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    Post [Story]Der Weg des unbekannten Abenteurers

    Kapitel 1 - Eine besondere Begegnung mit einem Ork

    (...) Und plötzlich sah ich sie, eindrucksvoll und doch auf eine seltsame Weise bedrückend: Die sagenumwobene Stadt der Orks. Es hieß, weit im Inneren der Stadt stünde ein gewaltiges Monument, das die Orks verehrten. Ja, selbst die hohe Elite der Ork’schen Armee würde den Bau mit ihrem Leben verteidigen.
    Doch nun stand ich hier und der Bau, der nur halb so groß war, wie ich ihn mir bisher vorgestellt hatte, war zwar auf eine gewisse Weise beeindruckend – insofern, dass die Baukunst der Orks trotz ihrer Einfachheit immer wieder bewundernswert war – aber wirklich Aufsehen erregend war diese Stadt wirklich nicht.
    Doch das sollte mich nicht stören. Ich riss mich aus meinen Gedanken und setzte meinen Weg fort. Erst jetzt fiel mir auf, dass das Tor völlig unbewacht offen stand. Das verwunderte mich. Normalerweise waren Orkbauten gut bewacht. Wenigstens zwei Orks hüteten sonst immer die Eingänge zu ihren Lagern. Doch hier stand nicht eine einzige Wache. Ich wurde misstrauisch. Vorsichtig legte ich meine Hand an den Griff meines Schwertes. Langsam und nahezu lautlos zog ich den kühlen Stahl aus seiner reich verzierten Scheide. Große Krieger brauchen auch große Schwerter. Ich ließ das Schwert einige male zwischen den Händen hin und her gleiten. An die Schwere der Waffe hatte ich mich schon längst gewöhnt. Inzwischen hielt ich es auch nur noch in einer Hand, seitdem mir Scatty beigebracht hatte, wie man einen solchen „Einhänder“, wie er meine Waffe gelegentlich nannte, zu führen hatte.
    Auch das Schwert war, gleich seiner Scheide, mit vielen alt-khorinischen Symbolen und Eingravierungen verziert. Ich hatte es bei einem Händler in der berühmten Stadt Khorinis für einen guten Preis bekommen. Damals... Ich dachte nach... Vor fast einem Jahr war das. Nun musste ich dieses armselige Leben in einer trostlosen Kolonie fristen. Ohne eine Möglichkeit auf Entkommen. Die Barriere erst war es, die diese Gegend zu einem wahren Gefängnis machte. Jeder konnte herein, niemand aber hat es bisher geschafft, wieder aus ihr herauszugelangen.
    Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen: eben hatte ich einen markerschütternden Schrei gehört. Er war mir wohlbekannt, denn es war der eines Orks, das hatte ich sofort erkannt gehabt. Selbiger war von einem fast erloschenen Lagerfeuer auf dem Boden aufgestanden und gerade imstande, seine Waffe zu ziehen. Mein Schwert lag bereits fest in der Hand, bereit, vom einen auf den anderen Augenblick das armselige Leben dieses Orks auszulöschen.
    Doch er blickte mir in die Augen. Und auch ich sah nun dem Ork in seine dunklen Augen. In diesen Augen lag Angst. Wilde, unkontrollierte Angst. Er hatte die weite Überlegenheit seines Gegenübers erkannt, doch war bereit, für seinen Klan und seinen Glauben zu sterben. Ich aber bin kein Schlächter, wie es die gnadenlosen Gardisten im Alten Lager waren und fasste einen Entschluss. Der Ork kam auf mich zu, langsam, wie um jeden möglichen Augenblick seines in seinen Augen bald verstreichenden Lebens noch einmal zu genießen. Er senkte seinen Blick nicht, sah geradeaus, immer weiter, direkt in meine Augen, er schien in meine Seele zu blicken, als wollte er meine Gedanken lesen. Entschlossenheit und Angst. Ich aber legte mein Schwert auf den Boden, setzte mich behutsam auf die raue, steinige Erde, kreuzte die Beine übereinander und sah dem Ork nun eher freundlich und mild in die Augen, ließ aber auch den Stolz des Kriegers, der bei den Orks eine so verehrte Eigenschaft ist, aus meinen Augen sprühen. Der Ork merkte das. Er begutachtete mich noch eine Weile und nahm dann, immer seinen wachsamen, aufmerksamen Blick auf mich gerichtet, mir gegenüber langsam Platz. Wir saßen uns nun beide gegenüber, sahen einander an. Ich wusste was nun kommen würde, denn mit der Kultur der Orks war ich bestens vertraut. Wir schlossen beide die Augen. Ich fühlte, dass der Ork ruhiger wurde und mir vertraute. Auch ich wurde ruhiger und mein Atem ging wieder gleichmäßig. Vor dir sitzt ein Lebewesen, wie du. Es ist dir gut und nichts kann dir geschehen. Auch der Ork schien das zu spüren. Wir öffneten, verwunderlicherweise gleichzeitig, wieder die Augen und blickten uns gegenseitig an. Doch da, Plötzlich und schnell entschlossen ergriff er mein Schwert – kurzzeitig stockte mir der Atem. Automatisch setzte ich ein Bein nach hinten und beugte mich nach vorn, um den Ork mit einem schnellen Vorwärtssprung umzuwerfen. Doch ich hielt sofort inne, als ich bemerkte, dass er mit der Waffe nichts Gefährliches im Sinne hatte. Vielmehr stand er nun auf, drehte sich herum und kniete, wie im Gebete, nieder. Er wendete sein Antlitz gen Sonne und reckte mein Schwert in den Himmel. Er brabbelte irgendwelche, für mich natürlich unbekannte Worte vor sich hin. Was macht er da? Der Ork sah wieder auf die Waffe, nur, um im nächsten Moment wieder mit weit aufgerissenen Augen in den Himmel zu starren. Da fiel mir plötzlich ein, was das Possenspiel des Orks für eine Bedeutung hatte. Mich überkam ein Gefühl großen Stolzes und unermesslicher Ehre und ich sah dem Ritual nunmehr ehrfürchtig zu, denn direkt vor mir sprach ein Ork die Waffe eines Menschen heilig. Das passiert nur dann, wenn ein Ork den Besitzer des Schwertes als wahrhaft großen Krieger erachtet und anerkennt. Doch ich hätte niemals, nie, von einem Ork erwartet, dass er als „große Krieger“ auch solche ansieht, die nicht nur Wehrlose dahinschlachten und Schwächere niedermetzeln. Mein Erstaunen und meine Fastungslosigkeit wuchsen mit jeder Sekunde.
    Nach einiger Zeit verstummte der Ork. Er schloss die Augen und reckte das Schwert ruckartig und so weit es nur ging in den Himmel. Urplötzlich leuchtete das Schwert in einer gleißenden Helligkeit auf, sodass ich dazu gezwungen war, meine Augen zusammenzukneifen, um nicht möglicherweise bleibenden Schaden davonzutragen. Eine wohlige Wärme durchfloss einen Augenblick lang meinen Körper. Bald schon konnte ich wieder aufblicken. Das Schwert hatte sich äußerlich nicht wesentlich verändert, doch als der Ork es mir mit einem feierlichen Blick überreichte und ich den vertrauten Stahl wieder in der Hand fühlte, blitzte es kurz blau auf und durch meinen Körper strömte urplötzlich eine Energie, wie ich sie vorher noch nie kennen gelernt hatte. Ich war auf einmal sehr munter und mich durchfloss ein Tatendurst, wie ich ihn seit langem nicht mehr gespürt hatte. Ich ließ meine Waffe wie vorhin schon einmal durch die Hände gleiten. Sonderbar. Es war sehr leicht und der Griff lag nun perfekt in der Hand, obwohl Schaft und Klinge bis auf diese bläulich schimmernde Aura noch genauso wie vorher aussahen. Der Ork deutete indes auf meine neue Klinge. „Zohark!“, sagte er und ich wusste gleich, dass dies von nun an der Name meines Schwertes sei.
    Der Ork schien im Gegensatz zu mir nun eher sehr müde und erschöpft zu sein. Gerne hätte ich ihm einen Schluck meines guten Weines angeboten, doch ich wusste dass das Annehmen eines solchen Geschenkes den Ork in seiner Ehre schwer verletzen würde und so ließ ich davon ab.
    Ich reichte ihm jedoch die Hand. Wenigstens das bist du ihm schuldig. Doch dieser wusste in seiner Unkenntnis über die Kultur der Menschen nichts Rechtes damit anzufangen und sah mir verdutzt ins Angesicht. Sofort bereute ich diese eigentlich gut gemeinte Geste, zog die Hand krampfhaft wieder zurück, sah mich verlegen um und bemerkte bei dieser Gelegenheit das noch am Boden liegende Schwert des Orks. Ich bückte mich, hob die nur sehr grob angefertigte Waffe auf und reichte sie ihm. Er nahm sie entgegen, doch entging ihm dabei mein abfälliger Blick für die Waffe nicht. Der Ork nickte stolz und selbstbewusst und auch ich nickte ihm knapp entgegen. Er sah mir noch ein weiteres mal tief in die Augen, doch dann setzte er sich in Bewegung und schritt langsam an mir vorüber. Nachdem er jedoch einen kurzen Weg gegangen war, beschloss ich, ihn noch einmal anzuhalten und lief mit schnellem Schritt dem Ork hinterher. Bei ihm angekommen, legte ich meine Hand auf seine Schulter. Der Ork blieb stehen, drehte sich zu mir herum und wartete geduldig darauf, was nun passieren würde. Aus einem großen Beutel, den ich stets auf dem Rücken trug, nahm ich eine Axt, die weithin als „Berserkeraxt“ bekannt war. Du musst ihm irgendwie deinen Dank zeigen! Ich reichte ihm die schwere, mächtige Waffe und er nahm sie an sich. Was der Ork nun dachte, was er empfand, konnte ich nicht erkennen: Sein Gesicht war völlig ausdruckslos und seine Augen starrten auf die Axt, die er in den Händen hielt. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte und beschloss, so, wie ich es vorhin getan hatte, noch einmal zu nicken. Der Ork tat kurzzeitig nichts und sah zwischen der Waffe und mir immer wieder hin und her. Jetzt hast du’s dir mit ihm verscherzt. Tatsächlich zog der Ork seine alte Waffe und holte weit mit ihr aus; statt sie aber auf mich herunterfahren zu lassen, schlug er sie mit beeindruckender Stärke in einen morschen Baum neben ihm, reckte die Berserkeraxt mit stolz geschwellter Brust gen Himmel und stieß einen Schrei aus, dem es an Kampfgeist und Stolz nicht fehlte. Er senkte die Waffe wieder und wandte sich um. Ich sah ihm noch lange nach, wie er zielstrebig dem Horizont entgegen schritt. Mir war so, als hätte sich der Ork damals noch einmal nach mir umgedreht und noch einmal genickt. Ich jedenfalls stand an diesem Tag noch lange an der Stelle, an der ich einem Ork eine Waffe geschenkt hatte und zum ersten mal so etwas wie Vertrauen und Milde in den Zügen eines solchen Lebewesens gesehen hatte.
    Der Ork war inzwischem am Horizont nur noch ein winziger Punkt.
    „Zohark“, tönte es noch in meinen Ohren.

    The GulliJumper

    FORTESTZUNG FOLGT (hoffentlich)
    Geändert von The GulliJumper (26.07.2005 um 23:03 Uhr)

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    Post Kapitel 2 - Eine Katastrophe in der Orkstadt

    Inzwischen war der Abend angebrochen. Ich ermahnte mich, dass ich weitergehen müsse, um nicht den Rückweg in der Dunkelheit der Nacht antreten zu müssen. Also wendete ich meinen Blick wieder dem Weg zu. Keine Menschenseele. Ich korrigierte mich. Keine Ork-Seele. Beruhigter wäre ich gewesen, wären die Orks hier gewesen. Vielleicht ein Dutzend. Oder mehr. Aber das wäre immer noch besser gewesen, als dass gar keine Orks hier waren. Ich hasste das Gefühl der Ungewissheit.
    Ich hielt Ausschau nach möglicherweise wertvollen Gegenständen, die in den unbeholfenen Hütten der Orks liegen könnten, dabei immer darauf bedacht, möglichst wenig Geräusche zu erzeugen.
    Da sah ich die erste Ork-Leiche. Sie lag einfach so auf dem Weg da. Nicht, dass ich wegen ihr schockiert gewesen wäre – bei Innos, ich hatte schon genug Leichen gesehen – aber die Schlüsse, die sich daraus ergaben, irritierten mich. Jemand anders außer mir war hier. Oder er war hier gewesen. In jedem Fall war das beunruhigend. Leichen zogen einige Viecher wie magisch an und ich wusste, dass ein Razor Blut auf noch zweihundert Meter Entfernung riechen konnte; das hatten mir zwei Gardisten erzählt, die den Ausgang des Orkgebiets bewachten, durch den ich hierher gelangt war. Ich sah mich kurz um und ging dann zu der Leiche. Bei Beliar... ich konnte es nicht glauben. Ich rieb mir kurz die Augen und sah dann noch einmal hin. Nein... Der Ork hatte an nur drei verschiedenen Stellen aufgerissene Wunden. An der Form der drei Risse konnte selbst ein Anfänger erkennen, dass der Ork durch ein Schwert getötet worden ist.
    Doch wer konnte einen Ork mit nur drei Schwerthieben erledigen? Ich dachte gar nicht erst an untote Skelette. Sie waren zwar ernst zu nehmende Gegner, hätten es aber nie mit einem ausgewachsenen Ork aufnehmen können. Was konnte einen Ork mit drei Schlägen erledigen? Mir kam nichts in den Sinn. Jetzt erst fiel mir wieder ein, dass ich feststellen wollte, wie lang die Leiche hier schon lag. Ich bedachte sie mit einem prüfenden Blick... Noch nicht mal eine Stunde. Ich stand wieder auf, war nun jedoch alles andere als beruhigt, wusste ich doch nicht, wer der große Unbekannte war, ob Freund oder Feind und ob er oder es noch in der Nähe war. Doch nun stellte sich mir eine neue Frage. War es das Ganze wert? Wollte ich wirklich mein Leben riskieren, nur um herauszufinden, wer oder was hier außer mir noch war? Ja, ich wollte. Außerdem, was hatte ich denn bisher gefunden? Ein bisschen Wanzenfleisch und eine zerbrochene Orkwaffe? Nein, ich hatte mir weit mehr erhofft. Also setzte ich meinen Weg fort. Die Waffe, die der Ork bei seinem Tod hatte fallen lassen und die jetzt mit Staub bedeckt auf dem Boden lag, versuchte ich gar nicht erst mitzunehmen. Zwar konnte man Orkwaffen zu einem guten Preis verkaufen, aber ich hatte schon einmal probiert, die Waffe eines Orks zu tragen. Nach einer halben Stunde hatte ich unter Schweiß das verfluchte Ding geräuschvoll auf den Boden geworfen – oder eher fallen lassen, so schwer war die Waffe gewesen. Also ging ich weiter.
    Doch – was ich nun sah, sprengte mein Vorstellungsvermögen. Dort unten, mitten auf einem großen Gitter in einem kleinen Talkessel, lag ein Orkleichen-HAUFEN! Bei Beliar! Ich merkte, wie ich bleich wurde. Die Übelkeit kroch mir in Hals und Magen. Ich wendete den Blick ab, nur, um im nächsten Moment wieder auf das Gemisch aus ineinander geschlungenen leblosen Beinen, Armen und Leibern zu starren. Tatsächlich war ich wie starr vor Schreck. Wer, bei Beliar, konnte nur ein so gnadenloses Massaker anrichten?! Und warum? Ein großer Teil der Leichen schien verbrannt zu sein. Ich konnte nicht zählen, wie viele. Es war unmöglich, bei einem solchen Gewirr. Ich überlegte, ob ich nun am Leichenhaufen vorbeigehen oder ob ich besser doch den Rückweg antreten sollte. Ich entschied mich fürs Erstere. Mit der einen Hand die Nase zuhaltend, um nicht den absurden Gestank der zum Teil verbrannten Leichen einatmen zu müssen, und der anderen Hand das Schwert fest umklammernd, ging ich einen weiten Bogen um den Berg aus Orkleichen. Ich versuchte, so wenig wie möglich auf all die vielen Leichen zu blicken. Als ich den Leichenberg umgangen war, erblickte ich, auf der anderen Seite des Leichenhaufens, einen weiteren Ork – dieser jedoch war lebendig.
    Ich beobachtete den Ork eine Zeit lang. Er starrte wie abwesend auf den Leichenhaufen und schien mich erst gar nicht zu bemerken. Ich entschloss mich, zu warten, bis der Ork mich merken würde. Dieser wendete nach einiger Zeit mit einer abnormalen Langsamkeit seinen getrübten Blick vom Leichenhaufen ab und erfasste dann mich in seinem Blickfeld. Diese Augen... sie waren voller Leere... so voller... Gleichgültigkeit. Doch dann kam langsam Leben in sie. Man konnte richtig sehen, wie eine unbändige Wut in den Augen des Orks aufkeimte. Der Zorn sprühte nun förmlich aus ihnen. Der Ork sprang wie wild auf und rannte auf mich zu, wie im Wahn. Sein Schrei war ohrenbetäubend. Doch ich konnte mir nicht die Ohren zuhalten, ich benötigte meine Arme und Hände zum Kämpfen. Ich wusste, dass der Ork in seiner völlig unbändigen Wut unkontrollierter und leichtsinniger kämpfen würde und wartete unter einer großen Anspannung ab, bis der Ork in meiner Nähe war. Als er fast direkt vor mir stand, wich ich in einer geschickten Bewegung zur Seite aus und schlug dem Ork mein Schwert mit großer Kraft in seine Seite. Ich hörte noch, wie das grob gefertigte Schwert des Orks die Luft durchschnitt – mich jedoch traf es nicht. Der Ork brüllte, nun noch zorniger, auf. Ich holte zum nächsten Schlag aus, der Ork setzte zum Parieren an. Das nutzte ich, um schnell Abstand zu gewinnen. Der Ork bemerkte meinen Rückzug, rannte auf mich zu und holte siegessicher weit mit seiner Waffe aus. Das war meine Gelegenheit. Ich ging einige Schritte nach vorne und versetzte dem Ork zwei schnelle Hiebe, während er völlig deckungslos war. Die Waffe des Orks sank nach unten und der Ork erhob ein Geheul, dass es mir angst und bange wurde. Der Ork holte zu einem seitlichen Hieb aus. Ich wusste, seitliche Hiebe waren, zumindest von Orks, nur sehr schwer zu parieren. Doch ich konnte nicht mehr ausweichen. Und so hob ich das Schwert. Unsere Klingen kreuzten sich. Ich erleidete einen schweren Rückstoß durch die Wucht des Aufpralls. Unter Aufwendung aller meiner Kräfte konnte ich dem Ork nur wenige Sekunden standhalten. Ich wusste, lange würde ich das nicht mehr schaffen. Ich suchte noch während des Parierens eine Schwachstelle an meinem Feind. Da sah ich, dass er eine Verletzung an seiner rechten Hüfte hatte, die nur sehr notdürftig verbunden und schon blutgetränkt war. Dem Ork war die Siegegewissheit bereits anzusehen. Ein wildes Lächeln spielte um seine Mundwinkel. Doch in einer urplötzlichen Bewegung warf ich mich zu Boden. Der Ork stolperte nach vorne. Er hatte sein komplettes Gleichgewicht verloren und war nun imstande, nach vorne zu fallen. Das war meine Gelegenheit! Ich sammelte alle meine Kräfte, stieß einen Kampfesschrei aus, der mir noch mehr Mut und Kraft einflößte und stieß dem Ork, noch während er fiel, mein Schwert in seine Wunde an der Hüfte. Sofort ließ der Ork sein Schwert fallen und fasste sich mit beiden Händen an die getroffene Stelle. Er fiel zu Boden und stieß dort einen markerschütternden Schrei aus. Er rollte sich auf dem Boden hin und her und blieb dann plötzlich auf der Stelle liegen. Sein Körper zuckte an einigen Stellen. Er verfiel in die Todeskrämpfe. Ich wusste bereits, dass das sein Ende war – jedoch wusste ich genau so sehr, dass es für den Ork ein langes und schmerzvolles Ende sein würde. So beschloss ich, es ihm leichter zu machen und ergriff erneut mein Schwert. Ich hasste es, wehrlose Gegner zu ermorden, doch hier war kein Mitleid angebracht. Ich holte zum Schlag aus...

    Nicht weit entfernt näherte sich der Stadt eine große Gruppe von Orks. Sie waren alle glücklich und zufrieden. Sie hatten diesmal gute Beute gemacht. Fast drei Dutzend erlegte Beißer, Scavengers und Wölfe würden sie ihren Frauen und Kindern heute nach Hause bringen. Die meisten Orks jubelten und freuten sich bereits über das Fest, das es heute Abend wohl unweigerlich nach der Rückkehr der Männer von der Jagd geben würde. Einige Orks führten schon jetzt kleine Freudentänze aus und ein anderer Ork hatte seine Trommeln genommen und sorgte für eine noch bessere Stimmung. Der alte Schamane, der die etwa 20-köpfige Gesellschaft beaufsichtigte, freute sich, dass seine Freunde und Begleiter so glücklich waren und lächelte insgeheim immer wieder über die kleinen Späße, die sie machten. Er unterhielt sich gerade mit einem der älteren Orks. Doch plötzlich verstummte der Schamane. Er schloss die Augen und fasste sich an die Stirn. Schweiß brach aus allen seinen Poren. Der Schamane bebte, er zitterte. Dann brach er zusammen und verfiel einer Ohnmacht. Er hatte etwas erahnt, wie in einem Traum. Irgendetwas war passiert...
    Die Jagdgesellschaft wusste in diesem Moment noch nicht, dass es an diesen Abend kein Fest geben würde.
    Geändert von The GulliJumper (26.07.2005 um 23:03 Uhr)

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    Kapitel 3 - Die Flucht

    Das war ein harter Kampf gewesen! Ich merkte, wie meine Hände noch zitterten und versuchte, mich zu beruhigen. Kämpf’ nie wieder gegen einen wütenden Ork! Die innere Anspannung löste sich allmählich. Das Adrenalin wich aus meinen Adern und ich wollte mir mit dem Arm den Schweiß von der Stirn wischen. Doch wie ich den Arm hob, merkte ich ein scharfes Stechen in der Schulter und musste vor Schmerz kurz aufstöhnen. Schnell senkte ich den Arm wieder und besah meine Schulter. Verdammt! Der Ork musste mich während seines Falles wohl noch mit der Waffe erwischt haben. Doch erst jetzt spürte ich den wirklichen Schmerz der Verletzung. Ich besann mich auf einen beliebten Spruch aus dem Neuen Lager: Schmerzen sind eine Frage des Willens! Das versuchte ich mir einzureden und sah mich nach etwas um, das ich als Verband nutzen konnte. Mein Blick schweifte umher und so nahm ich auch nebenbei meine Umgebung wahr. Direkt vor mir bemerkte ich einen Höhleneingang. Zwei Pfähle mit aufgespießten Köpfen, die an den beiden Seiten des Eingangs aufgestellt waren, verkündeten, dass hier nicht jedermann erwünscht sei. Und sie taten ihre Wirkung bei mir. Schnell wanderte mein Blick weiter und fiel auf eine größere Höhle, die sich ebenfalls fast direkt neben mir befand. In der Mitte des überschaubaren Raumes stand ein großer Sockel, doch welchem Zweck dieser diente, konnte ich nicht erkennen. Er war wohl früher ein Podium für irgendetwas gewesen. Direkt hinter dem Sockel konnte man vier riesige Knochen sehen, deren Enden oben zusammenliefen und dem Gebilde so eine fast ovale Form verliehen. Doch den Eingang, den die Knochen wohl abgrenzen sollten, konnte man nur erahnen, denn der große Sockel versperrte mir die Sicht darauf. Ich sah weiter, hinter mich. Dort lag der Aufgang, durch den ich in diesen Talkessel gelangt war. Doch ich konnte meinen Blick nicht abwenden. Irgendetwas sagte mir, dass die Gefahr nicht VOR mir lag. Wie eine Ahnung setzte sich der Gedanke in meinem Kopf fest, dass Gefahr drohte. Große Gefahr. Angst kam in mir auf. Ich glaubte, in der Ferne ein Donnern gehört zu haben. Und dann kam das Geräusch immer näher. Gleichmäßig, langsam, monoton... Die dumpfen Töne aus der Ferne, und doch so nah... Ork-Trommeln!
    Wie vergessen war die Wunde und der Schmerz. Ich wollte nur noch hier weg. Doch: Sollte ich nach vorne oder nach hinten? Vorne drohte die beängstigende Ungewissheit. Der große Unbekannte. Mein Blick fiel wieder auf den Leichenhaufen neben mir und die Kehle schnürte sich mir zu. Wieder die Ork-Trommeln, sie waren nur leise aus der Ferne wahrzunehmen, aber in meinen Ohren war es ein betäubendes Geräusch. Ich hatte gar nicht bemerkt, wie ich aufgestanden war, doch nun stand ich und wusste, dass ich irgendwas tun musste. Doch was? Ich konnte weder weitergehen, noch den Rückzug antreten.
    Ich war gefangen.
    Umzingelt. Obwohl noch niemand etwas von mir wissen konnte. Das war es.
    Niemand konnte etwas von mir wissen.
    Und das musste auch so bleiben! Ich versuchte, anhand der Entfernung der Klänge der Trommeln die Entfernung der Orks zu schätzen. Genug Zeit!
    Ich ging wieder den Aufgang hoch. Ich untersuchte die ganze Umgebung nach möglichen Verstecken. Neben dem Tor gab es eine kleine Rampe, einen Aufgang aus Stein. Er mochte nicht groß sein. Vielleicht einen Schritt breit. Dann fiel mein Blick auf einen Baum auf der anderen Seite neben dem Tor. Er war karg, an einigen Stellen vielleicht bereits morsch. Darunter standen einige Zelte der Orks. Hier war es, wo ich den Ork am Lagerfeuer erblickt hatte und wir uns gegenseitig angesehen haben... Doch das war nun unrelevant. Ich musste entscheiden, welches Versteck besser sein würde und welches eine bessere Chance auf eine Flucht bot. Ich entschied mich für den Baum. Inzwischen war ich bei der einzelnen Ork-Leiche angelangt, doch ich bemerkte sie schon nicht einmal mehr. Mein Blick galt ausschließlich dem Baum. Würde man nach weiter oben gelangen, so könnte man die dahinter liegenden Felsen erreichen und diese führten scheinbar von der Orkstadt weg! Doch die Ork-Trommeln waren nun schon sehr nahe und ich beschleunigte meinen Gang noch weiter. Ich begann meinen wagehalsigen Fluchtversuch...

    Der Orktrupp konnte inzwischen schon die Brücke sehen, die der Übergang zur Orkstadt war, doch es war merkwürdig still... Vor kurzer Zeit hatte sich einiges geändert. Der Schamane, der die Jäger diesmal begleitet hatte, war vor Kurzem zusammengebrochen und immer noch nicht erwacht. Der Stammesälteste, der sich dem Jagdtrupp bei seinem Aufbruch vor einigen Tagen auch angeschlossen hatte, hatte nun deswegen das Kommando übernommen. Er zeigte sich sehr besorgt, nicht nur wegen des Gesundheitszustandes des Schamanen, der nicht nur der Ranghöhere, sondern auch der Freund des alten Orks war, nein, er hatte gelernt, sich auf die Visionen und Vorahnungen des Schamanen zu verlassen. Und dass der Sohn des Geistes immer noch nicht aufgewacht war, war mehr als beunruhigend! Und der Schamane schien diesmal nicht der einzige zu sein, der etwas ahnte. Es lag etwas in der Luft... und es gefiel dem Ältesten gar nicht. Einige der Orks wunderten sich bereits, warum sie ihre Freunde und Familien noch nicht sehen konnten. Sonst wurden sie immer freudig und unter Jubelrufen von dem daheim gebliebenen Rest des Stammes auf der Brücke empfangen. Doch stattdessen konnten sie noch nicht einmal die Stimmen der Anderen hören. Nur den monotonen Klang der Trommeln, die sich scheinbar wie von selbst der bedrückten Atmosphäre der Umgebung angepasst hatten.
    Als der Jagdtrupp die Brücke erreicht hatte und selbst an den Hütten vor dem Tor noch niemand zu sehen war, begannen die Orks, unruhig zu werden. Gemurmel erhob sich. Einigen war die Anspannung im Gesicht anzusehen. Der Stammesälteste, der an der Spitze ging, blieb plötzlich stehen und drehte sich um. Halb erschreckt verstummten die vorderen Orks und der Orktrupp hielt an. Der Älteste richtete sich groß auf und sprach in einem halblauten Ton einige Worte, worauf sich das Gemurmel sofort einstellte und die Orks sich sichtlich Mühe gaben, Ruhe zu bewahren und so still wie möglich zu sein. Der Älteste drehte sich wieder herum und der Orktrupp kam wieder in Bewegung. Beinahe schon schleichend näherten sie sich dem Tor, als plötzlich und unvorhergesehen hinter dem Tor von oben ein Schwert auf den Boden fiel. Der scharfe und metallene Klang des zu Boden gefallenen Schwertes lag scheinbar noch Sekunden lang in der Luft, als auf einmal einige Äste des morschen Baumes schwer zu knarren anfingen. Einige Zweige fielen auf die Erde, direkt neben dem Schwert, doch nun fiel noch etwas ganz anderes herunter...

    Oh verdammt, ich wollte die ganze Welt verfluchen, und mein Schwert sowie auch diesen verdammt morschen Baum obendrein!
    Als mein Schwert während des Kletterns im Baum an einigen Ästen und Zweigen hängen geblieben war, hatte ich das Gleichgewicht verloren und war ausgerutscht. Zum Glück hatte ich mich noch festhalten können, doch mein Schwert war unmerklich aus seiner Scheide gerutscht und imstande, herunterzufallen. Instinktmäßig hatte ich natürlich versucht, mein Schwert noch zu ergreifen, doch die Waffe fiel unweigerlich und direkt vor meinen Augen auf den Boden. Ich konnte mich kaum mehr festhalten und sah mich bereits dem gleichen Schicksal entgegentaumeln. Einige Zeit lang konnte ich mich noch halten – der Ast, an den ich mich unbeholfen festklammerte, jedoch nicht. Und so hatte ich es meinem Schwert gleichgetan und war nun ebenfalls zu Boden gefallen.
    Nun lag ich dort und sah ich mich den überraschten und unversöhnlichen Blicken der Orks ausgesetzt. Ich wusste, dass die Orks wohl das letzte sein würden, was ich in meinem nun wohl bald verstreichenden Leben sehen würde und so beschloss ich, mich aufzurichten und ehrenhaft zu sterben. Jedoch schon bei meinem Versuch, aufzustehen, verspürte ich unweigerlich und stechend einen Schmerz in den Beinen. Was hatte ich erwartet? Ich war gerade wohl einige Schritt tief gefallen. Doch trotz der Schmerzen schaffte ich es irgendwie, mich aufzurichten und ergriff langsam mein Schwert.
    „Zohark...“, sprach ich leise vor mich hin.
    Ich würde nicht kampflos sterben.

    Der Orkälteste hob seinen Arm, um seinen Leuten den Befehl zu geben, den schwachen Menschen vor ihnen zu töten. Es würde wohl nicht lange dauern.
    In diesem Moment jedoch passierte etwas Geheimnisvolles:
    Das Schwert des Menschen begann plötzlich bläulich zu glühen und gleichzeitig dazu erwachte der Schamane wieder...

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    Kapitel 4 - Die Schlacht am Tor

    Der Älteste der Orks hielt inne. Er senkte seinen Arm. Selbst er, der in seinem langen Leben ja schon viele Dinge gesehen hatte, war nun unentschlossen, was er tun sollte. So etwas hatte er noch nie gesehen. Er wusste nicht, was er nun vor sich hatte. Der magische Glanz der Waffe machte auf ihn einen großen Eindruck, andererseits jedoch schreckte er ihn und seine Leute ab. Wie sollte der Älteste handeln? Was, wenn der Mensch ein mächtiger Zauberer war oder Kräfte besaß, gegen die die Orks trotz ihrer zahlmäßigen Überlegenheit nicht ankommen würden?
    Da kam ihm ein Gedanke. Wenn der Nahkampf gemieden werden sollte, dann musste man eben in den Fernkampf gehen. Der Älteste befahl seinen Leuten, die von der Jagd noch übrigen Speere zu ergreifen. Das dauerte nicht lange, waren es doch nur noch sehr wenige Speere, die noch bisher ungebraucht waren. Fünf der Orks traten nach vorne. Der Älteste betrachtete sich den Menschen. Man konnte ihm keine Angst ansehen. Er war immer noch entschlossen und verharrte. Der helle Glanz seiner Waffe schien den Fremden nicht zu blenden und er schien sich auch nicht weiter daran zu stören, dass die Orks ihn nun mit Speeren bewerfen würden. Stattdessen beobachtete er die fünf Orks und den Ältesten und wartete auf den bevorstehenden Angriff. Der befehlshabende Älteste konnte sich schon denken, was der Mensch versuchen würde und so gab er seinen Kriegern neue Befehle.

    Das plötzliche Aufglimmen meiner Waffe und die Aura, die sie noch immer umgab, war ein Glücksfall für mich. Die Orks schienen unentschlossen zu sein, was sie tun sollten und bevorzugten sogar den Fernkampf. Meine Waffe flößte ihnen wohl doch ein wenig Angst und Respekt ein. In Gedanken dankte ich dem Ork, der mein Schwert heilig gesprochen hatte und so mein Leben, ohne dass er es wusste, noch ein wenig verlängerte. Ich hatte nun folgendes vor: Ich würde, sobald die Orks ihre Speere werfen würden, schnell zur Seite springen und mich kurzzeitig hinter dem Tor verstecken. Denn, dass sie nicht mehr Speere auf mich warfen, ließ mich vermuten, dass sie einfach nicht mehr hatten.
    Nun bemerkte ich, dass sich meine Armbrust, gerade so wie mein Schwert, während des Falles selbstständig gemacht haben musste, denn nun lag sie, für die Orks nicht sichtbar, hinter dem Tor. Ich freute mich über diesen unerwarteten Glücksfall. Sobald ich hinter dem Tor angelangt war würde ich die Waffe ergreifen und hätte einen Vorteil gegenüber den Orks. Was jedoch danach passieren würde, konnte ich noch nicht sagen. Ich wollte jedenfalls so lange wie möglich noch am Leben bleiben.
    Im Moment war es mir aber ein Rätsel, wieso die Orks noch so lange warteten. Doch als ich einige leise Schritte neben mir vernahm, wusste ich, was sie vorhatten. Das war mein Ende.
    Direkt über mir, auf einem Felsvorsprung neben dem Tor, standen drei Orks, die sich mit ihren Speeren drohend aufgerichtet hatten und auf den Befehl ihres Anführers warteten. Mein Leben war sicher bald beendet. Als die drei Orks hinter mir die Ork-Leiche erblickten, waren sie erst fassungslos, wurden dann jedoch bald zornig und riefen in wilden Tönen durcheinander, bis schließlich einer der Orks dem großen Trupp etwas zurief. Ich dachte mir meinen Teil, was das wohl sein würde und sah meinen Verdacht dadurch bestätigt, dass der große Ork-Trupp in einem wilden und wütenden Geheul antwortete und mir drohend die Waffen entgegenstreckte. Ich wusste, dass ich, wenn ich jetzt nicht handeln würde, so oder so sterben würde und fasste einen wahnsinnigen Entschluss. Aber ich hatte nichts mehr zu verlieren.
    Sobald die Orks zum Wurf ansetzen würden, würde ich so schnell ich konnte nach vorne rennen und so tun, als wollte ich die Orks angreifen, würde aber in Wirklichkeit an ihnen vorbeirennen und die Flucht ergreifen. Das war mehr als wahnsinnig. Mein Tod war eigentlich schon jetzt beschlossene Sache, aber das letzte was ich tun wollte, wäre gewesen, aufzugeben. Und so setzte ich vorsichtig ein Bein nach hinten, um schon einmal Anlauf zu nehmen...

    Der Orkälteste konnte es nicht fassen. Der Mensch musste inzwischen schon die drei Orks, die der Älteste auf den Felsvorsprung geschickt hatte, bemerkt haben. Aber trotz der aussichtslosen Lage hatte er sich noch nicht in sein Schicksal ergeben und der erfahrene Älteste sah es ihm an, dass er irgendetwas vor hatte. Doch es war egal, denn der Ork hatte nun die Geduld verloren. Er sprach seinen Leuten Mut zu und gab dann den Befehl, zu werfen. Er hatte so laut gerufen, dass es auch die drei Orks auf dem Vorsprung bemerkt haben mussten. Die Speerwerfer holten aus. Sie zielten. Da passierte etwas, womit keiner gerechnet hatte. Der Mensch stürmte nach vorne. Er schrie so laut, dass es wirklich jeder und alles im Umkreis gehört haben musste. Die speerwerfenden Orks schrieen ebenfalls einen lauten Kampfesschrei und wollten gerade werfen, doch in diesem Moment ertönte aus den hinteren Reihen der Orks ein noch weiterer Ruf. Er war verhältnismäßig leise und der Mensch hatte ihn sicher nicht wahrgenommen, aber für die Orks war es eine vertraute Stimme. Der Schamane sprach wieder zu seinen Söhnen. Sofort senkten die Orks die Waffen und alles schwieg, um den Worten des Sohnes des Geistes zu lauschen. Selbst dem Menschen war aufgefallen, dass die Aufmerksamkeit der Orks nun nicht mehr ihm galt und sich irgendetwas verändert hatte und er hielt an. Er wusste nicht, was er von der Reaktion der Orks halten sollte und war nun gänzlich verunsichert. Unentschlossen stand er im Tor und schien nicht zu wissen, was er tun sollte. Sein Schwert leuchtete immer noch in einem hellen Blauton.
    Der Schamane sagte den Orks einige wichtige Worte. Alle Blicke richteten sich auf den Menschen, der sich gleich irritiert zeigte. Er ging einige Schritte zurück und befand sich nun wieder unter dem Tor. Doch die Orks schien das nicht zu stören. Einige grinsten den Fremden sogar an und andere hatten sich leichtfertig auf den Boden gesetzt. Der Stammesälteste hatte ihnen etwas gesagt, dass ihnen auch allen Grund dazu gab, sich nicht weiter um den Eindringling zu kümmern. Das würde sich von alleine regeln. Und so war es auch.

    Kaum stand ich hinter dem Tor, wurde ich mir meines Fehler bewusst, doch es war schon zu spät. Ich drehte mich um und bemerkte den Ork, der sich hinter mir hoch aufgerichtet hatte. Er holte weit aus, ich wollte mich umdrehen, doch... es war schon zu spät. Sein Schlag traf mich kraftvoll und heftig am Kopf. Ich taumelte eine Zeit. Ein weiterer Schlag traf mich und ich wurde augenblicklich bewusstlos.

    Als ich wieder aufwachte, fand ich mich in völliger Finsternis wieder. Eine Krähe krächzte einsam und im Hintergrund waren wieder die regelmäßigen monotonen Schläge zu hören. Diesmal waren sie jedoch wesentlich näher und lauter. Es waren die Orktrommeln. Die Trommeln gingen sehr langsam, denn die Orks setzten ihren Toten, ihren Angehörigen, bei. Neben mir vernahm ich ein Grunzen und als ich mir gerade die Augen reiben wollte spürte ich kalten Stahl an der Kehle...

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    Kapitel 5 – Im Einklange des Wehklagens

    Ich wagte kaum zu atmen. Obwohl ich jegliche Bewegung sofort eingestellt hatte, war die Klinge noch keinen Fingerbreit von meiner Kehle gewichen und verharrte bedrohlich. Doch was sollte ich tun? Ich getraute mich nicht der geringsten Bewegung, wusste ich doch nicht, worauf mein Peiniger aus war. Ich war noch benommen von meiner Ohnmacht und wusste nicht mehr, was geschehen war, geschweige denn, wo ich sei. Also tat ich das Einzige, was ich gefahrlos für möglich hielt und sprach meinen unerwünschten Nachbarn an.
    „Ähem...“, wollte ich beginnen. Doch ein weiteres Wort konnte ich nicht hervorbringen. Denn noch während ich diesen einen Laut ausgesprochen hatte, hatte meinen Kehlkopf eine unliebsame Begegnung mit dem kalten Stahl an meinem Halse gemacht und war über diesen während seiner Bewegung gesprungen. Ich wagte nun nicht mehr, ein weiteres Wort zu sprechen, denn genannter Kehlkopf lag nun direkt über der Klinge. Und so harrte ich der Dinge. Doch meinen unerwünschten Nachbar schien es eine lange Zeit nicht weiter zu stören, dass ich eine so unangenehme Stellung eingenommen hatte und erst, als einige Zeit verstrichen war, glaubte ich, von draußen Schritte zu vernehmen. Ich hörte genauer hin, war aber noch nicht so wach, dass ich hätte erkennen können, dass dies die Schritte eines Orks waren.
    Der Raum wurde heller und die ewige Finsternis wich dem schwachen Lichtschein einer Fackel des Ankommenden. Sie gab nicht wirklich viel Licht, doch nun konnte ich erkennen, woran ich war. Neben mir saß ein großer, grimmig blickender Ork. Er sah mich fest und unversöhnlich an. Das konnte ich erkennen, da ich gerade so zu ihm herübersehen konnte, ohne meinen gefährdeten Kopf bewegen zu müssen. Wer nun noch in den Raum eingetreten war, das konnte ich nicht erkennen, da man mich jedenfalls so gesetzt hatte, dass ich den Eingang des Raumes nicht erblicken können sollte. Doch ich konnte mir inzwischen denken, dass dieser jemand wohl ebenfalls ein Ork sein müsse. Das sah – oder hörte – ich bestätigt, als der Eingetretene, nachdem er bemerkt hatte, dass ich wieder wach war, mit meinem Wärter zu sprechen begann, leider natürlich auf Orkisch. Endlich bedachte sich der neben mir sitzende Ork anders und – die Götter seien gelobet – er senkte seine Waffe. Während er mit dem anderen Ork einige wenige Worte wechselte konnte ich nun endlich meinen Arm senken – es schien sie nicht weiter zu stören – und fand Gelegenheit, mich umzusehen. Der Schein der Fackel erhellte nun den ganzen Raum. Doch was hatte ich erwartet? Ich war hier schließlich gefangen. Der Raum war absolut leer. Nur ein hervorstechender heller Abdruck auf dem Boden lies vermuten, dass hier vor einer kurzen Zeit etwas gestanden hat, vielleicht eine Truhe oder etwas anderes. Ich bemerkte auch, dass die Wände aus Felsgestein waren. Vielleicht hatten mich die Orks in eine der in den Felsgestein draußen eingearbeiteten Höhlen untergebracht, doch das sollte ich noch bald erfahren.
    Ich wendete den Kopf, um den Eingang des Gefängnisses sehen zu können, aber ich fuhr sogleich erschrocken zurück. Denn das hatte der Ork bemerkt, der hereingekommen war, und er brüllte mich lauthals an, ja er kreischte beinahe. Doch als ich dem schreienden und wild gestikulierenden Ork ins Angesicht sah, bemerkte ich etwas, das mich stutzen lies: Seine Augen waren stark rot unterlaufen, wie als wenn er tief traurig sein würde oder als wenn er etwas Schreckliches gesehen hätte. Einen solchen Ausdruck wie den im Gesicht dieses Orks hatte ich bei diesen Kreaturen zuvor noch nie gesehen... Er schien innerlich bewegt zu sein, sah mich mit seinen großen Glotzern wild und zugleich aber fast jammernd an, in seinem Antlitz spiegelte sich der Ausdruck von Menschen wieder, die den selbigen in den Augen haben, wenn sie gerade jemand Geliebten verloren haben und sich nun mit dieser Tatsache konfrontiert sehen und Bedauern und Trauer in ihren Zügen zu erkennen sind – mit anderen Worten: Der Ork wirkte sehr traurig und schaute so aus, als wollte er die ganze Welt gleich in einem Tränenmeer versenken.
    Doch wenn ich mich soeben schon gewundert hatte, so musste ich nun staunen. Denn wahrhaftig konnte man hören, dass die schimpfend-schreiende Stimme dieses Orks sich in ein innerlich bewegte umwandelte, der Ork selbst zitterte am ganzen Leibe und, tatsächlich: Erst rollte ein einsamer dicker Wassertropfen über die Backen dieses bemitleidenswerten Geschöpfes und dann, ja dann, wahrhaftig, mir bot sich da ein Anblick dar, den ich bis auf meinen heutigen Lebtag nicht vergessen habe – Der Ork hatte Tränen in den Augen! Er weinte und schluchzte, vor mir, dem Menschen und Feinde. Ich sah ihn ausdruckslos an.
    Und erst jetzt kam mir wieder zu vollem Bewusstsein, was alles passiert war: Der Ork... mein Schwert... Zohark... der große Leichenhaufen voller toter, verkrüppelter Orks... Und nun wusste ich es. Dieser Ork hier hatte wahrscheinlich fast seine ganze Familie und seine Freunde verloren, so wie einst der fröhliche und glückliche Junge, der er nun nicht mehr war und in mir stieg ein großes Mitgefühl auf. Ich selber war tief betroffen und mich überlief ein Schauer, denn ich erinnerte mich zurück, an das, was früher passiert war...

    Es war ein herrlicher, warmer Sommertag in einem kleinen, verträumten Dorf in Myrthana. Die Vögel zwitscherten vergnügt ihre Melodien, Grillen zirpten in einem harmonischem Einklange, die Bäume rauschten leise im Wind und die Menschen im Dorf gingen glücklich ihrer Arbeit nach. Es schien so, als dürfte an diesem Tage kein Mensch und kein Tier nicht die Zufriedenheit und Freude über diesen schönen Tag teilen.
    Ein Junge saß träumend unter einem alten Baum auf einer großen Wiese. Er hielt ein Buch in den Händen, doch las er es nicht, er sah nur einfach so vor sich hin und war voll Wonne darüber, wie eine kleine Kröte immer wieder versuchte, auf seinen Schuh zu klettern, bei dem Versuch jedoch immer wieder herunterfiel. Der Junge mochte wohl um die 14... 16 Jahre alt sein. Dieser Junge war ich.
    Nichts schien den Jungen in seinem Glücke stören zu können, nichts die Ruhe und Harmonie in diesem Moment, in dem der Junge noch nicht im Entferntesten ahnen konnte, wie sehr dieser schicksalsschwere Tag sein Leben verändern sollte.
    Der Junge war mit seinen Eltern erst vor Kurzem in dem Dorf angekommen und dort hatte man sie wohlwollend in der hiesigen Gaststätte aufgenommen, denn die Eltern des Jungen waren sehr wohlhabend; sie waren Adlige und so bekannt an Haus und Hof des Königs, Rhobar II.
    Der Junge war seinen Eltern sehr dankbar für alles – für seine gute Erziehung, für die Liebe, die ihm zuteil wurde, dafür, dass sie mit ihm so oft verreisten, wie auch dieses mal, und überhaupt für alles. Er liebte seine Eltern eben über alles. Und er liebte auch das Reisen. Und er bewunderte seine Eltern. Seine Mutter war für ihn der Inbegriff der natürlichen Schönheit und Lieblichkeit. Wie genoss er ihre Milde und ihren Frohsinn. Und sein Vater war ihm ein großes Vorbild, in allem was er tat. Er wusste so viel und der Junge besinnte sich mancher zweisamen Stunde, in der ihm der Vater von seinen abenteuerlichen Reisen und Erlebnissen erzählte, aber auch derer, in denen er vom Vater lernte, wie man liest, schreibt und mit anderen Leuten umgeht. Und auch die Eltern liebten ihren Sohn aus vollstem Herzen. Die Familie durfte sich einer großen Bekannt- und Beliebtheit am königlichen Hofe erfreuen.
    Wenn der Junge aber etwas verabscheute, dann war das Gewalt.
    Der Junge wurde sich all dieser Dinge wieder einmal bewusst und erfreute sich seines schönen Lebens, als plötzlich aus dem Dorf ein gellender Schrei ertönte. Der Junge erschrak, war dann aber neugierig, was dort passiert sei. Er stand auf und ging schnellen Schrittes in Richtung des noch so friedlich wirkenden Dorfes. Unterwegs vernahm er jedoch zu seinem wachsendem Unbehagen weitere Schreie. Sie wurden immer lauter und erklangen in immer kürzeren Abständen. Dem Jungen wurde mulmig zumute und als er gar glaubte, Waffengeklirre und ein unheimliches Knirschen zu hören, war er völlig verunsichert und Angst kroch in ihm herauf. Doch als er nun direkt vor dem Dorfe stand, war es um seine Ruhe völlig geschehen. Denn was er sah, ließ ihn an seinem ganzen Körper gewaltig zittern und doch bewirkte eine überwältigende lähmende Panik, dass er wie angewurzelt stehen bleiben und dem grausamen Schauspiel, dass sich nun vor ihm abspielte, zusehen musste.
    Er hatte dem sonst so freundlichen Wirt ihrer Gaststätte unwillkürlich in die vor wilder Angst weit aufgerissenen Augen sehen müssen, als er wild kreischend vor einer Horde gleichgültig und leer wirkende untoter Skelette davonzurennen versuchte. Der Wirt stieß einen grässlichen Schrei aus, als ihn von hinten eines der Skelette sein langes Schwert in den Leib stieß. Der bisher immer freundlich gewesene Hauswirt war vom rostigen Schwert eines Untoten durchbohrt worden, eines untoten Skelettes in einer rostigen Paladinrüstung jedoch. Nicht aber, dass das genannte Skelett seine Waffe aus dem Leibe des Wirtes herausgezogen hätte, nein, es blieb stehen, unbeweglich wie eine Statue und wartete bis der Körper des Wirtes, der von der anderen Seite die immer noch feststeckende Klinge seines Mörders mit den Händen schwächelnd umklammerte und am ganzen Leibe zitterte, leblos nach vorne fiel. Während die Leiche zu Boden ging, hielt der untote Paladin das Schwert am Griff fest, als wäre es ein Teil seiner selbst und die rostige Klinge rutschte selbstständig wieder aus dem Sterbenden heraus. Das Skelett erhob sein blutiges Schwert wieder und ging in eine andere Richtung, zu seinem nächsten Opfer.
    Mit einer solchen Leblosigkeit, wie sie dem Körper des nunmehr Verblichenen zuteil geworden war, sah ihn ein weiteres, aber in der Luft schwebendes Skelett an. Man konnte trotz seiner Entfernung erkennen, dass es einen zerfetzten, grauen Umhang trug und die dazugehörige, rissige Kapuze gerade so über das Gesicht gezogen hatte, dass man seine leeren Augenhöhlen und das bei Skeletten so bekannte Grinsen noch erkennen konnte. Er hatte irgendetwas in der Hand... eine flackernde, schimmernde, rote Masse, die sich unförmig bewegte. Das Skelett hob die dürren Arme – oder das, was noch davon übrig war – und murmelte etwas vor sich hin, dabei wurde die unförmige Masse über ihm immer größer und um dem genannten Skelett breitete sich ein ringförmiger, ebenfalls dunkelroter Kreis aus. Die Erde bebte scheinbar ein wenig und plötzlich, in diesem Moment, öffnete der bis eben noch regungslose Leichnam des Wirtes seinen Mund und er schrie, er kreischte lauthals; dabei waren seine Augen geschlossen, doch gleichzeitig lief der ganze Körper blau an und der Unglückliche verzerrte das Gesicht in allen möglichen erdenklichen Gesten, das reichte von der glückseligsten Geste bis zu einer schmerzverzogenen Miene, doch er schrie immerfort in einem monotonen, heiseren Ton, obwohl er eigentlich tot war. Als würde diese schreckliche Szenerie nicht hinreichen, erhob sich währenddessen aus dem Leichnam langsam und beinah schon schleichend ein weiteres klappriges Skelett. Als es völlig aufrecht stand, verstummte der Wirt, oder dessen Körper abrupt und der Leichnam lag nun so da wie vorher. Die Seele des Wirtes stand nun unfreiwillig in den Diensten Beliars und selbige Manifestation, nämlich das eben auferstandene Skelett, beugte sich nun zum Wirt nieder, nahm seine kleine Zipfelmütze auf und setzte sie sich auf sein eigenes bleiches Haupt. Grinsend blickte der Untote in das Angesicht des mindestens ebenso bleichen Jungen. Er war schweißüberströmt von dem, was er eben hatte mit ansehen müssen. Das Entsetzen hatte ihn gepackt und er rannte um die nächste Häuserecke und ließ sich dort erschöpft niederfallen – weniger erschöpft im Körper als in der Seele, denn so etwas wie eben hatte er bisher noch nie gesehen. Erst jetzt merkte der Junge, dass sich der Himmel blutrot verfärbt hatte und auf seine Nasenspitze fiel ein einsamer Regentropfen. Die Stimmen der fröhlich musizierenden Tiere, die vor einer kurzen Zeit noch zu hören gewesen waren, waren nun völlig verstummt und nur die entsetzten Schreie der Bürger des unglückseligen Dorfes durchdrangen die sonst absolute Stille. In diesem Moment begann es zu regnen.
    Der Junge wollte sich gerade erheben, da erschien neben ihm ein Skelett. Es hatte einen Dolch in der Hand und auf seinem Schädel saß eine blaue Mütze. Panisch stürzte der erschrockene Junge davon, doch was er dann sah, erschreckte ihn noch viel mehr.
    Etwas Schlimmeres war gar nicht möglich. Das Paladin-Skelett, das eben noch den Wirt getötet hatte, stand nun vor einer weiblichen Person und holte zum Schlag aus. Die Frau schrie auf, als sie ihren geliebten Sohn sah, der das Geschehen mit Entsetzen verfolgte. Die Frau war seine Mutter.
    Eben in diesem Moment kam ein schreiender Mann aus einem Hause herausgestürmt. Selbiges Haus war die genannte Gaststätte. Der Mann stürzte sich auf das Skelett und parierte sogleich mit einem langen, schweren Zweihänder den angesetzten Schlag des Skelettes. Er holte weit aus und schlug dem Untoten mit aller Kraft den Arm ab, mit dem es sein Schwert hielt. Mit einer unglaublichen Schnelligkeit holte er wieder aus und schlug das restliche Gerippe wortwörtlich kurz und klein, bis es kein „Lebens“-Zeichen mehr von sich gab.
    Der Mann wandte sich gleich dem Jungen zu und rief, sehr hastig: „Mein geliebter Sohn! Mein Junge, flieh! Flieh nach Khorinis zu deinem Oheim Andre! Zeig ihm diesen Ring hier und er wird dich sogleich erkennen.“ Der Vater des Jungen warf ihm einen Ring zu, den er sich in diesem Moment aber nicht weiter besah. Dann wandte er sich der Frau zu, die vor Schreck ohnmächtig zu Boden gefallen war, hob sie auf und lud sie sich auf seine breiten Schultern. Eine gewisse Zuversicht spielte in seinen Zügen genauso wie eine große Angst.
    Er setzte sich grad in Gang, als er plötzlich stehen blieb und den Jungen starr ansah.
    „Flieh!“. Brachte er noch einmal mühsam und beinahe schon flüsternd hervor. Dann begann er zu zittern, wankte hin und her und schließlich nahm er sehr unsicher die Mutter vorsichtig von seinen Schultern wieder herunter und legte sie behutsam zu Boden. Als er sich wieder einigermaßen aufrichten wollte, sah der Junge, dass sein Vater im ganzen Gesicht blau angelaufen war und seine Hände steif wirkten. Er zuckte zusammen, als wäre er von etwas getroffen worden. Doch dann schrie er den Jungen an, der immer noch wie angewurzelt dastand und sah ihn aus glasigen Augen an: „Lauf w...“ Doch diesen Satz konnte er nicht mehr vollenden. Es waren seine letzten Worte. Man sah nur das kurze Aufblitzen eines Dolches und den kahlen Schädel eines Skelettes mit einer aufgesetzten blauen Zipfelmütze. Ein Kurzes Aufstöhnen und der Körper meines Vaters glitt beinah lautlos zu Boden, den zarten Körper meiner geliebten Mutter unter sich begrabend. Ich hätte nicht noch mit ansehen können, was die Diener des dunklen Gottes Beliar mit meinen beiden dem Tod unweigerlich verfallenen Eltern anrichten würden und drehte mich schnell um. Kreischend rannte ich, so schnell ich konnte, von diesem schrecklichen Ort hinweg. Meine Eltern aber sollte ich nie wieder sehen...

    Wieder überkam mich jenes Gefühl, dass sich immer dann in meinem Herzen festsetzte, wenn ich an diese Katastrophe, dieses schreckliche Schicksal denken musste. Die Trauer drohte, mich zu übermannen und ich fühlte mit dem Ork, der mich übrigens immer noch beschimpfte, tief mit. Ich wusste, wie ihm zumute sein musste. Erst jetzt bemerkte ich, dass sich der erste Ork zurückgezogen hatte, wohl aus Anstand, dachte ich mir. Der heulende Ork und ich waren alleine. Wieder zogen die schrecklichen Bilder vor meinem geistigen Auge vorüber, und auch der Anblick meiner vor mir dahinscheidenden Eltern. Ich war tief ergriffen, wusste, dass es dem Ork nicht viel anders gehen konnte als mir und schließlich, ja schließlich stiegen auch mir die Tränen in die Augen und mein Herz wurde bleischwer. Erst leise, ganz leise heulte auch ich vor mir hin. Es war ein schreckliches Leid, seine Geliebten und geschätzten Freunde und Verwandten zu verlieren. Ich begann zu wimmern. Der Ork merkte es. Er schluchzte kurz noch einmal auf, sah mich, noch immer dicke Orktränen auf den Wangen, verdattert an und hielt inne in seinem Fluchen und Gebärden. Mir war, als müsse ich diesem armen Geschöpf dort vor mir mein tiefstes Beileid ausdrücken. Und, nein, ich konnte nicht anders, ich stand auf, ging, noch immer wimmernd, auf den Ork zu, legte ihm eine Hand auf die Schulter und drückte ihm mit der anderen herzlichst und beileidig eine seiner Pranken. Der Ork war zuerst so verdutzt, dass er das Ganze ohne Einwänden vonstatten gehen ließ und wir sahen uns, von Angesicht zu Angesicht, an. Der Ork sah mich weinen und meine mitfühlende Geste und ich sah die leicht feuchten Augen des Orks, die rot unterlaufen waren. Doch das war dem Ork denn doch zuviel – er stieß mich von sich weg, aber nur schwach, nicht so, wie es wohl ein anderer getan hätte und ging einige Schritte zurück.
    Ich setzte mich wieder, und es war wohl besser so. Der Ork aber blieb noch eine kleine Weile vor mir stehen, und erst dann verließ er, ganz leise und schweigsam, den Raum. Ich sollte ihn später noch einmal wiedersehen.
    Ich saß noch eine Weile, ganz einsam und unbewacht, und gedachte meiner unter so schrecklichen Umständen verunglückten Eltern, die ich so geliebt hatte und an den traurigen Ork, mit dem gemeinsam ich geweint hatte. Doch es dauerte nicht lange und ein anderer trat ein. Der Schamane stand im Eingang und bedachte mich mit prüfenden, misstrauischen Blicken.

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