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    Post [Story]Gegen einander, gegen die Drei

    Hyglas saß, den rechten Ellbogen auf der Armlehne des Sessels abgestützt und die rechte Schläfe mit zwei Fingern stützend, im Gemeinschaftsraum der Feuermagier. Die Flammen im Kamin waren stetig schwächer geworden und schließlich zu einer kaum noch glimmenden Restglut verkommen, die letzte Reste der erkaltenden Asche leuchten ließ. Es war kalt, aber der Magier bemerkte dies nicht, ebenso wie ihm das Fehlen der Flammen nicht auffiel. Er dachte nach, grübelte über Geschehnisse und Anzeichen der vergangenen Monate.
    Etwas war gehörig aus den Fugen geraten, als die Barriere in sich zusammengefallen war. Das Land war überlaufen von Banditen, aber dies war noch das geringste Übel. Auch die ausbleibenden Erzlieferungen an das Festland waren eine Nebensache angesichts der anstehenden Gefahren.
    Die Sterne standen günstig, um Tore zu anderen Dimensionen zu öffnen. Doch wo man früher die Heere Beliars erwartet hatte, musste man nun mit anderen, fremdartigen Angreifern rechnen. Es hatte bereits begonnen. Erst drei Wochen zuvor war vor der Hafenstadt ein Mann in Gewahrsam genommen worden, der sich als Druide bezeichnet hatte und überaus verblüfft war, dass dieses ihm so fremde Land seine Sprache kannte. Er hatte sich mit Händen und Füßen gegen die Festnahme gewehrt, und einige Formeln gemurmelt, die ihm schließlich die Anklage und dieser rasch folgend die Hinrichtung als Götzendiener eingebracht hatten. Über die Tatsache, dass er die Landessprache verstand, rätselte man noch immer, denn alles, von der Kleidung über den Haarschnitt bis hin zu seltsamen Verzierungen der Haut, wies darauf hin, dass er aus weiter Ferne stammte.
    Neun Tage danach hatte ein leichenblasser Jäger geschworen, einen Mann im Wald gesehen zu haben, der ein Geweih auf dem Kopf trug und anstelle von menschlichen Beinen auf denen eines Bockes lief. Man hatte ihn vergeblich auf Fieber geprüft und außerdem keine Anzeichen gefunden, dass er betrunken oder sonstwie berauscht war, und ihn der Einfachheit halber als verrückt erklärt. Er befand sich in der Obhut der Magier, die ihn noch einmal verhört hatten. Wiederum wies nichts darauf hin, dass seine Worte die Unwahrheit oder der Überbleibsel einer Einbildung waren.
    "Neue Erkenntnisse?" erkundigte sich eine heisere Stimme. Hyglas schwieg, stierte weiterhin in den mittlerweile gänzlich glutfreien Kamin. Erst, als der andere ihm eine Hand auf die Schulter legte, fuhr er zusammen und blickte auf.
    "Ulthar! Verzeiht, ich habe Euch gar nicht bemerkt."
    "Ihr wart tief in Gedanken. Habt Ihr neue Erkenntnisse gewinnen können?"
    Hyglas seufzte.
    "Nichts. Ich bin mir nach wie vor sicher, dass es mit dem Stand der Sterne zu tun hat. Die Sternbilder des Ochsen und des Kriegers legen diese Vermutung zur Zeit nahe."
    "Ja, das habt Ihr mir bereits auseinandergesetzt."
    "Aber so sehr ich mich bemühe, ich kann mir den Ursprung dieser Fremden nicht erklären. Sicher scheint mir nur, dass es sich nicht um Schöpfungen oder Erwählte der uns bekannten Götter handelt."
    Schweigen war die erste Antwort auf die Aussage, die Hyglas nur mit Mühe heraus gebracht hatte. Ulthar war alle Farbe aus dem Gesicht gewichen. Es mochte Sorge sein, Schock, aber auch Zorn angesichts der Worte, die einer Götterlästerung nahe kamen. Er bewahrte die Fassung mit sichtlicher Mühe.
    "Wir werden mit Pyrokar, Serpentes und Talamon sprechen müssen" befand er.
    Hylgas erhob sich, zuckte zusammen. Stunden des reglosen Sitzens hatten seine Muskeln sich verspannen lassen. Er benötigte einige Augenblicke, ehe er sich in Bewegung setzen konnte. Ulthar schien überrascht.
    "Ihr wollt sie sofort aufsuchen?"
    Der Sternenkundige nickte mit einem Gesichtsausdruck, der den Schmerz in den Muskeln ebenso wie grimmige Entschlossenheit signalisieren mochte.
    "Ja. Unsere Zeit zu knapp, um die Nacht verstreichen zu lassen."
    Geändert von MiMo (30.03.2017 um 15:59 Uhr)

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    Der Schwarzmagier trug einen blutbefleckten Novizenrock der Sumpfbruderschaft. Unter der zuvor üblichen langen Robe waren seine Arme, die Beine und der Oberkörper blass geworden, blasser noch als das Gesicht, das in Jahren der Studien kaum die Sonne gesehen hatte. Die weißen Haare hingen staubig und mit getrocknetem Blut verkrustet schlaff auf dem Kopf, der zuvor ordentlich gestutzte Bart war zu einem Wildwuchs verkommen. An jeder sichtbaren Stelle gab es Kratzer und grüne oder blaue Verfärbungen auf der kränklich wirkenden Haut. Ein erbärmliches Bild.
    Xardas warf einen Blick auf seine Robe, mit der er den Novizen bedeckt hatte, dessen Rock er nun trug. Sie war zerrissen, hing in Fetzen. Bei seinen ersten vorsichtigen Schritten in der Ruine des Tempels hatte sie ihn mehr behindert als dass sie genützt hätte, und so war die Entscheidung, sich ihrer zu entledigen, leicht gefallen.
    Intakt geblieben war neben den Schuhen nur der lederne Gürtel, an dem in einzelnen Taschen säuberlich aufgereiht die Runen des Magiers aufbewahrt waren. Beschwörungszauber, Schlafzauber. Von Nutzen war ihm lediglich das Licht gewesen, das er über seinem Kopf schwebend erscheinen lassen konnte. Immerhin ein brauchbarer Zauber. Der alte Körper ächzte nach Heilung, schrie nach Ruhe und Genesung, aber weder gab es Zeit noch die notwendige Rune. Obendrein war der einzige Heiltrank, den er bis dahin gefunden hatte, aus seiner zerschmetterten Flasche ausgelaufen und auf dem Steinboden des Tempels längst verdunstet.
    Der Dämonenbeschwörer versuchte, die Zeit seiner Bewusstlosigkeit einzuschätzen, während er nachdenklich zwischen den Trümmern einher schritt, umgeben von den tanzenden Schatten, die der Lichtzauber hervorrief. Die Leichen der Novizen, des Gurus und des blonden Mannes in der Erzrüstung hatten zu verwesen begonnen. Drei, vielleicht vier Wochen mochten sie tot sein. Eine Zeit, in der sein eigener Körper keine der Wunden hatte heilen lassen können. Nur knapp war er am Tod vorbei geglitten.
    Xardas betrachtete den Leichnam des Mannes, der den Schläfer verbannt hatte, schweigend. Unter den Steinen des Tempels war der Körper in der Erzrüstung zum größten Teil erhalten, aber dem Felsbrocken, der den Schädel zerschmettert hatte, war nichts entgegenzusetzen gewesen.
    Er ging in die Hocke, fuhr mit den zitternden Fingern über das Erz der Rüstung. Nachdem der Träger verstorben war, hatte sich die Magie dem nächsten Hilfsbedürftigen angeboten und ihn somit am Leben erhalten.
    "Dass ich mich so in Dir getäuscht haben konnte" murmelte er, dem Anschein nach über den eigenen Irrtum mehr entsetzt als über den Tod seines vormaligen Schützlings.
    Der Magier erhob sich wieder, kämpfte kurz gegen den schwankenden Kreislauf an, atmete tief durch. Nachdem er sich gefangen hatte, gab er sich daran, die übrigen zugänglichen Teile der Ruine zu erkunden. Ein wenig Heilung konnte nicht schaden, und ein Mana-Trank war unabdingbar. Er war, so ungern er es sich selbst eingestand, in diesem Moment zu schwach, um sich aus dem Tempel und in sicheres Gebiet zu teleportieren.
    Von der Halle aus, in der er sein Bewusstsein wiedererlangt hatte, zweigten einige Gänge ab, die er noch nicht durchsucht hatte. Ein einziger war eingestürzt, drei waren geblieben. Mit Glück würde es dort noch nützliche Gegenstände geben. Die Orks pflegten ihre Tempel mit allem möglichen Tand und Trödel vollzustellen. Ironischerweise war es genau dieser Trödel, der den Namenlosen so weit hatte vordringen lassen. Hinter jeder Falle, so schien es, wartete bereits der Lohn des Erfolges.
    In den drei Gängen befanden sich zahlreiche orkische Mumien, erst vor kurzer Zeit brachial aufgerissen und durchsucht. Knochen, vertrocknete Haut und brüchige Mullbinden lagen um die geschändeten Leichen herum. Der Namenlose, auf den der momentane Zustand der Mumien zurückgehen musste, hatte sich nicht mit Kleinigkeiten abgegeben. Einzelne Amulette waren inmitten der vertrockneten Leichenteile zurückgeblieben, kleinere Tränke waren ebenso ignoriert worden. Xardas schloss, dass sein früherer Schützling sein Gepäck in Grenzen hatte halten wollen. Ein ausgesprochenes Glück für den Schwarzmagier.
    Er griff nach einer Flasche roten Inhaltes, entkorkte sie und hielt sie kurz an die Nase. Er kannte den Geruch. Ein Heiltrank. Mit einer Eile, die man ihm nicht zutrauen wollte und die ihm nicht angemessen schien, leerte er den Trank. Die Flasche verkorkte er, nachdem sie ohne Inhalt war, und stellte sie neben der zerfetzten Mumie ab, der er sie entnommen hatte.
    Interessiert betrachtete er, wie die Haut sich schloss. Schnitte verheilten, blaue Flecken gingen zurück. Der Magier fühlte seine Körperkraft zunehmen.
    "Ein Anfang" murmelte er, ohne die Feststellung mit einem Anruf der Götter zu belasten. Der nächste Schritt folgte rasch, als er im zweiten Gang einen Trank aus den Mullbinden zog, der seine magischen Kräfte wieder auffüllen würde. Kurz erwog er, auch den letzten Gang noch zu durchsuchen, entschied sich aber dagegen. In diesem Tempel gab es nichts mehr zu holen, das von Bedeutung war.
    Er stellte auch die zweite Flasche ordentlich verkorkt ab, schloss die beinahe blinden Augen und sammelte sich. Langsam, beinahe vorsichtig begannen blaue Lichtpunkte auf seiner Haut zu tanzen, umgaben bald den ganzen Körper. Ein saugendes Geräusch, dem Röcheln eines Erstickenden ebenso ähnlich wie dem Rauschen eines Sturms, tönte durch den verfallenen Gang. Als die Lichtpunkte unmittelbar danach verschwanden, war auch der Magier fort.

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    In sichtlicher, absoluter Panik rannte der Taschendieb über den Marktplatz, stieß einen Milizionär mit der Schulter beiseite und tauchte unter den ausgebreiteten Armen eines zweiten hindurch. Am Freibierstand bog er, die Schuhe auf dem Pflaster abrutschend, nach links ab, rempelte dabei einen Bürger an und ließ den Inhalt des Bierkruges, den der Mann in der Rechten hielt, auf dessen Hemd, der Hose und dem Boden zurück. Wüste Flüche reihten sich neben den Soldaten in die Menge derer ein, die ihn verfolgten.
    Einmal um das Gasthaus, am Schrein Adanos' erneut nach links, wieder über den Markt. Im Getümmel aus Bürgern und Bauern, Knechten und Mägden gelang es ihm, seine Verfolger abzuschütteln. Er verringerte sein Tempo auf ein rasches Gehen, blickte sich ebenso aufmerksam wie hastig um und suchte, als er sich unbeobachtet fühlte, in der Herberge Unterschlupf.
    Empfangen wurde er von den halblauten Beschimpfungen Hannas, verfolgt von den wachsamen Blicken eines Ritters, der das Spektakel von der Treppe der Kaserne aus beobachtet hatte. Ein Lächeln umspielte seine Lippen, zaghaft. Wenigstens ein kleiner Fortschritt. Er war in diesen Tagen bitter nötig.
    "Wulfgar!"
    Der Lehrmeister der Miliz, der nur zehn Schritt weit entfernt die Übungen seiner Kameraden überwachte, eilte zu ihm. Der Ritter zog ihn keinem der anderen Soldaten vor, dazu kannte er sie alle noch zu schlecht. Er hatte lediglich nach ihm gerufen, weil sein Name als einziger in seinem Gedächtnis verblieben war.
    "Ja, Meister Cedric?"
    Wulfgar respektierte den Ritter mehr als die meisten seiner Kameraden. Vielleicht, weil sie beide die gleiche Profession ausübten und ihren Mitstreitern beibrachten, ihr Schwert zu führen. Eine Kostprobe von Cedrics Können hatte der Lehrmeister bei einem kurzen Ausflug vor die Stadt beobachten können, bei dem sie sich eigentlich nur hatten austauschen wollen und von drei ausgehungerten Wölfen überrascht worden waren. Die Tiere waren auch für die ungeübtesten Kämpfer der Miliz keine Bedrohung, aber Cedric schien beim Kampf keinerlei Mühe gehabt und beinahe mit seinem Schwert getanzt zu haben.
    "Berichte Lord Andre, dass ich eine Durchsuchung der Herberge als nötig erachte. Es geht um einen Dieb."
    "Verstanden."
    "Ich werde mich mit einigen Soldaten selbst darum kümmern."
    "In Ordnung."
    Cedric blickte dem Soldaten nicht hinterher, behielt weiter den Eingang des "Schlafenden Geldsack" im Auge, während er die Teppe der Kaserne hinab ging. Noch immer war der Taschendieb nicht wieder herausgekommen. Die Patrouille der Miliz war sichtlich verwirrt. Drei Mann standen kurz vor dem Eingang, gestikulierten wild, wiesen in alle denkbaren Richtungen, nur nicht zur Herberge selbst. Der Taschendieb hatte Geschick bewiesen, aber dennoch das Pech gehabt, zufällig beobachtet zu werden.
    "Er ist in der Herberge. Einer von euch wird an der Tür Wache halten, die anderen folgten mir."
    Die Soldaten nickten, stellten sich rasch auf die neue Situation ein. Sie wirkten beinahe erleichtert, dass der Ritter die Angelegenheit in die Hand genommen hatte. Der kleinste in der Truppe, ein flaumbärtiges Kerlchen, offenbar noch neu bei der Miliz, stellte sich im Inneren des "Geldsack" mit verschränkten Armen und dem Rücken zur Wand neben dem Eingang auf, so dass er von außen nicht zu sehen war. Teils, um eventuellen Komplizen seine Anwesenheit zu verschleiern, teils, um den Ruf der Herbergsmutter nicht zu schädigen.
    "Wo ist er?"
    Cedric blickte der Frau direkt in die Augen. Die Situation war ihr sichtlich unangenehm, sie zitterte. Der Ritter nahm an, dass der Dieb sie auf der Suche nach einem Versteck bedroht hatte. Er fragte noch zwei weitere Male, präzisierte die Fragestellung und erfuhr schließlich, dass der Dieb sich durch einen alten Zugang zur Kanalisation in den Untergrund gerettet hatte, den sie selbst einige Zeit als Keller genutzt hatte, bis, so sagte sie, die Zahl der Ratten zu groß geworden war. Das Schloss der zugehörigen Tür war intakt, wies aber Kratzspuren auf. Jemand hatte sehr eilig versucht, es zu öffnen, vielleicht mit einem Dietrich, und hatte dem Anschein nach mehrere Versuche benötigt, das Schlüsselloch zu treffen.
    Die Frau lehnte mit geschlossenen Augen und offensichtlich blankliegenden Nerven an der Wand hinter ihrer Theke, vom zurückbleibenden Milizionär beobachtet, während Cedric die beiden anderen treppab in die Kanalisation führte. Je tiefer sie auf der glitschigen Treppe kamen, desto grässlicher wurde der Gestank. Und desto klarer war das Streitgespräch zu verstehen, ein hitziger Wortwechsel zwischen einer weiteren Frau und einem Mann, vermutlich dem Dieb. Die Frau zeterte, schrie und bedachte ihn mit einer Unmenge an Beleidigungen. Ihr Tonfall war hysterisch. Eine Person, die nicht oft die Nerven verlor, aber regelrecht in die Luft ging, wenn sie es doch tat. Als der Trupp den Kellerraum betrat, waren der Taschendieb und die Frau noch immer in ihr Streitgespräch vertieft, derart verbissen, dass sie den Ritter trotz des Klapperns seiner Rüstung noch nicht wahrgenommen hatten. Ein anderer Mann, der am anderen Ende des Raumes an einem provisorischen Herd stand und nur dann und wann einen Blick über die Schulter warf, bemerkte die Eindringlinge als Erster.
    "Cassia! Die Miliz!"
    Die Haare des Mannes mochten bereits grau sein, aber die Geschwindigkeit und die Agilität, mit der er herumfuhr und seinen Degen zog, um danach in der Mitte des Raumes Stellung zu beziehen, straften sein scheinbares Alter Lügen. Auch die Frau namens Cassia zog ihre Waffe. Der Taschendieb, bis auf einen kurzen Dolch unbewaffnet, suchte sein Heil in der Flucht in die Gewölbe der Kanalisation. Gesichtsausdruck und Bewegungen wiesen darauf hin, dass er noch immer in Panik war.
    "Im Namen des Königs seid ihr festgenommen. Legt eure Waffen nieder" forderte Cedric, während er sein Schwert, eine schimmernde Erzklinge, in die Richtung der Angesprochenen weisen ließ. Die Antwort Cassias bestand aus einem unverzüglichen Angriff. Ihr grauhaariger Mitstreiter hielt indes die beiden Milizionäre in Schach.
    Die Frau focht schnell und gekonnt, sogar etwas zu schnell für Cedric, aber all ihre Kampfkunst war gegen die Rüstung des Ritters wirkungslos. Der Degen glitt ab, die Waffe brach schließlich, als sie von der Erzklinge abgewehrt wurde.
    Cassia ging zu Boden, sackte ihrem schwarzen Kleid hinterher, das, auf Bauchhöhe durchtrennt, den Halt verloren hatte. Sie fiel vornüber und ersparte dem Ritter damit den Blick auf den größten Teil ihrer Eingeweide. Der Grauhaarige brach nur kurz danach zusammen, das Herz von einem der Soldaten durchbohrt.
    Cedric überließ die übrige Arbeit der Stadtmiliz. Soldaten zogen mit Fackeln durch die Gänge und durchsuchten sie gewissenhaft. Ein Nest von Riesenratten wurde ausgehoben, der flüchtige Taschendieb vor einer verschlossenen Tür zum Ozean hin kauernd gefunden und festgenommen. Die Milizionäre überprüften jeden zugänglichen Teil der Kanalisation, verbarrikadierten sie anschließend und überließen sie ein weiteres Mal sich selbst.
    Um einer Rattenplage vorzubeugen hatte man die Leichen der Verbrecher geborgen und bestattete sie in eilends angelegten Gräbern unweit des Leuchtturms. Der Feuermagier Daron sprach ihnen ein kurzes Gebet, aber von jeder weiteren Fömlichkeit, selbst von Brettern mit den Namen der Toten, sah man ab.
    Erst drei Tage später wagten Jesper und Attila, ihr Versteck in der Kanalisation zu verlassen und sich wieder hinaus zu schleichen.

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    Der Körper war hart auf dem Pflaster der Händlerstraße aufgeschlagen. Es war nicht das oft als Vergleich genannte Geräusch des nassen Sackes gewesen, vielmehr das Knirschen eines brechenden Beines, lediglich in vielfacher Lautstärke und mehrfach ertönend. Haut und Fleisch hatten die Knochen nicht schützen können, denn der Mann war erstaunlich dürr. Derart abgemagert sogar, dass Thorben, dem er unmittelbar vor die Füße gefallen war, sich fragte, wie knapp er durch seinen Sturz dem Hungertod entkommen sein mochte.
    Zwischen den Pflastersteinen rann das Blut, dem leichten Gefälle folgend, in Richtung der Unterführung, in der Constantino sein Labor besaß. Es war nicht viel, nicht einmal genug, um durch den Verlust zu Grunde zu gehen, zumindest schien es so. Nur ein dünnes Rinnsal. Ein Gutteil mochte vom Stoff des Turbans gebunden sein, den der Alte getragen hatte. Von praktischem Nutzen war diese Kopfbedeckung nicht gewesen, denn gestorben war der Mann an den schweren Verletzungen des Schädels. Wenngleich er langfristig auch die zahlreichen Brüche im Oberkörper nicht hätte überstehen können.
    Der letzte Atemzug, kaum wahrnehmbar, war getan worden, als eben Vatras zu Hilfe gekommen war. Der Wassermagier hatte den Körper nur noch traurig betrachten können. Man würde den Leichnam in einem namenlosen Grab bestatten. Er hatte das Bewusstsein nicht mehr wiedererlangt, hatte seinen Namen nicht nennen können. Er war und blieb fremd.
    Während der Tischler, dessen Arbeit jäh unterbrochen worden war, zum wiederholten Male fassungslos auf das Dach seines Hauses blickte, von dem der dürre Alte gestürzt war, wurde der Streit, den Pablo und Harad vor der Schmiede führten, allmählich lauter. Wortwahl und Tonfall wurden schärfer, und Pablo schien sich nur aus Respekt vor den kräftigen Armen des Schmieds noch einigermaßen zu zügeln.
    "Guter Mann, Ihr wollt mich doch verarschen!" fasste der Milizionär seinen Standpunkt mit zornesrotem Kopf zusammen. Mühsam beherrscht holte Harad einmal, zweimal tief Luft. Es hatte ihm noch nie gelegen, wenn man ihn der Lüge bezichtigte, und Pablo ging sogar so weit, ihn und den Tischler als völlig übergeschnappt hinzustellen. Der Schmied schloss die Augen und zählte stumm bis zehn.
    "Der Mann ist also auf dem Dach erschienen. Einfach so. Ohne hinaufzuklettern" wiederholte Pablo noch einmal, während er zunächst in Richtung des Toten gestikulierte und dann zum Dach hin.
    "Ich bin erstaunt, dass ich den Schnaps aus eurem Mund nicht rieche!"
    Harad war kurz davor, zu explodieren.
    "Wollt Ihr mir unterstellen, ich sei betrunken, Soldat?" knurrte er mehr, als dass er es sprach. Auf seiner Stirn pochte eine Ader, während die Kiefermuskulatur an beiden Seiten zuckte.
    "Zu Eurem eigenen Besten, Thorben. Andernfalls müsste ich davon ausgehen, dass Ihr den Verstand verloren habt!"
    "Das ist die Höhe!" brüllte der Schmied den Soldaten an und besprühte ihn dabei mit winzigen Speicheltropfen. "Ich verlange, dass Ihr euch augenblicklich-"
    "Und ich verlange, dass ihr beide schweigt!"
    Die Stimme klang, als sei sie daran gewöhnt, Befehle zu erteilen. Pablo stand sofort stramm. Auch Harad nahm Haltung an und blickte dem Ritter, der den Streit unterbrochen hatte, gerade ins Gesicht. Thorben schien über das Auftauchen des Mannes mehr erschrocken als erleichtert. Vatras seufzte nur, als wisse er bereits, um was es ging.
    Lord Andre hatte die Kaserne nach der Meldung durch die Miliz verlassen, um sich selbst ein Bild der Angelegenheit zu machen. Hatte Pablo zuvor am Geisteszustand des Schmiedes gezweifelt, so wurde er nun nervös. Wenn selbst Lord Andre der Geschichte Glauben schenkte, dann musste dort etwas dran sein. Und der Ritter hätte seine Arbeit wohl kaum wegen des Todes eines einfachen Stadtstreichers unterbrochen. Der Milizionär beförderte den Kloß, der sich in seinem Hals gebildet hatte, durch wiederholtes Schlucken mühevoll hinab.
    Lord Andre betrachtete die Leiche schweigend und wechselte anschließend einige geflüsterte Worte mit dem Wassermagier. Beide schienen angespannt.
    Den Befehl, ihm zur Kaserne zu folgen, verbarg der Ritter in einer höflichen Bitte, der Pablo, Thorben und Harad sofort nachkamen. Während sie den Ort des Geschehens verließen, waren Elvrich und Brian, die den Sturz selbst nicht mitbekommen hatten, bemüht, die Schaulustigen abzuwimmeln, die sich mittlerweile angesammelt hatten. Zwei Milizsoldaten wickelten den mageren Leichnam in ein schmuddeliges Tuch und trugen ihn davon, ein dritter brachte einen Eimer mit Wasser, mit dem er das Blut des Toten fortspülte. Kurz danach deutete nichts mehr auf ein ungewöhnliches Geschehen hin, und auch die neugierigen Bürger verstreuten sich wieder.
    Nur ein Toter, hieß es. Das kam vor.
    In der Kaserne hatte sich der Todesfall bereits herumgesprochen. Einige Soldaten munkelten von einem Säufer aus der Umgebung, andere scherzten, wieder andere blickten angespannt und wachsam drein, wechselten unauffällige Blicke. Pablo bemerkte es nicht, aber Harad wurde noch ein gutes Stück nervöser.
    Vor dem Arbeitszimmer des Lords hielten zwei weitere Ritter Wache, im inneren war ein dritter in ein Gespräch mit Daron vertieft. Der Kämpfer bedeutete dem Magier mit einem Handzeichen, zu schweigen, als er die Zivilisten bemerkte, die Lord Andre folgten. Nun war es an Pablo, nervös zu werden. Ein Ritter verbat einem Feuermagier nicht einfach den Mund. Innos, was mochte los sein?
    "Ich fasse mich kurz" begann Lord Andre, bevor er Pablo und den beiden Zivilisten nacheinander mit Blicken bedachte, die irgendwo zwischen Warnung und Drohung zu pendeln schienen. Der Magier stand, die Arme verschränkt, neben ihm und wirkte nicht weniger bedrohlich.
    "Soldat, Schmied, Tischler. Ich verpflichte euch hiermit, über das Geschehen auf der Händlerstraße absolutes Stillschweigen zu bewahren. Jede diesbezügliche Äußerung eurerseits wird harte Strafen nach sich ziehen. Ist das klar?"
    Die drei Männer nickten.
    "Soldat."
    Pablo trat einen Schritt vor und nahm Habachtstellung ein.
    "Die Angelegenheit ist Sache der Paladine und der Magier. Ihr werdet keine eigenen Nachforschungen anstellen. Erfahre ich gegenteiliges, wird der Vorwurf zumindest auf Befehlsverweigerung lauten."
    Pablo nickte.
    "Befehlsverweigerung im Kriegsfall" präzisierte der Ritter. Der Milizsoldat schluckte. Im Kriegsfall. Die Anklage würde zur Hinrichtung führen. Kriegsfall.
    Dass die Lage derart ernst war, hatte er nicht vermutet.
    Geändert von Al Bern (26.06.2012 um 21:09 Uhr)

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    Pepe stand, die Schultern angespannt, leicht geduckt und den Hirtenstab fest umfassend, auf der Weide und horchte. Etwas trieb sich im Wald herum. Mit leisen, vorsichtigen Schritten schlich es umher. Die Schafe hatten es bereits gewittert, blökten nervös, drängten sich eng an einander und suchten die Nähe des Hirten.
    Im Jägerlager, das hin und wieder von einigen der Söldner genutzt wurde, knackte ein Zweig. Pepe stöhnte. Nicht schon wieder ein Wolfsrudel! Er warf einen raschen Blick über die Schulter, in Richtung des Hofes. Manchmal standen dort Söldner, die mit einander den Schwertkampf übten, aber an diesem Abend war niemand zu sehen. Niemand würde ihn hören.
    Die Schafe allein zu lassen, um Hilfe zu holen, käme keinesfalls in Frage. Die Wölfe würden mühelos mindestens eines reißen können, die übrigen würden in alle Richtungen fliehen und schlimmstenfalls im Wald verloren gehen. Pepe würde diese Angelegenheit allein durchstehen müssen. Er wog den Stab in den Händen. Ein Hieb oder ein Stoß, was würde besser wirken? Und was, wenn er ein Tier verfehlte? Hätte er noch eine zweite Chance?
    Das Rascheln und Knistern wurde ein wenig lauter. Der junge Hirte spürte Schweiß auf der Stirn und fühlte, dass der Stab glitschig wurde. Schlechter zu halten. Pepe hatte Angst. Angespannt blickte er auf den Waldrand, der in der Abendsonne ebenso malerisch wie unübersichtlich war.
    Auf tapsigen Pfoten sprang ein sehr junger Wolf aus dem Unterholz, verbiss sich in eine hervorstehende Wurzel und zerrte mit aller Kraft. Das Tier rutschte ab, fiel um, war sofort wieder auf den Beinen und setzte sein Spiel fort. Pepe lächelte. Beinahe niedlich.
    Der Angriff kam von links und riss den völlig unvorbereiteten Schafshirten von den Füßen. Der Stab flog in hohem Bogen davon, landete irgendwo abseits zwischen den Farnen und wurde unerreichbar für den Menschen. Mit bloßen Händen versuchte Pepe, die Wölfe beiseite zu drängen, doch wo er sich einen vom Leib halten konnte, trieben unmittelbar danach zwei weitere ihre Fänge in Hals, Brust und Arme. In seiner Panik vergaß der Hirte völlig, um Hilfe zu rufen.
    "Lasst ihn" forderte eine ruhige, freundliche Stimme in einem Tonfall, der keinerlei Widerspruch duldete. Pepe nahm wahr, dass die Tiere von ihm abließen. Leise winselnd brachten sie Abstand zwischen sich und den aus zahlreichen Wunden blutenden Hirten und stromerten in etwa zehn Schritten Entfernung herum. Sie schienen nur darauf zu warten, sich wieder nähernzu können. Der Hirte, durch den Schrecken, der ihm noch tiefer in die Glieder gefahren war als die Reißzähne, bereits völlig verstört, konnte sich das seltsame Verhalten der Raubtiere nicht erklären. Mit außerordentlicher Anstrengung hob er den Kopf.
    Ein Stück vor ihm stand jemand. Stand etwas. Dünne Beine, die in Hufen endeten und Fell trugen, das den ansonsten nackten Körper bis etwa zum Nabel bedeckte. Ein muskulöser menschlicher Oberkörper mit starken Armen. Schulterlanges, wirres Haar und ein ebensolcher Bart, dazu zwei geschwungene Hörner auf der Stirn.
    Pepe ließ den Kopf wieder fallen, verdrehte die Augen und glitt in eine tiefe Ohnmacht.
    Sanftes Streichen auf seiner Brust weckte ihn nur wenig später. Vorsichtige Finger. Es fühlte sich gut an, beruhigend und heilend, und dennoch war dem Hirten dabei unwohl. Er schreckte auf.
    "Ruhig. Du bist verletzt. Leg dich wieder hin" forderte die gleichzeitig beängstigend tiefe wie sanfte Stimme ihn auf. Er gehorchte, während vor seinen Augen die Welt wieder Gestalt annahm.
    Das gehörnte Wesen hockte neben ihm, hielt eine hölzerne Schale in der linken Hand und tunkte die Finger der rechten hin und wieder hinein, um danach Pepes Wunden mit der Salbe, die sich in der Schale befand, zu bestreichen. Was es auch für ein Mittel sein mochte, es tat seine Wirkung. Der Hirte fühlte, dass von der Mixtur eine gewisse Wärme ausging, die seinen zerschundenen Körper durchströmte. Und verblüfft stellte er fest, dass er keine Angst verspürte.
    "Ich bin Pan" stellte das Wesen sich vor, während es die Wunden weiter mit der seltsamen Salbe behandelte. Es sah hin und wieder von der Arbeit auf und scheuchte die wenigen Wölfe, die sich näher heran wagten, wieder davon.
    "Schutzgott der Schäfer und somit derjenige, auf dessen Hilfe du zählen kannst."
    Pepe sah den selbsternannten Gott nachdenklich an. Er hatte noch nie von ihm gehört und hätte dazu geneigt, seine angebliche Existenz für eine Lüge zu halten, aber da die Gestalt unmittelbar neben ihm hockte und ihn sogar berührte, schien die Wahrheit hinreichend belegt.
    Ob Gott oder nicht, Pan verstand es, Magie anzuwenden. Die Verletzungen an Pepes Körper schlossen sich, der Blutfluss versiegte. Nur wenig später war der Hirte kräftig genug, um sich von den Retter aufhelfen zu lassen.
    "Du solltest dich noch etwas ausruhen. Es hat dich viel Kraft gekostet" empfahl das Geschöpf. Pepe nickte, nur um unmittelbar danach totenblass zu werden.
    "Die Schafe!"
    Pan lächelte beruhigend.
    "Ich werde sie wiederfinden. Du kannst nichts tun. Geh dich ausruhen."
    "Aber ... die Wölfe?"
    Das Lächeln ließ nicht nach.
    "Sie werden dir nichts tun."
    Pepe stapfte nur widerwillig davon, die Augen ständig von Wolf zu Wolf huschend. Er war zu verwirrt und überrumpelt, um Widerworte zu geben oder an den Ratschlägen der fremden Kreatur zu zweifeln. Pan blickte ihm für einige Zeit hinterher, zog dann eine ungewöhnliche, aus verschieden langen Röhrchen bestehende Flöte hervor und begann, darauf zu spielen. Mit jedem seiner Töne löste sich ein Wolf auf, bis endlich das Rudel verschwunden war. Der Hirtengott verstaute die Flöte wieder, wandte sich um und verschwand zwischen den Bäumen. Es würde ihn kaum Zeit kosten, die Schafe wieder aufzutreiben.
    Der junge Hirte war im höchsten Maße verstört, aber er würde sich an ihn erinnern und sich vielleicht auf seine Seite schlagen, wenn die Situation dies erforderte. Und Pan ging davon aus, dass die Lage sich für ihn nicht zum besseren wenden würde. In diesem fremden Land, von dem er nicht einmal wusste, wie er dort gelandet war, herrschten andere Götter. Ein Konflikt würde sich kaum vermeiden lassen.
    Bis er allerdings ausbrach, würde er den gehörnten Kopf unten halten und versuchen, einige Männer auf seine Seite zu ziehen.
    Allein würde auch ein Gott kaum seinen Mann stehen können.
    Geändert von Al Bern (26.06.2012 um 21:10 Uhr)

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