Diese Geschichte ist alibombali gewidmet, als kleines Dankeschön für seine Bemühungen bei Projekt PDF. Ich hoffe, sie gefällt dir auch.


Der Fluch des roten Riesenkürbis‘


Es war ein sonniger Morgen in der Hafenstadt Khorinis.
Die Händler öffneten gerade die Türen und Fenster zu ihren Läden um zu signalisieren „Hier könnt ihr alles kaufen – aber bitte erst in zehn Minuten!“.
Aus den Häusern drangen die typischen Geräusche aufstehender Menschen: ein lautes Gähnen, in dem der stille Wunsch mitschwang, doch noch ein wenig länger in dem bequemen Bett liegen zu bleiben, quietschende Betten und knarrende Dielenbretter, die Vorboten eines langen und harten Arbeitstages.
Hin und wieder auch ein heißeres und erregtes Stöhnen all derer, die zu dieser frühen Stunde mit freier, ungenutzter Zeit gesegnet waren. Inmitten dieses alltäglichen Morgentrottes liefen Emil und Heinrich die Straße entlang. Sie wollten vom Haus ihrer Eltern, das nahe am östlichen Stadttor gelegen war, zu Thorben, dem Tischler.
„Weißt du noch, was du ihn fragen musst?“ fragte Heinrich seinen jüngeren Bruder.
„Wir brauchen einen Hammer, Nägel und ein paar Bretter, weil bei uns daheim…das Dach kaputt ist.“ antwortete Emil und versuchte, seiner Stimme etwas Hilfsbedürftiges zu verleihen.
„Gut, ich denke, das wird er dir glauben.“
„Warum machst du das eigentlich nicht?“
„Weil du der Jüngere bist … und außerdem war es meine Idee. Also, mach das jetzt gefälligst.“
„Ist ja gut, ist ja gut.“
Die Beiden gingen die Straße entlang, vorbei am Tempelplatz, an dem Vatras wie jeden Tag seine Predigt vortrug und die Menschen ihm gespannt lauschten. Heinrich und Emil hatten sich auch schon einmal einen Teil davon angehört, hatten nach zwei Minuten jedoch befunden, dass der Mann in dem blauen Kittel dort vorn ziemlich komischen Kram erzählte – was die beiden jedoch selbst dazu ermutigt hatte, ein paar merkwürdige Dinge zu tun.
Sie waren ins Hafenviertel gegangen und hatten sich eine Maus gesucht, was zu Überraschung der beiden wesentlich schneller vonstattengegangen war, als sie gedacht hatten. Heinrich hatte die Maus in der Hand gehalten und Emil nach einem Stock gesucht.
„Wie war das nochmal?“ hatte Heinrich sich noch einmal vergewissert haben wollen. „Der Mensch erschlug das Tier…“
„…und es ging ein in Beliars Reich…oder so ähnlich. Aber welches Tier denn?“
„Das ist wahrscheinlich egal. Da sind sicher alle Tiere mit gemeint.“
„Das ist gut, da machen wir das wenigstens nicht falsch.“
Dieser Nachmittag, der für die Maus sehr schmerzhaft geendet hatte, lag nun schon ein paar Tage zurück. Die beiden hatten gemerkt, dass es auf Dauer langweilig wurde, ständig irgendwelche Tiere in Beliars Reich zu schicken, seien es nun Mäuse, Fleischwanzen, Fliegen oder Spinnen. Deshalb hatten sie sich etwas anderes überlegt, was sie machen könnten. Dazu bedurfte es jedoch Thorbens Hilfe.
„Meister Thorben?“
„Ja, was ist denn…oh, hallo Kleiner. Was machst du denn hier?“
„Sie müssen uns helfen. Unser Dach ist kaputt und wir brauchen dringend Werkzeug, dass wir es reparieren können.“
„Und an was habt ihr da so gedacht?“ fragte Thorben misstrauisch.
„An einen Hammer, einige Nägel und auch ein paar Bretter.“
„Kommt gar nicht in Frage.“ antwortete der Tischler prompt. „Ihr seid noch viel zu klein, um solche Arbeiten auszuführen.“ Das waren sie in der Tat, denn nicht einmal Heinrich schaffte es mit seinen zehn Jahren, die Decke auch nur mit dem Finger zu berühren.
„Aber unsere Mutter hilft uns doch dabei.“
„Trotzdem. Am Ende bin ich noch dafür verantwortlich, wenn euch was passiert, nur weil ich euch das Werkzeug gegeben hab. Nein, kommt nicht in Frage.“
„Aber Meister Thorben, sie sind doch unsere einzige Möglichkeit. Wir wissen doch nicht, wen wir sonst fragen sollen.“ Emil sah ihn flehend an, „Wir würden sie ja auch gerne damit beauftragen, das selbst zu reparieren, doch das kann sich unsere Mutter nicht leisten, wie sie ja vielleicht wissen.“ so flehend, dass der Tischler nachgab und diesem merkwürdigen Handel zustimmte. „Aber nur den Hammer und die Nägel. Um das Holz müsst ihr euch selber kümmern. Das kann ich nicht verschenken.“
„Tausend Dank, Meister Thorben.“
„Jaja…“ Thorben suchte in seiner Werkbank nach ein paar langen Nägeln. Die Metallstifte rasselten und klirrten, wenn der Tischler darin herumwühlte. Schließlich hatte er genug beisammen, füllte sie in einen kleinen Stoffbeutel und drückte Emil diesen samt dem Hammer in die Hand.
„Nochmals besten Dank, Meister Thorben. Unsere Mutter wird sich freuen.“ sagte Emil und verließ die Werkstatt. Den Beutel hatte er sich um den Gürtel gebunden und während er nun mit Heinrich zusammen die Straße entlang lief, klirrten die Nägel munter vor sich hin.
„Unsere Mutter wird sich freuen?“ zitierte Heinrich seinen Bruder und machte dabei keinen allzu begeisterten Eindruck. „Das war schon ein bisschen dick aufgetragen, oder?“
„Ich dachte, er glaubt uns nicht. Ist doch aber auch egal. Jetzt haben wir wenigstens, was wir brauchen und können endlich anfangen.“
„Aber vorher gehen wir nochmal bei dem Garten mit den leckeren Kirschen vorbei.“
„Ja, eine gute Idee.“
Der Garten lag etwas abseits von Matteos Haus direkt an der Stadtmauer. Streng genommen war es ein Verbund aus mehreren Gärten, die allesamt den Handwerkern der Unterstadt gehörten. Umrandet waren diese von einem hölzernen Bretterzaun mit braunem Anstrich. Die Farbe, eine ölige Lasur aus der Werkstatt von Thorbens Vater, war im Laufe der Zeit ausgeblichen. Doch sie ließ noch den Glanz erahnen, mit dem sie einst die Latten des Zaunes gegen die unbarmherzigen Einflüsse des Wetters verteidigte. Wind und Wetter konnte dem Zaun kaum etwas anhaben, der Regen perlte an ihm ab und ließ die Farbe in einem goldigen Kastanienton erstrahlen.
Nun waren die Latten eingerissen, teilweise aufgeplatzt und der Lack stumpf und porös, doch das Braun war nach wie vor dasselbe. Etwas ausgeblichen, aber immer noch deutlich erkennbar.
Eine Tatsache, der sich Heinrich und Emil nicht bewusst waren. Sie stießen das Tor auf, das die Beiden ins Innere der Gartenanlage führte und unter einem ächzenden Quietschen gaben die Angeln dieser brutalen Gewalteinwirkung nach. Sie schlenderten den Weg entlang, der sie, vorbei an Fernandos Kräutergarten und Gerbrandts Obstbäumen hin zu einem Kirschbaum inmitten der Anlage brachte.
Der Baum war alt, noch älter, als die Gärten, die hier angelegt und im Laufe der Zeit vielerlei Veränderungen unterzogen wurden, doch dieser Baum hatte etwas beständiges, etwas unumstößliches, etwas… dessen Emil und Heinrich sich ebenfalls nicht bewusst waren. Sie saßen dort im Schatten des Baumes und genehmigten sich ein paar der roten Früchte.
„Die Kirschen sind echt immer wieder lecker.“ sagte Emil.
„Wenns süße wären, wärs noch besser.“ antwortete sein Bruder. „Aber die sind auch ganz ok…Hey, schau mal. Siehst du den riesen Kürbis da drüben?“ Heinrich deutete auf einen der benachbarten Gärten, hinter dessen Zaunslatten sich ein Kürbis gigantischen Ausmaßes versteckte.
„Ja. Was issen das für einer?“
„Keine Ahnung. Ist das nicht der Garten von der Meiern?“
„Ja, kann sein. Komm, lass uns den mal anschaun.“

„Ernsthaft? Ein halber Meter? Nein, Frau Meier, das kann ich ihnen einfach nicht glauben!“ Matteo tat, als würde ihn das Gerede von Frau Meier amüsieren. Innerlich verfluchte er sie. Sie und all diese tölpelhaften Gartenbesitzer mit ihrem alljährlichen Gartenfest und dem über alle Maßen sinnfreien Kürbiswettbewerb. Doch er konnte es sich nicht leisten, die Missgunst der Gärtner auf sich zu ziehen, schließlich war er in Zeiten wie diesen auf das bisschen Pacht, das diese Fläche abwarf, angewiesen. Sein Vater hatte das Gelände damals angelegt und gewinnbringend all denen untergejubelt, die vor Langeweile nicht wussten, womit sie ihre Zeit vertreiben konnten. So kam es, dass sie sich erheiternder Gartenarbeit hingegeben und ihm im Gegenzug einen Teil ihres Vermögens überlassen hatten. Ein lukratives Geschäft. Damals.
Heutzutage waren die Leute nicht mehr bereit, soviel Geld für diese Fläche auszugeben und die Kosten wuchsen ebenso beständig, wie das Unkraut am Wegesrand. Vor kurzem erließ der König eine Steuer auf alle Flächen, die von einem Hausdach überdeckt waren, da diese im besonderen Maße jenes Wasser verdrängten, das später in die Kanalisation gelangte und deshalb zu erhöhten Aufwendungen zur Instandhaltung der Rohre führte. So die offizielle Erklärung.
Doch Matteo erduldete all dies in einer Hoffnung auf bessere Zeiten.
„Doch, glauben sie mir ruhig. Es war ein prächtiges Frühjahr. Der Kürbis ist geradezu in die Höhe geschossen und er wurde größer und größer…“
„Und irgendwann bekam er Nägel.“ brachte Gritta sich plötzlich ein. Ein Schmunzeln lag auf ihren Lippen.
„Nägel, wieso? Was…“, da bekam Frau Meier ihr Prachtexemplar eines Kürbisses zu Gesicht. Von ausnahmslos allen Seiten waren Nägel in die rote Frucht hinein geschlagen wurden. Kleine, große, dünne und dicke. Lange, kurze, krumme und auch welche ohne Kopf. Die Tat lag offenbar schon eine Weile zurück und in der sengenden Mittagshitze war der Kürbis zu einem mickrigen Häufchen Elend zusammengeschrumpelt. Auf dem Boden hatte sich eine Lache roter Flüssigkeit gebildet.
„Nun“, sagte Matteo, der sich selbst nur schwer ein selbstgefälliges Grinsen nur schwer verkneifen konnte. „Ich denke, damit haben wir einen Gewinner. Gritta. Wärest du so gut und würdest uns noch einmal zu deinem Kürbis führen?“
„Ja, Kleine, das könnte dir so passen.“ brüllte Frau Meier plötzlich dazwischen. „Zuerst beauftragen sie ihren Onkel, mir MEINEN Kürbis kaputt zu machen, und dann…“
„Oh, Moment. Moment, Moment. Das hätten SIE wohl gerne so. Ich weiß zwar nicht, wer sich hier diesen amüsanten Streich erlaubt hat, aber mein Onkel mit Sicherheit nicht. So etwas würde er nie machen. Und das wissen sie auch. Sie kennen ihn doch.“
„Nicht gut genug, wie mir scheint. Das sind SEINE Nägel.“
„Woher wollen sie das denn wissen?“ fragte Gritta. Man konnte förmlich zusehen, wie sich ihr Gesicht verfinsterte.
„Na … das weiß man doch. Die, die er bei meinem Tisch verwendet hat, sehen ganz genauso aus. Hier, sehen sie das hier.“ Sie deutete auf den Kopf eines Nagels. „Die an meinem Tisch sehen haargenau so aus. Und überhaupt, wessen Nägel sollen das denn sonst sein?“
„Soweit ich weiß, stellt Harad die ganzen Nägel und Werkzeuge für die Handwerker…“
„Halten sie gefälligst den Mund!“ riefen die beiden Frauen nahezu gleichzeitig. Ihre Stimmen wandelten sich zu einem schrillen Kreischen, das einem beinahe das Trommelfell zeriss.
„Thorben ist ja wohl nicht der einzige Handwerker in der Stadt, oder?“
„Ja, vielleicht … Aber wenn schon. Es war Thorben, ganz sicher! Wer sonst sollte das gemacht haben. Sie und ihr Onkel waren doch schon immer neidisch auf meine Kürbisse. Genau, Sie haben ihn damit beauftragt, meinen Kürbis zu zerstören…
„Das reicht!“ Gritta krempelte die Ärmel ihres Kleides nach oben und wollte gerade auf Frau Meier losgehen, doch Matteo ging dazwischen.
„Schluss die Damen. Ich denke, wir sollten mit Thorben reden. Der wird wohl etwas dazu sagen können.“ Es war ihm zwar zuwider, diesen herrlichen Streit abzubrechen, der seit vielen Jahren der erste und womöglich auch einzige Höhepunkt dieses öden, von falscher Heuchelei und überspielter Freundlichkeit zerfressenen Festes war, doch er sah es auch als seine Pflicht als Grundstückverpächter an, für Ruhe zu sorgen.
„Ich würde vorschlagen, wir nehmen die Nägel mit und zeigen sie Thorben. Er wird uns wohl am ehesten sagen können, ob sie von ihm stammen.“

„Sieht doch klasse aus, oder?“ fragte Emil seinen Bruder und deutete dabei mit der einen Hand auf den wirren Haufen aus Ästen, die aneinander und an einem Baum festgenagelt waren. Bedeckt war dieser Haufen von einigen Tannenzweigen, deren grüne Nadeln das Innere des Konstrukts vor übermäßiger Sonneneinstrahlung schützen sollte. Es gelang nur bedingt.
„Ja, geht schon. Lass uns heimgehen, ich hab Hunger.“
„Essen, Essen, Essen … Willst du nicht noch ein bisschen hier bleiben? Grade, wo unsere Bude fertigt geworden ist.“
„Lass mich doch. Außerdem wird’s bald dunkel. Und du weißt ja, wie das ist, wenn sie Kinder nachts auf der Straße erwischen.“
„Ja, du hast Recht. Aber wir müssen Thorben noch das Werkzeug geben, sonst bekommen wir nix mehr von dem.“ Daraufhin machten sich die Beiden auf in die Stadt. An den Wachen schlichen sie sich gekonnt vorbei, da sie keine Lust hatten, ihnen zu erklären, wo sich ein achtjähriger und ein zehnjähriger Junge um diese Zeit so herumtrieben. Ganz abgesehen davon, dass es für Kinder verboten war, sich außerhalb der Stadt aufzuhalten. Doch das war kein großes Problem.
Die Beiden umgingen das östliche Stadttor, indem sie an einer flachen Stelle über die Burgmauer kletterten. Ein altbewährter Trick, den die Stadtwachen wohl so schnell auch nicht bemerken würden, da die Stelle von einem Wachturm verdeckt wurde.
Sollte man dennoch dabei erwischt werden, wie man sich aus der dunklen Ecke hinter dem Wachturm nördlich des Osttores stahl, dann konnte man immer noch behaupten, man sei einer streunenden Katze hinterher gerannt. Damit gaben sich die meisten der Wachen zufrieden. Eine wenige fingen an, die beiden Jungs zu tadeln, doch das geschah auch eher selten.
Bevor die beiden sich jedoch entgültig auf den Heimweg machten, hielten sie noch einmal bei Thorben an.
„Hallo, Thorben. Wir bringen dir dein Werkzeug wieder.“ sagte Emil
„Hallo Kinder. Seid ihr gut voran gekommen?“ fragte Thorben und etwas hinterhältiges lag in seinem Gesichtsausdruck.
„Ehm … ja … also … ganz gut soweit. Wir werden den Hammer und die Nägel aber morgen noch einmal brauchen.“
„Da hättet ihr das Werkzeug doch gleich daheim lassen können. Wo habt ihr denn die Bretter hergeholt?“
„Die Bretter …“ Emil grübelte. Auf dieses Gespräch hatte er sich nicht vorbereitet. „ja, da hatten wir doch noch welche … im Keller. Genau.“
„In Ordnung. Aber bevor ihr geht, sollt ihr noch einmal bei meiner Nichte vorbei schauen. Sie will euch etwas sagen.“ Heinrich und Emil sahen sich verdutzt an, dachten sich aber nichts dabei. Emil legte den Hammer und die Nägel auf die Werkbank und gemeinsam gingen die beiden nach nebenan, um Gritta aufzusuchen.
„Was war denn mit dem los?“ sagte Emil. „Ob der gemerkt hat, dass wir…“
„Tschsss! Nicht so laut. Wenn uns jemand hört?“
„Hast recht.“
Die Wohnung war dunkel, es brannte keine Kerze, was für diese Uhrzeit schon recht merkwürdig war. Die Tür stand bereits offen. Heinrich traute sich als erster, einen Blick hinein zu werfen. Zaghaft trat er in den Raum, konnte jedoch nichts erkennen. Emil folgte ihm. In dem Moment, als beide mitten im Raum standen, schlug plötzlich die Tür mit einem lauten Krachen zu. Beide erschraken sich, ihr Herzschlag schien für einen Augenblick auszusetzen.
„Emil, Heinrich, seid ihr es?“ Eine merkwürdige Stimme sprach zu ihnen. Wären die beiden nicht so aufgeregt gewesen, hätten sie womöglich erkannt, dass sie der Stimme von Frau Meier, die gerade durch ein Stück Butterbrotpapier sprach, unheimlich ähnlich war. Doch darauf konnten sie sich nicht konzentrieren. Sie waren vollauf damit beschäftigt, überhaupt zu verstehen, was hier gerade vor sich ging.
„Eh … ja … Wer spricht da?“
„ICH BIN ES!!!“ wieder erschraken sie beide.
„Seht, was ihr aus mir gemacht habt! Seht sie an, meine verkümmerte Gestalt!“ Die beiden wagten sich etwas in den Raum hinein und sahen etwas auf dem Tisch liegen. Ihre Herzen pumpten das Blut durch die Adern und jeder einzelne Schlag hallte hundertfach in den Ohren wieder. Sie spürten Zuckungen am ganzen Leib und ihre Augenlider begannen zu flackern.
Etwas rötliches lag da. Es schimmerte im Abendlicht, doch die Kontur war zerklüftet. Ein modriger Geruch breitete sich im Raum aus.
„SEHT MICH AN!!!“ Da erkannten die beiden, was da vor ihnen auf dem Tisch lag. Es war der Kürbis von Frau Meier! Verschrumpelt, matschig und von einer roten Lache umgeben, die aussah wie Blut.
„Wisst ihr, mit wie vielen Flüchen ich euch belegen könnte, nach all dem, was ihr mir angetan habt?“
„Bitte, verschone uns. Wir wollten doch nur ausprobieren … wie leicht man … Nägel in dich reinschlagen kann. Es tut uns so leid. Wir wollten dir doch nicht weh tun!“
„Das habt ihr aber! Ich könnte euch in Kröten verwandeln, oder in kleine Fleischwanzen, oder in stinkende Nagetiere …“
„Nein, bitte nicht!“
„ … aber ich habe eine bessere Idee: Ich verfluche euch! Mit jedem Kürbis, den ihr weiterhin so traktiert, wird ein Teil von euch selbst zu einem werden. Modrig und faulig, so wie ich!“ Daraufhin rannten die beiden fluchtartig aus dem Raum hinaus und zurück nach Hause. Als sie daheim angekommen waren, stand ihre Mutter mit verschränkten Armen in der Tür.
„Na, was habt ihr denn heute so schönes gemacht?“
„Wir … ach, naja, nix besonderes.“
„Soso? Also ist es nix besonderes, sich von Thorben, diesem netten und freundlichen Mann Werkzeug zu borgen, um dann einfach einen Kürbis … festzunageln.“
„Nein, das stimmt nicht.“ warf Emil ein. „Dafür haben wir das Werkzeug doch gar nicht…Oh, upps.“
„Du Idiot, Mann!“ brüllte Heinrich. Doch als er das Gesicht seiner Mutter sah, das mit jedem Augenblick wütender zu werden schien, verstummte er jäh. „Wo wart ihr?“ Betretenen Schweigens sahen die beiden zu Boden, woraufhin sie am Nacken gepackt und in die Wohnung gezerrt wurden.

„Die haben ihre Lektion gelernt.“ sagte Frau Meier, als sie mit einem zufriedenen Lächeln den Schrank verlies.
„Das stimmt wohl. Aber war das nicht ein bisschen dick aufgetragen?“ entgegnete Gritta ihr, die ebenfalls aus dem Schrank kam.
„Naja, jemand musste den beiden ja mal so richtig Angst machen. Sonst lernen die das doch nie.“
„Ja, das stimmt wohl. Trotzdem freut es mich, den Wettbewerb gewonnen zu haben.“ Gritta strahlte vor Freude.
„Wieso sie? Wären diese beiden Rotzlöffel nicht gewesen, wäre ich der Sieger. Und der Sieg steht mir ja wohl eindeutig zu, oder?“
„Ja, wäre ihr Kürbis noch ganz, dann schon. Aber wenn sie nicht einmal etwas haben, das sie zum Wettbewerb vorzeigen können, ist das ihr Problem.“
„Jetzt hören sie aber mal, sie vorlautes Luder …“
„Wie haben sie mich grade genannt?“