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Madlen kletterte voraus. Selbst hier oben waren manchen Kanten des Riffs noch glitschig, obwohl sie von keinen Wellen getroffen wurden. Ihre Spitzen waren weißlich, von dem Salz in der Luft eingefärbt. Ihre Handschuhe hatte sie ausgezogen. Sie musste den Stein fühlen können. Es brachte nicht mehr Halt, aber eingebildete Sicherheit. Und manchmal konnte das einem auch helfen. Ihr Mantel schwang bei jedem Schritt leicht hin und her, der Wind fuhr scharf durch ihr Haar und zerrte an den Kletterern. Das es nicht leicht werden würde, war klar. Doch sie durften sich keine Pause gönnen und zogen sich Meter um Meter nach oben.
Bald schon gewann die Zeit für die junge Frau keine Bedeutung mehr. Sie setzte nur noch einen Fuß über den anderen und umgekehrt. Zog sich mit ihren Händen weiter. Immer wieder erfuhr sie kleine Risse in den Fingerspitzen, zuckte kurz und machte dann weiter. Sie würde sie später mit Alkohol reinigen müssen, wenn es dann nicht schon zu spät war. Und ein weiterer Meter war geschafft. Bald würden sie oben sein. Und das wurde auch Zeit, denn am Horizont veränderte sich langsam die Farbe des Himmels. Der Sonnenaufgang nahte.
Madlen und ihr Begleiter standen vor der Mauer, das Seil lag vor ihnen. An einem Ende befestigte die Fürstin gerade schwer atmend ihr Kurzschwert daran, sodass es einen improvisierten Haken bildete. Sie waren bei fast am Ende ihrer Kräfte. Erst das lange Rudern, dann der Aufstieg. Nun fehlte nur noch die Überwindung der Mauer. So gesehen war dies die leichteste Aufgabe. Sie wählten dafür ein Stück Mauerabschnitt, der in ein Haus überging. Die Fenster waren dunkel und hier würde so schnell keine Wache mehr vorbeikommen.
Das Werkzeug war fertig und ihr Begleiter schwang es, zielte sorgfältig und konnte, so wie geplant, mit dem ersten Wurf einen Treffer landen und den Haken richtig befestigen. Madlen erklomm zuerst die Mauern. Als sie beide oben waren, hatte sich die junge Frau bereits wieder ihren Mantel umgelegt und war gerade dabei, das Schwert vom Seil zu lösen. Dieses würden sie nicht mehr benötigen und so ließ die Fürstin den Weg zurück fallen, den sie gekommen waren. Dann sprach sie noch ein paar Worte, ehe sie in der Morgendämmerung zwischen den Gassen verschwand: „Erledige, was du zu erledigen hast. Jeden Tag von heute an, werde ich bei Sonnenuntergang in der Taverne am Stadttor warten. Jeweils für zwei Stunden. Du findest mich dort. Versuche nicht, mich auf anderem Wege zu finden. Diese Stadt ist gefährlich für mich. Es würde dich nur unnötig in Gefahr bringen.“
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Am nächsten Morgen hatte Dlugosz einen Rückfall. Schweißüberströmt, bis auf die Unterhose entblößt und lauter zusammenhanglose Phrasen stammelnd - so fand Mitch ihn vor, als er zu seiner morgendlichen Fütterung in die Höhle kam.
»Scheiße!«, fluchte der Bandit und kniete sich runter zu Dlugosz. »Kleiner, hey! Kannst du mich hören? Wie viele Finger zeige ich?«
Er streckte ihm seine gespreizten Hände entgegen und fuchtelte wild damit herum.
'Zehn', wusste Dlugosz, sprach es jedoch nicht aus.
»Scheiße!«, wiederholte Mitch und rannte wie vom Blitz getroffen durch den Eingang.
Wenige Sekunden später kehrte er in Begleitung seines Kameraden zurück.
Vorsichtig berührte Chris Dlugosz' Stirn und Achselhöhlen, während er ihm dabei Wasser aus einer kleinen Schale in den Mund tröpfelte.
»Was ist denn mit ihm? Stirbt er?«, fragte Mitch besorgt.
»Nein«, widersprach sein Komplize. »Das ist ein Zeichen, dass wir ihm noch mehr meiner Medizin.... hoppla!« Er hielt inne.
Mitch sah, wie Chris etwas vom Boden auflas und mit schreckgeweiteten Augen untersuchte.
»Was hast du da, Chris?«
Dieser rüttelte jedoch unsanft an Dlugosz Schultern und zeigte ihm die roten Beeren, die er eben entdeckt hatte.
»Guck sie dir genau an! Hast du sie gegessen? Sag schon!«
Dlugosz lächelte traurig. Dann nickte er.
»Scheiße, Mitch! Das sind rote Flammenbeeren. Leibspeise der ganzen Vogelschar auf Argaan und tödlich für jeden Menschen, der sie einnimmt.«
Wütend sprang Mitch auf.
»Der Bengel hat uns reingelegt. Wir bemühen uns, ihm ein angenehmes Leben zu gestalten, dabei hat er schon lange seinen Selbstmord geplant. Na warte!«
Chris hielt seinen aufbrausenden Kollegen zurück und bedeutete ihm, die Höhle zu verlassen.
»Davon ist auszugehen. Wir können daran eh nichts mehr ändern, die Beeren besorgen den Rest.« Die nächsten Worte richtete er gen Dlugosz. »Der Unglückliche stirbt nämlich einen schnell eintretenden, aber qualvollen Tod. Wir holen ihn dann später ab, Mitch. Komm jetzt!«
Als sie draußen waren, jubilierte Dlugosz innerlich. Es lief alles nach Plan. Gedankenverloren zerrieb er die Beeren, die er damals im Wald gesammelt hatte, zwischen den Fingern. Er hatte nicht mehr viel Zeit.
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Stewark
Der Templer blinzelte leicht, während er langsam ins Bewusstsein zurückkehrte. Er hatte die Nacht auf einem Dachboden verbracht, welcher wohl schon länger nicht mehr benutzt worden war. Die Anstrengungen der letzten Tage und die Wunde an seiner Schulter hatten dann doch ihren Tribut gefordert und so hatte er sich nach der Verabschiedung seiner Begleiterin dann doch erstmal ein Quartier gesucht, in welchem er nicht gestört wurde. Und während er so da saß, inmitten von trockenem, staubigen Heu und sich lange und ausgiebig streckte, dachte er darüber nach, wo seine Suche beginnen sollte. Müde und noch mit einen Strohfasern im Haar krabbelte der müde Templer zum Fenster hin und blickte hinaus. Das Wetter war grau und wolkenverhangen. Die Hitze drückte und es war, als warte die ganze Stadt nur angespannt darauf, dass ein warmer Platzregen vom Himmel herabbrach. Ein müder Tag, tatsächlich. Und so ging es auch Ryu. Er war müde und fragte sich für einen Moment lang, was er hier eigentlich tat. Schon desöfteren hatte er getötet, doch wirklich darüber nachgedacht das ganze als Attentäter im Namen der Natur zu tun... Schien ihm irgendwie befremdlich.
"Sei's drum..." mit diesen Worten krabbelte er unter dem Dachstuhl heraus auf die Befestigung eines Flaschenzuges, welchen er ergriff und sich anschließend daran herunterließ in Richtung Gasse. Kurz bevor der Templer dann unten ankam, schwang er sich in Richtung einer Wand, ließ den Flaschenzug los und stieß sich dabei mit einem Fuß von der Wand ab. Damit nahm er die Beschleunigung vor dem Aufprall und konnte die restliche Kraft durch eine Rolle nach der Landung kompensieren. "Und jetzt?" den Staub von seiner Kleidung abgeklopft, marschierte er also aus der Gasse heraus und schaute sich um. Da war er nun, mitten in Stewark. Vielleicht war es erst einmal klug, sich ein wenig umzuschauen und zu hören, was die Leute so zu erzählen hatten. Und so verließ er die Gasse...
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Stewark - Marktplatz
Während er so in der Menge untergetaucht war kam der Templer sich trotz allem irgendwie vor wie ein Fremdkörper. Vielleicht lag es aber auch an den komischen Grimassen, die er hin und wieder schnitt. Dabei konnte er gar nicht anders, als er am Marktplatz vorbeikam und die vielen Gerüche wahrnahm. Seine Sinne waren schier betäubt davon, was die Informationsbeschaffung nur erschwerte. Natürlich sah und hörte er noch, doch wenn der Geruchssinn blockierte, konnte dies durchaus stark ablenken. Zwischendurch wurde es ihm sogar soviel, dass er in einer Gasse Halt machen und sich übergeben musste. Es hatte eben nicht nur Vorteile, Hüter zu sein. Es bedurfte seiner Zeit, doch nach und nach kam die Gewöhnung. Auch wenn hier und dort immer wieder Gewürze oder andere, neue Düfte die Eingewöhnung erschwerten oder durcheinanderbrachten.
Wieder gefangen, schlurfte er also zwischen den Menschen hin und her, betrachtete unbehelligt Gesichter unter der Gugel heraus, welche er in seinem Versteck gefunden hatte und die weitestgehend die unnatürliche Wirkung seiner Augen verdeckte. Es waren viele verschiedene Gestalten. Junge Frauen, alte Frauen, dasselbe an Männern und, so konnte man meinen, schienen auch irgendwelche Zwischendinger dabei zu sein. So hatte eine Dame, welche den Fächer vor ihrem Gesicht herunternahm einen Schnauzer, wo ein scheinbar stämmiger Kerl beim Umdrehen einen Säugling stillte. Die Welt war schon verrückt und die Bewohner dieser Stadt riefen mehr als nur einmal ein Stirnrunzeln bei Ryu ins Gesicht.
Hin und wieder warf er auch den ein oder anderen Blick auf verschiedene Marktstände, besah sich hier und da ein paar Waffen und deren Qualität an oder blickte abschätzend aus den Augenwinkeln zu den neusten Dessous-Trends, die sich so auf Argaan breit gemacht hatten. Dabei fragte er sich mehr als nur einmal, wer es bequem fand, eine dünne Schnurr um die Hüfte zu tragen, welche sich an der Wirbelsäule traf und zwischen den Pobacken weiter verlief. Sowas war doch nicht im geringsten angenehm und musste doch scheuern wie blöde! Und trotz allem scharrten sich eine Menge junger Damen um den Stand von "St. Oliver". Ryu hingegen hatte für so etwas nur ein Schulterzucken übrig. Er war weiterhin Verteidiger der allseits bequemen Männertuchshorts, wie sie in Silden typisch waren. Vielleicht war er damit altmodisch, aber verzichten tat er darauf sicherlich nicht. Nirgendwo sonst konnte man die "Gedanken" so frei herumbaumeln lassen wie in diesen Kleidungsstücken. Na gut, Roben waren da noch einen Schritt weiter, aber darin zu kämpfen war ein Krampf. Daher: Je weiter die Unterwäsche war, desto weitere Ausfallschritte und Manöver konnte man in einem Kampf vollführen. Aber darum ging es ja gerade nicht.
Vielmehr Interesse dagegen wurde bei ihm geweckt, als er an einen Stand mit diversen, mit Tierzeichen versehenen Schmuckstücken ankam und sich näherte...
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Dlugosz war kurz eingedöst, doch er wurde schnell hellwach, als er das ihm mittlerweile vertraute Quietschen vernahm. Dies war das Signal für das furiose Finale seines genialen Plans. Der junge Okkultist nahm einen letzten tiefen Atemzug und hielt anschließend die Luft an, damit Mitch auch keinen Verdacht schöpfte. Allerdings war es nicht Mitch, sondern der Ältere, Chris, welcher gerade die Höhle betrat. Dies war nicht in seinem Plan vorgesehen. Dlugosz bekam die Panik, doch durfte er es sich nicht anmerken lassen. Immerhin konnte auch Chris eine Waffe tragen, wenn Mitch dies sowieso tat.
Der Bandit hob den angeblich Toten ahnungslos auf und warf ihn wie einen Sack über die Schulter.
»Bist n bisschen schwer für nen Toten«, sprach Chris zu seiner Leiche. »Naja, in der Erde baut man schnell Masse ab, glaub mir!«
Er machte sich daran, die Höhle zu verlassen, da meinte Dlugosz, etwas in seinen Mantelfalten aufblitzen gesehen zu haben. Angestrengt fixierte er seinen Blick auf den vermeintlichen Gegenstand, soweit die finstere Dunkelheit dies überhaupt zuließ, aber es war unmöglich, etwas Näheres zu erkennen. Dlugosz musste handeln, ehe sie die Höhle passierten und alles zu spät war. Sein Leben hing am seidenen Faden, doch der Junge blieb zuversichtlich. Beliar würde ihm beistehen.
Ohne groß nachzudenken, was er da eigentlich tat, folgte Dlugosz seiner Intuition, griff nach dem verborgenen Gegenstand, erkannte, dass es sich um ein Messer handelte und stieß es dann mit tödlicher Präzision von hinten in Chris' Hals. Augenblicklich sackte der kräftige Bandit zu Boden und ließ dabei nicht mal ein Röcheln ertönen. Er war auf der Stelle tot.
Dlugosz gönnte sich für einen kurzen Moment Ruhe, um seine weiteren Schritte vorzubereiten. Das Messer mit der blutigen Klinge hielt er nach wie vor angriffsbereit in seiner Rechten, als plötzlich Mitchs Stimme den Frieden der Nacht störte.
»Chris, wo bleibst du denn, Mann?«
Dlugosz presste sein ganzes Gewicht an die Wand, nachdem er den näherkommenden Schatten des zweiten Diebes wahrgenommen hatte. Mitch betrat zögernd die Höhle und entdeckte dann schnell die Leiche seines Kameraden.
»Chr... Chris?«
»Er ist tot, Mitch«, erklärte Dlugosz, während er aus seiner Deckung trat und dem Banditen furchtlos in die Augen schaute. Das Messer hielt er dabei versteckt.
»Du verdammter Hurensohn! Glaubst du, ich weiß nicht, was du da in der Hand hältst? Jetzt wird abgerechnet.«
Blitzschnell zog Mitch sein Schwert, welches Dlugosz in der fahrenden Situation total vergessen hatte, mit einem schleifenden Geräusch aus der Scheide und rannte wie ein wildgewordener Hengst auf Dlugosz zu, der an seiner Wand gefesselt war und dem Tode ins Auge blickte. Es war vorbei. Der junge Okkultist schloss die Augen vor dem Unvermeidbaren. Gleich würde er seinem Meister gegenüberstehen. Doch es kam anders.
»Aaaahhhhhhrrrrrrrg!«
Mitch war gestolpert. Über einen herausguckenden Stein, der in der Dunkelheit schnell übersehen werden konnte. Dlugosz fackelte nicht lange. Mit einem verzweifelten Schrei auf den Lippen, fiel er über den Gestolperten her und schob ihm die Klinge zwischen das überrascht blickende Augenpaar. Das Blut spritzte in alle Richtungen und bedeckte auch Dlugosz' Körper. Doch er nahm im Moment nichts wahr, als das adrenalingeförderte Gefühl des Triumphes. Übermannt von seiner Leistung, wurde dem Jungen schwindelig, bis er schließlich müde und erschöpft zusammenbrach. Die Ohnmacht folgte kurz darauf.
Geändert von Dlugosz (22.07.2014 um 01:07 Uhr)
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Als er wieder aufwachte, versicherte sich Dlugosz zunächst, ob er dies nicht nur alles geträumt hatte. Zwei Leichen lagen ausgestreckt in ihren Blutlachen auf dem staubigen Boden. Der Junge ließ die Ereignisse noch einmal Revue passieren. Erst hatte er Chris getötet und dann Mitch und beinahe hätte es ihn selbst erwischt. Ärgerlich über seine eigene Kopflosigkeit schlug er sich die Faust an der Höhlenwand blutig. Es war nicht das erste Mal, dass seine Fahrlässigkeit ihn in eine bedrohliche Situation gebracht hatte, doch Dlugosz lernte nie, Herr der Lage zu werden. Die Aktion mit Mitch wäre beinahe schief gegangen, hätte Beliar nicht den Stein genau vor die Füße des Banditen drapiert.
Dlugosz glaubte fest daran, dass sein Meister mit ihm gewesen war, deswegen richtete er ein kurzes Dankgebet an diesen. Anschließend filzte er die Leichen und nahm das Wenige mit, das er brauchen konnte. Dazu gehörte das Schwert von Mitch, sowie seine Steinschleuder, ein Säckchen Gold, ein paar Jagdtrophäen aus Chris' Tasche und eine Bärenfalle. Draußen fand er außerdem einen großen Reisebeutel, wo er die Gegenstände deponierte. Pferde hatten die Banditen nicht, komischerweise waren sie zu Fuß hier. Dlugosz nahm an, dass sie vielleicht einen kürzeren Weg nach Setarrif kannten und deswegen nicht auf die Reittiere angewiesen waren.
Der Junge folgte dem Weg, den er auch vor dem Überfall eingeschlagen hatte. Der Sonne entgegen. Hoffentlich führte sie ihn auch wohlbehalten nach Setarrif.
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Stewark - Irgendwo in den Gassen
So war das also. Der Händler hatte ihm nicht verraten wollen, wer ihm diese Schmuckstücke verkauft hatte. Natürlich, niemand verriet seine Quellen. Dennoch war dem Templer nach einiger Beobachtung ein Mann aufgefallen, der nach Ladenschluss zu dem Händler gekommen war. In seinen Händen zwei dicke Taschen, wähernd hoch über ihm eine Krähe schrie und aus irgendeiner Gasse ein Hund herausjaulte. Vielleicht nur Zufälle, aber vielleicht wollten sie ihm auch etwas mitteilen. Statt sich einzumischen und die beiden zu unterbrechen, beschloss Ryu vielmehr ihm unbemerkt zu folgen- Nachdem er das Gespräch belauscht hatte. Der Fremde war wohl ein Schatzjäger und Grabesplünderer, der vor wenigen Wochen erst in den Bergen einen alten Wolfsschrein auseinandergenommen hatte. Damit war es für Ryu klar.
Schnelle Überlegungen waren vonnöten, schließlich würde der Fremde nicht ewig dort bleiben. Und sich in den bewachten Straßen hin und herzudrücken war um einiges gefährlicher, als seine bevorzugte Bewegungsart: Über die Dächer. Mit einem letzten Blick zu dem Stand verschwand der Templer in der nächsten Gasse und schaute sich um. In der Ecke ein paar kaputte Kisten und Holzbretter, darüber ein Fenstersims. Rechts davon zwei Holzsprossen die mehr oder minder dazu dienen sollten, einen Mauerriss abzudecken. Darüber ein kleiner Balkon. Doch bevor er einen Gedanken über den Ablauf fassen konnte, packte ihn eine Hand an der Schulter.
Aus reinem Reflex und bereit, zuzuschlagen fuhr der Templer herum und... Schaute in die bernsteinfarbenen Augen einer jungen Frau, deren rote Lippen ein Lächeln formte, welches definitiv sagte "Nimm mich!" - Genau, was er jetzt NICHT brauchte! "Hallo, schöner Mann. So ganz alleine hier in dieser finsteren, dunklen Gasse? Ich hab dich so verloren gesehen und dachte mir "Na, vielleicht braucht er etwas Gesellschaft."." dafür, dass ihre Stimme etwas rauchig klang, hatte sie ihren ganz eigenen, faszinierenden Unterton gehabt. Ryu's Blick wanderte kurz zu den Kisten herüber, dann wieder zu ihr. Dann grinste er und nickte leicht. "Aber ja doch, meine Hübsche! Genau nach einer wie dir hab ich gesucht... Komm, gehen wir doch gleich dort hinten hin." langsam roch er an ihrem Hals entlang, leicht benebelt von dem billigen Duft, welchen sie trug und der kaum über den Schweiß und Dreck hingwegdeuteten, den andere bereits auf ihr hinterlassen hatten. Und so verführerisch sie auch aussah und klang - Ihr Geruch widerte den Templer an. Zumal er nun überhaupt nicht die Zeit für solche Dinge hatte. Und ohnehin: Ein Hayabusa zahlte nicht für die körperliche Liebe! Er nahm sie sich einfach, wenn ihm danach war! Zumindest hatte er dieses Problem bisher nie in Schwarzwasser oder Silden gehabt...
Er deutete auf den Kistenhaufen und zeigte ihr durch einen kleinen Wink, dass sie doch vorgehen sollte. Dabei erwähnte er, dass sie sich doch bitte schon einmal "Bereit" machen und die Augen schließen sollte. Er hätte da etwas besonderes mit ihr vorgehabt. "Oooh, einer mit ganz exotischen Vorlieben! Aber denk dran... Das kostet extra!" und der Templer nickte charmant lächelnd. Und so breitbeinig, wie sie sich nun auf die Kisten lehnte, wartete Ryu einen Moment lang und schaute noch einmal durch die Gasse. Dann holte er Luft und rannte los, machte einen Satz und landete mit einem Fuß auf dem Freudenmädchen, stieß sich von deren Rücken ab und ergriff eines der Holzbretter unter dem Sims. Dort zog er sich hoch ans Fensterbrett und stemmte die Beine gegen die Mauer, während das leichte Mädchen laut fluchend damit begann, Dreck, Ratten und Holzstücke nach ihm zu werfen. Doch davon ließ der Templer sich nicht beirren. Stattdessen Stieß er sich zur Seite ab und griff die beiden Holzbretter am Mauerspalt und verharrte wieder einen Moment lang in der vorherigen Position, aus welcher er sich mit ganzer Kraft nach oben stieß und nach dem Balkongitter griff. Mit Schwung zog er sich weiter hoch und überquerte schließlich das Sims.
Grinsend und mit einem Winken verabschiedete er sich dann von seiner "Freudenbereiterin" und warf ihr noch einige alte Münzen zu. "Tut mir leid, aber keine Orkwarzen für mich heute!" und damit verschwand er über das Sims auf eines der nächsten Dächer. Nun musste er nur noch beobachten, wohin der Fremde mit den Taschen verschwand, wenn er den Marktstand verließ...
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Stewark
Jun lehnte an einer Hauswand und wartete mit verschränkten Armen. Im aktuellen Fall war es leichter Giran handeln zu lassen, als es selbst zu tun. Zwei der 'Damen' hatten sie bisher aufgesucht und gegen etwas Gold ausfragen können. Während eine recht redselig wirkte und offen über ihre Freier, von Lagerarbeitern bis hin zum Hauptmann der Wache, sprach, war die andere etwas arg neben der Spur. Irgend ein Mittel das die Sinne und den Körper zerstört, hatte sie eingenommen und die Worte die sie von sich gab, bevor sie sich übergab, waren wenig hilfreich. Doch wer wusste schon, ob sie nicht doch etwas sah oder tat und belohnt wurde? So wurde die Dirne kurzerhand eingekerkert, weil sie eine verbotene Substanz bei sich hatte. sobald sie ausgenüchtert wäre, würde man sie befragen.
Die Dritte die da nun mit Giran um die Ecke kam, schien weniger verschwörerisch zu wirken. Viel zu jung war das Mädchen und doch schien sie keine andere Wahl gehabt zu haben.
"Was? Was sucht der denn? Soll ich mit dem oder mit dir nun? Oder ihr beide? Dann kostet es aber extra! Auch wenn ihr hübsche Kerle seid.", sprach die Dirne.
"Wir wollen nur mit dir reden. Wir bezahlen dich und dieses Gespräch bleibt unter uns Dreien.", erklärte Giran.
"Ok! Bezahlung zuerst!", forderte sie und bekam einen kleinen Säckel mit Silberstücken zugeworfen. Sie fing auf und steckte sich diesen in den Ausschnitt.
"Was weißt du über die Sache mit den zwei Lagerarbeitern...", fragte Giran.
"Nichts.", entgegnete sie schmalllippig. Jun zog eine Augenbraue hoch.
"Weißt du mehr, für 2 weitere Silberstücke?"
"Nein.", meinte sie.
"Fünf? - Noch ein Säckel Silberstücke?", verhandelte Giran. Die junge Frau schien zu überlegen, schüttelte aber dann den Kopf.
Im nächsten Moment packte Jun sie wuchtig an der Kehle und drückte sie an die Wand. Der Versuch zu Schreien scheiterte.
"Du weißt etwas und wirst es nun sagen. Sonst wirst du Stewark mit uns verlassen und die Feuermagier von dir erfahren. Sie werden die Wahrheit aus dir heraus bekommen und dann Gnade dir Innos!", machte der Streiter deutlich und sein durchbohrender Blick jagte der jungen Frau Angst ein, nachdem er von ihr abgelassen hatte. Manche mochten mit sowas drohen und nichts bewirken. Doch Juns Worte trafen immer und waren wahr - auch wenn er das Verhör selbst gemacht hätte, statt irgend einen zu sanften Feuermagier verhören zu lassen.
"Na schön...aber wenn das was ich sage euch hilft, müsst ihr mir helfen. Ich werde in Stewark nicht bleiben können.", bat sie.
"Du bist nicht in der Position..."
"Warte! Du hast mein Wort, dass ich dazu sorgen werde, dass du neu beginnen kannst. Vorausgesetzt, du verrichtest deinen...schändlichen Beruf nicht mehr, bis wir uns deiner auch annehmen.", versprach Jun. Ob es das war, was die Dirne dachte, war zu bezweifeln, aber als Paladin hatte man eine Pflicht auch den Menschen gegenüber.
"Wehe ihr verarscht mich. Ich hab einen Cousin in Schwarzwasser und der wird euch abstechen! - Na gut! Also. Ich weiß, dass Fedoria den Typ der umgebracht wurde ein paar Tage zuvor als Kunden hatte. Er wollte zuerst zu mir, aber dann hat sie sich für fast nichts angeboten, dieses Miststück. Am nächsten Tag kam sie dann zu mir und sagte: >Komm mir nicht in die Quere, sonst wirst du aufgesucht.<."
"Sie hat dir also gedroht. Wer würde dich aufsuchen?"
"Ich weiß es nicht...wohl sie? Iiiiche will keinen Ärger mit ihr. Sie hatte mich sowieso immer im Visier, weil ich jung und beliebt bin. Habe nur von einer anderen erfahren, dass die Hure die vor zwei Monden starb Fedoria auch nicht passte. Seither habe ich versucht nie mehr Freier als sie zu haben und nicht zur Hauptzeit aktiv zu sein, wenn ihr versteht...", sagte sie und zwinkerte.
"Ja, wir verstehen. Wo finden wir Fedoria?", fragte Giran.
"Ich weiß es nicht, ihr findet sie aber sicherlich. Ihr 'Duft' ist einmalig... - bekomme ich noch etwas für die Information? Ich halte mich auch an den Deal."
"Möge Innos dich behüten.", sprach Jun wie ein Priester
"Innos Segen ist unbezahlbar. Und nun verschwinde von der Straße und halte dich an die Abmachung. Sehen wir dich wieder hier dich Männern anbietend, dann hast du deine Chance vertan.", erklärte Giran deutlich. Die junge Frau nickte etwas verwirrt und und ging.
"Ging ein wneig einfach, hmm? Wie willst du ihr helfen? Praktikum im Puff vom Thorniara?", scherzte Giran.
"Sie wird noch eine rechtschaffene und gläubige Frau. Sei dir dessen gewiss, mein Freund. Zuerst aber suchen wir diese Fedoria auf und überlegen uns, wie wir vorgehen."
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Stewark - Dächer
Da saß er nun und beobachtete den Marktstand schon eine Weile. Dass er dabei hin und wieder fast weggenickt wäre, bestritt er dabei vollends. Und das, obwohl er alleine dort oben auf dem Dach saß. Doch dann, gerade als der Templer wieder am Wegnicken und fast vom Dach gefallen war, hörte er dir Tür des Marktstandes zukrachen. Aufgeschreckt und erleichtert darüber, dass die Warterei ein Ende hatte, machte er sich klein und folgte den hastigen Schritten des Fremden. Und als er genügend Abstand hatte, ging die Jagd auf seine Beute endlich los. Mit einem Satz auf die nächste Dachschräge, fand er vorsichtig weiteren Halt und ging, mehr schlecht als recht daran weiter bis er zum nächsten, flacheren Dach weiter springen konnte. Da dies etwas tiefer lag, ging er unverzüglich nach der Landung in eine geduckte Haltung, rollte über die Schulter ab und landete halb gegen der nächsten Hauswand. "Scheiße..." brummte er dabei, sprang wieder auf und erklomm die Wand mit einem Sprung gegen den Schornstein zu seiner Rechten, von dem er sich mit einem Fußstoß weiter zur nächsten Dachkante katapultierte. Oben angekommen, warf er noch einmal einen Blick zur Straße herunter. Sein Ziel war ihm nun schon ein gutes Stück voraus und wenn er nicht bald aufholte, würde er ihn wohl in der Menge verlieren. Also setzte er einen Zahn zu, dieses mal konzentrierter.
Der Hüter rannte, sprang von einer Kante, ergriff eine Wäscheleine und schwang an dieser ums nächste Häusereck, wo er losließ um sich an der nächsten Fahnenstange festzugreifen und mit der Restbeschleunigung auf dem nächsten Vordach anzukommen. Dass ihn dabei die Leute auf dem Balkon darunter beobachtet hatten und etwas von Irren und Affen sprachen juckte ihn dabei nicht. Auch wenn er ihnen zu gerne beim Frühstück geholfen hätte.. "Sei's drum...". Vielzusehr war der Templer damit beschäftigt, die Aufmerksamkeit auf seiner Strecke und seinem Ziel zu halten. Und irgendwie beruete er in diesem Moment zutiefst, nicht einfach zwischen den Leuten untergetaucht zu sein. Aber vermutlich hätten ihn dann wieder irgendwelche Stände mit gebratenem Fleisch oder ähnlichem abgelenkt und die Suche wäre von vorne losgegangen. Statt nun also zu frühstücken oder zu bummeln, schaute er, wie wohl der weitere Weg seines Ziels verlaufen würde. Glücklicherweise blieb der Grabplünderer an einem der Stände stehen und führte, wie es schien, einen Schwatz mit der Inhaberin. Kam dem Templer ganz recht, so konnte er einen Moment lang Luft schnappen und einen weiteren Weg fürs Vorankommen suchen. Doch während er sich so umschaute, erspähte er einen seltsamen, weiß angezogenen Typen in Kapuze, welcher auf dem Gebäude gegenüber saß und scheinbar auch irgendjemanden beobachtete. Der Templer neigte den Kopf etwas schief und runzelte die Stirn, während er den Adler beobachtete, der über dem Kopf der Kapuze kreiste. "Komischer Kerl... Hockt da rum und merkt nicht, dass der Vogel ihm auf die Kapuze geschissen hat..." murmelte er zu sich selbst und zuckte mit den Schultern. Dann schaute er sich nach weiteren Vorankommenswegen um...
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Stewark - Dächer
Langsam wurde das ganze anstrengend. Er hatte seine Beute nun schon quer durch die Stadt verfolgt und sich immer wieder fast den Hals gebrochen, als er von Dach zu Dach sprang, sich an Wäscheleinen entlanghangelte, nur damit diese abrissen und er fast gegen die nächste Wand klatschte. Wie gut, dass einige hervorstehende Steine dafür sorgten, dass er sich noch einmal hinaufziehen und die Balustrade über ihm zu erreichen. Von dort aus ging es weiter über ein hölzernes Gerüst an dessen Seite er hinabsprang und auf ein offenes Fenster zusprintete, an welchem eine alte Vettel gerade die Läden geöffnet hatte. Dass er diese dabei mit den Füßen voraus über den Haufen trat, kümmerte ihn herzlich wenig. Die Alte war schließlich breit genug gebaut, um so eine kleine Erschütterung auszuhalten. Ohne weiter nachzudenken, rannte er durch den langen Flur, stieß dabei einen jungen Burschen aus dem Weg und sprang am anderen Ende wieder durch das offene Fenster zum nächsten Holzgerüst, welches er erklomm. Nun ließ er seine Blicke kreisen.
Seine Beute war wieder in Sicht und schien nun ENDLICH zuhause angekommen zu sein. Zumindest hatte Ryu das Glück, beobachten zu können, wie der Grabräuber in einer der oberen Etagen sein Zimmer betrat, die Taschen zur Seite stellte und seinen Hut auf seine Pritsche warf. Und wie hatte er da nun reinkommen sollen? Durch die Tür? Wohl kaum... Einen Tunnel graben? In den vierten Stock? Nein, das war wohl auch nicht Sinn der Sache... Dann musste also wieder ein Fenster herhalten. Dumm nur, dass bei der einzigen Zugangsmöglichkeit gerade die Fensterläden geschlossen wurden. Er musste improvisieren. Wieder kletterte er hinauf am Gerüst und huschte über ein paar zur Brücke improvisierten Brettern rüber zum Dach des Hauses in welches er wollte.
Die Bretter knarrten ziemlich bedrohlich, doch hielten sie das Gewicht des Hayabusa aus, der jedoch am Ende ins Wanken geriet und nach vorne über stolperte - Direkt auf eine Dachluke. Diese war zwar mit zwei Brettern vernagelt, oder durch ein paar Hebelbewegungen mit seinem Schwert und viel Krafteinsatz war auch diese schnell offen. Luke auf, Ryu rein und schon war er... In einer seltsamen Art von Hinterzimmer angelangt. Und was er sah, verstörte den Templer zutiefst. Überall hingen Gegenstände, die man so bei keinem Händler fand. Austestopfte Tierköpfe hingen an den Wänden, darunter diverse Schmuckstücke, Felle und anderer Tand. Doch all diese Dinge hatten etwas an sich, was ihm die Ruhe raubte. All diese Tiere waren rein des Profites wegen erlegt und ausgehängt worden. Der Templer atmete tief durch, sammelte sich und... Griff zu einer der Weinflaschen, welche dort in einem Regal steckten, entkorkte sie lautstark und begann damit, sie gemächlich zu leeren. Natürlich setzte er sich dabei auf einen Sessel, welcher dort im Eck stand. Natürlich prostete er den Trophäen noch einmal in stillem Respekt zu, ehe er zu trinken begann.
Und während er so wartete und laut rülpste, dachte er darüber nach, wie seine Schritte danach aussehen würden. Flüchten... Und mit dem Wolfsamulett zu Ornlu gehen. Und dann? Ach, der Druide würde schon wissen was zu tun war. Und dann gab es da ja noch diese Echsenmenschen... Das Gefühl, dass da etwas ganz großes am Kommen war, machte sich in ihm breit. Eine Art ungute Vorahnung. Dennoch wurde er je aus den Gedanken gerissen, als die Tür langsam aufging und er ihm dann endlich gegenüber saß. Dem Mann, dem er seit seiner Reise in die Berge nachgejagt war. Und ohne zu zögern, noch bevor dieser sein Axt heben und irgendeinen kryptisch-bösen-anti-Eindrinlings-Satz schwingen konnte, pfefferte der Templer ihm die Weinflasche mit ganzer Kraft ins Gesicht, stand auf und gab ihm einen Tritt gegen den Brustkorb. Letzteres war eigentlich unnötig gewesen, doch war ihm einfach danach gewesen. Ohne nachzudenken schnappte der Templer sich den Bewusstlosen, zog ihn auf den Sessel und ging in den vorderen Raum. Dort stand ein Tisch mit einigen Messern, ein Bett und die zwei Taschen. Ansonsten sah es hier so ziemlich aus wie im Schlachthof... Blut hing überall, dazu Gedärme und Gliedmaßen von Tieren. Widerlich... Ryu selbst war ja irgendwo Jäger, doch machte er zum Einen seine Arbeit gründlich und zum anderen damit er überleben konnte.
Die Taschen schlitzte er ohne Umschweife auf und schüttete deren Inhalte über den Boden. Überall Schmuck und Kleinkram, darunter auch das Wolfsamulett. Woher er wusste, dass es das war? Nun, es hatte ein offensichtliches Äußeres. Und je näher er dem Schmuckstück kam, desto lauter wurde auch das Geflüster in seinen Ohren. Auch Sarkany wurde unruhig, bis er es schließlich in seiner Tasche hatte verschwinden lassen. Es war, als wäre ihm ein Stein vom Herzen gefallen. Und dennoch gab es da noch etwas...
Der Templer schnaubte und griff sich zwei der Messer auf dem Tisch. Sie waren teils schon rostig und blutverschmiert, doch das kümmerte ihn nicht. Ohne Umschweife rammte er diese durch die Handflächen des Grabräubers in die Lehnen des Sessels, packte sich die Öllampe vom Tisch und zerschmetterte sie am Boden. "Vielleicht kannst du dich ja retten, wenn du aufwachst... Falls nicht... Tja, fressen und gefressen werden..." sprach er finster, ließ seinen Blick noch einmal durch den Trophäenraum schweifen und verschwand dann wieder durch die Dachluke. Es tat gut, draußen zu sein. An der frischen Luft und weg von dieser... Verschwendung... Es war an der Zeit, zu gehen, seine Begleiterin aufzusuchen und diese Stadt zu verlassen...
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Madlen saß, wie den Tag zuvor auch schon, in der Taverne beim Stadttor. Es war ein heruntergekommenes Gasthaus, besucht von allerlei seltsamen Gestalten. Jeder schien entweder ein Strauchdieb, ein Pirat oder ein gesuchter Verbrecher zu sein. Viele trugen versteckt Waffen bei sich. So auch die junge Frau. Ihr großer Mantel verbarg sowohl die Zwillingsschwerter, als auch den Rest. Sie war dennoch nicht in dieser Bruchbude untergebracht, sondern hatte sich bei dem Mann eingenistet, bei dem sie letztes Mal auch untergekommen war. Er war gut zu ihr und sie wusste das zu schätzen.
Nachdenklich drehte die Fürstin ihren Tonbecher zwischen den Händen hin und her, während vor ihr ein kleines Stück Stoff lag. Ein Socke, die ihrer Tochter gehört hatte. Vinona, die von Leuten entführt worden war, von denen Madlen dachte, dass sie ihre Freunde wären. Bei den Gedanken traten Tränen in ihre Augen und sie wischte sich schnell über ihr Gesicht, bevor sie noch jemand dabei erwischte.
Um möglichst freie Sicht zu haben, hatte sie wieder ihr weißes Tuch, mit dem die untere Hälfte ihres Antlitzes verborgen blieb, angelegt. Ihre Augen wanderten zu der Türe der Taverne, die gerade geöffnet wurde und erkannten daraufhin gleich ihren Begleiter, der auch sie erblickte und sich auf sie zubewegte. Mit einem Handwischen entfernte sie das Stück Stoff vom Tisch und verstaute es in einem ihrer Beutel an ihrem Gürtel. Dann trat der Mann auch schon an sie heran.
„Schon fertig? Da war ja unser Aufstieg dann das Schwierigste an diesem Unterfangen!“, meinte Madlen zur Begrüßung.
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Stewark
Nervös zuckte der Templer mit einer Augenbraue. In den Gedanken, hoffentlich nicht gesehen worden zu sein beim Verlassen dieser Wohnung, atmete er nur tief aus und schüttelte den Kopf. "Wenn duuu wüsstest... WENN du nur wüsstest... Gehen wir..." und so wie er zu Ende gesprochen hatte, stürmte auch schon der erste Intressent in die Taverne. "Schaut mal! Drüben am Marktplatz brennts!"
Und ruckzuck war die Hälfte der Taverne leer. Ryu und seine Begleiterin hatten sich bei dem Andrang der Herausstürmenden dazugesellt. Genau genommen hatte er sie am Arm gepackt und mitgezogen. Der Blick, welchen er ihr dabei zugeworfen hatte erklärte seinen Gedankengang dabei von selbst. Und natürlich, dass er nicht ganz unschuldig an dem Feuerchen war. "Kein. Wort.!" zischte der Templer mahnend und ging mit ihr schnellen Schrittes die Straße hinunter, wo sie in der Nähe des Stadttores in einer Gasse verschwanden. "Ich denke, raus wird leichter als reinzukommen. Wir können versuchen einfach so rauszuspazieren, wobei ich keine Ahnung habe, ob die bei deiner Maskerade misstrauisch werden, oder mit einem der Handelswägen rauskommen. Ich hab' mich schon lange nicht mehr in einem Weinfass versteckt..."
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Die Tür fiel wieder ins Schloss. Ein endgültiges Geräusch, welches jedoch nie so endgültig war, wie es den Anschein hatte. Der nächste Tag war angebrochen und da Braoin erst in der Dämmerung an seinem Hof angekommen war, hatte er sich dafür entschieden, dort die Nacht zu verbringen. Er hatte ohne große Inspektionen die Holztür aufgeschlossen, eine Kerze entzündet und war schließlich im Bett verschwunden. Der Staub, der Boden und Möbel bedeckte wie eine feine Decke, war ihm nicht entgangen, doch als die Sonne ihn geweckt hatte, war ihm erst bewusst geworden, wie viel Zeit vergangen war. Der Staub war nicht mehr nur eine einfache Schicht , erinnerte der Anblick doch eher an eine Übernahme. Es war, als hätte der Staub den Hof in Besitzt genommen und der Bauer, den diese Szenerie schmerzte, verließ am nächsten Morgen schnellstmöglich das Haus, welches Jahrzehnte sein Heim gewesen war.
So niederschmetternd diese Erfahrung auch gewesen war, so aufbauend wirkte das Schauspiel, was ihm sich nun bot, sah er sein Feld doch erst jetzt im Tageslicht. Ein Blumenmeer zierte spiralförmig den ehemaligen Acker. Ein Regenbogen aus Blütenblättern, die sich alle sanft im Wind wogen, ihm zuwinkend und grüßend. Dem alten Mann kullerte eine Träne die Wange hinab, erkannte er doch ganz genau dieses Zeichen seines Herrn Innos. Die Blumenpracht verlief genau in den Mustern, wie er auch Noras Asche verteilt hatte. Sie waren ein Gruß seiner Frau, die ihm von der anderen Seite aus Mut zusprach. Ihr Dahinscheiden war nur ein Schritt gewesen, den sie in ihrem Leben zu gehen hatte und irgendwann würde auch der Witwer diesen Schritt gehen, sie wiedersehen und mit ihr dort weitermachen, wo sie aufgehört hatte. Bis dahin würde jedoch noch einige Zeit vergehen.
Diese Bestätigung hatte er gebraucht, ja sogar nach ihr gesucht, waren seine Zweifel gegenüber dem Leben doch nicht wieder von ihm gewichen, nachdem die Seuche ihm alles genommen hatte. Es war ihm schwer gefallen zu Glauben, wo Innos doch nichts unternommen hatte, um Nora zu retten. Die Heilung war zu spät gekommen, nur einen oder zwei Tage. Nun jedoch zweifelte Braoin nicht mehr, denn er wusste, dass seine Frau Erlösung gefunden hatte. Sorgen, die ihn wochenlang heimsuchten, fielen von ihm ab und mit einem Mal fühlte er sich zehn Jahre jünger und auch sein Rücken schien weniger gebeugt zu sein, als sonst. Diese Blumenwiese wurde ihrer Ruhestätte gerecht, das wusste er und mit einem Gefühl, dass sein Leben nun wieder in bessere Bahnen gelenkt worden war, setzte er seine Reise fort, ohne Bedenken und mit ungekannter Wanderlust.
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Braoin studierte die Karte.
„Ich müsste in etwaaaaa hier sein“, er deutete auf einen Punkt des Pergaments, der ihm passend erschien.
Links und rechts von ihm buckelten die Ausläufer des Weißaugengebirges den Boden und bildeten eine natürliche Passage, die das Thorniara-Land vom Bluttal trennte, eine bewaldete Region, in der schon manche Schlacht geschlagen worden war. Wie oft hatten er und Nora sich in ihrem Haus verbarrikadiert, hatten Schutz gesucht vor marschierenden Soldaten, die gen Bluttal gezogen waren, um eine Schlacht zu schlagen. Nicht selten hatten sie dabei Ernten zertrampelt und Nahrung gestohlen, brauchten sie es doch angeblich für die bevorstehende Schlacht. Früher hatte der Wald einen anderen Namen gehabt, der aber in Vergessenheit geraten war.
Der Karte nach zu urteilen, befand sich eine Art Lager im Herzen des Waldes, von wo aus ein Weg nach Westen gen Stewark führte. Der Witwer musste diese Route bestreiten, wusste er doch nicht, wie gefährlich ein Weg durch den Wald war. Ob es hier wohl Wölfe gab?
Er fasste seinen Mut zusammen und schritt hinaus und hinein. Hinaus aus dem Thorniara-Land, welches er bisher nur ein einziges Mal mit der Expedition zur Mine verlassen hatte, und hinein ins Bluttal, dessen schauriger Name hoffentlich nicht zu seinem Verhängnis werden würde. Doch achtete man auf die Sonne, die munter schien und den Pfad, der von Sträuchern gesäubert worden war und gerade in den Wald hinein führte, konnte man genügend Gewissheit erlangen, dass ein guter Tag auf ihn wartete.
Er rückte den Korb auf seinem Rücken zurecht und nahm sich vor, zumindest bis zum Lager zu kommen, welches die Hälfte seiner Reise markierte. Dort wollte er rasten, etwas essen und trinken und sich einen Moment ausruhen, ehe er den zweiten Teil des Weges in Angriff nahm. Gegen Abend sollte er Stewark erreichen, wo er sich eine Unterkunft für die Nacht suchen würde. In der morgendlichen Früher wollte er sich dann zu einem Händler durchfragen, der ihm die gesuchten Güter verkaufen konnte, sodass er spätestens zur Mittagsstunde den Rückweg antreten konnte.
Vögel zwitscherten munter ihre Lieder, fantastische Symphonien, die, wenn man nur genau hinhörte, Ähnlichkeiten mit bekannten Stücken hatten. Selbst Herr Mannelig war zu erkennen, eines der Lieder, die wohl jedes Kind kannte.
Aus Freude und Spaß an der Sache flötete der Wanderer die erste Strophe des Stücks Zehn kleine Fleischwanzen und horchte danach in den Wald hinein. Es dauerte ein wenig, doch im nächsten Moment ertönte das Gezwitscher aufs Neue und er hätte schwören können, dass sie ihn nachahmten. Er lachte aus purer Lust und legte noch einen Schritt zu, wurde er doch langsam hungrig.
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Stewark
Braoin erwachte in dem Bett, das er sich für die Nacht gemietet hatte. Anders als in Thorniara lag er nicht in seinem einsamen Zimmer, sondern in einem Gemeinschaftsraum, in dem bis zu zehn Menschen gleichzeitig Platz finden konnten. Es war weitaus günstiger als in der Stadt des Ordens, wenn auch ungleich lauter und weniger erholsam.
Er quälte sich aus dem Bett, suchte seine Kleidungsstücke und schlüpfte in die leichte Hose. Ein Blick aus dem beschlagenen Fenster offenbarte diesige Luft, ein Zeichen, dass es bald Regen geben würde. Mehr als das offenbarte der Blick nach Draußen allerdings nicht, wandte sich diese Hausseite doch nach Westen. Das bedeutete, dass alles, was in dieser Richtung lag, auf einer höheren Terrasse gelegen war, womit man lediglich die Fassade eines anderen Gebäudes bewundern konnte. Lüsterne Jungspunde hätten sicherlich auch einen Ort gefunden, wo sie ihre Nasen gegen die Scheiben drücken konnten, um einen Blick auf des Nachbarns Ehegattin zu erhaschen. Dies war eine Art des Lebens, wie der Bauer sie nicht verstehen konnte. Eingepfercht auf so engem Raum konnte kein Geheimnis lange gehütet werden und auf Einmischung anderer war jeder Wetteinsatz eine sichere Einnahmequelle.
Nachdem der Witwer seine Siebensachen gepackt und seinen Tragekorb geschultert hatte, ging er zur Treppe, um in den Schankraum zu gelangen. Das Zimmer war im Voraus bezahlt gewesen und da er noch genug Proviant für die Rückreise hatte – er brauchte anscheinend weit weniger Nahrung, als er erwartet hatte – konnte er sich das Gold für ein Frühstück sparen.
Noch ehe er die oberste Stufe erreicht hatte, bemerkte er, wie ein Zimmergenosse eine Tür an der Außenwand öffnete. Eine TÜR! Im ersten Stockwerk! Verwirrt blieb der ältere Mann stehen und schaute, ob sich dahinter vielleicht eine unerwartete Kammer befand. Doch nein, Tageslicht flutete den Raum und reges Treiben war von Draußen zu hören. Ungläubig ging der ehemalige Feldarbeiter auf den vermeintlichen Ausgang zu, schritt hindurch und war völlig verwundert, dass er sich tatsächlich auf der Straße befand.
Das ist doch verrückt!, dachte er, Eine Haustür im ersten Stock!
Durch der Sonderbarkeit dieses Baustils verwirrt, schaute sich Braoin zunächst um, wusste er nun doch nicht mehr genau, wo er sich befand. Das Wirtshaus hatte er am letzten Abend nahe des Stadttors gefunden, also musste er sich nun auf der zweiten Ebene befinden.
Er lief ein Stück die Straße entlang, den Blick in die Richtung gewandt, wo er das Haupttor vermutete. Tatsächlich konnte er es bei der abschüssigen Straße, die er kreuzte, entdecken und somit eine Art Orientierungspunkt ausmachen. Doch nutzte es ihm was? Er hatte den Wirt der Taverne gefragt, wo er alchemistische Zutaten bekommen würde und als dieser ein wenig skeptisch geguckt hatte, hatte er ihm die Liste gezeigt. Dieser jedoch hatte lediglich abgewunken und gemeint, dass er diese Sauklaue nicht lesen könne. Ob es an der Schrift oder der Fähigkeit des Lesens scheiterte, war dem Bauern in diesem Moment einerlei. Nach einigem Hin und Her hatte er dann herausgefunden, dass auf der zweitobersten Terrasse ein solcher „Pflanzenfetischist“, wie der Wirt es genannt hatte, lebte. Zu eben diesem war der Witwer nun auf dem Weg. Leichter gesagt als getan war es jedoch schon, denn es schien schon an dem Finden eines Weges in die nächste Ebene zu scheitern.
„Verzeiht, könnt Ihr mir sagen, wie ich auf die höheren Terrassen komme?“, fragte er einen vorbeilaufenden Passanten, der kurz inne hielt.
„Einfach die Straße weiter runter, Alterchen“, meinte er und deutete in die Richtung, aus der Braoin gekommen war.
„Danke“, erwiderte er, ärgerte sich jedoch ein wenig über das „Alterchen“. SO alt war er nun auch wieder nicht!
Die gesuchte Passage war schnell gefunden und auch der Weg nach oben war weit weniger anstrengend, als er zunächst angenommen hatte. Stewark war kleiner, als es vom Umland aus den Anschein hatte und so dürfte eine Suche nach dem Alchemisten nicht allzu lange dauern.
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Stewark
„Wo verdammt und zugenäht ist dieser Laden?“
Langsam wurde Braoin ungehalten und es war schon so weit mit seiner Geduld, dass er auf offener Straße zu Fluchen begann, weil er einfach nicht das Geschäft des Händlers fand. Niemand schien ihm sagen zu können, wo er Heelausextras bekam, was auch immer das sein sollte. Das gleiche hatte ihn nämlich der letzte Passant gefragt, der ihm durchaus gelehrt erschienen war. Doch dieses Liste, die Meister Neoras ihm mitgegeben hatte, schien aus unaussprechlichen Ingredienzien zu bestehen, die niemand auch nur kannte. Es war zum verrückt werden und dabei wollte der Bauer schon längst wieder auf dem Rückweg sein. Diese Stadt gefiel ihm nicht und seine Meinung wurde durch den Irrgarten aus Dächern, Treppen und an- und absteigenden Straßen nicht gerade zum Positiven geändert. Der Suche müde setzte er sich auf ein Dach von einem haus, das zwei Terrassen tiefer lag. Er selbst befand sich derzeit auf der obersten Ebene, hatte er doch gehofft, von hier den Laden entdecken zu können. Aber nein, Schindeln und Wäscheleinen waren das Einzige, was er zu Gesicht bekam.
Das Wetter spiegelte gewissermaßen seine Stimmung wieder, wehte doch ein kühler Wind vom Meer und war der Himmel von grauen Wolken bedeckt. Lediglich einzelne blaue Stellen erinnerten die vergangen Tage, wo die Hitze vorgeherrscht hatte.
Er nahm den Hut ab und strich sich durch das ergraute Haar, ehe er seine Kopfbedeckung wieder aufsetzte. Er wandte den Blick leicht nach rechts, sah zwei Soldaten hinterher, die überall in der Stadt anzutreffen waren. Die grünen Mäntel waren die Farben der Baronie und doch waren diese Männer mehr Söldner, denn richtige Soldaten. Doch was spielte es für eine Rolle, wie wehrhaft die Besatzung einer Stadt war, lag diese doch auf einer schier uneinnehmbaren Klippe, deren einziger Zugang eine schmale Holzbrücke darstellte, die im Ernstfall von den Stadtherren zerstört werden konnte?
Als die beiden bewaffneten Männer aus seinem Sichtfeld verschwunden waren, entdeckte der Witwer einen kleinen Aufgang, der ihm bisher noch nicht aufgefallen war. Er runzelte die Stirn, stieß sich von dem Dach ab, und lief zu besagter Stelle. Tatsächlich befand sich dort eine schmale Gasse, die nach oben führte. Kurzerhand folgte er ihr, hatte er alle anderen Wege doch schon mindestens einmal auskundschaftet.
Die Nebenstraße war derart schmal, dass der ältere Mann sich an die Hauswand drücken musste, als ihm ein anderer Passant entgegenkam. Außerdem schien sie komplett außen um das Haus zu führen, bis schließlich eine Treppe in Sicht kam. Sie führte nach unten und nachdem auch diese Hürde überwunden war, wollte Braoin seinen Augen nicht trauen. Da baumelte doch tatsächlich ein Schild, auf dem einige der Apparaturen abgebildet waren, die er schon im Labor von Meister Neoras hatte begutachten können. Mit gemischten Gefühlen trat er durch die offenstehende Tür.
Ein Geruch, den er nicht zuordnen konnte, herrschte hier vor. Es roch zwar pflanzlich, doch irgendwie unnatürlich, fast so, als hätte man den Geruch manipuliert.
„Willkommen, Reisender!“, rauchte eine Begrüßung aus unbekannter Richtung durch die Stube.
„Ähm…hallo!“, erwiderte der Bauer unsicher, „Wo seid ihr?“
„Na hier drüben!“
Als sich der Witwer umdrehte fand er einen kleinwüchsigen Mann vor sich. Er reichte ihm gerade einmal bis zur Mitte seiner Brust, trug eine seltsame violette Robe und wirkte auch sonst nebulös und mystisch. Eine seltsame Type, doch wer Dinge wie Heelausextras verkaufte, konnte nicht viel Normales an sich haben.
„Ich komme aus Thorniara und soll für…“, begann der ehemalige Feldarbeiter seine Beweggründe für den Besuch zu schildern, wurde jedoch jäh unterbrochen.
„Ihr wurdet von Meister Neoras geschickt, um einige Zutaten zu besorgen, die er auf den Zettel in Eurer Hand geschrieben hat“, stellte der seltsame Kauz fest, ohne den Anschein eines Zweifels zu zeigen.
„Das stimmt, aber woher wisst Ihr?“
Der Kleinwüchsige seufzte dramatisch.
„Weil es immer das Gleiche ist, wenn jemand anderes als Daranis hier vorbeischaut. Novizen und Adlati verlaufen sich in den verwinkelten Straßen und Niemand kann ihnen helfen, weil keiner das Gekritzel dieses Alchemiegenies entziffern kann…“, betete er Händler die Geschehnisse der letzten Stunden, die Braoin durchlebt hatte herunter, „Aber keine Sorge, ich kann es lesen“, fügte er noch hinzu, als er die Bestürzung im Gesicht seines Kunden bemerkte.
Der Bauer übergab die Liste dem seltsamen Kauz und wartete, während dieser die gewünschten Zutaten zusammensuchte.
„So, das wäre dann alles“, meinte er wenige Momente später. Das macht dann hundertfünfzig Goldstücke.“
Der Witwer erbleichte. Hatte ihm Meister Neoras wirklich so viel Gold gegeben? Er holte den Beutel hervor und reichte ihn dem kleinen Mann. Dieser wog ihn abschätzig in der Hand und legte ihn dann beiseite.
„Gibt es sonst noch etwas?“, fragte er dann den verdatterten Braoin.
„Ich…ähm…wollt Ihr nicht nachsehen, wie viel Gold in dem Beutel ist?“
„Nein, es ist sowieso zu wenig“, erwiderte dieser trocken, sodass sein Kunde erneut stutzte, „Aber keine Sorge, Neoras revanchiert sich auf eine andere Art und Weise. Ein Gefallen hier, ein Gebräu da. Du bist jedenfalls fein raus.“
„Dann danke ich Euch und…gehe dann wohl besser.“
„Tu das, gute Heimreise!“
Nach diesem seltsamen Gespräch machte sich der ältere Mann auf den Rückweg. Dieser Tag konnte nur besser werden.
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"Warte hier." Fred starrte ungläubig in die Augen Aarons, der darauf hin kurz inne hielt. "Was ist?"
"Ist das dein Ernst?"
Die Frage blieb unbeantwortet. Aaron drehte sich um und ging auf das Gebäude zu in dem er seine Habe wusste oder zumindest vermutete. Giran und Jun nächtigten hier, waren aber gerade mal wieder unterwegs. Ob sie bisher irgendwelche Spuren gefunden hatten war unsicher, aber das war zunächst auch unwichtig.
Die Unterkünfte der Stewarker Stadtwache lagen auf der anderen Seite des Hofes. Hier schien man lediglich Platz gemacht zu haben um eben die Gefolgschaft von Botschaftern und anderen Gästen aufnehmen zu können. Schon von außen war zu sehen, dass es sich nicht um ein luxuriöses Gut handelte. Vermutlich waren die Räumlichkeiten ähnlich denen der eigenen Streitkräfte.
Aaron bog um die Ecke des Hauses und suchte die Wand nach Fenstern ab. Eines befand sich recht weit oben und er hatte keine Lust bei dem Versuch dort hinauf zu gelangen sich ein Bein zu brechen. Zwar verstand er sich auf das Klettern ab so gut wie er vorgegeben hatte zu sein, war er dann doch wieder nicht. Fündig wurde er dann auf der Rückseite, wo sowohl ein Fenster als auch die nötigen Vorsprünge gegeben waren. Noch dazu stand das nächste Haus dicht dabei und bot so wenig Blickfreiheit für ungewollte Zuschauer. Der Ordensritter schaute einmal in jede Seitengasse, ehe er Anlauf nahm, die Hauswand ein paar Schritte hinauf rannte und nach dem Fensterbrett langte. Kurz hing er da, dann bröckelte der Stein, er rutschte ab und landete unsanft auf dem Boden. Der Arm war zuvor noch an der Wand entlang geschrammt und blutete leicht.
"Verdammt... "
Noch einmal sah er sich um bevor er sich für die langsamere aber sichere Variante entschied und nach Vorsprüngen tastete und sich so langsam hinauf arbeitete, bis er neben den Holzläden an der Wand stand und mit dem Ellenbogen ausholte um die Verriegelung zu zerschlagen. Kurze Zeit später stand er in einem recht dunklen Raum. Die Fensterläden zog er wieder zu, damit man von außen nichts sah und ging langsam zur nahe gelegenen Treppe. Einiges stand hier herum,belagert vom Staub. Unter einem Tuch erkannte Aaron die Umrisse eines Waffenständers. Offensichtlich nutzte man diese Dachkammer als Abstellraum.
Mit jedem Moment war er sich sicherer, dass in diesem Gebäude nur die beiden Paladine einquartiert worden waren und so lief er immer schneller die Stufen hinab, bis er in einen Flur kam. Nacheinander öffnete er Tür um Tür bis er das gesuchte entdeckte.
Die beiden hatten sich dafür entschieden im selben Zimmer zu nächtigen. Die einzelnen benutzten Betten bezeugten dies und auch der Kram der herum lag. Ordentlich über einem Rüstungsständer auch die schwarze Rüstung Aarons. Ohne zu zögern begann er sich daran zu machen sie anzulegen.
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Stewark
Die Dirne nach der sie gesucht hatten, war nicht zu finden. Zumindest nicht auf der Straße. Und nun Nachts bei dne Leuten klopfen und nach ihr fragen, war Erstens nicht klug, da womöglich die Falschen davon erfahren und Zweitens wären sie sicherlich in Verruf geraten. Brauchten sie nicht. Als sie ihre Unterkunft betraten, war etwas anders. Die Türen waren im Raum davor teils auf und da wo sie nächtigten, war jemand oder etwas.
"Vielleicht nur ein Hund oder so?", flüsterte Giran.
"Sehr optimistisch...", entgegnete Jun, bevor die beiden sich per Nicken einigten, wer vorgeht.
So trat Giran wuchtig gegen die Tür und Jun stürmte in den Raum, nur um dann festzustellen, dass er über jemanden stolperte und diesen unter sich begrub.
"Keiner bewegt sich!", sprach Giran, während die beiden am Boden mehr oder minder versuchten den anderen fest zu halten oder sich zu befreien. Als Giran ein heiliges Licht erschuf, stellten beide ihren epischen Kampf ein.
"Siehst du er lebt noch.", kommentierte Jun und ließ sich von Giran aufhelfen, bevor beide Aaron aufhalfen.
"Ja, aber wie der strahlende Paladin wirkt er nicht. Gehts dir gut, Bursche?", fragte Giran.
"Und hast du Informationen?", fragte Jun, nachdem er die Vordertür verriegelte und auch die Tür der unterkunft zu machte.
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Ein denkbar ungünstiger Moment, dass die beiden gerade dann hereinstürmen mussten, wenn Aaron sich die Schnürsenkel zu band. So war Jun gleich halb über ihn rüber geflogen ehe dieser nach seiner Schulter gegriffen und in eine Rangelei verwickelt hatte. Das Licht das dann entstand blendete den Ordensritter und irritierte ihn auch, denn er hatte zwar von den Kräften gehört, die auch Paladine entwickeln, aber dies zu sehen war dann doch etwas anderes.
"Geht schon." meinte er schließlich auf die Frage nach seinem Befinden.
"Was man so Informationen nennt. Die Leute gehen damit rarer um als die Befehlshaber der Stadtwache in Thorniara. Und schon da wusste ich selten warum ich etwas tu. Aber dass hier was falsch läuft ist schnell heraus zu finden.
Was habt ihr denn so heraus bekommen?"
Er setzte sich auf ein Bett und zog den Gürtel zu. Abgesehen vom Mantel und Schwert hatte er nun alles am Leib.
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"Einiges. Der letzte Tote wurde von der Stadtwache recht schnell entsorgt und die beiden Schuldigen, zwei Lagerarbeiter und Kollegen des Toten als Täter ausgerufen. Wir sorgten dazu, dass ein Fischer einen besonders dicken Fang machen konnte, bevor die Haie satt wurden. Am Strand haben wir uns den Taten mal angesehen.", erzählte Giran, bevor Jun kurz aus seinen Notizen vorlas.
"Vor seinem Tod wurde er mit einem stumpfen Gegenstand niedergeschlagen. Eine Verletzung am Hinterkopf spricht dafür. Seine Kehle war weit aufgeschlitzt und seine Zunge dunkel verfärbt. Als ich mir die innenseite der Oberschenkel besah, war es klar, dass es ein Gift war. Was allein mit den Hinweisen auf die beiden Täter noch hindeuten könnte, wäre das Gift nicht lange wirkend gewesen und der scheinbare Mord unmittelbar in einer Gasse geschehen. Zudem kostet so ein Gift viel und Lagerarbeiter sind nicht die reichsten Menschen und mehr einfach gestrickt. Was aber deutlich macht, dass wir hier einer großen sache auf der Spur sind, war der Torso des Toten. Die Rippen waren aufgesägt und gespreizt. Das Herz wurde entnommen. Ein bestialisches Ritual muss es gewesen sein und Beliars Magie wurde gewirkt. Giran konnte dazu sorgen, dass sie den Toten verließ.", erklärte Jun und schloss wieder sein Buch.
"In der Folge haben wir die zwei Alchemisten in der Stadt im Visier, aber auch Leute die sich ein Gift leisten könnten. Auch die Dirnen, denn der Tote wurde überrascht als er niedergeschlagen wurde. Letztere haben wir heute aufgesucht und eine hat gezwitschert, dass unser Toter vor seinem Verschwinden bei der Dirne Fedoria war. Sie werden wir noch aufsuchen und dazu sorgen, dass sie redet.", meinte Giran.
"Hast du im Kerker mehr erfahren können oder Kontakte knüpfen? Wir müssen herausfinden in wie weit die Stadtwachen damit zu tun haben. Es ging weit zu schnell, wie der Tote und die Täter gehandhabt wurden. Da steckt einer oder mehrere mit drin. - Diese Fedoria ist heute auch noch nicht zu finden gewesen, sie soll aber ziemlichen Druck auf die anderen Dirnen ausüben können und droht ihnen. Wie könntest du nun vorgehen? Wir sind hier als Wachen mittlerweile bekannt und erfahren nicht alles.", sagte Jun und öffnete wieder sein Buch, um zu sehen ob er nicht was vergessen hatte.
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