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Dieser Turang schien in Ordnung zu sein. Obwohl vermutlich überrascht, dass ein zerstauster Arbeiter von Byggwirs Statur von Magie zu faseln begann, hatte er sich nichts anmerken lassen. Das Lächeln schien mehr Höflichkeit zu sein als ein Zeichen, dass er amüsiert war. Netter Haufen, diese Adanospriester, fand der Bergmann. Nicht so abgehoben wie die Feuermagier, von denen er einmal einen im Clandorf erlebt hatte. Ganz seine Kragenweite. Das ließ wieder einmal hoffen.
"Gerne" brummte er seine Zustimmung und folgte Turang zurück zum Haus der Magier. Vielleicht war Rana inzwischen wieder dort. Wenn nicht, dann würde er ein ander Mal wiederkommen. Allzu weit war es nicht von der Mine bis zur Stadt, und etwas Bewegung der Beine war auch nie verkehrt.
Der Wassermagier, oder was auch immer er nun sein mochte, ging schweigend neben dem Bergmann her. Erneut ein Zeichen, dass dieser als positiv deutete. Nicht vor ihm, nicht hinter ihm, sondern auf gleicher Höhe. Dazu kam, dass er Byggwir mit ihr angesprochen hatte, wo viele andere sich schlicht mit dem du begüngt hätten. Nicht, dass sich Byggwir an letzterem gestört hätte, aber er fand es überaus freundlich, dass ein eher hoher Herr wie der vermutliche Wassermagier so mit ihm umging.
"Könnt Ihr mir sagen, wie man es schafft, die Magie im Körper zu, äh ... zu steuern? Ich nehm' an, dass dafür 'n ziemlich klarer Kopf notwendig ist."
Er dachte an das Bier und den gelegentlichen Schnaps, die seine Nahrung ergänzten und überlegte, ob ein völliger Verzicht darauf nötig wäre. Tranken Magier überhaupt Schnaps? Er konnte sich eine erwürdige Gestalt in wallender Robe nur schwer mit einem nordmarer Stollengrollen in der Hand vorstellen. Und er wollte gar nicht erst wissen, was geschah, wenn ein Magiekundiger sich betrank und dann Eiszapfen oder schlimmeres regnen ließ. Ohne überhaupt zu wissen, ob er jemals so weit käme, nahm er sich vor, sich gegebenenfalls nie mehr zu betrinken.
Gegebenenfalls.
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"Das ist ein Bestandteil, aber es bildet nicht die Essenz. Offen gesagt, möchte ich nicht mehr über dieses Thema erzählen. Das liegt nicht an euch, aber zum Einen gehört dies zu den Geheimnissen des Ordens und zum Anderen bin ich nicht der Richtige, um es zu erklären."
Der Adept schwieg noch einen Moment. Selbst in seinen Gedanken konnte er nicht in Worte fassen, was er von der Magie erfahren hatte. Sie war ein tiefes Arkanum, die Verkörperung von allem, was war, in ihrer Sphäre und in allen anderen. Wie konnte er glauben, dies begreifen oder erklären zu können.
"Vielleicht werdet ihr eines Tages mehr davon erfahren. Wenn Tinquilius recht behält, dann mag euer Weg sich nicht zum letzten Mal mit dem Orden gekreuzt haben, doch es ist eine Wahl, die ihr treffen müsst. Und es ist keine leichte."
Das Leben eines Magiers veränderte den Charakter. Die Magie selbst schien ein Wetzstein zu sein, an dem ein starker Geist seine Schranken vergaß...
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Es waren wieder einige Tage ins Land gezogen. Gerade hatte Madlen ihre Tochter ins Bett gebracht. Die Kleine war mittlerweile richtig aufgeweckt und es schien manchmal, als würde Vinona versuchen zu Antworten. Sie gurgelte dann immer leise dabei und ihre Mutter musste dabei jedes Mal vor lauter Freude lächeln.
Marcel war mehr als eine große Hilfe, aber auch Elesil und selbst Dorumbar versuchten sich ab und an als Tante bzw. Onkel. Nur Thranduil…nun, er war einfach nicht der Kindertyp. Er konnte zwar auf Vinona aufpassen und sie schien ihn auch zu mögen, nur schien es der sonst so harte Krieger nicht zu lieben, von einem kleinen Kind so erweicht zu werden.
Madlen hatte ihr langes weißes Kleid angelegt, dazu ihren Siegelring und das Diadem. Ihre hellen Haare waren von Elesil hochgesteckt worden. Bei all den Grausamkeiten, dem Blut und dem Leid, das die beiden gesehen hatten, waren sie doch auch Frauen. Und die Freundin der jungen Frau liebte das Schneiden und Frisieren von Haaren genauso wie die See.
Ein anstrengender Tag lag hinter der Bardin. Vinona schien sich im Moment nicht richtig wohl zu fühlen, da sie die ganze Zeit weinerlich war, egal was man auch unternahm. Erst zum Abend hin war sie langsam ruhiger geworden und schlief jetzt wieder für ein paar Stunden.
Doch so nervenaufreibend der Tag auch war, so konnte die junge Mutter noch nicht schlafen und wanderte durch die verlassenen, ruhigen Hallen der Nacht. Die langen weißen Ärmel ihres Kleides wallten sanft hin und her, getrieben durch den Gang von Madlen. Es gab keine bestimmte Richtung für sie. Ihr Gedanken trieben durch ferne Gestade, stiegen auf hohe Berge und überblickten die Weiten der Unendlichkeit.
Schließlich führte sie ihr Weg auf einen Innenhof. Die junge Frau blieb unter einer Arkade stehen, da zu später Stunde ein leichter Nieselregen eingesetzt hatte. Die Temperaturen waren wieder abgekühlt und hüllten die Stadt in ihr kaltes, nasses Antlitz. Die Nacht war ruhig, aber eben bedeckt. Nur der Mond strahlte schwach hinter den Wolken.
Ein großer Schatz
bestehend aus Diamanten
Gold und Silber.
Der Weg so weit,
so kalt und fern.
Der Herrscher viele
entsenden mutige Krieger
zu holen das Geschmeid.
Niemand kehrt je wieder,
längst vergessen.
Fern über den Horizont
funkeln Diamanten
Gold und Silber.
Der Pfad verschlungen,
lang und einsam.
Die Götter prüfen
der Männer starke Kraft
und scharfen Verstand.
Doch alle zerbrechen,
vom Winde verweht.
In tiefer Dunkelheit
der Schein von Diamanten
Gold und Silber
erhellt die Nacht.
Der starke Schild,
zerbrochen.
Der scharfe Verstand,
gebrochen.
Unerreicht bis heute
das wertvolle Geschmeide.
Langsam verklang die Stimme von Madlen in den Hallen der Magier, hallte hinaus in die Nacht und verlor sich in der Dunkelheit. Die Magie verebbte und die junge Frau kehrte ins Hier und Jetzt zurück und merkte nun auch, dass sie sehr, sehr müde war…
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Heute war Madlen wieder sehr früh aufgewacht. Die Sonne blickte gerade über den Horizont, da machte sich Vinona schon bemerkbar. Nun, da gab es natürlich dann kein Halten mehr und die junge Frau stand auf. Marcel und sie taten das immer abwechselnd.
Jetzt war der Tag schon vorangeschritten und die Bardin ging mit ihrer Tochter auf dem Arm durch die Hallen der Magier, so wie sie es jeden Tag tat. Ihr Mann war mit Thranduil in der Arena trainieren gegangen. Elesil und Dorumbar waren mit ihrer Piratenmeute wieder auf hoher See. Noch ging alles gut mit der Karacke, doch über kurz oder lang würden sich die Bewohner Setarrifs über diese seltsamen Gäste wundern. Doch das war ein Problem für einen anderen Tag, nicht für heute, wo es doch so wunderschön war.
Die Schritte der jungen Frau lenkten sie wieder auf den kleinen Innenhof, der sich doch so nah an ihrer Unterbringung befand. Sie setzte sich auf eine steinerne Bank und spielte mit ihrer Tochter etwas. Die Kleine war gerade in einer Phase in der sie alles in den Mund steckte, was in ihrer Nähe war. Außerdem hatte die Bardin herausgefunden, dass, wenn sie den Schlüssel für ihre Wohnung und den Ersatzschlüssel miteinander klappern lies, es Vinona zum Lachen brachte. Dann gab sie immer glucksende Geräusche von sich, wie auch jetzt wieder. Und das brachte Madlen in eine andere Welt.
Die junge Frau war so sehr in ihrer Mutterrolle aufgegangen, dass sie sich nichts anderes mehr vorstellen konnte. Sicher, es war anstrengend und nervenaufreibend, aber auch wunderschön und toll.
Und doch wusste sie, dass dieses Glück nicht für die Ewigkeit war. Alles war vergänglich…man musste es nur richtig nutzen, dann kommt es einem länger vor…
Und wer weiß, vielleicht gab es heute sogar noch eine Gelegenheit etwas zu lernen.
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Der vierte Mond brachte immer wechselhaftes Wetter über die südlichen Inseln, heute schien zwar die Sonne, aber es wehte immer noch eine frische Briese und ein hoher Dunst brach das Licht, lange bevor es auf den stillen Innenhof des Hauses der Magier fallen konnte. Es war ein bisschen wie ein feinster fahlgoldener Nebel, der überall zu stehen schien und mitten darin saß Madlen und summte ihrer Tochter Lieder vor. Der Hofmagier zupfte ruhelos an seiner Robe herum, während er die beiden aus der Tür zum Inneren Tempel heraus beobachtete. Er trug das Gewand seines Ordens selten, in einem Handwerkerhemd fühlte er sich einfach viel wohler, aber dieser Tage war es keine Frage der Wahl. Ethorn hatte einen von Rhobars Gesandten umbringen lassen und sich in einem Schlag auch von den Hofmagiern distanziert, hatte Hathorn aus dem Thronsaal geworfen und den Hofmagiern den Zutritt zum inneren Palast verboten. Welcher Teufel den König ritt, ob es ein Plan war oder einfach die alte, hochpotente Mischung aus Rage und Dummheit eines älter werdenden Mannes, der zu lange von Verantwortung und Intrigen umgegeben gewesen war - unklar. Aber so oder so mussten die Hofmagier Präsenz und Stärke zeigen und nebenbei ihre Aufgaben mit absolut fehlerloser Zuverlässigkeit ausführen. Einfach gesagt: Sie mussten sich noch mehr als in der Vergangenheit als unverzichtbar positionieren. Außerdem war es eine bekannte Sache, dass die engsten Vertrauten eines Despoten, der der Paranoia verfiel, in der größten Gefahr schwebten. Sie waren für "Säuberungen" immer die ersten Ziele, denn sie wussten zu viel und waren zu mächtig, als dass man sie unbeachtet lassen konnte. Das war der zweite Grund, warum es dieser Tage vielleicht eine gute Idee war, eine ordentliche Rüstung zu tragen. Kilijan seuftze und schritt zu Madlen herüber.
"Die Kleine wächst ja mit jedem Tag." sagte er, lächelte und setzte sich. Die Mutter sah übermüdet aus, eine Sache, die bei jungen Eltern so sicher anzutreffen ist, wie die Sorgenfalten, die sich mit den Jahren unverhinderbar eingrabe, aber äußerst glücklich. Sie nickte still und streichelte der Tochter einmal durch die Haare. "Wir sollten uns um die Lehre kümmern, damit Du wirklich anfangen kannst." sagte er und begann wieder nebenbei, seine Pfeife zu stopfen. "Wir waren bei den Zaubern - hast Du inzwischen etwas in Erfahrung gebracht?" Er drehte sich ein bisschen zu seiner Schülerin hin, eine Windböe kam auf und zerzauste ihm der Haare.
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Die junge Frau versuchte ihre Tochter etwas vor der Windböe zu schützen, die über den Innenhof kam und drehte sich deshalb vom Wind weg.
Manchmal wusste die junge Frau nicht, ob jeder Mensch einen gewissen Grad an Hellseherei besitzt oder ob es einfach nur Zufall ist, dass sie gerade daran gedacht hatte, heute noch etwas lernen zu können. Auf jeden Fall war sie froh, dass Kilijan gekommen war, damit sie die Ausbildung weiter führen konnten.
Kurz streichelte sie noch einmal über die Haare von Vinona, dann hob sie die Kleine wieder von ihrem Schoß hoch und hielt sie gegen ihre Schulter, den Kopf mit einer Hand gestützt.
„Nun Meister, aus meiner Erfahrung heraus kann ich sagen, dass ein Magier, so mächtig er auch sein mag, nie alle Zauber perfekt beherrschen kann. Was ich in den letzten Tagen gelesen habe, ließ mir den Atem stocken, wie viele verschiedene Arten von Zaubern es gibt. Somit kann ich nicht sagen, was mir am liebsten wäre. Doch meiner Meinung nach sind das Erschaffen von Wasser, magische Flamme und Licht wichtige Künste, die einem nicht nur in der Not helfen können gegen Tiere oder Feinde zu bestehen, sondern auch, damit man überall überleben kann. Somit habe ich mich nach längerer Überlegung darauf konkretisiert. Natürlich hängt es von Eurer Meinung ab, Meister, was Ihr mich lehrt und was nicht.“
Madlen spielte mit den kleinen Fingern von Vinona, die dabei leise gluckste, während sie auf eine Antwort von Kilijan wartete.
Geändert von Madlen (21.04.2013 um 16:56 Uhr)
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"Eine interessante Art zu denken und eine kluge Auswahl. Meine Meinung hätte nur dann eine Rolle gespielt, wenn es noch Unsicherheiten gegeben hätte oder unkluge Gründe für die Wahl. Licht, Flamme und Wasser werden dir aber viel helfen, da bin ich sicher. Es ist Adanos Gabe, dass wir in den dunkelsten Orten wandeln können, in der größten Kälte Feuer entzünden und in der trockensten Wüste nicht verdursten. Es sind die Gaben, die man braucht, um gehen zu können, wohin man muss." Kilijan öffnete seine rechte, nach oben gewandte Hand und ließ ein blaues Licht daraus aufsteigen. Es hielt an, pulsierte einen Moment und zerfiel dann in tausend Wassertropfen, die wie ein kleiner Wasserfall direkt in Kilijans Hand fielen und dort magisch gehalten nicht durch seine Finger ronnen, sondern in seiner Hand stehen blieben. Er schloss die Hand und als er sie sofort danach wieder öffnete, war das Wasser verschwunden. Er machte eine kurze Geste, als ob er etwas aus der geöffneten, hohlen Hand würfe und sofort stand seine gesamte Hand in blauen Flammen. Sie hoben sich ab, bildeten wild tanzend die Zeichen der vier Wege Adanos - Einsicht, Erkenntnis, Macht und schließlich Demut -, wurde dann zu einem kleinen Flämmchen, das, von Kilijans linker Hand gegen den Wind geschützt, die lange Stielpfeife des Magiers entfachte. "Es ist ein weiter Weg zu einem solchen routinierten Umgang. Es ist Arbeit und viel Übung - und nicht zuletzt spielt auch Talent eine Rolle. Aber fangen wir vorne an ...", er paffte ein paar süßlich duftende Wolken in die langsam kühler werdende Spätnachmittagssonne, "...was ist Magie eigentlich? Was glaubst Du?"
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Auch wenn sie schon das ein ums andere Mal sowohl magiekundige als auch normale Schausteller in vielen Dörfern und Städten gesehen hatte, so war diese Kunst hier doch etwas ganz anders. Madlen, ja selbst Vinona blickte zumindest für kurze Zeit fasziniert auf die leuchtende Kugel, die sich in Wasser verwandelte, um anschließend in eine kleine Flamme überzugehen. Ihre Tochter war wahrscheinlich einfach nur von den Farben begeistert als von dem Kunstwerk an sich.
Fast hätte sie vergessen, eine Antwort auf die Frage von ihrem Meister zu geben. Sie schüttelte sich kurz, immer noch völlig beeindruckt von der Magie und versuchte eine Antwort zu geben.
„Nun, verzeiht mir, wenn ich ungeschickt antworte, aber meiner Meinung nach gibt es verschiedene Arten von Magie. Zum einen, die Liebe zwischen Ehepartnern untereinander und zu ihren Kindern. Zum anderen ist es für mich eine Zauber, wenn ich singen kann. Mein Gedanken reisen dann in die Vergangenheit, lassen den stickigen Schankraum den Schlachtfeldern alter Zeiten weichen. Und als letzten Punkt ist natürlich die eigentliche Magie, die ein Kundiger wirken kann. Woraus sie gemacht ist oder wie sie aufgebaut ist, das weiß ich nicht. Doch was ich sicher weiß, ist, dass sie aus der Energie und der Willenskraft eines Magiers heraus entsteht. Daran kann man meiner Meinung nach einen Magier messen. Darum denke ich, dass nicht nur das Kennen von Schriftrollen eine wichtige Rolle spielt, um einen Zauber zu lernen, sondern auch die Mediation. Eins mit dem Geist zu sein oder täusche ich mich da, Meister?“
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Kilijan konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. "Ja, der Mensch als solcher ist voller Zauber und Mysterien, das ist wohl wahr. Was wir als Magie verstehen, was hier gerade als Feuer, Wasser und Licht sichtbar war, ist eine grundsätzliche Energie. Sie ist überall, sie durchwirkt alles und vielleicht vielleicht ist sie der Grundstoff von allem. Sie ist das Singen der Sphären, das Knistern der Luft und der Funke des Lebens. Es ist die Gabe der Götter, dass wir diese Energie erspüren können und unser Wille in der Lage ist, sie zu ändern, zu formen, zu lenken, zu manipulieren, sogar zu zwingen. Es gibt dort -", Kilijan deutete in Richtung der Bibliothek, "Bücher so dick wie Vinonas Kopf, die sich mit der Theorie beschäftigen. Ich will nicht davon abraten, diese Bücher zu lesen, aber die drei wichtigsten Dinge, die man über die Natur der Magie wissen muss, passen auch auf ein Taschentuch." Kilijan kicherte leise, überschlug die Beine und rauchte für ein paar Momente still vor sich hin. "Vielleicht ist es pädagogisch nicht unwahrscheinlich klug, dich das nicht selbst herausfinden zu lassen. Aber vielleicht wäre das auch einfach überflüssige Arbeit, die besser in anderer .. Erforschung angelegt ist..." Erneut kräuselten sich die Lippen des Magiers zu einem stillen Lächeln, bevor er fortfuhr: "Magische Energie hat zwei Hauptbestrebungen, die in ihrer Natur liegen und unveränderbar sind: Erstens das Bestreben, sich in dem großen See der magischen Energie dieser Welt aufzulösen. Die Energie muss daher mit Kraft in einer Form gehalten werden und entschwindet wie Rauch im Wind, wenn die Kraft nicht mehr wirkt. Unsere Lexika nennen das entropisches Streben. Das zweite Bestreben ist das, harmonische Systeme zu bilden. Unsere klugen Köpfe reden viel von stabilen Schwingungszuständen, aber dem Magier selbst hilft das Wort Harmonie viel mehr. Es ist ein Gefühl von Ausgeglichenheit, Ruhe, Frieden .. sehr eigen und sehr erinnerlich. Nehmen wir beispielsweise das magische Erz. Jeder weiß inzwischen, dass es Magie enthält. Warum löst sich diese Magie nicht einfach von dem Erz und vergeht in den Sphären? Weil es in einem harmonischen Zustand ist und ein Sprengen der Grenzen des Erzes würde der Natur so zuwider laufen, dass die Magie sogar das Gefüge des Erzes stabilisiert, um seinen Zustand aufrecht zu erhalten. Deswegen ist das Erz so widerstandsfähig. Und drittens...", Kilijans Augen blickten etwas entfernt in den langsam dunkler werdenden Himmel, "... der Lebensfunke ist reine Magie. Der Wille des Magiers kann diese Energie nehmen und kanalisieren und damit aktiv das eigene Leben beenden. Das ist eine ernstgemeinte Warnung und ein finsterer, finaler Hinweis. Mir ist das schon zweimal fast passiert. Einmal ausversehen, bei meinem ersten Zauber, einmal war ich dazu gezwungen, weil ich keine andere Quelle für magische Energie hatte, die Aufrechterhaltung des Zaubers aber wichtiger als mein eigenes Leben war. Ich hatte großes Glück. Gib acht, dass dir Du nicht ausversehen deine eigene Substanz verlöscht - und mögest Du nie in die Lage kommen, wissentlich dazu gezwungen zu sein...."
Eine schwere Stille hatte sich über den Innenhof gelegt und es schien sogar, als würde der Wind den Atem anhalten. Etliche quälende Sekunden später lächelte Kilijan einfach wieder und der Moment war gebrochen. "Das soll für heute genügen. Es wird dunkel - dein Kind sollte nicht hier draußen sein, wenn die Nachtkälte kommt."
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Madlen fühlte sich etwas erschlagen von dem geballten Wissen, dass ihr Kilijan gerade zu vermitteln versucht hatte. Doch wie so oft in ihrem Leben akzeptierte sich die Tatsachen und erhob. Ihr weißes Haar tanzte dabei im Wind zusammen mit den Ärmeln ihres grünen Kleides. Schließlich neigte sie zum Dank leicht den Kopf.
„Ich danke euch, Meister. Ihr habt mir viel zum Nachdenken gegeben. Auch wenn ich nicht alles verstanden habe, so ist es doch besser, erst einmal eine Nacht darüber zu schlafen. Schließlich ist noch keine Meister vom Himmel gefallen. Ich werde die nächsten Tage nützen, in der Bibliothek zu forschen, sofern es Vinona natürlich zulässt, aber sie ist ja auch nicht ständig wach.“ Dabei lächelte Madlen leicht. „Ich wünsche Euch noch einen angenehmen Abend und hoffe, dass wir uns in naher Zeit wieder sehen.“
Natürlich war die junge Frau etwas enttäuscht, dass sie keinen Zauber gewirkt hatte, aber…eine Fürstin zeigte niemals was sie dachte und fühlte. Eine Grundregel, die ihr wirklich eingehämmert wurde…
Schließlich verneigte sich die Bardin noch einmal und verließ den Innenhof mit wehendem Kleid. Die Nacht war jung und sobald Vinona zu Bett gebracht worden war, würde Madlen die Zeit nutzen und über das Nachdenken, was ihr Kilijan gerade erzählt hatte. Und das war wahrlich nicht wenig…
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Was war das nicht für ein wunderschön sonniger Nachmittag an diesem Tag. Abgesehen davon war es aber ein Tag wie viele andere. Gerade für Nigel, der seit der Morgendämmerung im Innenhof der Akademie stand und trainierte.
Das hatte er jeden Tag so gemacht, seit dem er etwas abrupt bei dem Waffenschmied gehen musste. Irgendein Zwischenfall hatte sich ereignet und Kilijan musste weg. Mehr hatte Nigel nicht zu wissen bekommen.
Erst im Zuge dessen hatte der Krieger erfahren, dass der hiesige Schmied ein Schüler der Magie war. Wie konnte ein Magier schon wissen, wie man Waffen zu schmieden hatte, fragte sich Nigel im Nachhinein, aber der Ruf Kilijans war ein sehr guter, so dass Nigel beschlossen hatte, der Masse zu vertrauen. Außerdem hatte Nigel nie das Gefühl gehabt, dass es dem Magiekundigen an Kompetenz fehlte.
Doch bisher hatte dieser sich nicht mehr gemeldet und so hatte Nigel das Warten mit dem Trainieren verbunden und war seit dem nicht gerade unfleißig gewesen. Erstens fing es an, Spaß zu machen und zweitens wusste er sowieso nicht, was er sonst tun könnte. Außer in der Taverne aller Tavernen der Insel zu sitzen um sich zu bebieren, was jedoch auch nur Gold gekostet hätte. Außerdem war das Wetter viel zu gut dafür.
Allerdings merkte Nigel immer mehr, dass er an seine Grenzen stieß. Er war mittlerweile ganz gut im Schwingen der Waffe, konnte relativ genau stoppen, mehr jedoch nicht. Und damit würde er wohl nie einen Blumentopf gewinnen, so viel war mal klar.
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Es ist dunkel geworden. Das matte Licht des Mondes drang nur schwach durch die Wolkendecke hindurch. Und dennoch blickte Rethus zum Himmel hinauf, dorthin wo der Mond sein müsste. Der Glatzkopf genoss den warmen Abend, einen jenen Abend den er in dem schweren, langen Winter vermisst hatte. Berichten zufolge sind in diesem Winter sehr viele Menschen ums Leben gekommen. In der kalten, harten Jahreszeit war das nicht ungewöhnlich zumal die meisten Fälle krankheitsbedingt sind. Aber die Dauer des Winters in diesem Jahr ereilte umso schlimmer das Schicksal vieler Lebenden. Rethus nicht eingeschlossen... Cyrith, einer seiner besten Freunde, jedoch schon. Sein Tot geschah jedoch nicht auf Grund der Kälte sondern auf unnatürlichem Wege: Er wurde enthauptet. Rethus hat nicht herausbekommen können, wer ihm das angetan hatte. Freilich wollte er es wissen, der Glatzkopf dachte natürlich schon an Rache... aber vergebens. Die Spuren verwischten und Rethus musste sich eingestehen, dass Rache oftmals nicht die beste Lösung für solche Probleme war. Sie machte es nur schlimmer, und raubte einem den Lebenssinn. Nein, Rethus hatte wichtigeres vor als Cyriths Henker zu erschlagen. Er musste damit eifnach fertig werden, und genau das gelang ihm zum Glück. Dennoch würde Cyrith auf ewig ein Teil von ihm bleiben. Niemals würde er einen echten Freund vergessen.
Ja, wie überlebt man in einer Welt wie dieser? Herrscht wirklich nur das Gesetz des Stärkeren? Aber Leid führt doch nur zu viel größerem Leid. Nimmt man jemandem die Seele, verliert man dann nicht auch die Eigene? Wie seelenlos ist es letztendlich jemanden zu töten? Für den Glatzkopf stand noch nie ein anderes Ziel in der Gesellschaft im Vordergrund: Das Ende des ewigen Krieges, ein Krieg der von inkompetenten, naiven Herrschern geführt wird. Wenn das Leben eines Mannes das Leben vieler Tausender retten könnte, wäre es dann wirklich sinnvoll diesen Mann zu opfern? Moralisch ja, aber ist das der Würde des Mannes gerecht?
Rethus legte sich auf den Rücken um sich besser zu entspannen. Er hatte sehr lange nur an die Moralethik geglaubt und nie an die Würde des Lebens. Dabei ist die Würde viel größer als die Moral. Und dennoch kann man in einer Welt wie dieser nicht von Würde reden. Die naive Dummheit des Menschen würde nie soweit denken können, dass ein Mörder es trotzdem verdient hätte zu leben. Man kann es und will es sich einfach nicht vorstellen. Inwiefern machte es dann für Rethus noch Sinn darüber nachzudenken? In einer Welt, die kulturell und ideologisch von der Moralethik beherrscht wird, hat Würde keinen Platz. Selbst wenn Rethus von Würde predigt, hätte niemand ein Problem damit ihn zu töten, und das nur weil es moralisch gerecht ist. Es machte also keinen Sinn die Realität nicht ernst zu nehmen. Auch Rethus musste seinen Platz in dieser Welt finden. Selbst wenn das bedeuten würde, dass auch er moralisch zu handeln hatte. Und sehr oft ließ sich diese Aufgabe einfach nicht vermeiden.
Moralisch gesehen war das Handeln der Magierkaste des Fünfsterns nicht falsch. Sie wollten das Leben aller retten. Doch auf der anderen Seite ist ihr Weg einfach der Falsche: Der Tod der drei Götter würde den Krieg beenden, dafür aber das Leid des menschlichen Daseins drastisch erhöhen. Was wäre eine Welt ohne Metaphysik? Ohne der Lehre des Seins und des Sinns? Ein Leben ohne Gottheiten! Das funktionierte nicht. Rethus war davon überzeugt, dass es fünf Menschen niemals schaffen werden die Pforte zum Reich der Götter zu öffnen. Aber darum ging es gar nicht. Es ging um die Konsequenzen: Dem sogenannten Plan B: Die Beseitigung der Erwählten.
Es entsprach nicht der Würde der fünf Magier, aber moralisch gesehen, mussten sie aufgehalten werden - auch wenn das bedeuten würde jeden einzelnen von ihnen zu töten. Rethus hatte bisher einen von ihnen besiegt. Er glaubte die Welt in Sicherheit, doch war sie das auch wirklich? Menschen mit einem solchen Einfallsreichtum, die Götter durch eine Art magisches Wurmloch hindurch zu töten, würden doch schnell Ideen finden, wie sie ihren gefallenen Mann ersetzen könnten.
Rethus' Aufgabe war noch nicht erledigt. Er war nicht der schicksalhafte Held zur Rettung aller, aber ein Held wie alle anderen auch. Jeder hatte seine Aufgabe und jeder trug für das Leben aller etwas bei als seine eigene Heldentat. Denn das ist der Wille der Götter!
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Madlen hatte heute einige Stunden in der Bibliothek verbracht, um dort in Schriftrollen, Büchern und Ähnlichem über Magie zu lesen, aber auch, um Geschichte lebendig werden zu lassen. Die junge Frau war stolz darauf, die Runen und Schriftzeichen beherrschen zu können. Es schien ihr eine eigene Art von Kunst zu sein.
Außerdem hatte sie viel Zeit gehabt, nachzudenken. Marcel war mit Aufpassen dran und so wurde die Bardin nur gebraucht, wenn Vinona Hunger hatte. Natürlich war sie einen Großteil des Tages in der Nähe ihrer Tochter gewesen, hatte mir ihr gespielt und ihr vorgesungen. Ihr Mann spielte dazu immer wieder auf seiner Laute sanfte Töne mit. Musik war für das Ehepaar ungeheuer wichtig und sie versuchten so viel wie möglich davon an ihr Kind weiterzugeben.
Nun, wie gesagt, es gab viele Stunden, während denen Madlen über das gestern Gesagt nachdenken konnte. Sie bezweifelte, dass ein Gott oder mehrere Götter den Menschen die Gabe geschenkt haben, Energien zu spüren, mit denen sie Magie wirken konnten. Auch wenn sie wusste, dass diese Wesen existierten, so glaubte die junge Frau einzig und allein daran, dass die Götter den Stein der Entstehung vielleicht ins Rollen gebracht haben, danach aber nur noch Zuschauer im kosmischen Schachspiel der Elemente waren. Sie hatten nicht mehr Macht über die Welt, als ein Bauer über einen König.
Vielmehr vermutete die Bardin, dass, wenn man sich in langer, harter Mediation übte, das natürlich gegeben Gespür für die Kräfte der Erde ausbauen und verfeinern und so zu einem weisen Magier werden konnte. Es war nicht die Palette an Sprüchen oder die Perfektionierung, die einen Zauberer ausmachte, sondern die Beherrschung von Körper und Geist, da man nur so einen Konkurrenten überlegen war und ihn letztlich in die Knie zwingen konnte. So hatte zumindest Madlen die Worte von ihrem Meister gestern verstanden und so ergab es auch Sinn. Dead Priest wirkte selten Magie. Er spielte aber oft mit dem Verstand anderer Menschen und machte sie sich so untertan.
Kilijan sprach von Energie der Erde und des Lebens. Die eine war anscheinend vielleicht nicht unbegrenzt vorhanden, dafür aber reichlich. Die andere schien die Kraft des Körpers zu verbrauchen und einen anschließend zu töten. Den ganzen Tag über hatte sich die junge Mutter vor allem mit diesen beiden Punkten beschäftigt. Wenn es möglich war, diese Energien in Diamanten oder Ähnlichem zu speichern, dann konnte man theoretisch unbegrenzte Kräfte im eigenen Körper aufbauen. Sie hatte sich schon oft gefragt, wie es überhaupt sein konnte, dass Dead Priest mit so vielen Magiern gleichzeitig ringen konnte. Vielleicht war das ja die Lösung. Doch in den ganzen Büchern und Schriftrollen hatte sie bisher nichts gefunden. Zwar vage Andeutungen, aber nichts Konkretes. Also würde sie demnächst mit ihrem Meistern sprechen müssen, denn dieses Thema war von extremer Bedeutung. Es war der kleinen Rettungsring, der Madlen vom einen Gönner zugeworfen worden war und sie vielleicht doch am Leben hielt.
Die junge Frau rieb sich die Schläfen, schloss sanft das Buch, das noch vor ihr lag und räumte es auf. Die Luft in diesen Räumen war stickig und außerdem war es Zeit, sich wieder in die eignen Gemächer zurück zu ziehen und sich um ihre kleine Familie zu kümmern…
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Nichts los!
In Setarrif oder einfach nur mit Estefania? Die Diebin wusste es selbst nicht so genau. Seit sie sich entschieden hatte keine Schüler der Diebeskunst anzunehmen, weil ihr es ihr einfach auf den Nerv gegangen war, langweilte sie sich ziemlich.
Bei Sarpedon war sie auch noch nicht weiter gekommen. Der war ewig damit beschäftigt seine Gäste zu bewirten oder die Schüler die sie nicht mehr wollte den ein oder anderen Trick beizubringen. Da hatte sie sich wohl ins eigene Fleisch geschnitten.
Gelangweilt schlendete sie durch die Straßen. Sie nahm sich einen frischen Apfel, während der Händler damit beschäftigt war einer dicken Frau ihren Einkauf zu verstauen. Das war aber alles Kinderkram. Sie brauchte einen lukrativen Auftrag. Etwas das ihr Geschick forderte. Aber woher nehmen und nicht stehlen...
Da musste sie selbst schmunzeln über diesen Gedanken. Irgendwie stimmte es ja.
Zurück am Bootssteg setzte sie sich auf eines der Fässer und beobachtete sie den einzigen Fischer der seine frisch gefangene Ware auf einem Holztisch drapierte. Sie dachte an Khorinis. Damals gab es noch eine Diebesgilde. Geheime Botschaften die in den ausgenommenen Fischen versteckt wurden... Aber hier in Setarrif gab es so was scheinbar nicht.
Warum lebten in der Stadt in der sie sich zur Zeit aufhielt nur ehrliche anständige Bürger?
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Vor zwei Tagen hatte der Glatzkopf noch über Würde und Moral, Frieden und Metaphysik philosophiert und die Menschheit als Dummkopf bezeichnet. Jetzt kam er gerade von seinem Trainingsplatz, wo er an seinen Künsten für den Kampf mit zwei Schwertern gepfeilt hatte. Auch diese Technik lernte er doch nur aus einem Grund: Die Moral zu unterstützen und die Würde zu untergraben. Rethus hatte jetzt keine Lust weiter über dieses Thema zu debattieren. Leider konnte man sich nicht der Moralvorstellung aller entziehen. Also ergab es auch keinen Sinn als einziger die Würde zu unterstützen. Denn nützen würde es der Gesellschaft überhaupt nichts. Das wäre das Gleiche, wenn jemand nur Pflanzen essen würde, nur weil dieser der Meinung war das Essen von Fleisch würde die Würde des Tieres untergraben.
Mittlerweile hatte Rethus begonnen mit seinen zwei Klingen zu trainieren, die nachwievor auf seinem Rücken prangerten. Er hatte den Kampf mit zwei Waffen schon gut unter Kontrolle. Aber obwohl er dieses Selbststudium schon seit einer gefühlten Ewigkeit durchzog, war er noch nicht fertig. Ausgenommen von jeder Trainingseinheit und Unterrichtsstufe hatte er eines noch nicht geschafft: Einen echten Kampf mit den beiden Klingen. Bisher hatte sich einfach keine Gelegenheit ergeben. Er musste wohl mal raus aus Setarrif, nur blieb er unschlüssig wohin.
Also schlurfte er lieber über den Platz vor dem Hause der Magier. Immer wieder fiel ihm ein, dass er eigentlich mal dorthin wollte. Auch wenn momentan noch der Kampf mit zwei Waffen im Mittelpunkt stand, hatte er nicht seinen Weg der Magie vergessen. Er hatte da noch zwei Fragen, die ihm nur ein Magier beantworten konnte.
Ach, er hatte noch Zeit. Also ging er auch dieses Mal an der Pforte vorüber. Wie bereits erwähnt, stand momentan noch die Kampfkunst im Mittelpunkt. Die Magie konnte warten...
Rethus blieb stehen. Er hatte ein bedrückendes Gefühl. Langsam drehte er sich um und schaute wieder zum Tempel. Wieso sollte er eigentlich immer warten? Sein Ziel war offensichtlich wie das seiner Feinde. Diese warteten schließlich auch nicht... also konnte die Magie auch nicht warten. Es half nichts mehr sich davor zu drücken. Mit Hilfe der Informationen konnte er vielleicht neue Pläne schmieden, die ihn vielleicht sogar mal wieder aus Setarrif herausführten. Und dann käme er sogar mit seiner neuen Kampfkunst voran, also die zwei berühmten Fliegen mit einer Klappe.
So machte der Glatzkopf also kehrt um sich in den Tempel zu begeben, da tauchte zu seiner Rechten plötzlich ein Mann auf...
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Ein wunderbarer Tag stand über Setarrif, aber Kilijan konnte sich daran nicht richtig erfreuen. Augenränder waren inzwischen doch recht deutlich in seinem Gesicht zu sehen. Vor ein paar Tagen war er mitten in einem Kundengespräch mit Nigel Ascan, einem doch recht angesehenen Krieger, gestört worden mit dem Befehl, unverzüglich bei Hathorn vorstellig zu werden. Die Situation in Setarrif spitzte sich immer mehr zu und jeder Tag, den sie nicht wussten, was in Ethorns Thronsaal und im Kopf des offenbar etwas .. dekompensierten Herrschers vorging, stieg die Gefahr weiter, dass die Situation auf Argaan eskalierte, ohne dass die Hofmagier das Königreich irgendwie davor schützen konnten. Vor drei Tagen hatten sie mit dem gesamten Zirkel versucht, die Schutzzauber des Palastes zu brechen, um zumindest zu wissen, was darin vorging. Leider waren die von ihnen selbst gewobenen Schutzzauber gut. Zu gut. Kaspan hatte die Aktion abgebrochen, bevor sie richtig begonnen hatte. Man hätte die Protektionen wohl brechen können, aber erstens hätte man fast alle verfügbaren Foki dafür benutzen müssen - was hieß, dass sie ihnen lange nicht mehr zur Verfügung gestanden hätten, weil das Aufladen eine komplizierte Sache war - und zweitens hätte nicht nur jeder Magier auf Argaan diese magische Eruption mitbekommen, sie wäre aller Wahrscheinlichkeit nicht ganz undrastisch in die physische Welt übergetreten. Wenn plötzlich die Decke des Thronsaals bebt und blitzt, ist das nicht die unauffälligste englische Art. Also verlegte sich der Orden in den letzten Tagen darauf, das zu tun, was sie tun konnten: Im Geheimen wirken für den Fall aller Eventualitäten. Der Kreis des Wassers hatte die Hände so weit ausgestreckt wie noch nie in der Geschichte von Kilijans Anwesenheit auf der Insel - es wurde versucht zu versichern, dass es nicht sofort zum Schlag von Rhobars Truppen käme, täte der König etwas .. "Unbedachtes". Und die Hofmagier wirkten nach innen, Kilijans Aufgabe war gewesen, die Waffenkammern der Palastwachen mit auf Kommando aktivierbaren Verschlusszaubern auszustatten. Er war, so hatte er feststellen müssen, in der Verzauberung von Gegenständen zu dem Ansprechpartner der Bruderschaft gediehen. All das zehrte drastisch an den Nerven des Schmiedes und nicht minder an seinem Schlaf, aber es war ihm schon ein Trost, als am frühen Abend die Türglöckchen leuteten und das hereinbrechende honiggoldene Abendlicht Nigel wieder in seine Schmiede brachte. Wenigstens hatte er durch den ganzen Schwachsinn sein Geschäft nicht so vernachlässigt, dass er Kunden verprellt hatte. Das hätte ihm wesentlich mehr auf der Seele gelastet, als jeder Schlafentzug es jemals könnte. Denn die Jünger Adanos mit Waffen zu versorgen - das war sein urerstes Versprechen an den Orden gewesen.
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Es war still um ihn geworden. Aus dieser schlichten Feststellung zog der Adept weder Bitterkeit noch Nostalgie, doch es fiel ihm eben auf. Seit seinem letzten Gespräch mit Arenem hatte er nichts mehr von der Weihe zum Magier gehört, war doch alles gesagt, was es zu sagen gab, es war an ihm, sich in Geduld zu üben. Im Laden herrschte die übliche gemächliche Ruhe von einigen wenigen Stammkunden, ebenso wie die Zeit langsam und ewig fortwährend in ihren Bahnen floss, wenn er seinem Handwerk nachging. Im Lauf der Welt schien er einen kleinen, vom Schicksal, dem Spiel der Götter und Könige, unbeachteten Flecken gefunden zu haben, von welchem er dem Gang der Dinge nur zuzuschauen schien, jedoch nicht selbst betroffen war. Sicherlich wollte er sich nicht selbst von der Welt so einfach ausklammern, doch wenigstens die wenige Zeit genießen, in der ihm diese Ruhe vergönnt sein würde, und sich gegen den Sturm stärken, der wohl nur allzu bald auf sie zukommen würde. Sicherlich war kaum etwas von der schwärenden Bedrohung dort zu merken, doch schien sie immerfort einen grauen Schleier über die Stadt zu werfen, wenn man sich nicht allzu schnell im Alltag vergaß.
Turang gönnte sich selbst die Freiheit, die Feder etwas früher zuzusperren und den Rest des Tages im Haus der Magier zu verbringen, wo es zwar auch oft genug etwas zu tun gab, doch schienen einem die Arbeit schnell und leicht von der Hand zu gehen, wenn man sich der Magie bediente. Außerdem schienen es ihm manches mal hier, dass er durch die Nachhilfe des einen oder anderen, wesentlich weniger zu tun bekam, bedingt, durch die Arbeit, die er bereits in der Feder für die hiesige Bibliothek betrieb. Turang könnte nicht behaupten, sich solches erbeten oder auch nur erwünscht zu haben, doch kam er so wenigstens zu der Freiheit, sich seine Aufgaben selbst aussuchen zu können und dort zu helfen, wo er glaubte, helfen zu müssen.
Er war bereits bei der Magierunterkunft angelangt, doch nicht eingetreten, als ihm der glatzköpfige Mann auffiel, der vor selbigem stand. Besser gesagt, nicht er direkt, sondern eher seine Schwerter erregten das Aufsehen des jungen Magiers, sondern eher dessen Waffen: sie schienen von einem überdurchschnittlich begabten Schmied gefertigt worden zu sein und einer Maßanfertigung für sehr spezielle Vorstellungen des Kunden zu entsprechen. Nicht wenige sah man oft vor der Haus der Magier stehen, um um Hilfe oder Arbeit zu bitten, doch war es nicht gerade gängig, hierher in voller Bewaffnung zu kommen. Er schritt auf den Mann zu, außer ihm selbst der Einzige in Sichtweite.
"Guten Abend. Sucht ihr die Hilfe des Ordens oder seid ihr nur zufällig hier? Ich kann mich nicht erinnern, euch schon einmal gesehen zu haben."
Der Adept schwieg einen Moment, ehe er sich auf seine Manieren besinnend ergänzte.
"Mein Name ist Turang, Adept des Wassers. Wie lautet der Eure?"
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Auf gut Glück hatte es Nigel probiert an diesem frühen Abend. Naja, eigentlich war er eher zufällig an der Schmiede vorbeigekommen bei seinem Spaziergang durch die Stadt. Oder hatte ihn sein Unterbewusstsein gesteuert? Was wusste Nigel das schon, schließlich war es ja dessen Unterbewusstsein.
In der Schmiede war es eher ruhig und die Gestalt des jungen Schmiedes wirkte ausgezehrt, aber dennoch freundlich und zuvorkommend.
Die beiden Herren begrüßten sich und setzten sich wieder an den Tisch, an dem sie vor einigen Tagen schon einmal gesessen hatten. Diesmal jedoch schlug Nigel das angebotetene Getränk aus und kam gleich zur Sache. Er wollte sie zu Ende bringen, bevor wieder jemand hereinplatzen konnte...
"Ihr seht fertig aus, Kilijan. Muss wirklich wichtig gewesen sein, neulich, hm? Aber ich will gar nicht nachfragen. Die Magie ist mir sowieso etwas suspekt." bemerkte Nigel dennoch, bevor er wirklich zur Sache kam:
"Also, wie ich neulich schon angedeutet habe, ist es Zeit für neues Werkzeug. Ich brauche in erster Linie ein Zweihandschwert, da ich mich im Umgang mit derartiger Waffe gerade übe. Aber auch meine derzeitige Klinge machts nicht mehr lange. Daher gleich in einem Rutsch beides, wenn mein Geldbeutel es zulässt oder wir uns andersweitig einigen können."
Auf ein Nicken Kilijans setzte Nigel seine Erläuterungen fort.
"Zum Zweihänder lasst mich folgendes sagen. Ich trage im Kampf, wie im normalen Leben, großen Nutzen von meiner Agilität. Auch wenn ein Zweihänder per se diese schon einschränkt, würde ich es gerne so gering wie möglich halten. Allerdings sollte die Klinge dennoch etwas aushalten und auch Wumms haben, wenn Ihr versteht, was ich meine. Nur halt nicht so'n Berserker, den man kaum gehoben bekommt."
Erwartungsvoll schaute Nigel zum Schmied, der müde aber nicht minder aufmerksam nickte und sich seine Gedanken zu machen schien.
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Der Mann, er war vielleicht gerademal drei Jahre jünger als Rethus, sprach ihn mit freundlicher und ruhiger Stimme. Mehr noch, seine Stimme klang sehr zuvorkommend und hatte Klarheit. Schon in diesem Augenblick vermutete Rethus einen Diener des Wassers... und so war es auch. Dieser Mann hieß Turang und bekleidete den Rang des Adepts, so auch seiner Robe nach zu urteilen. So brachte das Schicksal Rethus also doch noch zu einem Magier, noch dazu zu einem, dem er am meisten vertrauen konnte: Einem Magier des Wassers.
Der Glatzkopf machte einen Schritt zurück, um dem Magier ordentlich Angesicht zu Angesicht gegenüber zu stehen. Dann nickte er kurz und sagte: "Ich grüße Euch auch, Adept Turang." Soviel Förmlichkeit musste Rethus schon lange nicht mehr aufbringen. "Mein Name lautet Rethus, Vogors Sohn. Ihr könnt mich nicht kennen. Ich wohne nicht hier in Setarrif. Ich bin lediglich hier aus... sagen wir mal Forschungsgründen. Meine Anwesenheit vor Eurem Tempel ist nicht zufällig. Ich habe gehofft hier Rat von einem Magier zu bekommen. Es geht um Fragen der Magie."
Der Glatzkopf pausierte und schaute in das erwartungsvoll erfüllte Gesicht von Turang. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er ausgerechnet den Wassermagiern am meisten vertraute, ausgerechnet jenen die er vor langer Zeit am meisten gehasst hatte. So konnte sich alles ändern. Und was ihm noch gerade auffiel, waren seine zwei Chimären auf seinem Rücken.
"Sollten Euch meine Waffen missfallen, würde ich sie im Tempel abgeben, solange Ihr mir weiterhelft... wenn Ihr Zeit habt."
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Damit war es nun das zweite Mal innerhalb weniger Tage, dass jemand von ihm etwas über die Magie erfahren wollte. Verständlich, dass die Leute neugierig waren, doch schien ihm selbst die Magie immer noch weit mehr ein Geheimnis in sich zu sein, als dass er etwas über ihr Wesen hätte sagen können.
Interessiert musterte er noch einen Augenblick die Schwerter. Er selbst störte sich nicht an deren Anblick, doch gab es im Tempel wohl einige, denen sie gar nicht behagen würden. Immerhin war ein Tempel ein Ort des Friedens und manch einer konnte eine Waffe hier glatt als eine Beleidigung empfinden.
"Es wäre wohl ratsamer, eure Klingen am Eingang abzugeben. Es gibt immer solche, die ihren Anblick nicht zu ertragen scheinen."
Er wies mit einer einladenden Geste auf den Tempel. Dort ließ sich immer ein gutes Gespräch führen, ein wohltuender Mittelweg zwischen Stille und Gesellschaft, ganz wie es sich für einen Diener Adanos gehörte, musste der Adept schmunzelnd in Gedanken feststellen.
"Nun, Rethus, es gibt zwei Schranken für mich, die mir eine Antwort verbieten könnten: die Geheimnisse des Ordens und mein eigenes Unwissen. Über Anderes jedoch können wir offen und ungestört sprechen, wenn ihr es wünscht."
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