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Im Tempel von Al Shedim
Warus' Laune sank mit jedem Schritt.
Da war dieser Maris nach einer halben Ewigkeit in Al Shedim aufgetaucht und dem einstigen Nomaden fiel nichts besseres ein, als zunächst zu ihm zu kommen und die Heilung eines Löwen zu verlangen. Für sowas musste er seine allabendliche Teestunde unterbrechen, die er immer abhielt, bevor er seine Meditationssitzung begann, um zu Adanos zu beten. Das kleine Mädchen auf dem Arm des blonden Mannes neben ihr schien von allem unbeeidruckt.
"Die Wüste ist nicht der richtige Ort für ein so kleines Mädchen, Ihr solltet sie schleunigst zu ihrer Mutter bringen", brummte der Wassermagier. "Eigentlich sollte das Kind schon längst schlafen. Aber der vermaledeite Löwe scheint Euch ja viel wichtiger zu sein. Überhaupt bin ich ein Heiler für Menschen und nicht für Tiere, und wenn Adanos persönlich in Tiergestalt kommt, wollte ich es nicht wagen."
Ja, er hatte wirklich schlechte Laune. Aber dennoch war er mit diesem Maris mitgegangen, um sich das verletzte Tier mal anzusehen, das sich in die Ruinen von Al Shedim geschleppt hatte. Merkwürdig, dass niemand anderes ihn bisher entdeckt hatte.
"Ihr solltet das Kind vielleicht nicht unbedingt mit zu dem Löwen schleppen?! Bei Adanos, Eure Qualitäten als Vater sind wirklich grausam."
Maris schien ihn gar nicht richtig zu hören, aber das verwunderte Warus auch nicht. Schließlich zeterte er, seit sie den Tempel verlassen hatten, da hatte der Blondschopf wohl einfach auf Durchzug geschalten. Diesen glasigen Blick kannte er von seinen Novizen nur zu gut.
Warus seufzte, als er der Gestalt vor sich gewahr wurde. Da lag tatsächlich ein Löwe.
"Bei Adanos...", murmelte er und ging vorsichtig auf das Tier zu. Sein Atem war flach und er hatte überall Kratz- und Beißspuren. Es schien, als wäre der Löwe in einen Kampf geraten, der nicht zu seinen Gunsten ausging.
Eigentlich war es nicht an Warus, sich in den Lauf der Natur einzumischen, das war allein Adanos' Wille. Allerdings sah Warus in dem Löwen auch eine Herausforderung, der er sich stellen wollte.
"Ich hoffe, das ist dein Wille, oh Herr", sagte Warus. Dann seufzte er laut, während er sich neben den Löwen kniete: "Also gut."
Der Löwe reagiert nur mit seinen Augen auf die Anwesenheit der Menschen.
"Das geht ganz allein auf deine Verantwortung", sagte Warus scharf zu Maris. "Und jetzt bring das Kind weg, verdammt nochmal!"
Aniron
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Al Shedim - Kindermädchen
All das Gemurre und Gezeter hatte doch nicht über Warus' Hilfsbereitschaft hinwegtäuschen können. Nichtsdestotrotz hatte die Aufnahmefähigkeit des Nomaden angesichts des fortdauernden, grimmigen Geplappers des Heilers zusehends gelitten, sodass es ihm, eingelullt wie er sich fühlte, schwer fiel, einen vernünftigen Gedanken über sein weiteres Vorgehen zu fassen.
Dass er sich ausgerechnet über die Uhrzeit aufregte! Immerhin war Maris bereits vor Stunden zu ihm gekommen und hatte wie auf Feuerkohlen wartend da gesessen, bis der alte Heiler endlich zum Ende seiner offenbar hochwichtigen Tätigkeiten gekommen war. Wenigstens seine Teestunde hatte er verschoben, um sich zwischendurch den Löwen zu widmen, das war dann doch schon fast als Erfolg zu verbuchen gewesen. Wäre der Löwe ein Mensch gewesen, hätte sich Warus sicher nicht so angestellt.
Der Nomade musste sich allerdings eingestehen, bei all dem Ärger tatsächlich die Bettzeit der scheinbar niemals müde werden wollenden Runa vergessen zu haben.
"In Ordnung, während ich sie fort bringe, kannst du dich in Ruhe um seine Wunden kümmern", sagte er mit einem besorgten Blick auf den schwachen Löwen.
"Glaub mir, es ist wichtig, dass du das tust. Ich danke dir von Herzen."
"Ja ja, jetzt lass mich meine Arbeit machen!", fauchte der Wassermagier nur. Grinsend wandte Maris sich ab.
Der Weg zurück zum Zelt war schnell zurückgelegt. Runa wirkte immer noch hellwach, doch es war Zeit für sie, sich schlafen zu legen. Vielleicht konnten die Frauen ihr ja helfen.
"Nein. Ich bin nicht dein Kindermädchen!" Aaliyahs alte Großherzigkeit...
"Und wenn du wieder kommst, brichst du mir wieder mal die Nase?" Thamars verständliches Misstrauen.
"Wenn du willst, kümmere ich mich um sie."
Der tiefe Bass gehörte zu Djamal, dem schwarzen Hünen, der zusammen mit Thamar nach Argaan gekommen war, um ihn zur Rückkehr zu bewegen. Maris überkam die plötzliche Sorge, diese gewaltigen Pranken könnten seine Tochter aus Versehen zerdrücken.
"Nun... weißt du... hast du denn schon mal...? Du weißt schon, mit Kindern und so..."
"Keine Sorge, er hat sich in den letzten Wochen schon öfter um Runa gekümmert", insistierte Thamar schnippisch.
"Na gut, ich danke dir vielmals", sagte Maris und wandte sich dem entspannt auf einem Stuhl lümmelnden Djafar zu.
"Djafar, kannst du gerade zufällig? Ich muss eben mit dir sprechen."
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Al Shedim - Löwenaugen
Die beiden Männer liefen durch die Kühle der Nacht, zurück zu Warus' Einsatzort. Es war Zeit, mit jemandem über seine neue Rolle zu sprechen, und außer Azad war Djafar derjenige, dem er am meisten vertraute. Zumindest einen Teil der Geschichte konnte er ihm doch mitteilen, oder nicht?
"Weißt du, es gibt größere Wesen da draußen als Menschen und Tiere", sagte er, "Ich diene einem von ihnen. Er gab mir Kräfte, und im Gegenzug versuche ich, ihm und seinen Kindern zu helfen."
Djafar war überrascht.
"Maris, willst du mir gerade ernsthaft sagen, dass du dich mit einem Dämon eingelassen hast?"
"Nein nein, keine Sorge. Ich diene einem der ersten Kinder der Mutter."
Der Ruinenwächter erkannte, dass er nicht weiter nachzufragen brauchte. Die nebulösen Andeutungen seines Sippenführers waren nicht umsonst so vage.
"Und worauf willst du nun hinaus?"
"Hast du schon einmal Löwen in der Nähe Al Shedims gesehen?", wechselte Maris scheinbar das Thema.
"Nun, nicht dass ich wüsste. Aber..."
"Wir sind gerade auf dem Weg zu Warus, der sich um einen kümmert. Das Tier wurde in einem Kampf von einem anderen Löwen schwer verletzt. Ich muss herausfinden, was hier los ist."
"Könnte er sich nicht einfach nach einem verlorenen Revierkampf hierher geschleppt haben?"
"Aus der zentralen Wüste? Unwahrscheinlich. Da steckt mehr dahinter."
"Und wie willst du das herausfinden?"
Maris grinste verschlagen.
"Ich kenne da einen kleinen Kniff. Du sollst nur wissen, dass die Nomaden nicht die einzigen sind, denen ich meine Aufmerksamkeit schenken muss. Aber es wird uns zunutze sein, da bin ich mir sicher."
Djafar schwieg, doch sein nachdenklicher Blick war von Skepsis und Vorsicht geprägt.
Als sie Warus erreichten beendete dieser gerade seine Arbeit. Er schien Magie eingesetzt zu haben, um den Löwen zu stärken und eine beschleunigte Wundheilung zu initiieren. Müde stütze der Wassermagier sich auf seinen Stock und wandte sich in Richtung Tempel ab.
"Ich habe getan, was ich konnte. Jetzt braucht er vor allem Ruhe. Ich hoffe, du bist zufrieden."
"Das bin ich tatsächlich. Danke, Meister Warus."
Der Alte schnaufte verächtlich.
"Ich hoffe wirklich, dass dein Aufenthalt in Al Shedim nur von kurzer Dauer ist, Maris. Du machst mir mehr Arbeit, als gut für mich ist in meinem Alter!"
Damit schritt er leise vor sich hin zeternd von dannen.
"Dir auch eine gute Nacht", murmelte Maris.
Die beiden Männer wandten ihre Aufmerksamkeit dem verletzten Tier zu. Seine Wunden sahen besser aus, doch Warus hatte sie nicht zur Gänze verschwinden lassen. Er würde schon seine Gründe gehabt haben, doch es war nicht ganz, was Maris erwartet hatte, wenngleich er zufrieden war, so lange der Löwe nur überlebte.
Sie mussten mehrere Stunden lang im Stillen gewartet haben, als das Tier sich zum ersten Mal regte. Unsicher versuchte sich die Raubkatze aufzurichten, ließ es dann aber doch bleiben. Maris war sich nicht sicher, ob der Löwe schon bereit war, doch wenn sie bis morgen warteten, liefen sie Gefahr, dass er einfach in die Wildnis verschwand.
"Na gut, dann wollen wir mal..."
Der Nomade hatte sich in der Wartezeit vorbereitet und seine Gedanken gesammelt, um nun mit möglichst viel Feingefühl agieren zu können. Er sandte einen feinen Strom magischer Energie aus, die sich ihren Weg zum Kopf des Tieres bahnte, und stellte einen ersten, vorsichtigen Kontakt her. Der Löwe war verängstigt und unsicher, schien bereits mit dem Leben abgeschlossen zu haben. Nun wusste er nicht, wie er diese seltsame Situation bewerten sollte. Plötzlich lag er nicht mehr im Sterben, war zwar immer noch geschwächt, aber auf dem Weg der Besserung. Und diese seltsamen anderen Tiere schienen in irgendeiner Weise damit zusammenzuhängen.
Zeig mir, was geschehen ist!, versuchte der Nomade dem Löwen mitzuteilen. Einen Moment lang dachte er, dass er vergeblich auf eine Antwort wartete, doch dann willigte die Raubkatze ein. Ein Bild des Kampfes erschien vor Maris' innerem Auge, Löwe gegen Löwe, ein Gefecht bis auf's Blut, in den westlichen Ruinen nicht weit von hier. Die beiden Tiere hatten sich gegenseitig hart getroffen, doch der Andere war klar als Sieger hervorgegangen und hatte ihn zum Sterben zurückgelassen.
Was tut ihr in diesem Teil der Wüste?
Erneut sah er Bilder von Löwen, eine Gruppe der Tiere, die er zweifelsfrei zu den Löwen aus den Bergregionen Zentral- und Westvarants zuordnen konnte. Sie waren kleiner, aber robuster und kräftiger als die der niederen Steppen, und erst jetzt fiel Maris' auf, dass die beiden Löwen, die hier gekämpft hatten, Mitglieder der verschiedenen Untergruppierungen waren!
Warum sind die Anderen aus den Bergen herabgestiegen?
Der Löwe begann, sich dem Nomaden zu verschließen. Das Tier war müde und erschöpft, wollte sich nur noch in eine Höhle verkriechen und die Schwäche dort aussitzen - der typische Drang geschwächter Katzen.
Die Ruinen hinter dir bieten eine sichere Höhle, übermittelte Maris dem Löwen, dann löste er die magische Verbindung und erhob sich.
"Und, hat sich etwas ergeben? Was hast du gemacht?", fragte Djafar voller Neugier.
"Die Löwen wenden sich gegeneinander. Die aus den Bergen kommen hinab gestiegen, nun machen sie sich gegenseitig das Revier streitig."
"Und das ist schlecht, nehme ich an?"
"Sehr schlecht sogar. Irgendetwas stimmt da überhaupt nicht..."
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Eigentlich dachte Viraya, dass reiten zu lernen etwas Praktisches sein würde und bisher hatte sich das auch bestätigt. Doch an jenem Abend lernte sie den Unterschied zwischen einem gesunden und einem Huf mit Störung. Es konnte Risse im Huf geben und diesen galt es vorzubeugen. Nun musste Viraya die Linien jedes einzelnen Hufs auf dem Hof begutachten und entscheiden, ob Handlungsbedarf bestand und was sie machen würde. Zu Beginn war es schwierig zu sehen, doch dank einiger Erklärungen, fiel es der Diebin immer leichter eine Entscheidung zu fällen und sie gewann an Sicherheit. Sie mochte auch die Pferde immer wieder, suchte ihre Nähe und bemerkte, dass dieses Verhalten oft aus Gegenseitigkeit beruhte. An jenem Abend lächelte sie zufrieden, als sie sich schlafen legte. Doch dann kamen die Träume. Sie zeigten ihr, dass sie nicht ewig an einem Ort verweilen durfte, dass der Dimosa-Clan bestimmt schon auf der Suche nach ihr war. Sie atmete einmal tief durch und verdrängte den Gedanken.
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Al Shedim - Essenszeit
Es zischte leise vor sich hin, während die Hälfte der Sippe, die sich vor Ort befand, in froher Erwartung auf ein gutes Essen bereits um den kleinen Messingtisch versammelt hatte. Selbst einer der Wassermagier verirrte sich von Zeit zu Zeit aus seinem dunklen Loch ins Sonnenlicht, um in das Zelt auf dem Tempelvorplatz zu treten und eine zünftige Speise abzugreifen - heute handelte es sich dabei um Warus, den Maris sozusagen als Friedensangebot für die bescherte Arbeit eingeladen hatte.
"Maris, wie lange brauchen die Falafel noch?", tönte es nasal von Thamar, die noch immer einen Verband um die Nase trug. Scheinbar brauchte es auch mit Heilungsmagie eine gewisse Zeit, bis solche Verletzungen ausheilten - oder Warus hatte ihr die schnelle Heilung schlichtweg nicht gegönnt, beides war möglich.
Es war eine gesellige und fröhliche Atmosphäre, in der sie zusammen gekommen waren, und Maris genoss diese unbeschwerten Stunden inmitten seiner Freunde und Vertrauten. Wie ein ausgetrockneter Schwamm sog sein nach solchen Momenten dürstender Geist jede Sekunde in diesem Umfeld auf, nachdem er nun über Jahre höchstens oberflächliche Freundschaften gepflegt hatte - so auch mit den beiden Druidinnen, die sich wie den größten Teil ihres Aufenthaltes über entweder im Tempel oder in den Ruinen aufgehalten hatten.
"Ich glaube, Runa hat Hunger", stellte Djafar heiter fest und wurde mit einem frohen "Jaaa!" durch die kleine Nomadin bestätigt. Es war unglaublich, dass Runa nun schon bald vier Jahre alt war. Sie und Sinan entwickelten sich so schnell, vor allem aber Runa war kaum zu halten. Seine Tochter hatte einen unglaublichen Abenteuerdrang entwickelt und schien sich kaum daran zu stören, dass sie so unendlich weit entfernt von zu Hause war. Aber vielleicht... vielleicht konnte sie auch spüren, dass das hier genauso ein Zuhause bedeutete.
"Keine Sorge, ihr werdet nicht verhungern. Hier kommen die Falafel!"
Mit einer großen Schüssel bewaffnet, in der sich die frittierten Kichererbsenbällchen stapelten und zu einem weit über den Rand hinausragenden Berg aufgetürmt lagen, trat der Hüter in die Runde und platzierte das leichte Mittagessen auf dem nach varantischer Art niedrigen Messingtisch, um sich zu den anderen auf die Teppiche niederzusetzen. Ein allgemeines Schmatzen und Ausstoßen von Lauten des Wohlgeschmacks setzte ein, und bald schon begannen die Sippenbrüder und -schwestern, eifrig mit vollem Munde zu diskutieren.
"Also, was willst du jetzt tun?", fragte der neben ihm sitzende Djafar mit etwas gesenkterer Stimme, als Maris gerade Runa mit weiteren Falafel versorgte.
"Ich will Shakyors Löwen finden. Selbes Spiel wie bei dem verletzten Löwen, doch ich hoffe, mehr zu erfahren. Über Shakyors Gefangennahme und auch das andere Problem. Lagert Kayors Sippe noch an ihrem alten Platz?"
"Ab und zu ziehen sie zur Oase vom fetten Murat, die von niemandem mehr gehalten wird, ansonsten aber ja."
Maris nickte.
"Dann werden wir sie ebenfalls aufsuchen und um Hilfe in der Stadt bitten. Dann sollten wir uns nach Mora Sul begeben und ihre Sicherheitsvorkehrungen auskundschaften. Wir werden ihn da schon rausholen."
Schließlich musste Maris ohnehin mit ihm sprechen - über die Geheimnisse des Druidensteines und die der Hüter der Wüste.
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Am nächsten Morgen fütterte Viraya erst die Pferde, dann zog sie ihr Schwert und machte sich langsam daran ihre Übungen durchzuführen. Sie war für ihre Begriffe noch zu langsam. Allgemein gab es einige Dinge zu verbessern. Aber es war schwierig das komplett aus eigenem Antrieb zu tun. Früher hatte sie das für ihre Familie gemacht. Der Dank dafür, dass sie ein zu Hause hatte, der Preis für die "Liebe" ihrer Eltern. Für ihren Bruder. Sie bemerkte nicht, wie sich ihre Augen wässerten, wie sie wilder um sich schlug. Zumindest zu Beginn, dann hielt sie sich jedoch Redsonja vor Augen. Redsonja hatte die Kontrolle verloren. Die Diebin würde nicht das gleiche tun. Schicksalsschläge gab es, doch es war ihre Aufgabe damit fertig zu werden. Zu überleben und kämpfen lernte sie, um zu überleben. Es war einfach. Eigentlich. Sie trainierte weiter und wiederholte gleichzeitig, was ihr Wenda bereits beigebracht hatte im Kopf, dann mistete sie den Stall aus.
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Al Shedim - Die Katzendame
Es war eine verrückte Begegnung. Da wollte der Nomade nur völlig unbescholten sein Nachmittagsgebet in der Hitze des Sandes durchführen und hatte sich auf einer Freifläche inmitten der Überreste von Al Shedim niedergelassen, und plötzlich stieß ihn ein weiches, kleines Fellknäuel an, um gurrend und schnurrend um seine Aufmerksamkeit zu buhlen! Doch Frau Pelzgesicht hatte Glück, denn Maris hatte sein Gebet ohnehin gerade zu einem Ende gebracht und öffnete nun die Augen voller Neugier, um zu sehen, was ihn da eigentlich heimsuchte. Was er erblickte, überraschte den Hüter dann doch geringfügig. Es waren die mandelförmigen, orange schimmernden Augen im gemütlich dreinblickenden, breiten Gesicht einer nur allzu bekannten orangefarbenen Katzendame, die es irgendwie fertig gebracht hatte, ihn nun, da er in ihr Revier zurückgekehrt war, aufzustöbern - vielleicht konnte man ja etwas zu essen abräumen, wer wusste das schon?
"Sirii! Na meine Süße? Gibt es dich auch noch?"
Etwas ruppig strich er ihr über den Kopf und streckte ihr schließlich seine Stirn hin, worauf sie nach eingangs zögernder Reaktion ebenfalls mit ihrem Kopf auf ihn zu hielt, sodass sie sich Stirn an Stirn berührten. Maris freute sich über alle Maßen, dass Anirons Katze, die schon zu Zeiten Al Shedims ein halb wildes Leben geführt hatte, sich immer noch an ihn erinnerte und ihn begrüßte.
Maris legte sich auf den Sand und sandte einen leichten Impuls in Richtung der Katze aus, um ihre Emotionen zu verstärken, worauf sie - ganz wie er gehofft hatte - ihn wie einen Hügel erklomm und sich schnurrend auf seinen Bauch setzte, die Augen vor Zuneigung fast völlig geschlossen. Lächelnd strich der Nomade ihr übers Fell und kraulte sie im Nacken, bevor er erneut seine Kräfte einsetzte und eine Verbindung zu ihrem Geist herstellte.
Na, wie geht es dir, meine Kleine?
Sirii erhob sich und begann, seine Brust mit einem kräftigen Milchtritt zu bearbeiten, der unheimlich schmerzte, doch Maris ertrug den Schmerz. Das wohlige Gefühl von Geborgenheit erreichte ihn aus dem Geiste der Katze heraus.
Ich freue mich, dich wiederzusehen. Was hast du alles erlebt?
Die Bilder von Mäusejagden und Streifzügen durch die Ruinen strömten nur allzu bereitwillig in seinen Kopf, ebenso wie Erinnerungen an fortziehende Menschen, die mit dem Abbau ihrer Zelte erstklassige Tummelplätze für sie freilegten. Auch das Bild des Novizen namens Fyr, in dessen Obhut Aniron Sirii damals gegeben hatte, tauchte vor seinem inneren Auge auf.
Wie schade, dass wir nun am anderen Ende der Welt sein müssen.
Sirii setzte sich wieder auf seiner Brust nieder, das Gesicht nur eine Handbreit von seinem entfernt, und plötzlich sah er das Antlitz Anirons vor Augen. Sirii schien sie tatsächlich zu vermissen.
Ja, sie fehlt mir auch. Ich werde ihr von unserem Treffen erzählen, wenn ich zurück bin. Und vielleicht werden wir eines Tages zusammen wieder hierher kommen.
Geändert von Maris (09.05.2014 um 02:27 Uhr)
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Al Shedim - Erinnerungen
Die Nacht war schon in den alten Legenden stets die Tochter des Chaos. Hatte die Welt bei Tag eine klare Ordnung und Struktur, wich in der Nacht jede Klare Form und Farbe. Doch die Nacht war auch die Zeit der Träume, in der Phantasie Wirklichkeit wurde, Worte und Gedanken zu Fleisch und Blut, Wünsche zu Wahrheiten. Es war die Zeit der Dschinnen und Sandteufel, der Fabelwesen, Feen und Geister. Doch unter dem Licht der Sterne wurden auch Erinnerungen wahr, lang erlebte Begebenheiten, die in den Geist der Menschen, aber auch in Sand und Stein geschliffen waren wie Runen im Fels.
Maris schritt durch die Ruinen, die dereinst das wundervolle Al Shedim waren, die Stadt der Alten mit all ihren Wundern und Geheimnissen, und später die Stadt der Kinder der Wüste, die Zuflucht suchten vor dem Griff derer, die ihnen die Freiheit nehmen wollten. Seine Schritte führten ihn am Kanal entlang, und für einen Moment schien es, als wären all der Dreck und Schlamm verschwunden, als würde das kristallklare Wasser der Oase wieder durch das blank geputzte Steinbett fließen und sich nicht durch den Sand quälen müssen. Er ging in Richtung des Oasensees, der immer noch existierte, doch nur noch einen fahlen Abglanz des früheren Anblicks bot. Die Vielfalt von damals, begründet auf liebevoller Pflege, war der Monotonie der Stärksten Pflanzen gewichen, die als einzige noch profitierten vom reichen Wasserreservoir unter dem Sande. Hier war es, wo Aniron und Maris sich dereinst zum ersten Mal geküsst hatten, wo der Keim ihrer Liebe seinen Anfang genommen hatte. Doch genau wie dieser wundervolle Moment existierte der Ort von damals nur noch in seinen Gedanken, nachdem Flut und Vernachlässigung ihm allen Glanz genommen hatten.
Vorbei an den Ruinen, zwischen denen sich früher die Taverne, in der er so viele Stunden der Geselligkeit, der erfüllenden Arbeit und so manche verrückte Begegnung erlebt hatte, oder auch die kombinierte Schmiede und Armbrusterei, die in Anlehnung an die Begründung durch Irenir und Adrastos mit dem hochtrabenden Namen Waffenindustrie Varants WVI betitelt wurde und einst Heim für Maris und Aniron war, befunden hatten, schlenderte der Nomade, der keinen Schlaf finden konnte, durch die Stille der toten Stadt. In Richtung des Strandes trieb es ihn, an dem sie in mühevoller Arbeit den Landesteg errichtet hatten, und wieder zurück in die Ruinen.
Als er auf einem weitläufigen Platz ankam, hielt er inne und schloss die Augen. Es war der Wille, sich zu erinnern, der ihn dazu trieb sich wieder umzusehen, doch als er die Augen öffnete, sah er weder das Hier und Jetzt, noch das Al Shedim aus seiner Vergangenheit. Keine Ruinen umgaben ihn mehr, sondern die fein gehauenen und hoch aufragenden Mauern der edlen Stadt des alten Volkes. Staunend betrachtete Maris diese surreale Zivilisation, doch bevor er wirklich begriff, dass es eine fremde Erinnerung war, die aus den Untiefen seines durch das Hüter-Ritual erweiterten Geistes hervor sickerte, war die Erinnerung mit einem Schlag vorbei und ließ ihn inmitten der Stille des verlassenen Ortes zurück.
Maris blickte gen Himmel. Die Sonne erhob sich weit hinterm Horizont und warf bereits den ersten Schein ihrer warmen Strahlen übers Meer. Es war Zeit, in die Gegenwart zurückzukehren und nach seiner Tochter zu sehen. Zum Leidwesen des Nomaden war sie im Gegensatz zu ihm derzeit noch ein Frühaufsteher. Doch er war sich sicher: irgendwann würde auch das sich ändern.
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Al Shedim - Übungskampf
"Gut so, bald bin ich am Ende!"
Er hob die Waffe in heldenhafter Manier, gerade als die todbringende Klinge seiner Gegnerin im epischen Kampf auf Leben und Tod, um Gedeih und Verderb der Menschheit und natürlich auch der Welt auf ihn nieder fuhr.
"Ha! So einfach mache ich es dir nicht!"
"Na warte!"
Mit einem wilden Schwinger ihres Schwertes stürzte seine Kontrahentin auf ihn zu, doch Maris wich mit einem grandiosen Reflex zurück, allerdings nur um direkt in einen schnell folgenden Rückhandschlag hinein zu laufen, der ihn völlig schutzlos an der Seite erwischte.
"Ah, oh nein! Du hast mich erwischt! Na warte!"
Der Nomade taumelte mit schmerzverzerrter Miene zurück und hielt sich die todbringende Wunde. Doch er schüttelte die Schwäche ab und warf sich schreiend wieder in den Kampf. Schlag um Schlag ließ er auf das Schwert seiner Gegnerin niederfahren, doch sie hielt stand und wich kein Stück zurück. Im Gegenteil: es gelang ihr, Maris' Klinge mit einem Gegenschlag so wuchtig zu treffen, dass seine Waffe mehrere Mannslängen weit durch die Luft segelte und sich in den Sand verabschiedete.
"Ha! Ich hab dich!"
Die Klinge der blutdurstigen Räuberanführerin schnellte hervor und bohrte sich tief in den Bauch des Nomaden. Mit einem markerschütternden Todesschrei beugte sich Maris vornüber und sackte auf die Knie. Die Hand um Gnade flehend zu ihr ausgestreckt fiel er vornüber und verendete im heißen Sand.
"Komm, Papa! Steh auf! Ich will nochmal!", rief Runa und fuchtelte mit ihrem Holzschwert noch ein wenig weiter in der Luft herum, während Maris sich aufrappelte und auf die Suche nach seinem eigenen Holzschwert begab, das er im Überschwang irgendwo ins Nichts geworfen hatte.
"Einen Moment, mein Schatz. Papa muss noch seine Waffe suchen. Die hast du mir ganz schön stark aus der Hand geschlagen!"
"Ja, ich bin ganz stark!"
Die Waffe war recht schnell wieder aufgetrieben, doch Maris musste feststellen, dass die morschen Holzreste, aus denen er die beiden Schwerter geschnitzt hatte, nicht allzu widerstandsfähig waren. Runa hatte stark genug zugeschlagen, um einige unschöne Splitter aus der hölzernen Klinge heraus zu treiben.
"Wir müssen eine kurze Pause machen, Runi. Ich muss unsere Schwerter noch einmal reparieren."
"Na gut", entgegnete das kleine Nomadenmädchen.
"Ich lauf ein bisschen herum!"
Und schon war sie zwischen den Ruinen verschwunden. Lächelnd zog Maris sein Messer hervor und machte sich ans Schnitzen.
"Aber lauf nicht zu weit weg, hörst du?"
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Westliche Ruinenfelder - Willkommen bei Kayor
Selbst nun, mitten in der Nacht, wachten die aufmerksamen Augen Sanuyems über die Ruinenfelder westlich Mora Suls. Und auch diesmal hatte der Nomade ihn bereits gesehen, bevor er auch nur den geringsten Hinweis auf die Anwesenheit eines Menschen - abgesehen von seinen Begleitern, selbstverständlich - gefunden hatte.
Maris hatte sich zusammen mit Djafar und Aaliyah, die zwar den größten Teil der Zeit über vermutlich nur aus Gewohnheit jammerte, aber dennoch mit ihnen zog, auf den Weg zur Sippe Kayors am Rande der Ruinenfelder von Mora Sul gemacht, um Kayors Sippe in die Suche nach einer Möglichkeit zur Befreiung Shakyors mit einzuspannen oder zumindest einige Informationen zu erlangen, doch obwohl er die Lage der Höhlen, die Kayors Sippe bewohnten, bereits kannte, war es wieder der immer wachsame Sanuyem gewesen, der ihn wie schon damals vor dreieinhalb Jahren zuerst gefunden hatte.
"Die Mutter sei mit euch, Brüder... und Schwester", grüßte Kayors Späher die Reisenden, ohne dass sie ihn sofort zwischen den Ruinen ausmachen konnten, und Maris fragte sich, ob dieser Mann jemals schlief. Wenige Momente später stand er vor ihnen, als wäre er mit einem Schlag aus dem Sand gewachsen.
"Ihr habt Glück. Die Sippe ist erst vor wenigen Tagen von Murats Oase zurückgekehrt. Ich bringe euch zu Kayor."
Sanuyem hätte sie nicht führen müssen, schließlich hatte Maris die Sippe Kayors vor Jahren bereits schon einmal aufgesucht. Dennoch wusste er die Begrüßung zu schätzen und musste zugeben, dass er sich durch die Wachsamkeit des Spähers direkt etwas sicherer fühlte, wenngleich es bei weitem nicht mehr so großen Anlass zur Sorge gab wie damals bei ihrem ersten Aufeinandertreffen.
Schweigend folgten sie durch die gewundenen Höhlengänge, die nur vereinzelt von unstet flackernden Fackeln erleuchtet wurden.
"Leise bitte, die Brüder und Schwestern schlafen", flüsterte Sanuyem, während er sie zielsicher durch das Gewirr der Gänge führte. Schließlich endete ihr Weg in einer mittelprächtigen Kammer, die als Schlafstätte genutzt wurde. Mehr als ein Dutzend Nomaden schliefen auf dünnen Matten, während eine kleine Gruppe etwas abseits saß und leise miteinander sprach. Ein großer, stämmiger Mann mit ernstem Blick erhob sich, als er die Neuankömmlinge erblickte.
"Ah, der Verlorene ist also wirklich zurückgekehrt."
Es war Kayor, der sich angesichts der damaligen Treffen mit erstaunlicher Herzlichkeit verhielt.
"Salam, Bruder. Wir hoffen, eure Gastfreundschaft in Anspruch nehmen zu können, und wollen mit euch über die aktuellen Probleme sprechen", sagte Maris und stellte mit kurzen Worten seine Begleiter vor.
"Eine hohe Wassermagierin, so so", raunte der Sippenführer und zeigte sichtliches Interesse, deutete dann aber in Richtung des Schlafraumes.
"Ihr müsst erschöpft sein von der Reise. Ruht euch doch erst einmal aus, dann sprechen wir morgen über die wichtigsten Belange."
Maris nickte zustimmend. Es war wohl das Beste, wenn sie zunächst wieder ihre Kräfte sammelten, wenngleich Maris so schnell wie möglich zurück nach Al Shedim zu seiner Tochter wollte, die er voller Vertrauen bei Djamal und Thamar belassen hatte.
"Gut, wir sprechen morgen. Danke, dass ihr uns aufnehmt."
"Natürlich, Maris, unter Brüdern immer. Und wann hat man schon einmal einen Hüter in der eigenen Höhle?"
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Westliche Ruinenfelder - Kayors Sippe
Ein allgemeines Schmatzen erfüllte die Höhle mit Leben, während ein gutes Dutzend hungriger Nomaden sich gierig den Bauch vollstopfte. Sie hatten das Mittagessen ein wenig nach hinten gezogen, da der Besuch aus Al Shedim nach seiner späten Ankunft und aufgrund der im Vergleich zu ihren Zelten ungewöhnlich langanhaltenden Kühle der Höhlen recht lange geruht hatte. Nun aber sprachen sie offen über alles, was in den letzten Jahren geschehen war und was in nächster Zeit geschehen würde - insofern ihr Mund gerade nicht mit den in reichhaltiger Fülle dargebotenen Speisen gefüllt war.
Kayor und seine Männer berichteten davon, wie Mora Sul damals, kurz nach der Abreise der wassermagischen Gesandtschaft nach Setarrif, von den Streitkräften der myrtanischen Armee mit schwerem Belagerungsgerät und unbarmherziger Härte angegriffen wurde. Er und seine Männer hatten die Ereignisse aus sicherer Entfernung beobachtet und sich erst Wochen später unter größtem Misstrauen in die Stadt gewagt, um die neue Lage beurteilen zu können, wobei ihnen auch Anktos, der seit Jahr und Tag in der Arena Mora Suls gekämpft hatte, eine große Hilfe war. Und tatsächlich, vieles hatte sich gebessert: die Assassinen waren vertrieben oder gezwungen worden, ihrem Glauben abzuschwören, die Sklaverei hatte ein Ende gefunden und die Unterdrückung der Schwachen hatte ein Ende gefunden. Doch leider war es nicht dabei geblieben.
"Nicht zuletzt durch irgendeinen Konflikt auf den südlichen Inseln, bei dem sich den Erzählungen nach ein adanosgläubiger König den Myrtanern in den Weg stellte, wuchsen die Anfeindungen zwischen ihnen und uns immer mehr an. Bald schon gingen sie nach Al Shedim, um Tribute dafür zu fordern, dass unsere Brüder unbehelligt ihren Glauben ausüben konnten, doch Shakyor wehrte sich dagegen. Wir sind niemandem verpflichtet und wollen nur unsere Freiheit, aber du weißt ja, wie es endete."
Kayor nahm einen Schluck Wasser und aß eine Handvoll Hirse, nachdem er mit seiner Erzählung geendet hatte. Maris hatte den Eindruck, dass die Sippe seines Gastgebers weitaus offener und ruhiger war als damals unter den Assassinen, wenngleich der aufbrandende Konflikt mit den Myrtanern durchaus noch Probleme bereiten konnte, doch es schien ihm, als tangierte Shakyors Schicksal sie nur leicht.
"Richtig, doch daran werden wir etwas ändern. Und dabei könnten wir eventuell deine Hilfe gebrauchen."
Kayor hob die Augenbrauen.
"So? Was schwebt dir vor?"
"Bevor wir einen Plan ersinnen, brauchen wir genaue Informationen über die Lage in Mora Sul. Wie viele Augen hast du dort vor Ort?"
"Vier Paare", entgegnete der Sippenführer. "Anktos hat die Verantwortung und drei unserer Brüder folgen seinen Anweisungen. Ihr wissen soll dein Wissen sein, wenn es das ist, was du brauchst."
Informationen konnten sie also ohne Probleme erlangen - das war ein erster Schritt. Ob das aber genügen würde? Schließlich hatten Jubair und seine Familie ebenfalls die Stadt im Auge, doch bisher stand noch kein Plan für ihr weiteres Vorgehen fest.
"Wärst du bereit, noch ein paar Brüder mehr in die Stadt zu schicken? Wenn es ernst wird, können ein paar weitere Speere vermutlich nicht schaden, und vielleicht können wir die Wachen ablenken, wenn wir ein wenig Unruhe unter die Leute bringen."
Kayor schien nicht allzu begeistert von der Idee zu sein.
"Unruhe? Wir sollten aufpassen, keinen krieg vom Zaun zu brechen, Maris. Du legst dich da mit einem Gegner an, der ein paar Nummern zu groß für dich ist."
"Dann tretet nicht als Nomaden auf! Mischt euch unter die Leute, habt ein offenes Ohr für ihre Sorgen und bringt sie zur Überzeugung, dass sie sich wehren müssen, wenn sie unterdrückt werden! Gerade bei den alten Assassinen werdet ihr offene Türen einrennen."
Unzufrieden schnaufend erhob sich der Sippenführer, schritt nachdenklich hin und her. Maris sah ihm den Unwillen an, der Idee folge zu leisten, andererseits konnte Kayor einem Hüter nur schwerlich eine Bitte ausschlagen, insbesondere wenn es um die Befreiung eines Mannes wie Shakyor ging. Schließlich blieb Kayor stehen und blickte Maris ernst an.
"Du verlangst viel, Hüter. Aber ich will dich nicht unter der Sonne verdursten lassen, also helfe ich dir. Ich werde Anktos einige weitere Brüder senden und ihm mitteilen, dass er dich in deinen Bestrebungen unterstützen soll. Im Gegenzug würde ich gern die Dienste deiner Begleiterin in Anspruch nehmen. Wir könnten eine fähige Wassermagierin an Murats Oase gebrauchen."
Aaliyah zog die Stirn in Falten, nickte aber schließlich zustimmend.
"In Ordnung, dann ist es besiegelt. Wasser für Wasser, Bruder."
"Wasser für Wasser", stimmte Maris zu. Kurzerhand ging er die nächsten Schritte in seinem Kopf durch. Aaliyah würde also hier bleiben und Kayor bei seinen Problemen helfen, während Djafar nach den anderen suchen würde, die um Mora Sul patrouillierten oder Shakyors Löwen verfolgten. Er selbst hingegen würde den schnellen Weg zurück nach Al Shedim wählen. Vielleicht würde er die Hilfe der Druidinnen benötigen, um Shakyors Löwen in die Finger zu bekommen.
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Viel Zeit hatte er im Sumpf kniend verbracht, sein Kopf erfüllt von einer unerklärlichen Bestimmung. Hatte er seine Augen geöffnet, so hatten sie eine steinerne Statue gesehen, überwachsen mit Pflanzen, integriert in die Umgebung als wäre sie schon immer dort gestanden. Gewöhnlicher Stein, mit gewöhnlichen Pflanzen an einem gewöhnlichen Ort, das zeigten die Augen.
Doch kaum waren sie geschlossen, offenbarte sich wie sehr der Schein trog. Eines Tages war die Statue an jenem Ort aufgetaucht, keine Jahrzehnte oder gar eine Ewigkeit, sondern nur ein paar Winter war es her und ihre Bedeutung war ebenso rätselhaft wie ihr Erscheinen.
Des Nachts hatte er von ihr geträumt und des Tags vor ihr gekniet. Sein Geist war gerufen worden, doch hatte er nicht erkennen wohin und warum. Schon einmal war es geschehen, doch war es damals wesentlich offensichtlicher gewesen: Das ganze Waldvolk hatte eine Vision gehabt, die Mutter hatte sie nach Tooshoo gerufen und sie waren gekommen.
Diesmal betraf es nur ihn und es war dezenter, doch die Zeit bei der Mutter hatte sich bezahlt gemacht. Je länger er bei ihr verbracht hatte, desto mehr hatte sich von seinem inneren Auge ein Bild abgezeichnet. Zuerst war es ein Abbild der Statue gewesen, gehüllt in Nebel, doch schließlich hatte sich dieser Gelichtet und die Umgebung war zum Vorschein gekommen.
Das Festland!
Die weiten des Ozeans hatten überquert werden müssen, doch dieses Problem vermochte er zu lösen. Sobald er sich seines Ziels bewusst gewesen war hatte er sich auf den Weg gemacht. Schwarzwasser war verlassen worden, der Orkwald und Westargaan durchquert, in Thorniara ein Schiff gesucht und gefunden und als er an der Reling des selbigen gestanden und auf den Horizont geblickt hatte, hinter dem das Festland zu Vorschein kommen sollte, war er absolut überzeugt gewesen, dass er die Zeichen richtig gedeutet hatte und sich auf dem Weg befand, der für ihn vorgesehen worden war. Sämtlicher Zweifel war verflogen! Hatte er anfangs lange gebraucht um zu verstehen was von ihm verlangt wurde, so hatte er nun die Gewissheit, dass er eine Verbindung zur Mutter hatte und diese ihm auch den weiteren Weg weisen würde, egal wo er sich befinden würde.
Auch die Überfahrt war jetzt schon längere Zeit her. Sie hatte ihn nach Bakarash geführt, den ersten Ort den er hatte erreichen können und da er keine nähere Zielangabe am Festland gehabt hatte, hatte er das erst beste Schiff genommen und sich gedacht, am Festland könnte er alle Wege auch zu Fuß oder mit einem Reittier zurück legen.
In der Praxis war sein Plan aber weniger leicht umzusetzen, da er keine weiteren Träume oder Visionen hatte, die ihm den Weg hätten weisen können. Stattdessen hatte er sich in der Stadt umgesehen und nach Zeichen Ausschau gehalten, alles was er aber herausfinden konnte waren Erzählungen über einen Adanos Tempel an einem Ort mit dem Namen Al Shedim. Was genau dort war, wusste er aber nicht und die meisten anderen Menschen in der Stadt entweder auch nicht oder sie wollten es ihm nicht sagen.
Als er schließlich auch noch einmal das Wort 'Mutter' aufgeschnappt hatte, beschloss er sich einer Karawane nach Mora Sul anzuschließen und diese noch vor dem Ziel zu verlassen um auf eigene Faust nach dem Tempel zu suchen.
Er konnte nur zur Mutter beten, dass dieses Vorhaben mit Erfolg gekrönt sein würde und sie ihn nicht in den Weiten der Wüste sterben lassen würde, nachdem er ihrem Ruf hierher gefolgt war. Einen besseren Plan hatte jedoch nicht und so war es Zeit für den Aufbruch!
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Bakaresh
Mit den gepackten Sachen auf der Schulter und durch seinen Mantel vor dem Spritzwasser, das der Wind immer wieder von den Wellenkämmen pflückte und über das Schiff schickte, geschützt stand Medin an Deck – das gepackte Schwert, das nicht auf seinem Rücken Platz gefunden hatte, in der linken Hand. Es überraschte ihn etwas, wie bereitwillig Redsonja mit anpackte und der Crew half. Das hatte er nicht vor, denn da sie nicht überfallen worden waren, würde ihn die Überfahrt wohl einiges an Geld kosten. Nun ja, sofern sie beim Anlanden nicht doch noch Schwierigkeiten bekamen.
Sein Blick ging hinüber nach Bakaresh. Über der Stadt lag die Ruine des riesigen Beliartempels als eine Art Mahnmal des letzten Krieges. Jun war damals der führende Feldherr gewesen, der mit harter Hand gegen die Assassinen und Beliarkultisten vorgegangen war. Nach der Einnahme der Stadt hatte er viele hinrichten lassen, die Kultstätte zerstört und den Tempel in Brand gesteckt. So hatte man es zumindest berichtet. Doch damals war Medin schon auf der Flucht gewesen und später dann auch in dieser Region nahe Bakaresh auf Juns Ritter gestoßen, die ihm und Lilo zur Flucht nach Argaan verholfen hatten.
Das Nef glitt nun langsam in die Hafenbucht und auf einen der freien Stege zu. Die meisten Segel waren eingeholt. Nun lag es am Steuermann, das Schiff sicher an den Kai zu bringen.
„Hier wehen die Banner des Mittelreiches“, sagte Medin zu Redsonja, die inzwischen auch ihre Sachen gepackt hatte und dem Landungssteg entgegen blickte. „Ich habe aber gehört, dass es in Varant unter der Oberfläche brodelt. Separatisten und Beliaranhänger wollen wieder eine Loslösung vom Reich. Wenn wir hier von Bord gehen, sollten wir also vorsichtig sein. Am besten decken wir uns mit dem Nötigsten ein und verlassen die Stadt nach Westen. Mit wem hat Coën denn die Ehre zu reisen?“, fügte er zum Schluss noch hinzu. Eine Unbekannte war Redsonja ja auch nicht mehr. Da empfahl sich ein falscher Name.
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"Coën hat die grosse Ehre mit Sumita zu reisen."
Die rothaarige Kriegerin grinste, dann schob sie ihre Waffen etwas tiefer unter den Mantel und überprüfte den Sitz ihrer Dolche. Ja, sie war kein unbeschriebenes Blatt, weder hier, noch sonst irgendwo. Dennoch war viel Zeit vergangen und Menschen vergassen sehr schnell. Zum Glück, zumindest in dieser Hinsicht. Dann machten sie sich auf zum Markt. Die Verhandlungen waren noch ebenso zäh, wie früher, doch Redsonja schlug sich nicht schlecht, denn sie durchschaute inzwischen dem entsetzten Blick, der besagte, dass sie dem Verkäufer das letzte Hemd vom Leib riss. Mit einem fröhlichen Lächeln gab sie ihm stattdessen zu verstehen, dass sie zu ihren eigenen Konditionen einkaufte und sonst zu einem anderen Stand ging.
"Die hübsche Dame."
Sprach sie plötzlich ein Fremder an und Redsonja wusste bereits beim Wort Dame in der Verbindung mit sich selber, dass etwas nicht gut war.
"Ist der Herr ihr Mann?" Die rothaarige Kriegerin verneinte, obwohl sie die Frage komplett deplatziert fand.
"Was reist ihr dann mit ihm?" Wollte der Fremde, der ungebeten hinzugekommen war wissen. Sie war versucht mit der Faust zu antworten.
"Er ist mein Bruder." Entgegnete Redsonja gelassen und musterte Medin abschätzig. Wofür sie kein schauspielerisches Talent brauchte. Es kam ganz natürlich. Der Fremde blickte skeptisch und lachte. Er musste auch die Unterschiede der ganzen Erscheinung der beiden bemerkt haben. "Der Bastard meines Vaters!" Fügte sie nicht gerade freundlich hinzu und schenkte Medin ein geradezu süssliches Lächeln. "Noch weitere Fragen?" Ergänzte sie noch weniger freundlich, drückte dem Händler das Geld in die Hand und machte Anstalten zu verschwinden. Sie mochte die Fratze des Fremden nicht ausstehen, befürchtete aber ihn nicht das letzte Mal gesehen zu haben.
Geändert von Redsonja (08.05.2014 um 19:56 Uhr)
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Al Shedim
„Bin ich hier falsch?“ murmelte Melford zweifelnd vor sich hin, während er abwechselnd auf die Landkarte schaute und seinen Blick durch die Umgebung schweifen ließ. Laut dem Fetzen Papier in seinen Händen müsste sich vor ihm die Wüstenstadt Al Shedim erstrecken. Anstelle dessen konnte er lediglich verlassene Ruinen und einen großen steinernen Klotz in deren Mitte ausmachen.
„Nun gut, dass sich hier einiges verändert haben wird, seit meinem letzten Besuch, war mir ja schon klar gewesen…“ ließ er seine Gedanken schweifen und fand sich damit ab, dass es das Al Shedim nicht mehr gab, was er einst kennen gelernt hatte. Damals, als er hier in einem großen Turnier mitgekämpft hatte, aber das war schon einige Jahre her. Und insofern er es richtig in Erinnerung hatte, war es auch das letzte Mal gewesen, dass er in einer Arena gekämpft hatte. Solche Kämpfe waren Teil der wertvollsten Momente in seinem Leben gewesen. Die Anspannung im Ring, das Toben der Menschenmassen, wie sehr hatte er diese Augenblicke genossen, für einige Zeit der Fokus des Geschehens zu sein. Erst der Krieg mit den Orks hatte ihm dies ermöglicht. Dann hatte er sich nach Frieden gesehnt und war nach Silden gezogen und nun herrschte Frieden, von Nordmar, über Myrtana, bis nach Varant. Aber es war nicht der Frieden, den er sich ersehnt hatte.
Der Kämpfer steckte die Karte in seine Tasche und setze seinen Weg fort, um die Umgebung ein wenig zu erkunden. Wahrscheinlich würde er hier die Nacht verbringen müssen und dazu war es immer ratsam, wenn man mögliche Gefahren ausschaltete und sich gut vorbereitete. Ob wilde Tiere, Innosler, oder Banditen, irgendetwas gab es immer, was einem den Tag verderben konnte. Und er wollte sich keine Blöße geben, wenn er einem davon hier begegnen würde.
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Bakaresh
Schon etwas zu lange waren sie wohl inzwischen auf dem Markt unterwegs und begannen langsam neugierige Blicke auf sich zu ziehen. Mit seinem Kopftuch und dem ohnehin braunen Teint wäre Medin nicht groß aufgefallen, aber die Gesellschaft von Redsonja - nein, er musste sich an den anderen Namen gewöhnen - Sumita zog Aufmerksamkeit auf das seltsame Paar. Wurde Zeit, dass sie weiter kamen, bevor jemand begann sich wirklich für sie zu interessieren. Denn wenn sich die Leute interessierten, dann erinnerten sie sich später auch an Sumita und Coën oder begannen diesen Schwierigkeiten zu bereiten.
"Vier Silberstücke", beharrter der Händler für die handvoll getrocknete Datteln.
"Nein, die sind höchstens die Hälfte wert", hielt Medin dagegen. "Die Oase ist doch keine Wegstunde vor der Stadt."
"Dann geh doch hin und pflück sie dir selbst, Maluk." Der Ton verriet, was dieser aus einem Wüstendialekt stammende Begriff wohl ausdrücken sollte. "Oder bezahl die vier Taler."
"Nein danke", zuckte Medin mit den Schultern und wandte sich ab. Was war denn hier los? Der Händler schien nicht viel von ihm zu halten. Aber zum Glück hatten sie ohnehin schon das nötigste beisammen. Zusätzliche Wasserschläuche waren in der Wüste nun einmal wichtiger als Datteln. Also trieb er noch eine kleine Decke für die kalten Nächte auf und suchte dann wieder die Schwertkämpferin, damit sie diese Stadt endlich verlassen konnten.
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Al Shedim - Besucher
Die letzten Jahre mussten wirklich ein Traum für die rüstigen Herren in Blau gewesen sein, insbesondere für Männer wie den Bibliothekar Kuron, die nur ein bedingtes Bedürfnis nach menschlichem Kontakt an den Tag zu legen pflegten, insofern ihre Neigungen befriedigt wurden. Nachdem die meisten Bewohner Al Shedims sich aufgemacht hatten, um eine neue Heimat in einer der Städte zu finden, und sich auch die Nomaden nach und nach dazu entschlossen hatten, wieder umher zu streifen und den Tempel nur gelegentlich als Treffpunkt anzusteuern, war kaum noch jemand zurück geblieben - außer den Mitgliedern des Kreises des Wassers, selbstverständlich. So hatten viele von ihnen in der abgeschiedenen Stille genüsslich ihren Studien gefrönt und die Wirren der Magie zu ordnen oder den undurchdringlichen Nebel der Zeit über der Geschichte des Alten Volkes zu lichten versucht, hatten sich gedankenverloren von der Zeit losgelöst und in der Stein gewordenen Ewigkeit des Tempels einen sicheren Hafen gefunden, wie ihn vor der Invasion der Orks auch Jharkendar auf Khorinis geboten haben musste. Die Welt war wohl in ziemlicher Ordnung gewesen für die meisten der Wassermagier - doch aus irgendeinem Grund hatte der Nomade, der seit kurzem wieder unter ihnen weilte, die seltsame Angewohnheit, die Ruhe der Wassermagier regelmäßig zu stören, ganz egal ob gewollt oder nicht.
Da schien es nicht allzu weit hergeholt, dass die neuen Ereignisse - nein, besser gesagt die neuen Besucher - auch etwas mit dieser von einigen sicherlich ungeliebten Eigenart zu tun haben mussten, doch diesmal hatte Maris ausnahmsweise nichts damit zu tun. Noch nicht, jedenfalls.
Der Mann, der plötzlich wie aus dem Nichts heraus in die Bestrebungen der Nomaden zur Befreiung Shakyors hinein Al Shedim erreicht hatte, war dem Hüter nämlich durchaus kein Unbekannter. Nein, Bartimäus war ganz im Gegenteil sogar schon eine Weile lang nicht nur sein Reisegefährte, sondern auch Gast in ihrem Hause gewesen! Doch an diesem Ort hatte Maris sicher nicht mit dem Freund gerechnet. Eilends hatten sie ihm eine kleine Kammer im Tempel fertig gemacht, wenngleich im Zelt zwei Schlafplätze frei waren, doch das eigenwillige Schlafgefühl, das sich bei der Übernachtung unter Zeltplanen in der Wüste einstellte und von den Nomaden so geschätzt wurde, war schließlich nicht jedermanns Traum. Insbesondere galt das für Menschen, die es noch nie zuvor an diesen Ort verschlagen hatte, und zu diesem bemitleidenswerten Schlag von Menschen (denn nach Maris' Meinung war jeder ein armer Tropf, der die Weiten der Wüste nicht sehen und spüren konnte) gehörte der Schwarzwasseraner.
Maris hatte ihn umgehend ausgefragt: Was er hier machte? Wohin er gehen wollte? Ob er einen Führer brauchte? Doch zumindest vorerst hatte Bartimäus, der sichtlich erleichtert war, die Reise erfolgreich hinter sich gebracht zu haben, seine Neugier unbefriedigt belassen. Der Abend war schließlich schon spät gewesen und Beine wie Kopf hatten schwer gewogen. Und so hatte er sich in seine Unterkunft im Tempel verabschiedet, auf dass sie in einer beschaulicheren Sekunde ihre Geschichten austauschen mochten.
Doch gerade als sich alle hatten niederlegen wollen, hatte Djamal, der sich als Späher und Wächter betätigt hatte, für eine neuerliche Überraschung gesorgt.
"Da kommt schon wieder ein einsamer Wanderer des Weges. Sind die denn alle irre dieser Tage?"
Eine gute Frage, doch es waren auch verrückte Zeiten. Außerdem war Mora Sul nicht weit, doch nach Al Shedim verirrte sich dennoch keine Seele. Dieser Tage war es tatsächlich ein so unscheinbares Versteck geworden, dass niemand an die grobe, steinerne Pforte des Tempels klopfte, der nicht auch wirklich hierhin wollte. Doch auch dieser Reisende war nach seinem harten Weg durch die Glut des Tages und die Kälte der Nacht nicht mehr Willens, eine Gute-Nacht-Geschichte in fünf Sätzen über sich und sein Leben kundzutun, und so hatten sie auch ihn in einer der Kammern untergebracht. Zwei einsame Reisende in einer Nacht, vier Fremde insgesamt mit den beiden Druiden-Damen. Bei all diesen seltsamen Ereignissen hätte es Maris kaum noch gewundert, wenn die vier Besucher, deren Kammern direkt nebeneinander lagen, am nächsten Morgen feststellen würden, dass sie sich alle kannten.
Die Wege der Götter waren schon immer unergründlich.
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Der Weg war lang und mühsam gewesen! Doch das Schlimmste war weder die Hitze, noch die Trockenheit der Wüste gewesen, sondern die Ungewissheit ob er den richtigen Weg eingeschlagen hatte, beziehungsweise ob er es schaffen würde den Tempel zu finden. Nach einer viel zu langen Wanderung durch die endlose Weiten der Dünen in der sich der Waldläufer kaum zurecht finden konnte, hatte er es aber tatsächlich geschafft eine Silhouette am Horizont zu erkennen, die auf ein größeres, steinernes Bauwerk schließen ließ.
Dort angekommen war jedoch erneut jeder Zweifel verflogen! Von Tooshoo aus gesehen konnte man fast behaupten er wäre ans andere Ende der Welt gereist, zu einem Ort an dem er sich in seinen kühnsten Träumen keine Bekannten erwartet hätte, tatsächlich waren aber nicht nur ein oder zwei, sondern gleich drei Waldvölkler dort, davon zwei Druidinnen und ein äußerst zuvorkommender Gastgeber.
Diesem Ruf war er auch in dieser Situation sofort gerecht geworden und hatte ihm ein Zimmer im Tempel angeboten.
Zu dem Zeitpunkt seiner Ankunft hatte er dieses Angebot nur dankend angenommen und war erschöpft und erleichtert ins Bett gefallen, jetzt machte er sich aber ein paar mehr Gedanken darüber. Im ersten Moment kam es ihm unpassend vor in einem Gotteshaus zu nächtigen, während der Gastgeber selbst in einem Zelt draußen schlief, dann hatte er allerdings bemerkt, dass er nicht der einzige war, sondern dass es hier offenbar schon auch üblich war den Tempel als Behausung anzusehen.
Abgesehen von diesen Gedankengängen war jetzt aber auch die Zeit Maris Fragen zu beantworten, deren Anzahl fast mit der des Neugierigen konkurrieren konnte.
"Um ehrlich zu sein, kann ich dir kaum eine der Fragen beantworten. Ich weiß es selbst nicht so genau. Es mag sich vielleicht anhören als wäre mir das Sumpfkraut aus Schwarzwasser zu Kopf gestiegen und es ist schwer zu beschreiben, aber ich hatte das Gefühl... gerufen zu werden. Am könnte man eigentlich schon Visionen nenne, die mich zum Festland geführt haben. Hier angekommen habe ich mich dann mehr auf meine Intuition verlassen und habe mich deshalb auf den Weg hier her gemacht und ich meine es hat sich ausgezahlt! Kann es sein, dass es ein Zufall ist, dass ich euch alle hier finde? Ich kann es mir nicht vorstellen! Und es mag verrückt klingen, aber ich glaube, dass die Mutter etwas... von mir will oder mit mir vor hat oder wie auch immer und dass sie zwar teilweise mit ihren Zeichen sehr zurückhaltend ist, aber sie ausreichen um mich auf dem Weg zu halten!"
Wie er sich selbst zuhörte, musste er zugeben, dass sich das ganze sehr kurios anhörte und vielleicht zu der rätselhaften Ausdrucksweise eines Druiden gepasst hätte, aber er bisher nicht so sehr mit übernatürlichen Kräften konfrontiert worden war.
"Aber wie kommt es, dass ihr alle hier seid? Du sogar mit deiner Tochter den weiten Weg auf dich genommen hast? Und dann noch Suzu und Céci mit dabei sind? Willst du in der Wüste einen Wald pflanzen?"
Die Idee würde ihm ganz gut gefallen, doch auch wenn er sich nicht so genau mit den Kräften der Druiden und deren Ausmaß auskannte, so konnte er sich nicht vorstellen, dass dies für zwei Druidinnen möglich oder auch erwünscht gewesen wäre, immerhin stellte es einen enormen Eingriff in die natürliche -wenn auch für Barti so gut wie nicht vorhandene- Vegetation dar.
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Zwischen Ben Sala und Lago
Sie hatte tatsächlich vergessen, wie heiss es hier wirklich war. Redsonjas Haut glühte nach dem Tag unter der Sonne, der sie dazu veranlasst hatte mit den letzten Sticheleien Medin gegenüber aufzuhören. Es war einfach zu anstrengend. Sie war richtig glücklich, als sich der glühende Sonnenball langsam dem Horizont näherte. Das bedeutete aber auch, dass sie sich etwas sputen mussten, wollten sie Lago noch vor Sonnenuntergang erreichen. Da beide Reisenden wussten, dass die Wüste jede Nacht eine kalte Überraschung bereit hielt. Nirgendwo kühlte der Boden so schnell aus, wie hier.
In der Ferne waren die Geräusche eines Schakals zu hören. Nein, nicht nur eines einzelnen.
"Weisst du auch wie es in Lago inzwischen aussieht?"
Durchbrach die rothaarige Kriegerin nach einiger Zeit die Stille.
"Vielleicht sollten wir doch die Dunkelheit abwarten und uns dann vorsichtig nähern?"
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„Mhmhm“, brummte Medin verneinend, während er das um seinen Kopf gewickelte Tuch etwas zur Seite schob und den Wasserschlauch ansetzte. Der Blick war in Richtung Lago gerichtet. Das kleine Dorf, was wohl ursprünglich als Karawanenposten entstanden war, dürfte zu klein und unbedeutend sein, um Schwierigkeiten größeren Ausmaßes zu bedeuten. Die handvoll Hütten war wahrscheinlich stets von Sumpfkrautzüchtern bewohnt, ganz gleich welcher Herrscher gerade sein Banner über Varant ausbreiten wollte.
„Wahrscheinlich gibt es dort nur das übliche Geschmeiß“, antwortete er, während sie weiter gingen. „Sumpfkrautzüchter, ein paar Händler und Reisende und vielleicht auch ein paar Banditen, die aus erstgenannten ein bisschen Geld rausholen. Alles in allem aber nichts, womit wir nicht fertig werden dürften. Ich mache mir mehr Sorgen, wenn wir nach Braga kommen … oh, warte!“
Der Südländer hatte seinen Wasserschlauch schon wieder verstaut, blieb aber wieder stehen. Ein kurzer Seitenblick zu Redsonja verriet ihm, dass sie es auch schon bemerkt hatte. Am abendlichen Horizont, knapp über einem flachen Dünenkamm, war eine Staubwolke zu sehen. Klein, kurz und beständig sich in eine Richtung fortbewegend. Eine Karawane? Ein Trupp Bewaffneter? Auf alle Fälle schienen dort einige Leute unterwegs zu sein, wahrscheinlich sogar mit Pferden oder Kamelen.
„Das mit dem vorsichtig nähern ist vielleicht eine ganz gute Idee“, gab er sogleich zu. „Die Sonne hält ohnehin nicht mehr lange durch. Lass uns ein Stück nach Norden gehen, näher an die Ausläufer der Felsen. Dort werden wir nicht gleich entdeckt, wenn wir aufpassen und können schauen, was dort vor uns liegt.“
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