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    Deus Avatar von John Irenicus
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    Post [Story]Das Geheimnis von Haus Kastaroth




    Du weißt nicht, wie es dazu gekommen ist, dass Du Dich nun allen Ernstes in einem viel zu engem Kleiderschrank im Dunkeln vor einer Bestie versteckst, die Du zuvor noch nicht einmal mit eigenen Augen gesehen hast, doch der schwefelige Gestank und das Geräusch sich aneinander abschleifender Zähne ist für Dich Grund genug und ersetzt jede weitere Erklärung. Du bist Dir sogar nicht einmal sicher, dass dieser Geruch und diese Schleifgeräusche wirklich da sind, aber allein die Möglichkeit, dass sie da sein könnten, dass es da sein könnte, hat für Dich ausgereicht, Dich zwischen übergroßen Frauenkleidern und abgetragenen Damenhauben in vermeintliche Sicherheit zu bringen. Deinem Gefühl nach steht das Biest ganz in der Nähe des Schranks. Deine Brust schmerzt bereits von den Mühen, Deine Atmung möglichst flach und geräuschlos zu halten. Eine Erinnerung aus Deiner Kindheit kommt in Dir hoch, wie du Dich nachts vor einem Ungeheuer versteckt hieltest, in eben so einem Kleiderschrank, bis Du ganz erschöpft vor Angst eingeschlafen warst und Dich Deine Eltern am nächsten Morgen, kalt und blass, aber vom Ungeheuer verschont, fanden.
    Doch für Erinnerungen hast Du jetzt keine Zeit. Das, was dort draußen in diesem Herrenhauszimmer lauert, ist kein harmloser Spuk, sondern ein Wesen, welches bereits drei andere Gäste dieses Hauses verschlungen hat – und Du sollst der nächste sein.
    Jetzt hörst Du auch die Schritte, spürst die trügerisch sanften Erschütterungen von mächtigen Klauen auf dem Boden, auf denen sich das Biest fortbewegt. Du kannst es nicht mit Sicherheit sagen, glaubst aber, dass es sich auf den Schrank, in dem Du steckst, zubewegt. Du musst handeln. Deine schwitzigen Hände streifen ein besonders großes Frauenkleid – vermutlich Umstandskleidung – neben Dir. Bei all den sirrenden Gedanken in Deinem Kopf, angetrieben durch das Pochen Deines Herzens, erkennst Du zwei realistischerweise mögliche Alternativen. Du könntest versuchen, in einem Überraschungsmoment aus dem Schrank herauszuspringen und das Kleid zur Ablenkung über das Haupt dieser Bestie zu werfen, um so aus dem Zimmer zu entkommen und Hilfe zu holen – oder Dich zumindest an einem geeigneteren Ort zu verschanzen. Genau so gut, und dieser Gedanke ist für Dich sehr verlockend, könntest Du einfach stillhalten und warten, bis das Biest – welches Dich offenbar noch nicht bemerkt hat – wieder aus dem scheinbar menschenleeren Zimmer abzieht. Sollte das Biest allerdings doch den Schrank öffnen, so wirst Du, so jedenfalls Deine Einschätzung, keine Chance mehr haben, zu entkommen – Kleid hin oder her. Das Abwarten im Schrank erscheint Dir also fast noch riskanter. Andererseits, wenn das Biest tatsächlich wieder abziehen würde, bliebe Dir eine Verfolgungsjagd durch das ganze Haus erspart…
    Du hörst noch einmal zwei weitere Schritte und ein Schnauben. Dein Herz klopft dir bis zum Halse, Du musst jetzt eine Entscheidung treffen, denn sonst wirst du keinen Überraschungsmoment mehr ausnutzen können. Du…

    … ergreifst das Kleid neben Dir und springst brüllend aus dem Schrank heraus. (→ Post 2)

    … wartest darauf, dass sich die Bestie wieder verzieht. (→ Post 3)
    Geändert von John Irenicus (24.08.2019 um 15:41 Uhr)

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    Du ergreifst das Kleid neben Dir und springst brüllend aus dem Schrank heraus. Doch noch bevor Du einen Blick auf das lauernde Untier erhaschen kannst, legt sich der blassgrüne Stoff des Frauenkleids um Dein eigenes Gesicht, raubt Dir den Atem und bringt Dich zu Fall. Das Letzte, was Du spürst, sind die haarigen Pranken des Ungeheuers, die sich um Deinen Hals legen.

    Und dann wachst Du auf. Du schnappst nach Luft und hast noch den Geruch der Bestie in der Nase, der sich alsbald als der Geruch Deiner eigenen Behausung herausstellt. Die haarigen Pranken des Ungeheuers wiederum entpuppen sich als die Barthaare einer vorwitzigen Ratte, die sich über die Bettdecke einen Weg bis hin zu Deinem Gesicht gebahnt hat und nun alarmiert die Schlafstatt verlässt, um Dich zunächst einmal aus sicherer Entfernung unter dem Schutz des kleinen Esstischchens zu beobachten.
    Du beruhigst Dich relativ schnell wieder, der Albtraum zerrinnt wie Sand zwischen Deinen Fingern. Du bemerkst, dass Du im Schlaf geschwitzt hast, obwohl der Ofen an der gegenüberliegenden Wand nicht einmal mehr glimmt und die Winterkälte sich im Haus breit gemacht hat. Die nachlässig geschlossenen Vorhänge Deiner Fenster lassen graues Licht herein, es ist Zeit für Dich, aufzustehen. Die Ratte unter dem Esstisch lässt Dich allerdings irgendwie nicht mehr los. Dein Blick geht zum Schwert Deines Großvaters, welches Du an der Ostseite des Raumes an der Wand aufgehangen hast. Du hast es lange nicht mehr benutzt – und noch nie in echten Kampfhandlungen – aber Du glaubst, dass es ein Leichtes für Dich wäre, mit dem Schwert die unvorsichtige Ratte zu erschlagen. Du hast nichts Persönliches gegen die Nager, hältst es aber für fahrlässig, in Zeiten, in denen Du von Deinen knappen Ersparnissen leben musst, einen verfressenen Schädling bei Dir im Hause zu dulden. Andererseits hältst Du es für ebenso unklug, Dich in Deinen verschwitzten Schlafklamotten im kalten Haus auf Rattenjagd zu machen. Es wäre, so glaubst Du, also durchaus vernünftig, wenn Du Dir zunächst einmal andere Sachen anziehen würdest. Nach kurzem Überlegen entscheidest Du Dich dafür…

    … Dir zunächst einmal etwas anzuziehen und Dich erst danach um die Ratte zu kümmern. (→ Post 4)

    … das Schwert von der Wand zu holen und der Ratte sofort den Garaus zu machen, solange Du noch Gelegenheit dazu hast. (→ Post 5)

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    Du wartest darauf, dass sich die Bestie wieder verzieht. Nachdem Du ein aggressives Schnauben des Untiers hörst, wird Dir allerdings schnell klar, dass das keine so gute Idee gewesen sein kann. Du willst Dich schnell noch umentscheiden und Dir das Kleid oder irgendetwas anderes greifen, dem Du in der Panik habhaft werden kannst, doch dann werden die Schranktüren schon aufgerissen, ein Grollen ertönt und ein helles, blendendes Licht blitzt auf. Du versuchst vergeblich, noch weiter in den Schrank hinein zu flüchten, fällst dabei aber irgendwie auf den Bauch, und alles um Dich herum wird dunkel. Das Letzte, was Du spürst, sind die haarigen Pranken des Ungeheuers, die sich um Deine Füße legen, um Dich mit den Beinen voran aus dem Schrank zu ziehen.

    Und dann wachst Du auf. Du schnappst nach Luft und hast noch den Geruch der Bestie in der Nase, der sich alsbald als der Geruch Deiner eigenen Behausung herausstellt. Die haarigen Pranken des Ungeheuers wiederum entpuppen sich als die Barthaare einer vorwitzigen Ratte, die am unteren Ende des Bettes neugierig Deine Füße beschnuppert hat und nun alarmiert die Schlafstatt verlässt, um Dich zunächst einmal aus sicherer Entfernung unter dem Schutz des kleinen Esstischchens zu beobachten.
    Du beruhigst Dich relativ schnell wieder, der Albtraum zerrinnt wie Sand zwischen Deinen Fingern. Du bemerkst, dass Du im Schlaf geschwitzt hast, obwohl der Ofen an der gegenüberliegenden Wand nicht einmal mehr glimmt und die Winterkälte sich im Haus breit gemacht hat. Die nachlässig geschlossenen Vorhänge Deiner Fenster lassen graues Licht herein, es ist Zeit für Dich, aufzustehen. Die Ratte unter dem Esstisch lässt Dich allerdings irgendwie nicht mehr los. Dein Blick geht zum Schwert Deines Großvaters, welches Du an der Ostseite des Raumes an der Wand aufgehangen hast. Du hast es lange nicht mehr benutzt – und noch nie in echten Kampfhandlungen – aber Du glaubst, dass es ein Leichtes für Dich wäre, mit dem Schwert die unvorsichtige Ratte zu erschlagen. Du hast nichts Persönliches gegen die Nager, hältst es aber für fahrlässig, in Zeiten, in denen Du von Deinen knappen Ersparnissen leben musst, einen verfressenen Schädling bei Dir im Hause zu dulden. Andererseits hältst Du es für ebenso unklug, Dich in Deinen verschwitzten Schlafklamotten im kalten Haus auf Rattenjagd zu machen. Es wäre, so glaubst Du, also durchaus vernünftig, wenn Du Dir zunächst einmal andere Sachen anziehen würdest. Nach kurzem Überlegen entscheidest Du Dich dafür…

    … Dir zunächst einmal etwas anzuziehen und Dich erst danach um die Ratte zu kümmern. (→ Post 4)

    … das Schwert von der Wand zu holen und der Ratte sofort den Garaus zu machen, solange Du noch Gelegenheit dazu hast. (→ Post 5)

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    Nach kurzem Überlegen entscheidest Du Dich dafür, Dir zunächst einmal etwas anzuziehen und Dich erst danach um die Ratte zu kümmern. Nachdem Du Dich aufgesetzt hast und einen kleinen Schwindel der noch nachklingenden Schlaftrunkenheit abgeschüttelt hast, fühlst Du Dich in Deiner Entscheidung nur bestätigt. Die Kälte des Fußbodens beißt sich geradezu in Deine Fußsohlen, als Du zu Deinem Kleiderschrank herüber tapst. Dein Blick geht noch einmal zur Ratte unter dem Esstisch, die angespannt wirkt, aber in ihrer Position verharrt. Dann betrachtest Du noch einmal das Schwert an der anderen Wand. Schwer, noch gut geschliffen, alles in allem aber viel weniger wertvoll, als es den Anschein macht. Für die Rattenjagd, denkst Du Dir, ist später noch Zeit.
    Du klappst die Tür des Kleiderschranks auf, sie knarrt. Das dunkle Holz, so bemerkst Du rasch, hat die Winterkälte nicht abschirmen können, und so bist Du gezwungen, eine klamme Hose und ein ebenso klammes Hemd anzuziehen. Indes: Der Kleidertausch tut Dir gut, und wie Du Deine Schlafklamotten nachlässig auf Dein Bett wirfst, fühlst Du Dich beinahe richtig fit für den Tag. Du kramst noch Deine Schuhe unter dem Schrank hervor. Sie sind ausgelatscht und kalt, aber es ist das einzige unbeschädigte Paar, das Du besitzt. Du schlüpfst hinein und gehst ein paar Schritte hin und her, sodass das Gefühl in Deine kalten Füße zurückkehrt.
    Du fühlst Dich nun bereit, die Sache mit der Ratte anzugehen. Bei einem Blick unter den Esstisch bemerkst Du jedoch, dass sich das Tier irgendwohin verzogen hat. Weil Du nicht glaubst, dass der Nager durch irgendeine Ritze das Haus verlassen hat, willst Du Dich auf die Suche begeben – als es plötzlich an Deiner Tür klopft.
    „Die Post ist da!“
    „Ich komme!“, rufst Du etwas genervt, aber dennoch froh darüber, Dich wenigstens schon einmal angezogen zu haben.
    „Mach schnell, ich will nicht so lange hier draußen in der Kälte stehen, da frieren mir die Ei…“
    „Ich bin doch schon da“, unterbrichst Du, während Du Deine Haustür aufmachst. Draußen erblickst Du, wie erwartet, Ronald, den Postboten. Eine hochaufgeschossene, schlaksige Gestalt mit der Schärpe eines königlichen Angestellten und der klassischen Mütze eines Postmanns. Seit dem Ende des Orkkriegs hat sich viel verändert, manche Dinge aber sind immer noch genau so wie vor Jahrzehnten.
    „Ronald, was gibt es für mich, hoffentlich nichts, was mich Gold kostet?“, fragst Du, mit Humor im Tonfall, aber Befürchtungen im Inneren. Seit Deine Arbeit mehr oder weniger zum Erliegen gekommen ist – im Grunde hat sie ja nie richtig Fahrt aufgenommen – lebst Du so knapp bei Kasse, dass selbst die kleinsten Unkosten Dich über den schmalen Grat hin zur Bettelarmut treiben könnten.
    „Kam von außerhalb des Einzugsgebiets Vengard rein“, erklärt Ronald und reicht Dir einen Umschlag, der so weiß ist wie der Schnee, der die Straßen und Häuserdächer der Hauptstadt bedeckt.
    „Und deshalb muss ich wahrscheinlich noch Zusatzgebühren bezahlen“, seufzt Du, nimmst den Briefumschlag entgegen und packst Dir mit der anderen Hand ganz gewohnheitsmäßig an den Gürtel, obwohl Du genau weißt, dass dort schon lange kein Goldsäckchen mehr hängt – nicht einmal mehr ein leeres.
    „Wurde schon im Voraus entrichtet“, winkt Ronald ab. „Du scheinst da echt einen Gönner zu haben. Wer weiß, vielleicht kommt das Geschäft jetzt doch noch einmal richtig ins Rollen!“
    „Es rollt schon seit Monaten“, antwortest Du genervt, „und zwar bergab. Werde Detektiv, haben meine Freunde immer gesagt. Ich sei doch so gut im Kombinieren. Werde Detektiv, damit kannst du ganz viel Geld verdienen. Und heute können die alle irgendwo auf irgendwelchen unnützen Militärposten eine ruhige Kugel schieben, während ich in einer Bretterhütte hause.“
    „Ja, das hast du mir schon mehrmals erzählt“, kontert Ronald ungerührt, und in diesem Moment ist es Dir etwas unangenehm, dass Du dem Postboten schon zum wiederholten Mal in diesem Monat Dein Leid geklagt hast, welches er wahrscheinlich wirklich schon auswendig rezitieren kann. Ronald selbst scheint es jedoch nicht zu stören.
    „Na los, mach ihn auf“, sagt er und weist auf den Briefumschlag, der sich noch immer in Deiner Hand befindet. Du bist Dir unsicher, ob Du den Brief wirklich in Gegenwart von Ronald öffnen willst. Angesichts der aufmunternden Worte des Postboten und einer gewissen sozialen Verpflichtung ihm gegenüber siehst Du Dich hier aber nicht in der Position, das wirklich frei entscheiden zu können.
    Du öffnest den Brief, überfliegst Anrede und ein wenig Vorgeplänkel, bis Du zum wirklich interessanten Teil kommst und liest:

    Zum Zeitpunkt, zu dem Ihr diesen Brief erhaltet, bin ich höchstwahrscheinlich bereits tot. Bitte findet meinen Mörder. Ich wünschte, ich könnte Euch etwas Genaueres sagen, Verdachtsmomente mitteilen, Täter ausschließen, Tatort und Tatwaffe spezifizieren oder zumindest genauer angeben, weshalb ich überhaupt darauf komme, dass ich alsbald ermordet werde – oder nach Eurer Zeit: Bereits ermordet worden bin. Ich kann es jedoch nicht. Ebenso wenig werde ich die Tat verhindern können, aus Gründen, die Ihr vermutlich erst verstehen werdet, wenn Ihr den Fall aufnehmt. Was ich aber noch tun kann, ist Euch zu bitten, meinen Mord aufzuklären. Findet den Täter und zieht ihn zur Rechenschaft. Bringt das Verbrechen ans Tageslicht. Als toter Mann werde ich Euch nicht entlohnen können. Doch ich hoffe darauf, dass es für Euch Anreiz genug sein wird, Eure Fähigkeiten erproben und einem breiten Publikum demonstrieren zu können. Die Aufmerksamkeit bei Enthüllung meines Mordes wird Euch jedenfalls gewiss sein.

    Ich vertraue auf Euch und danke Euch bereits jetzt im Voraus. Und denkt daran: Jeder könnte mein Mörder sein. Die einzige Person, der Ihr Euch offenbaren dürft, ist mein Hausdiener Iason, er war mir stets ein treuer und loyaler Diener. Ansonsten gilt: Vertraut niemandem.

    Lord Folken Kastaroth


    Du spürst den neugierigen Blick Ronalds auf Dir und willst den Postboten eigentlich auch nicht mehr länger auf die Folter spannen, zumal er, wie der prall gefüllte Postsack über seiner Schulter verrät, auch noch andere Briefe auszutragen hat. Aber einen kurzen Moment brauchst Du dennoch, um Dich zu sammeln. Und um den Brief noch einmal von vorne bis hinten durchzulesen, um ganz sicherzugehen, dass Du Dich nicht schrecklich verlesen hast.
    „Nun sag schon, was steht drin?“, drängelt Ronald nun. Du siehst wieder zu ihm auf. Sein Blick verrät, dass in Deinem eigenen Blick irgendetwas Besonderes liegen muss. Ronald runzelt die Stirn. Vertraut niemandem, hatte Lord Folken Kastaroth geschrieben. Du fragst dich, ob „niemandem“ auch Ronald mit einschließt. Nach einigem Zögern entscheidest Du Dich dafür…

    … Ronald vom Inhalt des Briefs zu erzählen. (→ Post 6)

    … Ronald eine Lügengeschichte aufzutischen. (→ Post 7)

    … Ronald gar nichts zu erzählen. (→ Post 8)
    Geändert von John Irenicus (24.08.2019 um 15:39 Uhr)

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    Nach kurzem Überlegen entscheidest Du Dich dafür, das Schwert von der Wand zu holen und der Ratte sofort den Garaus zu machen, solange Du noch Gelegenheit dazu hast. Du schlägst die Bettdecke zur Seite und setzt Dich erst einmal auf. Du merkst, wie viel Schlaf Dir noch in den Knochen steckt. Das meiste davon kannst Du aber abschütteln, indem Du Dich reckst und streckst. Die Ratte beobachtet das alles noch immer von ihrem notdürftigen Versteck aus. Sie reagiert nicht, als Dein Blick den ihren trifft. Fast tut sie Dir ein wenig leid, doch Du hast Deinen Entschluss gefasst. Du stehst auf und fühlst nun umso mehr das kalte Holz des Fußbodens unter Deinen blanken Sohlen. Während Du tapsig und etwas fröstelnd auf die Wand mit dem Schwert zusteuerst, beobachtest Du aus den Augenwinkeln die Ratte unter dem Tisch einige Schritte von Dir entfernt, wie sie sichtlich angespannter wird, sich aber noch immer nicht vom Fleck bewegt.
    Plötzlich gerätst Du ins Stolpern, Du weißt nicht, ob Du irgendwo hängen geblieben bist oder ob der Boden zu glitschig ist, Du weißt nur, dass Du nach vorne fällst, sich Dein Blick von der nun erschreckt aufspringenden Ratte ganz automatisch wegdreht hin zur Ostwand, auf die Du wider Willen mit dem Kopf voran zustürmst. Du kannst den Aufprall so gerade noch mit Deinen Händen auffangen und kommst bäuchlings zum Erliegen, Dein Kopf direkt auf der Fußleiste, die Fußboden und Wand miteinander verbindet. Obwohl Du still liegst, spürst Du eine Erschütterung, und mit einem Mal werden Dir zwei Dinge klar: Erstens hast Du Glück gehabt, dass die aus Kostengründen so dünn zusammengezimmerte Hauswand nicht durch Deinen schwungvollen Sturz Schaden genommen hat. Zweitens könntest Du ziemliches Pech haben, wenn die Erschütterung nun stark genug war, um…
    Dann hörst Du das Geräusch einer – ebenfalls aus Kostengründen – viel zu klapperigen Halterung und lässt Dich fatalerweise dazu verleiten, Deinen Kopf anzuheben und nach oben zu schielen. Das Letzte, was Du siehst, ist, wie sich das wenig wertvolle, mangels häufiger Benutzung aber noch immer schneidig gebliebene Schwert Deines längst verstorbenen Großvaters aus der Halterung an der Wand löst und mit der Klinge voran wie ein Fallbeil nach unten stürzt – direkt auf Dein Haupt herab. Den Schmerz, den die wuchtige Schneide in Dir entfacht, als sie tief in deinen Schädel eindringt, Dir die Knochen spaltet und Dein Hirn zerteilt, den spürst Du glücklicherweise kaum noch, ebenso wenig wie Du die Ratte spürst, die wenig später wieder hervorgekrochen kommt und ihre Füße in der kleinen Blutlache badet, die sich aus Deinem erstarrten Leib ergießt.

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    Nach einigem Zögern entscheidest Du Dich dafür, Ronald vom Inhalt des Briefs zu erzählen. Du glaubst, dass dieser Lord wohl kaum einen Postboten, noch dazu Deinen Vertrauten Ronald, irgendwie als Mitverschwörer im Sinn gehabt haben konnte. Du hast zwar immer noch ein ungutes Gefühl bei der Sache, weil der Hinweis am Ende des Briefes so eindringlich formuliert ist, liest den Brief aber Zeile für Zeile vor. Nur eben diesen Hinweis am Ende, den lässt Du aus einem Gefühl heraus lieber weg. Vielleicht, Du bist Dir nicht sicher, willst Du vor Ronald nicht als jemand dastehen, der das Vertrauen anderer Leute bricht und ihre Warnungen in den Wind schlägt – selbst, wenn es komplett fremde Leute sind.
    Als Du mit dem Vorlesen fertig bist, sieht Ronald Dich mit leuchtenden Augen an, wirkt aber weitaus weniger aufgeregt, als Du selbst Dich gerade fühlst.
    „Na siehst du, ich habe es dir doch gesagt!“, verkündet er gut gelaunt. „Jetzt hast du mal einen richtig dicken Fisch am Haken!“
    „Du hast gut reden“, antwortest Du. „Du hast den ganzen Stress ja jetzt nicht. Ich weiß nicht einmal, wo das ist. Wo der Kerl wohnt. Oder gewohnt hat.“
    Ronald bittet Dich mit einer Geste, ihm den Briefumschlag zu geben. Du kommst der Bitte nach. Der Postbote Deines Vertrauens braucht kaum mehr als ein paar Sekunden, da strahlt er dich schon wieder an.
    „Achja, genau, der kam aus Siegin, richtig“, sagt Ronald. „Man kann es wegen des Stempels kaum lesen, aber ja, der kam ursprünglich aus Siegin. Eine alte Grafschaft direkt hier im Umland, der Weg von dort bis hin ins Verteilzentrum hier kann nicht weit gewesen sein. Das ist eine mittelmäßig lange Kutschfahrt, gen Nordwesten, aber eher Norden als Westen, hinter den Bergen, an der Schwelle zu Nordmar und fast schon im ehemaligen Einzugsbereich von Faring, aber eben nur fast. Normalerweise verirrt sich da keiner mehr hin – das haben ja nichtmal die Orks im Krieg getan, weil da schon lange vorher alles ausgestorben war. Naja, offenbar nicht ganz – dem Lord scheint es ja bis zu seinem Ableben ganz gut gegangen zu sein. Denke ich mal. Von Haus Kastaroth habe ich bisher aber auch noch nie was gehört. Aber wie gesagt, in der Gegend ist auch wirklich schon seit Ewigkeiten tote Hose.“
    Ronald gibt Dir den Briefumschlag zurück.
    „Und dahin fahren auch Kutschen?“, fragst Du.
    „Standardmäßig natürlich nicht“, lacht Ronald. „Aber wenn du dem Fahrer nur in etwa erklärst, wo du hinmöchtest… dann ja. Könnte nur eine ziemlich raue Fahrt werden, die großen Straßen werden sie ins Hinterland ja wohl eher nicht aufgefahren haben… aber du bist ja Kummer gewohnt! An deiner Stelle würde ich mir das jedenfalls nicht entgehen lassen.“
    „Ist wohl so“, sagst Du nur und verabschiedest dich von Ronald, der nun wirklich dringend weiter muss. Du blickst dem Postboten noch ein wenig hinterher, wie er durch den Schnee stapft und dabei tiefe Spuren hinterlässt. Du gerätst ins Grübeln über diesen unwirklich erscheinenden Brief. Einerseits wirkt es wie ein schlechter Scherz, so ein Schreiben zu bekommen, noch dazu als wohl erfolglosester Detektiv in ganz Myrtana. Warum sollte dieser Lord gerade Dich engagieren wollen? Andererseits, so findest Du, hast Du auch nicht besonders viel zu verlieren. Bevor Du noch weiter in der Kälte festfrierst, triffst Du eine Entscheidung. Du wirst…

    … die Bitte des Lord ausschlagen. (→ Post 9)

    … die Bitte des Lords annehmen. (→ Post 10)
    Geändert von John Irenicus (19.09.2016 um 14:07 Uhr)

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    Nach einigem Zögern entscheidest Du Dich dafür, Ronald eine Lügengeschichte aufzutischen. Du willst den Hinweis am Ende des Briefes auf jeden Fall ernst nehmen, denn wer bist Du, dass Du über die Entscheidungen eines toten Mannes nachgrübeln solltest? Bevor Du bei jeder Person nachdenken musst, ob sie vertrauenswürdig ist oder nicht, hältst Du es lieber direkt so, wie Lord Folken Kastaroth es vorgesehen hat. Gleichzeitig aber willst Du Deinem Postboten des Vertrauens nicht das Gefühl vermitteln, dass Du ihm tatsächlich misstrauen könntest.
    „Hm, das ist nur Post von einem alten Freund, mit dem ich aber eigentlich schon gar nichts mehr zu tun habe“, sagst Du, ohne mit der Wimper zu zucken. „Der kriegt manchmal so ’nen Rappel und tut dann so, als wären wir noch richtig dicke. Nichts Besonderes also.“
    Mit einem Mal wirkt Ronald noch interessierter als vorher.
    „Ist das einer dieser Freunde, die du immer meinst? Von wegen nettes Pöstchen bei der Armee und so weiter?“
    „Nein, äh, ja!“, antwortest Du nun doch etwas unruhig, weil Du nicht damit gerechnet hast, diese Lügengeschichte noch weiter spinnen zu müssen. „Das ist auch so einer von denen.“
    Ronald tritt nun von einem Bein aufs andere und blinzelt ein paar Male, bevor er weiterspricht.
    „Das wundert mich“, sagt er dann, und Dir läuft es nicht nur wegen des Winterwetters kalt den Rücken herunter. „Der Brief kommt nämlich aus Siegin. Ich hätte jetzt nicht gedacht, dass da noch eine Kaserne steht oder jemals eine stand. Oder wohnt er da etwa, dein Freund?“
    „Das, hm, also, wie gesagt, so genau kenne ich ihn ja auch nicht. Was weiß ich, woher er schreibt. Vielleicht ist er ja gerade bei seiner… Oma zu Besuch, oder so. Interessiert mich auch nicht.“
    „Mich schon“, erwidert Ronald sofort. „Ich habe nämlich so das Gefühl, dass du nicht ganz ehrlich zu mir bist. Musst du natürlich auch nicht, immerhin bin ich bloß dein Postbote und im Königreich Myrtana gilt immer noch das Briefgeheimnis! Aber naja, wenn du schon was erzählst, dann sollte das doch wenigstens der Wahrheit entsprechen. Oder zumindest stimmig klingen.“
    „Wieso… wie denn das jetzt?“, fragst Du entgeistert und gehst reflexhaft ein paar Schritte nach hinten – aber nur, weil es so aussieht, als wollte Ronald einen Schritt auf Dich zu machen. „Ich meine, warum bist du denn da eigentlich so neu-aah“
    Du weißt nicht genau, ob Du ausrutschst oder ob Du stolperst, vielleicht tust Du beides, jedenfalls aber fällst Du und knallst hinterrücks mit dem Kopf auf einen Eisbrocken, der tief im Innern vielleicht einfach nur ein Felsbrocken ist. Vor Deinen Augen beginnt es zu flimmern und an Deinem Hinterkopf spürst Du, wie sich eine warme Flüssigkeit ausbreitet. Du nimmst gerade noch wahr, wie Ronald Deinen Namen ruft und mit besorgtem Blick auf Dich zu eilt, da siehst Du den Schemen eines dunklen, dünnen Quaders von oben auf Dich herabfallen. Ein Gedanke durchzuckt Dich wie ein Blitz, die Erinnerung an einen berühmten myrtanischen Schriftsteller, der einst bei einem Promenaden-Spaziergang von einem plötzlich herabstürzenden Ast erschlagen worden sein soll.
    Als das schwere Holz auf Deinen gebrochenen Schädel auftrifft, ärgerst Du Dich, dass Du selbst nicht Schriftsteller geworden bist. Denn dann hätte sich dieser Tod wenigstens gelohnt.
    Geändert von John Irenicus (05.11.2016 um 21:25 Uhr)

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    Nach einigem Zögern entscheidest Du Dich dafür, Ronald gar nichts zu erzählen. Du hast zwar ein bisschen Angst, ihn zu kränken, weil Du mit ihm eigentlich seit jeher einen vertrauten Umgang pflegst. Aber andererseits hoffst Du, dass gerade er als gewissenhafter Postbote Verständnis dafür haben wird, wenn Du das Briefgeheimnis ernst nimmst. Und die letzten Sätze des Schreibens lassen keinen Zweifel daran, dass Du das Briefgeheimnis in diesem Falle ganz besonders ernst nehmen solltest.
    „Ich glaube, dass sage ich dir lieber erst, wenn die Sache durch ist“, sagst Du und schiebst den Brief demonstrativ zurück in den Umschlag. „Ich kann nur sagen, dass es vielleicht eine große Sache wird.“
    „Eine große Sache also?“, fragt Ronald, der Tonfall gerade noch so frei von Pikiertheit. „Also tatsächlich ein Fall für dich?“
    „Wie gesagt, ich sage das lieber erst, wenn das Ding durch ist. Aber dann bist du auch der erste, der davon erfährt. Ehrenwort!“
    „Dann bin ich mal gespannt“, sagt Ronald nur und hebt die Hand zum Abschied. „Ich muss dann mal weiter!“
    Ihr verabschiedet Euch, Ronald stapft durch den Schnee weg Richtung Stadtzentrum von Vengard. Während Du ihm nachschaust, gerätst Du ins Grübeln. Du hast gegenüber Ronald zwar so getan, als würdest Du den unglaublichen Fall, der in diesem Brief geschildert war, annehmen. Aber sicher bist Du Dir da überhaupt nicht. Angesichts Deiner bisher doch eher erfolglosen Karriere als Detektiv fragst Du Dich, wie dieser Lord Folken Kastaroth überhaupt auf Dich gekommen ist. Dieser gewisse Druck, der das Schreiben auf Dich ausübt, ist Dir dabei fast noch unangenehmer als der geschilderte Fall selbst. Andererseits klingt das, was der Lord Dir bezüglich einer etwaigen Belohnung mitgeteilt hat, nur plausibel. Du hast keinen Zweifel daran, dass Du Dir einen Namen machen würdest, wenn Du tatsächlich den Mord eines berühmten Lords aufklärtest – selbst wenn es ein Lord ist, von dem Du zuvor noch nie gehört hast. Hätte Dir der Adelige jedenfalls Reichtümer in Aussicht gestellt, so überlegst Du, hätte Dir das eher Anlass zum Misstrauen gegeben. So wirkt der Brief auf jeden Fall ehrlich. Allerdings auch so ehrlich, dass Du geneigt bist, den Inhalt komplett für bare Münze zu nehmen. Und das wiederum lässt den Fall nach einer Sache klingen, an der Du dich nur zu leicht verheben könntest.
    Du starrst noch eine Weile in den Schnee, über Häuser, Dächer und Wege in diesem verschneiten Wohnviertel außerhalb des Zentrums von Vengard. Du spürst, dass Du jetzt eine Entscheidung treffen musst, da Du sonst wohl gar nicht mehr den Kopf frei bekommst. Du wirst…

    … die Bitte des Lord ausschlagen. (→ Post 9)

    … die Bitte des Lords annehmen. (→ Post 11)
    Geändert von John Irenicus (05.11.2016 um 21:25 Uhr)

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    Du wirst die Bitte des Lords ausschlagen. Dein Entschluss steht fest. Der Fall spielt in einer Liga, die nicht die Deinige ist. Der letzte Wunsch eines Ermordeten in allen Ehren, aber Du glaubst nicht, dass Du in Deiner gegenwärtigen Situation irgendetwas zur Aufklärung des Falls beitragen könntest. In dem Brief ist nicht einmal ein einziger Anhaltspunkt genannt, dem Du nachgehen könntest. Und auf eine Reise in das Anwesen dieses Lord Folken Kastaroth hast Du auch nur wenig Lust. Letzten Endes, so vermutest Du, würdest Du nur unnötig viel Geld für eine Kutschfahrt verprassen – oder sogar zwei, einmal hin, einmal zurück. Und das ohne die Aussicht auf Erfolg in dieser Sache. Für solche Späße, befindest Du, ist Dir Dein Geld dann doch zu knapp. Und außerdem: Wer weiß schon, ob dieser Brief dieses ominösen Lords, von dem Du noch nie zuvor gehört hast, nicht nur ein übler Streich ist, den Dir jemand spielen möchte. Möglicherweise, auch das willst Du nicht ausschließen, ist dieses Schreiben auch nichts weiter als eine Falle. Wer kann schon sagen, ob Du nicht der nächste bist, der einem Mord zum Opfer fällt?
    Du nimmst Brief und Umschlag und zerreißt sie demonstrativ in Stücke. Die weißen Fetzen lässt Du fallen und im Schnee unsichtbar werden. Aus diesem Abenteuer steigst Du lieber aus, solange Du noch die Möglichkeit dazu hast.

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    Du wirst die Bitte des Lords annehmen. So eine Chance bekommt man schließlich nur einmal im Leben. Im Grunde, so beschließt Du, hast Du ja wirklich nichts zu verlieren. In Deiner Hütte fällt Dir – bald wahrscheinlich sogar im wahrsten Sinne des Wortes – das Dach auf den Kopf, Deine knappen Ersparnisse neigen sich rapide dem Ende zu, und seit Monaten wollte Dich niemand als Detektiv engagieren. Vielleicht, so denkst Du, ist dieser Brief genau der Wink des Schicksals, den Du benötigst. Was Lord Folken Kastaroth geschrieben hat, wirkt nur ehrlich und gerecht. Natürlich wird Dich ein toter Mann nicht bezahlen können. Nicht mit Geld. Aber mit Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit, die Dir endlich die lang ersehnten Fälle bescheren könnte. Du hast zwar im Hinterkopf, dass diese Aufgabe nicht ganz einfach und vielleicht auch nicht ganz ungefährlich werden wird. Doch letzten Endes führen all Deine Überlegungen immer wieder zu dem einen Gedanken zurück: Du hast nichts zu verlieren. Besser das zweite Opfer des unbekannten Mörders werden, als bitterlich und einsam als erfolgloser Detektiv in der eigenen Bretterbude in einem Vorort Vengards zugrunde zu gehen.
    Eine Schneeflocke fällt auf Deine Nase und reißt dich aus Deinen Gedankenströmen heraus. Du blickst gen Himmel und siehst nur Weiß. Wenn jetzt Schneefall einsetzt, könnte das eine unangenehme Kutschfahrt werden – wahrscheinlich noch unangenehmer, als Ronald ohnehin schon prophezeit hat. Wenn der Schneefall wirklich heftig würde – und das könnte Deiner Auffassung nach durchaus passieren – wäre es vielleicht besser, noch einen Tag mit der Fahrt nach Siegin zu warten. Als Dein Haupt bereits von einer ganzen Schar von Schneeflocken bedeckt ist, entscheidest Du Dich dafür…

    … Deine Sachen zu packen und sofort loszufahren. (→ Post 12)

    … lieber noch einen Tag abzuwarten. (→ Post 13)
    Geändert von John Irenicus (05.11.2016 um 21:26 Uhr)

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    Du wirst die Bitte des Lords annehmen. So eine Chance bekommt man schließlich nur einmal im Leben. Im Grunde, so beschließt Du, hast Du ja wirklich nichts zu verlieren. In Deiner Hütte fällt Dir – bald wahrscheinlich sogar im wahrsten Sinne des Wortes – die Hütte auf den Kopf, Deine knappen Ersparnisse neigen sich rapide dem Ende zu, und seit Monaten wollte Dich niemand als Detektiv engagieren. Vielleicht, so denkst Du, ist dieser Brief genau der Wink des Schicksals, den Du benötigst. Was Lord Folken Kastaroth geschrieben hat, wirkt nur ehrlich und gerecht. Natürlich wird Dich ein toter Mann nicht bezahlen können. Nicht mit Geld. Aber mit Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit, die Dir endlich die lang ersehnten Fälle bescheren könnte. Du hast zwar im Hinterkopf, dass diese Aufgabe nicht ganz einfach und vielleicht auch nicht ganz ungefährlich werden wird. Doch letzten Endes führen all Deine Überlegungen immer wieder zu dem einen Gedanken zurück: Du hast nichts zu verlieren. Besser das zweite Opfer des unbekannten Mörders werden, als bitterlich und einsam als erfolgloser Detektiv in der eigenen Bretterbude in einem Vorort Vengards zugrunde zu gehen.
    Eine Schneeflocke fällt auf Deine Nase und reißt dich aus Deinen Gedankenströmen heraus. Du blickst gen Himmel und siehst nur Weiß. Wenn jetzt Schneefall einsetzt, könnte das eine ziemlich unangenehme Reise werden – zumal Du nicht einmal weißt, wie weit das Anwesen des Lords von hier weg liegt. Wenn der Schneefall wirklich heftig würde – und das könnte Deiner Auffassung nach durchaus passieren – wäre es vielleicht besser, noch einen Tag mit der Reise zu warten. Als Dein Haupt bereits von einer ganzen Schar von Schneeflocken bedeckt ist, entscheidest Du Dich dafür…

    … lieber noch einen Tag abzuwarten. (→ Post 13)

    … Deine Sachen zu packen und sofort loszufahren. (→ Post 14)

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    Als Dein Haupt bereits von einer ganzen Schar von Schneeflocken bedeckt ist, entscheidest Du dich dafür, Deine Sachen zu packen und sofort loszufahren. Das bisschen Schnee wird Dich nicht aufhalten. Wenn Du Deine Entscheidung nicht sofort in die Tat umsetzt, so denkst Du, könntest Du es Dir vielleicht doch noch einmal anders überlegen – und das willst Du nicht. Du eilst zurück in Deine Hütte und machst Dich auf, zusammenzuklauben, was zusammenzuklauben ist.

    In etwa eine halbe Stunde später bist Du auf dem Weg in Richtung des Stadtzentrums von Vengard. An Deiner linken Hand trägst Du einen schmalen, braunen Koffer, den Du notdürftig mit ein paar abgeschmackten Utensilien gefüllt hast, von denen Du glaubst, dass sie Dir bei Deiner Ermittlungstätigkeit hilfreich sein könnten. In der rechten Hand trägst Du, fest umklammert wie eine Eintrittskarte in ein neues Leben, den Briefumschlag mit dem Schreiben von Lord Folken Kastaroth. Alles in allem bist Du gehörig unvorbereitet. Du weißt aber, dass auch ein längeres Abwarten, Grübeln und Planen über Deinen neuen Fall nicht zu einer besseren Vorbereitung beigetragen hätte – zumindest aller Wahrscheinlichkeit nach nicht. Denn wenn Du ehrlich bist, musst Du zugeben, dass sich Deine bisherigen Erfahrungen im Detektiv-Metier allenfalls auf geklaute Hühner und verschwundene Schwiegermütter beschränkt – von denen beide stets auch ohne Deine Mithilfe wieder aufgetaucht waren, mal lebendig, mal tot. Von daher ist der Mordfall Kastaroth, wie Du ihn in Gedanken bereits nennst, wohl eher Deine erste richtige Gelegenheit, um überhaupt mal etwas echte Erfahrung als Detektiv zu sammeln.
    Nach einem ordentlichen Fußmarsch durch den tiefen Schnee – der Schneefall selbst hat nicht nachgelassen, ist Innos sei Dank aber auch nicht stärker geworden – erreichst Du schließlich die äußere Grenze des Zentrums von Vengard. Bei so einem Wetter ist hier auch nicht viel mehr los als in den Randbezirken, aber immerhin wartet tatsächlich ein einsamer Fahrer am Kutschplatz auf einen Kunden. Dieser Kunde, so hoffst Du, wirst Du selbst sein.
    „Innos zum Gruße“, rufst Du schon von Weitem dem dick eingepackten Kutscher auf dem Bock zu. Er wirkt müde, späht unter seiner Mütze hervor und sagt nichts. Der Schnee scheint ihm kaum etwas anzuhaben, durch ihn hindurchzufallen. Du hoffst, dass die Kutsche ähnlich widerstandsfähig ist. Immerhin sind die Räder des Wagens mit einigen von diesen modernen Ummantelungen verstärkt, die – zumindest den geschäftstüchtigen Kutschern selbst zufolge – auch ein Fahren durch tiefen Schnee problemlos möglich machen sollen. Auch das einzelne Pferd, welches vor den Wagen gespannt ist, in sich ruhend und den Blick gesenkt, wirkt robust genug, der Winterkälte zu trotzen. Ob eine problemlose Fahrt bei diesem tiefen Schnee wirklich möglich ist, bezweifelst Du zwar, doch wärst Du schon froh, wenn die Kutsche überhaupt an ihr Ziel käme. Ein besseres Verkehrsmittel ist Dir jedenfalls nicht eingefallen – und Ronald hatte Dir eine Kutschfahrt ja auch irgendwie nahegelegt.
    „Bist du noch frei?“, fragst Du den abwesend dreinblickenden Kutscher. Er nickt fast unmerklich, schweigt noch ein wenig. Das anschließende Flüstern wird beinahe von den herabfallenden Schneeflocken davongetragen.
    „Verheiratet. Seit über dreißig Jahren. Aber meine Kutsche ist frei, ja.“
    Er verzieht dabei keine Miene und blickt Dich nur weiter wartend an.
    „Zum Anwesen von Lord Folken Kastaroth“, sagst Du mit bestimmendem Tonfall.
    „Kenn’ ich nich’“, erwidert der Kutscher ungerührt. Er selbst scheint mit Dir als Kunden schon abgeschlossen zu haben, doch so einfach willst Du dich nicht geschlagen geben. Du hebst Deine rechte Hand zum Bock hinauf und reichst dem Kutscher den Umschlag.
    „Die Adresse steht hier drauf“, sagst Du selbstbewusst. „Der Brief kam aus Siegin. Die alte Grafschaft nordwestlich von hier.“
    Der Kutscher runzelt kurz die Stirn und nimmt den Briefumschlag entgegen. Du hast das Gefühl, dass er sich kaum für den Absendervermerk interessiert, aber als er Dir den Briefumschlag zurückgibt, hat sich seine Miene etwas aufgehellt.
    „Ach, Siegin“, sagt er dann, als ob er den Ortsnamen erst jetzt verstanden hätte. „Als da das letzte Mal jemand hin wollte, war ich noch unverheiratet. Wird kein Problem sein, in dem Nest so ein Anwesen zu finden. Mehr als eines wird es da ja wohl nicht geben. Hätte eigentlich mit gar keinem gerechnet.“
    „Lord Folken Kastaroth sagt dir nichts?“
    „Nee.“
    Du stutzt darüber, dass selbst ein Kutscher, der Deiner Meinung nach schon von Berufs wegen ordentlich in Myrtana herumgekommen sein muss, diesen Lord auch nicht kennt. Andererseits kommst Du Dir so wenigstens nicht so ahnungslos vor. Und Ronald schien ja auch nicht ganz zu wissen, wer dieser Lord eigentlich ist.
    „Wie viel macht das?“
    „Bei der Strecke, vierzig Goldstücke“, erwidert der Kutscher. Du musst kurz schlucken, denn vierzig Goldstücke sind eine Menge, vor allem für Dich. Mehr als die Hälfte von dem, was Du aus den Resten Deiner einstigen Ersparnisse noch zusammenklauben und in den Lederbeutel an Deinen Gürtel stopfen konntest. Der Kutscher sieht nicht wie jemand aus, der gerne feilscht, weshalb Du von den einundsechzig Goldstücken aus Deinem Beutel genau vierzig abzählst – ein schmerzhafter Prozess – und sie dem Kutscher in den seinigen Ledersack tust.
    „Gut“, sagt er dann. „Steig ein.“
    Du tust, wie Dir geheißen, und wenige Augenblicke später kommt die Kutsche ins Rollen.

    Die Fahrt mit der Kutsche verläuft ruhig. Es ist nicht so, dass Du sie genießen könntest, schon gar nicht, wenn sie mehr als die Hälfte von dem, was Du Vermögen schimpftest, kostet. Aber im Großen und Ganzen kommt der Wagen besser voran, als Du im Vorhinein für möglich gehalten hast. Im Innenraum der Kutsche ist es kalt, aber nicht frierend. Nur ein kleiner Fensterspalt gewährt Dir Blick nach draußen auf Schnee, Waldstücke und Felsgruppen, welche die Route Eurer Fahrt ein ums andere Mal bestimmten. Der Kutscher spricht wie erwartet kein weiteres Wort mit Dir, und da Du auch nicht das Bedürfnis nach einem Gespräch verspürst, verbringst Du die Fahrt abwechselnd mit Blicken nach draußen und in Deinen Koffer. Auch den Brief Lord Folken Kastaroths liest Du Dir noch mehrere Male durch und kannst es selbst danach noch immer nicht fassen, auf was für eine Reise Du Dich begeben hast. Umso froher bist Du darüber, dass die Kutsche von alleine rollt – wärest Du den Weg zu Fuß angetreten, Du hättest Dich vermutlich nach jedem Schritt gefragt, ob Du nicht lieber doch umkehren solltest.
    Nach einiger Zeit wird die Fahrt etwas ruppiger. Die Räder des Kutschwagens scheinen nicht mehr so rund zu laufen. Ein Blick aus dem Fensterspalt bestätigt Dir, dass das Gelände deutlich unwegsamer geworden ist. Zudem scheint die Fahrt, nachdem es einige Zeit lang sachte bergauf ging, nun recht deutlich bergab zu gehen, in eine Art Senke hinein. Trotzdem wird der Wagen nicht etwa schneller, sondern immer nur noch langsamer. Und dann bleibt er stehen.
    „Endstation“, ruft der Kutscher, und etwas überrascht klaubst du Deinen Koffer von der rustikalen Sitzbank im Inneren der Kutsche auf, öffnest die Tür und springst heraus in den Schnee. Du sinkst tief ein und bereust, dass Du keine besseren Schuhe angezogen hast. Die Reue hält sich aber zumindest insofern in Grenzen, als Du Deine Schuhwahl damit entschuldigen kannst, dass dies Dein einziges Paar Schuhe ist und Du daher sowieso keine besseren Treter zur Verfügung gehabt hättest.
    Du stapfst nach vorne zum Kutscher, der von seinem Bock auf Dich herabblickt.
    „Da vorne muss es sein“, sagt er und weist mit dem Finger in eine Richtung, die Du als Norden identifizierst. Tatsächlich, hinter dünnem und irgendwie nebeligem Schneefall tut sich in mittlerer Ferne inmitten einer Art Tal ein breites wie hohes Gebäude auf. Es kann in seiner Größe zwar lange nicht mit dem Regierungspalast in Vengard mithalten, wirkt einer verlassenen Grafschaft allerdings in Form und Gestalt angemessen.
    „Ab hier komme ich mit der Kutsche nicht mehr durch. Viel Spaß mit deinem Lord.“
    „Und du bist sicher, dass das hier das Anwesen von Lord Folken Kastaroth ist?“
    „Was ist schon sicher? Ich glaube jedenfalls nicht, dass es in diesem Loch hier noch ein anderes Anwesen gibt. Oder einen anderen Lord.“
    „Könntest du nicht warten, bis ich da war, falls wir hier doch nicht richtig sind?“
    „Ganz sicher nicht, Sportsfreund“, sagt der Kutscher in einem Tonfall, der keinen Zweifel daran lässt, dass seine Geduld nun erschöpft ist. „Ich bin froh, wenn ich hier wieder weg bin. Also, mach’s gut.“
    Der Kutscher gibt seinem Pferd einen kleinen Stoß und lenkt den Wagen einmal in einem erstaunlich eng gezogenen Kreis herum, um dann in die entgegengesetzte Richtung wieder aus der Senke herauszufahren. Als er Dich erneut passiert, winkt er nicht, sondern blickt stur geradeaus. Du bleibst noch eine Weile stehen und schaust der Kutsche nach, wie sie sich den Weg zurück und hinauf abmüht. Als Du merkst, dass der Schneefall auf einmal intensiver wird, drehst Du dich allerdings wieder um und beginnst, die restlichen Meter zum Anwesen von Lord Folken Kastaroth – hoffentlich – zurückzulegen.
    Du bemerkst, dass diese Freifläche, die Du für ein Tal hieltest, mehr als eine weite Ebene beschreibbar ist, die nur durch gelegentliche Waldflächen und durchbrochene Bergmassive zu den Seiten hin eingehegt wird. Ein bisschen stellst Du Dir so die weitläufigen Landschaften im Herzen Nordmars vor, nur noch größer, und das natürlich das ganze Jahr über so verschneit. Du bist froh, das Anwesen die ganze Zeit direkt vor Augen zu haben, denn das Schneegestöber, obwohl relativ mild, lässt Dich nicht besonders klar sehen. Du kannst Dir gut vorstellen, Dich in dieser verlassenen Ebene zu verlaufen, solltest Du das Anwesen vor Dir als Fixpunkt verlieren.
    Was Du auch bemerkst, ist, dass Du die Distanz zum Anwesen gehörig unterschätzt hast. Du gehst schon eine ganze Weile durch den Schnee, bist dem Gebäude dabei aber gefühlt gar nicht näher gekommen. Du fragst Dich, ob sich der Kutscher hinsichtlich der Entfernung zum Anwesen auch verschätzt hat, oder ob es ihm schlicht egal war, dass Du nun noch einen ganzen Marsch durch den Schnee absolvieren musst. Du fragst Dich allerdings auch, ob es Dir nicht selbst ganz recht war, Dich möglichst rasch wieder von diesem Kerl zu trennen.
    Es dauert nicht lange, da sind Deine Füße vom Marsch durch den Schnee durchnässt, weil Deine Schuhe diese Witterung einfach nicht mehr aufhalten konnten. Du hast schon kältere Wintertage erlebt, doch wie Du – zudem auch nicht mit optimaler Oberbekleidung – mit Deinem Koffer an der Hand voranschreitest, sichtbaren Atem ausstoßend und leise Windböen um die Ohren, gerätst Du irgendwann trotz der Bewegung ein bisschen ins Frieren. Der schwache Wind und die Kälte lassen außerdem Deine Augen leicht tränen, sodass die Umrisse des Anwesens vor Dir ab und an wie eine bloße Fata Morgana wirken. Der Einstand in Deinen Fall gefällt Dir so jedenfalls nicht annähernd so gut, wie Du es gerne gehabt hättest – doch Du willst ja nicht jammern.
    Schließlich wird Dein Durchhaltewille belohnt. Mit einem Mal, Du hattest schon fast nicht mehr daran glauben wollen, rückt das Anwesen näher und näher, endlich machst Du mit Deinen Schritten sichtbar und spürbar Meter gut, und schon bald erreichst Du den verschneiten Vorgarten des Anwesens. Du gehst vorbei an weißen Engelsstatuen und einigem sonstigem Kitsch, lässt einen zugefrorenen Teich links liegen und passierst noch einen Brunnen, bis Du durch das Kiesbett hin zur Eingangspforte gelangst. Du gehst die ebenfalls weißen Treppen hinauf und bleibst direkt vor den Toren stehen. Du würdest Dich gerne noch ein wenig in diesem Vorgarten umsehen, doch fühlst Du Dich seltsam beobachtet. Deshalb klopfst Du lieber sofort an die Tore. Einmal, zweimal. Dein Herz pocht, während Du darauf wartest, dass Dir jemand öffnet. Es dauert so lange, dass Du versucht bist, einfach selbst an den Toren zu ziehen oder sie aufzudrücken, doch dann hörst Du Schritte aus dem Inneren des Anwesens. Sie kommen nur langsam näher, und wie Du Dir das Anwesen von außen noch einmal anschaust, das in der Form eines durchaus stattlichen Herrenhauses daherkommt, kannst Du Dir gut vorstellen, dass es eine Zeitlang dauern kann, bis einer der Hausdiener zur Tür geeilt kommt.
    Dein Herz macht einen Hüpfer, als Du diesen Gedanken hast. Jetzt erst fällt Dir ein, dass Du Dir noch gar nicht überlegt hast, wem Du in diesem Anwesen begegnen wirst. Vertraut niemandem hatte Lord Folken Kastaroth am Ende seines Briefes geschrieben. Was, wenn es sein Mörder ist, der Dir die Tür aufmacht?
    Auf einmal öffnen sich die Tore doch ganz schnell. Heraus kommt ein schlanker Mann mit grauen Haaren, gekleidet in einen feinen, dunklen Zwirn. Du zweifelst nun nicht mehr daran, dass dies hier wirklich das Haus Kastaroth ist. Denn das hier, das ist ein Hausdiener ganz nach Maß.
    „Was wünscht Ihr?“
    Du überlegst hastig, während Dich der Diener mit seinen stählernd blauen Augen mustert. Vertraut niemandem. Du antwortest…

    … dass Du einen Termin bei Lord Folken Kastaroth hast. (→ Post 15)

    … dass Du als ermittelnder Kommissar vom königlichen Hofe aus Vengard gesandt wurdest, um den Mord an Lord Folken Kastaroth aufzuklären. (→ Post 16)

    … dass Du von Lord Folken Kastaroth selbst beauftragt wurdest, und zeigst dem Diener den Brief. (→ Post 17)

    … gar nicht und stürmst einfach am Diener vorbei in das Anwesen hinein, um nach dem Lord oder seiner Leiche zu suchen. (→ Post 18)
    Geändert von John Irenicus (05.11.2016 um 21:31 Uhr)

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    Deus Avatar von John Irenicus
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    Als Dein Haupt bereits von einer ganzen Schar von Schneeflocken bedeckt ist, entscheidest Du Dich dafür, lieber noch einen Tag abzuwarten. Bei so einem Wetter willst Du keine Reise unternehmen, egal wohin. Außerdem, so denkst Du, wird Lord Folken Kastaroth auch morgen noch tot sein. Die Zeit bis zum nächsten Tag, so nimmst Du Dir vor, als Du in Deine Hütte zurückkehrst, willst Du effektiv nutzen.

    Nach einiger Zeit des Überlegens, des Suchens und des Packens wird Dir das gewahr, was Du insgeheim schon vorher vermutet hattest: Weder hast Du einen großen Plan, wie Du Dich auf diesen Fall vorbereiten solltest, noch hast Du einen großen Fundus an Utensilien, die Du mitnehmen könntest. Stattdessen, so musst Du Dir eingestehen, war Deine bisherige Karriere als Vorortsdetektiv von der Aufklärung des Offensichtlichen geprägt, und wenn Du mal von außerhalb engagiert wurdest, hatten Deine Auftraggeber – meist Dorfleute aus dem Umland Vengards – das Geheimnis um das geklaute Huhn oder den Fall um die verlorene Mitgift bereits vor Deiner Ankunft ganz alleine gelöst. Dementsprechend ratlos bist Du nun den ganzen Tag gewesen, beim Versuch, Deine Vorgehensweise irgendwie zu planen. All das Geschwafel vom Modus operandi des Verbrechers, dem man als Detektiv mit einem eigenen Modus operandi zu begegnen habe, entpuppt sich spätestens jetzt als bloße Angeberei gegenüber hübschen Mägden und Industriellentöchtern.
    Das Resultat Deines stundenlangen Grübelns und Packens ist im Grunde nur wenig mehr als Nichts und liegt nun in Form eines kleinen braunen Koffers auf Deinem Esstischchen. Du hast sogar den Briefumschlag noch dazu gelegt, damit der Koffer nicht so leer aussieht. Es ist ein deprimierendes Bild, aber Du tröstest Dich damit, dass dieses Bild lediglich das widerspiegelt, was ohnehin schon seit Monaten der Fall war – nur, dass es jetzt eben offenbar wird. Dass Du das ganze Elend siehst, bedeutet nur, dass Du jetzt endlich etwas unternimmst, um daran etwas zu ändern. Der Brief dieses Lords ist Deinem Gefühl nach genau das Sprungbrett, welches Du benötigst. Selbst wenn Du im Grunde mit leeren Händen zum Anwesen Deines Auftraggebers reist, so unterstreicht das im Gegenzug doch nur umso mehr, dass Du nichts zu verlieren hast.
    Mit diesen Gedanken lässt Du Deine kläglichen Vorbereitungsversuche nun beiseite und machst Dich bettfein. Du willst früh schlafen gehen. Wenn alles gut geht, ist morgen der erste Tag einer neuen persönlichen Zeitrechnung für Dich – und den willst Du sicher nicht verschlafen.
    Trotz des vage guten Gefühls beim Zubettgehen schläfst Du sehr unruhig. Du wälzt Dich hin und her und kommst innerlich nicht zur Ruhe, und das, obwohl Dein Kopf eigentlich relativ frei von irgendwelchen Gedanken ist. Es dauert eine Weile, dann gibst Du das beständige Wälzen auf und horchst in das Dunkel Deiner Hütte hinein. Ein Schaben. Ein Kratzen. Ein Tippeln. Und dann ein Fiepen. Die Ratte!
    Gesteuert von den Gedanken eines Schlaftrunkenen setzt Du Dich auf und nestelst an Deinem Nachttischchen direkt neben Deinem Bett herum, bis das Dunkel endlich dem Schein einer kleinen Kerze weicht. Es reicht aus, um den Verursacher der Geräusche sichtbar zu machen. Durch Deine trüben Augen – die Stunden des Halbschlafes haben Dir ziemlich zugesetzt – erspähst Du die Ratte unter Deinem Esstisch. Du kannst kaum darüber nachdenken, da bist Du schon aufgestanden und tappst über den eiskalten Boden auf die Wand mit dem Schwert Deines Großvaters zu. Jetzt, so beschließt Dein schlaftrunkenes Ich, muss die Ratte dran glauben, jetzt oder nie.
    Dein schlaftrunkenes Ich ist allerdings derart von diesem Gedanken gefangen, dass es leider nicht mehr ganz fähig ist, Deine Beine zu koordinieren. Es sind erst das Ineinandergeraten Deiner Füße und der darauf folgende Aufprall auf den beinahe gefrorenen Holzboden, die Dich Dein Bewusstsein zur Gänze wiedererlangen lassen. So bekommst Du auch vollständig mit, wie die Halterung an der Wand neben Dir anfängt zu wackeln und schließlich das große, schwere Schwert direkt über Dir freigibt. Im Licht der auf dem Nachttisch abgestellten Kerze siehst Du die Klinge kurz aufblitzen – und nur einen Wimpernschlag später wird es wieder ganz dunkel. Du spürst noch kurz einen stechenden Schmerz und glaubst sogar zu bemerken, wie Dir der kostbare Lebenssaft über die geteilte Kehle rinnt. Aber schon bald bist Du endlich, endlich eingeschlafen – diesmal für immer.
    Geändert von John Irenicus (05.11.2016 um 21:27 Uhr)

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    Als Dein Haupt bereits von einer ganzen Schar von Schneeflocken bedeckt ist, entscheidest Du Dich dafür, Deine Sachen zu packen und sofort loszufahren. Das bisschen Schnee wird Dich nicht aufhalten. Wenn Du Deine Entscheidung nicht sofort in die Tat umsetzt, so denkst Du, könntest Du es Dir vielleicht doch noch einmal anders überlegen – und das willst Du nicht. Du eilst zurück in Deine Hütte und machst dich auf, zusammenzuklauben, was zusammenzuklauben ist.

    In etwa eine halbe Stunde später bist Du auf dem Weg in Richtung des Stadtzentrums von Vengard. An Deiner linken Hand trägst du einen schmalen, braunen Koffer, den Du notdürftig mit ein paar abgeschmackten Utensilien gefüllt hast, von denen Du glaubst, dass sie Dir bei Deiner Ermittlungstätigkeit hilfreich sein könnten. In der rechten Hand trägst Du, fest umklammert wie eine Eintrittskarte in ein neues Leben, den Briefumschlag mit dem Schreiben von Lord Folken Kastaroth. Alles in allem bist Du gehörig unvorbereitet. Du weißt aber, dass auch ein längeres Abwarten, Grübeln und Planen über Deinen neuen Fall nicht zu einer besseren Vorbereitung beigetragen hätte – zumindest aller Wahrscheinlichkeit nach nicht. Denn wenn Du ehrlich bist, musst Du zugeben, dass sich Deine bisherigen Erfahrungen im Detektiv-Metier allenfalls auf geklaute Hühner und verschwundene Schwiegermütter beschränkt – von denen beide stets auch ohne Deine Mithilfe wieder aufgetaucht waren, mal lebendig, mal tot. Von daher ist der Mordfall Kastaroth, wie Du ihn in Gedanken bereits nennst, wohl eher Deine erste richtige Gelegenheit, um überhaupt mal etwas echte Erfahrung als Detektiv zu sammeln.
    Nach einem ordentlichen Fußmarsch durch den tiefen Schnee – der Schneefall selbst hat nicht nachgelassen, ist Innos sei Dank aber auch nicht stärker geworden – erreichst du schließlich die äußere Grenze des Zentrums von Vengard. Bei so einem Wetter ist hier auch nicht viel mehr los als in den Randbezirken, aber immerhin wartet tatsächlich ein einsamer Fahrer am Kutschplatz auf einen Kunden. Dieser Kunde, so hoffst Du, wirst Du selbst sein.
    „Innos zum Gruße“, rufst Du schon von Weitem dem dick eingepackten Kutscher auf dem Bock zu. Er wirkt müde, späht unter seiner Mütze hervor und sagt nichts. Der Schnee scheint ihm kaum etwas anzuhaben, durch ihn hindurchzufallen. Du hoffst, dass die Kutsche ähnlich widerstandsfähig ist. Immerhin sind die Räder des Wagens mit einigen von diesen modernen Ummantelungen verstärkt, die – zumindest den geschäftstüchtigen Kutschern selbst zufolge – auch ein Fahren durch tiefen Schnee problemlos möglich machen sollen. Auch das einzelne Pferd, welches vor den Wagen gespannt ist, in sich ruhend und den Blick gesenkt, wirkt robust genug, der Winterkälte zu trotzen. Ob eine problemlose Fahrt bei diesem tiefen Schnee allerdings wirklich möglich ist, bezweifelst Du zwar, doch wärst Du schon froh, wenn die Kutsche überhaupt an ihr Ziel käme. Ein besseres Verkehrsmittel ist Dir jedenfalls nicht eingefallen.
    „Bist du noch frei?“, fragst du den abwesend dreinblickenden Kutscher. Er nickt fast unmerklich, schweigt noch ein wenig. Das anschließende Flüstern wird beinahe von den herabfallenden Schneeflocken davongetragen.
    „Verheiratet. Seit über dreißig Jahren. Aber meine Kutsche ist frei, ja.“
    Er verzieht dabei keine Miene und blickt Dich nur weiter wartend an. In diesem Moment wird Dir klar, dass Du Dich um alle möglichen Nebensächlichkeiten gekümmert hast, nicht aber darum, herauszufinden, wo das Anwesen dieses Lord Folken Kastaroth eigentlich steht.
    „Zum Anwesen von Lord Folken Kastaroth“, sagst Du deshalb einfach nur mit bestimmendem Tonfall.
    „Kenn’ ich nich’, erwidert der Kutscher ungerührt. Er selbst scheint mit Dir als Kunden schon abgeschlossen zu haben, doch so einfach willst Du dich nicht geschlagen geben. Du hebst Deine rechte Hand zum Bock hinauf und reichst dem Kutscher den Umschlag.
    „Die Adresse steht hier drauf“, sagst Du selbstbewusst. Du hoffst, dass Dein potentieller Chauffeur den Absendervermerk, den Du unter dem Stempel erblickt hast, entziffern kann.
    Der Kutscher nimmt den Umschlag wortlos entgegen und lässt seine kleinen Augen eine ganze Weile lang herüberfahren. Dann reicht er Dir den Umschlag mit versteinerter Miene zurück.
    „Wird schon klappen. Weiter Weg. Sechzig Goldstücke. Bezahlung im Voraus.“
    Du musst schwer schlucken, als der Kutscher den Preis nennt. Sechzig Goldstücke. Das sind fast Deine gesamten Ersparnisse. Und fast bedeutet dabei, dass in Deinem von zu Hause hervorgekramten und notdürftig befüllten Lederbeutel genau einundsechzig Goldstücke drin sind. Du überlegst, das überzählige Goldstück herauszunehmen, entscheidest Dich dann aber doch dagegen.
    „Stimmt so“, sagst Du, als Du den Beutel von Deinem Gürtel löst und ihn in die offene Handfläche des Kutschers gibst. Er zählt nicht nach.
    „Steig ein.“
    Du tust, wie Dir geheißen, und wenige Augenblicke später kommt die Kutsche ins Rollen.

    Eure Reise trägt euch weit gen Westen. Für die Witterungsverhältnisse ist die Fahrt ruhig. Normalerweise wird Dir bei Kutschfahrten in geschlossenen Wagen schlecht, hier in diesem Innenraum aber lässt es sich aushalten. Die Einrichtung ist so rau wie der Kutscher selbst, und dementsprechend fehlt es an diesen ausladenden roten Polsterungen, welche man in den ehemaligen – mit Betonung auf ehemaligen – Prunkkutschen ertragen muss, die sonst innerhalb von Vengard verkehren. Der Kutscher von draußen spricht die ganze Zeit kein Wort. Du selbst beschäftigst Dich wahlweise mit Gedanken um den anstehenden Fall, dann mit Blicken aus dem schmalen Fensterspalt. Die Fahrt kommt Dir tatsächlich äußerst lang vor, zumal Du glaubst, dass Ihr bereits an Gotha vorbeigezogen seid.
    „Hätte nicht gedacht, dass es einen Lord in ein Fischerdorf wie Silden verschlägt“, meldet sich der Kutscher dann doch noch zu Wort, gerade laut genug, dass seine Stimme zu Dir in den Innenraum dringt. Du weißt darauf nichts zu antworten. Stattdessen klappst Du Deinen braunen Koffer auf, den Du Dir auf den Schoß gelegt hast, und ziehst noch einmal den Briefumschlag Lord Folken Kastaroths hervor. Auf der Rückseite befindet sich der Absendervermerk. Du erkennst ein S und diverse andere Buchstaben. Aber Silden steht dort nicht. Ganz sicher nicht. Du wartest noch eine Weile ab, blickst nervös aus dem Fenster und abwechselnd zurück auf den Umschlag. Dann hältst Du es nicht mehr aus.
    „Sicher, dass wir nach Si -“
    Deine Stimme geht im Gewieher des Pferdes und dem unangenehmen Geräusch schleifender Wagenräder vollkommen unter. Die Kutsche ist zum Stehen gekommen. An der subtilen Gewichtsverlagerung bemerkst Du, dass der Kutscher vom Bock abgesprungen sein muss. Wenig später hörst Du ihn fluchen.
    Als Du ausgestiegen bist, hinaus in die ungefilterte Kälte, inmitten eines schneebedeckten Waldstücks, siehst Du auch bald, was der Grund für Euer Anhalten ist.
    „So eine verdammte Scheiße“, grummelt der Kutscher, während er sich, die Hände in die Hüfte gestemmt, das Unglück direkt vor Eurer Kutsche besieht: Ein Baum hat sich, wohl wegen einer der Stürme der letzten Tage oder bloß wegen der Schneelast, nicht mehr im Boden halten können und ist auf den Weg gefallen. „Ich hoffe, du kannst gut anpacken“, sagt der Kutscher mit einem Blick über die Schulter, als er Dich bemerkt. „Sonst ist unsere Reise nämlich genau hier zu Ende. Einen Umweg mache ich nämlich nicht, hier lauern nämlich… oh SCHEISSE!“
    Ein lautes Grunzen mischt sich in den Fluch des Kutschers, und wenig später siehst Du auch, was er bereits gesehen hat: Eine Rotte Wildschweine, fünf oder vielleicht sechs Stück, bahnt sich mit schnellen Schritten den Weg aus dem Wald hervor, hin zu Euch. Der Kutscher, zu behäbig in seiner Statur und offensichtlich hinkend, blickt Dich panisch an, während er versucht, sich in die Kutsche zu retten, doch die Wildschweine sind schnell, erbarmungslos schnell, und innerhalb weniger Sekunden wird der Kutscher, direkt neben seinem eigenen Gefährt, von zwei Keilern umgestoßen, er schreit nun selbst wie ein Tier. Auch das Pferd stößt ein schrilles Wiehern aus, tritt aus und springt umher, kann die Wildschweine aber nicht mehr länger fern halten – und tritt die Flucht an. Unter lautem Getöse steuert es – immer noch an den Kutschwagen gespannt und diesen mit sich schleifend – auf den umgestürzten Baum zu und springt herüber. Der Wagen selbst donnert gegen den Baumstamm, das Pferd zieht und reißt sich schließlich vom Geschirr los. Im wilden Galopp rast es aus dem Waldstück, dass der Schnee von seinen Hufen nur so hochgeschleudert wird. Die Kutsche selbst dagegen bleibt zurück, halb auf den Baum gelehnt, halb im Schneematsch steckend.
    Du hast das ganze Geschehen, das sich in Sekundenschnelle abgespielt hat, beobachtet, doch sind es, so ahnst Du, gerade die paar Sekunden, die Dir nun fehlen. Noch während Du hörst, wie die zwei Keiler ihre Hauer in den Wanst des mittlerweile verstummenden Kutschers schlagen, nimmst Du wahr, wie der Rest der Rotte Kurs auf Dich nimmt. Ohne noch groß entscheiden zu können, was Du tust, drehst Du dich um und rennst, rennst um Dein Leben, durch den tiefen Schnee, mit Schuhen, die dafür nie gemacht waren, bis Du schließlich, voraussehbar, in einer großen Schneewehe versinkst und stürzt. Du drehst Dich wieder um, siehst, wie wenig Meter Du gutmachen konntest, siehst, wie diese höllisch schnellen Wildschweine weiter auf Dich zurennen und hast nicht einmal mehr die Zeit, ein Gebet zu sprechen, da sind sie schon über Dir, über Dir und auf Dir, und als einer der Hauer Deine Schläfe trifft, wird es auf einmal ganz warm, so warm, dass Du die Schmerzen in Deinem Bauch kaum wahrnimmst, dass Du die in Deinen Stimmbändern geformten Schreie gar nicht mehr spürst, und dann machst Du die Augen zu, weil Du weißt, dass Deine Reise, die ganz große Reise sogar, in diesem Moment definitiv zu Ende ist.
    Geändert von John Irenicus (05.11.2016 um 21:29 Uhr)

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    Deus Avatar von John Irenicus
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    „Ich habe einen Termin bei Lord Folken Kastaroth“, antwortest Du mit so viel Selbstbewusstsein in der Stimme wie möglich. „Ich bin sogar ein bisschen spät dran“, setzt Du noch einen drauf. „Deshalb wäre ich Euch dankbar, wenn Ihr mich sofort zu ihm ließet. Er wartet sicher bereits auf mich.“
    Der Hausdiener blickt Dich an, mit einer Hand noch immer an den offenstehenden Torflügel gestützt, und verengt seine Augen. Du hast diesen Blick schon fast genau so bei anderen Leuten gesehen, und meist hat er nichts Gutes verhießen. Als der Diener erneut seine Stimme erhebt, klingt sie noch dünner als zuvor.
    „Lord Folken Kastaroth ist zur Zeit… unpässlich. Mit Verlaub, aber ich glaube nicht, dass das, was Ihr sagt, der Wahrheit entspricht. Bitte verlasst jetzt das Anwesen.“
    Du willst noch etwas sagen, doch der fein gekleidete Diener ist bereits wieder im Haus verschwunden und hat die Tür zwar nicht zugeknallt, aber doch sehr kräftig und bestimmend zugezogen.
    Du bist für einen Moment etwas verdattert, ringst Dich dann aber rasch dazu durch, noch einmal an die Tore zu klopfen. Und zweimal. Und dreimal. Diesmal ertönen keine Schritte, diesmal kommt niemand, um Dir noch einmal aufzumachen. Du siehst einen Türspion, der in den rechten Torflügel eingelassen ist, scheiterst aber natürlich daran, durch ihn in das Haus hineinzuschauen. Du wendest Dich deshalb wieder von den Toren zum Anwesen ab und blickst über den Vorgarten hinweg in die Landschaft der Region. Schnee. Nichts als Schnee. Das Gefühl an Deiner blanken Hand, mit der Du noch immer Deinen Koffer umklammerst sowie ein kurzer Blick in den Himmel verraten Dir, dass der Schneefall nun doch noch stärker geworden ist.
    Du versuchst, das in Dir aufsteigende deprimierende Gefühl, welches so etwas wie ein alter Vertrauter von Dir ist, zu unterdrücken. Das wäre ja, so meinst Du, ein ganz toller Fall, wenn er bereits vor seinem offiziellen Beginn gescheitert wäre. Dir fallen allerdings nicht so viele Dinge ein, die Du jetzt noch tun könntest – abgesehen vom zum Misserfolg verurteilten erneuten Klopfen an der Tür. Weil Du keine Lust hast, noch länger in der Kälte herumzustehen…

    … machst Du einen Rundgang um das Anwesen. (→ Post 20)

    … trittst Du den Heimweg an. (→ Post 21)

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    „Ich bin als ermittelnder Kommissar vom königlichen Hofe Vengards gesandt worden“, erklärst Du mit bedeutungsschwangerem Tonfall. „Ich soll den Mord an Lord Folken Kastaroth aufklären und fordere daher, dass Ihr mich einlasst.“
    Du weißt nicht, ob ein Ermittler vom Königshofe jemals so auftreten würde und weißt auch nicht, ob es überhaupt solche Ermittler gibt, aber Du willst es trotzdem auf einen Versuch ankommen lassen. Die Idee ist, dass Du so zwar offen legst, weshalb Du da bist, dies aber auf eine Weise, die nicht verrät, dass der verstorbene Lord Kastaroth selbst Dich auf seinen eigenen Mordfall angesetzt hat. Zudem hast Du Dir bis gerade eben erhofft, auf diese Weise Eindruck beim Hausdiener zu schinden, doch sein müde skeptischer Blick zerstört diese Hoffnungen direkt wieder.
    „Wer spricht von einem Mord an Lord Folken Kastaroth?“, fragt der Mann im feinen Zwirn „Der Lord gilt offiziell als verreist. Seit einiger Zeit schon, doch es besteht kein Grund zur Sorge. Wisst Ihr etwa von etwas, was wir in unserem Hause nicht wissen?“
    Du überlegst, ob der Hausdiener tatsächlich ahnungslos ist oder sein Unwissen nur vortäuscht. Letzten Endes spielt es für Dich aber keine so große Rolle. Du willst unbedingt auf diesem Wege in das Haus hineingelangen.
    „Der Tod Lord Kastaroths wurde am Hofe offiziell gemeldet“, fährst Du fort. „Wenn selbst Ihr nicht von seinem Ableben wisst, dann tut es umso dringlicher Not, den Mord an ihm zu untersuchen. Bitte lasst mich ein!“
    Der Hausdiener runzelt seine Stirn und kneift die Augen zusammen. Du siehst, wie sich seine vor Kälte schon weiß gewordene Hand noch fester an das Türblatt klammert, welches er aus irgendeinem Grund ergriffen hält.
    „Ich glaube nicht, dass der Tod unseres Lords am königlichen Hofe offiziell gemeldet würde“, sagt er nach einer Weile. „Siegin ist nunmehr eine freie Grafschaft. Wir unterhalten keinerlei Beziehungen mehr zu Vengard. Es ist ausgeschlossen, dass am königlichen Hofe überhaupt irgendwelche Informationen zum Verbleib des Lords vorliegen. Von Informationen bezüglich einer angeblichen Mordtat ganz zu schweigen.“
    „Und was heißt das?“, fragst Du, bemüht, souverän zu klingen, jedoch im Bewusstsein, auf einmal einen ziemlichen Frosch im Hals zu haben.
    „Dass ich Euch nicht glaube.“
    Ein Windstoß, keineswegs lautlos, zieht zwischen Dir und dem Hausdiener vorbei. Du bemerkst, dass aus der Eingangshalle des Anwesens, soweit Du sie erspähen kannst, keinerlei Wärme nach draußen dringt.
    „Ihr glaubt mir also nicht“, sagst Du, in Ermangelung einer besseren Erwiderung.
    „Ich glaube Euch nicht, so ist es“, bestätigt der Diener noch einmal. „Ich glaube Euch nicht, dass Ihr ein Ermittler vom königlichen Hofe seid. Aber ich will Euch noch einmal die Chance geben, zu verraten, woher Ihr wirklich zu wissen glaubt, dass Lord Kastaroth ermordet worden sei.“
    Du hast das Misstrauen der Dienerschaft des Lords offenbar gewaltig unterschätzt. Das Motto Vertraut niemandem scheint eine Art Hausmotto des Hauses Kastaroth zu sein. Im Kopf gehst Du einige Antworten durch, doch alle erdachten Lügen bleiben nur Bruchstücke. Das Schweigen zwischen Dir und dem Diener an der Tür wird unerträglich lang.
    „Nun?“

    … Die Wahrheit sagen. (→ Post 17)

    … Weiter darauf bestehen, dass Du ein königlicher Ermittler bist. (→ Post 19)
    Geändert von John Irenicus (05.11.2016 um 21:32 Uhr)

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    „Ich… ich bin von Lord Folken Kastaroth selbst hierher bestellt worden“, beginnst Du etwas zögerlich, einerseits aus schlechtem Gewissen, dass Du Dich direkt dem erstbesten Untergebenen und damit potentiellen Mörder Lord Kastaroths offenbarst, andererseits aus der Einschätzung heraus, dass die wahre Geschichte hinter Deinem Erscheinen eigentlich unglaubwürdiger daherkommt als alles andere. Aber immerhin hast Du den Brief von Lord Kastaroth. Unter dem skeptischen Blick des Hausdieners stellst Du kurz Deinen Koffer ab, gehst auf dem Treppenabsatz in einer eher unterwürfigen Pose in die Hocke, öffnest Deinen Koffer und holst vorsichtig den Briefumschlag heraus. Das Prozedere scheint sich ewig hinzuziehen, während Du den Koffer wieder zumachst, wieder aufstehst, den Brief aus dem Umschlag herausnestelst und ihn dann endlich an den Hausdiener übergibst. Dieser nimmt ihn – der Blick immer skeptischer werdend – entgegen und beginnt, seine Augen über den Text flitzen zu lassen. Dann aber hellt sich seine Miene etwas auf, und als er wieder aufschaut, um Dir den Brief zurückzugeben, ist der misstrauische Ausdruck aus seinen Augen gewichen.
    „Mein Herr, ich entschuldige mich für mein unfreundliches Auftreten, doch mir blieb keine andere Wahl“, sagt er, während Du den Brief entgegennimmst und ihn mehr schlecht als recht in Deiner Manteltasche verstaust, weil Du keine Zeit damit verschwenden willst, noch einmal in Deinem Koffer herumzukramen.
    „Lord Folken Kastaroth ist tatsächlich seit einiger Zeit verschwunden, und ich habe bereits das Schlimmste befürchtet. Es scheint, als würde dieser Brief meine Befürchtungen fast noch übertreffen.“
    Du blickst dem Diener in seine stahlblauen Augen, die dir nun wie zwei einsame Eiskristalle vorkommen. Eine gewisse Müdigkeit liegt in ihnen, auch ein Hauch von Trauer. Du bemerkst außerdem, wie der Mann nun seine vorher so gestrafften Schultern hängen lässt. Vom strengen Auftreten von vorher ist kaum noch etwas übrig geblieben.
    „Mir selbst war das Verschwinden des Lords von Anfang an nicht geheuer. Sein Sohn und seine Schwester, die ebenfalls in diesem Hause residieren, hatten mich stets damit vertröstet, der Lord sei auf einer längeren Geschäftsreise von höchster Wichtigkeit unterwegs. Ich hegte von Anfang an Zweifel. Schließlich hat Lord Kastaroth mich nie darüber informiert.“
    „Ihr seid…?“
    „Oh, bitte verzeiht, schon die zweite Unhöflichkeit, die Ihr durch mich ertragen müsst! Mein Name ist Iason. Ich habe die Aufsicht über sämtliche Angelegenheiten des Hauses Kastaroth wie auch die umliegenden Ländereien. Ich bin so etwas wie der Hausverwalter, wenn man so will, wenn ich es mir auch nicht nehmen lasse, dem Lord zusätzlich persönlich im Haushalt zur Hand zu gehen.“ Ein Seufzer entfährt ihm. „Zumindest war das bis zu seinem Verschwinden der Fall.“
    „Seit wann ist er denn verschwunden?“
    „Auf den Tag genau kann ich es Euch nicht sagen, dazu müsste ich ins Hausbuch schauen, was ich zu gegebener Zeit natürlich sehr gerne für Euch tun werde. Aber aus dem Gedächtnis heraus würde ich schätzen, dass es vor etwa einer Woche war, dass der Lord unangekündigt nicht zum Frühstücksmahl erschien und mir seine Schwester daraufhin mitteilte, dass er verreist sei. Ich habe seitdem so viel zu tun gehabt, das Haus auf Vordermann zu halten und gleichzeitig über den Verbleib des Lords nachzuforschen, da kommt es mir einerseits ganz kurz und andererseits wie ein Jahr vor, dass er nicht mehr im Hause weilt.“
    „Kann ich mir vorstellen“, behauptest Du. „Habt Ihr bei Euren… Nachforschungen denn etwas herausfinden können?“
    „Leider nein“, sagt Iason und wirkt nun noch trauriger als zuvor. „Ich habe es sogar gewagt, die private Korrespondenz des Lords zu durchsuchen, was ich unter anderen Umständen niemals getan hätte. Ich fand dort allerdings keinen Hinweis auf seinen Verbleib. Vielleicht solltet Ihr später noch einen Blick in die Unterlagen werfen. Es geziemt sich zwar nicht, einem Fremden Einblick in die privaten Dokumente des Hausherrn zu gewähren. Doch unter den gegebenen Umständen…“
    Iason lässt den Kopf hängen und scheint intensiv eine besonders interessante Stelle am Treppenabsatz zu beobachten, was Dir Gelegenheit zum Nachdenken gibt. Du scheinst das Vertrauen Iasons gewonnen zu haben. Die Frage ist, wie Du nun weiter vorgehst.

    … Nach den anderen Bewohnern des Hauses fragen. (→ Post 22)

    … Über Lord Folken Kastaroth ausfragen. (→ Post 23)

    … Verdachtsmomente gegen Iason selbst andeuten. (→ Post 24)
    Geändert von John Irenicus (05.11.2016 um 21:35 Uhr)

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    Du machst Dir keine Mühe, Dir irgendeine Antwort auszudenken, denn Du hast nicht das Gefühl, dass Dich der Hausdiener, der möglicherweise selbst nicht unschuldig am Tod des ehemaligen Hausherrn ist, Dich einlassen wird, egal, was Du antwortest. Deshalb tust Du das in der Situation aus Deiner Sicht einzig Richtige, stößt den Hausdiener beiseite und stürmst in das Anwesen hinein.
    „Was erlaubt Ihr Euch?“, ruft Dir der fein gekleidete Herr noch hinterher, doch Du befindest Dich längst in der kalten Eingangshalle. Du weißt nicht, wie viele andere Diener oder Bewohner das Anwesen noch hat, weshalb Du möglichst schnell agieren willst. Links von Dir erspähst Du eine Tür, von der Du jedoch nicht ausschließen kannst, dass sie fest versperrt ist. Deshalb entscheiden sich Deine Beine fast automatisch dafür, die vor Dir gelegene, große und mit rotem Teppich besäumte Treppe anzusteuern, die inmitten dieser fast festlich geschmückten Halle den meisten Platz einnimmt.
    Es dauert allerdings nur wenige Schritte, dann macht die Automatik Deiner Beine etwas schlapp, und mit Deinen nassen Schuhen verfängst Du Dich irgendwie im roten Teppich, der an einer Stelle schließlich fatalerweise umklappt und Dich stürzen lässt. Dein letzter Gedanke ist der, dass es für gewöhnlich ungefährlicher ist, eine Treppe heraufzufallen, statt sie herunterzufallen. Das ist allerdings, bevor Deine Stirn Bekanntschaft mit einer sehr hässlichen Kante im Marmor macht. Ab da denkst Du nichts mehr. Nie wieder.

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    „Ich versichere Euch, ich bin ein königlicher Ermittler“, sagst Du, nachdem Du Dich wieder etwas gefangen hast. „Ich bitte um Einlass, damit ich meiner Aufgabe nachkommen kann. Auch Ihr müsst ein Interesse daran haben, dass der Mord an Lord Folken Kastaroth aufgeklärt wird. Wenn Ihr mich nicht einlasst, so wird der königliche Hof davon erfahren und es wird Konsequenzen geben.“
    Du bist erstaunt, wie überzeugend Du – Deiner Meinung nach – auftrittst. Leider, so bemerkst Du, deckt sich Dein Eindruck nicht mit dem des Hausdiener vor Dir.
    „Dann kommt von mir aus mit dem gesamten Hofstaat oder dem König höchstselbst wieder her und reißt die Wände nieder, wenn Ihr unbedingt hier herein wollt. Ich jedenfalls werde Euch nicht einlassen!“
    Der Diener wirft Dir einen letzten bösen Blick zu, schlüpft durch den Türspalt hindurch zurück ins Anwesen und knallt das Tor von innen zu. Ein erneuter Windstoß kommt auf, wie, um das Geschehen trist zu untermalen. Du bist für einen kurzen Moment geneigt, einfach noch einmal an die Tore zu klopfen, nimmst aber davon Abstand, als Dir Bilder in den Kopf schießen, wie der Diener erneut öffnen würde, dieses Mal aber bewaffnet mit einem blutigen Schürhaken oder sonstigen Gerätschaften, denen möglicherweise schon Lord Kastaroth selbst zum Opfer gefallen ist. Deshalb machst Du einfach auf dem Treppenabsatz kehrt und schaust noch einmal über den verwinterten Vorgarten. Ein wilder Gedanke entbrennt in Dir. Wenn es keinen Weg durch den Haupteingang gibt, dann doch vielleicht einen Weg durch einen Hintereingang. Andererseits: Sollte Dich der Hausdiener bei einem Einsteigen in das Anwesen bemerken, dann käme vielleicht sogar wirklich der Schürhaken zum Einsatz.
    Du seufzt, Dein Atem gefriert dabei fast in der Luft. Es scheint minütlich kälter zu werden, der Schneefall hat zugenommen und die Kälte kriecht in Deine viel zu leichten Schuhe. Das alles hattest Du Dir wirklich anders vorgestellt. Indes, so fasst Du den Entschluss, all das Jammern hilft ja doch alles nichts. Weil Du keine Lust hast, noch länger in der Kälte herumzustehen…

    … machst Du einen Rundgang um das Anwesen. (→ Post 20)

    … trittst Du den Heimweg an. (→ Post 21)

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    John Irenicus ist offline
    Weil Du keine Lust hast, noch länger in der Kälte herumzustehen, machst Du einen Rundgang um das Anwesen. Wenn Du schon einmal hier bist, dann willst Du davon wenigstens noch etwas mehr sehen – zumal Du angesichts der im Brief Lord Kastaroths so eindringlich ausgedrückten Bitte nicht so schnell aufgeben kannst und willst.
    Der Schnee knirscht unter Deinen Schuhen, während Du Dir einen Weg durch den Vorgarten bahnst, vorbei an den weißen Engelsfiguren und weiteren Statuen von gütigen Frauen mit großen Amphoren, die im Sommer wohl mit Wasser gefüllt sein und den Vögeln einen Platz zum Baden bieten würden. Die Pflanzenwelt ist angesichts der Jahreszeit nicht so imposant, aber immerhin bietet Dir eine winterharte Hecke etwas Orientierung und führt Dich um das durch sie eingefriedete Grundstück herum. Du kannst an einigen Beeten und Bäumen erahnen, wie bunt der Garten im Frühling, Sommer und wahrscheinlich auch noch im Herbst sein muss. Allerdings wirkt der Garten als Ganzes, und das glaubst Du ihm auch in seinem winterlichen Zustand ansehen zu können, irgendwie ein wenig verblasst, als hätte er seine einstige, viel größere Schönheit längst hinter sich gelassen. Du kannst es nicht an einzelnen Details festmachen, aber es ist der Gesamteindruck, der Dich das denken lässt. Genau diesen Eindruck hast Du, während Du nun schon ein Stück weit um das Anwesen herumgegangen bist, auch vom Gebäude selbst. Es ist groß, zweistöckig, in Flügel aufgeteilt und allgemein schön geformt, auch an Fassade und Dach lässt sich nichts an diesem Steinbau aussetzen. Und dennoch hast Du auch hier das Gefühl, dass das Haus Kastaroth schonmal glanzvollere Zeiten erlebt hat. Ein bisschen kommt es Dir vor wie ein gealterter Recke, vielleicht ein gealterter König oder anderer Adeliger – und Du fragst Dich, ob Lord Kastaroth zu seinen Lebzeiten eine ähnliche Aura um sich trug. Oder noch immer trägt, falls er doch noch leben sollte, was Du angesichts seines so strikt formulierten Schreibens aber kaum zu hoffen wagst.
    Du bist nun die – wie Du vermutest – Westseite des Anwesens abgegangen und machst Anstalten, um die Ecke zu biegen und die Südseite längs zu gehen, als Du, einige Schritte weit weg, an einem Brunnen, eine Person siehst. Groß und bullig, in Winterkleidung eingepackt und etwas in den Händen haltend, was Du aus der Entfernung nicht identifizieren kannst. Du überlegst, ob Du Dich bemerkbar machen sollst, hältst es dann aber für besser, einfach ganz normal Deiner Wege zu gehen und abzuwarten, was passiert. Der Mann – so sicher bist Du Dir jetzt jedenfalls – scheint Dich nicht gesehen zu haben, denn auch er geht ohne weitere Reaktion seiner Wege und biegt um die Ecke, die Du auch bereits anvisiert hattest. Du beschließt, ihm ein wenig nachzugehen, weshalb Du, als Du am Brunnen ankommst, diesen nicht weiter inspizierst, trotz Deiner aufkommenden Fantasien von einem dort versenkten Lord.
    Als Du schließlich selber um die Ecke biegst, spürst Du einen Windhauch aufkommen – offenbar hatten Dich die Mauern des Anwesens auf der Westseite noch davon geschützt. Du blickst durch den herabfallenden Schnee in östliche Himmelsrichtung, in der Du den Mann, den Du für Dich einfach mal als den Gärtner des Anwesens identifiziert hast, vermutest. Aber Du siehst ihn nicht mehr. Auch von seinen Spuren – immerhin vorhanden – ist angesichts des raschen Schneefalls und der Windböen nicht viel zu erkennen, und das obwohl dieser riesige Kerl durchaus tiefe Stapfen hinterlassen haben muss. Du siehst Dich nach einer Hintertür um, durch die der Gärtner verschwunden sein könnte. Dein Blick fällt stattdessen auf eine lange Holzleiter, die eng an die Südwand des Anwesens gelehnt ist. Sie ist ordentlich verschneit, woraus Du schließt, dass sie zumindest nicht kürzlich benutzt wurde. Du bemerkst ferner, dass Du Dich unterhalb eines Balkons befindest, der an das obere Stockwerk des Anwesens angebracht ist, wohl deshalb hier zur Südseite raus, um im Sommer die entsprechende Sonne genießen zu können. Du siehst, dass trotz des ungastlichen Wetters die Tür vom Balkon in das Anwesen hinein einen Spalt offensteht.
    Der Gedanke, der sich Dir nun präsentiert, ist unvermeidlich. Du benötigst nur einen kurzen weiteren Blick, um abzuschätzen, dass die Holzleiter groß genug ist, um Dir, richtig positioniert, Zugang zum Balkon zu verschaffen. Der Gärtner, so denkst Du Dir, ist ohnehin längst irgendwo verschwunden, und genau diesen Umstand könntest Du nutzen, um Dir doch noch Zugang zum Anwesen zu verschaffen. Natürlich kommst Du Dir allein bei dem Gedanken höchst kriminell vor. Aber Du kannst Dich wirklich locker damit rechtfertigen, dass Du bloß dem Wunsch des Hausherrn gemäß handelst: Wenn Lord Kastaroth schon wollte, dass Du seinen Tod aufklärst, so wird er sicher auch gewollt haben, dass Du dazu zur Not in sein Anwesen einsteigst. Gerade weil man Dich nicht eingelassen hat, siehst Du das schon fast als Deine Pflicht an. Andererseits aber bist Du nun einmal Detektiv und kein Dieb, und weißt nicht, wie geschickt Du beim Hochklettern agieren wirst – geschweige denn beim möglichst ungesehenen Bewegen im Anwesen. Der Plan hat jedenfalls ein hohes Potential, schief zu gehen. Möglicherweise täte es Deiner Gesundheit gut, die ganze Sache schlicht abzubrechen, bevor Du Dich noch in Schwierigkeiten bringst, wie Du sie noch nie erlebt hast. Und so wägst Du immer weiter die Alternativen in Deinem Kopf ab und spielst die Geschehen durch, bis es Dir fast schwindelig wird.
    Du behilfst Dir und Deiner Entscheidungsfindung damit, dass Du dir zunächst einmal die Leiter schnappst – sie ist sogar noch schwerer als gedacht – von der Hauswand mühsam hinwegziehst und ihr oberes Ende nach einigem Geschiebe und viel Balanciererei probehalber an den steinernen Balkon mit seinem eisernen Geländer anlegst. Entgegen Deiner ersten Vermutung rutscht das untere Ende der Leiter auf dem Schnee nicht etwa hin und her, sondern sinkt in ihn ein und scheint dann bombenfest zu sitzen. Es erscheint Dir also – zumindest theoretisch – definitiv möglich, über die Leiter auf den Balkon zu gelangen. Du findest das beinahe ein wenig ärgerlich, weil Du Dich nun tatsächlich ernsthaft mit dieser Möglichkeit auseinandersetzen musst, was Deine Entscheidungsfindung nicht gerade vereinfacht.
    Da es für Dich jedenfalls keine Alternative darstellt, noch weiter im Schneetreiben herumzustehen…

    … brichst Du die Sache an dieser Stelle lieber ganz ab und gehst nach Hause. (→ Post 25)

    … versuchst Du Dein Glück mit der Leiter. (→ Post 26)

    … lässt Du die Leiter lieber Leiter sein und machst Dich stattdessen auf die Suche nach dem Gärtner. (→ Post 32)
    Geändert von John Irenicus (05.11.2016 um 21:36 Uhr)

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