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Es musste wirklich schlimm für sie gewesen sein und ein wenig fester drückte Saleph seine Liebste an sich heran, um ihr zärtlich über den Rücken zu streicheln. Verwundert blickte er in die grünen Augen, zog unbewusst die Auenbrauen ein Stück hoch und fragte: „Wer denn?“ Einen sanften Kuss gab er ihr auf die Stirn und entgegnete so ihrem leisen Seufzen, während er sie ihren Kopf erneut gegen seine Schulter lehnen ließ. „Tut mir leid, dass du so schlecht geträumt hast. Der Boden hier ist aber auch hart...“ Eine seltsame Nacht war es gewesen, in der sie ewig lang durch den Wald geirrt waren, um sich nur weiter in ihm zu verlieren wie die Käfer im Netz der Spinne, die sich durch ihr Gezappel nur weiter darin verhedderten. Nur die Spinne hatte gefehlt, sich aber scheinbar heimlich in die Träume der Rothaarigen geschlichen, wo die dünnen Fäden die schlafenden Gedanken verführt haben mussten.
„Ich hab auch nicht wirklich gut geschlafen. Oft war ich wach, um zu sehen, ob sich bei uns irgendwelche Viecher herumtummeln. Irgendwann, als es dann hell war, bin ich aufgestanden und hab in der Nähe ein paar Beeren gesammelt.“, sprach der Gärtner und zeigte die Blaubeeren vor, die auf einem Blatt angerichtet waren und der Zauberin ein schwaches Lächeln auf die Züge malten. „Ach jetzt schau doch nicht so. Heute Nacht schlafen wir beide wieder gut und zwar in einer festen Unterkunft, das versprech ich dir. Aber wär doch schade, wenn ich die alle um sonst gepflückt hätte?“ Mit einem gütigen Lächeln hielt er der unruhig wirkenden Wassermagierin die Ausbeute des Morgens vor die Nase und war sichtlich bemüht, ihr die Ruhe ein Stück weit zurück zu geben, doch wollte es nicht recht gelingen. Erst vorsichtig griff eine zarte Hand nach den blauen Kügelchen, schob sich welche davon in den Mund und ließ das Lächeln seinen Glanz entfalten, das das Wohlgefallen über die Überraschung ausdrückte.
Na geht doch!, freute sich der Blauäugige im Innern und aß selbst ein wenig der Früchte, die die Lippen und Zungen blau färbten.Ein breites Grinsen, das die selbe Farbe annehmen wollte, schlich sich ihm auf die Züge, als er das Farbenspiel auf den Lippen seiner Liebsten bemerkte. „Schicker Lippenstift.“, witzelte er, erhielt dafür erst einen fragenden Blick und dann ein fröhliches Lachen zur Antwort, da auch Melaine die Wirkung der Beeren in seinem Gesicht bemerkte. Hastig fuhr sich Saleph mit den Fingern über den Mund, als hätte die Speise dort keinerlei Spuren hinterlassen, wunderte sich erst und stimmte dann in das Lachen ein, als er seine eigene Torheit bemerkte. Im Rauschen des Windes und dem Zwitschern der Vögel verhaltte ihre Freude gemächlich, ebbte ab wie die sich zurückziehende Flut und rief die altgewohnte Ruhe auf den Plan, wie sie nur zwischen ihnen herrschen konnte.
Zaghaft, als wäre die Berührung zum ersten Male geschehen und doch so gewohnt, dass man sich nicht an die Schönheit des Gefühls gewöhnen konnte, begegneten sich die blauen Lippen und kosteten voneinander und testeten, ob sich so die Farbe abwischen ließ. Ebenso blaue Zungen trafen sich, als die Berührung an Intensität zunahm, die Flut zurückkehrte und sich zarte Hände in dunkle Haare krallten. Ein enttäuschtes Seufzen ertönte, ob des unverhofften Endes, das zufrieden lächelnde Münder hinterließ, die nichtsdestotrotz noch so aussahen wie zuvor. Leer lag das Blatt neben ihnen und Saleph hoffte, ihre den Traum und die Gedanken daran vergessen gemacht zu haben. Arm in Arm lagen die Zauberin und ihr Novize auf dem weichen Gras der Lichtung, ließen sich von der Sonne streicheln und den Händen des jeweils anderen und kuschelten, bis der gleißende Ball schon wieder seinen Zenit ein gutes Stück hinter sich gelassen hatte.
Wenig später landete das Säckchen auf Salephs Rücken, der nach der Hand der Grünäugigen griff, die sich umblickte und dabei einen leicht verwirrten Eindruck auf ihn machte. „Schaust du, ob wir was vergessen haben?“, fragte er und drückte sanft die zarten Finger, dass sich die roten Haare wehend umwanden und mit einem seichten Lächeln hastig nickten. Nach Nordosten setzten sie den Weg fort, ohne zu wissen, ob es denn der richtige sein sollte. Ein markanter Punkt wollte gefunden werden, ein Hof, ein Berg oder ähnliches, um sich auf der Karte orientieren zu können, doch dafür musste sich erst der Wald in ihrem Rücken befinden. Erst wenige Schritte waren sie gegangen, da Saleph die Hand hob und in das hohe Gras neben den Bäumen deutete. „Schau mal, hier hat einer seine Sense verloren.“ Rostig und alt lag das Werkzeug im Gras und sah aus, als hätte es bereits Jahre dort gelegen, ohne auch nur ein Mal vom Fleck gerührt worden zu sein. Das Schneideblatt war rostig und rot, bröselte bereits an manchen Stellen und auch der Stab war nicht mehr in bestem Zustand. Mit Sorge betrachtete der Gärtner die Miene seiner Magierin, die mit angsterfüllten Augen den Fund fixierte. „Alles in Ordnung? Melaine?“ Erst auf das Rütteln an ihrer Schulter hin reagierte sie mit einem abwesenden Nicken und folgte dem sanften Zug an ihrer Hand, bis die grünen Augen das verrottete Werkzeug aus dem Blick verloren.
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Wie ein Schlag ins Gesicht wirkten die zwei einzelnen Worte, die nichts zu verbinden schienen und doch gemeinsam gesprochen die Welt der Zauberin mit vielen kleinen Rissen spickten und drohten, jene in tausend kleine Scherben zerfallen zu lassen. Eine jede würde ihr schockiertes Gesicht spiegeln, eine jede würde zu gleichen Teilen das Gesicht des grinsenden Glatzköpfigen und dasjenige des fragend dreinblickenden Gärtners widerspiegeln und doch beide auf solch kurzer Distanz nicht zu verbinden vermögen.
Und die Schwärze hinter denen das Licht spiegelnden Scherben wäre grenzenlos und Ausdruck ihres Geistes, der in jenem Augenblick, als sich all dieses vor ihren Augen abspielte und doch die Welt als Ganzes erhalten blieb, den Grund unter den unsicheren Füßen verloren hatte, durch das Nichts strauchelte und flehend nach jedem brüchigen Halt griff, nur um mit immer neuen Angstschüben tiefer zu fallen.
Sie wollte weinen und beteuern, dass dies alles doch gar nicht wahr sein könnte, dass sie sich noch immer so ausgelaugt wie gestern fühlte, nachdem ihr Zauber an ihm gescheitert war, wollte irgendetwas sagen, nur um ihr Schweigen zu brechen, nur um zu sehen, dass sie noch lebte, jetzt, wo man sie der Welt entfremdet hatte, sie sich selbst verloren hatte, weil sie glaubte, dass es ein Traum gewesen sein musste und wusste, dass es keiner gewesen sein konnte.
Und wie sie so dasaß und mit leerem Blick all jenes einzeln versuchte, scheiterte sie doch schon an der kleinsten Rührung des Mundes und nur eines hielt noch ihre Augen auf die verkommene Realität gerichtet und versuchte mit der Einfachheit seiner streichelnden Hände sie aus der Lethargie des Verfalls zu wecken.
An der Grenze zwischen Wahn und dem Erwachen, an jenem schmalen Grad, an dem die Zukunft in die Vergangenheit floss und Gegenwart verloren ging, schien sie gleichsam ihr weiteres Leben in zweierlei Gestalten zu erkennen. Eine alte Frau mit dünnem grauem Haar, die sich mit den Händen um ihren Körper geschlungen auf dem harten Stuhl wippte und unkontrolliert mit den Zähnen klapperte, dass jene zu zerspringen drohten.
Und eine ältere Frau im strahlenden weißen Kleid zwischen den mächtigen, in der Sonne weiß strahlenden Säulen eines Tempels. Weisheit, das Wissen um die Welt, über Zukunft und Vergangenheit lag in ihren Augen und lächelnd blickte sie auf das kleine Mädchen herab, nickte milde und strich ihr liebevoll über den Kopf.
Dann legte sich zwei Hände um ihren Bauch, streichelten ihn und die ältere Frau drehte sich um, griff nach den geliebten Wangen des Mannes und…
…die süße der Beeren vermischte sich mit jener der geliebten Zungen, die verspielt mit der noch unzerkauten Beere in ihrem Mund tollte, während die Lippen in inniger Umarmung ineinander versunken waren.
Ein Schauer lief der Zauberin über den Rücken und mit nur einer einzigen Bewegung, eine befehlende Geste seiner langen Arme verschwand die Sorge, nahm die Angst mit und ließ die Bruchstücke des Tongefäßes Lethargie zurück.
Und als sie sich erhoben hatten und der Welt gegenüberstanden, wie sie seit Ewigkeiten gewesen war und wie sie auch immer sein würde, solange Melaine sie als solche annahm, schien nichts mehr sie zurückwerfen zu können.
Bis die Sense in ihr Leben trat, wie der Fuß des Mörders den Schädel seines Opfers traf. Für einen weiteren Augenblick glaubte sie nicht nur ihren Geist straucheln zu sehen, sondern glaubte zu fallen, die Sense auf sich zukommen zu sehen und klammerte sich verzweifelt an die Worte ihres Liebsten, die voller Sorge an ihre Ohren drangen.
„Ich…“, brach es unvorhergesehen aus ihr hervor, obschon sie geglaubt hatte, nichts sagen zu können. Doch die Hand Salephs und der feste Blick seiner blauen Augen ließen sie nicht gehen, egal, wie sehr sie es auch verlangen mochte, „Weiß nicht. Es muss wohl noch dieser Traum gewesen sein. Der wirkte so real. Ein kleiner Gnom mit Glatze und langem Bart, einer großen Sense in der Hand und einem dem Wahnsinn verfallener Verstand hatte versucht uns für seine irren Spiele einzubinden. Vor unseren Augen wollte er ein Kaninchen schlachten, zerschnitt ihm dann die Fessel und predigte etwas, dass die Zeit der Freiheit gekommen wäre.
Und dass ich mich so genau noch daran erinnern kann, macht mir Angst. Es war nur ein Traum und doch habe ich nach einem solchen noch nie die Furcht förmlich über meine Arme kriechen gespürt!“, floss es einem wilden Strom gleich aus dem Mund der Rothaarigen, die mit ängstlichen Augen nach dem Verständnis in den Augen ihres Liebsten suchte und zu spät erkannte, dass dies alles zu abenteuerlich klang und sie, wie sie da stand, mit den Händen rang und die Augen aufgerissen hatte, dem Wahnsinn näher zu sein schien, als der Protagonist ihrer Alpträume.
Schüchtern senkte sie die Augen und trat schweigend ein Stück von dem Gärtner weg. Seufzend lehnte ihre Hand an einem Baumstamm, während die Augen im Boden die Wahrheit zu finden hofften und ihr Herz sich danach sehnte, nicht für sein Unvermögen verstoßen zu werden. Und so war sie die letzte, die die Tränen auf ihrer Wange wahrgenommen hätte…
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Ein weiterer Moment der Stille kehrte ein und der Gärtner ließ es geschehen, wie der letzte Verteidiger, der die anstürmenden Gegner mit gesenkter Waffe an sich vorbeiziehen ließ, da es ohnehin verloren war. Er wusste nicht, was er tun sollte, um ihre Trauer und Verzweiflung zu beenden, tat daher lieber nichts aus Angst, es könnte noch schlimmer werden dadurch und fühlte sich nur umso schuldiger. Ein gemeines Ziehen breitete sich in der Brust des Blauäugigen aus, als er das leise Schluchzen vernahm und ihr nicht helfen konnte. Denn weder hatte er gesehen, was in ihrem Traum gewesen war, konnte selbst die mündliche Erklärung nicht richtig fassen und tat sie als einfachen Albtraum ab, doch schien es für Melaine mehr zu sein. Selbst hatte Saleph zwar auch schon Nächte mit ähnlichen Erlebnissen gehabt, so dachte er jedenfalls, doch war keines derart real gewesen, ihn in jener Form in den Grundfesten zu erschüttern, wie es seiner lieben Zauberin nun erging.
„Du...“, hob er nach einer Weile die Stimme und wartete eine weitere, weit kürzere, ehe sich Melaine umdrehte, die Hände von der Rinde fahren ließ und dabei so verloren aussah, als wüsste sie nicht, dass sie weinte. Mitfühlend verschoben sich die Brauen, legten die Stirn in Falten und ließen die blauen Augen noch besorgter wirken, als sie es ohnehin schon waren. „Egal, wie komisch das alles klingen mag. Lass dich davon nicht so sehr herunterziehen und eigentlich würde ich sagen, dass es ja nur ein Traum war. Nur scheinbar war er das nicht nur für dich. Ich weiß nicht, was ich zu all dem sagen soll. Ich möchte nur, dass du weißt, dass ich immer für dich da bin.“ Einen Schritt tat der Novize vor, streckte die geöffnete Hand nach ihr und wartete, dass sie, wie das scheue Reh, das sie sein konnte, langsam danach griff, während die grünen Augen mehr und mehr Tränen die Wangen hinablaufen ließen.
Heiß drangen sie in das weiße Hemd, hinterließen feuchte Spuren in dem Stoff, der sie aufsog wie ein Schwamm und behütete ebenso das Schluchzen, das einer Beichte gleich gegen die Brust geworfen und von der sanften Umarmung empfangen wurde. Sie berichtete von der Angst und dem Gefühl, das sie verspürt hatte in der Nacht, das so echt gewesen wäre wie es nur das Leben zu sein vermochte und gleichzeitig so unecht sein musste, um den sonst kräftigen Geist der Wasserzauberin ins Straucheln zu bringen. Doch er war da, würde immer da sein und versuchen sie vorm Stolpern zu bewahren, damit sie auch weiterhin den Weg gemeinsam gehen konnten und sie ihn das nächste Mal stützen konnte, wenn es ihm schlecht erging. Und so schwieg er sich weiter aus, während sie sprach ohne etwas zu sprechen und sich an die Brust klammerte, der ihr wärmender Schutzwall sein wollte.
Und die Stille begleitete sie noch, da sie Hand in Hand durch den Wald gingen, sich zwischen Bäumen und Sträuchern durchwandten, um den Weg wieder zu finden, den sie gestern Abend ziellos verlassen hatten. Noch immer wirkte Melaine aufgelöst, abwesend, obschon es besser geworden war und trotzdem ließ ihren Novizen die Sorge nicht los, dass sie etwas hatte. Waren es die Beeren gewesen? Unwahrscheinlich, die hatte er selber gegessen. Er wusste es einfach nicht und konnte es sich ebenso wenig erklären wie sie, aber es war ein schneidendes, verletzendes Gefühl, das durch die Klinge der Ohnmacht geführt wurde. Nun hatte der ehemalige Wasserträger so lange im Mantel des Schweigens den eigenen Gedanken und Vermutungen nachgejagt, dass ihn die Füße getragen, nur von der Rothaarigen gelenkt, an den Saum des Waldes gebracht hatten.
Aber selbst das wäre ihm entgangen, hätte nicht Melaine mit der flachen Hand auf seinen Arm getippt, mit der Hand an seiner gezogen und ein kleines Lächeln in ihr Gesicht schleichen lassen. Jener Anblick, der sich vor ihnen auftat, hätte am gestrigen Abend einiges Leid erspart, wenn man nur dem Weg gefolgt wäre, um an seinem Ende das erste Etappenziel, den Bauernhof, zu erreichen. Auch ihm zeichnete sich erst ein ungläubiges Grinsen in die Züge, ehe das Lachen leise über die Lippen kam, ob der Ironie des Schicksals. „Was für eine Scheiße...“, gingen die Worte, die die abebbende Freude begleiteten und schließlich mit ihr erstarben, dass nur ein gütiges Lächeln zurückblieb, das die schönen grünen Augen anbetete. „Gut. Besonders weit sind wir nicht gekommen, aber ich hab dir doch eine feste Unterkunft versprochen.“ Mit einem Zwinkern tat er den ersten Schritt und wanderte mit seiner Liebsten entlang der bewachsenen Felder, die dem Bauern gehörten und ihnen für die heutige Nacht das Quartier stellen würde.
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Leise raschelte der laue Sommerwind im Blätterdach des Waldes, als das junge Pärchen die letzten Zweige zur Seite schob und Hand in Hand an den Rand des Feldes traten, auf dem gegen alle Erwartungen der Weizen hoch stand.
Über die Ähren hinweg war das Haus in der Ferne auszumachen, das aus Richtung der Ankömmlinge von der Sonne beleuchtet wurde. Es schien, als würde alle Wege, die sie an diesem Abend nehmen würden, auf jenes Haus führen, als hätten die Götter ihnen den Blick gehoben, alles überflüssige aus ihrem Blickfeld genommen und zu guter Letzt die Sonne auf ihr Ziel gerichtet, dass sie es nicht verfehlten.
Ja, so schien es und es wäre schön, wenn es so sein würde, dachte sich die Zauberin und strahlte den blauen Augen entgegen. Es war, als würde dieser Tag für den gestrigen entschädigen wollen, egal wie schlecht er begonnen hatte, so war er doch in einen stetigen Aufstieg verfallen, der kein Fall mehr dulden wollte.
Das Zwitschern der Vögel begleitete die leisen Schritte der Beiden, als sie den Weg zum Haus einschlugen. Beinahe schien der Ort einer fremden, wahnwitzigen Idylle zu gehorchen, als wüsste er nicht, welcher Irrsinn im Wald hauste, welche Gefahren die Dunkelheit jener Region bereit hielt, welche Träume des Nachts sich in den Geist der Schlafenden schleichen. Vielleicht war er verflucht, vielleicht war er verdorben…
Melaine zuckte zusammen, als Saleph sachte an ihrer Hand zog und sie so zum Innehalten zwang. Kaum eine Armlänge von ihnen entfernt versperrte dunkles Holz den Wanderern das weiterkommen und war gleichsam Ausdruck ihres Zieles, an dem kein Weitergehen mehr lohnen sollte.
Die Hand der Wassermagierin hob sich geschwind, als sei dies von Beginn der Zeit für diesen Augenblick bestimmt, während die Gedanken dem Arm nacheilten und erst, als die Knöchel der Finger dem Holz ein Stöhnen entlockten, die Ausführung der Geste zustimmten.
Ein Rumpeln war von hinter der Grenzen zwischen einer weiteren Nacht im Freien, einer weiteren Chance im Traum gefangen zu sein, und einem weichen Bett, dass mit seiner Sanftheit jede Finsternis vertreiben würde.
Mit einem lauten Krachen wurde die Tür aufgerissen und entblößte die zornige Fratze eines Mannes im mittleren Alter mit gleichmäßigem braunen Bart, dessen braune Augen wild aus ihrem Heim hinaus zuckten und doch nur Verachtung für das, was sie sahen, übrig hatten.
„Verschwindet!“, zornig hob der Bauer seine Mistgabel und deutete mit ihren Spitzen in die Richtung der Diener Adanos‘ „Los, ihr Streuner, haut ab, ehe ich mich vergesse!“
„Aber…“, wollte die Magierin einwenden, als die drei Spitzen auch schon in ihre Richtung zuckten und nur knapp unterhalb ihrer Nase zum Stehen kamen.
„Hör mal, Kleines, entweder du nimmst die Beine selbst in die Hand oder ich besorg das für dich. Reicht schon, dass die Pisser aus dem Wald hier alle paar Tage aufkreuzen. Sprecht euch gefälligst mit ihnen ab. Hier ist nichts zu holen. Und nun verschwindet!“, rief er mit drohendem Ton und ließ die Rothaarige unweigerlich einen Schritt zurücktreten, während der Gärtner einfach stehen blieb, als hätte er nicht gehört, was der Mann gesagt hatte.
„Wir sind keine Diebe!“, warf die Grünäugige geschwind ein, die Sorge vertreibend, dass der Bauer dem Missverständnis schneller mit seiner Gabel versuchen würde, entgegen zu kommen, als ihnen lieb sein konnte.
„Ha. Das sagen sie alle.“, rief der Bauer und tat nichts, seinen Sarkasmus aus der Stimme rauszuhalten.
„Und die meisten ohne Wahrheit. Wir dagegen…“, erwiderte Melaine und hob beschwichtigend die Hände.
„Jetzt halt den Rand, Weib!“, blaffte der Bärtige, „Und du glotz dich nicht so doof.“, schrie er Saleph an, „Und nun zum letzten Mal: Verpisst euch oder ich spieße eure Köpfe auf meiner Mistgabel auf und werf sie den Vögeln zum Fraß vor.“
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Ein direkter Durchmarsch wäre ja auch zu schön gewesen, doch wollte der Tag den gestrigen nicht so einfach aufwiegen, ohne nicht noch mit einem Hindernis aufzuwarten. Verdammt schlecht gelaunt war der Kerl und das auf eine äußerst aggressive Art und Weise, aber wollte man es einem verübeln, der den Tag auf dem Feld geschuftet hatte und am Abend seine Ruhe mochte? Ein wenig Verständnis hätte man dafür aufbringen können, wären da nicht die Schmerzen in den Füßen vom Wandern, im Rücken von der letzten Nacht und die Müdigkeit, die das eigene Gemüt auch nur wenig sonnig scheinen ließ. Na ob der sich umstimmen lässt..., zweifelte Saleph in Gedanken, der das Gebrüll über sich ergehen lassen hatte, um nicht die letzte Chance auf eine feste Unterkunft für die Nacht zu vertun, die er seiner Melaine versprochen hatte. Noch ehe der Bauer die Forke weiter erhoben hatte, hatte der Blauäugige das Säckchen von seinem Rücken gleiten lassen und es vor sich geöffnet, dass sich daraus einige Goldstücke entnehmen ließen. Mit dem glänzenden Metall hob er die Hand und eröffnete mit einem ruhigen Lächeln die Verhandlung.
Nur zaghaft zog sich die Mistgabel zurück, fuhr langsam in die Höhe und landete mit dem Ende der Stange auf dem Boden neben dem Mann, der mit misstrauischen Blick die Münzen betrachtete. Mit einer Mischung aus Neugier und gleichzeitiger Verachtung sprachen die Augen, bis die schmutzige Hand eines der Stücken nahm und es sich näher besah. Ein verächtliches Grinsen zog sich ihm ins Gesicht, als er das Gold wieder dort hinlegte, wo er es hergenommen hatte.
„Das sagt gar nichts. Wer weiß, wem ihr das geklaut habt. Münzen aus Varant sind das und ich will mir gar nicht erst vorstellen, wie ihr an die gekommen seid.“, quollen die Worte hinter dem Bart hervor und klangen dabei etwas vernuschelt, als würde das Haargeflecht einen Teil der Laute für sich behalten. Nur Adanos wusste, was sich dort drinnen noch so tummelte und Saleph hatte alle Mühe sich ein angewidertes Schütteln zu unterdrücken, als ihm die Vorstellung kam. Selber hätte er sich auch einmal wieder rasieren können, jedoch war es noch bei weitem nicht derart schlimm wie bei dem Kerl, der ihm da gegenüberstand. Letztlich konnte es ihnen allen ja egal sein, solang er ein Bett zur Verfügung stellte. „Macht euch vom Acker, Gesindel!“ Erstaunt zog der Gärtner die Augenbrauen hoch.
„Aber wir zahlen gut und alles was wir brauchen ist ein Bett für die Nacht.“ Erneut senkte sich die Forke, während sich der Blick des Bärtigen verfinsterte, der mit grollender Stimme erklärte: „Hör zu Mann! Deine dreckigen Münzen mögen was in der beschissenen Stadt wert sein, aber hier draußen bringen sie mir nichts zu essen auf den Tisch. Jetzt verpisst euch. Weitere Worte werd ich hier nicht mehr vergeuden!“
Mit gehobenen Händen wich der Novize zurück, kehrte dem Bauern den Rücken und tat es so Melaine gleich, die ihm zwei Schritte voraus war. Ein lautes Knallen erfüllte das Halbdunkel der Dämmerung und ließ die beiden kurz zucken, während das Gold klimpernd den Weg in das Säckchen zurückfand. Leise seufzte er, ob des Ausblicks das gegebene Versprechen nicht halten zu können und blickte mit verzogenem Mund und wehleidigem Blick in die grünen Augen, aus denen gleichsam die Enttäuschung sprach. Brummend griff er nach der Hand der Magierin, schenkte ihr ein liebevolles Lächeln und führte sie zurück auf den Weg, mit dem wachenden Blick des Landwirts vom Fenster aus als Begleiter.
Der Weg führte in einem großen Bogen um das Haus, um schließlich wieder zur Geraden zu werden, aber so weit kamen die beiden gar nicht. Als der Blick hinter den Vorhängen verschwand und die beiden außer Sichtweite waren, zog der Gärtner seine Liebste hinter sich her und das in flinken Schritten. So leicht wollte er sich nicht abwimmeln lassen und auch der Wille, das Versprechen einzulösen, trieb ihn an, dass das Herz nicht nur wegen der Sorge erwischt zu werden schneller schlug. Knarrend tat sich die Scheunentür auf, zwischen deren Spalt sich erst die Magierin und dann ihr Novize ungesehen hindurchzwängten, um sie gleich darauf wieder hinter sich zu schließen. Einige Gerätschaften standen herum. Äxte, Sensen, ein Karren, ein Pflug und einige Fässer, wobei der obere Bereich ein Heuboden war, den man mit einer Leiter erklettern konnte. Ein unsicherer Blick aus grünen Augen traf ihn und entlockte ein schelmisches Grinsen. „Na los, kletter rauf. Das merkt der nie!“ Mit einem Klapps auf den Po schickte er die Rothaarige die Leiter hinauf, folgte ihr sogleich und war dabei etwas übereifrig, dass sie oben angekommen vornüber im Heu landeten und ein leises Kichern nicht unterdrücken konnten.
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In der Stadt
"Ah, endlich, Khorinis! Diesmal sogar die Stadt.", bemerkte Xatras grinsend während er aus dem Fischerboot auf den kleinen Steg sprang. Hinter ihm kletterte Vainguard nicht weniger elegant aus dem geborgtem Schiffchen und sie gingen beide aus der Hafenstadt. Auf dem Weg zum Marktplatz trennten sich die beiden. Während Vainguard den Weg zu diesen weiterging um dort neuen Proviant zu besorgen und von den Händlern mehr über die Umgebung zu erfahren lenkte Xatras seine Schritte in Richtung eines Geschäftes das von außen schon als das eines Jägers zu erkennen war.
"Sei mir gegrüßt, Jäger. Xatras mein Name, und ich bin auf der Suche nach einem guten Ort zum Jagen." "Bosper. Diesen Platz suchen wir doch alle.", meinte der Ladenbesitzer kurz angebunden. "Kannst du mir denn nicht wenigstens einen Tipp geben, so unter Kollegen?" "Könnte ich, will ich aber nicht." "Gut, dann gehabt euch wohl."
'Der hat wohl einen schlechten Tag ...', dachte sich Xatras als er den Laden verlies. Da er sonst nichts zu tun hatte ging er zum Marktplatz um dort Vainguard zu treffen. Über ihm zogen die Wolken zusammen und es wurde immer dunkler, viele der Menschen waren schon auf den weg in ihre Häuser oder schon in diesen, ein Unwetter kündigte sich an. Doch den jungen Myrtaner beunruhigte einzig der Umstand dass er Vainguard nicht sah. Die ersten Tropfen fielen und außer ihm stand kein Mensch mehr nicht unter einem Dach. Mit einem lächeln stand er dort unter dem Regen der sich über ihn ergoss, fühlte das kühle nass auf seine Kleidung prasseln und langsam herunterlaufen, wie es auf seinen Kopf fiel und langsam an den Haaren entlang gen Boden strebte. Mittlerweile regnete es sehr stark herunter und die Regentropfen bildeten im wahrsten Sinne des Wortes einen Vorhang. Xatras' Kleidung und Haare waren völlig nass, und doch lächelte er. Nass aber glücklich wanderte er durch die leeren Straßen. Hin und wieder bemerkte er merkwürdige Blicke aus den Häusern, doch störte er sich nicht daran. Er mochte es wenn es regnet. Es kam ihm dann immer so vor als würde die Welt gereinigt. Die Luft wurde durch den Regen einfach klarer und sauberer, aller Dreck wird hinfortgespült und seine Sinne geschärft. Der einzigste Nachteil daran war nur, dass er wohl wirklich der einzigste Mensch auf den Straßen sein dürfte und deshalb seinen Reisebegleiter so auch nicht finden würde. Also beschloss er sich ein schönes Plätzchen zu suchen um dort zu warten. Er ging vom Marktplatz weg, erst in Richtung des nördlichen Tors. bog jedoch kurz vorher nach rechts ab, lief an der Kneipe vorbei die bestimmt mit Menschen gefüllt war, kein guter Platz für ihn. Weiter ging er auf den kleinen freien Platz zu und bemerkte einen kleinen Schrein, der jedoch leer stand. 'Das ist doch schön', dachte er sich und setzte sich kurzerhand im Lotossitz in die Mitte des kleinen, überdachten Schreines, schloss die Augen und lauschte entspannt dem steten Rauschen des Regens.
Geändert von Xatras (08.07.2009 um 15:31 Uhr)
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Eine lange Nacht, die sich in ihren Anfängen bereits zu strecken wusste, schien dies zu werden, obschon sie ein weiches Bett gefunden hatten, eine ruhigen Ort, der, nur vom Raschelnd es Strohs begleitet, eine angenehme Schlafstätte bot.
Der silberne Mond, der ruhig am Himmel saß und mit gütigem Blick auf die Erde hinab sah, blickte durch die Lücken des Holzdaches in das Innere der Scheune und schien sich an der bleichen Haut, die er berührte, zu erfreuen.
Ein leises Lachen schlüpfte aus dem Mund der Rothaarigen und erfüllte mit einer hellen Melodie den Dachboden der Scheune, als ihr Novize seine Zunge zärtlich über ihren Hals wandern ließ.
Die Augen versuchten sich an die Dunkelheit zu gewöhnen und wurden doch immer wieder durch die hellen Strahlen des einfallenden Mondlichts jener entwöhnt, während die Zauberin versuchte, sich langsam unter ihrem Liebsten umzudrehen. „Saleph!“, hauchte sie leise, ehe jener ihr die anderen Worte mit seinen Lippen ungehört aus dem Mund nahm. Sanft tanzten die Lippen im Schein des Mondes und suchten dem Verhallen des Lachens in ihrem Rhythmus nachzueifern, rangen leidenschaftlich miteinander und bargen sich gegenseitig in ihren kurzen Pausen.
„Mein Herz, das war eine ganz wundervolle Idee!“, säuselte Melaine und strich über den Rücken des Mannes, welcher langsam zur Seite glitt und ein Lächeln im Licht der silbernen Scheibe entblößte.
Noch immer pochte das Herz der Magierin wild, als hätte sie etwas Verbotenes getan, obwohl auch sie wusste, dass es nur wenig von Unrecht hatte und mehr vom Gleichgewicht, als man sich mit nur einem Blick auf das Geschehen einzureden vermochte.
Ja, der Bauer hatte sie verscheucht, in seinem Gram in die Dunkelheit der Nacht geschickt, dass sie zwischen den Wolfrudeln unter den Pranken des Schattenläufers ihren Frieden fanden, ahnungslos, was er damit anrichtete und doch wissend, dass sein Gewissen es ihm vorhalten würde.
Und das junge Paar hielt ihm sein Gewissen rein, indem sie sich in seine Obhut begaben und dankend das verwehrte Bett in Anspruch nahmen.
Ein weiteres, leises Lachen flüchtete sich in die Nacht, als die grünen Augen sich aus dem Blau zurückzogen und mit dem bleibenden, sanften Lächeln das Gesicht ihres Liebsten betrachteten. „Ein wunderschöner Ort, voller verborgener Magie. Bist du bereit, es noch einmal mit der Magie zu versuchen?
Ein paar weitere kleine Schritte in das Haus zu setzen und mit ruhiger Hand das erste Bild an der Wand vom Staub zu befreien? Vielleicht zeigt eine kleine Kugel, die hell über den Kopf eines Mannes strahlt, der von der Dunkelheit umgeben auf die Knie gefallen ist und bittend seine Hände zum Himmel streckt.
Vielleicht zeigt es aber auch nur ein buntes Muster, vieler verschiedenfarbiger Stränge die ineinander verwoben sind. Was meinst du? Magst du versuchen einen Schritt alleine zu setzen?“, fragte die Wassermagierin und wandte den Blick nicht von dem Gesicht Salephs ab, der nicht recht zu wissen schien, warum sie ihn gerade in diesem Augenblick damit überfiel. Und wenn sie ehrlich zu sich war, wusste die Wassermagierin es selbst nicht…
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Die Letzte Nacht hat der Nordmann gut überstanden, da die Tür einfach nicht abgeschlossen war. Warum sollten sie zögern, und Nachts draußen schlafen, wenn sie hier gemütliche Betten mit Überzug hatten? Beide hatten beschlossen trotzdem in einem Raum zu übernachten. Einer musste dabei aber immer wachsam gegenüber den Gefahren sein. Immerhin kannten sie dieses Gebäude nicht.
>>Gsst. Vain, bist du schon wach?<<, flüsterte Xatras dem Nordmann zu
>>Jaa. Hast du gut geschlafen?<<, wollte sich der Wasserträger überzeugen
>>Ja hab ich, und du?<<, antwortete er in einem flüsterndem Ton
>>Dito. Ist irgendwas passiert?<<, wisperte er zurück
>>Keine Ahnung, und warum flüstern wir eigentlich?<<, gab Xatras eine Atwort mit einem schmunzeln auf seinem Antlitz
>>Keine Ahnung<<, konnte Vainguard schon in einem normalstarken Ton äußern.
>>Komm, lass uns was Frühstücken gehen!<<, meinte Vainguard, welcher seinem Begleiter auch sofort klar machte, dass er auf die Jagd gehe. Xatras war damit einverstanden, da er auch schon lange nicht mehr eine Keule Fleisch zwischen die Zähne bekommen hatte.
Der Himmel war ganz und gar blau, die Scheibe des Feuergottes Innos hängte empor dem blauen Raum. Nicht einmal eine einzige weiße Wolke ließ sich blicken. Von Regen keine Spur. Als Vainguard sich aufrappeln konnte streckte er gleich beide Arme in die Luft undgähnte ganz heftig, bis er die Arme wieder herunter nahm.
Geändert von Vainguard (13.07.2009 um 18:24 Uhr)
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"50 Goldstücke!", rief Ali und fügte hinzu:"Nicht schlecht für einen Bauern, oh Sohn des Risikos."
"Quatsch nicht, los mach!", entgegnete der fremde Bauer.
"Gut, wenn ihr meint, hier eure Karten.", meinte Ali und winkte Tyron und Alberto zu sich.
"Irgendetwas stimmt mit diesem Kerl nicht, heftet euch an seine Fersen und erstattet mir heute Abend Bericht.",flüsterte Ali, sodass es nur Tyron und Alberto hören konnten.
Sie waren in der Hafenkneipe und spielten Poker.
Ali war ein gefürchteter Poker - Spieler, zumindest in Myrtana und Varant war er weit über die Stadtgrenzen in denen er sich aufgehalten hatte bekannt.
Einmal hatte Tyron aus Al Shedim die Nachricht mitgebracht, dass selbst dort keiner gegen ihn spielen wolle, da er mit den Karten Adanos' spiele.
Dies war selbstverständlich nicht der Fall, man musste nur die richtige Taktik und ein gutes Pokerface aufsetzen.
Fast legte sich ein Grinsen über Alis Gesicht als er seine Karten sah.
Er hatte ein Ass und einen König."Kein schlechter Anfang.", dachte er sich.
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Mit einem kaum hörbaren aber unverkennbar vorhandenen Ächzen schwang der Gor Na seinen Zweihänder vom Rücken, rammte ihn ein Stück vor sich in eine Felsspalte und stützte sich darauf um seinen Blick erneut in die Landschaft schweifen zu lassen. Eine Mischung aus Regen-, Seewasser und Schweiß floß seinen Körper herab und tropfte auf den kargen Fels. Jedes Jahr um diese Zeit war er irgendwo anders und doch dachte er zumindest einmal am Tag an die selben Dinge. Einen bequem bemoosten Stein suchend, schlenderte der Templer über die Ebene über dem Pyramidental, fand einen und ließ sich entspannt darauf nieder. Das linke Knie aufgerichtet, das rechte Bein gestreckt, legte er Roter Wind vor sich auf die Schenkel und kramte in seinem Beutel nach einem Schleifstein. Während seine Hand über das rauhe, abgenutzte Leder glitt fragte er sich, warum ausgerechnet dieser ewige Begleiter von ihm niemals einen Namen bekommen hatte, wo er doch dazu tendierte, emotionale Bindungen zu allen Objekten einzugehen, mit denen er so viele Jahre verbrachte.
Mit einem raschen und dennoch präzisen Ruck ließ er den Stein über die Schneide gleiten und erfreute sich an den Funken, die durch die feuchte Luft sausten. Cor Angar hatte diese Klinge schon getragen als der Templer damals als junger Novize in die Bruderschaft gestürzt war. Und wie viele Freunde er damals gefunden hatte... Hundder, Malar, Gor Na Tim... um nur einige von ihnen zu nennen. Die ersten Jahre in der Kolonie waren ruhig. Er war unwichtig und zugleich unabhängig. Er sammelte die ersten Erfahrungen und machte sich mit dieser sonderbaren Welt vertraut, die sich so gänzlich von seiner Heimat unterschied. Die führende und strenge Hand seines Mentors begleitete ihn auf Schritt und Tritt, warf ihn in Gefahren und zerrte ihn so väterlich wie rabiat wieder aus ihnen heraus. Acht Mal fuhr der Schleifstein über jede Seite der Klinge, bevor er Roter Wind andächtig bei Seite legte.
Jan entfaltete ein Bündel, das er bei seinem Aufstieg mit sich geführt hatte und breitete den Inhalt vor sich aus. Zuerst griff er sich die Sumpfschneide und betrachtete lange ihre schillernde grüne Klinge. Diese Waffe markierte die zweite Phase seiner Zeit im Sumpf. Er hatte sich einen gewissen Ruf erarbeitet, war zum Aufseher der Novizen ernannt worden - kein besonders anspruchsvoller Posten, aber ein mit einem gewissen Prestige - und konnte seine Kenntnisse als Waffenschmied zum Einsatz bringen. Obwohl er viele Klingen in dieser Zeit fertigte, war ihm keine so wichtig geworden wie Sumpfschneide. Es war weniger eine besonders effektive Waffe als viel mehr ein Symbol für seine Hoch-Zeit in der Barriere. Wenn er ein Fazit seines bisherigen Lebens zog, so war dies die glücklichste Zeit. Die Bruderschaft blühte, die Barriere war zugleich Gefängnis und Hort des Schutzes. Er saß mit seinen Freunden am Feuer, rauchte Sumpfkraut, lauschte den Baals, trainierte unter Malar und Cor Angar... dann begann die Welt sich zu wandeln. Die von Blitzen durchzuckte magische Kuppel gab den Himmel hinter sich frei... und er war grau...
Druidenklinge, die er, obwohl er sie nur noch selten führte, über Kreuz mit Roter Wind auf dem Rücken trug, glitt aus der Scheide und nahm den Platz seines Bruders ein. Dieses Schwert war ein reines Zeichen der Macht, die er auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn einnahm. Malar war verschwunden und hinterließ eine blutende Wunde im Herzen der Bruderschaft, die Gor Na Jan Zeit seines Lebens so gut zu füllen versuchte wie es nur ging. Er war Zweihandmeister und Templerführer. Der militärische Führer einer der bedeutendsten Kriegerkasten von Khorinis. Und er blieb es von der Blütezeit bis zum Untergang. Er führte das Heer der Hüter im Kampf um die südlichen Regionen, er führte sie im Kampf der Lager, er zeigte Ihnen den Weg aus der Kolonie und er stand an ihrer Spitze, als ihr unausweichliches Ende besiegelt wurde.
Als nächstes betrachtete er Mjölnir. Obwohl diese Waffe beim Fall des ersten Lagers noch gar nicht existierte, wurde sie irgendwie zum Symbol des Untergangs für die Bruderschaft in den Augen des Templers. Mit diesem Hammer hatte er die Schlacht im Pyramidental bestritten und mit einem schwermütigen Blick zur Seite wurden die Bilder im Tal unter ihm lebendig. Es schmerzte noch immer, ganz gleich wie lange es her gewesen war. Auf der anderen Seite war ein Neuanfang gegeben. Er war ein Mitglied der Clans, ein freier Söldner, der im Zeichen seiner Ahnen kämpte und vielleicht war er genau das geworden. Wenn er nicht mehr Beschützer sein konnte, so wollte er wenigstens das Andenken jener erhalten, die er Beschützte.
Er legte alle Waffen bei Seite und zog zuletzt einen der Zeremoniendolche aus dem Gürtel. Er erinnerte sich noch daran, wie sie diese Souvenirs aus dem inneren der Pyramide geborgen hatten. Sie stammten aus einer vergangenen Generation der Bruderschaft und waren unweigerlich eben genau dies: Ein Erinnerungsstück. Zu diesem Zeitpunkt waren sie noch alle zusammen. Die letzten 12 Templer. Und nun war noch einer von Ihnen übrig.
Und dennoch schaute er den Wasserfall hinab und erblickte den trainierenden Tim Anderson und stellte mit einem Lächeln fest, dass er nach acht Jahren immer noch nicht ganz nutzlos geworden war. Sein Körper hatte an Narben dazu gewonnen und an Gebrechen des Alters nicht weniger. Seine Muskeln schwanden, seine Knochen wurden schwächer und dass er besonderen Wert darauf legte seine Haare regelmäßig zu scheren um nicht sehen zu müssen, was er längst erwartete war auch kein Zufall. Er war zwei ein Auslaufmodell doch steckte noch Saft in diesen alten Knochen und wenn sie nur dazu diente, seine Erfahrung an die nächste Generation weiterzugeben.
Der Templer erhob sich noch mit dem Dolch in der Hand und schritt an den Rand des Pyramidentals. Sorgfältig betrachtete er die Linien auf seinem linken Unterarm. Diese zeichneten ein abstraktes und nur für den Templer verständliches Bild seiner Laufbahn. Das Lager, die Orks, der Schläfer und weitere Symbole. Ebenso waren kleine Zeichen für alle wichtigen Personen seines Lebens eingraviert: Hundder, Malar, Champ, Taeris, Ryu, Kaligulas und viele mehr aber auch Figuren, die durch ihre kurzen Auftritte sein Leben beeinflussten: Frost, Don Esteban, Gorr, NaShir... Er konnte nicht mehr jedes Zeichen zuordnen. Mit einem Lächeln fügte er ein weiteres hinzu. Eine Mischung aus einem Zeichen für die Söldner und einem Zeichen für die Orks: Tim Anderson. Er leckte das Blut von der Wunde und ließ sie an der Luft heilen. Acht Jahre... vielleicht war es langsam Zeit für die Rente.
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So schön war der Abend, entbehrte die Gemütlichkeit der Scheune mit einem Bett aus Heu, das an Wärme und Bequemlichkeit dem des Bauern in nichts nachstehen musste und dabei einen gewaltigen Charme versprühte. Ein Seufzen verließ die Kehle des Novizen, dessen Körper sich resignierend schlaff in das trockene Gras sinken ließ und sich fragte, wieso sie nun fragte und fragte sich auch, warum es so sein sollte. Nur weil es ein paar alte Männer wollten, um einen Zustand wieder herzustellen, den es angeblich einmal gegeben hätte, der aber einen besseren Platz in einer vergessenen Vergangenheit hatte.
„Jetzt noch? Ist doch schon spät Sternchen.“, hatte er sich rausgeredet und die Widerworte in einem Kuss erstickt, bis sich keines von ihnen mehr regte und von der Magierin wichen wie böse Geister, die man ausgetrieben hatte. In ihren Armen beruhigte sich das kleine Herz und ließ auch den Atem wieder langsam gehen, der zu einem unsteten, zittrigen Schnaufen verkommen war, das sich kaum hören lassen wollte, aber doch die Angst vor der Magie ausdrückte. Saleph war froh gewesen, dass Melaine nicht darauf bestanden hatte, auf seine Wünsche einging und einfach nur bei ihm lag, bis sich grüne und blaue Augen hinter Lidern verbargen, die sie auf sanfte Träume vorbereiteten.
Wie Puder legte sich der Staub des Weges auf die ledernen Schuhe, die einen Schritt nach dem andern taten, während der Verstand gerade aus der Erinnerung an den gestrigen Abend ins hier und jetzt zurückkehrte. Aus dem Winkel blickten die eisblauen Augen zu der Rothaarigen, die ohne es zu merken den Anblick der Landschaft genoss, die sich zu ihrer rechten erstreckte. Ein weites, verwahrlostes Feld erstreckte sich weit bis zu einem Hügel, auf dem ein abgebranntes und verkohltes Haus stand, als wäre es die Ruine einer altehrwürdigen Burg. Spuren, wie sie eindeutiger nicht sein konnten, zeichneten diese Landschaft und hielt das Tor zur Vergangenheit einen Spalt weit offen, dass man sich vorstellen konnte, wie hier einst gelebt wurde, bis das Leben flüchtete und der Tod ihm nacheilte unter der Fuchtel der Grünfelle. Eigentlich hätte es sich nicht derart schön zeigen dürfen in den Augen des Gärtners, aber lag ein Frieden über diesem Landstrich, der gekonnt von den glitzernden Strahlen der Sonne und dem Gesang der Vögel untermalt wurde, dass auch das ehemalige Bild der Zerstörung zur Idylle wurde.
Zur linken hingegen wurde die Szenerie von einem Wald umrahmt, der gemeinsam mit dem Feld die Bahn des Weges formte und während das bäuerliche Land seinen Zauber verströmte, wartete der Wald auf mit dem Unbekannten. Im Gegensatz zu dem Wald, den sie vor wenigen Tagen durchquert und in der Dunkelheit der Nacht vom eigenen Instinkt die düstersten Streiche gespielt bekommen hatten, lud dieser hier mit seinem lichtdurchfluteten Wesen zu einem kleinen Abstecher vom Wegesrand ein. Vermutlich war es jene trügerische Schönheit, die die unvorsichtigen Wanderer in die Arme eines Schattenläufers trieb und unter Sonnenschein und Vogelliedern ihr trauriges Ende fanden.
„Duhu?“, fragte der Gärtner und versuchte behutsam die grünen Augen von der Landschaft zu sich zu lenken, ihre Aufmerksamkeit zu erhalten und sie auf die letzte Nacht anzusprechen. „Bist du mir böse, weil ich es gestern nicht mehr mit der Magie versuchen wollte?“ Ein sachtes Lächeln huschte über die Lippen der Zauberin, die den Kopf schüttelte, dass die roten Locken nicht nur im Takt der Schritte wogten, sondern auch so dem zweifelnd dreinschauenden Novizen die Sorge nahmen. Auch in des Gärtners Miene formte sich ein Lächeln, ließ sich die gekräuselte Stirn glätten und zog lieber die Wangen in die Höh, dass sich nebst der Augen die kleinen Lachfältchen zeigten.
Ein plötzliches Grunzen brach die Blicke, als eine kleine Sau aus einem Gebüsch, unweit der beiden Wanderer in den Wald türmte und dabei quiekte wie am Spieß, als wollte es ihnen mit Absicht einen Schrecken einjagen. So schnell wie der Spuk begonnen hatte, hörte er auch wieder auf und ließ das Ferkelchen zwischen den Bäumen im Unterholz verschwinden. Einen Moment blickten sich die Wassermagierin und ihr Novize fragend an, ehe Saleph die Stimme hob. „Komische Sachen passieren manchmal...“ Doch bevor der Satz zur Gänze gesprochen war, flitzte der Grunzer erneut zurück in das Gebüsch, aus dem er zuerst gesprungen war. Ein Grummeln meldete sich aus der Magengegend der Blauäugigen, der etwas beschämt schaute und sich schnell die Hand davorhielt, als könnte sie das peinliche Geräusch dämpfen. Schon eine ganze Weile hatte es nichts mehr zu essen gegeben und so rannte das Ferkelchen in den Augen des Gärtners mehr in Form eines deftigen Bratens durch die Weltgeschichte. „Meinst du... wir können es fangen?“, fragte er mit einem Grinsen und hoffte, dass Melaine das Tierchen nicht dermaßen süß finden würde, um es lieber als Haustier zu behalten, denn ließ sich mit Liebe allein der Magen nicht füllen.
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Golden lag das Licht der abendlichen Sonne über dem zerstörten Land, das seinen eigenen Frieden für sich zurückgewonnen hatte und nun keine Kriegstrommeln und kaum noch Menschen zu fürchten hatte.
Die Wälder blühten, wie sie seit eh und je geblüht hatte, und die letzten Hütten der Menschen, die verlassen an der ein oder anderen Stelle standen, wurden vom wilden Wein zurückerobert, der fließend über sie herfiel und im Wind mit den Blättern rauschte, als feierte er seinen Triumph.
Mit abwesenden Blick glitten die Augen der Zauberin über die Ferne und über das, was jenseits jener Ferne verborgen lag, suchend nach dem Bekannten und den ersten zarten Fühlern eines wahrhaftigen Friedens, der auch der letzten Mahnmalen der Zerstörung entbehrte.
Sie gedachte dem Morgen, an dem sie in der Früh, als die Sonne ihr erstes Licht über die gedeckten Felder des Bauern geschickt hatte, auf leisen Sohlen aus der Scheune geschlichen waren, in Gedanken alle möglichen Szenarien hatten vorbeirauschen lassen, wie der Bauer mit Zorn gegerbtem Gesicht aus dem Haus gestürmt kam und mit der Mistgabel wild fuchteln seinen Augen die Mordlust befohlen hätte, die blitzend über die Köpfe des Paares hinweg gezuckt wäre, bis er den Spieß in wehrlosen Leiber hätte versenken können.
Die Wassermagierin zuckte zusammen, als das Quieken des Ferkels sie an die Frage ihres Novizen erinnert hatte. Bedächtig hob sie den Kopf und suchte in den Büschen nach den Bewegungen des kleinen Schweinchens, dass geschwind durch das Unterholz sauste und versuchte allen Blicken zu entkommen.
„Fangen können wir es bestimmt!“, murmelte die Rothaarige mit einem breiten Grinsen, „Am besten wäre es, wenn es jemand aus dem Gebüsch scheuchen würde.“, fügte sie mit einem breiteren Grinsen in Saleph Richtung hinzu und wartete geduldig, bis er einsah, dass Melaine es nicht sein würde, die dem Schweinchen nachrannte.
„Uff…“, seufzte der Novize des Wassers und entlockte der Zauberin so ein freudiges Lachen, während sie sich ein Stück weiter von den Büschen entfernte.
„Ich versuche es zu fangen“, versicherte die Rothaarige und hielt die grünen Augen gespannt auf die Wand aus Pflanzen gerichtet, dass aus ihr ein kleiner rosa Punkt laut quiekend hervorbrechen würde. Ruhig sah sie dem Gärtner zu, wie er sich leise dem Waldrand näherte und vorsichtig die Äste zur Seite schiebend durch die Wand schritt.
Stille kehrte ein, als das Rascheln des Mannes verstummt war und auch die Vögel für einen kurzen Augenblick schwiegen, als hielten sie den Atem an, um zu sehen, was passieren würde. Konzertiert ließ die Magierin ihre Augen über Blätter wandern und gab sich vorsichtig der Magie hin, die einem dünnen Rinnsal gleich in ihren Körper floss und alle Adern mit ihrer Süße erfüllte, dass ihr ein wohliger Schauer über den Rücken gerannt wäre, hätte sie jenen nicht widerwillig unterdrückt.
Und gerade, als der Blick Melaines unscharf zu werden drohte, als die Augen sich nur einen kurzen Moment entspannen wollten und die Lider bereits zitternd sich jenem Drang zu beugen begannen, brach das Geäst mit einem solchen Donnern, dass die Rothaarige einen spitzen Schrei ausstoßend zusammenzuckte und beinahe die Magie verloren hätte.
Das kleine rosa Ding, was dort hervor geprescht kam, blieb irritiert stehen und musterte die Magierin aus kleinen Knopfaugen, die ängstlich zu ihr hinaufblickten.
Das Herz der Zauberin schien unter dem Blick zu schmelzen, wie das Schweinchen so dastand und beinahe flehend zu ihr heraufschaute, als wollte es um Gnade betteln.
Doch dann wandte es sich grunzend ab, wackelte mit dem Schwanz und sauste in eine andere Richtung.
Krachend brach die Mauer aus Erde in sich zusammen, als der Schädel des Ferkels unbeholfen gegen sie traf. Benommen taumelte das kleine Tier zurück und fiel schläfrig in die sanften Fäden der Magie, welche die Zauberin um den Leib des Tieres schlang. „Saleph! Ich hab es!“, rief sie freudig und trat geschwind näher an das Schweinchen heran. Schmatzend lag das Tier auf dem Boden und grunzte leise in seinem ungewollten Schlaf. „Schau mal, wie süß.“, sprach sie leise, als wollte sie das Tier nicht wecken und umgriff es vorsichtig mit den Armen. „Willst du das wirklich essen?“, fragte Melaine und hielt das Tier unter den Vorderpfoten so, dass die Schnauze sich direkt dem Gesicht des Blauäugigen entgegen streckte. Ein mitleidiger Ausdruck legte sich über ihre Züge und wurde doch von dem Aufblitzen eines Grinsens gebrochen.
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Knisternd brach das Holz, das sich der heißen Hand des Feuers ergab und in ihm verging, bis es selbst die rote Farbe annahm und glühend die Wärme spendete, nach denen sich die beiden Wanderer in der Nacht sehnten. Ein gutes Stück des Weges hatten sie zurückgelegt, seit der Begegnung mit dem Schweinchen und hatten sogar einige alte Wegweiser gefunden, die eine ungemeine Hilfe gewesen waren. Nun, da die Nacht die Dämmerung bezwang und das letzte Licht des Tages hinter den Horizont verbannte, schien nur das Feuer mit seinem orangen Schein in dem kleinen Wäldchen, unweit des Weges. In der Nähe plätscherte ein Bächlein, fast ein Rinnsal, nicht mehr, das aber durch das Wasser aus den Bergen gespeist wurde und der Nebenarm eines anderen Flusses zu sein schien.
„Jetzt schau doch nicht so.“, sprach der Gärtner und warf den abgenagten Knochen hinter sich in die Büsche. „Dir hats doch auch geschmeckt und in der Wildnis wäre es bestimmt auch ohne unser Zutun gestorben. Und so hat es uns noch den Dienst erwiesen, dass wir genug Kraft für den Rest der Reise haben.“ Auch der herzerweichende Blick des Ferkelchens hatte sich nicht gegen den Hunger des Novizen durchsetzen können und auch Melaine war nicht wirklich traurig oder sauer, aber schien nichtsdestotrotz ein wenig mit ihrem Gewissen zu ringen. Ein wenig näher rückte er an seine Liebste heran, dass sie Schulter und Schulter am Feuer saßen, umfing sie in der Umarmung und schaute ihr liebevoll in die grünen Augen, dass sich ein kleines Lächeln auf ihre Lippen stahl.
Wie verloren blickten die beiden in das flackernde Feuer, ließen sich von seinem Tanz umgarnen und einlullen und das Quieken aus den Erinnerungen verschwinden, die sich nun höchstens noch als Völlegefühl im Magen breitmachten. In der Ferne schallten die Rufe einer Eule und klang dabei so nah, als könnte sie jeden Augenblick aus dem Gebüsch treten und zu einem wilden Ritt durch die Nacht einladen. Was für ein dämlicher Gedanke..., ging es Saleph durch den Kopf, als er feststellte, wie sehr doch die Flammen den Geist abschweifen lassen und ihm die merkwürdigsten Fantasien eintrichtern konnten. Irgendwie verstand er es, weswegen Melaine so gerne hineinblickte und oft hatte er sie in ihrer Kammer vorgefunden, wie sie in die Kerze schaute, wenn das vor ihr liegende Buch kein Interesse mehr wecken und die Konzentration nicht mehr bei seinen Lettern halten konnte.
„Weißt du...“, hob er an und kniff kurz die blauen Augen zusammen, die bei dem langen und verträumten Anblick ganz trocken geworden waren und nun leicht tränten. „Damals in Khorinis war alles ganz schön turbulent, besonders als die Orks dann die Stadt eingenommen hatten. An viel erinnere ich mich nicht, denn die letzten vier Jahre oder so war ich mehr tot als lebendig. Eine Existenz, die keine war. Am Abgrund und ohne Freude am Leben. Ich wachte auf, lag da, hob die Hand und schlief abends wieder ein, wenn niemand ein paar Münzen hat fallen lassen. Ansonsten wurde damit irgendwas zu essen gekauft, Hauptsache es war billig. Wirklich schwer wurde es dann, als die Stadt halt gefallen ist...“
Einen Moment hielt der Gärtner mit dem ernsten Gesicht inne, ehe er den Kopf zu der Rothaarigen wandte und erneut das glückliche Lächeln zuließ, das nur sie auf seine Züge zaubern konnte. „Ich hätte damals nie gedacht, dass es einmal so werden würde, wie es jetzt ist. Und ich bin wirklich dankbar, dass ich dich hab. Leben macht wieder Spaß und hat auch endlich einen Sinn.“ Und so schloss der ehemalige Bettler und gab seiner Zauberin einen zärtlichen Kuss, der sich am liebsten über die Länge der Nacht gezogen hätte, um mit der Wärme des Feuers und den ersten aufgehenden Strahlen der Sonne zu konkurrieren.
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Melaine verdrängte, wann immer sie konnte, die schreckliche Vergangenheit. Nicht nur die ihre, sondern auch seine. Vielleicht aus Angewohnheit, da sie wusste, dass das Leben in ihr nicht sinnvoller war, als ihr Vergessen. Ja, jenes Vergessen sogar mehr Sinn machen konnte, wenn das Leid der Vergangenheit dasjenige der Gegenwart überwog.
Und jene Gegenwart hatte kein Leid mehr zu bieten, war frei von den Turbulenzen jener Zeiten, frei von den hämischen Gesichtern der Bessergestellten, die aus Mitleid, aus Gnade oder aus Amüsement hier und da eine Münze fallen ließen.
Die Gegenwart war schön, wie sie war und bedurfte keiner Besserung. Wenn Melaine einen Wunsch frei hätte, würde sie ihn opfern, um jeden einzelnen Augenblick mit dem Blauäugigen an ihrer Seite erhalten zu können. Das Wissen darum, dies alles nie wieder missen zu müssen, lockte ihr ein wohliges Kribbeln in den Bauch, dass die Wärme mit sich brachte, die die Nacht zu ersticken versuchte.
Mit einem sanften Lächeln begegnete die Zauberin dem Blick des Mannes, legte eine Hand an seine Wange und die ihren Lippen still auf die seinen, dass sie von jenen ergriffen und gehalten wurden. In tief empfundener Leidenschaft tanzten sie miteinander im hellen Schein des Mondes und demjenigen des Feuers, das doch schwach gegen die Flamme in ihnen war.
Und so hatte die Zauberin beinahe der Vergangenheit verziehen, dass sie war, sie sie gewesen war, weil die Gegenwart all jene Übel wieder aufzuwiegen schien und endlich die Waage erkannt hatte, dass sie viel zu lange das Gleichgewicht vernachlässigt hatte. Und vielleicht würde es reichen, bis ans Ende ihres Lebens.
Die Rothaarige öffnete die grünen Augen als die Bewegungen des Mannes langsamer wurden. Die Blicke begegneten einander und ein zufriedenes Lächeln legte sich auf die Lippen der Zauberin, während das Grün erneut drohte im Blau zu versinken.
Melaine legte ihren Kopf auf seine Schulter und starrte erneut in die Flammen, die mit der Dunkelheit tanzten und doch von jener nicht verschiedener hätten sein können. Sie begegneten sich im Hass und verstanden es doch zusammen eine ewige Ruhe auszustrahlen, als wäre dies ein Zeichen für den ewigen Frieden, wenn der Zwist zwischen Innos und Beliar ruhen muss.
„Alles ist im Gleichgewicht, Saleph!“, murmelte die Zauberin leise, „Wenn es nicht so wäre, wäre diese Welt schon einem der Brüder Adanos zum Opfer gefallen. Manchmal mag er uns prüfen und wir mögen glauben, dass er uns verlassen hat, doch es kommt immer wieder der Tag, da wir ihm für seine Güte danken.
Für mich ist es jeder Tag, den ich neben dir erwachen darf, jeder Abend, an dem ich neben dir meine Augen schließe. Und so hoffe ich, dass Adanos dies nicht bloß als Ausgleich hält, sondern für eine kleine Ewigkeit, die unsere Zeit hier in seiner Sphäre gegenüber ihrem Leben ist.“
Erneut wandte sie ihren Blick zu Saleph, „Das Schweinchen war eine gute Idee. Es hat wirklich köstlich geschmeckt, auch wenn mir sein süßer Blick nicht aus dem Kopf gehen will.“, flüsterte sie von einem wehmütigen Grinsen begleitet, „nur deiner mag jenen noch zu übertreffen.“, hauchte Melaine, als ihre Körper gleichzeitig gen Boden sanken und Saleph seinen Arm um ihren Bauch schlang. „Schlaf gut, Sternchen!“, hauchte ihr Novize der Wassermagierin ins Ohr und strich liebevoll mit seinen Lippen über ihren Hals. „Schlaf gut, mein Herz!“, erwiderte sie und umfing seinen schützenden Arm, während seine Wärme sie ruhig in den Schlaf hinübergleiten ließ.
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„Was meinst du, wie lange stehn die hier schon?“ Das eine geöffnete Auge, über dem sich die Braue hochzog und die Stirn einseitig in Falten legte, suchte und fand die Wassermagierin, die mit der Hand über den rauen Stein fuhr. Eigentlich interessierte es Saleph nur mäßig, wie lange diese Pyramiden hier schon standen, solange sie ihm einen Schatten spendeten, in dem er sich von der Wanderung ausruhen konnte. Er bewunderte Melaines Ausdauer und obwohl er sie für einen Bücherwurm gehalten hatte, war sie doch fitter auf den Beinen, als es ihr sein Stolz zugestehen wollte. „Ich weiß nicht. Schon sehr lange, so wie sie aussehen.“, antwortete die Zauberin und strich weiter in Gedanken verloren über die Außenwand des Monuments, das ein wenig an den Tempel in Al Shedim erinnern mochte.
„Ach was...“ Mit einem spöttischen Grinsen blickte der Gärtner zu der Rothaarigen auf, schirmte mit der Hand die Augen gegen das Licht und bekam einen leichten Tritt als Antwort, der ein leises Kichern folgte. Wieder lehnte er sich gegen die schräge Wand, während das Grinsen zu einem Lächeln abflaute und sich die Lider über die blauen Augen legte. Ein kurzer Windzug umspielte die braunen Haare, ließ die Strähnen über der Stirn sanft wogen und fühlte sich an wie ein Streicheln, das eine Mutter ihrem Jungen zum Einschlafen gab. Die Ruhe und der Frieden waren jedoch nicht von langer Dauer und endeten abrupt, als sich Melaine mit Schwung auf dem Schoß ihres Novizen niederließ, dem es vor Schreck die Luft aus den Lungen presste.
„Hallo...“, entgegnete der dem Grinsen und wusste wohl, dass die Retourkutsche verdient gewesen war. Mit den Armen umfing er die Hüfte der Magierin, rollte sich mit ihr auf die Seite, dass ihr ein kurzer Schrei entfuhr und landete mit ihr gemeinsam im weichen Sand neben dem altehrwürdigen Bau. Vergnügt lagen sie da, wie zwei auf dem Rücken liegende Käfer, die sich an der Situation nicht stören wollten. Im Gegenteil. Schnell fanden die Lippen zueinander und verschmolzen in einem Kuss, der das Gefühl vermitteln konnte, die Sonne hätte den Schatten der Pyramide überwunden und sich in die Brust des ehemaligen Wasserträgers verkrochen. Er liebte es, wie sie in den rechten Moment ernst, verspielt oder etwas anderes sein konnte, als hätte sie einen Farbkasten aus Gefühlen, aus dem sie ihm jedes Mal die richtige gab, damit sie zusammen ein wunderschönes Bild malen konnten.
„Wolln wir weiter?“ Nickend und stumm kam die Antwort des Blauäugigen, der sich gleich darauf aufrappelte, um Melaine auf die Beine zu helfen. Die Pause war schön gewesen, die Erholung nötig und verdient, aber hatte sie recht daran getan, ihn zum Weitergehen aufzufordern. Derart besonders, dass man die Nacht bei ihnen verbringen müsste, waren die Pyramiden auch wieder nicht und trotzdem war es nett gewesen, sie einmal gesehen zu haben. Noch nie war Saleph so weit ins Inselinnere vorgedrungen, jedenfalls nicht, dass er sich erinnern konnte und war damals die meiste Zeit nur in der Stadt gewesen. Eine Untertreibung, denn eigentlich war er seine gesamte Zeit auf Khorinis in der gleichnamigen Stadt gewesen, denn wo hätte er auch schon hingehen sollen?
Im steten Takt wackelte das Säckchen mit ihren Reiseutensilien auf dem Rücken des Novizen, der in der einen Hand die Schnur des Beutels hielt, um ihn vor hinabgleiten zu bewahren und in der anderen die zarte Hand der Rothaarigen barg. Bald ließen sie die uralten Gebäude hinter sich, folgten weiter dem Weg, dessen heruntergekommene Beschilderung kaum eine Hilfe war und erreichten ein Gebiet, in dem die Berge höher zu werden schienen. Gute Anhaltspunkte für die Karte boten die Hünen der Insel, die sie mit strengem Blick von oben herab zu bewachen schienen und dennoch kaum mit den Gebirgen in Nordmar konkurrieren konnten. „Schön hier, oder?“, fragte Saleph, dem ein warmes Gefühl der Vertrautheit in der Brust aufging beim Anblick der Landschaft, die vom Licht der Abendsonne in ein angenehmes Orange getaucht wurde, das sich später noch zu einem tiefen Rosa wandeln wollte. Plötzlich blieben sie stehen, da kaum der Satz gesprochen war und sich um die Biegung des Weges das Wrack eines Karren entdecken ließ und die Neugier der Wanderer weckte.
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Ein letzter Blick huschte über die alte Pyramide, glitt an ihr herab und fand letzte Reste verbrannter Stege und Hütten, die wie Fehler im Gemälde aus dem grünen Gras hervorstachen und den Blick des Wanderers für einen weiteren Augenblick zu fesseln wussten.
Melaine schloss die Augen und sah die Hütten aus der sich bildenden Schwärze wiederauferstehen. Ein schummriges Licht lag über ihnen, feiner Nebel waberte durch die Gassen des Sumpflagers, der nach verbranntem Sumpfkraut und übermäßiger Feuchtigkeit stank.
Stimmen hallten in der Ferne, ein Novize ganz in ihrer Nähe nahm einen weiteren tiefen zog und lächelte nur blöd, als sie seinen fragenden Augen mit finsterem Blick begegnete und nur verächtlich mit den Kopf zu schütteln wusste.
Er zuckte mit den Schultern und verschwand im Nebel, aus dem sich die Taverne schälte. Und mit ihr eine dunkelhäutige Frau, welche die Rothaarige erst auf den zweiten Blick als Jail identifizieren konnte.
Eine verwirrende Zeit, in der sie Jail um etwas gebeten hatte, was sie niemals von der anderen Frau hätte verlangen sollen. Sie wusste selbst nicht einmal mehr, warum sie es getan hatte, warum sie überhaupt so viel Kraft darauf verwendet hatte.
Kopfschüttelnd vertrieb sie die Vergangenheit und begegnete dem geliebten, fragenden Blick ihres Novizen mit einem geheimnisvollen Lächeln. „Hier war einst das Sumpflager. Jenes Lager von Menschen, die den ganzen Tag nur geraucht haben und in ihrem Wahn den Schläfer zu ihrem Gott berufen haben.
Aber ich weiß nicht, wer der Schläfer ist, doch viel schien er nichts zu taugen, wenn er mit dem Untergang des Sumpflagers vergessen worden ist.“, fügte sie mit abwinkender Geste hinzu und ließ sich von der Wärme seiner Hände einnehmen, die mit sanfter Gewalt die Magierin mit sich fort zogen und so den Vorhang jenes Kapitels schlossen.
„Ein wunderbares Bild, dass man sich wünscht, es festhalten zu können, um nie wieder zu vergessen, wie es hier war. Und so still und der Natur überlassen wirkt Khorinis viel schöner, als ich es in Erinnerung hatte.
Diese Insel war einst so voll gewesen. An jeder Ecke trieb sich ein Bandit herum und kaum schaffte man es einen Schritt alleine zu setzen, da hatte man direkt ungewollt Gesellschaft. Und waren es nicht die Menschen, waren es dir Tiere, die damals noch viel aggressiver waren. Glaubst du, die Abwesenheit der Menschen hat auch ihnen eine innere Ruhe zurückgegeben?“, fragte die Wassermagierin und musste noch eher Grinsen, ehe sie ein zögerliches Lächeln auf dem Gesicht Salephs wahrnehmen konnte.
„Ach, lass uns schauen, was in dem Karren ist!“, sprach Melaine ein wenig verlegen und senkte den Blick kurz, ehe sie an der Hand des Novizen ziehend auf den Wagen zustrebte.
Eine dreckige Plane, die wohl einst mal weiß gewesen sein musste, verdeckte den Inhalt des Karrens. Wasser hatte sich in kleinen Kuhlen der Plane gesammelt.
Die Form, die sich zwischen den kleinen Pfützen und Tümpeln gebildet hatte, gab nicht preis, was sie darstellte. Die Pferdestange war gebrochen und das abgebrochene Ende schien zu fehlen. Eine Seite des Wagens wies ein großes Loch auf, als hätte jemand mit der Axt versucht, den Karren zu zerschlagen.
„Sieht nach einem Überfall aus!“, sprach die Wassermagierin das offensichtliche aus und nahm ein wenig der Magie in sich auf. Als dünne Schlangen hoben sich die Wasserpfützen von der Plane des Wagens, schlängelten sich geschwind durch die Luft und verschwanden im Wald, bis auf einen letzten Faden, der eilig durch die Luft schoss und sich wie ein Kragen des Hemdes um den Hals des Gärtners legte und sanft am Ohr des Novizen kraulte.
Die Rothaarige kicherte verspielt und ließ das Wasser um den Kopf des Mannes tanzen, als ein plötzliches Knacken sie aufschrecken ließ.
Doch ehe sie sich umwenden konnte, um zu sehen, was es gewesen war, drang ein empörter Schrei aus dem Mund ihres Liebsten.
„Oh…“, machte die Zauberin und trat mit entschuldigendem Blick näher an Saleph heran, während ihre Hände ihr vorauseilend sich zärtlich um seinen Hals wanden. „Tut mir Leid, das wollte ich nicht.“, murmelte die Grünäugige leise und strich mit liebevollen Handbewegungen über die Nassen stellen. Das Wasser folgte ihr und entschwand alsbald im Boden.
Mit gemeinsamer Anstrengung zogen sie die Plane von dem Wagen und blickte auf die jämmerlichen Überreste des einstigen Händlergutes. Zwischen verfaulten Äpfeln und Birnen lagen allerlei Messer, ein schwerer Hammer, zwei rostige Schwerter, eine kleine Sichel und eine große Sense mit schwarzem Griff, deren Klinge rostige Flecken aufwies.
Erschrocken fuhr die Zauberin zusammen und blickte einen Augenblick entsetzt auf die Sense. Hatten die Flecken die gleiche Form? War die Klinge gleich gebogen? War da ein Gackern?
Geschwind fuhr sie herum und erneut, als sie feststellte, dass dort nichts war, nur Wald, nur Bäume, nur Büsche, die doch so vieles verbergen konnte.
Mit angespannter Mund blickte sie einen weiteren Augenblick auf die Sense und schüttelte dann den Kopf. „Alles nutzloses Zeug.“, murrte Melaine und trat näher an Saleph heran, „Oder was meinst du? Können wir davon etwas gebrauchen?“
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Mit leicht verzogenem Gesicht betrachtete der Gärtner den Fund, ließ sich vom fauligen Geruch des Obstes die Nase kräuseln und zog fragend die Augenbrauen in die Höhe. Was von diesem Plunder sollte man gebrauchen? Ein vernünftiges Messer hatten sie schon in Khorinis gekauft und der Rest, der dort lag, war eigentlich kaum noch etwas wert, als dass es sich gelohnt hätte, das Zeug zurück zur Stadt zu bringen und zu verhökern. Vermutlich hatte Melaine recht und es war tatsächlich ein Überfall gewesen, bei dem die Räuber die selben Gedanken gehabt haben mussten und das Wertlose an Ort und Stelle hatten vergammeln lassen.
Bedächtig hob der Blauäugige eines der rottenden Schwerter an, unter dem sogleich ein Käfer hervorkrabbelte und sich die nächste Deckung suchte, als könnte ihn der erste Sonnenstrahl zu Stein verwandeln. Ruhig schüttelte Saleph den Kopf und ließ die einst tödliche Waffe klappernd zurück in den Holzkarren fallen. „Ich glaub nicht, dass sich irgendetwas davon als nützlich erweisen würde. Ein Messer haben wir ja schon und das meiste hier ist ohnehin so gut wie verrottet. Kein Wunder, dass es liegen gelassen wurde...“, sprach er und legte den Arm um die Schultern seiner Liebsten, die er an sich drückte und mit der anderen Hand die Plane wieder über den Wagen legte. „Warte mal.“ So schnell er sie an sich genommen hatte, so schnell ließ er auch wieder ab von ihr, da ihm eine Idee gekommen war, wie man doch noch einen Nutzen aus dem Plunder schlagen konnte und war es nicht einmal selbiger, der seine Neugier geweckt hatte.
Mit eifrigen Händen zog der Novize die Plane von dem Karren, rollte den schweren Stoff zusammen und schwang ihn sich über die Schulter. „Das lässt sich bestimmt noch als Zelt missbrauchen!“, grinste er stolz, ob des Einfalls, der die Ermangelung einer festen Unterkunft am Abend wettmachen würde. Anerkennend klopfte Melaine ihrem Wasserträger auf die Schulter, hakte sich bei ihm ein und setzte den Weg fort, der sich wie ein Fluss durch die Landschaft schlängelte.
Mittlerweile, obwohl es den Tag über schön gewesen und zum Wandern beinahe zu schön gewesen war, türmten sich dunkle Wolken über den Bergspitzen auf, als würden sie von jenen gestochen und in ihrer Wut bestärkt, Zerstörung über das Land zu bringen. Als erster Vorbote kam der Wind und pfiff durch die Schlucht, dass es ein unheimliches Jaulen an den Wänden als Echo zurückwarf und dabei noch um einiges schauriger wurde. „Wir müssen schneller werden.“, mahnte die Zauberin, denn wollten weder sie noch Saleph in der Schlucht die Schritte zählen, wenn die Felswände das Wasser hineinleiteten wie in ein riesiges Auffangbecken. Zahlreiche Auswaschungen an den Hängen zeugten davon, dass es nicht unregelmäßig geschah und obschon Vegetation und die Beschaffenheit des Weges vernünftig aussahen, wollte man es nicht auf den Versuch ankommen lassen. „Das sagt sich so einfach. Die Plane ist auf die Dauer doch ganz schön schwer.“ Erst bei der Wiederholung des Satzes hatte Melaine ihn gehört, da die Worte zuerst von stärker werdenden Wind gefressen wurden.
Schnell reagierte die Magierin mit den wehenden roten Haaren und packte mit an, um die Last auf den Schultern ihres Novizen zu mildern. Eiliger konnten dann die Schritte werden, wurden es auch und folgten weiterhin dem unsteten Weg. Seine Bahnen mit denen eines Flusses zu vergleichen bereitete mit einem Male ein ungutes Gefühl in der Magengegend. Die Schweißperlen liefen zwischen den Augen über die Nase, verloren den Halt an der Spitze und mischten sich unter die ersten Regentropfen, die sich gleichsam dem freien Fall ergaben. „Schau mal!“, rief der Gärtner und deutete auf einen Vorsprung im Fells. Nicht aber der Vorsprung war das eigentlich Besondere daran, sondern das dunkle, weit aufgesperrte Maul einer Höhle, deren Eingang nicht sonderlich groß, zum aufrechten Durchgehen aber ausreichend war.
„Meinst du hier wohnt etwas drin?“ Die Frage des Novizen ließ die Zauberin die linke Braue hochziehen, während er die Plane gegen die Höhlenwand legte. Abwegig war der Gedanke ja nicht, wenn auch gleichsam mit ungesunden Vorstellungen verbunden. Im vorderen Teil, gleich beim Eingang wo das Wasser nun in Strömen herabzuprasseln schien, hatten sie sich niedergelassen und gegen eine Wand gekauert und schützend legte Saleph den Arm um die Schultern der Rothaarigen, dass ihr die Wärme weniger schnell abhanden kam. „Naja, wenn wir die Plane jetzt nicht als Zelt benutzen, können wir sie zur Not ja auch abfackeln und als kleines Feuer missbrauchen. Draußen wird’s bestimmt kein Feuerholz geben, jedenfalls keins mehr, dass noch trocken wäre. Und jetzt schau nicht so, hier wohnt bestimmt nichts und niemand drin. Ist doch sowieso eine gottverlassene Gegend hier, aber wir können uns die Höhle nachher ja ein wenig genauer ansehen, wenn du magst. Einverstanden?“, schloss er und gab Melaine einen sanften Kuss auf die Stirn.
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Die vereinzelten Tropfen aus den dunklen Wolken wurden nur allzu schnell von ihren Wächtern umrundet und alsbald raste eine ganze Armee aus Regentropfen donnernd zu Boden, schlugen kleinen Meteoriten gleich in jenen ein und verwandelten den sandigen Pfad in ein Monstrum aus Schlamm, Kälte und der Vernichtung des Wunsches, trocken an einen sicheren Ort zu gelangen.
Kauernd lehnte sich die Zauberin an ihren Novizen und schloss, während die Kälte des Wassers langsam durch ihre Kleidung hindurch sickerte, die Augen. Der Regen glich einem gleichmäßigen Rauschen, der nichts von sich zu berichten wussten, nichts zu sagen hatte, bis auf den einen Gruß, den sie von ihm bereits erhalten hatten.
Das Rauschen vom Regen erzeugt jedoch, wiegte die des Wanderns müde Wassermagierin langsam in den Schlaf, lies die Schwärze zu einem undurchdringlichen etwas wachsen und die Stimme des Mannes an ihrer Seite zu einem fernen Klingen, welches das Rauschen zu durchdringen vermochte, den Zauber jener Kraft jedoch nicht zu brechen.
Zärtlichen glitt etwas durch ihr Gesicht, strich die Haare zur Seite und berührte liebevoll ihre Stirn. Die Dunkelheit um das fremde Wesen herum, wusste sich dennoch nicht zu lichten und seine Gestalt preiszugeben. Erst als die Wärme weniger wurde und die Kälte des Wassers an Kraft gewann, der Wind aufheulte und ein Donnern die Wolken am Himmel erzittern ließ, schreckte die Rothaarige wieder aus ihrem Schlaf hoch.
Noch immer saß Saleph neben ihr, hielt ihre Schulter umschlungen und lächelte, als Melaine aus grünen Augen zu ihm aufblickte. „Mir ist kalt.“, beklagte sie sich schwach und senkte den Blick wieder, den Kopf auf seine Schulter bettend und hoffend, jene Kälte würde von alleine verschwinden.
Es dauerte nicht lange, da drang ein weiteres leises Seufzen aus ihrem Mund und ein winziger Strom der Magie sickerte in sie hinein. „Eindeutig zu kalt.“, murrte sie fester und musterte mit grauen Augen die Kleidung des Gärtners, ehe winzige Fäden aus ihren Fingern eilten und wie die Blitze am Himmel über die Wolken über die Kleidung des Blauäugigen tasteten und sorgsam jeden einzelnen Tropfen Wasser mit sich nahmen.
Nur einen Augenblick später war seine Kleidung wieder trocken und auch ihrer gelang es nun wieder, die Wärme des Körpers zu erwidern, anstatt ihr die Kälte entgegen zu setzen. „Wir sollten die Plane nicht verbrennen. Sie brennt viel zu schnell und warm wird uns davon höchstens ein paar Momente, bevor wir den qualmenden Überresten dabei zusehen können, wie sie sich hilflos in der Glut winden.“, verteidigte die Wassermagierin das gute Stück Stoff, dass sie einen solch langen Weg geschleppt hatten. Es war viel zu wertvoll geworden, dass man es einfach so vernichten sollte.
Eine kleine Lichtkugel in der Form eines aufgeregt flatternden Vogels entstand über dem roten Schopf der Magierin und eilte in die Dunkelheit hinein. „Das sagst du so einfach, dass hier nichts ist. Aber wer weiß, welches Tier sich ebenso gedacht hat, heute besser nicht nass zu werden.“, sprach Melaine langsam und legte überlegend einen Finger in die kleine Kuhle unter der Nase, „Andererseits liegt die Höhle für die meisten Tiere zu hoch…. Oder?“
Unsicher setzte sie einen Fuß fort und folgte dem kleinen Vogel der stumm an der Biegung zum Höhleninneren verharrte. „Lass uns gleich nachschauen!“, bat die Magierin bestimmt und fügte auf de nicht zu deutenden Blick des Gärtners hinzu, „Um so gemütlicher können wir es uns hier machen.“, ein kurzes Lächeln stahl sich auf ihre Lippen und verschwand alsbald wieder, während die Melaine ihren Kopf dem Vogel wieder zuwandte.
Mit pochendem Herzen näherte sie sich der Biegung, huschte geschwind zu Wand und duckte sich vorsichtig an dieser entlang, ganz langsam den Kopf nach vorne streckend, um zu sehen, was sich dahinter verbarg.
Der kleine Vogel flog tiefer in die Höhle hinein, blähte sich zu einer Kugel auf und wuchs solange, bis er jeden Winkel der angrenzenden Höhle erleuchten konnte.
Mit einem gewagten Sprung sprang die Grünäugige um die Ecke, landete wackelig auf ihren Beinen und stützte sich an dem ihr nacheilenden Saleph ab. „Sieht leer aus!“, murmelte Melaine verlegen und unterdrückte den Drang, sich am Kopf kratzen zu wollen. „Oh, schau mal da geht es weiter.“, fügte sie plötzlich hinzu und deutete mit der Hand auf ein weiteres schwarzes Loch, vor dem kleine weiße Stücke auf dem Boden lagen, die sich, als die beiden Diener des Wassergottes näher herantraten, zu Knochen verwandelten und wie ein Mahnmal ein Weitergehen verhindern wollten.
Sorgsam stieg die Zauberin über die Knochen hinweg und winkte Saleph zu, als sie merkte, dass jener vor den Knochen stehen geblieben war. „Komm schon, sonst werden wir nie erfahren, was das zu bedeuten hatte.“, sprach sie, als hätte irgendjemand danach gefragt…
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Da hatte sie recht. Wenn man nicht über die unheimlichen Knochen stieg und weiter in die düstere Grotte vordrang, würde man nie erfahren, warum davor Knochen lagen. Wie menschliche Knochen sahen sie zwar nicht aus und doch sprach die willkürliche Anordnung nicht für einen friedvollen Tod, der einem im Schlaf ereilte. „Ich weiß allerdings noch nicht soo genau, ob ich das wirklich will...“, entgegnete der Gießer unsicher und erhielt einen amüsierten Blick, der genau dorthin zielte, wo man einen Mann nun einmal treffen konnte. Rollend schoben sich die blauen Augen nach oben und wurden von einem Kopfschütteln begleitet, das den herausfordernden Blick aus falschem Stolz heraus gerne annahm. „Na meinetwegen, aber jammer nachher nicht, wenn da tatsächlich irgendwas drin ist.“ Das Grinsen erstarb zu einem sanften Lächeln und mit einem Nicken deutete er der Abenteuerlustigen vorzugehen, da die eigene Heldenhaftigkeit schon mit den letzten Worten zu Schall und Rauch geworden war.
Weiter drangen die beiden in das Innere der Höhle vor, wo es finsterer war, als die Nacht je sein konnte und auch die helle Lichtkugel hatte Mühe, jeden Winkel des Ganges auszuleuchten. Ein schwacher, modriger Luftzug begegnete den beiden Entdeckern, die sich im Schein des magischen Lichts mutig voranwagten und beinahe schneller gingen als gewöhnlich, von der Neugier angetrieben. Auch Saleph hatte seine Vorbehalte mittlerweile abgelegt, obschon das flaue Magengefühl Bestand haben wollte und ging in geduckter Haltung neben seiner Liebsten.
„Hörst du das?“, murmelte der Gärtner, als erst schwach, dann immer lauter ein Knurren an ihre Ohren drang und einen Schauer über die Rücken laufen ließ, dass die Schritte langsamer wurden. Skeptisch schaute er seine Liebste an, als wollte der Blick die unausgesprochene Frage stellen, ob man denn wirklich weitergehen sollte. Und Melaine antwortete mit einem zaghaften nicken und setzte als erste wieder einen Fuß vor den anderen, bis zu kurz hielt, um zu schauen ob Saleph ihr noch folgte. Der plötzliche Stopp der Wassermagierin brachte ihn ins Straucheln und fast wäre er in sie hinein gelaufen, doch anstatt einer Rüge erhielt er das beruhigte Lächeln mit den schimmernden grünen Augen, das er gerne erwiderte. „Lass uns noch ein paar Schritte gehen und dann umkehren, ja? Ist bestimmt eh nur ein Luftzug, weil so beständig kann kein Knurren gehn. Irgendwann muss auch mal das größte Vieh Luft holen.“
Wieder taten sie einige Schritte, zu viele um sie zu zählen, aber zu wenige, um das Ende des Ganges zu erreichen und erneut hielten die beiden inne. „Das ist Wasser!“ Das erkannte sie und brauchte dafür nicht einmal eine Wassermagierin zu sein, denn hatte sich das angebliche Knurren als Rauschen entpuppt, das bereits ganz nah sein musste. Melaine schickte die leuchtende Kugel voraus, die in einiger Entfernung die Kante entblöste. Mit flinken Füßen holten die Zauberin und ihr Novize den leuchtenden Ball ein und blieben nur einige Ellen breit an dem Abgrund stehen, der eigentlich kein Abgrund war, sondern nur durch die vorherrschende Dunkelheit für das Auge an Tiefe gewann. Vielleicht zwei Meter waren es, wenn man das Licht stärker auf den unterirdischen Fluss scheinen ließ, wo sich gerade das Regenwasser in einem reißenden Strom den Weg durch den Berg bahnte.
Ein breites Lächeln bildete sich auf den Lippen, als sie das unheimliche Spektakel betrachteten und dabei endlich das Ende der Höhle gefunden hatten. Für die ausgewölbte Kammer, durch die letztlich der Fluss wie ein Bindfaden unerklärlich in der einen Seite hinein und aus der anderen Seite durch den Fels hinausströmte, hatten die Diener Adanos nur wenig Aufmerksamkeit übrig. „Schön, oder?“, fragte der Blauäugige, als die Magie das rauschend, schimmernde Wasser funkeln ließ und Melaine zudem noch die Farben änderte. Der Weg hatte sich scheinbar gelohnt, auch wenn die Geräuschkulisse einiges zu übertönen wusste wie zum Beispiel das Tappsen. Gerade als der Gärtner seiner Liebsten über den Rücken streichelte und mit ihr den Augenblick genießen wollte, mischte sich ein tiefes Knurren in den Gesang des Stroms, dass sich die Augen vor Schreck weit auftaten und es sich nicht getrauten, sich umzudrehen...
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Rauschend wie der Regen zu ihrem Antritt in dieser Höhle rauschte der aus Regenwasser gespeiste Fluss durch die Dunkelheit der Höhle und schwängerte die Luft mit dem Duft der Feuchtigkeit und der Frische eines Regenschauers, der das Leid der Welt mit sich fortgespült hatte, dass es im Boden versickerte und nur die Freude ob der wiederkehrenden Sonne zurückließ.
Ein glückliches Lächeln legte sich auf das Gesicht der Zauberin, die mit ihrem Kopf an der Schulter des Blauäugigen auf den Strom blickte und hier und da vergebens versuchte ein Teil festzuhalten. „Wunderschön.“, pflichtete Melaine ihrem Novizen mit leisen, träumerischen Tonfall hinzu und musterte den Strom ein weiteres Mal von seinem Eingang zu seinem Ausgang, an dem sich im Licht weißer Schaum bildete, wo das Wasser sich zwischen den spitzen Pfählen, die aus der Decke gen Boden ragten, brach. „Wo er wohl hinführen mag?“, fragte die Zauberin verträumt.
Und plötzlich brach der Traum wie ein zu Boden gefallenes Glas in tausend Scherben, als das Knurren der Fremde die beiden Diener des Wassergottes, die soeben noch das Werk ihres Herrn bestaunt hatten, aus ihrer Zweisamkeit riss.
Mit entsetztem Blick harrten sie, der Gefahr den Rücken zugewandt und hoffend, dass es reichen würde, um sie abziehen zu lassen. Doch wie es mit Gefahren so war, ließen sich diese nicht ignorieren und besonders jene der Art, wie sie in dunklen Höhlen zu finden waren, hatten selten einen Sinn dafür, in ihrer gestörten Ruhe nach Ruhe zu suchen.
Das Brüllen zerriss die Dunkelheit und beinahe im gleichen Augenblick explodierte die Lichtkugel mit einer solchen Intensität, dass Melaine aus dem Augenwinkel noch erkennen konnte, wie Saleph erschrocken die Arme vor die Augen riss.
Auch sie verbarg ihr Gesicht, wissend darum, was geschehen war, und ließ die Arme behutsam senken, als ihr Zauber seine Wirkung entfaltet hatte. Unzählbar viele kleine Lichtkugel, kaum größer als eine Fingerkuppe, schwebte beständig die Farbe zwischen einem warmen Orange und einem stechenden Gelb wechselnd, durch den Raum, eine jede, als schien ihnen keine Bahn vorgegeben, als hätten sie alle einen eigenen Willen.
Das Knurren war zu einem leisen Jaulen verkommen und ließ die Wassermagierin hoffen, dass das Tier noch eine Weile geblendet sein würde.
Drängend zupfte sie am Ärmel des Gärtners. „Du kannst die Arme wieder runternehmen!“, sprach sie leise, bevor sie sich behutsam zu dem unbekannten Monstrum umwandte.
Der Blick der Zauberin wollte erstarren, wollte sich weigern, zu sehen, was dort vor ihnen stand und den Kopf unruhig hin und her schwenkte, als könnte er die vorrübergehende Blindheit wie ein kleines Insekt, dass sich auf seine Augen gesetzt hatte, mit nur beständigem Trotz abschütteln.
Der ausgewachsene Schattenläufer entließ ein weiteres, drohendes Knurren in die plötzlich sehr eng, sehr ungemütlich scheinende Höhle, schaffte es, sie gleichsam mit jenem zu füllen und die Wände unter ihm erzittern zu lassen.
„Scheiße…“, fluchte der Novize neben der Magierin, die ihm nur einen kurzen, ängstlichen Blick zuwarf. Dann huschten ihre Augen zu dem Schattenläufer zurück, folgten seinen Bewegungen und sahen mit Entsetzen zu, wie das Schütteln des Kopfes langsamer Wurde.
Die Blindheit verschwand und alsbald richtete das riesige Tier seinen Blick wieder auf die beiden Diener des Wassergottes, die gerade noch in seiner Güte geschwelgt hatten, nur um sich im nächsten Augenblick auf der anderen Seite, auf der prüfenden Seite wiederzufinden.
Ein weiteres Brüllen riss die Rothaarige zu der Gefahr zurück. Die Magie füllte beständig ihren Körper und stärkte die Aura der Wassermagierin.
Der Schattenläufer hingegen schien vollkommen unbeeindruckt davon zu sein. Waren dies doch keine magischen Wesen?
Noch ehe Melaine zu einer Antwort ansetzen konnte, sprang das Tier so urplötzlich nach vorne, dass die Magierin instinktiv die an der Seite herabhängende Hand nach vorne riss. Ein Strom aus Wasser folgte der Bewegung, riss sich aus dem unterirdischen Fluss und warf sich dem Schattenläufer entgegen, der geifernd gegen das Wasser anzukämpfen versuchte und doch noch aus der Luft herausgerissen zurückgeworfen wurde.
„Verdammt.“, murmelte Melaine erschrocken, als sie wie der Schattenläufer sich bereits wieder aufsetzte, sein Fell schüttelte und sich für einen weiteren Angriff bereit machen.
Sie hatte keine Zeit. … Keine Zeit.
Panisch blickte sie sich in der Höhle um. Trotzdem alles da war, was sie hätte nutzen können, wollte ihr keine Lösung einfallen. Oder doch?
„Wenn ich jetzt sage, läufst du zum Höhleneingang, ohne dich umzuwenden. Bis zu unserer Plane… Verstanden?“, fragte Melaine und mit einer Stimme, die wenig traumhaftes mehr an sich hatte. Gehetzt, verzweifelt und dennoch so fest, dass sich selbst Granit an ihr brechen würde, waren die gültigen Attribute, mit denen sie ihre Forderung stellte.
Sie gönnte sich nur einen kurzen Blick auf den Gärtner uns sah mit einer gewissen Erleichterung, wie er zögerlich nickte.
Die Magie strömte in sie hinein. Das Wasser schwappte unkontrolliert über das Ufer des Flusses und der Schattenläufer setzte lauernd einen Fuß vor den anderen.
Keinen Moment zu spät, noch ehe das Tier zu einem weiteren Sprung oder zu was auch immer ansetzen konnte, strömte das Wasser in plötzlich vorgegebenen Bahnen geschwind zu dem Tier, umschlossen es, kroch seine Beine empor und erstarrte geschwind zu Eis. „Jetzt!“, rief die Grünäugige laut und blickte ohne nachzudenken auf den rennenden Mann.
Ein lautes Krachen hallte durch die Höhle und die Beine des Monstrums rissen sich aus dem Eis los, wollten auf den Novizen zustürmen, als eine Wand zwischen jenem und dem Schattenläufer aus dem Boden schoss. Saleph war stehen geblieben und blickte die Wand an. „Lauf schon.“, schrie die Magierin und winkte ungeduldig.
Er schien zu gehorchen. Irgendwie. Langsam.
Melaine sah sein Gesicht und kurz darauf die Fratze des Schattenläufers. Wie war er so nah gekommen?
Eine weitere Wand schoss aus dem Boden, direkt vor die Nase der Zauberin, und konnte doch der Wucht seines Aufpralles nicht standhaltend. Knirschend brach sie zusammen und keuchend verlor Melaine den Boden unter den Füßen.
Dunkelheit wollte nach ihrer Sicht greifen, gleichsam dem Wasser, dass von allen Seiten auf sie einschlug. Die Magie wollte sich ihr entziehen, wollte frei sein.
Mit grauen, aufgerissenen Augen krallte sich die Rothaarige an die Magie, riss mehr und mehr ihrer Süße in sich hinein.
Ihre Füße berührten etwas Hartes und ohne nachzudenken trieb die Magie darauf zu, beugte die Erde und ließ jene den Körper der Frau von sich stoßen.
Das Wasser brach sich, als die Grünäugige die Arme austreckte. Wirbelnd zog es einen Kreis um die Frau, die nahe dem Ausgang des Stromes auf der Erde stand. Wie an einem Felsen floss das Wasser um sie herum.
Ihr Blick floh zum Ufer, an dem der Schattenläufer noch immer brüllend stand, als bedauerte er, dass er sein Essen in den Fluss gestoßen hatte.
Mit langsamen Schritten kämpfte sich die Zauberin durch die Wassermassen zum Ufer auf das Tier zu, sah, wie jenes die Muskeln anspannte und in den Wahn verfallen schien, sich gleichsam in den Strom zu stürzen.
Alles schien gleichzeitig zu geschehen und doch so langsam, dass jeder Augenblick zu einem Standbild verkommen mochte. Melaine erreichte das Ufer in dem Moment, in dem der Schattenläufer bewusst den Sprung zu ihrem Ziel wagte. Keuchend folgte das Wasser ein letztes Mal ihrer Handbewegung, bildete eine Barriere zwischen sich und dem Hungrigen und riss jenen mit sich ins Wasser… oder auch nicht.
Die Barbiere wusste es nicht, als ihre Füße sich in Bewegung setzten und halb stolpernd halb rennend auf den Ausgang der Höhle zuhielten.
Die Lichter waren zu einer einzigen Kugel verschmolzen, die ihr den Weg wies. Schwer atmend erreichte sie den Zugang zur anderen Höhle, als das grausame Knurren erneut an ihre Ohren drang. „Oh nein…“, hauchte und versuchte ein letztes Mal die Magie zu bemühen.
Nur wenig drang in ihren Körper. Kaum genug… um…
Verzweifelt sammelte die Rothaarige die letzten Überreste in ihrer Hand und stieß sie mit aller Kraft, als könnte das physische die Magie unterstützten, gegen die Höhlenwand.
Donnernd barst der Fels. Die Höhle begann zu erzittern, als die Füße sie weitertrugen. Unkontrolliert. Sie hörte Steine fallen, glaubte ein Jaule zu hören und fiel mit dem Gesicht nach vorne auf den Boden. „Saleph…“, wollte sie rufen, doch wusste sie nicht zu sagen, ob es ihr gelang oder bloß ein leises Wimmern über ihre Lippen zum Ruf nach Hilfe floh.
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