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Verdammter Mistkerl. Was für ein Akrobat war das? Normalerweise stellte es kein Problem dar, einen unbewaffneten Mann zu erledigen; Arme und Beine hatten nicht die Reichweite eines Schwertes, konnten ungepanzert keine Angriffe parieren – schließlich waren Gliedmaßen nicht aus Stahl – und waren nicht in der Lage, eine Rüstung zu durchdringen. Doch Kerdric war erschöpft und blutete aus ein paar Wunden, während sein Gegenüber geschickt den Angriffen auswich und genau dann attackierte, wenn der Milizsoldat ihn nicht mit der Waffe fernhalten konnte.
Erneut schlug Kerdric zu, doch der Setarrifer unterlief den Angriff, drängte den Soldaten zurück, verpasste dem Schild noch einen Tritt, dass ein scharfer Schmerz durch Kerdrics linken Arm fuhr, und dann segelte das Ding auf einmal davon, während der Stadtwächter einen Satz nach hinten machte, sich sammelte und den Feind keuchend anstarrte. Er hatte ihn unterschätzt, das war offensichtlich. Wie viele Menschen schafften es schon, einem Bewaffneten so schwer zuzusetzen, wenn sie selbst unbewaffnet waren?
Grimmig legte der Soldat die linke Hand an den Knauf seines Schwertes, um die Waffe besser unter Kontrolle zu bringen und mehr Kraft in seine Hiebe und Stiche legen zu können. Wenn der Schild schon weg war, konnte er ja zumindest auf diese Weise von der freigewordenen Hand profitieren.
Und dann wartete er. Ohne Schild und in seiner Verfassung war er nicht in der Lage, sich bei seinen Angriffen ständig und überall zu decken, und bei so einem Gegner war das gefährlich. Also wollte er nun stattdessen seinem Gegenüber den Vortritt lassen. Wenn der Setarrifer kam, würde er durch einen schnellen Schlag oder Stich die überlegene Reichweite des Schwertes zu spüren bekommen, und dann konnte er gerne die abgeschlagenen Gliedmaßen einsammeln. Wenn zwischendurch noch Verstärkung von anderen myrtanischen Soldaten kam, umso besser. Wenn stattdessen noch mehr Rebellen auftauchten – nun, dann wäre es für Kerdric an der Zeit für einen Rückzug.
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So eine Situation nannte mal wohl, seinen Gegner nackig machen. Denn diesen Eindruck machte Rethus‘ Gegenüber so ganz ohne seinen Schild. Etwas unbeholfen blieb er stehen. Wahrscheinlich wartete er, bis Rethus angriff… die übliche und noch dazu effektivste Taktik.
Mann, das war doch unfair… Noch dazu konnte Rethus nicht mehr. Er musste seinen rechten Arm wieder schonen. Die Schmerzen pochten.
Dennoch trat der Glatzkopf langsam nach vorne. Der Innosler wirbelte einmal kurz mit dem Schwert hin und her, als würde er damit eine warnende Geste machen. Allerdings schritt Rethus noch weiter vorwärts. Er musste eine Lücke in der Deckung seines Gegners finden. Jetzt schnellte Rethus nach vorne, um nur eine Millisekunde später wieder zurück zu weichen. Sein Gegner hatte dabei instinktiv sein Schwert zum Stich angesetzt… das war es… Rethus tat dasselbe noch einmal. Schnell machte er einen Fuß nach vorne, um dann wieder zurückzuweichen. Sein Gegner setzte abermals instinktiv einen Stich, doch dieses Mal schnellte der Glatzkopf fast im selben Augenblick wieder nach vorne. Seine gesunde Hand umklammerte wieder das Handgelenk des Waffenarmes seines Gegners. Diese Taktik war etwas gewagt. Das verriet ihm ein stechender Schmerz auf der Schulter. Das Schwert war nämlich über Rethus‘ linke Schulter geschliffen… ein furchtbar unangenehmer Schmerz. Doch Schmerz hin oder her. Rethus wollte in das Haus vor ihm. Jetzt zog er den Gegner zu sich heran, ließ augenblicklich den Arm los, um die linke Faust in die Hüfte des Mannes zu graben. Anschließend machte Rethus eine Drehung, nutzte den Schwung und trat seinem Feind kurz darauf gegen die Wade, sodass dieser hin fiel. Allerdings reagierte dieser nun auch prompt. Er wirbelte seine Beine im Liegen herum und beförderte Rethus ebenso auf den harten steinernen Boden. Verdammter Mist, Rethus war nahezu schutzlos. Hastig erhob sich der Kerl und wollte zum Gnadenstoß ansetzen, als er von irgendjemand abgelenkt wurde. Im Augenwinkelt erkannte Rethus flüchtig einen Soldaten von Lord Gawaan, der auf sie zu rannte. Eine passende Gelegenheit…
Der Glatzkopf trat seinem Feind noch einmal gegen den Oberschenkel, um Zeit zu gewinnen. Dann rappelte er sich auf und rannte auf das Haupthaus zu. Das war verdammt knapp…
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Was für eine Schlacht. Klar Argon hatte an diesen Katapulten ja nicht umsonst gebaut und er wusste das das hier kein einfaches Scharmützel sein würde. Doch als er sah wie der Sturm auf die Burg wirklich von statten ging und wie viele leblose Körper dort vor der Mauer lagen stockte dem Milizionär hin und wieder der Atem. Von einem der Offiziere war der ehemalige Tischler als Fachkundiger den Belagerungsmaschinen zugeteilt. "Du hast die Dinger gebaut, dann isses wohl am besten wenn du den andern zeigst wie die Teile funktionieren. Und bis wir über die Mauern sin bleibst du am besten auch bei diesen Todbringern, damit das nich wieder ein Reinfall wird.", wurde Argon ein paar Tage vor der Schlacht gesagt.
Er tat auch wie ihm geheißen und half wo er konnte, um die Mauern zum Einsturz zu bringen. Mittlerweile war die Situation jedoch zu gefährlich um weiter mit so vielen Katapulten auf die Festung zu schiessen, zu viele Soldaten aus den eigenen Reihen würden sinnloser Weise ihr Leben lassen. Außerdem waren die Truppen des Königs bereits längst "über der Mauer" und jagten innerhalb der Festung nach verbliebenen Setarrifern. Wenn nicht Adanos selbst in diese Schlacht eingreifen würde, dann war Silbersee schon so gut wie erobert.
"Verdammt nochmal Kerdric und Erec müssen doch auch irgendwo dort unten sein. Ich muss sie finden und ihnen helfen. Und wenn ich zu spät komme... bei Innos dann werde ich sie rächen und sie zumindest anständig beerdigen.", ging es Argon durch den Kopf und er rannte mit gezogener Waffe und ein paar anderen der Belagerern hinauf zu den Mauern.
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»Verdammter … Mistkerl … wenn ich dich … kriege«, flüsterte Kerdric keuchend, als der Angreifer, der sich so unerwartet und unbewaffnet auf ihn gestürzt hatte, in Richtung des Bergfrieds verschwunden war. Doch eigentlich war der Milizsoldat ganz froh darüber, diesen Kampf beendet zu haben, auch wenn man den Ausgang nicht unbedingt einen Sieg nennen konnte.
Aber er lebte, und so schleppte er sich nun durch die Burg, auf der Suche nach Kameraden und auf der Suche nach Arbeit. Von allen Seiten drangen Waffengeklirr und Geschrei an sein Ohr, doch war davon auszugehen, dass das nicht mehr lange andauern würde. Trotz allen Widerstands gelangten nun immer mehr myrtanische Soldaten in die Burg, und die kleine Garnison würde ihnen auf Dauer nicht standhalten können.
Da, atmete Kerdric nach einer Weile auf, als er einige Kämpfer des Königreichs erblickte, und eilte auf sie zu – jedenfalls war er in Eile, aber besonders schnell war er dadurch nicht, der Erschöpfung und den Verletzungen sei Dank. Dann hellte sich sein Gesicht noch mehr auf, als er Argon entdeckte. »Argon!«, rief er seinem Freund zu. »Gut, dir geht es gut … Erec habe ich irgendwann aus den Augen verloren, aber vielleicht finden wir ihn ja wieder.« Ein Kopfnicken deutete in Richtung eines Turms, aus dem Kampfeslärm drang. »Komm … bringen wir es zu Ende.«
Anderswo ergaben sich Verteidiger, andere hatten es bestimmt auch geschafft zu fliehen, doch inzwischen stand wohl fest, dass die myrtanische Armee nur noch ein paar Schritte vom Sieg entfernt war. Nur noch ein paar letzte Anstrengungen, dann hatten sie es geschafft. Und überlebt. Aber, bei Innos, bitte nicht zu viele andere Tote, betete Kerdric stumm. Viele Kameraden hatte er fallen sehen, einige von ihnen würden nicht wieder aufstehen. Und auch wenn es seinen Freunden gut ging, hoffte er, dass auch die übrige Streitmacht von einer Katastrophe verschont geblieben war, von einem Sieg, der durch die Verluste zur Niederlage wurde.
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Die Welt, wie sie war und immer sein wird, war, wenn man alle Geräusche ausblendete, ein Hort leidlicher Stille, dem nichts zu entlocken war, bis auf die Weisungen, die man ignorierte. Tat man es nicht, so waren der Geräusche viele, doch der Informationen wenige, wenn man sich nicht darauf beschränken wollte, zu erfahren, was um einen herum lauerte, sondern das Wesen der Welt an sich erkennen sollte. Die damit verbundene Aufgabe war von solch essentieller Größe, dass ein Narr, wie seisuke einer war, daran zu scheitern verdammt war und es somit nur natürlich erschien, dass er jenen Menschen, der sich Meister nannte, um Rat fragte.
Der Hohepriester hingegen neigte lediglich den Kopf wenige Grad zur Seite und ließ ihn dann gleichsam gemächlich zurückwandern, während eine nichtssagende Maske sein Gesicht glättete und sein Mund nicht einmal mit einem Zucken verriet, dass er etwas zu sagen gedachte. Denn, die Wahrheit war, so schrecklich sie auch anmutete, er tat es nicht. Und als der Schüler noch nach Stunden keinen weiteren Versuch unternommen hatte, dem unausgesprochenen Befehl zu folgen, hatte der Hohepriester sich erhoben und war weiter dem Weg gefolgt, welchen sie bereits zuvor eingeschlagen hatten. Nordwärts zu dem Ort, der sich Silbersee nannte, hoffend, dass die Grenze, welche jener symbolisierte, so fließend wie ein Fluss und so fest wie eine Mauer war, die Jahrhunderte überdauert hatte und nur darauf wartete, dass ein Hohepriester sie unter seinen Finger zu Staub zerfallen ließ.
Der wahrhaftige Anblick jedoch, welcher sich den beiden Menschen offenbarte, war ein schwaches, rötliches Glimmen am Horizont, dort, wo das menschliche Auge die Burg Silbersee vermuten ließ. Und in seiner Weisheit beschied der Mann, der zu erhaben war, in eine Schlacht zu laufen, dass sie dort lagern würden, wo die Narren, die sich um Burgen stritten, ihn nicht finden würden. Und in einer formellen Geste bedeutete der Mann, der sich zu meisterhaft war, um mit Worten über das Erblickte zu urteilen, dass der Schüler sich auf den Boden setzen sollte. Und mit einem Handgriff, der zu einfach war, als dass der Mann, der ihn ausführte, sich König nennen sollte, griff der Hohepriester in den Boden und zog einen einzelnen Knochen heraus, wenngleich die Hand nur einen Wink vollführte und der Knochen sich selbst aus der Erde schälte. Und mit einem Reichen, welches einem Diener nicht ebenbürtig war, weil es mehr das Werfen eines Knochens vor dem Hunde war, schmiss der Lehrmeister jenes ehrerbietige Ding seisuke vor die Füße, deutete darauf und forderte Verstehen. Es war so einfach…
Geändert von Ardescion (13.12.2011 um 20:14 Uhr)
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Wieder keine Antwort. Nur die stille Weisung zu folgen und der Weg des Hohepriesters führte sie gen Norden, wo der Geruch von Feuer und Blut vom leichten Wind getragen, dem Dieb entgegenflog und ihn wieder einmal auf die Nachteile seiner guten Nase hinwies. Eine Schlacht wurde geschlagen, wohl wieder um ein bedeutungsloses Stück Land, was Seisuke vermuten ließ, dass Krieger Rhobars dort ihrem Irrglauben frönten. Doch dies berührte ihn kaum. Zu oft schon hatte Seisuke den Unsinn der Paladine erlebt und eigentlich war er damit beschäftigt seine eigene Schlacht zu schlagen. Denn der Gegner war er selbst und seine eigene Unfähigkeit die Weisungen seines Meisters zu deuten.
Wieder ein Knochen, diesmal ohne sein Skelett zu dem er gehören könnte und mit einem kaum hörbaren Seufzer nahm der Lehrling ihn auf. Das einzige was ihm klar war, war dass er noch nicht verstanden hatte, was der Meister ihn verstehen lassen wollte. Dieses Mal spielte der Dieb aber nicht mit der Magie. Alles was er tat war den Knochen in die Hand zu nehmen und zu denken. Wie ein Messer warf er den Knochen kreisend in die Luft und fing ihn wieder auf, wirbelte ihn ein paar Mal zwischen seinen Fingern umher und überlegte dabei, was es an diesem Ding zu verstehen gab. „Irgendwie fühle ich mich wie ein Dieb, dem sein Lehrer befohlen hat, in das Schloss des Königs von Myrtana einzubrechen.“, ob seine Worte nur ein Selbstgespräch waren oder an seinen Lehrmeister gerichtet, war nicht wirklich zu unterscheiden, „Eigentlich ist das hier nicht mehr als ein Knochen. Der letzte Überrest eines Wesens, welches schon lange in Beliars Reich eingekehrt ist. Nichts weiter als der Rest eines Endes, ein Überbleibsel des Todes, der seine Sense ein weiteres Mal in diese Sphäre hat fallen lassen. Soll ich einfach mit dem Rest der hier noch liegt den Tod selbst finden und fragen zu wem oder was dies gehört? Ich gebe es nur ungern zu, aber die Erleuchtung scheint sich mir nicht zu offenbaren…“
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"Kerdric!", Argon fiel ein großer Klumpen vom Herzen als er seinen Freund zwar verletzt, aber lebend sah. Und Erec scheint es also auch gut zu gehen, Innos sei dank, ging es ihm durch den Kopf und er richtete dankend ein Stoßgebet gen Himmel. "Mein Freund, der Kampf ist noch nicht vorbei.", sprach Argon und lief mit seinem Kameraden und den anderen Soldaten weiter um die restlichen Rebellen aufzureiben.
Einige der Häuser wurden schon durchsucht und überall waren Wachen postitioniert, und hielten Ausschau nach Flüchtigen. Argon war gerade mit Kerdric und zwei anderen Gardisten in einem Lagerhaus, auf der Suche nach verbliebenen Setarrifern, als plötzlich drei der verhassten Feinde hinter den hoch gestapelten Kisten hervorsprangen und mit gezückten Schwerten auf die Königstreuen losging. Da Argon, wie auch die anderen, vorausdenkend bereits seine Waffe gezückt hatte konnten sie den ersten Angriff gut abblocken. Doch einer der Setarrifer hatte seinen Angriff nur vorgetäuscht und versenkte sein Schwert mit einem schnellen Stich im Bauch eines der Soldaten. Dessen Waffenbruder schrie entsetzt den Namen des sterbenden Kriegers und griff jähzornig den Verräter an. Argon und Kerdric preschten sofort nach vorn um die Feinde zu überfallen und nicht noch einen tapferen Mann zu verlieren. Der Mörder fiel kurz darauf dem wütenden Soldaten zum Opfer und verlor erst einen Arm und danach sein Leben. Zu dritt schafften es die Streiter Innos auch die verbleibenden beiden Setarrifer an die Wand zu drängen. Hektisch begannen die Verräter Fehler zu begehen und lagen wenige Momente später zu ihren Füßen. "Verdammt nochmal lass uns blos schnell hier raus!", sprach Argon und half dem Gardist seinen sterbenden Kameraden unter freien Himmel zu tragen.
Draußen angekommen stießen sie auf Soldaten eines anderen Regiments, welche in größerer Zahl noch einmal das Lagerhaus durchkämmten. Kerdric und Argon zogen nach einer kurzen Verschnaufpause mit anderen Königsgetreuen weiter in Richtung des Bergfrieds.
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Narren! Innerlich fluchend musste Kerdric erneut zur Waffe greifen, als sich den Soldaten in einem Lagerhaus ein paar versprengte Rebellen in den Weg stellten. Verfluchte Narren! Warum taten sie so etwas? Ihr Kampf war verloren, nur ein göttliches Wunder könnte die Niederlage noch abwenden, aber dennoch stellten sie sich den myrtanischen Kämpfern in den Weg, um zu sterben.
Zumindest einige von ihnen. Andere bewiesen mehr Vernunft, wie Kerdric feststellte, als er mit seinen Kameraden in Richtung des Bergfrieds marschierte; andere ergaben sich und blieben am Leben, würden vielleicht einfach gegen ein Lösegeld freigelassen werden … um später erneut ins Feld zu ziehen. Der Milizsoldat verzog unwillkürlich das Gesicht bei diesem Gedanken, doch andererseits musste es wohl so sein. Man konnte keine Gefangenen niedermetzeln, und letztendlich war er froh über jeden Kämpfer, der hier die Waffen streckte.
»Denkst du, dass das das Ende ist?«, wandte Kerdric sich an seinen Kameraden. Schreie und Waffengeklirr nahmen ab, der Bergfried schien der einzige Ort – oder einer von sehr wenigen – zu sein, an dem sich noch Feinde befanden. »Setarrif ist jetzt auf sich allein gestellt. Wir haben sie von den Höfen im Norden abgeschnitten … wenn die Befestigungen noch stehen. Die ganze Gegend hier fällt auch weg. Bleibt nicht mehr viel übrig für die Rebellen.« Erschöpft wischte sich der Soldat Schweiß, Dreck und Blut von der Stirn. »Bei den Göttern«, flüsterte er und schloss die Augen. »So viele Tote. Ethorn soll dafür bezahlen und dann … haben wir hoffentlich endlich unsere Ruhe.«
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„Was glaubt ihr, werden wir auf der anderen Seite der Lärmquelle finden, seisuke?“, fragte der Hohepriester mit eisiger Stimme, die selbst den kalten Nordwinden noch Konkurrenz machen konnte, und deutete mit dem Zeigefinger der Linken gen Norden. Es war schwer zu begreifen für einen Mann seines Standes, dass sein Schüler nicht fähig war, sich der Worte, die er so oft offenbart hatte, zu erinnern, um ihnen dann zu folgen. All das Gerede vom Begegnen des Todes, dem Finden der Seele, dem Binden derselben an das Skelett, welches er besaß.
Der Hohepriester hob mit einer Handbewegung die restlichen Knochen aus dem Boden. „Nichts. Weil wir nie über diese Lärmquelle hinauskommen. Jene, dir dort kämpfen, sind entweder Setarrifer oder Thorniara oder beide. Ob gegeneinander, untereinander oder miteinander spielt dabei keine Rolle. Unser Leben wird sein Ende an diesem Ort finden, wenn wir ihnen begegnen. Wollt ihr erst so dem Tod begegnen, ehe ihr euch mit dem Wissen, welches sich euch mühsam angedient hat, ein weiteres Mal an dem Zauber versucht. Es wird keine Worte mehr geben. Ihr werdet es probieren müssen, blind wie ihr seid, doch immerhin mit einem Funken Licht mehr, als noch zuvor, welches euch auf diesem Weg geleiten wird. Das Wissen, junger Narr, ist das Licht und der Weg ist die Suche nach der Seele.
Magie ist nicht vollkommen in Theorien und Gedanken manifestierbar. Sie ist eine Empfindung, die über jeglichen menschlichen Sinn hinausgeht und euch eine Welt zu offenbaren vermag, die ihr nie zuvor zu entdecken geglaubt habt. Doch sie verlangt eure Stärke, eure Inspiration, eure Herrschaft, euren Willen, euren Mut. Nennt es, wie ihr wollt. Doch eines solltet ihr niemals tun. Euch feige hinter der Hilfe, die ihr zu finden glaubt, verstecken, bis jemand euch bei der Hand nimmt und führt. Und nun beginnt.“, befahl der Hohepriester seelenlos.
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Mit einem tiefen Atemzug bereitete sich der Lehrling vor, legte die Hände ineinander, schloss die Augen und sammelte seine Gedanken. Statt jedoch sofort zu beginnen fügte er erst jenes Wissen zusammen, welches ihn sein Lehrmeister in seinen rätselhaften Worten eingeflößt hat, denn er war unzufrieden mit sich selbst, ob seiner Unfähigkeit die Weisheit seines Lehrmeisters zu erkennen: „Beginnen wir ganz von vorne. Dieser Hohepriester hat schon wieder gesagt, dass ich eigentlich schon lange alles wissen sollte, was nötig ist. Vergiss diese Knochen. Was habe ich als erstes gelernt, als wir das Kastell verlassen haben? Nur die dunkle Magie Beliars ist es, die einem Magier erlauben kann, dem Tod in einer Weise zu begegnen, wie es kein anderer kann. Ich muss es sein, der seinen Geist öffnet…ich muss es sein, der in die Sphäre Beliars schaut und dort den Geist unterwirft, den es zu binden gilt. Nur einer Magier Beliars kann dies vollbringen, also wird mir nichts diese Aufgabe abnehmen können. Ich muss in das Reich des dunklen Herrn vordringen ohne selbst ein Teil davon zu werden.
Wie kann man das schaffen? Des Geist eines Wesens befindet sich in der Sphäre Beliars“, und mit diesem Gedanken erhob der Dieb den gesenkten Kopf, von Erkenntnis erschlagen, „Dann muss doch mein Geist ebenso schon in Beliars Sphäre sein. Durch meinen Körper habe ich vielleicht eine Verbindung in Adanos‘ Sphäre, aber wenn mein Geist in Beliars Reich liegt…dann liegt es an mir meine Augen zu öffnen. Die Welt des dunklen Herrn zu erblicken, einen Geist dort zu suchen und zu unterwerfen.“ Dann öffnete Seisuke seine Augen und nahm den Knochen vor ihm in die Hand. „Mein Wille ist der Schlüssel, mein Geist das Tor, die Magie ebnet den Weg und dieses Ding wird mir die Richtung zeigen.“, sprach der Lehrling leise in seiner Konzentration. Der Tod war es, den er sich vor sein Geistiges Auge rufen sollte, der Angriff der Vögel, als die das Kastell verlassen hatten, war ein Beispiel. Das sinnlose Töten im Norden von ihnen ein anderes. Schmerz, Angst, Hass, Zerstörung, Neid, Hunger, Wahn, alles was den Tod eines Wesens herbeiführen konnte, galt es zu erobern. Alle jene Gefühle suchte Seisuke wachzurufen, aber nicht in ihnen zu vergehen, sondern zu erkennen und er entließ einen Strom der Magie, nicht in die Sphäre Adanos, sondern in sich selbst hinein.
Wie in einem Schleier aus Nebel zu wandern, war das Gefühl, um ihn herum die Schreie, die von Schmerz und Angst und Neid erfüllt waren. Aber in seiner Hand fühlte er eine Kraft, die ihn durch den Nebel zog und führte. Bis an einen Punkt an dem der Schatten eines kleines Wesens, vielleicht einer Maus oder Ratte, im Nebel flackerte und der Sog Seisukes Hand dem entgegen führte. Jener sollte es sein. Der Geist, den es gefangen zu nehmen galt und der Lehrling lenkte den Strom der Magie, auf dem er wanderte, dem Schatten entgegen, ließ ihn den Geist festhalten und bewahrte ihn in eisernem Würge griff. Nun schaute er wieder mit den Augen des Fleisches, warf den Knochen in seiner Hand, den anderen entgegen und zog nun das andere Ende des Magiestroms aus ihm heraus. Wie ein Tier, das frisch in die Jägerfalle gefallen war, zappelte die Seele des Wesens mit aller Kraft und versuchte der Gewalt der Magie zu entrinnen. So trieb es Seisuke den Schweiß der Anstrengung ins Gesicht, doch ohne Gnade oder Nachlass zog er die Stränge der Magie fester den Knochen entgegen.
Als er jene dann endlich erreichte entstand die Verbindung fast wie von selbst. Die Magie floss in die Knochen, band diese zusammen und entlang des Weges der Magie folgte der Schatten, welcher diese Knochen beleben sollte. Dann berührte er seine neue Gestallt und die Knochen erfüllte ein Unleben, das sie bewegte und zusammensetze, bis sie die Form des Skeletts einer großen Maus oder kleinen Ratte annahm. Die Anstrengung war Seisuke deutlich anzusehen. Der Geist des Tieres wehrte sich immer noch vehement, darauf gefasst in jenem Moment, da Seisuke den Würgegriff, in dem er den Geiste hielt, lösen würde. Aber dies geschah nicht. Ganz im Gegenteil, Seisuke ließ die Stränge der Magie immer fester werden. Er flüsterte dem Skelett den Befehl zu gehen und das untote Wesen gehorchte. Mit zittrigen Schritten, so als würde das Skelett jeden Moment zusammen fallen, setzte es einen Fuß vor den anderen und als Seisuke dies sah, formte sich ein Lächeln auf seinem Gesicht, den Erfolg feiernd, den er so mühsam aufrecht erhielt.
Doch nur von kurzer Dauer war die Freude, den eben jene war es die seinen Willen lockerte und wie ein gespannter Bogen zog sich der Aufbau der Magie zusammen. Der Geist entwich dem Skelett, die Knochen verloren ihre Form und ein gewaltiger Schmerz, gleich den Worten eines Dämons, durchfuhr Seisukes Kopf, als sich der Geist des Wesens den Weg zurück in Beliars Sphäre bahnte. Von diesem Kopfschmerz übermannt, ging der Dieb in die Knie und hielt sich mit der Hand in seine silbernen Haare greifend die Stirn fest.
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Silberseeburg
In Rethus‘ Unterkunft war der Schutt von der Decke herabgefallen. Zum Glück gab es keine größeren Schäden, sodass er sein Zeug unbeschadet bekommen konnte. Schnell verstaute er sein Gold, legte anschließend seinen Waffengurt an und steckte sein Schwert in die Scheide auf seinem Rücken. Es war eine der Gruftklingen, die er bei sich trug. Die andere hatte Rubin an sich genommen. In seinem Zustand konnte er allerdings sowieso nicht mit der Waffe kämpfen. Dennoch lag ihm an ihr ziemlich viel. Das restliche Reisegepäck, was Lagerausrüstung und Proviant betraf, musste er zurücklassen. Er würde jetzt auf gar keinen Fall mehr wegbekommen. Noch dazu wurde das Gebäude ein weiteres Mal erschüttert und noch mehr Schutt kam von oben herab.
Rethus musste schnell wieder raus. Seinen Kurs würde er allerdings nach draußen einschlagen. Er wollte nicht wieder in dem Gasthaus verschwinden, da diese Schlacht verloren war. Sobald die Innosler festgestellt haben, dass es sich bei dem Glatzkopf um Rethus handelte, würden sie ihn später einsacken und nach Thorniara bringen, wo ein längerer Knastaufenthalt auf ihn warten dürfte. Sein Talent zu fliehen nutzte ihm in dem Moment auch nicht, solange sein rechter Arm völlig unbrauchbar war.
Wieso musste diese Schlacht ausgerechnet dann stattfinden, wenn er lernt, mit links kämpfen zu wollen?
Sein Weg führte hinaus. Immer noch tobten die Kämpfe. Dennoch erkannte man, wie Gawaans Soldaten nach und nach Zeichen der Niederlage gaben. Die meisten von ihnen hatten sich entweder ergeben oder sind in das Gebäude wie Rethus geflohen. Das machte seine Flucht noch schwieriger. Aber er wusste, es gab in Richtung Süden an der Stadtmauer einen großen Heuhaufen. Diesen erblickte der Glatzkopf jedes Mal, sobald er von Tooshoo nach Norden lief. Das konnte seine Rettung heißen.
So schnell er konnte, rannte er wieder durch die Kämpfenden hindurch auf eine Treppe der Mauern zu. Sollte ihn jetzt jemand aufhalten, war dies das Ende für ihn. Neben ihm mussten sich weitere Soldaten ergeben, als ein ganzes Bataillon von Bogenschützen auf die Betroffenen zielte. Hoffentlich haben sie ihn übersehen.
Er erreichte die Treppe. Doch von oben schritt langsam eine Frau herab. Sie trug einen Speer… und gehörte zu Rhobars dienern.
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Nachdem einige der Soldaten die Leiter erklommen hatten, war Ravenne gefolgt, auf Risiko, aber was anderes war eine Schlacht kaum. Sie war oben gewesen, bevor man durch das Tor gebrochen war, und sie hatte gekämpft. In dieser Schlacht erhielt sie mehr Übung als während ihrer gesamten Lehre an der Waffe. Diese Gegner wollten ihr an den Hals, wollten sie töten. Manche waren hochkonzentriert, andere versuchten, sie mit Worten aus der Reserve zu locken, Dinge, die ihr neu waren, in Übungskämpfen hatte sie sich meist zu sehr konzentriert, so auch ihre Übungspartner.
Am Anfang der Schlacht kam sie noch zurecht, war ausgeruht gewesen. Mittlerweile waren ihre Arme ermüdet und die eine oder andere kleinere Wunde hatte sie auch davongetragen. Bisher nichts Lebensbedrohliches, wie sie es einschätzen konnte. Die anderen aus der Dritten hatte sie aus den Augen verloren, dafür hatten sie es geschafft, diese Mauer zu befreien, wenn man es so nennen wollte. Sie schaute in den Hof. Signale erklangen, aber diese kannte sie nicht. Man hatte ihr die Signale vorher noch erklärt, und wenn sie sich an dieses nicht erinnerte, hieß das wohl, es gehörte zu den Soldaten der Burg. Der Blick in den Hof bestätigte es, die Soldaten gaben auf. Die Stumme lockerte ihre Schultern. Es war vorbei, sie würde Speer und Schild endlich weglegen können. Sie wandte sich der Treppe nach unten zu, um zu helfen, die Soldaten Ethorns zusammenzutreiben, doch gerade als sie die Treppe hinabstieg, stand unten ein Mann und schaute zu ihr auf. Irgendwie kam er ihr bekannt vor. Glatze, kräftiger Bau, und sein Blick wirkte ... erstaunt? Erschrocken? Auf jeden Fall war dieser Mann nicht gerade froh oder erleichtert, die Ordensmaid zu sehen. Eine Uniform oder einen Waffenrock trug er nicht, so war alles, was sie über diesen Mann aussagen konnte, dass er nicht zur Armee Rhobars gehörte. Ein Soldat Ethorns oder ein Gast Gawaans? Wie auch immer, er musste mit diesen Häretikern unter einer Decke stecken. Sie fasste den Speer fester und hob den Schildarm. Natürlich konnte er kehrt machen und fliehen, sie würde ihm kein "Bleib stehen!" hinterherschreien können und sie würde keinen Alarm schlagen können - aber das wusste der Fremde nicht. Mit erhobenem Speer kam sie auf ihn zu, verschätzte sich jedoch mit der Höhe der Stufen, konnte wegen des Schildes nicht nach unten schauen und stolperte. Sie könnte sich abfangen, aber dann müsste sie den Schutz des Schildes aufgeben und den Speer fallen lassen, außerdem hatte sie am Fuß der Treppe keinen Platz, um zuzusehen, möglichst unbeschadet zu landen und sich abzurollen.
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Der Glatzkopf blieb wie angewurzelt stehen. Erkannte sie sein Gesicht? Würde sie wissen, dass es sich um Rethus handelte? Wieso sagte sie nichts? Der Glatzkopf ging wenige knappe Schritte zurück. Hinter ihm befanden sich Soldaten Rhobars. Sie konnten ihn einfangen.
Immer noch schritt die Frau langsam zu ihm herunter. Sie hob ihren Schild und machte ihren Speer bereit. Allerdings wirkte es nicht so, als würde sie ihn ernsthaft angreifen wollen. Ihr Gesicht zeigte Unsicherheit. Rethus fiel ein Stein vom Herzen. Das bedeutete, sie wusste nicht, wer er war. Noch dazu, zu seinem Glück, konnte sie ihn scheinbar nirgendwo hinstecken. Vielleicht glaubte sie nicht, dass er zu Gawaan gehörte. Das war womöglich genau die Frage, die sie sich gerade stellte. Weiterhin musterte sie ihn misstrauisch, den Speer fest umklammert und den Schild an sich gedrückt.
Plötzlich vernahm Rethus ein kratzendes Geräusch und kurz darauf verlor die Frau ihr Gleichgewicht. Sie musste abgerutscht sein. Sturz hin oder her… das war Rethus‘ Chance. Einen Kampf würde er haushoch verlieren. So schnell er konnte sprintete er an der gestürzten Frau vorbei die Treppe hinauf.
„Da!“ rief ein Soldat Rhobars. „Da rennt einer weg! Er ist anscheinend doch kein einfacher Bauer.“
Der Glatzkopf fand sich auf der Mauer wieder. Von unten versuchten zwei Männer herauf zu kommen. Gerade kam auch die Frau wieder auf die Beine. Vor ihm auf der Mauer rannte ein weiterer Soldat heran. Schnell raste der Schwarzgekleidete auf diesen zu, um kurz vor ihm seinen Absprung zu schaffen. Er landete mitten in dem Heuhaufen. Lediglich sein Knie hatte er sich dabei geprellt. Er musste weiter.
„Er entkommt!“
„Lasst ihn, wenn er ein Soldat Gawaans wäre, würde er nicht desertieren.“
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"Das Ende? Sieht ganz danach aus oder?", antworte Argon seinem Kamerad auf die wohl eher rhetorisch gemeinte Frage. "Ich weis nicht ob man das jetzt schon sagen kann, immerhin sind wir noch mitten im Kampf, aber der Sieg ist uns sicher nicht mehr fern. Wenn wir Glück haben müssen wir nichtmal mehr zu unserer Waffe greifen, bald schon werden wir als Helden zurück nach Thorniara kehren, mein Freund. Lass uns das hier endlich beenden und die Flagge hissen." Kerdric nickte dem ehemaligen Tischler zustimmend zu und zusammen schritten sie entschlossen zum Bergfried. Auf dem Weg wurden sie wiedereinmal mit den zahlreichen Toten auf den Straßen konfrontiert und für einen ganz kurzen Moment hatte Argon erneut Zweifel daran ob dieses Schlachtfeld hier wirklich das ist wonach man im Leben streben sollte.
Schlieslich kamen sie zu dem Hauptgebäude der Burg, doch statt dieses mit den anderen Soldaten einzunehmen wurde Argon auf etwas aufmerksam das sich nahe der Mauern regte. Am Fuß einer Treppe kroch ein Soldat auf allen Vieren, wie Argon feststellen musste sogar einer mit dem Wappen des Königs! "Kerdric, da ist jemand verletzt! Wir müssen ihn retten!", wandte sich Argon zu seinem Waffenbruder und eilte zu der Treppe. Bei dem Verwundeten angekommen musste Argon feststellen das es sich nicht um einen Soldaten, sondern um eine Schildmaid handelte. "Beweg dich nicht, wir helfen dir.", versuchte Argon die Verletzte zu beruhigen, mit Erfolg. Ein gezwungenes, dankbares Lächeln zeigt sich auf ihrem Gesicht als die beiden Königstreuen sie vorsichtig an Armen und Beinen packten und weg vom Kampfgeschehen trugen.
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Ravenne!, zuckte ein erschrockener Gedanke durch seinen Kopf, als Kerdric gemeinsam mit Argon zu der Verletzten hinübergeeilt war und sie erkannt hatte. Rasch bückten sie sich, hielten nach schweren Wunden Ausschau, aber zumindest dem Anschein nach befand die Ordenskriegerin sich nicht in Lebensgefahr. Dennoch waren die Soldaten vorsichtig, als sie ihr halfen aufzustehen und sich auf die Suche nach dem Ort machten, an dem sich nun das Lazarett befand.
Denn inzwischen sah man die Fahne des myrtanischen Königreichs über der Burg flattern, der letzte Widerstand schien gebrochen, und so wurden sicher schon irgendwelche Räumlichkeiten vorbereitet, um die Verwundeten zu versorgen. Einen Moment lang überlegte Kerdric, ob er sich selbst ebenfalls behandeln lassen sollte, verwarf den Gedanken dann aber wieder. Verbluten würde er in absehbarer Zeit nicht, und hier hatte es definitiv einige Soldaten schlimmer erwischt als ihn. Heisere Schreie und Stöhnen waren zu hören, überall sah man Blut, und Übelkeit stieg in dem Milizsoldaten auf, als sein Blick auf einen Kameraden mit aufgeschlitztem Bauch fiel.
»Bloß weg hier«, murmelte er und wandte sich ab. »Bei Innos, allein dafür sollte Ethorn am nächsten Galgen baumeln. Aber immerhin«, fuhr er fort und ließ den Blick für einen Moment auf der Flagge ruhen, »wird das nicht mehr lange dauern. Jetzt ist die Burg gefallen, und bald kommt Setarrif an die Reihe.«
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Die Schlacht war vorüber. Damit war aber noch längst nicht alles überstanden. Mendon wusste das nur allzu gut. Er war ein langgedienter Soldat im Heer des Königs und im Augenblick damit beschäftigt, die oberste Feuermagierin zu bewachen. Françoise lag nun, nachdem die Kämpfe vorüber waren und man sie vom Feldlazarett in die Burg gebracht hatte, in einem der verlassenen Gemächer in einem Bett. Seit ein junger Mann sie schwer verletzt im Wald gefunden und in Sicherheit brachte hatte, war sie ohne Bewusstsein gewesen.
Vier Jahrzehnte diente Mendon bereits als Soldat und besaß zudem umfangreiche Erfahrung als Barbier. So manchen seiner Kameraden hatte er in längst vergangenen Schlachten vor dem sicheren Tod bewahrt. Er sagte immer, dass er das Kriegshandwerk von seinem Vater erlernt hatte. Das Wissen um Kräuter, Salben und Verbände hatte er jedoch seiner Mutter zu verdanken. Und aufgrund dieses Wissens war die Wahl auf ihn gefallen, Françoise zu bewachen und zu umsorgen. In Ermangelung von richtigen Heilern, die sich auf Tränke und sogar Magie verstanden, erschien es die beste Lösung zu sein. Mendon tat unterdessen was in seiner Macht stand. Ihm war es sogar gelungen, den Bolzen aus der Brust der obersten Feuermagierin zu entfernen. Nun wechselte er regelmäßig die Verbände der Zauberin und wusch ihre Wunde mit einem heilsamen Sud. Ihren augenblicklichen Zustand vermochte er dadurch aber nicht zu verändern.
Anfangs hatte Mendon sich nicht so recht getraut, überhaupt Hand an die Priesterin zu legen. Er war noch nie besonders fromm gewesen. Was wohl auch der Grund war, dass er es niemals über das Leben als einfacher Soldat hinaus geschafft hatte. Doch als er Françoise im Feldlazarett verletzt auf einer Bahre liegen gesehen hatte, war es Mendon mulmig zumute geworden. Sie hatte so friedlich ausgesehen und wäre das Blut nicht gewesen, Mendon hätte vermutet, dass sie schliefe.
Auch nachdem man Françoise in die Burg getragen und dort in ein Bett gelegt hatte, blieb sie vollkommen regungslos. Mendon wusste nicht, was er noch tun sollte. So saß er schließlich stundenlang neben dem Bett und betrachtete stumm das Gesicht der Priesterin. Er versuchte einzuschätzen, wie alt Françoise wohl sei. In seinen Augen erschien sie ausgesprochen jung, vor allem für ein Amt wie dem ihren. Dennoch gelang es dem Soldaten nicht, sie wirklich einzuordnen. Sie sah für ihn so seltsam zeitlos aus. Jung und auch wieder nicht. Vielleicht liegt ein Zauber auf ihr, mutmaßte Mendon und kam zu dem Schluss, dass das bei Magiern nicht einmal besonders abwegig war. Andererseits sah es für ihn nicht unbedingt wie typische Zauberei aus. Darunter verstand er in erster Linie Feuer und Blitze und ähnliches Feuerwerk. Mendon hoffte nur, dass - wenn es denn tatsächlich mit Zauberei zuging - sie der Priesterin helfen würde. Er konnte es nicht.
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»Ach übrigens … pass auf deine Füße auf«, wurde der Dieb von der Frau gewarnt, doch zu spät. Sein Fuß verschwand plötzlich im Nichts und eine unangenehme Kälte umschloss sein Bein. Erschrocken stolperte er zurück und fiel zu Boden.
Was zur Hölle war das?, fragte er sich entgeistert. Estefania trat zu ihm heran und reichte ihm die Hand, um ihm auf die Beine zu helfen.
»Wir sind schon im Sumpf angekommen. Es kann nicht mehr weit bis nach Tooshoo sein.«
»Was war das, was genau ist ein Sumpf?«, fragte der Dieb, der immer noch die Kälte an seinem Bein, das versunken war, verspürte. Er empfand das Gefühl von Nässe, aber er traute sich nicht, an seinem Körper hinunterzublicken.
»Du weißt nicht, was ein Sumpf ist?«, fragte die Frau erstaunt.
»Ich kenne das Wort, aber ich habe ein Großteil meines Lebens in einer Wüste verbracht«, rechtfertigte sich der Dieb. »Bei uns wechseln sich nur Stein- und Felswüsten miteinander ab, von ein paar Oasen mit Palmen abgesehen.«
»Ein Sumpf ist … «, begann Estefania, hielt inne und schien zu überlegen, wie sie fortfahren sollte. » … nass«, endete sie schließlich. »Eine riesige Pfütze.«
Nach Estefanias ausführlicher Erklärung betrachtete der Dieb den Ort, an dem er sich befand genauer und sah tatsächlich das Wasser, das durch die vielen Weidengebüsche, Hochstauden und Gräser nur schlecht zu sehen war.
Ein kleiner See, dachte der Dieb. Und ich bin natürlich voll hineingestiefelt.
»Ich dachte, du wärst viel gereist?«
»Ja, aber einen Sumpf habe ich auf keinen dieser Reisen gesehen. Dafür hatte ich bereits andere unangenehme Erfahrungen mit Wasser … sind solche Sümpfe tief?«
»In der Regel nicht, aber man sollte dennoch achtsam sein. Achte auf den Pfad, dann bleiben deine Füße trocken.«
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Steinbrücke nach dem Orkwald
Der Blick zurück gen düsteren Wald war nicht lange. Es lag wohl in beider Interesse den gefährlichen Orkwald hinter sich zu lassen. Vor Morgengrauen waren sie schon da durchgewandert und vielleicht hatten sie wirklich nur Glück, dass nichts weiter geschah. Dort in diesem düsteren Wald wurde man irgendwie immer beobachtet.
Blickte man indes nach vorne, waren sie vor einer kleinen Steinbrücke. Irgendwann danach käme auch Burg Silbersee. Doch einfach so drüber latschen wollte Onyx nicht. Zu gut waren die Erinnerungen an damals, als ihn Gobbos gefangen nahmen und er letztlich nur dank des Zufalls wieder frei kam.
"Gehen langsam auf Brücke und pfeifen Lied. Onyx hier lauern. Vielleicht Gobbos unter Brücke. Onyx schon erlebt. Sein bereit. Los!", wies der Hüne an und wählte seine Position bedacht.
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Pfeifen... Andrahir spitzte die Lippen ein wenig und stieß durch die Zunge geformt Luft hinaus. Ein leises Säuseln entkam seinem Mund, doch ein Pfeifen... nein. Verärgert leckte er sich einmal über die Lippen und versuchte es erneut. Wieder nichts. Verdammt... warum musste Onyx genau das fordern, was er noch nie konnte. Aber egal... darauf kam es wohl auch nicht an. Darum drehte er sich, nachdem sein Begleiter ihm einen belustigten Blick zugeworfen hatte, stolz um und begann eine Melodie vor sich hin zu summen.
Ein Griff an den Schwertknauf stellte sicher, dass die Waffe wirklich im Notfall sofort herausgezogen werden konnte.
Goblins... die dummen Viecher hatten zuweilen mit fünfzehn Leuten oder so versucht Thorniara einzunehmen... dumme, dumme Wesen. Immerhin hatten sie es zuweilen geschafft ein bis zwei Torwachen umzunieten, bis jedem von ihnen ein Pfeil im Hals steckte. Aber die Torwachen waren auch mehr als zwei Personen gewesen...
Der Bogen, inzwischen gespannt, wippte in der linken Hand des Wächters zur Melodie und sein Weg über die Steinbrücke ging sich dank seiner guten Stimmung recht leicht an. Schließlich war Onyx auch ein ganz guter Schütze, was gab es also zu befürchten.
Mit mal klapperte es, als ein Schwert in einigen Metern Entfernung auf den Rand gelegt wurde und sich ein Mann darüber schwang. Zwei weitere folgten und stellten sich dem jungen Burschen in den Weg. Alle drei total heruntergekommen, der eine grinste mit halb verfaulten Zähnen und strömte einen Geruch aus, mit dem er jedes Stinktier vertrieben hätte.
Der Mann, der als erstes hervorgesprungen war, war vielleicht ein paar Jahre älter als Andrahir. Wirkte verschlagen, aber nicht besonders intelligent. Der dritte verbarg sein Gesicht mit einer umgebundenen Scavengerhaut.. sah ziemlich dämlich aus.
"Gib uns alles was du hast, oder du bist tot!" sprach der mutmaßliche Anführer schroff mit greller Stimme.
Zwei von ihnen mit schartigen Kurzschwertern bewaffnet, der dritte mir einer Keule, die ihm offensichtlich zu schwer war, weshalb er es vorzug die schwere Seite auf den Boden zu stellen. Andrahir hatte noch nichtmal sein Schwert gezogen, obwohl er sogar jetzt noch die Gelegenheit hatte, da die Wegelagerer noch einige Meter entfernt waren. Sie wollten ihr Opfer wohl erst einschätzen. Er kratzte sich die Stirn und ging ein paar Schritte zur Seite um sich gespielt lässig auf die Steinmauer, die die Brücke begrenzte zu setzen. Für die Banditen mochte es den Eindruck machen, er wolle sie provozieren, doch eigentlich diente es nur dazu Onyx die Schussbahn frei zu halten.
Sie sahen wirklich erbärmlich aus... wahrscheinlich hätte er es mit einigen Wunden sogar selbst geschafft sie zu vertreiben. Drum blieb der Spott nicht aus, den sie wohl nicht erwartet hatten.
"Fällt euch nichts griffigeres ein, als die die dumpfe Drohung? Ich mein... wie wärs mit 'Wir sind die Jungs von nebenan und ziehen dir die Beine lang'? Oder vielleicht ein abwechselnder Sprechchor." Er zeigte auf den Typen mit den vergammelten Zähnen. "Du fängst an... dann die anderen hinterher... 'Ich bin heut besonders stinkig, darum hier steh und wink ich...' Ein Fingerzeig auf den vermummten. "Mein Gesicht, das ist so hässlich, darum bin ich heute grässlich..." Nun war der dritte an der Reihe, aber bevor der Poet weitere Werbetipps geben konnte wurde er unterbrochen.
"Genug... meinst du, du kannst uns zum Narren halten? Rück deinen Kram aus, oder es wird dir schlecht ergehen." Um seine Aussage zu unterstreichen, trat der Anführer einen Schritt vorraus... was aber nicht so seine Stärke verdeutlichte, wie er vielleicht dachte... irgendwie wirkte er etwas verhalten.
-"Mhh... du willst wohl nicht dazulernen, was?" Wütend nickte der mittlere seinen beiden Kumpanen zu und gemeinsam näherten sie sich mit erhobenen Waffen dem Wächter, der immernoch seelenruhig da saß, sich aber schon innerlich darauf vorbereitete gleich aufzuspringen und seine Waffe zu ziehn. Als er die Hand hob und begann zu sprechen, blieben die verwirrten Halunken wieder stehen.
-"Aber, aber meine Herren... nicht so voreilig. Hab ich schon erwähnt, dass da ein weißer Zwerg bei den Bäumen sitzt und nur darauf wartet, mich zu unterstützen? Der nimmt euch alle auseinander... außerdem hat er heut noch nicht gefrühstückt... ich glaub dich würde er als erstes Essen" Er deutete auf den Anführer.
Dieser schüttelte verärgert den Kopf. "Ach der erzählt doch nur Mist... schnappt ihn euch endlich!"
So ganz sicher schienen sie noch nicht und zögerten.
-"Ja stimmt... er hat recht... da sitzt gar kein weißer Zwerg sondern ein schwarzer Riese... der isst euch zwar bestimmt nicht, aber macht andere Sachen, wenn ihr seine Ruhe stört... ja so ist er der Onyx!"
- "Greift an!"
- "Oh... ihr glaubt mir nicht?" Bevor die Wegelagerer sich dazu durchringen konnten wirklich anzugreifen, drehte sich Andrahir zum Wald um und rief:
"- ONYX! DIE DREI KERLE HIER BEHAUPTEN ALLE SCHWARZEN SEIEN ALS KIND IN DEN MISTHAUFEN DER KÜHE GEFALLEN! WAS SAGST DU DAZU?"
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Steinbrücke nach dem Orkwald
Ob Gobbos oder Wegelagerer - sein Schüler war ja noch dümmer. Aber er konnte eben nichts dafür, immerhin sprach er wie alle von diesen Weißbroten mit langen Haaren wie eine Frau - immer viel zu viel, statt Taten folgen zu lassen.
Taten ließ Onyx folgen als es dann wieder erwarten los ging.
Der Hüne schritt mit gespannten Bogen aus der Böschung, wurde kurz vom Sonnenlicht geblendet und fokussierte dann sein Ziel. Leicht ging er in die Hocke, biss die Zähne zusammen, hielt die Luft an und zog die Sehne noch mal an. Dann ließ er seinen Instinkt folgend los und sah zu wie sein Pfeil den Oberschenkel seines Ziels durchschlug.
Es schrie auf und ließ sich zu Boden fallen. Beide Gefährten stoppten aufgrund der neuen Situation, während Andrahir zu seiner Waffe nun auch griff und etwas Abstand schuf.
"Du reden wie Weib von waschen Kleidung...", knurrte Onyx Andrahir an und näherte sich langsam, mit aufgelegten Pfeil, den drei möglichen Zielen.
"...in Minenkolonie gleich umgebracht alle. Nicht Witze gemacht über schwarze Brüder. Sein froh, dass Gorn nicht hier mit große Axt.", brummte er und zögerte nicht den nächsten Pfeil zu spannen und zu schießen, als einer versuchte dem anderen den Pfeil aus dem Bein zu ziehen.
Onyx löste so Probleme nunmal direkt und ohne moralisches Blabla.
Leider traf sein Pfeil nicht so, wie gewünscht. Er schoss zwischen den zwei Gesunden knapp vorbei. Sorgte aber wohl für den Moment, die so manche vor ihrem Tod erleben.
"Halt! Nein, wir ergeben uns!", schrie dann der mit seltsamen Scavengerkram am Körper. Onyx interessierte dies wenig, doch er blickte kurz zu Andrahir.
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