Dunkelheit in Khorinis

Nacht über Khorinis. Das schwarze Netz der Dunkelheit hatte sich schon lange über die Häuser gelegt. Auch im Hafenviertel. Dunkelheit, undurchdringliche Schwarze Nacht. Eine Gestalt, der Umhang so dunkel wie die Nacht, eilte durch die leeren Straßen von Khorinis. Die Schritte hallten wider in den Häuserschluchten, doch klangen sie wie von einer anderen Welt.

Der Mann lag in seinem Bett. Er schlief. Alles war ruhig, nicht ein Vogel, nicht ein Tier war zu hören. Die Ruhe wurde durch nichts gestört. Es schien so, als würde ganz Khorinis schlafen.
Doch da – ein Geräusch. Eine Tür. Jemand öffnete eine Tür. Die Tür des Hauses, in dem der Mensch schlief. Der Mensch war in Gefahr.
Doch er schlief weiter seinen ruhigen, sorgenlosen Schlaf. Die Gestalt durchquerte mit leisen Schritten den Raum. Langsam und ruhig, um ihn nicht zu wecken.
Noch ein Geräusch. Noch eine Tür wurde geöffnet. Die Tür zum Schlafgemach des Menschen. Dort lag er, mit einem Lächeln im Gesicht, in seinem Bett. Was mochte er nun träumen?
Einen fröhlichen Traum? Es sollte sein letzter sein.
Die Gestalt schritt weiter. Eine Maske verbarg ihr Gesicht. Nun stand sie an dem Bett des Mannes.
Der Schwarzgewandte hob die Hand und murmelte einen Zauberspruch in einer Uralten, Unbekannten Sprache.

Er hob die Hand. In seinen Handflächen züngelte eine rote Flamme. Ein Uralter, Unbekannter Zauber. Ein dunkler Zauber.
Die Gestalt schien sich zu konzentrieren.
Züngelnde Worte flossen über die verborgenen Lippen.
Die Flammen vergrößerten sich und tauchten den Raum in ein dunkles Rot.
Der Eindringling hob die Hände hinter den Kopf, flüsterte abermals fremde Worte – und ließ den Zauberbann auf den Schlafenden sinken. Das Licht bildete einen roten Strahl.
Ein Geräusch von Magie erfüllte die Luft. Der Mensch öffnete die Augen, doch seine Augäpfel waren weiss. Der Schwarzgewandte ließ nicht ab. Er richtete den Bann nach wie vor auf sein Opfer. Geisterhaft, wie von einer unsichtbaren Hand bewegt, richtete sich der Mensch auf.
Seine Füße berührten den Boden nicht, er wurde von der Macht des Banns getragen.
Der Magier begann einen eigentümlichen Singsang in einer unbekannten Sprache, doch zwischenzeitlich wiederholte er immer wieder einen Beschwörungsspruch:
„Gehorche IHM, meinem Herrn und deinem Herrn,
dem dunklen, dem einzig wahren Gott.
Gehorche ihm und seinen Aufgaben,
sei sein Sklave auf ewig“.
Der Mann zuckte und wand sich unter unvorstellbaren Qualen, den Qualen des Zauberbanns, der in seine Brust stach und seinen Kopf zu sprengen drohte..
Langsam färbten sich seine Augäpfel rot.
Der Diener Beliars ließ nicht ab.
Das Licht verstärkte sich, und in der Mitte des Strahls entstand ein weißer Streifen.
Die Qualen waren unerträglich. Der Mensch stand kurz vor dem Tod, der Schmerz in seiner Brust war nicht mehr auszuhalten.

Mit einem Aufschrei beendete der Magier seinen Singsang, und schlagartig verschwand das Licht und der Strahl. Das Opfer sank ohnmächtig zu Boden. Seine Augäpfel waren nun blutrot.

Der Suchende wandte sich ab und verließ das Haus. Er hatte seinen Auftrag erfüllt. Er hatte wieder einen Mensch auf die dunkle Seite gezogen.

Bromor war nicht mehr er selber. Gedanken geisterten wie im Traum durch seinen Kopf.
Gedanken von Drachen.
Gedanken von Feuer.
Gedanken vom Tod.
Und ein Gesicht.
Irgendwo hatte er es schon mal gesehen.
Doch wo?