Geschrieben am Mittwoch, 17.10.2012, 19:08 Uhr. Im Bus auf dem Weg zum Tischtennistraining.

Eine Stufe aus Marmor

Ich erwachte im Dunkeln. Der Blick auf die Uhr, 4:47 zeigt sie an. Es ist also noch Zeit. Zeit wofür eigentlich? Kennt ihr dieses Gefühl, wenn man etwas tun muss, aber nicht weiß, was, dieses rastlose Gefühl der Unruhe? Nun, ich habe es, kann es aber nicht konkretisieren.
Es gibt einfach nichts zu tun, so ist es doch. Während all der nichtssagenden Stunden überkommt einen einfach das Gefühl, dass das nicht richtig sein kann – und somit verspürt man den Tatendrang, keinen wirklichen, aber jenes prickelnde, unterschwellige Gedankenspiel, welches danach schreit, getan zu werden, sich in eine Handlung gefasst zu entfalten.
Aber wie? Wie befriedigt man einen solchen Drang, den man weder in Worte noch Handlungen fassen kann, von dem man genau weiß, dass die eigentliche Befriedigung darin liegt, diese Worte oder Handlungen zu finden, einen Sinn zu entdecken, dessen Vollführung sich lohnt.
Im Grunde genommen ist es die Frage nach dem Sinn des Lebens. Oder nicht? Zumindest nach dem Sinn der nächsten Minuten, nach einer Stufe auf der aristotelischen Leiter zur Glückseligkeit. Man kann ja ruhig wieder abstürzen und neu beginnen, solange diese eine Stufe einen gewissen Sinn beinhaltet – nun, ich kann nicht wie Sartre mir ein Gedankenkonstrukt erschaffen, das das Herumrollen eines Stiftes auf dem Tische mit der Erfüllung meines Geistes gleichsetzt. Nein, ich brauche mehr.
Eine richtige Stufe, von der ich stürzen kann, eine aus Marmor, keine aus Papier. Es hört sich so einfach an und gleichzeitig unschaffbar. Eine marmorne Stufe, es ist, als gäbe es keinen Marmor auf diesem Kontinent und keinen fähigen Steinmetz, der mir eine richtige Stufe daraus zimmern könnte. Die Steinmetze, die ich kenne, sind in dieser Beziehung alles Idioten. Gib ihnen Beton und sie formen etwas daraus, aber gib ihnen Marmor – finde ihn erstmal! - und sie zerschlagen ihn, noch bevor überhaupt Konturen einer Stufe zu erkennen sind.
Also bin ich dazu übergegangen, Stufen zu mieten. Immer nur eine, für wenige Stunden, eine Stufe, auf die ich steigen kann und von der ich nach Ablauf der gemieteten Zeit wieder hinabsteige – wenigstens falle ich so nicht.