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    Veteran Avatar von Viraya
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    Viraya ist offline
    Der Met lockerte ihre Zunge, ihre Augen glitzerten ein klein wenig feucht, während sie zwischen ihren beiden Begleitern hin und her blickte.

    "Was hier genau los ist weiss ich nicht, doch ja es gibt eine Geschichte. Sie ist aber anders, als ihr denkt. Wollt ihr sie dennoch hören?"

    Natürlich nickten die beiden. Sie vergewisserte sich zuerst, dass sie keine ungewollten Zuhörer hatten, dann begann sie zu erzählen:

    "Vor einigen Jahren, ich war knapp dem Kindesalter entschlüpft hat mich Andreja hierher gesendet. Das Dorf war in einer schlimmen Notlage. Zu viel Regen in jenem Jahr. Viele Vorräte waren schon verdorben, kaum ein Gemüse wuchs. Andreja liess mich Nahrung mitbringen. Ich hatte sogar einige Hühner dabei. Das war ein Tross."


    Viraya lachte leise bei der Erinnerung daran. Sie war nicht betrunken, aber durchaus angeheitert. Bewegte sich etwas lockerer und erzählte plötzlich gerne. Sie hatte eigentlich nie ausser mit Darla über solche Dinge gesprochen. Und selbst mit Darla nur andeutungsweise, immer ohne Namen zu nennen, immer darauf bedacht ihr keine gefährlichen Informationen zukommen zu lassen.

    "Sie nahmen mich freudig auf und als der Winter mild war und der nächste Sommer eine der besten Ernten seit Jahren einbrachte, wurde von einzelnen Personen mir dieser Erfolg zugeschrieben. Genau das war Andrejas Hintergedanke gewesen. Sie hat das immer so gemacht, wenn irgendwo ein Notstand herrschte. Dafür sandten die Dörfer später loyale junge Männer und Frauen zum Dank in ihren Dienst. Sogenannte Söldner ohne Sold. Nicht immer funktionierte das so gut wie hier, aber es klappte regelmässig genug, dass sich das Vorgehen ausgezahlt hat. Wobei man auch sagen muss, dass es den Dörfern wirklich geholfen hat."


    Erzählte sie und bemerkte, dass die den Leuten noch beibringen musste niemanden mehr an Andreja zu senden. Das konnte sie aber erst tun, wenn sie nicht mehr hier waren, denn sonst gaben sie ihre Lage unweigerlich Preis. Sie verschob das darüber Nachdenken auf später. Stattdessen fuhr sie fort.

    "Damian war einer der Skeptiker. Er beäugte mich mit seinen intelligenten Augen, ohne Argwohn. Er gab mir ziemlich genau zu verstehen, was er vom Aberglauben der anderen hielt. Ich investierte also viel Zeit hinein ihn zu überzeugen. In dieser Zeit hat er sich in mich verliebt und ich mich in ihn."

    Sie lächelte. Wer hätte so etwas von ihr erwartet.

    "Aber das hätte ich natürlich niemals zugegeben. Andreja bekam trotzdem Wind davon, sogar bevor ich mir meine Gefühle eingestanden hatte und beorderte mich frühzeitig zurück. Seither habe ich Damian nicht mehr gesehen und nichts von ihm gehört. Bis eben."

    Mehr brauchte sie dazu nicht zu sagen. Wobei es sich gut anfühlte das Schweigen zu brechen.

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    Am Ufer des Rubikon  Avatar von Medin
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    Ein weiterer Schluck rann Medins Kehle hinab und in seinen mittlerweile wohlig gefüllten Magen. Und obwohl der Alkohol weiter seinen Kopf bearbeitete, klarte sich dem Krieger gerade das Bild noch etwas auf. Er verstand ein wenig besser, wie mächtig diese Frau gewesen war, der er vor wenigen Tagen den Dolch in den Bauch gerammt und dann neben ihr gelegen hatte, während sie langsam aus dieser Welt gegangen war. Viele Grafen, Lords oder Kriegsherren sicherten sich die Loyalität ihrer Untergebenen nur auf vorwiegend eine Art und Weise. Drohung, Fürsorge, Versprechen, Schutz, Ehre, Terror, Erpressung. Andreja schien all diese Mittel gleichermaßen beherrscht und damit ein Netzwerk aufgebaut zu haben, auf das jeder König neidisch gewesen wäre.
    Doch sie war tot und Medin war sich nicht sicher, wie dieser äußere Knoten des Netzes die Nachricht aufnehmen würde. Am liebsten wollte er es auch nicht vor seiner Abreise herausfinden. Gerade wollte er sich noch einmal Met geben lassen, als eine junge, blonde Frau an ihn heran trat und ihm mit einer Geste zu verstehen gab, dass sie nicht da war um Met nachzufüllen.
    „Damian schickt mich. Er meint, ihr braucht eine Heilerin. Ich kann euch zu Irma führen.“
    Der ehemalige General blickte auf die Speisen, die noch vor ihm lagen und dann wieder auf zu der Frau. Seine Schulter tat höllisch weh, obwohl ihm das mit dem Met gar nicht mehr so schlimm erschien.
    „Ist wahrscheinlich besser so“, antwortete er und versuchte sich aufzurichten. Sein Kopf war schwerer und sein Körper schwächer als gedacht, aber mit einem raschen Griff stützte ihn die Frau und legte seinen gesunden Arm über ihre Schulter, um ihm etwas Stabilität zu geben.
    „Vielleicht solltest du heute Abend noch einmal mit ihm reden“, meinte er noch zu Viraya und hoffte, dass Kortis in ihrer Nähe bleiben würde. Dann verließ er die Methalle auf die freundliche Frau gestützt. Es tat gut, die Nähe einer anderen Person zu spüren und ihre duftenden Haare zu riechen. Und es schmerzte.

    Wenig später erreichten sie eine kleine, schon außen mit Kräutern, Knoblauch und Talismanen behangene Hütte etwas außerhalb des Dorfes. Rauch kam aus dem runden Schornstein, der sich durch das spitze Reetdach bohrte.
    „Was bringst du mir denn da, Marie?“ Irma war eine alte, gebückte Frau mit schnarriger, aber wacher Stimme und das Innere ihrer Hütte sah ungefähr genauso wie die Außengestaltung aus.
    „Er war bei Viraya“, antwortete Marie und half Medin behutsam auf einer hölzernen, mit einem Fell und einem zusätzlichen Ledertuch überzogenen Holzbank Platz zu nehmen. Der Paladin quittierte es mit einem Stöhnen und hoffte, dabei halbwegs dankbar geklungen zu haben. Er hatte viel zu lange gewartet, das war ihm jetzt klar.
    „Und Damian denkt immer noch, ich kann Wunder wirken?“, entgegnete die alte Irma etwas entrüstet. „Na dann wollen wir mal sehen. Marie, hol mir bitte meine Tasche mit den Tinkturen.“
    Während die blonde Frau in einer Ecke verschwand, beugte sich die Alte noch weiter über Medin, der sich inzwischen hingelegt hatte und befreite die Schulter von Tunika und Hemd und zuletzt auch von dem provisorischen Verband. Der Südländer stöhnte noch einmal auf, als Luft an die Wunde kam. Seine gesamte Schulter schien in Flammen zu stehen.
    „Ach du meine Güte, das sieht nicht gut aus“, meinte Irma. „Nur gut dass du schon so viel Met getrunken hast, denn was immer ich hier mache wird höllisch weh tun. Das ist ja alles entzündet.“
    „Nicht zu viel rausschneid...-“ Medins Bitte brach in einem Schmerzensschrei ab, als Irma begann in der Wunde vorsichtig herumzutasten.
    „Wie bitte? Du kannst froh sein, wenn du die nächsten Nächte überlebst, also schraub deine Ansprüche herunter, Bursche!“ So hatte ihn schon lange keiner mehr genannt.
    „Bei Innos, kann ich wenigstens noch mehr Met haben?“, fragte er.
    „Innos? Also so einer bist du“, entgegnete Irma. „Na dann bete mal zu deinem Innos. Ich habe was besseres für dich.“
    Marie war mit der Tasche wieder gekommen und bereitete ein Tuch mit einer Tinktur vor, während sich Irma eine andere nahm und sie Medin direkt unter die Nase hielt. Augenblicklich wurden seiner Glieder matter und schwerer und die Welt schien sich ein wenig von ihm zurückzuziehen.
    „Der träumt gleich gut“, hörte er Irma noch zu Marie sagen. „Vielleicht müssen wir ihm den Arm abnehmen ...“ Das was er hörte und auf einmal wünschte er sich, Kortis würde nicht von seiner Seite weichen, als die Welt um ihn herum endgültig im Dunkeln versank.

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    Veteran Avatar von Viraya
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    Sie entschied sich gegen Medins Vorschlag, war sich noch nicht sicher, ob sie sich im Leben tatsächlich für den Pfad der Wahrheit entscheiden sollte. Was aber ganz klar war, dass sie die Entscheidung darüber nur im nüchternen Zustand fällen würde. Also gönnte sie sich noch einen letzten Met, prostete Kortis zu und liess sich das süsse Kühl die Kehle hinunter rinnen. Es war herrlich. Dann gab es noch Beeren zur Nachspeise. Allerdings nicht viele und eine Art Süssgebäck mit Honig.Sie liess es sich auf der Zunge zergehen und dachte an Redsonja. Warum ihr die rothaarige Kriegerin ausgerechnet in diesem Augenblick in den Sinn kam, wusste sie nicht. Vielleicht weil diese sich seit vielen Jahren das erste mal von einer ihrer Waffen trennte. Wobei das wäre ein grosser Zufall gewesen. Vielleicht aber einfach weil sie gerne ihren Rat gehabt hätte. Stattdessen fragte sie Kortis. Er zuckte die Schultern.

    "Das muss ich selber entscheiden, was?"


    Er nickte und dann wusste sie, was zu tun war. Sie verabschiedete sich ins Bett und beschloss am nächsten Morgen sehr früh aufzustehen.

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    Veteran Avatar von Viraya
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    Als Viraya erwachte, war ihr erster Gedanke sich nochmals im Bett zu wenden. Unbewusst war ihr klar, dass sie das, was sie heute tun sollte hinauszögern wollte. Dann kam ihr aber plötzlich der rettende Einfall. Medin. Sie musste nach ihm sehen. Solch Pflichtgefühl vermochte sie tatsächlich nur dann aufzubringen, wenn sie etwas ausweichen wollte. Das Gespräch mit Damian war genau dieser Anlass. Statt zu schlafen hatte sie das Gespräch in Gedanken schon hundert mal durchgespielt und jedes Mal endete es anders. Aber nie, wie sie wollte. Wie sie wollte, war ihr allerdings auch nicht klar. Also verdrängte sie es. Bedingt erfolgreich.

    Inzwischen war sie vor Irmas Tür angelangt. Auch hier zögerte sie, hob nur langsam die Hand. Bevor sie allerdings anklopfen konnte, hörte sie Irmas Stimme von drinnen.

    "Komm ruhig rein."


    Wurde sie aufgefordert und sie trat ein.

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    Am Ufer des Rubikon  Avatar von Medin
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    Bisher hatte Medin unter dem Einfluss von Alkohol oder anderen Tinkturen selten geträumt, oder sich am nächsten Morgen zumindest nicht daran erinnert. Vielleicht lag es an der Kombination von beidem, aber diesmal war es anders. Seine Nacht war eine unruhige Achterbahnfahrt verschiedener Gedanken, geistiger Momentimpressionen und verschiedenster Sequenzen gewesen. In einer war er wieder in Andrejas unterirdischem Versteck und kämpfte mit ihr erneut auf Leben und Tod. Wieder rangen sie am Boden und wieder drückte er ihr den Dolch schließlich in die Magengrube. Doch als er diesmal aufsah, war Andrejas Gesicht verschwunden. Stattdessen lag Lilo vor ihm am Boden in einer Blutlache – tot. Kurz darauf stand er auf einem einsamen Berg, nichts als Schnee um ihn herum. Ein Sturm tobte und drückte ihn über die Kante des Gipfels, bis er in das dunkle Tal fiel, mit der Schulter etliche Male gegen den Felsen schlägt und schlussendlich in lichtloses, schwarzes Wasser fällt. Stunden trieb er unter der Oberfläche, ohne Atmen zu müssen. Von fern undeutliche Stimmen … oder nur eine? Die Fetzen wurden immer undeutlicher und irgendwann glaubte er, sich in einem Raum zu befinden.

    Als es an der Tür klopfte, befand sich Medin schon seit einiger Zeit in einem halbwachen Zustand. Wie lang wusste er nicht. Sein Verstand schien langsam aber beständig aufzuklaren und Dinge um ihn herum preiszugeben.

    „Wer ist da?“, versuchte er zu fragen, aber nur ein leises Flüstern verließ seine Lippen.

    „Du hast Besuch … na ja, genau genommen habe ich Besuch.“ Es war Irmas Stimme. Sie musste direkt neben ihm gestanden haben. Er versuchte die Augen leicht zu öffnen und schlagartig wurde ihm klar, warum er hier überhaupt lag. Sofort versuchte er seinen linken Arm leicht zu bewegen, aber er gehorchte nicht.

    „Wie schlimm ist es?“, fragte er. War sein Arm überhaupt noch dran?

    „Nicht mehr so schlimm, vor allem weil du bei der besten Heilerin zwischen hier und Gorthar gelandet bist“, entgegnete ihm Irma. „Eine tiefe Wunde, die lausig gepflegt wurde und sich ordentlich entzündet hat. Wundfieber und einsetzende Nekrose. Ich wollte den Arm schon absägen, aber dann hat Marie nur meine kleine Knochensäge gefunden und das hätte Stunden gedauert. Also hab ich was anderes versucht und alles raus geschnitten, gereinigt und mit Salben behandelt, die jeden Hund eine Woche lang einen Bogen um dich machen lassen werden.“

    „Danke“, antwortete er ihr sofort und bekam endlich die Augen weit genug auf, um erkennen zu können, dass die launige Alte wirklich direkt neben ihm stand. Hinter ihr stand Viraya. „Wirklich, danke!“

    „Dank mir nicht zu früh“, meinte Irma, die ihre Lippen kaum zu einem Lächeln verzog. „Kann sein, dass nicht alles heilt oder dass es sich wieder entzündet. Kann auch sein, dass ich dann doch noch die Säge suchen muss.“

    „Kann ich aufstehen?“

    „Versuch es. Du solltest aber auf deine Schwäche hören. Mindestens eine Woche lang Anstrengungen meiden, wenn du deine Chancen erhöhen willst.“

    „Sieht so aus, als ob ich noch eine Weile hier bleiben muss“, meinte Medin an Viraya gerichtet. „Glaubst du, wir können die Gastfreundlichkeit dieser netten Leute hier noch ein wenig weiter beanspruchen?“

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    Veteran Avatar von Viraya
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    Innerlich zuckte Viraya zusammen, äusserlich liess sie sich nichts anmerken. Sie hatte also gehofft um das Gespräch mit Damian herum zu kommen. Darum stand sie hier. Nicht in erster Linie, um nach Medins befinden zu schauen, sondern weil sie so bald wie möglich hier weg kommen wollte. Oder zumindest ein Teil von ihr. Statt diese Gedanken zu äussern, meinte sie gelassen und mit einem fragenden Lächeln in Irmas Richtung.
    «Wahrscheinlich schon oder?»
    Irma blickte sie streng an.
    «Ihr müsst. Zudem...» und nun deutete sie auf Virayas Arm, «...muss ich hier noch etwas anderes anschauen und das könnte noch deutlich schmerzhafter werden.»
    Viraya nickte. Irma wusste einem schon immer Mut zuzureden. Nicht nur das, sie kannte auch keine Grenzen, was ihre Scherze betraf. Das einzige was sie hatte war genug Feingefühl diese Scherze nicht der komplett falschen Person gegenüber zu machen. Aber in dem Dorf wusste jeder, dass es wirklich ernst war, wenn Irma einen nicht mehr zu erschrecken versuchte. Genau genommen lebte man danach meist nicht mehr lange, obwohl man mit seinem Leben noch nicht abgeschlossen hatte. Denn mit den Alten, die des Lebens langsam müde waren und zufrieden von dannen zogen, pflegte sie noch ein letztes Mal zu lachen, bevor sie das Zeitliche segneten. Viraya fragte sich, wie Irma ihrem eigenen Tod eines Tages entgegen treten würde.
    Irma blickte Viraya durchdringend an. In diesem Moment war der Diebin klar, dass Irma sie immer durchschaut hatte. Sie war so verblüfft über diese Erkenntnis, doch noch mehr darüber, dass Irma das Geheimnis immer für sich behalten haben musste. Gleichzeitig scholt sie sich, dass es ihr nicht früher aufgefallen war.
    «Warum hast du niemandem davon erzählt?» Fragte sie also und es dauerte nur einen kurzen, irritierten Augenblick, bis Irma verstand und antwortete:
    «Weil du ihnen Hoffnung gabst. Spielt es eine Rolle, ob diese Hoffnung falsch oder richtig ist?»
    Viraya zuckte mit den Schultern. Irma blickte sie immer noch durchbohrend an, doch sie schien zu zögerlich. Also fragte Viraya weiter:
    «Und was denkst du über mich?»
    «Du gleichst Andreja mehr, als du wahrhaben möchtest.»
    «Woher kennst du Andreja.»
    «Ich war...» sie zögerte «... bin in ihrem Dienst.»
    Ein Test oder eine Drohung? Viraya blickte zu Medin. Wusste Irma wer Andreja getötet hat? Es war davon auszugehen, aber was hatte das zu bedeuten?

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    Am Ufer des Rubikon  Avatar von Medin
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    Schlagartig klärte sich der Blick von Medin noch etwas weiter auf. Seine Gedanken begannen aus dem Zustand des Benommenseins aufzuwachen und zu arbeiten, als er den Blick auf die Heilerin richtete. Diese blickte kurz zur Seite, direkt zu ihm, und dann wieder zu Viraya. Immerhin war er noch am Leben. Hätte sie ihn beseitigen wollen, hätte er diesen Morgen nicht mehr erlebt und nach allem, was er spüren konnte, hatte sie auch seiner Schulter geholfen. Verschlimmern hätte sie seinen Zustand ohnehin kaum noch.

    „Ich denke, dieser Dienst ist vorüber“, brach der Südländer nach einer ganzen Weile das Schweigen, das sich zwischen den unterschiedlichen Parteien breit gemacht hatte. Medin war im Raum eindeutig derjenige mit den wenigsten Informationen, aber er hatte das Gefühl, in dieser Situation Verantwortung übernehmen zu müssen. Immerhin war es seine Klinge gewesen … sein Feldzug und seine Rache.

    „Wofür auch immer sie gestanden hat, sie tut es nicht mehr.“ Er versuchte sich etwas aufzurichten und dabei tunlichst zu vermeiden die Schulter zu belasten. Wie gerne er doch nun ein Schwert als Stütze gehabt hätte. „Und die, die ihr gefolgt sind, werden jetzt Entscheidungen treffen: Ob sie versuchen ihren Platz einzunehmen oder ob sie jemandem folgen, der das seinerseits versucht.“

    Wieder wanderte Irmas Blick hinüber zu ihm. Fühlte sie sich provoziert?

    „Oder ob sie dieses Kapitel abschließen und ihm den Rücken kehren“, vollendete er die Möglichkeiten und begriff auf einmal, dass er nicht nur über Irma, sondern auch über sich selbst sprach.

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    Veteran Avatar von Viraya
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    Ebenso hatte er über Viraya gesprochen. Egal wie sehr sie sich von Andreja abgewendet hatte, sie hatte die Frau wirklich geliebt. Seit ihrem Tod war eine Leere zurück geblieben, die nur dies bedeuten konnte. Sie hatte ihre Kleidung mitgenommen, warum? Wollte sie an ihren Platz treten? Zum ersten Mal liess sie den Gedanken zu und fand daran einen gewissen Gefallen. Für einmal brauchte die Diebin nicht schnell zu Denken, keiner sagte etwas für sehr lange und jeder war genug mit sich selber beschäftigt, um den anderen diesen Raum zu lassen. Bevor es allerdings unangenehm werden konnte, erhob Viraya die Stimme:

    «Irgendjemand wird sich ihre Position krallen und die Kämpfe darum werden brutal werden. Die Frage ist, ob jene, die sich entscheiden dem Ganzen den Rücken zu kehren eine Chance haben zu überleben, oder ob wir uns nicht besser mit den anderen Gleichgesinnten zusammenschliessen und organisieren würden. Wir können ein Netzwerk aus Informationen und Handelsbeziehungen aufbauen und uns gegenseitig Schutz bieten...»

    Sie blickte Irma lange und kritisch an. Diese liess sich alle Zeit der Welt, um zu überlegen. Schade. Dachte Viraya schon, als ihr die Heilerin die Hand hin streckte.

    «Zähle mich dazu. Unter einer Bedinung. Unsere erste Aufgabe wird sein jene Person zu vernichten, die Andreja getötet hat.»

    Viraya bewegte die Hand in Richtung jener von Irma und blieb kurz bevor sie sich berührten stehen.

    «Nein, wir sollten ehrlich miteinander sein. Schüttelte sie dann plötzlich den Kopf. Ich hätte dich gerne auf meiner Seite, aber du musst wissen, dass es Medin war und ich hätte es früher ebenfalls getan, wenn ich die Möglichkeit dazu gehabt hätte. Früher heisst bevor ich wusste, wer die Macht an sich reissen möchte...»
    Sie erzählte die ganze Geschichte seit sie in Gorthar angekommen waren und Irma setzte sich auf einen Stuhl, um zuzuhören. Sie wirkte ernsthaft überrascht. Die Drohung war also kein Test gewesen, sondern ihre echte Überzeugung. Sie wollte den Kopf jener Person sehen, die Andreja ermordet hatte. Also blickte sie zum Schluss in Medins Richtung. Ihre Augen wirkten strenger als sonst, ihre Finger hatten sich am Saum ihres Rocks festgekrampft, als sie zu sprechen begann.

    «Rache ist nie gut.»
    «Niemals.»

    Sprach sie eindringlich. Mit langen Pausen dazwischen.

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    Es war, als müsste sie sich das selber in Erinnerung rufen.

    "Sie macht blind für alles, nicht wahr." Irma schien in sich hinein zu blicken, dann zu Medin. Dieser Blick hatte jedoch nichts von dem beinahe mütterlichen Ton, den sie anschlug. Sie pausierte und sprach dann ganz langsam. Silbe für Silbe.

    "Dies ist also keine Rache, sondern eine Notwendigkeit. Geh nach Usa, das ist eine Stadt am Meer. Um dorthin zu gelangen musst du erst das Gebirge im Süden überqueren, es wird Schnee dort liegen. Lass dich nicht davon aufhalten, wenn du es nicht schaffst, dann soll es so sein. Danach kommst du in ein Tal. Dieses überquerst du nur, um auf eine Hochebene zu gelangen. Eine wilde Gegend mit Einheimischen, die noch selten etwas mit der Aussenwelt zu tun hatten und nicht alle gleich gastfreundlich sind. Sie sprechen eine fremde Sprache. Wilde Tiere gibt es dort ebenfalls und ein paar Relikte aus alter Zeit von denen du lieber die Finger lässt. Von dieser Hochebene erreichst du ein paar wunderschöne Seen. Lass dich von der Ruhe dieses Ortes inspirieren, finde deinen eigenen Frieden. Dann geh weiter in Richtung Süden. Ein weitläufiges, eher karges Tal mit einigen Flüssen wird dich bis zum Meer führen. Folgst du dem Meer in Richtung der aufgehenden Sonne wirst du nach einigen Fischerdörfern Usa erreichen. Du könntest mit dem Schiff dorthin gelangen, wag es aber nicht dadurch den Weg abzukürzen."

    Erneut erwartete sie keine Antwort. Die eindringlich gesprochenen Worte sollten sich vielmehr in sein Gehirn brennen.

    "Da du inzwischen zur Assassine geworden bist wirst du dort einen Auftrag erledigen. Der der alte Königs von Usa hat keine Nachfolger, doch einige versuchen den Thron an sich zu reissen. Vernichte Elrag, den momentan dominierenden Anwärter, bevor er dazu kommt. Jemand wird uns dafür sehr dankbar sein und uns die nötige Unterstützung zur Verfügung stellen. Und nun verschwinde aus meinen Augen. Ich will dich momentan nicht mehr sehen."

    Sprach sie und wandte sich dann einfach Viraya zu, als ob er nicht da wäre.

    "Zeig deinen Arm."

    Forderte sie die Diebin fast etwas zu abrupt auf.

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    Am Ufer des Rubikon  Avatar von Medin
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    Der Südländer blickte die alte Heilerin an, wie diese sich Viraya zuwandte und begann, ihre Armwunde zu untersuchen. Er wollte ihr erwidern und protestieren, wollte fragen, was sie sich dabei dachte. Rache durch kühle Berechnung ersetzen? Er hätte den dritten Weg gewählt.
    Aber das war nicht der Zeitpunkt, um zu protestieren. Das hatte sie ihm unmissverständlich klar gemacht. Also versuchte er die Kontrolle über sich selbst zurück zu erlangen. Er würde mit Viraya darüber sprechen. Aber vorher musste er zeigen, dass auch sein Körper auf ihn hörte. Mit zusammengebissenen Zähnen richtete er sich weiter auf. Seine Glieder fühlten sich taub an, bewegten sich nur langsam, und seine Schulter schmerzte, als ob eine dünne, sauber geschliffene Rasierklinge in ihr stecken würde. Dennoch schaffte er es. Seine Beine berührten den Boden und gerade wollte er versuchen, vollkommen aufzustehen, als sich ein Arm unter seine Schulter schob, während die andere seine Hand griff. Marie war eingetreten und half ihm, Gewicht auf seine Füße zu bringen.
    „Langsam“, riet sie ihm überflüssigerweise. Er schwieg. Obwohl die Hütte klein war, fühlte es sich wie eine Ewigkeit an, in der er behutsam einen Fuß vor den anderen setzte und sich immer weiter der Tür nährte. Ihm war, als könnte er dabei die Blicke der anderen im Rücken spüren.

    Als sie endlich nach draußen traten, war es schon Vormittag. Die Luft war frisch, aber eine wärmende Sonne hatte sich über dem Dorf erhoben und ließ Medin die Augen zusammen kneifen. Einen Moment verharrten sie so, bevor sie einige Schritte in Richtung des nahen Brunnens machten. Im Dorf gab es zwei davon und dieser hier am Rand war der ältere. Die alte Ummauerung des Schachts war mit Moos und Gras überwachsen, machte aber dennoch einen soliden Eindruck. Marie half ihm die Strecke bis dort hin zu überbrücken und mit jedem Schritt fühlte er sich ein kleines bisschen sicherer auf den Füßen. Schließlich half sie ihm auf dem Rand Platz zu nehmen.
    „Danke für die Hilfe“, murmelte er und blickte zu ihr auf in die blass blauen Augen. In diesem Augenblick war er froh, dass sein Kopf noch betäubt war. Der Schmerz wäre sonst nur noch schlimmer gewesen.
    „Ich hoffe, es war nicht umsonst“, erwiderte sie und wich seinem Blick dann aus, indem sie ihren wieder auf Irmas Hütte wandte. Sie schien einen Augenblick darüber nachzudenken, ob es noch zu früh war, wieder zurückzukehren. Dann entschied sie sich trotzdem dafür, Irma bei Viraya zu assistieren. Der Paladin blickte ihr hinterher und an ihr vorbei auf die Holztür, die sie ansteuerte.

    „Wie geht es der Schulter?“ Kortis war näher gekommen. Der Krieger machte einen besseren Eindruck als gestern. Speis und Trank schienen ihm ein paar Lebensgeister zurückgegeben zu haben.
    „Besser, denke ich“, erwiderte Medin. „Bei dir scheinen ja Met und der Braten ihr Werk getan zu haben.“
    „Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal ...“ Er brach ab. Einen Augenblick lang herrschte wieder Schweigen. Seit sie aus dem Unterschlupf Andrejas geflohen waren, hatten sie nicht mehr über die Vergangenheit gesprochen oder groß nachgedacht. Alles hatte sich irgendwohin verdrängen lassen. Jetzt drängte es sich zurück; in Schüben und immer nur teilweise, aber es war da.
    „Ist Viraya noch bei der Heilerin?“, wechselte Kortis das Thema.
    „Ja … und es könnte sein, dass wir neue Probleme kriegen.“ Kurz schilderte Medin dem Gefährten, was eben vorgefallen war und was Irma von ihm verlangt hatte. Kortis unterbrach ihn nicht.
    „Was denkst du?“, fragte er dann schließlich, als Medin geendet hatte.
    „Ich denke, dass wir mit Viraya darüber sprechen müssen.“ Er rieb sich über den Verband an seiner Schulter. „Und ich denke, dass wir unsere Waffen bei uns tragen sollten. Weißt du, wo unsere Sachen sind?“
    Kortis nickte. Ohne ein weiteres Wort zu sagen drehte er um und ließ Medin beim Brunnen sitzen. Der atmete tief durch. Die Sonne tat gut, aber wärmen wollte sie ihn nicht.

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    Als Viraya erwachte, schmerzte sie alles. Irma hatte gute Arbeit geleistet, aber Viraya auch dafür bestraft, was sie ausgefressen hatte. Diese Schmerzen. Viraya hatte geschrien wie nie zuvor. Nicht unverdient, musste die Diebin zugeben. Trotzdem hatte sie erstmals genug vom lächelnden Antlitz der Heilerin. Mitten in der Nacht erhob sie sich also von ihrer Pritsche und wollte gerade Medin suchen, als sie Irmas vertraute stimme hörte.

    "Du willst dich also einfach davonschleichen. Dabei habe ich noch etwas für dich."

    Sie reichte ihr eine Phiole.

    "Trink fünf Tage lang jeweils einen Schluck davon. Das wird dir bei der Genesung helfen."

    Dann zog sie eine zweite Phiole hervor.

    "Und diese kannst du Medin geben, falls du mal genug von ihm hast."

    Viraya glaubte ein feines Funkeln in den Augen der Heilerin zu sehen, bedankte sich höflich, aber nicht von Herzen und machte sich auf, um Medin zu suchen.

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    Veteran Avatar von Viraya
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    Bereits bevor sie die Tür erreicht hatte, spürte Viraya, dass es geschneit haben musste, sie roch es in der Luft. Hier in den Bergen war es immer ein wenig anders. Sie vermochte aber nicht zu erklären was. Als sie die Tür aufschlug, musste sie trotzdem erstmals die Augen schliessen. Die funkelnden Schneekristalle überall blendeten sie. In allen Farben blitzten sie ihr entgegen: "Geh nicht mit."

    Aber sie hatte sich bereits entschieden. Sie brauchte Medin und Kortis. Auch wenn sie beide nicht sonderlich gerne mochte, so war wenigstens verlass auf die beiden. Sie musste nicht jede Sekunde Angst haben, ihnen den Rücken zuzuwenden. Sie waren vielleicht taktisch, aber nicht hinterhältig. Sie waren nicht unendlich machthungrig und Medin hatte einen Knacks. Wie Redsonja ihn gehabt hatte nach Silvenheim. Er nahm das mit seiner Familie verdammt hart. Nicht, dass er darüber gesprochen hätte und sie wollte ihn auch nicht fragen. Wäre ja noch besser gewesen. Aber sie schien ein Herz für emotionale Krüppel zu haben. Ging es ihr beim Anblick der glitzernden Schneekristalle durch den Kopf und plötzlich musste sie lachen. Erst dann merkte sie, dass sie gar nicht alleine war. Das halbe Dorf stand versammelt und sie stimmten einfach in ihr Lachen ein, sodass sie sich nicht bescheuert vorkommen musste. Dennoch erschrak sie, als plötzlich der Dorfvorsteher begann:

    "Irma hat uns nicht rein gelassen." Sprach er. "Aber wir wollte dir danken. Dass du die Strapazen auf dich genommen hattest, obwohl du krank warst, nur um uns die Hoffnung zurück zu bringen. Aber wir wissen, dass du weiter musst. Wir wollten nur auf wiedersehen sagen."

    Plötzlich wurden Hände geschüttelt, sie wurde umarmt, bekam Küsse auf die Wangen von den älteren Frauen und hielt ohne es zu merken Geschenke und Briefe in der Hand. Sie liess sich einfach treiben. Es schien so surreal, dass sie es gar nicht realisierte. Und irgendwie bewegte sie sich dennoch weg von Irmas Hütte in Richtung dem Gästehaus'. Doch bevor sie die Hütte aus den Augen verlor, drehte sie sich noch einmal zurück und es war, als würde Irma dort stehen und geheimnisvoll lächeln. Sie lächelte zurück. Als sie sich wieder umdrehte, waren die Dorfbewohner dabei sich in ihre Hütten zurück zu ziehen. Nur Damian blieb stehen. Sie wollte etwas sagen. Sich entschuldigen. Aber wo beginnen. Aber er lachte sie einfach an.

    "Schon gut."

    Er zwinkerte ihr zu. Er nahm ihr gar nichts übel. In diesem Moment wurde ihr klar, dass nicht er die Aussprache nötig gehabt hätte, sondern sie.

    "Machs gut."


    Sagte sie dann leicht traurig, aber innig.

    "Du auch. Meine Frau hat dir etwas gemacht."

    Er zog eine Mütze und Handschuhe hervor. Sie waren sehr sorgfältig bestickt. Das musste Wochen in Anspruch genommen haben. Aber die Winter hier oben waren lang und viel mehr gab es nicht zu tun, als Handarbeit und Holzfällen oder Schnaps brennen.

    "Das ist sehr schön. Sag ihr vielen Dank. Ich habe nichts für dich."


    Gestand sie dann.

    "Meinst du ohne meine Frau hätte ich etwas gehabt?"


    Erwiderte er dann und sie mussten beide lachen. Dieses Mal erschallte zum Glück nicht das Lachen eines halben Dorf hinter ihnen. Er umarmte sie mit einem Lächeln, ohne sie auch nur mit der Fingerspitze zu berühren und sie lächelte zurück. Dann stapfte sie weiter durch den Schnee zum Gästehaus.

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    Am Ufer des Rubikon  Avatar von Medin
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    Das Gasthaus des Ortes war dunkel und leer. Es war nicht die Jahreszeit für Besucher. Ein kleines Feuer brannte in der Feuerstelle in der Mitte des Raumes und warf die langen Schatten der beiden Männer, die daran saßen, auf die Holzdielen hinter ihnen. Die Flammen flackerten, als die Tür sich öffnete und ein Luftzug den Raum erfasste. Die beiden Männer blickten kurz auf.

    Sie waren nicht überrascht, als sie Viraya eintreten saßen. Vom Fenster aus hatte Medin die Ansammlung draußen beobachtet, die sich nach der Nachricht über das Erwachen der vermeintlichen Wohltäterin gebildet hatte. Zwei Tage lang hatte sie unter der Wirkung von Irmas Tränken geschlafen, um ihre Verletzung heilen zu können und auch Medin hatten diese Tage der Ruhe gut getan. Damian und die anderen hatten sich gut um ihre Gäste gekümmert, obwohl zwischen ihnen keinerlei Vertrauensbasis herrschte. Die Bekanntschaft mit Viraya war es, die alle hier zusammen gebracht hatte und das genügte für den Augenblick. Dennoch wurde es langsam Zeit, diese Bekanntschaft neu zu definieren.
    Kortis und Medin rutschten ein bisschen zur Seite, als Viraya näher zum Feuer kam, um ihr Platz zu machen.

    „Wir dachten schon, Irma lässt dich gar nicht mehr aufwachen“, begrüßte Medin sie, während er ihren Stand musterte. „Wie fühlst du dich?“
    „Es ist noch etwas Suppe da“, bemerkte Kortis und wies auf den kleinen Kessel, der über dem niedrigen Feuer hing, um das Essen warm zu halten. Eine leere Schale war auch in Griffweite.

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    Viraya nahm eine grosse Kelle der Suppe, sie hatte Hunger. Begann hastig zu Essen, stellte aber schnell fest, dass sich die Sättigung wieder einsetzte. Ihr Magen musste geschrumpft sein in den letzten Tagen. Sie ass also langsamer und antwortete:

    "Ganz gut." Sie schaute die beiden an. "Gut genug, um morgen aufzubrechen. Vorher sollten wir aber noch unsere Vorräte auffüllen."

    "Darum hat sich wohl schon jemand gekümmert." Bemerkte Kortis und deutete auf die Frau, die in der Tür stand. In der Hand hielt sie ein dickes Bündel. Sie lächelte etwas verlegen. Sie beschlossen also am nächsten Morgen aufzubrechen und Viraya freute sich auf eine erholsame Nacht. Reden würden sie unterwegs, dort wo ihnen weder Augen, noch Ohren folgten.

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    Am Ufer des Rubikon  Avatar von Medin
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    Das Trio war am frühen Morgen aufgebrochen, nicht ohne noch einmal einen warmen, wenn auch nicht überschwänglichen Abschied zu erleben. Während Kortis und Medin mit distanzierter Freundlichkeit behandelt wurden, erfuhr Viraya noch einmal die Zuneigung, die die Dorfgemeinschaft als Kollektiv für sie zu empfinden schien. Glück, Sicherheit und eine baldige Rückkehr wurden ihr gewünscht, während alle drei ein einfaches, aber dafür gut gefülltes Proviantpaket bekamen und die Pferde neu beschlagen wurden. Außerdem bekam jeder von ihnen noch einen langen, reitertauglichen Mantel, der in dem zu erwartenden bergigeren Gelände sowohl vor Wind und Wetter beim Reisen schützen, als auch die Nächte erträglicher machen sollte.

    Inzwischen war es zeitiger Nachmittag und die drei Reisegefährten ritten ihre Tiere hintereinander durch eine karger werdende Landschaft. Der fruchtbare Boden der Ebene war längst etwas steinigeren Untergrund gewichen und obwohl auch hier noch Baum- und Strauchvegetation vorherrschte, stießen sie immer weiter in das langsam höher werdende Gebirge vor.
    Mit jedem Schritt seines Pferdes dachte Medin nach, obwohl er versuchte nicht über die letzten Wochen, die hinter ihm lagen, nachzudenken. Der Schock der Gewissheit, mit dem ihm Andreja konfrontiert hatte, lag immer noch schwer auf ihm. Vor zwei Nächten hatte er sich einige Stunden mit Marie unterhalten. Sie hatten im Dorfhaus in einer dunkleren Ecke gesessen und einfach etwas geredet. Es waren eher oberflächlichere, belanglose Dinge gewesen. Ernte, Tiere, Irma, wo man so her kam. Marie war Ende zwanzig, ihr früherer Ehemann vor einigen Jahren, als eine Söldnerbande durchs Land gezogen war, auf der Jagd verschwunden und nicht mehr aufgetaucht. Seitdem half sie vor allem bei Irma. Mehr hatte sie nicht preisgegeben, obwohl Medin das Gefühl hatte dass sie noch mehr zu erzählen gehabt hätte. Aber er hatte ihr ebenso wenig konkretes erzählt und es einfach nur ein wenig genossen zu reden. Er war noch nicht bereit zurück zu blicken. Für ihn konnte nur der Weg nach vorne heilsam sein.
    Aber der war unsicher und da sie nun schon weit genug von dem Dorf entfernt waren, um langsam Pläne machen zu können, wandte er sich im Sattel um zu Virayas Pferd, das größtenteils seinem folgte.
    „Dieser Pfad führt über kurz oder lang zu den Pässen in Richtung Usa, also müssen wir uns bald entscheiden, ob das unser Ziel ist. Hast du vor, Attentäterin für eine alte, verbitterte Frau zu werden?“, fragte er sie direkt heraus und beendete die Einsilbigkeit, die seit dem Aufbruch geherrscht hatte. Ohne Anrede, ohne sie für das Thema vorzubereiten. Aber er war sich sicher, dass ihnen alle drei diese Fragen seit Stunden durch die Köpfe gingen.

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    Ja, es war an der Zeit zu entscheiden und Viraya hatte das schon getan.
    «Ich habe mir die Optionen überlegt. Entweder wir haben nur Syvers Anhänger hinter uns her oder du hast jene von ihm und von Andreja im Nacken. Vielleicht würde uns auch die Flucht aufs Festland oder nach Argaan gelingen. Vielleicht auch auf eine unbekannte Insel. Die Chance ist aber, dass wir uns damit nur etwas Zeit verschaffen. Ich hingegen habe die Freiheit gerochen und möchte endlich wirklich frei sein. Als Assassine bin ich das allerdings nicht.» Die beiden Begleiter schienen ihr zuzustimmen.
    «Aber. Wir sind auch nicht einfach Irmas Assassinen. Wir werden nach Usa gehen. Dort schauen wir uns die Situation und Elrag an und entscheiden uns für das, was wir für das Richtige halten. Falls wir uns einigen können. Das müssen wir allerdings, denn wenn wir zwei uns dafür entscheiden dir zu helfen, dann werden wir ebenfalls belangt werden, falls das Vorhaben fehlt schlägt. Und ich bin mir nicht sicher, ob ich am eigenen Leib erfahren möchte, wie weit Andrejas Finger wirklich gereicht haben.»
    Während sie sprach wurde ihr plötzlich bewusst in was sie sich da wieder reingeritten hatte. Aber es war zu spät, um einen Rückzieher zu machen. Alleine weiter zu ziehen war keine Option. Kortis und Medin konnte sie wenigstens vertrauen, obwohl sie manchmal komisches Zeugs von sich gaben. Gewisse Ansichten waren einfach zu fest auf Glaubend basierend. Obwohl Medin auf gesunde Art und Weise etwas davon abgekommen war. Dennoch stach es immer wieder hervor.

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    Am Ufer des Rubikon  Avatar von Medin
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    Medin blies hörbar Luft aus – fast wie das Pferd, auf dem er saß. Ihm gefiel die ganze Sache vorne und hinten nicht. Er hatte keine Lust sich in die Machtpolitik irgendeines wankenden Fürstentums einzumischen. Ebenso wenig wollte er sich zum Handlanger für eine Kräuterhexe und ihre Kontakte machen lassen. Darüber hinaus schätzte er die Reichweite ihrer Verfolger als nicht so weitreichend ein wie das Viraya zu tun schien. Nach Andrejas Tod war das Netzwerk geschwächt und zwischen verschiedenen Fraktionen zerrissen. Eine gute Gelegenheit sich einfach aus dem Staub zu machen.
    Dennoch, und da gab er Viraya recht, war der direkte Weg zurück nach Gorthar und von dort aus weiter wohl zu riskant. Vielleicht erkannte man dort ihre Pferde oder gar Gesichter. Der Weg in die andere Richtung würde es Verfolgern schwerer machen und eine Rückreise im Endeffekt erleichtern.
    „Damit wir uns nicht falsch verstehen, ich bin dankbar für eure Gesellschaft, aber ihr helft mir bei nichts“, wandte er sich an die anderen beiden. „Ich habe nicht die Absicht nach den Spielregeln Irmas zu spielen und mich in einen Nachfolgekrieg einzumischen. Allerdings denke ich auch, dass der Weg nach Usa eine gute Gelegenheit ist unsere Spur zu verwischen. Es ist eine Hafenstadt, also kann man von dort auch weiter reisen. Von daher sollten wir dort hin reisen und die Situation dann vor Ort neu bewerten. Bei all deiner Loyalität zu Irma, Viraya, lass dir aber gesagt sein, dass ich nicht für ihr Gutdünken Menschen aus dem Weg schaffen werde. Andreja war etwas persönliches, aber darüber hinaus verbindet mich nichts mit diesen Interessen.“

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    Viraya nickte. Sie wusste, dass Medin eine starke Meinung besass und es machte keinen Sinn dagegen anzureden, bevor sie die Situation kannte.
    Sie liess Kortis mit Medin weiter diskutieren und konzentriere sich darauf im erst steinigeren und dann bergigen Gelände nicht vom Pferd zu fallen. Sie hatte zwar grosse Fortschritte gemacht beim Reiten, brauchte jedoch immer noch sehr viel Konzentration, um nicht vom Rücken des Tiers zu fallen. Als dann auch noch immer tieferer Schnee lag, stieg sie irgendwann ab und stapfte bis zum Pass voran.
    Endlich hatten sie den Pass erreicht, Viraya streckte die Arme aus und drehte sich ein halbes Mal um die eigene Achse. Obwohl die Pferde das Gepäck trugen, war sie sehr erschöpft. Aber der Ausblick entschädigte sie für alles. Auch dafür, dass ihre Stiefel schon lange vom schmelzenden Schnee durchnässt waren. Der Himmel war blauer als blau, kein Wölkchen hatte sich hinein geschlichen.
    Am Pass gab es tatsächlich noch eine Schutzhütte. Sie öffnete die Tür vorsichtig. Sie knarrte. Ein fahler Lichtschein fiel in das innere der notdürftig gezimmerten und leicht beschädigten Hütte. Keiner schien sie in letzter Zeit gewartet zu haben. Vielleicht wegen des Handels, der immer mehr versiegte seit die Ränkeleien um die Macht in Usa begonnen hatten. Den Leichnam eines Mannes hatte sie dennoch nicht erwartet in der Hütte. Es stank nicht, er war einfach gefroren. Vor ihm lag Erbrochenes. Er war nach den Kleidern zu urteilen ein Händler, der eine Wunde am Kopf aufwies. Nur ein Brief und ein winziges, verschnürtes Paket lagen auf dem Tisch. Beides war blutverschmiert. Viraya liess die anderen beiden den Mann begutachten und griff dann nach dem Brief. Oben rechts war eine Adresse gekritzelt. Darunter stand ein in zittriger Schrift gekraxelter, langer Text, den Viraya leise uns sehr langsam vorzulesen begann:

    «Liebste Emma
    Wenn du diese Zeilen liest, dann lebe ich nicht mehr. Wisse aber, dass meine allerletzten Gedanken bei dir sind. Es gibt so viel zu erzählen. Ich habe viel gesehen im Norden. Einiges davon hätte dir sehr gut gefallen und den Kindern auch. Ich habe Saatgut für dich mitgebracht. Du wirst die Blumen und Kräuter, die daraus spriessen werden lieben. Ich weiss genau, dass sie nirgendwo so gut aufgehoben sind wie in deinem Garten. Der Gedanke daran lässt mich in meinen letzten Stunden doch noch lächeln. Ich weiss wie du jeden einzelnen Samen in die Erde drücken wirst. Wie sich die Erde unter deine Fingernägel schieben wird und wie du sie vorsichtig reinigst, ehe du mich begrüsst, wenn ich nach Hause komme. Du wolltest nie meine Kleidung verschmutzen.
    Wie schön, wie tröstlich ist es doch in Erinnerungen zu schwelgen, doch möchte ich nicht, dass du in Unwissenheit über meinen Tod verbleibst. Du sollst ruhen können in der Nacht. Ich wurde von Banditen überfallen. Natürlich gab ich ihnen meine ganze Ware, trotzdem und gegen ihr Versprechen, schlug mich einer von ihnen zum Schluss mit einem harten Gegenstand nieder. Mir wurde schwarz vor Augen, doch irgendwann erwachte ich wieder. Einer meiner Finger war zu diesem Zeitpunkt bereits abgefroren und meine Zehen taub. Mir war sehr kalt, doch ich schleppte mich weiter. Immer dich und die Kinder vor Augen. Bis ich schlussendlich am Ende meiner Kräfte die Schutzhütte auf dem Gurgolpass erreichte. Hier setzte ich mich hin und weiss nun, dass ich mich nie mehr erheben werde. Der Kopf schmerzt zu sehr und mir ist kalt. Glaube nicht, dass ich zu früh aufgegeben habe, doch ich werde es nicht schaffen. Zu viel Blut habe ich schon verloren.»
    Nun wurde es schwieriger die Schrift zu entziffern, es schien als wäre die Tinte langsam aufgebraucht gewesen. Immer wieder waren Striche mehrmals gezogen worden.
    «Meine Lebenskräfte schwinden und ich kann nur hoffen, dass irgendjemand diese Nachricht überbringen wird. Das tröstet mich irgendwie. Es ist eine letzte Bindung zu dir. Wisse, dass ich dich von ganzem Herzen liebe, dass du die beste Frau bist, die ich mir wünschen konnte. Die Aussicht nie mehr in deinen Armen zu liegen schmerzt mehr als alles andere. Auch dass ich Ninett nie mehr aus der Schule nach Hause kommen sehen werde, erfüllt mich mit tiefer Trauer. Du warst treu und loyal und geduldig. Aber auch stark und unbeugsam. Du bist eine jener stillen Kämpferinnen. Das erfasst mich mit Zuversicht.
    Küsse die Kinder von mir und fühle dich innigst umarmt.
    Dein Beno»

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    Am Ufer des Rubikon  Avatar von Medin
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    Medin ist offline
    Mit der rechten Hand untersuchte Medin den Körper des Toten, während er mit der Linken auf einem Kanten harten Brot herum kaute. Er hatte schon zu viele Schlachtfelder gesehen, um sich von so einem Anblick den Appetit nach dem beschwerlichen Aufstieg verderben zu lassen, zumal es sich hier um einen vergleichsweise sauberen Fund handelte. Nur etwas getrocknete Blut und gefrorenes Erbrochenes. Solange er seine Hände nicht verwechselte war alles in Ordnung.
    Die Kopfwunde an sich sah gar nicht so schlimm aus. Die Schädeldecke schien nicht gebrochen und eine Versorgung der oberflächlichen Verletzung wäre vergleichsweise einfach gewesen. Unter normalen Umständen wäre der Händler wahrscheinlich nicht ums Leben gekommen. Aber das Trauma in Kombination mit den Erfrierungen hatten ihn so viel Kraft gekostet, dass er den Abstieg auf der anderen Passseite nicht mehr geschafft hatte. Ein gutes Beispiel dafür, dass unter widrigen Bedingungen selbst eine einfache Verletzung zum Tod führen könnte.
    Nachdenklich schob sich Medin den letzten Bissen Brot in den Mund. Vielleicht sollte er doch etwas vorsichtiger sein.
    „Beno“, meinte der Paladin kurz, nachdem Viraya ihm von dem Inhalt des Briefes berichtet hatte, und blickte wieder zu dem Leichnam. Wie viele Tage saß er schon regungslos hier, einfach weggeschlafen? Irgendwo in Usa wartete eine liebende Familie auf seine Rückkehr, vielleicht bereits krank vor Sorge und Ungewissheit. Besonders Ungewissheit. In der Hütte wurde es noch ein wenig kälter.
    Der Streiter ging in die Knie und betastete die Gliedmaßen des reglosen Körpers. Sie waren relativ steif gefroren, aber immer noch etwas beweglich. Entgegen des verbreiteten Bildes von Händlern war der Mann zum Zeitpunkt seines Todes auch keineswegs sehr übergewichtig gewesen. Vorsichtig griff Medin einen Arm und streckte ihn nach vorne aus. Dann griff er auch den zweiten und versuchte den Körper etwas aufzurichten.
    „Hilf mir mal“, meinte er zu Kortis. Der Kämpfer schien zu verstehen und gemeinsam schafften sie es den Leichnam auf Medins Schultern zu hieven. Er war doch schwerer als gedacht, als sie ihn versuchten durch die Tür der Schutzhütte zu bugsieren.
    Draußen warteten ihre Pferde. Während Kortis die Zügel von Medins Pferd hielt, legte dieser den Körper des Toten vorsichtig vor den Sattel. Das Leder knarrte unter der neuen Last in der kalten Bergluft, aber das Tier blieb ruhig. Behutsam wurde der Körper mit einen Seil am Sattel festgebunden.
    „Wie weit willst du ihn tragen?“, fragte Kortis und auch Viraya, die ihm aus der Hütte gefolgt war, schien das zu interessieren.
    Medin antwortete nicht sofort. Stattdessen genoss er für einen Moment den Ausblick und dachte nach. Vom Pass aus konnten sie weit in das nächste Hochtal hinein sehen. Das erste, blasse Grün lag schon auf den Hängen, die an einer Seite immer steiler werdend schließlich zu noch schneebedeckten Gipfeln aufstiegen, hinter denen noch höhere Gipfel zu sehen war. Die Sicht war perfekt, das Wetter trotz der Kälte wohlwollend.
    „Ich will ihn nicht einfach so hier lassen, aber bis Usa können wir ihn nicht mitnehmen“, antwortete er dann. „Es ist erst zeitiger Nachmittag. Wenn wir bis zur Dunkelheit absteigen, werden wir einen Lagerplatz finden, der auch für die Pferde gut ist. In der Nacht wird ihn die Kälte konservieren und morgen finden wir dann einen Platz um ihn ordentlich zu beerdigen. Ihr müsst auch nicht mit graben, nur eine Nacht neben einem Toten schlafen.“
    Obwohl ohnehin einer von ihnen beständig Wacht halten würde – und das nicht nur um Wölfe oder andere Tiere vom Leichnam und den Pferden fernzuhalten. Neben all der Tragik hatte das Schicksal des Händlers Beno sie auch noch etwas gelehrt: Hier gab es Banditen.

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    Am Ufer des Rubikon  Avatar von Medin
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    Medin ist offline
    Ein kleiner Bach mit klarem Gebirgswasser plätscherte unweit ihres Lagerplatzes durch seine Flutrinne, die davon zeugte dass die Schneeschmelze auf den Gipfeln noch Potential für sehr viel mehr Wasser besaß. Der Frühling war hier oben auch noch nicht so recht in Gang gekommen. Dennoch hatten sie eine flache, relativ trockene Wiese mit kurzem Gras und ersten Gebirgsblumen schon einige hundert Meter unter dem Pass gefunden, um die Nacht zu verbringen. Im Sommer trieben vielleicht einige Hirten ihre Rinder und Schafe zum weiden hier herauf. Diesen Sommer würden sie eine kleine Veränderung feststellen.
    Seit den frühen Morgenstunden hatte Medin gegraben. Der Boden war nur leicht gefroren gewesen und nachdem er es durch die Grasnabe geschafft hatte, war er einfacher voran gekommen. Inzwischen schickte die Sonne die ersten Strahlen über die Berggipfel und verdrängte die Schatten immer weiter aus der Talsohle. Benos Leichnam war wieder mit Erde bedeckt und ein kleiner Haufen Steine darüber angelegt, um Tiere vom Graben abzuhalten.
    Dann kniete sich der Paladin hin um kurz zu beten. Sein geweihter Einhänder lag noch in der Scheide flach vor ihm auf dem Boden und ohne ihm bewusst Beachtung zu schenken, strichen seine Finger gedankenverloren über den Knauf. Er murmelte ein paar Worte über Innos und dass er Benos Seele mit in sein Reich geleiten solle, aber auch darüber dachte er nicht richtig nach. Die Worte wirkten eher wie ein Mantra der Meditation, während seine Augen geschlossen waren und sich auf die Flamme in seinem Herzen zu konzentrieren versuchten. In den letzten Wochen war es schwer geworden innere Wärme zu spüren, aber gerade hier oben in der kalten Bergwelt schien es ihm wieder etwas leichter zu fallen. Er hatte ein bisschen das Gefühl entrückt zu sein und eine neue Welt zu betreten. Als ob er mit der Überquerung des Passes auch einen schmerzhaften Teil seines alten Lebens zurücklassen konnte. Er wusste, dass das nicht stimmte, aber die Vorstellung half ihm. Und auch sich um das Grab eines unbekannten Händlers kümmern zu können hatte geholfen. Den letzten Brief Benos zu dessen Familie bringen zu können barg die Aussicht, wenigstens ein wenig des Schmerzes, den er selbst empfand, teilen zu können. Es war irrational, aber hier in diesem Augenblick in dem Hochtal mit dem plätschernden Bach hatte er das Gefühl, es könne ihm helfen.
    Er kniete nicht lange vor dem frischen Grab. Nach einigen Momenten griff er sein Schwert, erhob sich wieder und wandte sich zu den anderen um. Er war bereit zum Aufbruch.

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