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Neuling
Das Kingsley-Geschlecht
Denn so steht es geschrieben...... und so soll es geschehen.
Aus der IV. Prophezeiung d. Miras
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Neuling
Ein scharfer, schneidender Wind zupfte an den Vorhängen der Fenster, am dreckigen Tischtuch und an den langen Gewändern der beiden Gestalten. Vom dunkelgrauen Himmel sanken Schneeflocken herab, wehten und wirbelten durch die Luft und legten sich wie ein Schleier aufs karge Land. Auch das steinerne Pflaster des großzügigen Balkons wurde bedeckt von dem Weiß, welches Kälte und Reinheit bedeutete. Die fernen Tannen schwankten mit jeder Böe. Allein das im Mondlicht silbern schimmernde Gestein, der sich majestätisch erhebenden Berge, schien unberührt zu bleiben. Unberührt und starr, über all das Chaos seiner Umgebung erhoben. Ja, man konnte es nicht anders sagen: Der Fels statuierte ein faszinierendes Exempel für Standhaftigkeit, Willensstärke und auch für die Ewigkeit, nach der sich so mancher sehnen wollte.
„Friede sei mit dir, Hania“, sprach Ribonuk, dessen Gestalt an die der Berge hinter ihnen erinnerte. So, als wollte auch er ein Exempel statuieren für Standhaftigkeit, Willensstärke und für ewiges Leben. In der Tat, mit seinen nun bald 111 Jahren mochte man ihn schnell als alten Greis bezeichnen, der sein Gnadenbrot fristete. Doch schon wenn man diesen Mann ein wenig kannte, wusste man, dass dies nur eine vorschnelle Einschätzung war, die jeder Tatsache entbehrte. Die Zipfel seiner langen Robe wehten im Wind. Schnee legte sich auf sein von einem Turban geziertes Haupt und schmolz dort sogleich. Ebenso auf den schmalen, spitzen Schultern, wenngleich die Rechte von Ageia, dem Raben, besetzt war. Die langen Finger ruhten auf der Brüstung des Balkons, hielten sich dort krampfhaft fest, denn, zugegeben, sein körperlicher Zustand war trotz allem nicht mehr der eines energischen Jünglings. An seiner Hüfte baumelte der kreisrunde, hölzerne Traumfänger und auch dessen Federn mussten dem Spiel der Winde Folge leisten. Einst war ihm diese Utensilie hilfreich gewesen, um den Traumzustand herbei zu führen, in der man am ehesten empfänglich war für Visionen und deutbare Träume. Doch seit jener Nacht, in der er die Vision gehabt hatte, hatte er es nicht mehr benutzt. Zu groß war der Respekt. Die tiefen Furchen im Gesicht des Alten zeugten von seiner unermesslichen Erfahrung und jetzt verformten sie sich zu einem schwachen Lächeln. „Was führt dich zu mir, werte Schwester?“, fragte er, ohne sich umzudrehen. Sein klarer, berechnender Blick ruhte auf den fernen Tannen.
Hania räusperte sich. Sie wagte es nicht es nicht nach draußen zu treten, in die Kälte und den schneidenden Wind. Sie zog es vor, in der Behaglichkeit des von mehreren Kaminen beheizten Saales zu bleiben. Ihr langen, dunkelblau-schwarzen Haare reichten bis zu ihren Hüften, welche ebenfalls von blauen Roben bedeckt waren. Ihre dünnen, bis zu den Oberarmen von blauem Tuch umwickelten Arme hielten sich am Türrahmen fest. Ihr schönes, nahezu jugendliches Gesicht verdankte sie ihren unerreichten, alchemistischen und heilenden Fähigkeiten. Ihr Alter von über 80 Jahren würde niemand erraten können, der nicht den Umfang ihres Wissens und ihrer geistigen Fähigkeiten kannte. Doch trotz letzterer hatte sie sich nie zu einer der Magieschulen hingezogen gefühlt. Genauer gesagt, hatte sie sich nie zu etwas hingezogen gefühlt, es sei denn zu sich selbst. Ihr Handeln galt stets ihrem eigenen Vorteil oder dem ihrer Söhne.
„Die Hyppen sind unterwegs“, sprach sie und Ribonuk nickte nur.
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Der Tod ist mir nahe und ich sehe darin, Freund, die lang ersehnte Möglichkeit Läuterung in den Händen Innos’ zu erfahren. Ich mordete im Namen vieler Männer nicht nur Unbekannte, sondern zugleich wertgeschätzte Freunde. Ich bin nicht mehr, Corwyn. Leb’ wohl.
Fassungslosigkeit. Schock.
Stille. Einsamkeit.
“Nein!”
“Neeeeeiiiiiin!!!”
Ein ersticktes Keuchen. Mit zitternden Händen und starrem Blick stand eine Gestalt auf dem Dach des Tempels von Al Shedim, die ihrer unendlichen Trauer Freiheit gewähren musste. Es musste einfach raus. Eine Träne tropfte auf das dreckige Pergament und verwischte die krakelige Schrift, mit der dieser Brief – ein Abschiedsbrief – geschrieben worden war.
Hârkon...
Der Name des alten... wahrscheinlich gar des besten Freundes hallte im Kopf des Gelehrten wider wie Hammerschläge. Hammerschläge... Erinnerungen an das perfekt erfüllte Handwerk des Kriegers, der so oft hatte morden müssen. “Wäre er doch nur ein Gelehrter geworden... kein Krieger...”, murmelte Corwyn mit vor Schmerz ganz schwacher Stimme und unter einem Meer von Tränen. Doch er kannte den Hünen gut genug, dass er wusste, dass Hârkon kein Gelehrter hätte sein können. Schmerzen und Trauer machten den hohen Wassermagier blind und vernebelten seine Gedanken nun auf fatale Art und Weise. Wahrscheinlich ist es besser für Hârkon, dass es so gekommen ist..., versuchte er sich einzureden. Doch er konnte und wollte es nicht glauben. Hârkon war eine Instanz der Gerechtigkeit gewesen, so wie er, Corwyn, es niemals würde sein können. Er zerknüllte das Pergament und umfasste es fest mit der Faust. Dann nahm er Anlauf. Sein Blick war leer und sein Herz verschlossen, in dem Moment, in dem er über die Kante hinweg absprang. Der im Mondlicht golden schimmernde, sandige Abgrund tat sich unter ihm auf. Auch für ihn sollte es hier vorbei sein...
Doch da packte es ihn und riss ihn mit. Ein dumpfer, betäubender Schmerz presste auf seinen Brustkorb. Riesige, möderische Krallen. Er wand und wehrte sich, er wurde seines Endes beraubt! Er versuchte zu erkenne, was es war... Es war der Rumpf eines Löwen, dessen Flanken majestätische Flügel zierten. Der Schrei eines Adlers erfüllte die Nacht. Und so schnell das Wesen erschienen war, so schnell verschwand es in der Dunkelheit, mit dem Körper des Magiers in seinen Klauen.
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Alles fühlte sich kalt an. Kalt und schmerzhaft. Unangenehm. Es war dunkel. So dunkel und kalt. Wie leblos lag die blau berobte Gestalt da, leicht zitternd, die Augen fest geschlossen. Kleine Rauchwolken stießen mit jedem Atemzug in die Luft. Tapsende Schritte auf dem unebenen Stein. Ein Wesen näherte sich der Gestalt, groß wie ein Mensch mit dem Rumpf eines Löwen, doch den Klauen, den Flügeln und dem Kopf eines Adlers. Es krächzte heiser und stupste die Gestalt mit dem spitzen Schnabel an. Doch es bekam keine Reaktion. Nur das Rauschen der fernen Tannen im Wind war zu hören, ansonsten herrschte Stille. Eine Totenstille, sollte man meinen. Das geflügelte Wesen hob den Kopf. Ein Hämmern erklang, es drang tief aus dem Inneren der Burg nach draußen. Das vier Mannes hohe Tor, schwarz, mit silbernen Verzierungen und Verschlägen, dick wie Baumstämme stand unbewegt da und machte nicht den Eindruck, als ließe es jemanden passieren. Das Wesen – ein Hyppe – ließ ein Geräusch erklingen, das entfernt an einen Jaulen erinnerte. Unruhig schnaufte es und kratzte mit der vorderen, linken Pranke auf dem Steinpflaster, was ein schreckliches, schabendes Geräusch erzeugte.
Das Schnauben wurde heftiger, man konnte dem Hyppen einen gewissen Zorn in seinen Zügen ablesen. Hammerschläge drangen nun wie eine physische Marter aus der Burg. Sie wurden härter und schneller. So als wollten sie zerstören oder zumindest auf die Prüfung stellen. Man konnte hören, wie sich das Metall bog und verformte unter der Gewalt des Hammers. Bis in die Ekstase steigerte sich die Abfolge und Energie der Schläge. Und mit dem letzten Aufprall machte es ein derart hässliches und ohrenbetäubendes Geräusch, dass man es niemals mehr aus seinen Gedanken würde streichen können, wenn man es gehört hatte.
Der Hyppe stand da. Regungslos, wie eingefroren. Von Weitem machte es den Eindruck, als wäre es kein lebendiges Wesen, sondern nur ein Meisterwerk, gehauen aus Stein oder eine Figur, geformt aus Wachs. Doch von nahem betrachtet konnte man einen Blick in die Seele des eigentlich Menschen gegenüber sehr scheuen Flügelwesens erkennen. Es mutete wunderbar an, dass eine Träne aus dem Augenwinkel des Tieres ihren Weg durchs Gefieder um am spitzen Schnabel entlang suchte. Doch niemand konnte dieses Wunder sehen, denn der einzige Mensch lag wie tot war und die Umgebung war leer von jeglichen Lebewesen. Überhaupt: Der Nadelwald sah verlassen aus, der steinige Pfad, der hinaufführte zur Burg schien lange unbenutzt und das kalte, graue Gemäuer schien unbewohnt und leer. Einzig die längst verklungenen Hammerschläge hatten auf etwas hingewiesen. Auf etwas, das tief verborgen lag und dessen Abstammung nicht durch und durch menschlich sein konnte.
Doch... Ein Rabe krächzte hoch droben über den Türmen der Burg und flog seine Runden über dem Hyppen und dem Menschen. Sein schwarzes Gefieder hob sich deutlich vom hellgrauen Himmel ab und sein Auftreten schenkte der ganzen Szenerie etwas Bedrohliches, etwas Ungeheuerliches. Gerade zu so, als ob dies nicht sowieso schon der Fall war.
Der Hyppe warf einen letzten, wehleidigen Blick auf den regungslosen Körper zu seinen Füßen und hob sich dann mit einigen muskulösen Flügelschlägen vom Boden ab. Es zögerte einen Augenblick, als es ein paar Meter über dem Boden war, doch dann verschwand es endgültig und war nach wenigen Minuten nicht mehr am Himmel zu sehen. Leichter Regen setzte ein. Ein Donnern in der Ferne...
Corwyn schlug die Augen auf und wusste nicht, wo er sich befand. Er erhob sich stöhnend und erblickte ein Schloss, groß wie der Tempel in Al Shedim, doch aus kalten Gestein. Blut schien einige der Mauern befleckt zu haben. Dann fiel der Blick des Spitzbärtigen auf einen kleinen, schwarzen Raben, der ihm erschreckender Weise tief in die Augen blickte und dem Blick lange standhielt. Dann begann er, desinteressiert sein Gefieder zu säubern. Corwyn stand auf. Der Regen perlte von seiner blauen Wassermagierrobe ab, doch sein Turban sog die Feuchtigkeit nahezu auf. Doch es war ganz egal, denn er erinnerte sich an den Brief. Den Abschiedsbrief.
Hârkon...
Der Gelehrte fuhr herum und blickte den Raben verärgert an. „Wo bin ich???“
Doch der Vogel begann zu flattern und flog davon, hinauf zur Burg. Corwyn versuchte, hinterher zu kommen. „Unglücksbote!“, schrie er und versuchte das schwarze Federvieh mit einem Stein zu treffen. Doch statt dem Raben traf der Stein nur das schwarze Tor. Das Geräusch von Stein auf Eisen schallte von dem riesigen Portal zurück, hinab zu dem Turbanträger. Dann setzte es sich unter ohrenbetäubendem Knirschen und Knarzen in Bewegung.
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Er verspürte eine gewisse Lust auf Pachi-Wein. Eigentlich nicht das, was Ribonuk schmeckte, doch es würde reichen um das salzige Hammelfleisch hinunter zu spülen.
„Ich habe dir eine kleine Überraschung mitgebracht“, sagte Hania, die am anderen Ende der viereinhalb Meter langen Tafel saß und ebenfalls speiste. Sie aß kein Fleisch, hatte stattdessen ihren Teller voll mit Kartoffeln und Gemüse. Sie winkte einen Diener herein, der eine grünliche Flasche in den Händen hielt, als wäre sie ein wertvoller Schatz.
„Pachi-Wein“, sagte Ribonuk und lächelte. „Stimmt“, erwiderte Hania. Der Diener füllte zuerst ihren Kelch, dann lief er die Tafel entlang und füllte auch seinen Becher. Ribonuk nahm den Becher mit der klaren, roten Flüssigkeit entgegen, nippte daran, stieß einen zufriedenen Seufzer aus und lehnte sich zurück. „Gewürzt und angewärmt schmeckt er natürlich besser.“
„Das kann ich nicht beurteilen“, sagte Hania. „Ich habe noch nie welchen getrunken. Den hier haben mir Geralt und Darvyn aus Fornia mitgebracht.“ Hania nahm ebenfalls einen Schluck und lächelte, als sich der süße, frische Geschmack in ihrem Mund ausbreitete. Ihr Gesichtsausdruck entlockte Ribonuk ein Kichern.
„Ich habe den Pachi-Wein schon vor vielen Jahren für mich gewonnen. Nein, eigentlich war es umgekehrt: Er hat mich für sich gewonnen. Kein Wunder, dass es auch dir zu schmecken scheint“, sprach Ribonuk und machte sich wieder über seinen Teller her.
„Ja, stimmt. Sehr gut“, erwiderte Hania. Eine kurze Pause trat ein. Einzig das leise Klirren des Besteckes, wenn es die Teller berührte und ein gedämpftes Schmatzen waren zu hören. „Und ich habe Neuigkeiten für dich. Er ist da.“
Ribonuk zuckte leicht, blickte aber nicht auf und ließ sich auch nicht vom Kauen abbringen.
„Was wirst du mit ihm machen?“, fragte Hania und legte das Besteck nieder. Sie blickte ihn mit festem Blick an. In ihren Augen konnte man Entschlossenheit lesen. Eine gefährliche Entschlossenheit.
Ribonuk ließ sich nicht stören und erst als er fertig war mit Speis' und Trank sprach er: „Seine Fähigkeiten sind ausgeprägt. Er ist schon auf dem Weg zum Meistermagier, Hania. Und er ist der Enkel von Corwyn. Das weißt du. Er wird den Weg gehen...“
Hania's Mine zeigte keine Reaktion. Doch dies war nur äußerlich, innerlich nämlich brodelte sie. „Du weißt, dass ich nicht zulassen kann, dass er Geralt und Darvyn übertrifft. Du weißt, dass mir meine Söhne über alles gehen. Und vergiss nicht, sie sind deine Enkel. Sie sind dir näher verwandt, als Corwyn's Enkel. Ich appelliere daran, deine eigenen Prinzipien nicht über die deiner Nachkommen zu stellen, Ribonuk.“
Der alte Magier trotzte ihrem Blick vollkommen ungerührt. „Wir haben schon darüber gesprochen, werte Schwester. Ich verrate meine Prinzipien nicht. Wofür sonst habe ich neunzig Jahre meines Lebens geopfert, wenn nicht für meine Prinzipien? Und jetzt, an meinem Lebensende soll ich mich deinem Ehrgeiz unterordnen? Deiner verbissenen, verblendeten Vorstellung von deiner Jugend, der Tugenden nichts und Macht alles bedeuten? Sie würden dich mit Freuden in den Tod treiben, wenn sie dadurch zu größerer Stärke finden können. Sie sind verdorben, Hania.“
Sie musterte ihn mit kalten, tötenden Blicken. Beinahe so, als wäge sie ab, ob sie ihn ermorden könnte. Doch sie beide wussten, dass Ribonuk ihr noch immer überlegen war. Sie konnte sich seiner nicht entledigen. „Werde nicht verletzend, alter Magier“, zischte sie.
„Meine Worte sind nicht härter als die Wahrheit, werte Schwester. Manchmal glaube ich, du lässt dich von ihrem Wahnsinn anstecken.“ Ribonuk nahm noch einen Schluck Pachi-Wein und sah seine Gegenüber versonnen an.
Hania erhob sich, geräuschvoll schob sie den schweren, hölzernen Stuhl zurück. In ihren Augen funkelte es.
„Ich werde ihn nun hereinholen“, sprach Ribonuk und erhob sich ebenfalls.
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„Wo bin ich?“, fragte Corwyn und blickte dem alten Mann fest in die Augen. Seine blaue Robe war schmutzig, der Turban saß alles andere als ordentlich. Sie standen im Burgtor, welches monumental war, wie ein Tempel.
„Dies, mein unwissender Freund, ist das Kingsley-Herrenhaus“, sprach der Alte und deutete auf die Gebäude und die Burg. „Dazu gehört all das Land, bis weit hinter den Tannenwäldern“, fügte er mit ausholender Geste hinzu.
„Das Land ist karg und wird nicht bewirtschaftet. Wo sind die Bauern und Fuhrwerke, um diese Erde zu bestellen?“, erwiderte Corwyn und sah seinen Gegenüber erwartungsvoll an. „Und noch immer weiß ich nicht, wo ich hier überhaupt bin?!“ Verärgerung war im Gesicht des Spitzbärtigen abzulesen.
„Komm rein, Corwyn, Enkel des Corwyn Kingsley. Lass uns drinnen darüber reden“, sprach der Alte und drehte sich auf den Fersen um.
Der Weg führte in die Burg hinein. Über den kleinen, dunklen, schmutzigen Innenhof. Wie untot starrten die Fenster, die nach innen hin lagen, auf die beiden Männer herab. Sich ein wenig vor seiner Umgebung fürchtend, schaute Corwyn sich um. Auf dem staubigen, steinigen und unebenen Boden erzeugten alle ihre Schritte knirschende Laute, die die komplette Geräuschkulisse darstellten. Irgendwo quietschte das Scharnier eines Fenster, welches vom Wind auf und zu gedrückt wurde. Der alte Mann ging zielsicher auf eine solide erscheinende, eiserne Tür zu. Ehe sie sie erreichten, schwang die alte Tür auf und offenbarte eine dunklen, kalten Flur, gemauert aus grauem Stein. Grauer Stein... alles hier ist aus Stein, stellte der Turbanträger fest. Einige an den Wänden angebrachte Fackeln entflammten. Ein Magier, ging es Corwyn durch den Kopf. Jener drehte sich um.
„Mein Name ist Ribonuk Kingsley. Ich bin der Burgherr und gleichzeitig das Oberhaupt unseres Geschlechtes, junger Corwyn. Ich bin Magier. Folge mir bitte“, sprach der Mann, Ribonuk, und ging wieder weiter. Seine langen, dunkelblauen Roben machten den Eindruck, dass sie schon viele Jahre ins Land ziehen sahen und Corwyn wunderte sich, wie alt Ribonuk selbst wohl sein mochte. „Ich bin 111 Jahre alt“, sagte der Alte ohne sich umzudrehen. Mit großen Augen blieb Corwyn stehen. „Und nein, ich kann keine Gedanken lesen“, rief Ribonuk, der trotz seines Alters ein ziemlich hohes Tempo vorlegte und gerade um eine Ecke verschwand. Corwyn fühlte sich überrumpelt. Eine gewisse Furcht vor dem Mann stieg in ihm auf. „Du brauchst mich nicht zu fürchten, junger Corwyn. Ich werde dir nichts tun“, erklärte Ribonuk, der nicht mehr zu sehen war. Langsam und unsicher ging der hohe Wassermagier weiter. Hinter ihm, am Anfang des Ganges, setzten sich die Torflügel in Bewegung, doch im letzten Moment schlüpfte ein Rabe durch den Spalt in den Gang und flog über Corwyn's Kopf hinweg hinter Ribonuk her. Verwirrung und Misstrauen mischten sich zu einem sorgenvollen Gesichtsausdruck, während der Turbanträger ebenfalls abbog und Ribonuk inklusive Rabe in eine weitläufigen Saal folgte. Die Decke war mindestens drei Mann hoch, in der Mitte fand eine riesige Tafel Platz, Fackelhalterungen erleuchteten die ganze Halle, die bestimmt zwei Mal so groß war wie Annes Taverne. Riesige Wandteppiche hingen an den Stellen von der Decke herab, an denen keine Fackelhalterungen waren. Zahlreiche Gemälde sorgten für Abwechslung. Am Ende des Raumes war ein großer, gemauerter Kamin und einige Sessel sowie ein großer Teppich sorgten für Behaglichkeit.
Ribonuk wartete einige Meter vom Eingang weg, der Rabe saß nun auf seiner Schulter. „Ich heiße dich willkommen, im Kingsley-Herrenhaus, junger Corwyn. Diese Prüfung wird dich und dein Leben verändern.“
Geändert von Corwyn (23.03.2008 um 18:14 Uhr)
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Neuling
„Ich... ich verstehe nicht“, stotterte Corwyn. Ribonuk sah ihn gutmütig an.
„Du wirst schon sehr bald verstehen“, sprach Ribonuk und ging in Richtung der Kaminecke. „Aber setze dich doch erstmal. Ich habe hier noch eine Falsche“, fügte der Alte hinzu und nahm die Flasche vom Tisch, „Pachi-Wein. Ich weiß nicht, ob ihr diesen auch in Varant kennt, doch ich denke, er wird munden.“ Ribonuk schritt durch den Raum und holte zwei Kelche aus einem großen Schrank. „Ein wenig staubig“, murmelte er nach kurzer Musterung und säuberte die Trinkgefäße mit einer Serviette „Nun bitte, setzt dich“, wiederholte er schließlich, als er selbst zur Kaminecke kam. Corwyn tat wie ihm geheißen. Ribonuk gab ihm einen Kelch und schüttete ihm etwas von dem Wein ein.
„Also“, erhob der hohe Wassermagier die Stimme, doch Ribonuk brachte ihn mit einer Geste zum Schweigen.
„Lass mich dir von deinem Großvater erzählen. Dann wirst du schlauer sein, als vorher, Corwyn. Und wenn du dann noch Fragen hast, darfst du sie stellen und ich werde sie beantworten. Einverstanden?“ Corwyn musterte den Alten kritisch. Ribonuk lächelte. „Alternativ kannst du jetzt auch aufstehen, nach draußen gehen und dich vom Burghof zurück nach Al Shedim teleportieren. Dann bist du raus aus der ganzen Sache, doch deine Selbstzweifel werden dich ewig plagen. Es wird schlimmer werden. Vielleicht wirst du verrückt, aber ganz sicher wirst du ein Einzelgänger. Ein Heimat- und Rastloser.“ Ribonuk wartete die Reaktion des jungen Mannes ab. Dieser schien zu grübeln, nachzudenken über seine Situation und sich zu überlegen, was er tat. Es verstrichen einige Minuten. Im Kamin entfachte ein Feuer und das Knistern erfüllte den Raum. Das Feuer spendete außerdem Wärme. Ribonuk nippte an seinem Wein.
Irgendwann blickte Corwyn auf, Ribonuk lächelte. Dann holte er aus, um eine etwas längere Geschichte zu erzählen. Doch Corwyn schüttelte den Kopf. „Ich habe im Kastell der Xardasanhänger ein Buch gefunden. Ein Buch von Corwyn Kingsley, meinem Großvater. Doch ich konnte es nicht lesen. Es verbrannte meine Hände, Meister Ribonuk. Es verbrannte meine Hände.“ Seine Stimme senkte sich. „Ich glaube nicht, dass ich diese Geschichte hören will. Ich glaube nicht, dass ich diese Prüfung bestehen will. Was auch immer sich hinter all dem verbirgt. Ich will's nicht wissen.“ Ribonuk's Stirn warf tiefe Falten auf. Der alte Magier wunderte sich, was gerade in dem jungen Corwyn vor sich gehen mochte. „Wenn du dich weihen lässt zu einem Priester, Corwyn. Dann wirst du in den Spuren deines Großvaters wandeln können. Nein, du wirst es sogar müssen. Dein Großvater stand für Gerechtigkeit. Wenn man deinen Reden glauben schenken darf, dann ist doch genau das dein Motiv. Ich kann mir denken, wo das herrühren darf. Zum einen aus der Abstammung. Der Enkel des Corwyn Kingsley. Keine Frage, eine große Bürde, von Geburt an auferlegt. Doch du willst auch die Gerechtigkeit bringen, die du, beziehungsweise deine Mutter, nicht erfahren hat. Von Menschen, die längst gestorben sind. Ich beschwöre dich. Nimm die Prüfung, du kannst sie bestehen. Du bist beinahe soweit, dass du die Elemente beherrschen kannst! Junge, was tust du?“, rief Ribonuk. Corwyn erhob sich, ging um den Sessel herum und marschierte geradewegs auf die Türe zu. „Ich muss über all das nachdenken! Ich brauche Antworten!“, rief er und verschwand in der Tür. Wie angewurzelt stand Ribonuk da. „Aber genau diese Antworten wollte ich dir gerade geben...“, murmelte er und fragte sich selbst ganz leise: „Ob es in seinem Alter nicht doch noch zu früh ist...?!“
Geändert von Corwyn (25.03.2008 um 14:18 Uhr)
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„Verdammt!“ Corwyns Stimme hallte in dem kleinen, verstaubten Schlafgemach von den Wänden wieder. Der Raum war nur spärlich eingerichtet. Doch die wenigen Möbel, die es gab waren luxuriös und mit Sicherheit sehr teuer. Der Gelehrte wollte nicht wissen, woher diese Sache kamen. Er lief auf und ab. Das Bett war gemacht, er hatte nicht geschlafen, letzte Nacht. Dennoch ließ er sich keine Anzeichen für Müdigkeit oder Erschöpfung anmerken. Wie ein rastloses, in die enge getriebenes Tier streifte er auf und ab, zermarterte sich den Kopf darüber, was er tun sollte. Er nahm die schwere, bronzene Wasserkanne, die auf dem kleinen, hölzernen Nachttisch Platz gefunden hatte und trank gierig einige Schlücke des fahlen Wassers. Dann setzte er die Kanne wieder ab und seufzte zufrieden. „Ich werde bleiben müssen. Adanos, wer ist dieser Mann, dass er mir eine Prüfung auferlegen will?“ Corwyn verstummte. Nicht Ribonuk, der Alte, will dich prüfen. Es ist dein Großvater, der damals schon einen Nachfolger suchte. Vor seinem Tod. Du wirst sein Erbe antreten, Corwyn. Es ist etwas Großes. Die Prüfungen werden deinen Geist stärken. Du wirst erkennen, dass es deine Verpflichtung ist, das Amt des Priesters zu ergreifen. „Ach. Das ist es also. Pah! Als Priester bin ich auch kein besser Adanosdiener!“ In der Tat, eine wichtige Erkenntnis. Dies soll dich sogar auszeichnen, Corwyn. Verstehe doch, du hast eine Aufgabe und die kannst du nun mal nur als Priester erfüllen. Es ist vor Adanos deine Pflicht dich dieser Berufung zu stellen. Und dies kannst du bei den Göttern nur dann wirklich tun, wenn du diese Prüfung auf dich nimmst. Es wird dich voran bringen, junger Corwyn. Dein Großvater hat es dir in die Wiege gelegt. Sieh es ein.
Corwyn schnappte sich seine Reisetasche, die er an den Bettpfosten gehängt hatte und verließ die Kammer, so wie er sie vorgefunden hatte. Mit einem leisen Klicken fiel die Tür hinter dem Gelehrten ins Schloss, dieser jedoch marschierte schon den Gang hinunter. Diese Burg war schon seltsam. Sie war zum einen unwirklich, Corwyn nahm alles wie einem Traum war. Zum Anderen kam es ihm so vor, als würde er hier schon seit Jahr und Tag wohnen, als kannte er dieses Gemäuer, wie seine Westentasche, wenngleich es noch unendliche viele Ecken und Räume zu erkunden gab. Plötzlich hörte er Schritte auf dem Stein. Er blieb stehen und horchte. Den Gang weiter hinten sah er einen Schatten im flackernden Licht der Fackeln. „Corwyn? Meister Corwyn?“, rief eine Stimme, die ihm unbekannt war. Doch er erkannte einen Diener des Hauses. „Folgt mir. Meister Ribonuk schickt mich, das Abendessen ist bereit.“
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[Szenerie: Der Saal; 4 Gestalten an der Tafel: Ribonuk, Hania, Geralt, Darvyn; Bediensteter mit Corwyn im Gefolge betritt den Saal; der Kamin ist kalt]
„Corwyn, schön, dass du mit uns zu speisen-“ „Ich werde mich der Prüfung stellen.“ Stille. Darvyn und Geralt schauten sich an, ihre Minen zeugten nicht von Begeisterung. Hania's Blicke sprachen Bände... Wenn Blicke töten könnten. Ribonuk zeigte kaum eine Reaktion. Er hatte sich von seinem Stuhl erhoben und deutete nun auf den Stuhl zu seiner Rechten. Seine Geste sagte „Setze dich“. „Ich werde mich der Prüfung stellen.“ Nun bewegte sich Ribonuk. Mit seiner langsamen Art machte er einen nachdenklichen Eindruck.
„Und das, obwohl ich dir im Grunde genommen noch nichts darüber erzählt habe? Bist du dir sicher, dass du das tun willst?“ Ein kurzes Flackern verdrängte Corwyn's entschlossene Mine, verschwand aber sogleich wieder.
„Ja, ich bin bereit. Jetzt sof-“
„Nein! Er wird nicht gehen! Ribonuk!“, schrie Hania da. Ihr Stuhl kippte rückwärts um, als sie aufsprang und ihrem Bruder mit dem ausgestreckten Arm und dem spitzen Zeigefinger drohte. „Er wird nicht gehen! Der Stab ist für Geralt und Darvyn bestimmt! Er wird nicht-“
„Hania!“, rief Ribonuk nun und Zorn erfüllte sein Gesicht. „Mach mich nicht wütend! Wir haben schon tausend Mal so gut wie einmal darüber diskutiert! Jetzt ist Schluss! Du kannst dich nicht gegen das Wort des Corwyn Kingsley [der Großvater; Anm. des Verf.] stellen, Hania! Das weißt du!“
„Corwyn ist tot! Dem Wort eines Toten schenkst du mehr Gewicht, als deinen Verwandten? Du wirst ein Greis, Ribonuk. Meine Söhne sind für die Macht bestellt!“ Nun erhoben sich auch Geralt und Darvyn. Letzter schien erschreckt von den kochenden Emotionen, während ersterer ein heimtückisches Grinsen aufsetzte.
„Hania! Wecke nicht meinen Zorn!“, rief Ribonuk und fügte an Corwyn gewandt hinzu: „Corwyn. Folge mir. Ich werde dir den Weg zum Portal zeigen. Lass dich nicht von den Gefahren verschrecken. Du kannst ihrer Herr werden. Dein Großvater wird dich nicht ins Verderben schicken.“ Hania's Proteste verklangen fortan ungehört. Mit Blicken, die Schlimmeres bargen als den Tod, begleitete sie die beiden Männer. Erst danach wandte sie sich an Geralt und Darvyn, doch dies sollten Ribonuk und Corwyn schon nicht mehr mitbekommen. Sie befanden sich auf dem Weg die Treppe hinab. Auf dem Weg, in die Gewölbe unterhalb des Kingsley-Herrenhauses.
Geändert von Corwyn (25.03.2008 um 14:19 Uhr)
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Corwyn war sich nicht sicher, ob er das wirklich machen wollte. Doch er durfte und konnte nun kein Zögern und kein Hadern mehr äußern. Ribonuk vertraute auf ihn. Er musste jetzt stark sein und tapfer. Die Prüfung... wie auch immer sie ausarten sollte, würde ihm alles, wirklich alles abverlangen. So viel stand fest. Der Spitzbärtige kontrollierte seine Reisetasche. Er trug alle Sachen bei sich, die er mitgenommen hatte. Nichts ward zurückgelassen. Seine stärkste und wertvollste Waffe jedoch befand sie nicht in der Tasche... wie auch... den Verstand trägt üblicherweise nicht in Taschen herum. Ribonuk musterte ihn durch den kleinen, feuchten und kalten Raum. In seinen Augen war ein seltsames Leuchten zu sehen, was den Gelehrten, wenn er ehrlich war, ein wenig erschreckte. Er fröstelte. Ribonuk's Rechte ruhte auf einem eisernen Hebel, der dazu bestimmt war, das rostige Eisentor, welches den Weg, der aus der Kammer hinaus tiefer ins Gewölbe führte, versperrte, zu bedienen. Die beiden Magier tauschten aufmunternde Blicke. Nervös versuchte Corwyn seinen Turban zu richten und seine Robe gerade zu zupfen. Das Licht seiner Lichtkugel erfüllte den Raum, der bis dahin nur von einigen Fackeln beleuchtet worden war.
Der Schrei eines Raben. Ageia kam mit kräftigen Flügelschlägen den Gang von oben herab hinab geflogen und setzte sich bei ihrem Meister, Ribonuk, auf die Schulter. Aus ihren klugen Augen musterte sie das schwere Eisentor. Dann durchzuckte ein Ruck den alten Mann und ächzend wurde der Hebel nach unten gedrückt. Wie Donnerschläge hallten die Geräusche des uralten Mechanismus an den kahlen Wänden wider. Dann setzte sich das Tor in Bewegung. Zentimeter um Zentimeter fuhr es nach oben und verschwand in der Mauer. Mit einem lauten Knall kam es oben an und gab somit den Durchgang frei. Corwyn nickte. Ageia setzte sich mit einigen Flügelschlägen in Bewegung und verschwand in der Dunkelheit des frei gelegten Ganges. Mit einem fragenden Blick sah der hohe Wassermagier zu Ribonuk hinüber. Dieser bedeutete ihm mit einer Geste ihr zu folgen und so schickte der Magier seine Lichtkugel voraus und schritt hinterher. Er trat auf den Weg, der ihn zu seiner Prüfung führen sollte.
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Die bedrückende Atmosphäre zerrte an den Nerven. Jedes Geräusch hallte hier unten hundert mal lauter, als oben an der Oberfläche. Die stickige, abgestandene Luft deutete darauf hin, dass er den einzigen Zugang zu diesen Höhlen hinter sich gelassen hatte und dass sein Weg ihn in die Sackgasse der Tiefe führte.
Doch während der hohe Wassermagier so im fahlen Licht seiner Lichtkugel vorwärts stolperte, ergriff ihn eine beeindruckende innere Entschlossenheit und Souveränität. Meine Zeit ist gekommen!, triumphierte er in Gedanken und horchte auf die entfernten Flügelschläge des Raben Ageia. Seine Entschlossenheit griff auf seine Bewegungen und seine Körperhaltung über, seine Schritte wurden zielsicher und die Erkenntnis holte ihn ein, als ob sein Großvater sie ihm von Anfang an eingepflanzt hätte: „Ich kann nicht verlieren!“, murmelte er und ballte die Faust. „Ich werde nicht verlieren! Ich werde gewinnen!“, rief er nun schon lauter und beschleunigte seinen Trab. Er wurde sich eines Schlachtrufe aus einer alten Sprache bewusst, deren vereinfachte Formen er mal erlernt hatte: „No more sorrow!“, was übersetzt so viel heißen sollte wie: „Nie mehr Kummer! oder Kein Leid/Schmerz mehr!“ Haha! Corwyn triumphierte. „No more sorrow! Noooo, no more sorrow! I've paid for your mistakes!“ Sein Kampfschrei hallte wie Gesang von den Steinwänden wider und es versetzte ihn in eine Ekstase, die er bisher nie gekannt hatte. „For justice! - Für die Gerechtigkeit!“, rief er und er erkannte ein Licht am Ende des Tunnels, das nicht von seiner Lichtkugel stammte. Er stürmte los und hinein in eine Halle, deren Ende er nicht entdecken konnte. Inmitten der Halle stand eine Gestalt, in feuerroten Roben. Ein Lichtkreis umgab ihn, so dass man ihn bestens erkennen konnte. Es war Darvyn. Und er schien gewillt zu sein, für die Macht sein Leben zu geben...
Geändert von Corwyn (26.03.2008 um 23:55 Uhr)
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Neuling
Die Schritte des Mannes, der ihm alles verderben wollte, kamen näher. Darvyn straffte sich, gab seinem Lichtzauber ein bischen mehr Energie, um sich selbst „ins rechte Licht zu stellen“. Sein langer, aus den schwarzen Haaren gebundener Zopf hing über seine Schulter. Die Rüstung, die seinen Oberkörper bedeckte, war sicherlich keine für einen Magier typische Kleidung, doch er war auch kein typischer Magier. Er war Darvyn, der alles für seinen Gott tat. Und der Stab der Gerechtigkeit war sicherlich ein Artefakt, welches ihm gefallen würde. Ihm, seinem Gott, dem er jeden Befehl erfüllte. Mit dieser Macht, die der Stab verleihen konnte, könnte er Innos' Herrschaft über Beliar sichern. Dies war sein göttlicher Auftrag, so bildete er sich ein. Er sammelte seine magische Kraft in seiner linken Hand, bereitete sich so auf den Angriff vor. Er würde diesen Corwyn im Duell stellen. Kein Weg führte an dieser Entscheidungsfindung vorbei.
Dann stürmte der Mann mit dem Turban herein. „Corwyn!“, rief Darvyn und forderte den Mann mit einer Geste auf, stehen zubleiben. „Du bist auf dem Weg zu deiner Prüfung! Ich gebe zu... Ich weiß nicht, wie diese aussehen soll, doch gewiss ist, dass ich nicht zulassen kann, dass die Macht dem Gleichgewicht verfällt!“ Darvyn ging einige Schritte auf Corwyn zu. „Deshalb fordere ich dich auf, umzudrehen und den Weg zurück zugehen, den du gekommen bist!“ „Niemals“, erwiderte der Gelehrte überraschend selbstsicher. „Dann wirst du hier ein gewaltsames Ende finden müssen... Ich fordere dich heraus zu einem Duell! Mann gegen Mann!“ Corwyn rührte sich nicht. „Einverstanden!“, rief er schließlich, doch Darvyn schien sich schon hineinsteigern zu wollen. „Mann gegen Mann!“, schrie er und, „Ich bin der Diener meines Herrn! Mann gegen Mann! Ich werde dich vernichten! Mann gegen Mann! Meine Haut gehört dem Herrn!“ Eine Stichflamme stach hinter ihm in die Luft und erfüllte die Halle mit Licht! Ein Donnern rollte durch den Fels. Die Erde bebte und die Wände stürzten nach innen. Es verging eine Minute, in der die beiden Magier sich kein Stück rührten. „Mich interessiert kein Gleichgewicht! Mir scheint die Sonne ins Gesicht! Doch wird mein Herz an kalten Tagen... die dunklen Diener niederschlagen!!!“ Ein Feuerball raste auf den Wassermagier zu, mächtig und zerstörerisch, doch das blitzschnell erschaffene Schild aus Wassers vermochte die glühende Wut zu stoppen und zu entkräften. Das donnernde Beben endete. Die Veränderung der Halle war unübersehbar kolossal. Sie fanden sich vor Abgründen wieder und die spitzen Felsen wurden von Feuersfluten umströmt. Es war ein ernüchternder Eindruck für den Wassermagier. Doch er versuchte, sich seines fanatischen Gegenübers zu entledigen. Eine Wasserfontäne schoss aus seinen Händen und dem Wahnsinnigen entgegen. Doch dieser wehrte den Angriff ab, spielerisch wie es schien, mit der Kraft des Windes. „Innos kann nicht so fanatisch sein, wie du es bist, Darvyn! Keiner – weder Innos noch Beliar – kann sein ohne den anderen, das Gleichgewicht wird immer bewahrt werden! Sieh es ein!“ „Nein!“ Das Donnern eines abbrechenden Felsen ließ Corwyn zusammen zucken. Er schmiss sich reflexartig zur Seite und der Brocken zerschmetterte an der Stelle, an der er gerade noch gestanden hatte. Splitter flogen umher wie mörderische Geschosse. Corwyn hatte Glück nicht ernsthaft getroffen zu werden. Er rappelte sich sogleich und er merkte, dass dies kein Zucker Schlecken werden würde. Darvyn war gefährlich. Vor allem in seinem Wahnsinn. Da kam Corwyn ein Gedankenblitz... Adanos aber sah, dass nun Ordnung und Chaos ungleich waren und er bat Innos, dem Menschen seine göttliche Macht zu nehmen.
Und Innos, in seiner Weisheit, tat es.
„Ich appeliere, Darvyn, an deinen Glauben! Das Gleichgewicht muss bewahrt sein! Das Artefakt... es wird Frieden bringen! Frieden!“ „Allein Innos' Herrschaft kann Frieden bedeuteten“, erwiderte Darvyn und seine Augen funkelten. Corwyn erkannte, dass er so nichts erreichte und er nahm alle seine Kräfte zusammen, um dem Verblendeten Licht zu schenken. Der Fels unter Darvyn tat sich auf und jener erschrak. Doch der Schock lähmte ihn und er konnte nicht fliehen und so rutschte er in den Abgrund und fiel... Corwyn fiel auf die Knie. Schweiß stand ihm auf der Stirn. Nie wieder, schwor er sich, wollte er dies tun... töten. Darvyn's Schrei stach in seine Gedanken wie eine spitze Klinge. Und Adanos überkam eine tiefe Trauer. Corwyn schleppte sich weiter vorwärts. Es war noch nicht vorbei...
Geändert von Corwyn (25.03.2008 um 16:12 Uhr)
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Der Weg führte über Treppen und Plateaus erneut in einen dunklen Tunnel. Corwyns Lichtkugel erleuchtete den Weg, den es auf sich zu nehmen galt. Stille. Ageia war nicht zu sehen, auch ihre Flügelschläge nicht zu hören. Corwyn seufzte... Doch was war das? Ein ferner Gesang... Corwyn lauschte...
Alles schwarz, ich kann nicht sehen
ich kann die Welt nicht mehr verstehen
Der Mond reißt mir die Augen aus
Ich bin gefangen und ich komm nicht raus
Vorsichtig schritt Corwyn weiter. Darauf bedacht, kein Geräusch zu machen. Er verbat sich sogar das Atmen...
Weißt du wer ich bin ?
Er? Du? Nein...
Ich schwebe durch die dunkle Nacht
und ein Gefühl ist mir erwacht
ein Gefühl das keiner kennt
die Augen leer mein Gehirn verbrennt
Wer war da? Woher kam sie nur... die Stimme, dieser Gesang... Corwyn fröstelte... was mochte hier unten hausen?
Und ich tanz auf meinem Grab
Und ich tanz auf meinem Grab
Ein weißes Tuch verfärbt sich rot
ein neues Leben oder Tod
Mein Gefühl das keiner kennt
alles leer und mein Herz verbrennt
Die Trauer und der Schmerz, die in den Worten mit hallten, ergriffen Corwyn's Herz. Seine Mine spiegelte das aufkeimende Mitleid wider und er fragte sich, was es war, dass es ihn so beeindruckte.
Und ich tanz auf meinem Grab
Und ich tanz auf meinem Grab
Doch auch eine Kälte, ein Hass schwangen mit in den Worten. Selbstzweifel... Nein, nicht schon wieder! Er würde diese Mission bestehen. Es klang wie Totengesang...
Sünden des Körpers niemals frei
Die Qual des Weges nie vorbei
Den nach dem Tod beginnt mein Leben
er wird mir neue Kräfte geben
Ihr seht mich nicht doch bin ich da
als Alptraum räch ich mich Jahr um Jahr
schwarze Rosen brennen an dem Kranz
ich tanz und tanz und tanz und tanz den Totentanz
Corwyn hielt sich die Hand vor den Mund, während er weiter schlich. Der Gang machte einen Bogen und Licht tauchte hinter der nächsten Biegung auf.
Wenn der Sturm dich mit eisigen Klauen hinwegfegt und dein Leiden mit ihm vereint
Wenn kein Licht dich mehr führt, wenn dich nichts mehr berührt und die Tränen die letzten geweint
Wenn du schreist, weil du weißt was es heißt, wenn die Hoffnung nicht mehr als ein leeres Wort ist
Wenn du gehst und du flehst, daß dich jemand erreicht, weil du immer noch ganz allein bist
Corwyn erreichte die Biegung. Er versuchte um die Ecke zu spähen. Ein Raum, halb so groß wie die vormalige Halle. Es war Geralt... er stand da, mitten im Raum und der Boden unter ihm war ein Karomuster. Kerzen erleuchteten den Raum, der an eine Gruft erinnern mochte. Der Gestank von Verwesung machte sich unangenehmerweise breit. Geralt schien den Wassermagier nicht zu bemerken. In seiner schwarzen Kluft tanzte er umher und sein schwarzes, langes Haar wehte bei seinen rythmischen Bewegungen. „Herein, Corwyn!“, sagte er plötzlich ganz leise und ohne auch nur einen Blick in die Richtung des hohen Wassermagiers zu werden. „Folge mir!“
Geändert von Corwyn (25.03.2008 um 16:10 Uhr)
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„Folge mir!“
Geralts wiegende, langsame Schritte führten die beiden Magier einen weiteren Gang entlang. Die Decke war teilweise von Pflanzen überwuchert, doch scheinbar war der Beliardiener schon hier gewesen: Kerzen erleuchteten hier den Weg und zeichneten verrückte Schatten an die Wand. Sie erreichten schließlich eine gigantische, unterirdische Höhle. Doch diese Höhle war erfüllt mit Brücken und Bauten aller Art. Statuen von Menschen... waren sie versteinert? Corwyn schauderte. Wo führte Geralt ihn hin? Tief unter ihnen führte ein Strom entlang, das mächtige Wasser bahnte sich seinen Weg durch eine Art Kanal, der jedoch von gefährlichen Felsen und Schiffstrümmern übersät war. Es war ein schöner Ort. Wer ihn erschaffen haben sollte? Gerne hätte der Gelehrte all diese Ruinen erforscht. Doch sein Weg würde ihn niemals wieder hierher führen. Geralt, das lange schwarze Haar zu einem Zopf gebunden, ging vorweg. Er betrat eine Brücke, die zu einem Plateau dicht über dem Wasser führte. Dann drehte er sich um. Sein makelloses Gesicht grinste. „Lass mich raten...“, kam Corwyn dem Beschwörungsmagier zuvor. „Du wirst es nicht zulassen, dass das Gleichgewicht deinem fanatischen Streben nach Macht Einhalt gewährt, richtig?“ Geralts Grinsen verschärfte sich. Er ließ die Ringe an seinen langen Fingern gegeneinander klackern, doch dies Geräusch vermochte das Rauschen der Strömung nur mühsam zu übertreffen. „So ist es!“, rief er schließlich. „Darum lass uns nicht lange zögern... es muss getan werden!“ Seine Gesichtszüge verhärteten sich. Corwyn musterte seinen Gegenüber misstrauisch. Er bereitete sich auf den Kampf vor... Geralt er hob seine Stimme zu einem schrecklichen Singsang.
„Hörst du das Rufen
Tief in der Erde
Komme und werde
Aus unserem Blut“
Corwyn fröstelte. Wen oder was versuchte der Fanatiker des dunklen Gottes zu beschwören? Corwyn zuckte, als der Mann wieder die Stimme anhob.
„Komm, sei erneuert
Die Seele befeuert
Flammende Kreise
Sie leiten dich durch die Nacht“
Corwyn bereitete seinen eigenen Zauber vor. Doch dieser beschwörende Singsang schien seine Aktionen zu lähmen. Weiter...
„Weiße Gesichter
Und leuchtende Lichter
Komm auf die Reise
Das Leben ist neu entfacht“
Das Rauschen des Stromes wurde stärker in Corwyns Ohren, gerade so, als wollte es den schrecklichen Gesang übertönen. Was bei Adanos bereitete dieser Mann dort für eine Beschwörung vor? Die Erde bebte leicht...
„Laute als Knochen
Worte sind Leben
Worte zu weben
Haut und Haar“
Corwyn versuchte, das Echo der Stimme zu verdrängen. Er versuchte, sich nur auf seinen eigenen Zauber zu konzentrieren, doch es wollte ihm nicht gelingen. Etwas hielt einen Teil von ihm gefangen, doch er kämpfte dagegen an...
„Nimm diese Worte
Höre die Sprüche
Zu heilen die Brüche
Ganz und gar“
... mit mäßigem Erfolg. Sein Geist war stark, doch der Bann, den die Worte herauf beteten, verschleierte die Sinne, die Entschlossenheit, die Willensstärke. Tugenden, die Corwyn heute beweisen musste... Großvater...! ... Hârkon....!
„Folge dem Rhythmus
Spüre die Kräfte
Nimm unsere Säfte
Tauche ein“
Das Beben wurde stärker und die Erde inmitten ihres Plateaus tat sich auf. Staub wirbelte auf, Gestein. Doch Geralts finsteres, diabolisches Lachen erhob sich über das Getöse. „Dies ist das Ende des Gleichgewichts! Der Anfang meiner MACHT!!!“, schrie Geralt. Diese Worte waren für Corwyn gedacht, auch wenn die beiden einander nicht sehen konnten. „In deinem Kopf regieren Zorn und Wahn! Dein Geist macht dich zum Untertan! Du kannst dich nicht von dir befrei’n! Solang du bist kannst du nicht sein!“, erwiderte Corwyn und rannte los. Auf die Brücke zu. Die Beschwörung neigte sich ihrem Ende zu. Staub und Gesteinsbrocken legten sich, beziehungsweise prasselten zu Boden. Der hohe Wassermagier sah sich nicht um. Das Rauschen des Stromes erfüllte nun seine Gedanken. Er gedachte der Worte der alten Predigt und ihrem Prediger. Vatras, alter Freund... und er schrie gegen den Lärm an. „Und Beliar sprach zu einem weiteren Wesen! Aber Adanos ließ die Flut kommen, und das Wesen wurde fortgespült von der Erde.“ Und mit seinen Worten wurde es endgültig. Der reißende Strom griff auf das Plateau über, die Gischt schäumte und der Turbanträger bekam das Wesen nie zu Gesicht. Denn es wurde fortgespült von der Erde und mit ihm ihr Erschaffer.
Geändert von Corwyn (27.03.2008 um 02:09 Uhr)
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Von Erschöpfung ganz krumm stolperte Corwyn weiter. Sein Kopf war ganz leer, seine Gedanken ausgeflogen. Als machten sie Urlaub an einem sonnigen Strand und ließen sich die Sonne auf den Wanst scheinen. Als ließen sie sich die Haut verbrennen von Sonne und Hitze. Von Feuer und Qual. Von schrecklicher Marter. Hârkon... Eine Träne, weitere Schritte auf der kalten, feuchten Treppe. Er erreichte zwischen zwei Ruinen, denen er keinen Moment seiner Aufmerksamkeit schenken konnte, den oberen Treppenabsatz. Er drehte sich nicht noch einmal zu dieser Höhle um. Er dachte nun auch nicht mehr darüber nach, was seine Prüfungen gewesen sein sollten. Ihm war klar geworden, dass Corwyn Kingsley, sein Großvater, dies alles auf irgendeine Weise geplant, weil voraus gesehen hatte. All die Erkenntnisse, die er hier hatte sammeln dürfen... sie waren der Schatz, den Corwyn Kingsley nun an ihn, Corwyn Kingsley, den Jüngeren, wenn man so wollte, vererbte. Die Erfahrungen von Macht, Fanatismus, Gerechtigkeit und Tugenden, die er hier hatte machen dürfen, sollten ihm für die Zukunft die Kraft geben, ein vorbildlicher Priester Adanos' zu werden. Wenn nicht gar... ein Meistermagier. Bei diesem Gedanken beschlich den Spitzbärtigen, ein Gefühl, als ob er schon den ersten Schritt zur Beherrschung der Elemente gemacht hätte. Er konnte es nicht genau sagen, doch die Prüfungen hatten ihm alles abverlangt, was er zu geben im Stande gewesen war... und es hatte ihm neue Grenzen aufgewiesen. Doch bis er an diese stieß, musste sich ihm schon eine harte Prüfung in den Weg stellen.
Durch einen schwach beleuchteten Gang erreichte der Turbanträger eine weitere riesige Höhle und langsam zweifelte er an seinem Verstand, so großartig war auch dieses unterirdische Gebilde.
Durch ein Loch in der Decke fielen weiße Lichtstrahlen auf einen Schleusen ähnlichen Bau, dessen Stein schon so alt war, dass er mit Moos und Pflanzen überwuchert war. Wasser ergoss sich aus einem steinernen Torbogen in einen See zu Füßen des Gebäudes. Es wirkte ein wenig, wie die Front eines Tempels, denn die Steine war kunstvoll verarbeitet und von Steinmetzen behauen worden. In dem klaren See befand sich in der Mitte ein großer Fels. Ein Vogel fand Platz darauf und putze sein Gefieder. Erst als Corwyn weiter in die Höhle vordrang stellte er fest, dass gegenüber der großen Wand ein halb runder, gepflasterter Gang angelegt war, der genau mittig gegenüber des Torbogens in der Wand und unterhalb des Durchlasses in der Decke, eine Art Alter hatte, auf dem der Stab lag. Der hohe Wassermagier beeilte sich, hinab zu kommen. Da wurde er auf den Vogel aufmerksam. Es war Ageia, der Vogel, der ihm voraus geflogen war, als er sich der Prüfung gestellt hatte. Der Rabe hörte auf sein schwarzes Gefieder zu putzen und flog über das Wasser auf den Spitzbärtigen zu. Dann machte er einen Schwenk und setzte sich auf den Altar. Corwyn kam näher und stand nun kurz vor ihm. Er spürte den frischen Wind und atmete die frische Luft, die von oben herab kam. „Corwyn!“, krächzte Ageia nun und der Angesprochene war nicht überrascht, dass der wundersame Vogel sprechen konnte. „Du hast die Prüfung hinter dich gebracht. Nun gewährt man dir Zugang zu diesem Relikt, einer Hinterlassenschaft deines Großvaters. Es steht dir frei, ob du diesen Stab, den Stab der Gerechtigkeit an dich nehmen wirst. Doch lass dir gesagt sein, dass seine Macht für die Verdorbenheit Geralts und Darvyns verantwortlich war und dass er ihre Taten blendete. Du jedoch kannst seine Macht für die Gerechtigkeit einsetzen. Du kannst Wohlstand für das wiedervereinte Volk erreichen und Wohlstand für dich selber. Doch auch dich, Corwyn, kann diese Macht verderben. Denn Macht“, so krächzte Ageia weiter, „ist etwas Ungenießbares und nur die stärksten können ihr, haben sie einmal Blut geleckt, widerstehen.“ Eine kurze Pause trat ein und Corwyn seufzte. „Ich will den Stab nicht! Die Menschen müssen ihre eigene Gerechtigkeit finden, aber ich habe nicht das Recht ihnen meine Vorstellung davon aufzuzwängen, Ageia... Großvater... so Leid es mir tut... Diese Macht ist selbst für mich, den Priester, zu groß...“ Wäre eine derartige Regung bei einem Tier möglich, hätte man aus Ageia's Zügen nun ein Lächeln lesen können. „Du bist reifer geworden. Reifer und weiser, als ich gedacht hätte. Trage nun also nicht den Stab, sondern den Titel Kingsley, junger Corwyn und sei mir“, die Stimme des Raben schien sich zu wandeln, „, deinem Großvater, ein würdiger Erde.“ Und mit einem Mahl verpuffte der Rabe und zurück blieb Asche und eine einzelne Feder. Tauche ins Wasser und du wirst den Weg zurück finden zum Herrenhaus, sagte eine Stimme noch und Corwyn folgte ihrem Ruf.
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Neuling
Ein scharfer, schneidender Wind zupfte an den Vorhängen der Fenster, am dreckigen Tischtuch und an den langen Gewändern der beiden Gestalten. Vom dunkelgrauen Himmel sanken Schneeflocken herab, wehten und wirbelten durch die Luft und legten sich wie ein Schleier aufs karge Land. Auch das steinerne Pflaster des großzügigen Balkons wurde bedeckt von dem Weiß, welches Kälte und Reinheit bedeutete. Die fernen Tannen schwankten mit jeder Böe. Allein das im Mondlicht silbern schimmernde Gestein, der sich majestätisch erhebenden Berge, schien unberührt zu bleiben. Unberührt und starr, über all das Chaos seiner Umgebung erhoben. Ja, man konnte es nicht anders sagen: Der Fels statuierte ein faszinierendes Exempel für Standhaftigkeit, Willensstärke und auch für die Ewigkeit, nach der sich so mancher sehnen wollte.
„Friede sei mit dir, Hania“, sprach Ribonuk, dessen Gestalt an die der Berge hinter ihnen erinnerte. So, als wollte auch er ein Exempel statuieren für Standhaftigkeit, Willensstärke und für ewiges Leben.
„Meine Söhne“, stotterte sie und verschwand im Inneren des Herrenhauses. Ribonuk folgte ihr nach drinnen und schritt zielsicher zu dem Becken, in dem jeden Augenblick Corwyn erscheinen musste. Corwyn Kingsley. Der neue Corwyn Kingsley.
Es dauerte nicht lange, da schwappte das Wasser leicht über den Rand. Corwyn erhob sich aus dem Nass. „Interessante Art und Weise des Teleports“, murmelte und trocknete seine Sachen magisch. Dann watete er aus dem Wasser und schenkte Ribonuk einen überraschten Blick. „Es ist vorbei, Corwyn. Es war eine wahrhaft gute Entscheidung, den Stab nicht zu nehmen. Er hätte dem Einzelnen zu viel Macht gegeben. Macht über ein Kollektiv, dass nur in der Gemeinschaft wirklich gerecht sein kann. Ich bin stolz... und ein wenig traurig. Denn mit dem Ende der Prüfung deines Großvaters endet auf das Band des Erbes, welches zwischen uns gesponnen, um dich hier her zu führen. Du kannst dich zurück nach Al Shedem teleportieren. Friede seit mit dir auf deinem Weg, Corwyn.“ Ribonuks Ansprache endete und Corwyn nickte bedächtig. Der alte Magier für seinen Teil war froh, dass nun alles vorbei war und er sich zur Ruhe setzen konnte. Die Zukunft würde kommen und Veränderungen bringen. Aber ohne ihn. Corwyn verbeugte sich. „Habt Dank, Herr“, und diese Geste bewies großen symbolischen Wert. Auch Ribonuk verbeugte sich. Dann kehrte er den Rücken, verschwand aus dem Zimmer und hinterließ einen gereiften, gewachsenen Corwyn. Er lächelte ein letztes Mal. „Aber mit ihm fortgespült wurden Bäume und Tiere.
Und Adanos überkam eine Tiefe Trauer.“
Ende
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