Zombie [von altork. nzùmbe "nicht-mehr-Toter"; "Wiedergänger"]: Bezeichnung einer Klasse von ->Untoten; In der Regel durch ->magische Einwirkung wiederbelebte Leichname oder Kadaver von kulturschaffenden Völkern (in Abgrenzung zu ->Schattenkreaturen als wiederbelebten Tieren). Z. im engeren Sinne sind nur ->nekromantisch belebte Körper, jedoch werden aus Kadavern geschaffene ->Golems oft fälschlich als Z. bezeichnet. Da echte Z. unter Anrufung ->Beliars magisch beseelt werden, ist (anders als bei Golems) keine ->thaumathurgische ->Bindematrix erforderlich. In seltenen Fällen können Z. auch spontan oder durch direkte, göttl. Einwirkung erweckt werden. Die vorsätzliche Erschaffung echter Z. ist in den meisten Ländern verboten...
(Auszug aus der Griebmann Enzyklopädie in zwanzig Bänden)



"Meister, da ist noch einer!"
Ein Fauchen, dann ein lauter Knall und Hitze. Die nun brennende Gestalt torkelte noch einige Schritte voran, bevor sie kreischend zusammenbrach und zu Staub zerfiel.
"Wir hätten nicht herkommen sollen, Meister! Was sollen wir denn jetzt tun? Es kommen immer mehr von ihnen!"
Der alte Feuermagier beantwortete die Frage bloß mit einem Heben der Augenbrauen und strich sich über den Bart. Das sonderbare Glänzen in seinen Augen nahm zu. Eine Handbewegung, und ein weiteres Geschoss löste sich von seinen Händen, zerfetzte den nächsten Zombie und setzte dessen Umgebung in Brand.
"Meiner Meinung nach hätten wir nicht herkommen sollen."
"Meister, das habe ich doch gerade gesagt!"
"Fragen ist gut. Denke immer daran: Es gibt keine dummen Fragen, sondern nur dumme Antworten. Oh, Teuerste, Ihr seht schrecklich aus! Vielleicht solltet Ihr einen Heiler aufsuchen?"
"Meister!"
"Oh, Pardon. Ich mache das lieber selbst."
Der Feuermagier bedachte das schlurfende Geschöpf mit Wellen bläulichen Lichts. Einige Energieblitze zuckten über die abblätternde Haut und das teils freiliegende, schwärende Fleisch, doch die Kreatur - angesichts der Kleidung als einst wohlhabende Bürgerin zu erkennen - reagierte bloß mit einem heiseren Röcheln und Keuchen.
"Oh, falscher Zauber. Öhm... nun..."
Sagitta wartete nicht, bis ihr Meister einen weiteren Zauber wirken könne, sondern fasste ihn bei der Hand und zog ihn davon. Der Schlag der Untoten ging ins Leere. Sagitta verfluchte die Sturheit ihres Meisters, der darauf bestanden hatte, in dieses zombieverseuchte Dorf zu kommen. Zugleich dankte sie Innos, dass diese widerlichen Geschöpfe sich so langsam und unbeholfen bewegten. Das verschaffte ihr und ihrem Meister zumindest eine kleine Chance, dieser Situation wieder zu entkommen.
Und doch: Es wurden immer mehr. Wie aus dem Nichts waren sie plötzlich aufgetaucht, aus den gähnenden Türöffnungen waren sie gekommen, als sie und Merinor bereits tief ins Innere des Städtchens vorgedrungen waren. So, als hätten die Untoten nur auf eine Gelegenheit gewartet, den Eindringlingen den Rückweg abzuschneiden. Nun zogen sie die Schlinge enger.
Noch niemals hatte Sagitta etwas derart grauenerregendes erlebt: Die halb vermoderten Leichname mit offenen Wunden, die den Blick auf Muskeln, Sehnen oder andere Innereien freigaben, das gierige Röcheln, der Gestank nach Fäulnis, Kot und verbranntem Fleisch, das Zucken und infernalische Brüllen derer, die von Merinors Zaubern getroffen und in Beliars Reich zurückgeschickt wurden.
Doch Sagitta hatte keine Zeit, sich zu fürchten oder sich zu ekeln. Sie zog Merinor zwischen zwei weiteren Zombies hindurch in eine der engeren Gassen. Hier, so hoffte sie, würden sie und ihr Meister den Kreaturen keine so große Angriffsfläche bieten, könnten nicht so leicht umzingelt werden.
Doch auch hier torkelten unförmige Gestalten aus den Häusern heraus, griffen und schlugen nach ihr und Merinor. Ihr Herzschlag setzte einen Augenblick aus, als eine madenzerfressene Hand ihren Oberarm streifte. Panisch schlug sie nach dem Zombie, der einen Schritt zurück taumelte und dann wieder zum Angriff überging. Sie hastete weiter, den schnaufenden Merinor im Schlepptau. Der Feuermagier war zu alt, wie sollte er dies überleben? Und wie sollte sie ohne Merinor überleben?
"Oh nein!", rief sie, "eine Sackgasse! Wieso nur immer wieder Sackgassen?"
"Wo Gase in die Gassen sacken, sacken sich die Gassen Gase... ein", keuchte Merinor.
"Wir sitzen in der Falle, tut doch etwas!"
Merinor winkte ab: "Tuten tun nur... äh, hab ich vergessen."
"Das ist NICHT witzig!"
Merinor hob den Zeigefinger und setzte sein Dozentengesicht auf: "DAS, junges Fräulein, ist KEINE objektive Aussage. Daher handelt es sich NICHT um ein val... äh... ides Argument. Es ist also INvalide. Hoho, etwa so wie dieser invalide Zombie dort." Kichernd zeigte Merinor auf einen der Untoten, der in Ermangelung eines seiner Beine über den Boden auf sie zugerobbt kam. Sagitta hatte sich bislang Mühe gegeben, die aufkeimende Panik unter Kontrolle zu halten, doch nun wusste sie nicht mehr, was sie noch hätte tun können.
Ihr Meister Merinor dagegen schien sich keiner Gefahr bewusst zu sein.
"Die Leute in diesem Ort sehen sonderbar aus, findest Du nicht auch... äh, Karrypto?"
Sagitta legte die Finger an die Schläfen und schüttelte den Kopf. Das konnte doch nicht das Ende sein!
"Oh, äh... Du bist ja gar nicht Karrypto. Wo der Bengel nur wieder steckt? Na, egal, Du erinnerst mich an eine Gehilfin, die ich mal hatte. Ihr Name war Sagitta, weißt Du?"
Oh, dieser verfluchte, alte Schwachkopf! "Ich BIN Sagitta", schrie sie. Merinor schaute ungläubig.
"Oh? Und ich dachte, sie sei von... ähm... Untoten gefressen worden... Moment! Wenn Du Sagitta bist... bist Du gar selbst eine Untote?"
Das war zuviel. Schluchtend brach sie in die Knie.
"Nana, das ist kein Grund zu weinen. Für eine Untote bist Du doch noch recht hübsch!"
Merinor beugte sich zu ihr herab und tätschelte sie unbeholfen.
"Oha!", stieß er hervor und richtete sich wieder auf, "das sollte da nicht sein!"
Ein Flammenstoß überzog die nächste Zombiewelle. Merinor mochte ein seniler, alter Mann sein, doch seine magischen Fähigkeiten waren demungeachtet nach wie vor eindrucksvoll.
"Wie ging noch gleich dieser Zauber?", murmelte Merinor, "dieser... na, Dings. Korrypto... ähm, Karrypto... nu sag doch! Äh, Sag... itta."
"Ich KENNE keine Zauber!", schluchzte Sagitta.
"Ah, genau den: Gardianum-Zauber in lokal gebundener, rekursiver Bindematrix mit eternitatis-Formel! Hätte ich gleich drauf kommen können... ähm, äh... Du weißt schon, also... kommen... nicht?"
Merinor begann einen merkwürdigen Tanz und betete irgendeine Litanei herunter. Eine bläulich schimmernde Kugel erschien zwischen seinen Handflächen, die schließlich explodierte. Ein greller Lichtblitz, ein warmes Kribbeln auf Sagittas Haut, und kurz darauf lagen die wieder näher gekommenen Zombies reglos am Boden. Lichtschlieren bildeten nun eine Kuppel von einigen Metern Durchmesser um sie und Merinor herum. Weitere der Geschöpfe torkelten heran, prallten jedoch von den Schlieren zurück. Merinor hatte es geschafft! Er hatte einen Weg gefunden, sie zu retten!
"Eine magische Barriere Meister? Ihr seid genial!"
Ihr Meister hüpfte aufgeregt von einem Fuß auf den anderen.
"Ich muss mal Pipi", entgegnete er.

Die Zombies belagerten sie, derweil die Sonne langsam herabsank und es immer kälter wurde. Bald schon würde die Nacht anbrechen. Merinor hibbelte herum und bemühte sich um eine würdevolle Miene, weigerte sich jedoch standhaft, angesichts des jungen Fräuleins seinem natürlichen Bedürfnis stattzugeben.
"Wir müssen einen Weg hier raus finden. Schließlich können wir nicht ewig hier bleiben", sagte Sagitta.
"Ein Donnerbalken! Ein Donnerbalken! Meine Diözese für einen Donnerbalken!", antwortete Merinor.
"Vielleicht können wir auf die Dächer klettern und so entkommen? Diese Zombies können doch nicht klettern, oder? Die sind nicht geschickt genug dafür, oder?"
"Zumindest sind sie geschickt eingefädelt. Aber d-das ist ein weites Feld."
Sagitta kramte in ihren Taschen herum, ob sich vielleicht noch eine Kleinigkeit zum Essen fände. Nichts. Böse schaute sie zu den Zombies herüber, die ihnen begehrliche Blicke zuwarfen und hin und wieder einen Schritt nach vorn versuchten, nur um an Merinors Schutzzauber abzuprallen.
"He, was ist denn jetzt los?"
Die Zombies drehten ihnen den Rücken zu und schlurften wieder in die Gasse zurück.
"Merinor, schaut, sie verschwinden! Sonderbar."
Ob das ein Trick war? Wollten diese beliarverfluchten Untoten sie und Merinor aus ihrer sicheren Bastion herauslocken? Sagitta konnte sich kaum vorstellen, dass diese Viecher zu höheren Denkleistungen imstande waren.
"Wenn die weg sind, können wir auf Dächer klettern! Dann können wir... was war das?"
Sagitta spitzte die Ohren. Hatte sie da nicht Rufe gehört?
"Pssst! Hört bitte mal auf zu summen!", fuhr sie Merinor an.
"Dadumdidu..."
"Still!"
"Hmpf."
Sie hatte recht gehabt: Da waren tatsächlich Rufe. Stimmen. Und dann hörte sie das gequälte Kreischen, das die Untoten von sich gaben, wenn sie vernichtet wurden.
"Meister, da ist jemand anders in dieses Dorf gekommen!"
Sagitta konnte eine Bewegung am Ende der Gasse ausmachen, ein metallisches Schimmern, das im Licht der untergehenden Sonne aufblitzte.
"Das sind Ritter!", rief sie, "hier her! Hilfe! Wir sind hier!"
Die Ritter kamen näher. Es waren etwa ein halbes Dutzend. Von den gezückten Schwertern und den Kettenhemden tropfte Blut. Es musste das Blut der Zombies sein.
"Lord Francis, hier her! Hier ist noch jemand am Leben!", rief einer von ihnen. Ein prunkvoll gekleideter Paladin in Plattenharnisch erschien in Begleitung eines Feuermagiers.
"Ein Magier und eine Nonne?", knurrte der hochrangige Ritter.
"Bei Innos! Nicht einfach nur irgendein Magier. Das das ist doch...", der begleiter des Lords schüttelte den Kopf, "Meister Merinor, seid Ihr das etwa?"
"Kennt Ihr die beiden?"
"Ja, Lord Francis, in der Tat. Dies ist mein Alter Meister Merinor, hoher Magier des Feuers, Erzbischof der heiligen Kirche und Meister der Flamme. Aber er sollte eigentlich gar nicht hier sein."
"Meister Merinor ist etwas... verwirrt", sagte Sagitta, "ich bin seine Gehilfin. Oh, ich bin ja so froh, dass Ihr gekommen seid!"
Der Lord bedachte Sagitta mit einem abschätzigen Blick und rümpfte die Nase. "Dieses Dorf steht unter Quarantäne. Es sollte sich hier niemand aufhalten. Erklärt Euch!"
"Gemach, Lord Francis!", sagte der Feuermagier mit ruhiger Stimme und wandte sich dann an Sagitta: "Gleichwohl, Schwester, wären wir für eine Erklärung dankbar. Aber warum kommt Ihr nicht erst einmal aus Eurem... ähm, aus dieser Barriere heraus?"
"Geht das denn?" Sagitta war sich unsicher. Sie nahm Merinor beim Arm und führte ihn aus der magischen Kuppel heraus. Abgesehen von dem Kribbeln, das sie bereits bei der Erschaffung des Bollwerks gespürt hatte, bot sich ihnen kein Widerstand. Merinor kicherte beim Passieren des Schutzzaubers.
"Darf ich jetzt aufs Klo?", fragte er. Lord Francis runzelte die Stirn.
"Aber ja, natürlich", sagte der Feuermagier, "Sir Ardo, würdet Ihr seine Eminenz bitte zu dem Gasthaus hinten an der Hauptstraße führen? Dort wird sich eine geeignete Einrichtung finden lassen. Bitte gebt auf seine Eminenz gut Acht, Meister Merinor ist ein sehr verdientes und sehr, sehr altes Mitglied des Kreises des Feuers. Behandelt ihn also mit Respekt!"
Einer der Ritter setzte eine wenig begeisterte Miene auf, führte Merinor dann jedoch fügsam Richtung Hauptstraße.
Lord Francis grunzte missbilligend: "Hmpf. Und das soll ein hoher Magier des Feuers sein?"
"Meister Merinor ist, wie wir alle, dem Zahn der Zeit ausgesetzt. Sagt, Schwester...?" "Sagitta." "Sagt, Schwester Sagitta, warum seid Ihr hier?"
Sagitta zuckte mit den Schultern. "Merinor hat es so gewollt. Er meinte, dass er hier wichtigen Geschäften nachgehen müsse."
"Wie seid Ihr hergekommen? Ihr werdet den weiten Weg von Vengard wohl kaum zu Fuß gekommen sein."
"Natürlich nicht. Wir haben eine Kutsche gemietet. Aber Merinor hat den Kutscher kurz vor dem Dorfeingang zurückgeschickt. Er meinte, dass wir den Rest auch zu Fuß zurücklegen könnten. Dass es hier von Untoten wimmelt, haben wir zu spät bemerkt. Habt Ihr sie alle vernichtet?"
"Natürlich haben wir das", knurrte Francis, "wir sind Ritter des Herrn und Streiter des Lichts! Was denkt Ihr wohl, warum wir hier sind? WIR tun unsere Pflicht - was man von EUCH hingegen nicht behaupten kann. Nicht wahr, Schwester? Oder wäre es nicht Eure Aufgabe, diesen Greis von Dummheiten abzuhalten?"
"Dieser Greis ist ein hochrangiger Kirchenfürst, Lord Francis", die Stimme des Feuermagiers hatte einen scharfen Tonfall angenommen, "und es steht weder der jungen Schwester Sagitta, noch Euch zu, die Entscheidungen seiner Eminenz in Frage zu stellen. Dennoch", seine Stimme wurde etwas sanfter, als er sich an Sagitta wandte, "es wäre vielleicht besser, in Zukunft... etwas mehr auf die Entschlüsse seiner Eminenz einzuwirken. Der Rat einer jungen und findigen Frau wird Meister Merinor gewiss von großem Nutzen sein, wenn er mit etwas mehr... Nachdruck geäußert wird."
Sagitta nickte nur.
"Bah! Ich muss mich um meine Männer kümmern!" Lord Francis wandte sich brüsk Richtung Hauptstraße und stapfte davon.
"Nehmt es bitte nicht persönlich! Seine Lordschaft ist einer der tapfersten und edelsten Ritter des Reiches, doch gehört der Hochmut bedauerlicherweise zu den wenigen Lastern, derer Herr zu werden ihm bislang nicht vergönnt war. Betet für den armen Lord Francis, dass er seine Demut dereinst finden möge! Ich bin übrigens Meister Karrypto, Magier des Feuers."
"Es ist mir eine Ehre, Hochwürden."
Sie und Karrypto folgten dem Lord. Ritter und Waffenknechte trugen Leichname herbei und reihten sie die Straße entlang auf. Merinor kam in Begleitung des Ritters Ardo aus einem Türchen, das wohl zum Hinterhof des Gasthauses der Ortschaft führte. Beim Näherkommen bemerkte Sagitta den zufriedenen, gelösten Gesichtsausdruck ihres Meisters.
"Das habt Ihr gut gemacht", murmelte er, "habt Ihr wirklich gut gemacht. Alles gut gemacht. Gut gemacht..."
Lord Francis war bei einem Ritter stehen geblieben, der ihm offenbar Bericht erstattete.
"Nun?", fragte Karrypto, als er und Sagitta bei Francis angekommen waren. Der warf Sagitta einen unwilligen Blick zu.
"Es handelte sich offenbar um etwa zwei Dutzend Untote. Sie müssen in das Dorf eingedrungen sein und alle Bewohner getötet haben. Keine Überlegenden, nur Leichen. Unsere Männer sind insgesamt nur auf wenig Widerstand gestoßen."
"Zwei Dutzend?" Sagitta schüttelte den Kopf, "es waren mehr als zwei Dutzend. Viel mehr. Als Merinor und ich hier ankamen, wimmelte das ganze Dorf von ihnen!"
Der bohrende Blick des Lords richtete sich auf sie. "Was für ein Unsinn."
"Unsinn? Meister Merinor hat mit seiner Magie alleine schon zwei Dutzend von ihnen vernichtet. Es waren viel mehr!" Sagitta war sich sicher. Zwar hatte sie die Zombies nicht genau zählen können, doch angesichts der Massen, die sie angegriffen hatten, vermutete sie, dass das ganze Dorf zu Untoten geworden war.
Francis ließ sich jedoch nicht überzeugen: "Wollt Ihr allen Ernstes Behaupten, dieser alte Mann habe zwei Dutzend Untote vernichtet? Er war gerade dazu in der Lage, sich mit seiner Nonne zu verkriechen. Langsam frage ich mich, wem von Euch beiden es an Verstand mangelt."
"GENUG!" Wie ein Peitschenhieb fuhr Karryptos Stimme dazwischen. "Ich habe es Euch einmal gesagt, und sage es nun zum letzten Mal: Ihr werdet nicht respektlos von Merinor sprechen. Im Übrigen werdet Ihr auch Schwester Sagitta mit dem gebotenen Respekt begegnen - als Edelmann gegenüber einer Jungfer und als Diener des Herrn gegenüber einem Mitglied der Kirche! Und schließlich werdet Ihr nicht noch einmal an den Fähigkeiten eines hohen Magiers des Feuers zweifeln, der in seinem Leben mehr finstere Kreaturen in das Reich Beliars geschickt hat, als Ihr je zu Gesicht bekommen werdet!"
Röte überzog Francis Antlitz, und ein Knirschen war zu vernehmen, als er seine Kiefer aufeinanderpresste. Die umstehenden Ritter und Soldaten starrten verwundert zu ihren Vorgesetzten herüber. In einigen Blicken meinte Sagitta, so etwas wie Schadenfreude erkennen zu können - offenbar erfreuten sich der Lord und sein allzu schroffer Umgangston nicht gerade besonderer Beliebtheit - doch in den meisten Mienen zeichnete sich eher so etwas wie Entsetzen ab. Lediglich Merinor schien von der angespannten Situation keinerlei Notiz zu nehmen.
Für einen Augenblick schien es, als wolle Francis zu einer heftigen Erwiderung ansetzen, doch schließlich senkte der Ritter den Blick.
"Bitte verzeiht mir, Hochwürden", presste er hervor, "es war nicht meine Absicht, respektlos zu sein."
Karrypto nickte knapp. "Wie hat Merinor diese Barriere übrigens erschaffen?", fragte er. Sagitta zuckte mit den Schultern. "Er hat irgendeinen Zauberspruch gesagt. Ich verstehe mich nicht auf Magie, Hochwürden."
Karrypto warf dem noch immer vor sich hinmurmelnden Merinor einen unsicheren Blick zu. "Hat er einen Fokusstein benutzt? Einen Zauberstab? Irgendetwas?"
Sagitta schüttelte den Kopf. "Ich weiß zwar nicht, was ein Fokusstein ist, aber nein: Er hat keinerlei Hilfmittel benutzt."
Bewunderung zeichnete sich auf Karryptos Zügen ab. "Erstaunlich. Wirklich erstaunlich. Und er hat das ganz ohne Vorbereitung gemacht?", er schüttelte den Kopf, und ein Ausdruck von Bedauern trat in seine Augen. "Nun, wie dem auch sei: Lord Francis, sorgt dafür, dass die Identität der Toten geklärt wird, sofern das noch möglich ist, und bereitet danach alles für eine Bestattung vor. Ich will, dass diesen armen Seelen der Segen des Herrn im Tode zuteil werde. Für den Abschlussbericht ist festzustellen, dass vier Dutzend Untote das Dorf gestürmt, und offenbar alle Einwohner getötet haben, sofern diese nicht zu fliehen vermochten."
"Vier Dutzend?"
"Ja. Wie es scheint, hatte Merinor bereits die Hälfte der Kreaturen vernichtet, als wir hier eingetroffen sind. Ihr dürft wegtreten."
Francis schien froh zu sein, der Gegenwart des Magiers entkommen zu können.
"Sagt, Schwester Sagitta, seid Ihr sicher, dass es so viele Untote waren?"
Sie war sich absolut sicher. Doch von den Massen an Untoten war bei Ankunft der Ritter offenbar nicht mehr viel übrig geblieben. Ihr Blick zuckte zu Merinor, der immer noch lobend ins Nichts hineinmurmelte. Für einen Moment hielt er inne, und erwiderte ihren Blick. Ihr kam ein Verdacht.
"Ich weiß nicht. Sie sind plötzlich aufgetaucht. Alles ging schnell, und ich hatte große Angst. Vielleicht habe ich mich in der Aufregung verschätzt."
Karrypto nickte. "Gut. Dies dürfte Lord Francis' Vorgesetzte wohl zufriedenstellen. Der Kreis des Feuers wäre dennoch an Eurer Aussage interessiert. Um sich ein eigenes Bild zu machen."
"Natürlich."
"Jaan?" Einer Waffenknechte kam herbei. "Ja Meister?" "Sei doch bitte so gut, und bringe Schwester Sagitta und Meister Merinor zu meiner Kutsche, ja? Ich schlage vor, dass Ihr gleich nach Vengard zurückkehrt. Für meinen Rückweg werde ich mich wohl mit einem der Packpferde begnügen müssen. Wenn Ihr mich jetzt entschuldigen würdet: Ich habe eine Beerdigung vorzubereiten."
Karrypto wandte sich der wachsenden Zahl von Leichen zu. Sagitta beneidete den Priester nicht um seine Aufgabe. Hastig riss sie sich von dem grausigen Anblick los. Sie hakte sich bei Merinor unter und folgte dem Waffenknecht. Je früher sie diesen Ort verlassen konnte, desto besser!