die Hände zum Klettern hinzu. Trotz der erhöhten Schwierigkeit beim Klettern wurde er nicht langsamer. Im Gegenteil, die Nähe seines Ziels hatte wohl beflügelnde Wirkung auf ihn. Eine fast magisch erscheinende Anziehungskraft wirkte auf ihn ein und zog ihn mit aller Macht weiter. Nienor hatte Mühe, sein hohes Tempo zu halten.

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    Schließlich hielt sie inne. »So warte doch.« Doch Dumak setzte seinen Weg fort. Fast schon besessen suchte er nach dem Aufgang, kämpfte sich zwischen Felsen und Geröllhalden nach vorne, krallte sich an großen Steinen fest, wenn er den Halt verlor und wieder einmal der Felsschutt unter seinen Füßen den Hang hinab glitt, durch seine Tritte in Bewegung gebracht. Nienor sah, daß es keinen Sinn hatte, stehenzubleiben. Er würde ja doch weitergehen. Und tatsächlich, die Felszinnen an der Spitze des Berges waren schon viel näher gerückt. Es konnte wirklich nicht mehr weit sein. So raffte sie sich denn auf und folgte dem Barden, der fast schon fanatisch anmutete in seinem Bestreben, die Spitze des Berges zu erreichen. Nur wenige Minuten waren vergangen, so erschien es Nienor, und tatsächlich hatte es nicht mehr lange gedauert, und die beiden Wanderer standen vor den Felsenzinnen, die den Berg krönten.
    Doch wie nun hinaufgelangen? Ein Seil hatten beide nicht. Dumak versuchte, an den Felsen hochzuklettern, doch die Oberfläche war zu glatt.
    »Da, ein Felskamin!« Nienor hatte einen Riß entdeckt, der sich nach oben durch den Felsen zog, groß genug, um sich darin nach oben zu schieben. Und so geschah es denn auch. Unter großen Mühen gelangten die beiden Suchenden so durch diesen Felsenschlot hinauf auf das Plateau auf der Bergspitze. Zuvor hatte Dumak dem Hund noch einmal über das Fell gestrichen und ihm unterm Kinn gekrault. »Du wirst hier bleiben müssen, es sei denn, dir wachsen Flügel«, meinte er. Als ob der Hund verstanden hätte, setzte er sich hin und gab keinen Mucks von sich.
    Die beiden begannen, zu klettern. Tastend griff die Hand der jungen Frau nach einem Halt, fand ihn an einer Fels- oder Mauerkante, die Kriegerin zog sich daran nach oben, erreichte die Ebene auf dem Berg. Nachdem sie ihren Körper aus der senkrechten Felsspalte gezogen hatte, half sie Dumak, nach oben zu gelangen, streckte ihren Arm aus und bot ihm ihre Hand. Doch der Barde kam ganz gut zurecht mit dem Klettern, er benötigte ihre Hilfe gar nicht.

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    So standen denn beide auf dem Platz einer ehemaligen Burg oder eines ähnlich befestigten Ortes.
    »Wie in meinem Traum, ganz genau so!«, rief Dumak überrascht und stürzte los.
    Nienor konnte ihn nicht zurückhalten. Schon war er losgerannt. Der Barde suchte den Raum, der ihm im Traum erschienen war. Doch vorerst kam er an Ruinen vorbei, die die Fläche füllten, jedoch in ihm kein Erkennen auslösten. Brüchiges Mauerwerk, am Fuße umwuchert von Grasbüscheln, die hier noch grün waren. In den ausgehöhlten Fugen, die oftmals geteilt waren durch tiefe Risse und Scharten, wuchsen ebenfalls Gräser, Blumen und kleine Bäume. Eine junge Birke – oder war sie alt, nur ließ ihr Standort kein größeres Wachstum zu? – klammerte sich mit mehreren Wurzelausläufern um einen Stein. Gepeitscht vom Wind, der hier oben herrschte. Denn die Windstille am Berghang war hier Vergangenheit, hier oben auf der Bergspitze, auf den Felsterrassen der Burg pfiff ein kalter Wind, der alles, was ihm nicht widerstand, kämmte. Die langen Halme der Gräser nickten im Takt nach Nordwesten, in Windrichtung. An scharfen Graten der Mauern brach sich der Wind und mit einem monotonen Pfeifen, daß je nach momentaner Kraft des Luftzuges lauter und leiser wurde, beschwerte er sich über die Hindernisse, die ihm zu trotzen wagten.
    Dumak interessierte dies jedoch nicht. Er streifte weiter durch die Mauern, erklomm alte Treppen, deren Stufen seit langem schon verrutscht und geborsten waren. Auch hier wuchs Gras zwischen den Absätzen. Die Natur holte sich wieder, was ihr einst genommen worden war. Hohle Fensteröffnungen lugten wie blinde Augen in die Landschaft. An einer Mauer, sie stand noch vielleicht zwei Stockwerke hoch, waren die Fensteröffnungen zu Paaren gruppiert, flankiert von den Resten kunstvoller Steinmetzarbeiten. Man sah Halbrundsäulen, Andeutungen von Kapitellen und Säulenfüßen. In der Mitte der Doppelfenster jeweils eine gedrehte säule, deren spiralförmig umeinander gewickelten Stränge elegant nach oben strebten. Doch kein Saal, kein Zimmer, keine Kemenate befand sich noch hinter den Fenstern, nur leere Hüllen waren die Mauern noch.
    Weiter hinten gähnte dunkel eine Toröffnung. Schwärze strömte förmlich aus ihr heraus. Über dieser Tür bauten sich noch Felsen auf, darauf weitere Mauerreste. Links ein Turm, nein eigentlich nur noch ein halber Turm, denn die Rundung der Mauer war jäh unterbrochen, fiel nach außen hin ab und in den gezackten, durch die natürlichen Flächen der Mauersteine vorgegebenen Grenzflächen des Mauerabrisses wuchsen auch wieder Gräser und Kräuter. Hier und da hingen die Blätter der Pflanzen von ihren Wuchsorten herab, bedeckten die Mauern. Im Windschatten bewegten sie sich nicht einmal, woanders wurden auch sie vom Wind erfaßt und durchgeschüttelt.
    Doch da war noch das Loch, das in unbekannte Kellertiefen führte. Zögernd stand der Barde davor. Bis Nienor aufschloß.

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    »Na, was ist?«, fragte die Kriegerin. »Hast du etwas entdeckt?«
    Dumak wies stumm mit einem Kopfnicken auf die Öffnung. »Dort muß es sein. Ich fühle es.«
    Nienor machte sich wortlos auf, in den schwarzen Schlund zu treten. Worauf noch warten? Sie wollten wieder zurück sein, so schnell es ging. Zögernd folgte Dumak. Mit etwas Mühe entzündeten die beiden eine Fackel, die Nienor voran trug. Muffig roch es, hier hatte sich über lange Zeit Regenwasser gesammelt und waren Pflanzenteile verrottet. Und wer weiß, was noch. Der Wind war draußen geblieben. Stille umfing sie. Das Knistern der Fackel war zuerst das einzige Geräusch. Hinzu kamen die Schritte der beiden Besucher. Dunkle Wände, rußgeschwärzt? Ein langer Gang, viele Schritte waren sie schon gegangen, nichts hatte sich geregt und noch führte der Gang geradeaus.
    Nienor blieb stehen. Eine Treppe, schwach erkannte man die Stufen, die nach unten führten, im flackernden Licht der rußenden Fackel. Vorsichtig suchte sie sich ihren Weg die brüchigen Treppenstufen hinab. Kein Geländer an der Wand, das dem Lauf der nach unten gewundenen Treppe nachlief. Langsam tasteten sich die beiden an den feuchten Wänden entlang nach unten. Beklommen war ihnen zu Mute, auch wenn sie kein Geräusch, außer ihren eigenen hörten. Niemand war hier. Wirklich?
    Die Treppe endete, ein neuer Gang, diesmal nicht gemauert, sondern in Fels gehauen erstreckte sich vor ihnen. Wie weit? Keine Ahnung, das Licht der Fackel reichte nur wenige Armlängen. Danach verlor sich wieder alles in finsterster Schwärze. Doch einen anderen Weg gab es nicht. Was mochte wohl am Ende des Ganges sein? Die Besucher gingen weiter, vorsichtig Schritt vor Schritt setzend. Der Boden war eben, doch konnte er auch plötzlich durch Spalten oder weitere Treppenabsätze unterbrochen werden. Nach kurzer Zeit erreichten sie einen runden Raum, nicht groß, doch weit genug, daß in seinen Wänden die Öffnungen von mehreren Gängen Platz hatten.
    »Wo entlang?«, fragte Nienor.
    Der Barde wies mit sicherer Hand, ohne daß er wußte, weshalb, einen Gang leicht links. Die Kriegerin ging weiter.
    »Hast du das eben auch bemerkt?«, flüsterte sie dem Barden hinter sich zu.
    »Den Lufthauch?«, flüsterte der zurück. »Ja.«
    Nienor drehte sich um, um noch etwas zu sagen. Doch stattdessen schrie sie auf und ließ die Fackel fallen. In ihren schreckgeweiteten Augen spiegelte sich das Fackellicht wider. Und noch etwas anderes...

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