...des Retail-Vertriebs.
Mit dieser reißerischen Überschrift hoffe ich, eine kleine Diskussion hier anregen zu können, sofern sich Diskussionswillige finden lassen.
Im OT-Thread kam er ja gestern/vorgestern zur Sprache, dieser gehörige Ruck durch unsere ruhige deutsche Animelandschaft. Bevor ich nun ein bisschen weiter aushole, das zusammenfasse, was wir bereits 'drüben' erläutert hatten und schlussendlich versuche, eine Diskussionsfrage anzuhängen, möchte ich aber eine Bitte voranstellen:
Es geht mir hier explizit nicht um Debatte zu dem vielberedeten Fansub-Stream-Thema. Das hatten wir schon oft genug. Ihr könnt meinetwegen gerne einfließen lassen, was ihr glaubt, wie deren Zukunft aussehen mag. Darüber hinaus soll das hier aber nicht in eine alte Diskussion umschlagen.
Da das nun aus dem Weg ist, können wir uns dem eigentlichen Thema widmen!
Was ist passiert?
Crunchyroll, seines Zeichens Marktführer für legales Anime-Streaming weltweit, hat sich zu Beginn dieses Monats offiziell auch in Deutschland eine Niederlassung geschaffen und kann auf unproblematischem Weg von uns und unseren Mitbürgern angesteuert werden. Für günstige 5€ lässt sich eine Premium-Mitgliedschaft erwerben, mit der ihr in naher Zukunft alle Serien der aktuellen Season schauen könnt.
Zudem erwirbt crunchyroll auch in regelmäßigen Abständen die Senderechte für Serien, die aus vorherigen Seasons stammen oder aus dem OVA-Segment. Und einige Filme sollen ebenfalls in die deutsche Angebotspalette rücken.
Eine kleine Geschichtsstunde
Crunchyroll entstand ursprünglich aus der rechtlichen Grauzone des Online-Streamings, fand aber als eine der ersten Gruppen den Weg in die Legalität, indem man das Risiko einging, mit Firmen Kontakt zu suchen und Lizenzen zu erwerben. Zu den damaligen Firmen zählte vor allem der Investor Venrock und das Animestudio Gonzo, auf dessen Konto zB Hellsing geht. Es folgten Deals mit Kodansha und TV Tokyo, über die Crunchyroll die Ausstrahlungsrechte an Naruto Shippuden erlangte und infolgedessen massiv Zulauf gewann.
Diese Erfolgsgeschichte hat sich bis heute fortgesetzt und Crunchyroll operiert mittlerweile auch in einigen europäischen Ländern, wie Großbritannien, Frankreich oder neuerdings eben auch Deutschland. Zudem hat die Firma mächtigen Investorenzuwachs durch den Anteilskauf der Chernin Gruppe erhalten.
Stand heute wird der Gesamtwert der Firma auf ca. 185 Millionen US-Dollar geschätzt, was Crunchyroll zur globalen Nr. 1 unter den Anime-Streamportalen macht.
Und was bedeutet das?
Der steile Aufstieg der Firma ruft derzeit vor allem zwei Parteien auf den Plan, die sich besorgt zeigen:
Zunächst sind da die Fansubber. Dadurch, dass Crunchyroll auf professionelle Strukturen mit immensen Ressourcen zurückgreifen kann und im direkten Kontakt zu diversen Studios steht, können sie praktisch unmittelbar nach Erstausstrahlung einer aktuellen Serie in Japan, eine gesubbte und/oder gedubbte Version online anbieten, die obendrein auch noch wesentlich höhere Auflösungen bietet, als der Kram, auf den Fansubber zurückgreifen können. Das hat in den USA in den letzten 5 Jahren dafür gesorgt, dass einige der größten Fansub-Hochburgen des Landes im Web praktisch ausgestorben sind, da sich der Aufwand schlicht nicht weiter lohnt. Die wenigen Gruppen, die sich noch dagegen stemmen, haben ihr Sortiment gezwungenermaßen dahin verlagert, wo Crunchyrolls Lizenzen noch nicht greifen. Also kein Season-Betrieb mehr.
Die Firma fährt gegenüber den Fansubbern eine zweigleisige Politik: Zum einen werben sie Mitarbeiter dieser Gruppen an und bieten ihn an, "legal" und professionell mit dem zu werden, was sie momentan "unter der Hand" betreiben. Gleichzeitig macht Crunchyroll insbesondere seit dem Einstieg der Chernin-Gruppe keinen Hehl daraus, dass die den Markt dominieren wollen und nun, da sie die Lizenzen unter sich vereinen, auch den Rechtsweg gegen Fansubber nicht scheuen müssten. Da Crunchyroll Deutschland ein rechtskräftiger Körper ist, der hier Lizenzen an allen aktuellen Animes hält, müssen also auch deutsche Fansubber damit rechnen, dass Crunchyroll bei ihnen klopfen könnte.
Mit einem Jobangebot...oder dem Anwalt.
Die zweite Gruppe ist es jedoch, über die ich hier mehr sprechen möchte: Die Verleihe von Hardcopies im Anime-Segment. Da Crunchyroll mit vergleichsweise unverschämt günstigen Preisen ein riesiges Angebot bietet, sorgen sich Firmen hier und anderswo darum, dass ihnen die Verkäufe wegbrechen könnten. Das könnte zur Folge haben, dass die Preise für einzelne DVDs oder Blu-Rays noch weiter steigen - ein Trend, der sich in den USA bereits andeutet. Einige in Deutschland aktive Verleihe, wie Kaze, haben sich bereits daran gesetzt, hauseigene Video on Demand-Angebote aufzubauen, um sich einen Teil vom Kuchen (und wohl auch zukünftige Daseinsberechtigung) zu sichern - äußern sich aber dennoch sorgenvoll über ihren Hauptmarkt mit Retail-Verkäufen.
Was ich nun also von euch wissen möchte:
Für uns als Fans uns Konsumenten stellt sich also eine spannende Frage: Ist es wirklich eine wünschenswerte Zukunft, vornehmlich digital auf Animes zurückgreifen zu können? Sind wir bereit, dafür im Gegenzug noch höhere Preise für physische Kopien in Kauf zu nehmen? Rechnet es sich für den einzelnen überhaupt, auf Crunchyrolls Palette zuzugreifen?
Man kann sogar in einem größeren Bezug fragen, inwiefern es geheuer ist, wenn sich eine einzelne Firma anschickt, den kompletten Season-Markt allein zu kontrollieren. Das mag manch einem nach Monopol stinken.
Für mich selber ist das eine spannende Angelegenheit. Nach der VHS, der DVD und der Blu Ray steht der Anime nun wieder an einer spannenden technischen Schwelle, die wegweisend für die Zukunft des Mediums sein wird.
Ich blicke der Sache mit gemischten Gefühlen entgegen und kann in Zügen beide Seiten nachvollziehen. Aber meine Meinung kann erstmal warten.
Jetzt bin ich nämlich auf eure Reaktionen gespannt!