[MisterMeister]

Ich sank zitternd in eine dunkle Ecke.
Habe ich ihn abgehängt?
"Hallo"
ich sprang auf, und blickte zur Decke. Dort oben hing eine bleiche Gestalt in einem schwarzen Umhang. Ich flüchtete mich in den nächsten Raum und wollte schreien, doch eine starke Hand presste sich auf meinen Mund. Ich sah die langen, spitzen Fingernägel meines Verfolgers. Langsam senkte er den Kopf und kratzte mit seinen Zähnen an meinem Hals. Mir lief ein Schauer über den Rücken. Ich wahr völlig erstarrt vor Angst. Die geflüsterten Worte erreichten mich nur noch schwach:
"Lobarts Hof."
Dann schlug er seine Zähne in meine Kehle. Ein Schmerz kroch in meinen Schädel und drohte ihn zu sprengen. Es war, als würden tausend Pferde mit vereinten kräften gegen meinen Kopf treten. Die Umgebung verschwamm, wurde wieder scharf und wechselte die Farben. Dann sah ich einen grellen Lichtblitz und sank zurück.




Langsam öffnete ich die Augen. Jemand sprach zu mir.
"Mensch, Tan, du warst mindestens eine Stunde weg! Ich hatte Angst!"
"Melwin...?"
"Ja, Melwin. Aber was ist denn passiert? Ich mach mal das Fenster auf, hier sieht man ja gar nichts."
Als er die Läden aufstieß und das Sonnenlicht mich erreichte, war es, als würden sich tausend Nadeln in mein Herz bohren. Mit einer plötzlichen Kraft sprang ich auf und stieß die Läden zu.
"Tu das nie wieder!"
fauchte ich.
"Tan...?"
Verwirrt machte Melwin sich wieder auf den Weg zum Fenster.
"Ich glaube wirklich, dass du..."
Ich hatte ihm am Hals gepackt und hob ihn nun hoch.
"Nie wieder!"
stieß ich hervor.
Dann warf ich ihn in die Tür, die krachend aus den Scharnieren flog.
Eine Klarheit erfüllte mich. Ich wusste plötzlich alles, was ich wissen musste. Ich wusste was ich war. Was die Gestalt aus mir machte. Was ich bis zu meinem Tod und darüber hinaus sein würde:
Ein Vampir.
Die Worte meines jetzigen Meisters hallten in meinem Kopf nach.
"Lobarts Hof."
Doch erstmal wollte ich schlafen. Ich schloss die Tür ab, verriegelte die Läden und legte mir Gugel und Umhang bereit. Dann schmiss ich mich aufs Bett, und schlief ungewöhnlich schnell ein.

[MisterMeister]

Mein Meister, Carl, blieb vor einer großen, eisenbeschlagenen Tür stehen.
"Das ist der Ausbildungsraum. Er ist in drei Kategorien geteilt:
Magie, Fliegen, Sonstiges. Hast du den Ablauf noch im Kopf?"
Ich nickte.
"Ja, Meister. Ich geh darein, und spreche mit Meister Igal, dem Magielehrer. Er wird mich ein wenig lehren und mir dann eine Prüfung geben."
"Genau."
bestätigte Carl.
"Und jetzt rein da!"
Er legte die Hand auf eine kleine Silberplatte, sprach ein merkwürdiges Wort, und die Tür sprang auf."
Ich ging in den raum, und die Tür schloss sich wieder.
Wie angewurzelt blieb ich stehen. Der Raum war gigantisch! Genau, wie Meister Carl es gesagt hatte, war der Raum in drei Bezirke geteilt, die jeweils durch ein Schild gekennzeichnet waren. Ich machte mich auf den Weg in die Abteilung, über deren Tür "Magie" stand. Drinnen wurde ich von einem alten, düster dreinblickendem Mann empfangen.
"Da bist du ja endlich! Setz deinen müden Arsch da hin!"
er wies mit der rechten auf einen alten Stuhl.
"Ja, natürlich..."
Unerwartet wurde Igal rot im gesicht.
Dann schrie er los.
"DAS HEIßT VERDAMMT NOCHMAL 'HOCH VEREHERTER MEISTER'! PRÄG DIR DAS GEFÄLLIGST EIN, ODER ICH WERDE DIR EINEN TASHI DURCH DEIN MÜDES HIRN JAGEN!"
Wärend der Standpauke sank presste ich mich in meinen Stuhl zurück.
Jetzt, da er drohte zu kippen, setzte ich mich wieder vernünftig hin und sprach.
"Jawohl, Mei... Hoch verehrter Meister. Wenn ihr erlaubt zu fragen, was ist ein 'Tashi'?"
Igal hatte sich wieder ein wenig beruhigt.
"Ein Tashi ist ein leichter Kampfzauber. Den wirst du jetzt auch zuerst lernen. Du kennst die Grundlagen der Magie?"
Erfreut darüber, dass ich auch etwas wusste, dass mir helfen könnte, machte ich den Mund auf.
"Jawohl, hoch verehrter Meister. Man muss sich konzentrieren und darf sich nicht ablenken lassen. Man muss das Ziel mit den Augen fixieren, und dann muss man seine gedanken bündeln und mit dieser Kraft den Zauber betätigen."
Igal war beeindruckt.
"Beeindruckend... Ich habe von so einem kleinen Hosenscheißer wie dir weniger erwartet, aber da du das alles schon kannst, gehen wir gleich zur Praxis über. Siehst du die Scheibe da? Ja? Gut. Schieße einfach so viele Tashis darauf, wie du kannst!"
"Aber wie..."
"Du hast es doch gerade selber erklärt."
Ich wandte mich der Scheibe zu. Dann wies ich leicht mit der Hand auf die Scheibe und schloss die Augen. In meinen Gedanken war es, als würde ich ins Meer gucken. Dann wurde das Bild langsam scharf, und ich konzentrierte mich darauf.
Das kennst du doch... Das kennst du... Hanna?! Verdammt nochmal, konzentrier dich, Tan!
ich versuchte alle unnützen Gedanken auszuschließen, und konzentrierte mich immer mehr auf den Zauber. Dann geshah es:
Ein kribbeln zog sich in meine Hand und wurde dort immer stärker. Dann wurde sie ganz heiß und schließlich verbreitete sich dort ein unbeschreibliches Gefühl. Dann schoss eine lilane Kugel aus meiner Hand, und landete auf der Scheibe. In einem grellen Lichtblitz explodierte der Tashi.
Die Scheibe warf Blasen, stand aber noch.
Das gleiche wiederholte ich noch zwei mal, dann sank ich völlig erschöpft in mich zusammen.
Igal erschien über mir.
"Gut gemacht, Tan. Wir werden deine geistige Kraft noch stärken, und auch wirst du neue zauber lernen. Doch jetzt geh zurück zu deinem Meister!"
Dankbar erhob ich mich und ging davon.

[MisterMeister]

Wie ein Offizier maschierte Igal auf und ab.
"Frage Nummer eins:
Was ist ein Ibemium?"
wollte er von mir wissen.
"Ein Ibemium ist ein mitelstarker Kampfzauber, der große Anstrengung erfordert!"
Ich kam mir ein wenig wie bei der Miliz vor.
"Frage Nummer zwei:
Kannst du es schaffen?"
"Jawohl, hoch verehrter Meister!"
"Gut dann wehre dich gegen die drei Untoten dort."
Er wies mit der linken auf einen Käfig, in dem drei vermoderte Kerle an den Gitterstäben rüttelten.
"Sie sind lahm, aber zäh."
erklärte mein Meister.
"Und nochwas: Benutzt du in dieser Prüfung etwas anderes als Magie bist du durchgefallen!"
Damit stieg er in einen großen Käfig und schloss von innen ab. Mit einem Hebel öffnete er das Gitter und die Untoten taumelten aus ihrem Gefängniss. Nach einer halben Minute rumstehen kamen sie auf mich zu. Ich richtete die rechte auf den ersten Zombie und feuerte einen Ibemium ab. Eine gelbe Kugel schoss aus meiner Hand und verursachte auf der Brust des Untoten eine Detonation, die nicht von schlechten Eltern war. Dem anderen schoss ich einen Tashi in die Magengegend. Der Zombie taumelte nach hinten, stand aber noch. Ich entschloss mich für einen zweiten Tashi. Er traf fast die selbe Stelle wie der erste, und der Zombie sank schlaff in sich zusammen. Für den dritten hatte ich meinen trumpf aufbewahrt:
Ich nahm eine Verwandlung vor und krabbelte als Wühlmaus zwischen den Beinen meines Gegners her. Hinter seinem Rücken verwandelte ich mich wieder zum Vampir (Ich hatte inzwischen Flügel, die mir aber recht wenig nützten, da ich nicht fliegen konnte. Wenigstens sahen sie beeindruckend aus.) und feuerte ihm einen Ibemium in den Rücken. Der Zombie verlor den Halt und fiel vorn über. Er überschlug sich und schlitterte einige meter über den Boden. Direkt vor Igals Käfig kam er zum stehen. Igal klatschte in die Hände.
"Bravo, Bravissimo! Mit viel Bravur wirst du eingehen in die Geschichten und... ähm... Naja jedenfalls bist du gut."
Lächelnd und erschöpft machte ich mich zu Carl auf.

[MisterMeister]

Gelangweilt ließ ich an der Scheibe Flammen hochzüngeln.
Einige Monate waren seit der Probe mit den Untoten vergangen, und Igal sagte mir, ich hätte erstaunlich viel gelernt.
Jetzt hatte er mir die achte Übungsscheibe vorgesetzt (alle anderen waren entweder pulverisiert, verkohlt, oder verbogen.).
Mit einem leisen Knall zersprang auch diese Scheibe.
Kopfschüttelnd trat Igal vor.
"Ich glaube, ich bringe dir jetzt einen starken Zauber bei."
Mit einer Handbewegung unterdrückte er mein Gemecker.
"Ich meine einen wirklich starken. Einen, der sogar einen Drachen ins Wanken bringt."
"Macht das nicht schon das hier?"
Mit einer beiläufigen Handbewegung feuerte ich einen schwarzen Blitz aus meiner Hand, den ich aber sofort wieder unschädlich machte.
Zauber waren eigentlich wie Dämonen. Man konnte sie beschwören, und entlassen.
Igal lächelte.
"Mit einem Najb willst du einem Drachen entgegentreten? Das würde ich dir nicht mal empfehlen, wenn du als Mittagsessen dienen willst."
Er gluckste vergnügt.
"Nein, ich meine so etwas."
Er hob die Hand und murmelte ein paar Worte.
Eine unsichtbare Kraft erfasste mich, und schleuderte mich quer durch den Raum.
Noch im Flug aktivierten sich der Schutzzauber, den ich beschworen hatte:
Ein Funkenschwarm bildete sich um mich, fing den Sturz ab, und verschwand wieder, als er merkte, dass die Luft rein war.
Verblüfft trat ich wieder zu Igal.
"Man muss eine Formel sprechen?"
Eine Formel wurde nur bei sehr mächtigen Zaubern verwendet.
Sie unterwarfen den Zauber seinem Willen, denn wirklich starke Zauber konnten sich ohne Formel nicht lenken.
"So ist es. Und die Formel wirst du dir jetzt merken. Also höre zu!
Sie lautet:
Gow el Emia'j"
Ich wiederholte die Formel.
"Gow el Emia'j... Ups."
Ein Tisch flog durch das Zimmer, krachte gegen die Wand und zerbarst in tausend Stücke.
Mit hochrotem Kopf funkelte Igal mich an.
"DU IDIOT! AM LIEBSTEN WÜRDE ICH DIR DEN HALS UMDREHEN!"
Ich wich einen Schritt zurück.
Igal sah mich an.
"Aber ich habe eine bessere Strafe..."

Verdammter Igal!
Wütend musste ich zusehen, wie das Wasser stieg.
Man hatte mich in einen kleinen Raum gesperrt, unter dem ein Fluss verlief.
Das Wasser sprudelte langsam, aber unaufhaltsam aus dem Loch in dem Boden.
Vielleicht...
Ich sann nach einem passendem Zauber.
Eine Verdichtung schien angebracht.
Sie verdichtete Gegenstände und Personen zu einem Klumpen. Man konnte sie auch auf ein gewisses Gebiet beschränken.
Aber es war aussichtslos.
Ich war mit den Händen gefesselt, sodass ich sie nicht bewegen konnte.
Für Zauber war immer eine passende Handbewegung erforderlich, zumindest für welche, die auch nur halbwegs brauchbar waren.
Ich dachte nach.
Plötzlich kam mir ein Einfall.
Als das Wasser mir schon bis zum Kinn reichte, gab ich einen Gedankenbefehl.
Eine kleine Flamme bildete sich um meine Hand und verbrannte das Seil. Auf der anderen Hand bildete sich noch eine Flamme - Ich war frei.
Denkste.
Inzwischen musste ich schwimmen.
Ich stieß mit dem Kopf schon gegen die Decke.
Um mehr Zeit zu gewinnen legte ich den Kopf in den Nacken.
Eine Spinne war meine Rettung:
Ihr Körper erinnerte an den eines Goblin.
Ein Goblin erinnerte mich an Nudio.
Nudio war mein erstes beschworenes Wesen, ein Feuergoblin.
Ich rief mir den Befehl ins Gedächtnis, machte die passende Handbewegung - Dort wo Nudio erschien verdampfte das Wasser.
"Zu Befehl."
Ich war froh, dass es geklappt hatte.
Nudio sackte immer Tiefer, das Wasser, das über ihm einschlug, verdampfte.
Schließlich war der Kerker bis auf ein paar Pfützen leer.
Ich wirkte eine Verdichtung auf das Loch im Boden, welches sich augenblicklich zusammen zog.
Danach erteilte ich Nudio den Befehl zu verschwinden, und legte mich hin.



Als ich Schritte auf der Treppe hörte, hob ich die Verdichtung auf, beschwor eine kleine Welle und versuchte, möglichst erschöpft auszusehen, während ich mich an den Schöpfeimer begab.
Der Wärter entließ mich.