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Umfrageergebnis anzeigen: Wenn ihr Gott wärt - wem würdet ihr den Sieg dieses Battles spendieren?

  • Eddie

    2 40,00%
  • El Toro

    3 60,00%
 
Teilnehmer
5. Du darfst bei dieser Umfrage nicht abstimmen
Ergebnis 1 bis 11 von 11
  1. Beiträge anzeigen #1 Zitieren
    Deus Avatar von John Irenicus
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    John Irenicus ist offline

    [Battle]Eddie vs El Toro

    Meine Damen und Herren!

    Ich freue mich, euch heute zu einem der wohl spannendsten Battles der letzten Zeit begrüßen zu dürfen!

    Alleine die Kontrahenten loten die Grenzen der Beschreibung „vielversprechend“ schon mehr als weit aus!

    Der Herausforderer: Darkfalz
    Der Mann der aus dem Nebel kam, der, dessen Name ebenso furchteinflößend ist wie sein einschüchterner Avatar. Das neu aufgetauchte Mysterium, das wandelnde Geheimnis. Niemand kennt ihn, keiner weiß, wo er her kommt (Zumindest ich nicht). Aber er ist hungrig. Verdammt hungrig!

    Und feige. Verdammt feige. Denn Darkfalz hat es vorgezogen, statt mit der tollsten Frau der Welt ein wenig Katz-und-Maus zu spielen, zu flüchten und nicht mehr wiederzukehren. Daher ist der neue Gegner niemand anderes als der wohl beste Kommentator, was Qualität UND Quantität angeht: Eddie!

    Die Dame seiner Wahl: El Toro
    1341,1 Meter lang; 55,2 Meter hoch; eine Abfahrt von 53,6 Metern bei einem 76°-Gefälle. Bei einer Geschwindigkeit von 112,7 Kilometern pro Stunde beträgt die Fahrtzeit 1:42 Minuten, und sie schafft sage und schreibe 1500 Personen pro Stunde!
    Wer jetzt verwirrt ist und verdammt schmutzige Gedanken hat (soll ja Leute geben, ts, ts...) sollte Wikipedia konsultieren.
    Hinweis: Auf keinen Fall und unter keinen Umständen die Google-Bildersuche verwenden!

    Bei so zwei hervorragenden Gegnern läuft einem das Wasser im Munde zusammen (ratet mal, bei wem mein Speichelfluss umso erhöhter ist), ebenso wie bei den Regeln für diesen Kampf: Drei Posts für jeden mit jeweils 1200 Wörtern.

    Und nach dieser fulminanten Einleitung die die Gemüter absolut erhitzt hat und das Adrenalin ausgestoßen hat, dass es nur so spritzt, kommen wir nun gaaaaanz laaangsam wieder herunter, wir schließen die Augen und machen unseren Körper frei, spüren die Reinheit unseres Seins. Wir beginnen zu schweben, Stück für Stück, bewegen uns auf einen fernen Ort zu, durchstreifen unbewusst und getragen die Gegend, und lauschen den Geräuschen... leises Plätschern dringt in unser Ohr, und eine kühle Brise durchfährt unser Haupthaar und sonstiges Haar, was wir so haben... wir sind angekommen...

    ----------------------------------------------------------------------

    In den sanften Wellen des klaren, kühlen Gewässers spiegelte sich das zarte Gesicht der Frau wider, die hier am See zwischen dem Schilf auf einem Stein saß, und hin und wieder den weiß leuchtenden Mond mit sehnsuchtsvollen Blicken bedachte. In Gedanken war sie dabei allerdings nicht bei der eindrucksvollen Kraterlandschaft des Himmelskörpers, viel mehr galt ihr Sehnen der vertrauten Person, die sie nun endlich zu treffen erhoffte.
    Ihr pulsierendes Herz machte einen Hüpfer, als sein Gesicht in ihrer Vorstellung wieder auftauchte, so männliche, aber doch so liebliche Gesichtszüge, ein freundliches Lächeln auf den Lippen, und tiefblaue Augen, die ihr mehr Geborgenheit gaben als jedes noch so traute Heim.
    Und dennoch – Würde er nach all der Zeit genauso fühlen?
    Seufzend strich sie durch ihr welliges, schwarzes und vom Mondschein angestrahltes Haar und fühlte dabei, wie sich ihre luftige, mittlerweile feuchte Kleidung an ihren wohlgeformten Oberkörper schmiegte. Ihr Ebenbild im Wasser tat es ihr gleich.
    Ihr fror es ganz leicht, so vorsichtig wie mit einer Feder bestrichen und lieblich gekitzelt stellten sich die kleinen Härchen an ihren zarten Armen auf, und wohlige Schauer liefen ihren gesamten, von ästhetischen weiblichen Rundungen geprägten Körper herunter.
    Sie saß eine ganze Zeit lang so, genoss es, wie der Wind sie süßlich umspielte und die Kühle der Nacht sie neckte, ihre kleinen Füße zogen kreisende Bahnen durch das erfrischende Wasser, und die Seerosen vollzogen einen ähnlichen, kunstvollen Tanz, geleitet von den geschmeidigen und eleganten Bewegungen langer und schlanker Beine, die von der Bekleidung nahezu gänzlich unbedeckt blieben.
    In ihrem tranceartigen Zustand spürte sie einen Luftzug durch ihr weißes, knappes Kleid, sie erkannte, dass jemand die Ruhe der Natur in der Dunkelheit störte, jemand die Einheit zwischen Mensch und Elementen durch bloße Anwesenheit zum Wanken brachte.
    Noch nie hatte sich eine Störung so gut angefühlt, es war nicht einmal eine Störung, es war ein Eingriff, ein sehr sanfter Eingriff, wie mit Samthandschuhen wurde sie langsam aus ihrer Trance heraus zurück ins Bewusstsein gehoben. Sie brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, wer der willkommene Eindringling in den Einklang des Seins, zwischen ihrer Seele und dem Zauber der Natur, war.
    Ein Flüstern, nein, nicht mehr als ein Hauchen, das sich mit dem Wind vermischte, drückte ihre Gefühle und Gedanken in schmucklosen Worten so direkt, so rein und so reich an Bedeutung aus:
    „Endlich bist du da.“
    Geändert von John Irenicus (14.08.2008 um 16:16 Uhr)

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    Drachentöter Avatar von Eddie
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    Eddie ist offline
    Sie hörte leise Schritte. Es pflatschte, sanft, beinahe lautlos. Das liebliche Geräusch umschmeichelte ihre Ohren, wog ihre Freude, ihre Hoffnung achtsam in einem Meer aus Glückseligkeit. Vorsichtig erhob sie sich, bedachte dabei nur, nicht in das kalte Wasser des Sees zu rutschen. Alles andere war nebensächlich, unwichtig geworden und verlor sich in ihren Gedanken, wie das schwache Flackern einer Kerze in der Dunkelheit.
    Ein Hauch strich an ihrem Nacken vorbei, stellten die kleinen blonden Härchen auf und rief ein Kribbeln, welches sich quer durch ihren Körper zog und in leichten Vibrationen an ihren Fingerspitzen endete. Sie zitterte ein wenig, ob vor Aufregung oder Ungeduld konnte sie ebenso wenig zuordnen, wie den sanften Hauch, der all dies verursachte. „War es der Wind, oder sein Atem?“
    Sie wusste es nicht, wollte es auch gar nicht mehr wissen, als sie plötzlich spürte, wie sich irgendetwas auf ihrer Schulter ablegte. Federngleich sank es nieder und sofort wollte sie nachsehen, was es war. Doch etwas in ihr verhinderte die rasche Drehung des Kopfes nach rechts. Etwas, dass sie so bislang noch nicht kannte. Ein Verlangen machte sich breit, danach, diesen Moment in seiner vollen Schönheit auszukosten, ihn so lang wie nur irgend möglich zu genießen und ihn, sollte es in ihrer Macht liegen, niemals enden zu lassen.
    Sie hielt inne, schloss die Augen und drückte ihre Brust so weit es ging nach vorn. Während sie die frische Seeluft tief einsog, in der Hoffnung, das Glück so noch intensiver aufnehmen zu können, legte sich erneut etwas auf ihre Schulter, diesmal auf der anderen Seite.
    Ein kalter Schauer lief ihren Rücken hinab, jedoch war er nicht unangenehm, sondern gefüllt mit all dem, was sie sich so sehnsüchtig von diesem Moment erhofft hatte. Sie lächelte, sah sie sich nun doch in ihrer Vermutung bestätigt, dass es zwei Hände waren, die sich den Weg zu ihren Schultern gesucht hatten.
    Noch immer drehte sie sich nicht um, sondern fuhr mit ihren Armen nach hinten. Es dauerte nicht lang, da hielten sie den kräftigen Oberkörper eines Mannes fest. Den Oberkörper des Mannes, auf den sie so lang hat warten müssen.
    „Ich bin nun da, wie du es von mir verlangt hast!“ Sie schmunzelte, wusste sie doch ganz genau, worauf er hinaus wollte. Langsam, wie von Geisterhand geführt, zog sie ihn zu sich, er machte keine Anstalten, sich gegen sie aufzubäumen.
    „Wie ich es verlangt habe!“ Sie hielt die Augen weiterhin geschlossen, traute sich gar nicht, sie wieder zu öffnen. Es würde nur alles kaputt machen, die Schönheit des Augenblicks, die alles beherrschende Glückseligkeit.
    Etwas berührte ihren Nacken, doch waren es nicht seine Finger, die ihre Haut umschmeichelten. Viel weicher, sinnlicher und anziehender war es und in ihrem plötzlichen Überschuss an Aufregung und Glück kamen für sie nur seine Lippen in Frage. Besinnlich arbeiteten sie sich, Kuss für Kuss, ihren Hals nach oben. Als sie schließlich in ihrem makellosen Gesicht ankamen und sie die Wärme, die von ihm ausging, schon spüren konnte, überfiel sie erneut ein Kribbeln, aufregend und betörend, wie nie zuvor.
    Der Moment war erreicht, die Grenze überschritten. Sie konnte ihre Gefühle nicht länger zurückhalten, ihrer Sehnsucht nach solch einem Augenblick nicht noch mehr Wartezeit aufschlagen.
    Ein leichtes Beugen ihres Kopfes auf die rechte Seite genügte, damit sich ihre Lippen trafen und zu einem langen, intensiven Kuss verbanden. Kurz mussten ihre Hände seinen Oberkörper loslassen, damit sie Gelegenheit bekam, sie zu drehen. Ihre Lippen jedoch blieben verbunden, es kam ihr fast so vor, als seien sie auf ewig vereint.
    Nun, da sie die ideale Position eingenommen hatte, umschlang sie ihn mit beiden Armen so fest sie konnte und presste seinen Oberkörper an ihre feuchte Bluse.
    Scheinbar endlos erschien ihr die Zeit, in der sie so verweilten und nichts taten, als das aufregende Spiel mit ihren Lippen fortzuführen. Deutlich spürte sie seinen Atem, wie er sanft aus den Flügeln seiner wohl geformten Nase gepresst wurde, als gäbe es um sie herum nichts anderes. Das Gezwitscher der Vögel und die sanften Wogen des Windes gingen ebenso unter, wie die Kälte, die sie mittlerweile umgab und bewirkte, dass sich am ganzen Körper ihre Härchen aufrichteten.
    Doch all dies hörte und spürte sie nicht, ihre Sinne waren gebannt auf den, der sie endlich wieder aufgesucht hatte. Viel zu lang war es her und viel zu groß war ihre Sehnsucht geworden. Allem Verlangen entgegenwirkend löste sie ihre Lippen, legte ihr Kinn sanft auf seine Schulter und stellte ihm ihren sehnlichsten Wunsch, den einzigen, den sie momentan hegte.
    „Kann dieser Moment nicht endlos sein?“ …


    Der Wind zog über die myrtanischen See. Kleine Wellen türmten sich auf und brachen schließlich am flachen Sandstrand von Khorinis. Der Pier des Hafenviertels war, trotz des milden Herbstabends, an diesem Abend wie leer gefegt. Lag es an der großen Feier bei Halvor? Oder daran, dass Kardiff mal wieder zu viel Geld hatte und einen Freibierabend spendierte?
    Fenia wusste es nicht, jedoch gab es auch nichts, was sie momentan weniger interessierte. Im Grunde war sie froh, allein zu sein, allein mit ihren Gefühlen, den guten Erinnerungen an eine bessere Zeit. Das einzige, was sie zurzeit aufbauen könnte.
    Viel zu frisch waren die Ereignisse um ihren Mann und viel zu überraschend drang die Meldung an ihr Ohr, dass sie ihn verloren hatte, für immer!
    „Der Krieg fordert nun mal Opfer!“ musste sie sich unentwegt von dem Paladin anhören, dessen nüchterne und monotone Stimme deutlich verriet, dass er solch eine Nachricht nicht das erste Mal überbringen musste. Sie war sich sicher, dass er den Schmerz nicht nachvollziehen konnte, ebenso wie die riesige Lücke, die sich mittlerweile in ihrem Herzen aufgebaut hatte.
    „Niemand, der so etwas noch nicht selbst erlebt hat, kann das es nachvollziehen!“ Redete sie sich ein, erste Tränen schlichen sich aus ihren Augenhöhlen und kullerten ihre rosige Wangen hinunter.
    Sie blickte in das raue Wasser und erblickte ihr Ebenbild, zwar von den Wellen verzerrt, aber erkennbar. Sehnsüchtig hoffte sie in jedem einzelnen Moment, dass ihr geliebter Farim plötzlich hinter ihr erschien und sich jener Moment, von dem sie noch vor wenigen Minuten geträumt hatte, wiederholte.
    Es geschah nicht. Ihre Sehnsucht blieb unbeachtet, ihr Schmerz wurde nicht gelindert sondern gar verstärkt, hundertfach.
    Die Tränen konnte sie nun nicht mehr zurückhalten. Ewig lang verweilte sie in dieser sitzenden Position, die Ellbogen auf die Oberschenkel gestützt und die Handflächen auf die Augen gepresst. Sie wollte ihre Tränen nicht einfach so vergeuden, wollte sie, für ihren Liebsten, solange wahren, wie es nur irgendwie möglich war. Einer von vielen Beweisen ihrer unendlichen Liebe.
    Zwei Monate lag es nun schon zu zurück, dass Cedric, ein guter Freund ihres geliebten Farim an ihre Tür klopfte. Er war es damals, der den jungen Fischer zur Armee holte, ihn ausbilden lies und ihn mit in den Krieg holte. Ebenso sah er es auch in diesem traurigen Moment als seine Pflicht an, Hanna die Nachricht von seinem Tod zu überbringen.
    Der Strom aus Tränen legte sich, vorerst, und mit verheultem Blick stierte sie hinaus aufs Meer. Der Wind hatte sich gelegt und hinterließ ein kräftiges Abendrot am aufklarenden Himmel.
    Ein letztes Mal an diesem Tag rief sie sich die Erinnerung an jenes wundervolle Treffen zurück in die Gedanken. „Warum konnte dieser Moment nicht endlos sein?“ Wisperte sie und ging von dannen.

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    Ehrengarde Avatar von El Toro
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    El Toro ist offline
    Sie lag in ihrem Bett und lauschte der nächtlichen Brandung, die graue Schaumwolken vor sich hertrieb und dachte an den Strand und den schmalen, gewundenen Strang aus Seetang, Kelp und Treibholz, der den feinen, weißen Sand gegen die endlose Flut begrenzte. Aus dem Fenster der Hütte, die sie mit Farim geteilt hatte, konnte sie die Netze sehen, die die Fischer zum Trocknen aufgehängt hatten. Sie wiegten sich im leisen, nächtlichen Wind. Das Mondlicht umnähte alles mit tintenschwarzen Schatten, so schwarz wie ihr Kleid an jenem Tag, als sie ihren Mann zu Grabe trug. Jener entsetzliche Tag…

    Der Sarg mit seinen Überresten war, eingehüllt in das königliche Banner, am Vortag in Khorinis eingetroffen. Wie gelähmt hatte sie mit angesehen, wie man Farims Leichnam in der Dunkelheit der Erde versenkt hatte, während ein Geistlicher des myrtanischen Heeres salbungsvolle Worte über den ehrenhaften Tod im Dienst der Krone fand. Der Duft der Lilien erfüllte die Luft mit Begräbnisgeruch, schwer und süßlich. Hätte Fenia sich selbst im Spiegel gesehen, wäre sie zweifelsohne über den Anblick erschrocken, der sich ihr geboten hätte: Ihr schwarzes Kleid war schief geschnürt, ihr Haar ungewaschen und wirr, ihre Augen tief eingesunken. Während sie mit regloser Miene die endlose Reihe der Kondolierenden empfing, dröhnten die Worte des Priesters immer noch in ihrem Kopf - dulce et decorum est pro patria mori! - und vermengten sich mit den Beileidsbekundungen der Bürger des Hafenviertels. Sogar Halvor war gekommen, um ihr unbeholfen die Hand zu drücken und sie seines Mitgefühls zu versichern, obwohl er Farim mehr als nur einmal zu Beliar gewünscht hatte, seit Fenia ihn verlassen hatte. Edda hatte geweint, die gutherzige Edda, und beim Anblick von Fenias versteinertem Gesicht brach sie erneut heftig in Tränen aus und griff nach ihrem Arm, als wolle sie nach ihr tasten, ob überhaupt noch ein menschliches Wesen hinter dem unbewegten Äußeren verborgen wäre. Fenia schloss sie in die Arme, weil ihr klar wurde, dass es auf diese Weise vor sich ging oder gehen musste, damit sich die harte Erde des Verlusts lockern und der steinige Acker des Schocks durch die Wärme des Kummers aufbrechen konnte. „Es tut mir so Leid, so Leid“, stammelte Edda und strich sich das Haar aus dem nassen Gesicht, „wie konnte Innos ihn zu sich nehmen, ich verstehe es nicht, es tut mir so Leid“. Fenia hielt sie im Arm und spürte Eddas Tränen an ihrer Wange. Als sich Edda aus der Umarmung löste und sie mit ihren roten, glänzenden Augen ansah, wusste Fenia plötzlich, was Edda, die gutherzige, fromme Edda, sagen würde, und sie fürchtete sich davor. „Innos sei Dank musste er nicht leiden, Fenia. Es ging schnell.“
    „Ja, es ging…schnell“, brachte sie hervor. Mühsam unterdrückte Hysterie stieg in Fenia auf und drohte an die Oberfläche zu sprudeln. Es ging schnell, daran besteht kein Zweifel, und deshalb ist der Sarg auch geschlossen. Mit Farim war nichts mehr zu machen, selbst wenn ich etwas davon hielte, meinen toten Mann in seinen Sonntagsstaat zu stecken und sein Gesicht zu pudern. Das Schwert des Orkkriegers hat seinen Kopf genau am Scheitel getroffen und völlig zertrümmert, und du kannst mir glauben, es ging schnell. Wie hätte er auch leiden sollen, als er in der größer werdenden Lache aus trübem Purpur lag und sein Gehirn in einem trägen, gelblichen Strom aus…
    Plötzlich wurde die Welt um sie herum grau. Sie spürte undeutlich, wie sie auf dem hartem Holzboden aufschlug und dann…nichts mehr.
    Edda hatte sie später nach Hause gebracht, ihr beim Ausziehen geholfen und eine Mahlzeit zubereitet, die Fenia beinahe unangetastet hatte stehen lassen. Sie saß den Schmerz in Eddas Augen, als sie ihre Freundin bat, sie nun allein zu lassen, doch nach einer letzten wortlosen Umarmung war Fenia allein, mit all ihren Gedanken und Erinnerungen. Sie ging ziellos in ihrer Hütte umher, verweilte hin und wieder vor einem Gegenstand, der Farim gehört hatte und starrte ihn mit leerem Blick an. Eine kleine graue Tonfigur, die einen Wal darstellt. Ein Stück Holz, das er einmal zu einer Flöte hatte schnitzen wollen und das nun bis in Innos’ Ewigkeit auf seine Vollendung würde warten müssen. Ein Buch, im hintersten Winkel des Schranks aus roh gezimmertem Erlenholz. Farim war kein begeisterter Leser gewesen, aber dieses eine Buch hatte er geliebt und immer wieder zur Hand genommen. Der Schreiber, stand auf dem abgewetzten Einband. Die feine, hellgraue Staubschicht, die auf dem Buch lag, ließ Fenia an Farims Hände in seinem Sarg denken. Wurde es in einem Sarg staubig? Sicher nicht, aber -
    Sie verdrängte den Gedanken. Der Gedanke tat so, als ginge er, aber kam von da an fast jeden Tag wieder heimlich zurück gekrochen wie der weiße Bär in jener alten Geschichte.
    Sie drückte das Buch einen Moment lang an ihre Brust und dachte an jene Begegnung mit Farim an einem regnerischen Frühjahrsmorgen in der kleinen Bucht nördlich von Khorinis. Es war das erste Mal gewesen, dass sie sich außerhalb der Stadt getroffen hatten - und auch das erste Mal, dass sie den jungen Fischer nicht nur als Handelspartner Halvors betrachtet hatte…
    Ein Unwetter hatte sie überrascht, als sie am menschenleeren Strand nach Muscheln suchte. Eiskalter, sintflutartiger Platzregen durchnässte ihr Kleid in wenigen Augenblicken, so dass es wie eine zweite Haut an ihr klebte. Keuchend rannte sie zu dem kleinen Unterstand, der wohl so manchem Schmuggler schon als Lager für seine Waren gedient hatte, und ließ sich vor Kälte zitternd, auf einer der alten Strohmatten nieder. Noch bevor sich ihre Augen an das schummerige Licht im Inneren der Hütte gewöhnt hatten, spürte sie, dass sie nicht alleine war.
    „Fenia, du zitterst ja“, sagte eine bekannte Stimme rechts von ihr.
    Sie blinzelte in die Dunkelheit und erkannte im schwachen Schein einer Kerze Farim, der, an die Bretterwand gelehnt, ein Buch auf den Knien hielt - Fenia hatte nie darüber nachgedacht, aber sie wusste einfach, dass es dieser Band gewesen sein musste, Der Schreiber - und sie nun ansah, mit einem Blick, der sie vergessen ließ, dass sie eben noch gefroren hatte.
    Während des Unwetters wechselten sie kein weiteres Wort miteinander. Farim zog sie an sich, und während draußen gewaltige Regenschauer das graue, aufgewühlte Meer mit ihrem Wasser nährten, trafen sich ihre Lippen zum ersten von so vielen Küssen.
    Später, als die dunkle Wolkenwand einem kalten Purpur am Horizont gewichen war, konnte Fenia die ersten Sterne durch die letzten Wolkenschleier sehen. Sie lag neben Farim auf einer der Strohmatten. Farim schlug träge nach einer Stechmücke, die über seiner Brust schwebte, sein Hemd lag achtlos auf dem Boden des Unterstands. Fenia hatte ihre Bluse noch an, aber aufgeknöpft, und sie spürte, wie der grobe Stoff an ihren Brüsten rieb.
    „Ich wollte dich schon ziemlich lange“, sagte Farim, ohne sie direkt anzusehen. „Ich glaube, das weißt du.“
    „Halvor…“ stieß sie hervor und bereute es sofort. „Ich…ich bin verheiratet und ich…“
    Er legte ihr den Zeigefinger seiner von Salzwasser und den harten Stricken der Netze rauen Hand mit einer Sanftheit auf die Lippen, die sie noch nie wahrgenommen hatte.
    „Psst.“ Er beugte sich über ihr sie und verschloss ihr den Mund mit einem Kuss.


    In Fenias Wimpern glitzerten Tränen. Nein, sie würde auch in dieser Nacht keinen Schlaf finden. Aber das war jetzt nicht wichtig. Sie wusste, was sie zu tun hatte.

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    Drachentöter Avatar von Eddie
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    Eddie ist offline
    Ein Morgen, wie er nicht schöner hätte sein können, zumal sich der Sommer schon längst verabschiedet hatte. Vereinzelte Strahlen der Sonne drangen in Fenias Hütte und hüllten diese in einen beschaulichen Glanz. Mildes, warmes Sonnenlicht leuchtete in Fenias verschlafenen Augen und brachte sie schließlich dazu, sie vollends zu öffnen.
    Wäre der kühle Wind nicht gewesen, hätte sie sich sofort erhoben und wäre ihre alltäglichen Arbeiten nachgegangen, wozu seit geraumer Zeit auch das Gießen der Blumen auf Farims Grabmal gehörte. Doch die milde Seeluft ließ sie im Bett verharren und brachte sie auch fast unweigerlich dazu, in den Sumpf ihrer Gedanken einzutauchen.
    „Ob er laut geschrien hat?“ fragte sie sich plötzlich, völlig unerwartet und unvorhergesehen schoss ihr diese Frage durch den Sinn und obwohl sie die Antwort darauf bereits wusste, behielt Fenia sie noch etwas im Hinterkopf.
    „Was wohl der Ork dachte, als er ihm den Schädel spaltete?“ auch damit beschäftigte sie sich noch ein wenig, bis ihr schließlich ein dritter und letzter Gedanke kam. „War es ein gerechtfertigter Tod?“ Sie bemerkte, dass die Antwort auf alle drei Fragen dieselbe war. „Womöglich nicht!“ Erneut, wie es in den letzen Tagen so oft der Fall war, brach sie in Tränen aus und drückte ihr Gesicht auf den weichen und flauschigen Bezug ihres Kopfkissens.
    „Nach vorn blicken ist das einzige, was dir bleibt!“ hörte sie plötzlich eine Stimme sagen. Ob es nur in ihrem Kopf war, oder ob die Person in ihrem Haus stand, konnte sie nicht unterscheiden. „Auch die dunkelste Nacht ist irgendwann mal vorbei.“ Seufzend hob sie ihren schweren Kopf nach oben, ihre Haare wurden umgehend von einer Böe des Windes erfasst und wirbelten sie durcheinander. Sie blickte sich um, konnte aber niemanden entdecken.
    „Wer ist da?“ fragte sie ängstlich, während ihr Puls rasant anstieg und ihr Herz eine Schlagzahl erreichte, die sie fast nicht für möglich gehalten hatte. Es hämmerte in ihrer Brust, als sie den Unbekannten, sie hörte heraus, dass es ein Mann war, noch einmal nach seiner Identität fragte. Doch er antwortete nicht.
    Ängstlich erhob sie sich und zog den grauen Mantel, der sie schon so oft durch die kalten Herbsttage brachte, über ihr dünnes Nachthemd. Fenia schob die Tür ihres Hauses auf und blickte nach draußen, nach links und rechts, oben und unten, doch nirgends war irgendjemand zu entdecken. „Habe ich mir das nur eingebildet?“ Die Stimme kam ihr bekannt vor, da war sie sich sicher, doch konnte Fenia sie nicht zuordnen. Verwirrung machte sich in ihr breit, als sie die knarrende Tür wieder verschloss und sich an die ersten Arbeiten machte, die sie sich für diesen Tag vorgenommen hatte.
    Neben dem Gießen der Blumen, was sie ohnehin nicht mehr lang machen müsste, da der Winter bald einbrechen würde, standen einige wichtige Einkäufe sowie ein umfangreicher Hausputz auf ihrem Plan. Den Gang zum Friedhof würde sie zuerst erledigen, war es doch eine weite Strecke, die sie zurücklegen musste. Zwar war es nicht üblich, dass einem Soldaten der einfachen Miliz eine Bestattung auf dem Klosterfriedhof zugesichert wurde, doch Cedric setzte sich für Fenia und besonders für den verstorbenen Farim ein, dass ihm dieser ehrenvolle Abschied zuteil würde. „Er hat es mehr verdient, als jeder andere!“ waren die knappen Worte des Paladins als er die „freudige“ Botschaft überbrachte.
    Wieder kamen der angehenden Mutter Tränen, als sie die Gedanken zurück in ihr Gedächtnis holte, doch diesmal versuchte sie, den Rinnsal in ihrem Gesicht aufzuhalten. Ohne es bewusst wahrzunehmen, hatte sie ihr Haus verlassen und sich auf den Weg ins Kloster gemacht und in der Öffentlichkeit wollte sie nicht weinen. Auch wenn sie sich für keine Träne, die sie ihrem Liebsten wegen vergoss, schämte, so wollte Fenia sich dies für ruhige Momente aufsparen und nicht, wenn ihr hunderte Menschen dabei zusehen konnten.
    Viele Bekannte Gesichter entdeckte sie, als sie das Hafenviertel der Handelsstadt durchstreifte, jedoch hegte sie kein Interesse, auch nur mit einem ein Wort zu wechseln, gar ein ausführliches Gespräch anzufangen. Dazu fehlte ihr schlichtweg die Zeit und wenn sie, wie auch in den Wochen zuvor, wieder damit zu kämpfen hatte, sich auf ihre Vorhaben zu konzentrieren, wovon sie fast schon ausging, dann hatte sie unmöglich Zeit für einseitige Gespräche mit nicht einmal besonders guten Freunden, die ohnehin nur von ihr wissen wollten, wie es ihr nun geht und so, wenn auch unabsichtlich, alles nur schlimmer machten. Nein, darauf hatte sie keine Lust und auch als sie von hinten plötzlich gerufen wurde, wollte sie sich erst gar nicht umdrehen und lief einfach weiter. Erst als der Nachdruck in der Stimme des Rufenden stieg, drehte sie sich um und erkannte…Halvor.
    „Ich dachte schon, du hast mich gar nicht gehört.“
    „Oh, Halvor!“ meinte sie nebenher. „Was machst du denn hier?“
    „Ich? Ich wollte gerade ein paar Erledigungen machen, da sah ich dich! Wie geht es…“ er brach die Frage ab, als er sah, wie sie den Blickkontakt abbrach. „Ich verstehe!“
    „Halvor, nichts für ungut, aber ich muss weiter, es gibt noch eine Menge zu tun!“ Raschen Schrittes machte sie sich davon, schließlich war der Weg zum Kloster noch lang und, in ihrer Verfassung, auch beschwerlich.
    „Ist es richtig, ihn so zu verstoßen?“ sagte sie im Stillen, als sie an Harads Schmiede vorbei lief. Die hallenden Schläge des Hammers auf den Stahl erschienen ihr wie in weiter Ferne, obwohl sie nur wenige Meter entfernt daran vorbeiging. „Er will mir doch nur helfen!“ Wenn man nicht wusste, wie verwirrt Fenia war, dann hätte man es in diesem Augenblick an ihrem leeren und ausdruckslosen Blick gesehen, der, zu allem Überfluss, schon wieder von einer Träne ergänzt wurde. Ob sie Farim galt, oder der Abneigung, mit der sie Halvor strafte, konnte sie nicht zuordnen. Doch sie entschied sich für die erste Möglichkeit, da sie die ohnehin schon komplizierte Situation nicht noch schwieriger machte.
    Das Nordtor der Stadt war nicht mehr weit entfernt und auch die Sonne war nun in ihrer ganzen Pracht zu sehen, wenn sich auch gelegentlich ein paar schneeweiße Wolken vor ihr makelloses Antlitz schoben. Ein gezwungenes Lächeln entgegnete Fenia den Wachen, als sie durch das Tor hindurch auf den breiten Weg trat, der sie fast direkt zum Kloster führte. Zu ihrem Glück war der Krieg gegen die Orks schon längst gewonnen und auch das Problem mit den Banditen als Wegelagerer gab es schon längst nicht mehr. So konnte sie sich sicher auf den Weg zum Kloster begeben, ohne Angst haben zu müssen, hinter der nächsten Gabelung von einem spitzen Schwert bedroht zu werden.
    „Wenigstens etwas, um das man sich keine Gedanken machen muss!“ Sie streichelte über ihren Bauch und spürte, wie so oft in letzter Zeit, auch Reaktionen des Wesens, das darin heranwuchs. Manchmal war es ein Gurgeln, ein anderes Mal auch ein sanfter Tritt mit den kleinen Beinen. Eigentlich müsste sie sich darüber freuen, müsste Freudensprünge über die ersten Lebenszeichen ihres Kindes machen, doch sie konnte nicht, sie war zu bedrückt, musste jedes Mal an ihren Geliebten Farim denken und daran, dass diese Kind sie immer an ihn erinnern würde. Erneut drangen Tränen aus ihren Augen und fast unweigerlich musste sie an jenen Augenblick im letzten Jahr denken, als sie so sehnsüchtig wie noch nie vorher auf ihn wartete, am See, oben bei Bengars Hof.
    „Warum konnte dieser Moment nicht endlos sein?“…

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    Ehrengarde Avatar von El Toro
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    El Toro ist offline
    Der betörende Duft nächtlicher Seerosen hüllte sie ein und der sanfte Wind liebkoste ihre nackte, erhitzte Haut, während sie der leisen Melodie des Wassers und dem Atem des Mannes lauschte, der an ihrer Seite im taufeuchten Gras lag. Sein Körper schimmerte im silbernen Licht des Mondes wie Marmor. Es war kühl geworden, und Fenia fröstelte. Farim bewegte sich ein wenig in Schlaf, so dass seine Hüfte ganz leicht die ihre berührte, so leicht wie die Berührung einer Feder. Doch genügte diese winzige Verbindung, um Fenias ganzen Körper von Wellen der Sehnsucht und des Verlangens erschauern zu lassen. Der Mond im Wasser, der sanfte Wellenschlag, der Gesang unzähliger Zikaden. Wie kann ein Mensch ohne Liebe leben? Ihr Körper schien schwerelos auf dem grünen Lager zu schweben. Hatte sie eben noch gefroren? Wärme breitete sich in ihrem Körper aus und sie dachte an die Verse, die sie als junges Mädchen von einem Dichter der südlichen Inseln gehört hatte:

    Die Finger des Frühlings
    haben auf hohen Halmen
    Liebeslager aus Lilien errichtet.
    In duftenden Blütenkelchen
    locken die Lanzen der Lust


    Fenia ließ ihre Hand über den Bauch ihres erschöpften Geliebten gleiten, verweilte hier und da, um mit den feinen Härchen zu spielen, erforschte die Wölbung seiner Lenden und die sanfte Kuhle des Nabels, glitt tiefer, bis sie schließlich fand, was sie suchte und wonach sie sich sehnte.
    Hatte Farim, erschöpft von ihrem nächtlichen Liebesspiel, eben noch reglos neben ihr geruht, konnte Fenia nun die ersten Anzeichen aufkeimenden Verlangens spüren. Sie lachte leise, wandte sich ihrem Geliebten zu und beugte sich über ihn, so dass die Spitzen ihrer Brüste seinen Oberkörper berührten. Ihr offenes schwarzes verhüllte ihr Gesicht und fiel in langen Schwüngen über seine Brust, während sie das Spiel ihrer Finger fortsetzte, wie Worte, stumm und zärtlich.
    Ameisen und Bienen reden so miteinander, dachte sie. Sie erfühlen die Botschaft eines anderen mit dem Leib. Die Sprache unserer Körper erzeugt Empfindungen, die die Stimme nicht zu vermitteln vermag. Mütter sprechen so mit ihren Ungeborenen, Sterbende, die nach unseren Händen greifen und Liebende… Dann dachte sie nichts mehr, fühlte nur noch, fühlte ihn, neben ihr, unter ihr, in ihr, roch den Duft der Seerosen, hörte das Rascheln des Schilfs und die leise Melodie des Wasser, das der Wind in winzigen, glasklaren Wellen an das Ufer des Sees trieb.

    Wasser, das in winzigen Wellen an das schilfbewachsene Ufer rollte, sang sein beruhigendes Lied. Fenia blickte verwirrt auf und versuchte mit aller Kraft, aus der Tiefe ihrer Gedanken aufzutauchen und an die Oberfläche zu gelangen, wo die Sonne mit ihren Strahlen unbarmherzig die Wirklichkeit beleuchtete. War sie nicht eben auf dem Weg irgendwohin gewesen? Ihre Gedanken fühlten sich wie trüber, zähflüssiger und bitterer Honig an. Sie dachte angestrengt nach, doch sie konnte sich nicht erinnern. Ihre Hände kneteten unablässig die Falten der groben Schürze, die sie über ihrem schlichten Kleid trug. Orlans Taverne. Dort war sie vorbeigekommen. Sie war so erschöpft gewesen, dass sie im Schatten der gewaltigen Tanne einem Moment Rast machen musste, denn die Herbstsonne hatte heute - vielleicht zum letzten Mal in diesem Jahr - mit aller Kraft die Geschöpfe Adanos’ beschienen. Die Bienen und Schmetterlinge hatten sich zu ihrem letzten Flug gerüstet, bevor die ersten Fröste sie heimholen würden zu ihrem Schöpfer, und waren um die letzten Herbstblumen geschwirrt. Blumen mit weißen Köpfen und süßem Duft…
    Fenia fuhr zusammen. Die Blumen! Sie war auf dem Weg zum Kloster gewesen, um die Blumen zu gießen, vielleicht zum letzten Mal in diesem Jahr. Die Blumen auf dem Grab ihres toten Mannes.
    Nun erst nahm sie ihre Umgebung wirklich wahr. Sie musste an Orlans Taverne in Gedanken den falschen Weg eingeschlagen haben, denn sie fand sich unter einem Baum nahe des Wasserfalls wieder, der den See unter ihr mit frischem Wasser nährte. Ihren See.
    Sie sah die Seerosen und die kleinen Insekten, die auf der sonnenbeschienenen Oberfläche des Wassers ihre Kreise zogen, ohne zu wissen, dass sie bald, sehr bald, tot sein würden. So tot wie Farim.
    In diesem Moment überkam sie eine unwiderstehliche Sehnsucht nach einer völligen Ruhe und Dunkelheit, wie sie nur die schwarze, fruchtbare Erde der Insel bieten konnte, wenn sie eines der Geschöpfe Adanos’ endgültig in ihrer kalten, feuchten Umarmung empfing.
    Sie berührte mit der rechten Hand den spröden Einband des Buchs, das sie in der Tasche ihrer Schürze bei sich trug. Der Schreiber, stand in abgewetzten Lettern darauf. Farim hatte eine Spielkarte - den roten König - aus einem unvollständigen Blatt als Lesezeichen benutzt, die seit seinem Aufbruch aus Khorinis und vielleicht bis in alle Ewigkeit zwischen den Seiten LXIV und LXV steckte. Seit Farim Beerdigung hatte Fenia das Buch immer und immer wieder an dieser Stelle aufgeschlagen und war mit zitternden Fingern den Zeilen gefolgt, die Farim zuletzt gelesen hatte.
    Sie zog das Buch aus ihrer Schürze und betrachtete es lange. Der rote König erwiderte ihren Blick gleichgültig. Sie fuhr mit dem Finger zwischen die Seiten LXIV und LXV, öffnete das Buch mit einer raschen Handbewegung und blickte hinab auf die Zeilen, die sie in den letzten Wochen so oft gelesen hatte. Es war die Geschichte eines Barden, der einst die Insel Khorinis bereist hatte, um das harte und mühsame Leben der Menschen mit seiner Magie zu verzaubern. Fenias Augen wollten sich wieder mit Tränen füllen, doch sie blinzelte sie mit einer fast übermenschlichen Entschlossenheit weg, um die mit schwarzer Tinte auf das brüchige Papier gebannten Verse klar sehen zu können.

    Gib deine Hand, du schön und zart Gebild!
    Bin Freund und komme nicht zu strafen.
    Sei gutes Muts! ich bin nicht wild,
    Sollst sanft in meinen Armen schlafen!


    Nichts wünschte sie sich in diesem Augenblick mehr als diesen sanften, endlosen Schlaf. Es wäre so einfach, ein winziger Schritt nach vorne mit geschlossenen Augen. Sie würde fallen, spüren, wie das Wasser sie umfing und sich ihm völlig hingeben. Die Welt um sie herum würde ganz still werden und nur das gedämpfte Dröhnen des Wasserfalls würde noch existieren. Nein, sie würde nicht kämpfen und schreien, sondern ihren letzten Liebhaber freudig erwarten wie ein Mädchen ihren Bräutigam. Und er würde sie in seinen Arme halten und ihr mit seinem Kuss die Augen für immer schließen…
    Fenias Atem stockte hörbar. Etwas hatte sich in ihr bewegt, ganz zart, aber mit sachtem Nachdruck. Sie strich mit den Händen über die Wölbung der Leibesmitte. Zum ersten Mal fiel ihr auf, dass ihr Kleid dort spannte. Sie würde es Rupert bald zum Ändern geben müssen. Seit beinahe fünf Monaten trug sie Farims Kind in ihrem Leib, doch es war ihr wie ein Fremder vorgekommen, ein Fremder, der sich ohne ihre Zustimmung in ihr eingenistet hatte, um von ihr zu zehren und ihren Kummer zu vergrößern. Sie legte die Hand wieder auf ihren Bauch und spürte eine Bewegung, sanft wie Schmetterlingsflügel. Das Kind war am Leben. Farim war tot, aber sein Kind lebte. Sie lächelte, ohne es zu merken. Nicht das mechanische Lächeln, das die ihren Freunden und Nachbarn zeigte, wenn sie sich nach Fenias Befinden erkundigten, sondern ein warmes, echtes Lächeln, das sie schon verloren zu haben glaubte.
    Sie lauschte nach dem Wesen in ihrem Inneren, wartete, dass es sich wieder bewegte und lächelte. Das Wasser plätscherte in gleichgültigen Wellen ans Ufer, als sie ihre Entscheidung traf.

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    Gib deine Hand, du schön und zart Gebild!
    Bin Freund und komme nicht zu strafen.
    Sei gutes Muts! ich bin nicht wild,
    Sollst sanft in meinen Armen schlafen!


    Abermals hallten diese Worte in ihrem Kopf wieder, machten ihre Gedanken mürbe, ihren Willen schwach. Der Traum vom ewigen Schlaf hörte sich so verlockend für sie an, wie eine Hand voll Süßigkeiten für ein kleines Kind. Krampfhaft musste sie dagegen ankämpfen, nicht wieder zurück ans Ufer des Teiches zu gehen, sich die plätschernden Wellen zu betrachten, den Duft der Seerosen zu riechen und…
    So sehr sie es auch wollte, sie hatte eine Entscheidung getroffen und auch wenn es nicht der einfachste Weg war, so war es doch, auf lange Sicht hin der bessere. Glaubte sie zumindest…
    Langsam schlich sie den schlechten Feldweg entlang, stets darauf bedacht, nicht mit dem Fuß umzuknicken und zu stürzen. Unterbewusst, ohne es beabsichtigt zu haben, legten sich ihre beiden Hände über den Bauch. Der mütterliche Schutzinstinkt übernahm nun doch die Oberhand, obwohl sie sich in gewissem Maße gegen das wehrte, was in ihr heran wuchs. Zwar war es ein Teil von ihr, das stritt sie nie ab, jedoch einer, der ihr Kummer statt Freude und Sehnsucht statt Hoffnung bereiten könnte, so ihre Gedanken. Jedes Mal, wenn Fenia in die Augen ihres Kindes blickte, würden sich Farims dunkelblaue darin widerspiegeln, bei jeder Berührung seiner Haare müsste sie an die kräftigen Braunen ihres Mannes denken und bei jedem gute Nacht Kuss…

    Nahe der Taverne „Zur toten Harpie“ musste sie sich setzen. Sie konnte es nicht mehr, war am Ende, ausgelaugt und entkräftet. Auch die Tritte und alle anderen Bemühungen ihres Kindes, Aufmerksamkeit zu erregen, schlugen fehl. Fenia saß da, ihr ausdrucksloser Blick schweifte über die Ebene, blieb unkontrolliert an irgendwelchen Orten hängen.
    Bäume in weiter Ferne, die beinahe vollständig in einen nebligen Dunst eingehüllt waren, zogen sie plötzlich wie magisch an und ließen sie für einen kurzen Moment ihre Sorgen und Probleme vergessen. Das Spiel des Windes, wie er über das Gras glitt, die Halme wog und drohte, sie zu brechen, beruhigte ihr erregtes Gemüt und machte ihren Kopf klarer. Wie von Geisterhand geführt, richtete sie sich auf, und folgte…
    Irgendwem, irgendetwas, sie konnte es nicht sagen. Sie lief einfach, unaufhaltsam, ohne nachzudenken, ihr leerer Blick richtete sich stur nach vorn, schwenkte weder nach links oder rechts, um die grasenden Scavenger zu beobachten oder die Goblins vor den herannahenden Wölfen zu warnen. Alles um sie herum war unwichtig, weder das lüsterne Pfeifen der vorbeilaufenden Söldner noch der kalte peitschende Wind, welcher ihre Nackenhaare aufrichten ließ und ihr eine Gänsehaut bereitete. Sie reagierte auf nichts, niemand vermochte es, sie aus ihrer Trance zu befreien.
    „Blicke nach vorn!“ quälte sich plötzlich eine Stimme in ihren Kopf, mit Mühe und Not gelang es ihr, dort einen Zugang zu finden. Alles war verschlossen, gewährte keinen Eintritt.
    Fenia schreckte auf, ein schnelles Hecheln begleitete diesen Moment ebenso wie die rasch aufeinander folgenden Schläge ihres Herzens. Sie versuchte, tief einzuatmen, doch konnte nicht.
    „Wie bin ich hier her gekommen?“ wunderte sie sich, als sie das plätschernde Wasser des Sees erneut vor sich sah. Verschwommen spiegelte sich ein Gesicht darin, fast bis zur Unkenntlichkeit verzerrt. Fenia glaubte, sich darin wieder zu erkennen, doch dieses ausdruckslose Gesicht mit der blassen Haut und den zerzausten Haaren konnten einfach nicht zu ihr gehören.
    Vorsichtig fuhren ihre zittrigen Hände über den Kopf, doch lag das Haar, wie es sollte. Zumindest zum größten Teil. Was war das für ein Spiegelbild? Was war das überhaupt für ein Spiegel? „Was, bei Innos, ist das?“ sie bekam Angst, ihr ganzer Körper schien zu zittern und zu beben. Auch an ihrem Ungeborenen ging dies nicht vorüber, mit Tritten und Stößen, auch wenn sie nicht besonders stark waren, bedeutete er ihr, dass ihm das alles nicht gefiele und er am liebsten in aller Ruhe heranwachsen wollte, anstatt unter Stress und Hektik.
    „Was mache ich eigentlich hier draußen?“ überlegte Fenia herum, als sie sich, immer noch ängstlich und ein wenig verstört, umblickte.
    Eine graue Wand aus dichtem Nebel befand sich rings um sie herum und schnitt sie von der Außenwelt ab. Nach einem letzten Blick in das entfremdete Spiegelbild, welches sie gerade noch erspähen konnte, machte sie sich auf den Weg, irgendwo hin…

    Vage konnte sich Fenia an Orlans Taverne erinnern, wie sie da saß, sich die Landschaft ansah und plötzlich müde wurde. An dieser Stelle riss Fenias Erinnerung ab und eine schwarze Wand schob sich vor ihr inneres Auge, dunkel und alles verhüllend, was sich dahinter befand.
    „Was passiert mit mir?“ unentwegt stellte sie sich diese Frage, als sie aus dem Nebelschleier trat und Kurs auf die „Tote Harpie“ nahm. So sehr sie sich auch bemühte, sie fand keine Erklärung für ihre Wanderung hinunter zum See, ebenso für die Ausflüchte in das Reich ihrer Gedanken.

    Windstille. Alles war dunkel, kein Kerzenlicht brannte mehr in den Häusern des Hafenviertels, Geräusche, sei es auch nur ein leises Rascheln, gab es in jener Nacht nicht. Lediglich zwei Personen standen da, am Pier des Hafens, schauten zusammen in den sternenklaren Himmel, ohne auch nur ein Wort zu sagen. Das Funkeln der Himmelskörper spiegelte sich hundertfach in ihren Augen wieder, als sie ihn ansah und zärtlich durch das kurze, braune Haar strich.
    „Wann wirst du wiederkommen?“ fragte Fenia ihren Geliebten, welcher seine Rüstung bereits übergezogen und das Schwert in der Scheide am Grütel baumeln hatte.
    „Bald!“ antwortete er auf ihre Frage und wischte ihr eine Träne von den Wangen, als er ihr zärtlich über das Gesicht streichelte. „Bald!“ nicht einen Moment später hörten die beiden das Rufen eines Paladins, der bereits ungeduldig auf Farim zu warten schien. „Los, komm schon! Sonst bleibt kein Ork mehr für uns übrig!“
    „Warte Cedric, ich will mich nur noch verabschieden!“Ein letztes Mal blickte er in die sehnsüchtigen Augen seiner Frau, ein letztes Mal fuhr er ihr durch das schwarze, seidenglatte Haar und ein letztes Mal vereinten sich ihre Lippen. Lang und intensiv schmeckte er sie, spürte das kribbelnde Gefühl, als sich ihre Zungen vereinten und wartete nur darauf, dass sie ihm, verführt durch die Leidenschaft, die Rüstung vom Leibe riss. Doch sie tat es nicht, Tränen standen ihr in den Augen, als sie den Kuss beendete. Ein Kuss, der nicht von Liebe, sondern von Angst zeugte und der Unbehagen statt Leidenschaft und Seelenweh statt der unbändigen Leidenschaft übermittelte.
    „Ich habe ein schlechtes Gefühl, Farim!“
    „Mach dir keine Sorgen, sondern blicke nach vorn! Dann wird alles gut!“ Einen letzten Kuss bekam Fenia noch auch die Stirn, als sie die aufmunternden Worte ihres Mannes vernommen hatte, doch konnte das den reißenden Strom aus Tränen auch nicht aufhalten. Wehmütig und sorgenvoll blickte sie ihm hinterher, bis er hinter der letzten Wegbiegung verschwand.

    „NEIN, NICHT!“ Schrie Fenia plötzlich. Sie befand sich auf der Brücke zum Kloster, als ein unsagbarer Schmerz ihren Kopf heimsuchte und sie ihn festhalten musste. Ihr Blick wurde zunehmend trüber, ihre Hände schwächer und das hämmernde Klopfen in ihrem Kopf immer stärker. Sie konnte nicht mehr, stützte sich rettend auf die niedrige Mauer. Sie wollte speien, das ganze Elend aus sich heraus befördern, doch sie konnte nicht. Der Schmerz in ihrem Kopf übermannte sie, drückte jeden Nerv gnadenlos ab und ließ sie schließlich in Ohnmacht fallen…

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    In den sanften Wellen des klaren, kühlen Gewässers spiegelte sich das Gesicht Fenias wider, die hier am See zwischen dem Schilf auf einem Stein saß, und hin und wieder den weiß leuchtenden Mond mit sehnsuchtsvollen Blicken bedachte. Sie seufzte und strich sie durch ihr welliges, schwarzes, in Mondlicht getauchtes Haar und fühlte dabei, wie sich ihre luftige, mittlerweile feuchte Kleidung an ihren Körper schmiegte. Ihr Ebenbild im Wasser tat es ihr gleich.
    Sie war schon einmal hier gewesen, vor langer Zeit. Auch damals hatte sie gewartet, sich vor Sehnsucht beinahe verzehrt… Sie war eins gewesen mit dem sanften Wind, dem kühlen Wasser, das ihre Beine benetzte und der Dunkelheit der Nacht, die sich damals umfing wie tiefschwarzer Samt. Ihr ganzer Körper war nur Gefühl gewesen, Sehnsucht, Verlangen…
    Nun war sie wieder hier.
    Aber etwas war anders.
    Fenia blickte hinauf zur unendlichen Weite des Firmaments. Hatte sie das Mondlicht damals nicht sanft umschmeichelt und die nächtliche Welt in einen silbrigen Schimmer getaucht? Waren ihr die Sterne damals nicht wie winzige Diamantsplitter erschienen, die ein Gott achtlos auf den schwarzen Samt des Himmels geworfen hatte? Nun hatte sich das Silber des Mondes in ein fahles Weiß verwandelt, das den See mit kalter Leichenblässe überzog, und die Sterne funkelten hart und bösartig. Fenia schien es, als könne sie durch kleine Löcher, die jemand mit einer weißglühenden Nadel in den Himmelssamt gestochen hatte, das kalte Licht sehen, das alle sterblichen Wesen am Ende ihres Weges erwartete.
    Sie fror in ihrem dünnen weißen Kleid, das die Nacht mit ihrer Feuchtigkeit durchdrungen hatte. Fenia schaute an sich herab und erschauerte bei dem Anblick des feinen Mousselines, das an ihr klebte wie ein Leichentuch, und sie…
    Etwas berührte ihr Bein.
    Fenia erstarrte. Sie konnte nicht schreien.
    Sie blickte hinab auf den trüben Spiegel der Wasseroberfläche
    (kristallklar, dachte sie, waren die Wellen nicht kristallklar gewesen?) und sah ihre Beine in demselben fahlen Weiß aus dem schwarzen Wasser hervorschimmern, in das der Mond die Landschaft ringsherum tauchte. Eine verblühte Seerose hatte sich gelöst und mit ihren verfaulenden Blütenblättern die bloße Haut ihrer Wade gestreift. Auf den sanften Wellen des Sees trieb sie nun weiter, wie ein winziges Totenschiff, das die Seelen der Verstorbenen zu Adanos geleitete.
    Nun erst bemerkte Fenia den Geruch, der vom Wasser aufstieg. Die überbordende Süße der Seerosen konnte sie nicht mehr über den Hauch von Fäulnis hinwegtäuschen, der sich still und unaufhaltsam ausbreitete, ein Geruch wie welkende Friedhofsblumen an einem nebligen Tag im Spätherbst.
    Wieder streifte eine verfaulende Seerosenranke ihr Bein, und diesmal schrie sie, vor Abscheu und Entsetzen.
    Jemand kam. Oder etwas.
    Fenia konnte es weder sehen noch hören; sie spürte einen Luftzug durch ihr feuchtes weißes Kleid und erkannte, dass das, was auf dem Weg zu ihr war, die Totenruhe der Natur in der Dunkelheit störte.
    Sie brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, wer der Eindringling in dieses nächtliche Grab war, das sie hier umfing.
    Ohne dass sie es wollte bewegten sich ihre tauben Lippen und ein Flüstern, nein, nicht mehr als ein Hauchen, vermischte sich mit dem Wind: „Endlich bist du da.“
    Sie schloss die Augen und atmete den Geruch ein, der von dem Wesen ausging, das sie so sehnsüchtig erwartet hatte und das nun endlich, endlich zu ihr gekommen war. Friedhofsblumen, dachte Fenia, Friedhofsblumen und Staub in einem Sarg…
    Etwas berührte ihren Nacken, zog kühle, feuchte Linien auf ihrer Haut.
    „Ich bin nun da, wie du es von mir verlangt hast.“ Farims Stimme knirschte von Graberde.
    „Nimm mich zu dir“, wisperte sie, „küss mich und mach dem Warten ein Ende.“
    Sie spürte, wie sich die toten, kalten Lippen Farims ihrem Nacken näherten, zögerten, sich wieder zurückzogen. Sie wartete.
    „Blicke nach vorn. Dann wird alles gut.“
    „Nein“, schrie sie in plötzlichem Zorn. „Du wirst mich nicht noch einmal allein lassen!“
    Aber das Geschöpf, das Farim gewesen war, war bereits in der Dunkelheit verschwunden. Sie wandte sich um, und auch die stille Landschaft war von allumfassender Schwärze verschlungen worden, das leise Plätschern der Wellen wurde schwächer, der Mond, die Sterne versanken im Dunkeln, und Fenia…


    Stimmen im Dunkeln.
    „Und der Abend ward mir lang; ich wälzte mich und wurde des satt bis zur Dämmerung..."
    „Er wird alle Tränen von ihren Augen abwischen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Trauer, noch Klage, noch Leid, noch Schmerz…“
    „Meister Parlan, ich glaube, sie…“


    Fenia lag in der Dunkelheit und lauschte den Stimmen, bis sie merkte, dass die Dunkelheit gar nicht dunkel war. Sie war rötlich, bewegt und friedlich. Ein Morgen in ihrer Hütte am Strand von Khorinis, an dem man nach eigenem Belieben erwachen durfte. Man lag mit geschlossenen Augen da und sah nichts als die rote Dunkelheit, die entstand, wenn die Sonne durch die dünne Haut der Augenlider drang. Man konnte der Brandung der myrtanischen See lauschen, dem Krächzen der Möwen, und vielleicht roch man salzige Meeresluft. Man konnte mit der Hand nach dem geliebten Mann tasten, der neben einem im Bett lag, seine warme Haut spüren und… Aber das war nicht ihre Hütte in Khorinis, es war
    Das Kloster, dachte sie, ich bin im Kloster.
    Sie schlug die Augen auf. Sonnenlicht fiel durch das schmale Fenster und durchflutete den Raum, in dem sie sich befand.
    Ein Gesicht schwebte über ihr, wie der Mond, jung, blass und voller Sorge.
    „Parlan, sie ist bei Bewusstsein.“
    Das Gesicht verschwand aus ihrem Blickfeld.
    Fenias Hände legten sich fast wie von selbst auf die Mitte ihres Leibes, ertasteten die leichte Wölbung unter ihrem Kleid.
    „Das Kind“, flüsterte sie. Ihr Hals war trocken.
    Ein weiteres Gesicht erschien über ihr. Es war älter, aber ebenso voller Sorge.
    „Das Kind“, wiederholte sie, doch das Gesicht Parlans blieb unbewegt. Blinde Angst stahl sich in ihren Körper, kalt und lähmend.
    „Das Kind.“ Fenia zwängte die Worte durch die trockene Enge ihrer Kehle. „Habe ich es verloren?“
    Nun erhellte Begreifen das Gesicht des alten Mannes, der an ihrem Bett saß und sich über sie beugte.
    „Nein, Fenia, nein. Du hast das Kind nicht verloren. Es stand nicht gut um dich…um euch, aber…“
    Sie hörte nicht, was Parlan noch sagte. Sie fing an zu weinen, heiße Tränen, die ihre Wangen hinab liefen. Sie weinte und umarmte den Magier wild und achtete nicht darauf, dass jede Faser ihres Körpers dabei vor Schmerz zu schreien schien. Die Zukunft konnte warten. Was sie am meisten brauchte, war in diesem lichtdurchfluteten Raum.

    Sonnenlicht brach sich auf dem schwarz schimmernden Marmor. Fenia betrachtete die schlichte Grabplatte lange Zeit, dann bückte sie sich hinunter, um den warmen Stein zu berühren. Es fiel ihr mittlerweile schwer, sich hinabzubeugen, und so ließ sie sich auf die Knie sinken. Ihre linke Hand lag wie eine weiße Blume auf dem Grab Farims, ihre rechte auf der Rundung ihres Leibes. Das Kind antwortete mit einer sachten Bewegung. Rund um das Grab sprossen die ersten Frühjahrblüten aus dem Boden, den vor kurzem noch Schnee bedeckt hatte. Die Natur erwachte und machte auch vor dem Friedhof des Klosters keinen Halt. Fenia verharrte lange Zeit so, lauschte dem Rauschen des Wassers rings um das Kloster und dachte an jenen Moment am See, vor Ewigkeiten, jenen Moment, der nicht endlos sein konnte.
    Dann erhob sie sich, warf einen letzten Blick auf den schwarzen Stein und wandte sich um.

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    Kitsch as Kitsch can! Nach diesem Battle fühle ich mich ein wenig wie nach einer Kissenschlacht, bei der die Daunen zuvor mit einem leichten Nervengas behandelt wurden…
    Danke, John, für das absolut frauentaugliche Lead-In und danke, Eddie, dass du dich bereit erklärt hast, für einen gewissen großmäuligen, auf mysteriöse Art und Weise entschwundenen User einzuspringen und damit ein *hüstel* ehrbares Mädel vor der Schande bewahrt hast, sitzen gelassen zu werden.
    Auch wenn mir dein große Name ein bisschen Angst gemacht hat (man battelt sich ja nicht täglich mit der Forenelite): man wächst ja mit den Anforderungen. Überflüssig zu sagen, dass du die Fäden stets in der Hand hattest und den Verlauf der Geschichte maßgeblich bestimmt hast!

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    Drachentöter Avatar von Eddie
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    Zitat Zitat von El Toro Beitrag anzeigen
    Kitsch as Kitsch can! Nach diesem Battle fühle ich mich ein wenig wie nach einer Kissenschlacht, bei der die Daunen zuvor mit einem leichten Nervengas behandelt wurden…
    Danke, John, für das absolut frauentaugliche Lead-In und danke, Eddie, dass du dich bereit erklärt hast, für einen gewissen großmäuligen, auf mysteriöse Art und Weise entschwundenen User einzuspringen und damit ein *hüstel* ehrbares Mädel vor der Schande bewahrt hast, sitzen gelassen zu werden.
    Auch wenn mir dein große Name ein bisschen Angst gemacht hat (man battelt sich ja nicht täglich mit der Forenelite): man wächst ja mit den Anforderungen. Überflüssig zu sagen, dass du die Fäden stets in der Hand hattest und den Verlauf der Geschichte maßgeblich bestimmt hast!
    Ich finde zwar, zumindest die letzten zwei Sätze maßlos übertrieben (mein großer Name, das hört sich schon toll an, irgendwie), aber gut, wenn du meinst, vertrau ich dir mal.
    Jedoch finde ich es falsch, mir falsche Bescheidenheit zu unterstellen, denn dir haftet sie ebenso an, meine Gute! Ich mein, deine Posts waren alle wirklich sehr sehr gut gelungen und zugegeben, auch wenn ich die Handlung wohl ein wenig mehr voran getrieben hab, du hast in jedem Post den Bezug zu Johns herrlichen Leadin bewahrt, was ich persönlich für genauso wichtig halte.
    Ein wirklich tolles Battle, dass wir uns da geliefert haben, am besten gefällt mir, dass wir miteinander, statt gegeneinander geschrieben haben, hat wirklich Spaß gemacht, auch wenn ich gegen Ende doch ziemlich inspirationslos war, leider. Deswegen ist auch mein Leztter Post so "komisch" ausgefallen, ich möchte sogar sagen, dass er kacke war.
    Allein schon, weil ich ein netter und kein egoistischer Mensch bin, stimme ich für dich, jedoch, das sage ich ehrlich, du hast dir die Stimme wirklich verdient und es würde mich nicht wundern, wenn noch mehr für dich stimmen!

    Aus dem Tagebuch eines Helden
    [Teil 1: Die Strafkolonie] [Teil 2: Khorinis]
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    Deus Avatar von John Irenicus
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    John Irenicus ist offline
    In diesem Battle gebe ich niemanden meine Stimme, weil ich das ewige stimmen für den Kontrahenten nurmehr albern finde.


    Ach, den wahren Grund muss ich ja auch noch nennen, fast vergessen... naja, fangen wir noch einmal von vorne an:

    Ich verteile nicht oft Lob, aber:
    Das Battle ist einfach nur wunderbar. Hättet ihr euch mit sowas zu zweit bei den Lovestories beworben, ihr hättet gewonnen. Gäbe es die Kategorie "Bestes Battle", ihr hättet gewonnen. Schonmal daran gedacht, das ganze gesondert als Story zu posten, für die Nachwelt und das eigene Prestige?

    Was ihr da aus meinem im Nachhinein und gegen eure Ideen jämmerlichen und erbärmlichen Lead-In gezaubert hat, verlangt mir einiges an Respekt ab.
    Gefühl, Tragik, Dramatik, dabei jede Menge Fantasy und auch ein leichter Gruselfaktor, all das habt ihr in diese traurige Geschichte um Fenia eingebracht, und das wirklich hervorragend. Ich kann da nicht ausmachen, wer von euch besser war: Ihr beide hattet gute Ideen, ihr beide habt gut geschrieben. Von daher müsst ihr wohl ohne meine Stimme auskommen, aber darum geht es wohl noch nicht.

    Dieses Battle muss erst einmal getoppt werden.

  11. Beiträge anzeigen #11 Zitieren
    Deus Avatar von Sir Ewek Emelot
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    Sir Ewek Emelot ist offline
    Ich hab es gelesen und fand es schön. El Toros und Eddies Schlussbemerkungen waren beide richtig: Eddie war der derjenige, der die Handlung wesentlich bestimmt hat, doch El Toro hat stets die atmosphärische Kohärenz bewahrt und sichergestellt, dass auch der Inhalt sich zu einem harmonischen Ganzen fügt.
    Wie John schon schrieb, ist es hier schwer, zu sagen, wer denn nun besser gewesen sein soll, denn als "Battle" würde ich das Ganze nicht bezeichnen, eher als Co-Produktion, was zu einem beachtlichen Ergebnis geführt hat.

    Doch während des Lesens kristallisierte sich bei mir, anders als bei John, sehr wohl eine Päferenz heraus. Eddies Stil schien mir einen Tick weniger harmonisch zu sein; an manchen Stellen gab es leichte Brüche. Er hatte nur ganz wenige sprachliche Fehler; aber bei El Toro konnte keine feststellen. Er hat die Handlung vorgegeben, aber El Toro vermochte sie in unnachahmlicher Weise zum Leben zu erwecken.
    Es mag einfach daran liegen, dass ich El Toros Art zu Schreiben, zumindest innerhalb des Forums, für Konkurrenzlos halte. Aber letztlich gefielen mir ihre Beiträge besser: Unaufdringlich, subtil, elegant, einfach schön.
    Geändert von Sir Ewek Emelot (07.09.2008 um 21:51 Uhr)

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