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Es war Zeit. Nach ausgiebiger Meditation vor dem jungen Ahornbaum und beäugen der Äußerlichkeiten des großen Gewächses, begann der Seher nun den Baum mit Magie zu berühren. Der Mond schien noch nicht in voller Stärke am Sternenhimmel, Wind huschte leicht um die Baumkronen und es roch nach frischen, nassen Gras nach einen kurzzeitigen Regenschauer. Echos der Magie erhallten aus Ornlu und übertrugen Gefühle an den Baum.
„Hallo?“
Die magische Echos schienen im Baum in Unruhe zu geraten. Wurde etwas nicht verstanden? War es die Magipräsenz? Ein deutlich vernehmbares Rascheln wurde von den Blättern wiedergegeben. Sekunden vergingen, bis der Baum seinerseits mit einer Art magischen Echo antwortete.
"Oh... ein Mensch... hallo"
Ornlu vernahm etwas. Spürte wie in uralter Sprache langsam etwas in ihm wiederhallte. Die Antwort entzückte dem Seher ein Lächeln und jenes gab er auch magisch wieder an den Baum zurück.
"Ich grüße euch, ehrwürdiger Ahorn. Wäret ihr so gütig und würdet einen jungen Diener der Natur mit Rat zur Seite stehen?", sprach der Jäger in der alten Sprache des Waldvolkes und sandte wieder magische Echos an den Baum.
Der Baum lies die Blätter leicht schwingen, bevor er ebenfalls wieder ein Echo entsandte.
"Deine Echos fühlen sich gut an... Mensch... Diener der Natur"
"Was möchtest Du?", erhallte es in Ornlus Kopf, wieder in der recht langsam ausgesprochenen Art und Weise, während wieder die Blätter leicht raschelten.
Ornlu lächelte kurz, nickte höflich mit dem Kopf, begann wieder magische Echos und Gefühle auszusenden, ehe er weiterhin in der Sprache der Druiden sprach.
"Wissen über dich, ehrwürdiger schöner Ahorn. Wie heißt du?"
Der Sildener vernahm eine Verwunderung in den antwortenden Echos und einem Zögern, ehe Ornlu ganz seltsame Bilder in den Kopf bekam. Bilder einer kleinen Liebelei, eines Schmetterlings, der sich auf sein Haupt setzte. Ornlu blickte verwundert auf und musste grinsen. War das eine Anmache? Was Jail wohl drüber dachte?
"Ich mag dich", hatte der Ahornbaum vermittelt und lies ein prächtiges Ahornblatt in Ornlus Hand herabfallen. Es freute Ornlu und stolz beäugte er das Blatt, während er auch den Namen des Baumes erfuhr. Fräulein Ahorn – ob alle weiblichen Ahornbäume so hießen? Natürlich wollte Baum oder eher ‚Bäumin’ auch wissen wem sie da vor sich hatte. Ornlu indes sandte ihr erstmal reine Magie, als sein Geschenk. Er hatte zwar keinerlei Kinderstube, aber die Geste kannte er allemal. Sofort darauf sandte er Bilder von viel Wasser, Sonne über vielen Pflanzen und von Menschenhänden die zarte Pflanzen beschützten. Seinen eigenen Namen vermittelte er mit der magischen Emphatie als Mensch und Wolf zugleich.
"Ornlu, ein Mensch vom Ort wo die guten Menschen am See leben.", sprach er in der Sprache der Druiden, ehe er fortfuhr.
"Ich will ein Ahorn werden, sag mir wie ist es als Ahorn? Bist du glücklich?"
Ornlu vernahm in dieser hochmagischen Phase der Emphatie, wie sich der jüngere Baum, mit dem wohl größten Baum irgendwie austauschte. Kurz darauf sah Ornlu Bilder von einen Menschen der sich in einen Dornenbusch verwandelte und zugleich vernahm der seher auch negative Echos in sich.
"Ich hoffe, Du bist im Herzen rein, denn dieser Mensch war es nicht, der die Gestalt eines Dornenbusches annahm, um mit seinen Dornen Schmerzen auszulösen.", erklang es kurz in einer empörten Art, ehe sich dies normalisierte. Daraufhin schien der Baum anscheinend nach Silden zu wollen – sogar sehnsüchtig. Ornlu konnte das kaum fassen und kratzte sich am Kopf, ehe er sich was überlegt hatte.
Er bot dem Baum einfach an diesen mittels Magie zu helfen und umzusetzen. Als Gegenleistung bat er dafür um Hilfe des Ahornbaumes.
Urplötzlich vernahm er Echos die nicht von Fräulein Ahorn kamen, sondern von den umliegenden Ahornbäumen. Sie hatten ihre Artgenossin umgestimmt und was Ornlu zu spüren bekam, war Enttäuschung. Er trat da wohl mit seiner Idee, bei den anderen Bäumen ins Fettnäpfchen.
"Es ist lieb von Dir, dass Du mir helfen willst, aber ich kann und darf hier nicht weg.", bekam er vermittelt, ehe er doch etwas Hoffnung zu seinem eigentlichen Problem dazu gewann.
"Ich kann Dir nicht helfen, denn ich bin zu jung und es fehlt mir an Kraft und Erfahrung, aber Mama Ahorn ist ein statthafter Baum. Geh zu Ihr...", erklang es in seinem Kopf und kurz darauf meldete sich kurzweilig der Große Ahornbaum. Es war eine besondere Aura, die Ornlu da kurz spürte. Dem jungen Ahornbaum sandte er verständnisvolle magische Wellen zu und danke diesem herzlichst.
Dann wandte er sich zum mächtigeren Echo und kniete vor den Ahornbaum nieder.
"Ich suche nach dem Gefühl ein Ahornbaum zu sein, ehrwürdigste Mutter der hiesigen Ahornbäume. Ich ersuche eure Hilfe.", sprach Ornlu auf waldvölkisch, bevor er die Großartigkeit der Familie der Ahornbäume mittels Emphatie pries, ein fragendes Gefühl nach dem Sein eines Ahornbaums in die Echos stellte und ein Bild Hilfe suchender Hände darstellte. Ebenso sandte er eine sehr starke Magiewelle an alle Bäume in der Umgebung, um ihnen zu zeigen wer er war und das man ihm trauen konnte. Ehe er sich versah, wurden seine Echos zum verstummen gebracht, gar aufgesaugt. War das ein böser, dunkler Baum?
"Ruhe... Menschenkind. Wie soll man sich denn bei der Überschüttung an Schwingungen konzentrieren?", erhallte es in seinem Kopf und erklärte seine eben noch gestellte Frage, bevor er etwas gutmütiges vernahm.
"Du willst also wissen, was einen Ahornbaum ausmacht und wie sich so ein Baum fühlt, damit Du selbst zu solch einem imposanten Kind der Natur wirst?"
Stolze und starke Bilder erreichten den Seher, von mächtigen Bäumen, wie jenem der vor ihm stand.
"Ich bin die Mutter dieser Kinder und es wird noch viele meiner Frucht geben", erklang es wieder im Kopf. Bilder von grünlich, länglichen Objekten kamen auf, welche auch im Blätterwerk saßen. Laufende Bilder von Samen, die sich aus ihrer Hülle lösten und wild wirbelnd und dennoch langsam sanken, bis der Wind sie ergriff und sie durch die Lüfte trug.
Bis der Samen einen Platz fand wo er gedeihen konnte.
Weitere Echos überkamen den Seher, von einer Welt die er so noch nicht kannte. Der Baum musste sehr mächtig sein und mehrere hundert Jahre alt.
"Spüre... Mensch, was ich Dir vermittele und lasse meine Kraft auf dich wirken.", hieß es in seiner Gedankenwelt. Ornlu nickte lediglich und war nun sehr gespannt, was er in seinen Gedanken sehen würde. Er spürte großen Stolz. Dann sah er Bilder, die einen Baum zeigten, der im Innersten seines Stammes voller Leben steckte und geschützt, von vielen weiteren Schichten, wurde, die sich kreisförmig umeinander legten, bis kräftige Rinde alles ummantelte. Bilder von Wurzeln kamen auf, die auf ihrem Weg durch den tiefen, erdigen Grund zu kräftigen Strängen angewachsen waren und die das ganze Gewicht des Baumes gegen alle Winde zu schützen suchten.
"Spüre den Saft des Lebens, der durch mich hindurch fließt, der mich wachsen läst und mich stärker macht. Spüre den Saft des Lebens, der durch jede Pore meines Holzes fließt... ähnlich wie Dein Blut, welches durch Deinen Körper fließt. Spüre, wie der Saft des Lebens seinen Weg vom Wurzelwerk hinauf bis in meine stattliche Blätterkrone nimmt und wie er dort neue Äste zum Leben erweckt... spürst Du es? Spürst Du, wie das Holz an vielen kleinen Stellen aufbricht und neue Triebe dort entstehen? Und spürst Du, wie viel Kraft es braucht, ein stattlicher Baum zu werden, wie ich es bin?"
Die magischen Echos schlängelten sich dabei wie ein Nebel um Ornlu und erweckten in ihm ein unglaubliches Gefühlen und grenzenlose Gedanken, die ihn übermannten und zurück fallen ließen. Er war einfach nur von all den Geheimnissen erstaunt, was er da vermittelt bekam und schämte sich regelrecht, jemals früher solch anmaßende Gedanken gehabt zu haben, das Menschen über den Pflanzen standen. Nein, wenn überhaupt, dann waren Bäume von solch ehrwürdiger natur, das sie über den Menschen standen. Edler waren. Jene Eindrücke und Erkenntnisse sandte dann der Seher an den großen Ahornbaum zurück.
"Verzeiht mir bitte. Ich hätte mit euch angemessener in Kontakt treten sollen. Ihr habt mir ein Tor geöffnet das ich so noch nie gespürt und gesehen habe. Ihr seid wahrlich groß und ich bin nur ein Mensch der euch, den Wäldern, den Tieren und Mutter Natur helfen will. Ich danke euch für eure Hilfe und wenn ihr es wünscht, so werde ich auch euch einen Wunsch gewähren.", sprach der Sildener auf altdruidisch, nachdem er Gefühle von sich als treuen Diener der Natur vermittelte. Von einen jungen Mann, der von den Impressionen sich noch mehr in seinem Handeln bestätigt fühlte. Sich darstellte und sich als Helfer für die Ahornfamilie anbot.
Der alte Ahornbaum, schien es zu akzeptieren und lies Ornlu spüren, dass es diesem durchaus eine Wonne war, ihm dem Menschen die Familie der Ahornbäume und sich selbst näher gebracht zu haben. Es schien, als ob schon lange kein Druide diese Familie besucht hatte.
Ein gütiges Gefühl überkam den jungen Mann.
"Du bist würdig ein Ahorn zu werden... Mensch.", erklang es und eine Art Duft ging durch Ornlus Nase, der süßlich roch, ehe er in seinen Lungen ein belebendes Gefühl entfachte und spüren lies, das er als Diener der Natur von jenen Bäumen geachtet wurde. Kurz darauf schienen Blätter eine Melodie des Windes anzustimmen, die nach Abschied klang.
Ornlu wurde verabschiedet und der einzige Wunsch, der an ihm ging, war jener die bösen Menschen zu belehren und sich weiterhin mit dem Leben für das Gleichgewicht der Natur einzusetzen.
Ornlu verbeugte sich dankend, war noch immer völlig berauschet von dem, was er mittels Emphatie zu den hohen Bäumen vermittelt bekam und schlenderte entsprechend davon. Freeze sollte davon erfahren, jawohl ja.
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Dekker hatte die Herausforderung seines Lehrers angenommen, stramm hatte er Position eingenommen und hatte sich auf den Wettkampf eingelassen...
Ohne ein Wort zu sagen standen die beiden Männer neben einander, es regnete, beide waren durchnässt bis auf die Knochen, aber keiner dachte auch nur im entferntesten daran aufzugeben.
Die Haltung Dekkers blieb starr, unbewegt und unberührt versuchte er sich zu konzentrieren, sie hatten keinen Köder auf dem Haken... Es ging nicht um den Fang, es ging um das Angeln...
Beide froren und zitterten ein wenig, die Nacht war kalt und der Morgen zog gerade erst herauf... Dekker schätzte, dass sie inzwischen etwas zwischen sieben und acht Stunden hier standen, völlig ungerührt und abgekapselt...
Dekkers Beine brannten, ein inneres Feuer drohte sie zu verzehren... All das Muskeltraining der letzten Wochen war in diesem Moment hinfällig, hier war keine Kraft gefragt, hier war es einzig und allein der Wille der zählte...
Auch bei seinem Lehrer machte sich scheinbar Ermüdung breit, auch er stand nicht mehr zu sicher wie am Anfang, aber er hielt diszipliniert seine Arme von sich gestreckt... Und solange dies der Fall war, konnte Dekker seine nicht sinken lassen...
Die Dämmerung brachte inzwischen wieder Licht, die Wolkendecke war noch während der Nacht aufgebrochen und wurde nun endgültig aufgerieben... Langsam zeichneten sich die ersten Sonnenstrahlen am Horizont ab und trockneten die immer noch nassen Kleider der beiden Männer...
Zack! Wie aus dem Nichts fuhr ein Krampf in Dekkers Wade, kurz stöhnte der Jäger auf, festigte seinen Schritt und biss die Zähne zusammen...
Ruhig atmen, dass ist das Wichtigste... Nicht den Arm sinnken lassen! Reiß dich zusammen! Von sonem Knacki lässt du dich noch nicht fertig machen!
'Remis?' presste Dekker zwischen seinen Lippen heraus, zu groß war die Anstrengungen, sodass er nicht noch seinen Unterkiefer zusätzlich bewegen musste...
Dekker hörte Griffin gepresst lachen... Pfff... Weichei! Kannst schon nicht mehr?'
'Du etwa?'
'Doch doch'
'Du bluffst!'
'Na und??'
Dekker motivierte sich noch einmal selbst, nicht nachlassen, immer weitermachen!
Sein rechtes Knie brach immer wieder ein, mühsam stabilisierte der Jäger seinen Schritt erneut... Er würde seinen Lehrmeister schlagen...
Wieder konzentrierte Dekker sich, lugte kurz herüber, um die Haltung Griffins zu überprüfen, dieser stand schon lang nicht mehr so sicher, Schweiß tropfte von Griffins Stirn, aber Dekker wusste, dass das bei ihm derselbe Fall war...
Erneut stemmte er seine Beine durch, seine rechte Wade pulsierte heftig... Aber er würde nicht aufgeben!
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Die Sonne brach also nach langem noch einmal durch die dicke, graue Wolkendecke. Obwohl das Jahr so kurz vor dem Sommer stand, goss es wir aus aus Eimern. Hunderte, Tausende…Millionen von kleinsten Regentropfen waren in den vergangenen acht Stunden wohl schon unaufhaltsam auf den Kopf von Griffin uns seinem Schüler Dekker geprasselt. Sehr zum Ärgernis des Lehrmeisters. Der Regen hatte bereits vor Stunden die Kleidung des Kriegers vollkommen durchzogen und sie zu einer kiloschweren Bürde gemacht, die unaufhaltsam Arme und Schulter nach unten gezogen hatten. Die Regentropfen flossen in Strömen über das Gesicht des Kriegers, liefen ihm am Hals herunter und schließlich über Brust und Becken bis in die Schuhe. Im Grunde war der Krieger nichts mehr als klitschnass. Aber es ging Dekker auch so und er ertrug sein Schicksal stillschweigend. Lediglich das Zittern seines Arms und das Einknicken seines Beines verrieten von der Erschöpfung des Schülers. Ich glaube ich muss das hier beenden, bevor er mir zusammenklappt., dachte der Krieger und senkte kurz darauf schon den Arm. »Meinen Glückwu…Der Sack!«, rief der Krieger aus. Dekker war so erschöpft gewesen, dass er im Stehen eingeschlafen ist. »Ein Wunder, dass der Kerl nicht umgekippt ist…«, sagte sich der Hauptmann und legte sich Deker kurz entschloss über die Schulter und trug ihn mit ein paar wenigen Schritten in seine Hütte.
»Na herzlichen Glückwunsch…«, sagte der Krieger zu sich selber, als er Dekker auf einen der Küchenstühle wuchtete. »Warum müsst ihr es immer übertreiben? Man muss doch seine Grenzen kennen…« Kopfschüttelnd stand der Hauptmann vom Boden auf und setzte einen Topf Wasser auf den Ofen. »Vielleicht hilft ja eine warme Milch mit Honig dem Kleinen wieder auf die Beine…«, scherzte er und kramte verschiedenste Kräuter aus verschiedensten Ecken der Küche hervor. Tee gab es…
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Dekker erwachte mit einem Gähnen... 'Hab ich schon gewonnen??', ein Lachen seines herumwerkelnden Lehrmeisters brachte zwar keine Antwort, aber ermunterte den Jäger trotzdem...
'Können wir wieder schießen?'
Nana, ruhig mit deinem Eifer, hier trink erstmal das hier...'
Griffin streckte seinem Schüler einen Becher mit einer heißen Flüssigkeit entgegen, welchen Dekker dankend annahm und hinunterstürzte...
'Bäh... Da ist ja nicht mal Alkohol drin...'
Entgegnete Dekker mit verzogenem Gesicht, wieder kam ein Lachen von Griffin...
Die Kleidung der beiden Soldaten war inzwischen schon fast wieder trocken, auch das Brennen in den Beinen hatte bei Dekker zumindest nachgelassen, wie es bei seinem Lehrer war, wusste er natürlich nicht...
Langsam kehrte wieder Leben in den ausgelaugten Körper des Jägers, er streckte sich ausführlich und erhob sich dann... Entschlossen schaute er in die Augen seines Lehrmeisters und gab diesem zu Erkennen, dass er bereit war...
Dieser nickte kurz anerkennend und stand auch auf, streifte sich ein neues Hemd über und packte seinen Bogen...
Dekker konnte sich inzwischen kaum mehr halten, bis in die Zehenspitzen motiviert trat er vor die Hütte und ging zielsicher in Richtung der Wiese, wo sie den letzten Tag verbracht hatten...
Griffin schoss erneut einige Pfeile zuerst ab... präzise schlugen alle um ein Astloch gereiht ein...
Beeindruckt nahm Dekker diese Schießleistung zur Kenntnis... Wenn er mal so gut werden würde, würde er sehr stolz sein...
Wieder konzentrierte Dekker sich, wie in der Nacht zuvor schaltete er die Umwelt aus und fixierte den Baum... In Gedanken stellte er sich kurz die Haltung seines Lehrmeisters vor und probierte sie möglichst gut zu kopieren... Er legte einen Pfeil auf seine Sehne, bis jetzt hatte Griffin scheinbar nichts auszusetzen, denn er blieb still in seiner erwartenden Haltung...
In seinem Hirn spielte Dekker nun den Bewegungsvorgang Griffins ab und ahmte diesen nach, ruhig spannte er die Sehne, jeder Muskel kontrahierte sich binnen Sekunden und ließen seinen Körper komplett ruhen... Tief atmete er ein und stieß dann die Luft aus, genau in diesem Moment öffnete er die Finger der rechten Hand und gab die Sehne frei... Diese explodierte nach vorne und schleuderte den Pfeil, geführt an Dekkers Hand nach vorne... ein Zischen war zu hören... kurz darauf ein 'Klonk'... Getroffen hatte der Pfeil schon mal, aber er war nicht stecken geblieben...
Wie automatisch legte Dekker sich auf den Boden, stemmte seinen Körper mit Hilfe seiner Arme nach oben, verharrte kurz und senkte seinen Rumpf wieder... Zwanzig mal wiederholte er die Übung, ehe er sich nach oben katapultierte und einen ruhigen Stand einnahm...
Kurz sammelte sich der Jäger, hob seinen Bogen auf, zog einen Pfeil aus dem Köcher und ging dann in die totale Konzentration über... Eigentlich lief der Vorgang genauso ab wie zuvor, seelenruhig spannte er die Sehne... Jeden Moment würde er die Sehne nach vorne schnalzen lassen...
Zischend sauste der Pfeil aus der Hand des Jägers in Richtung des Baumes los...
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„Gwydion! Komm vom Dach runter, bitte! Wir wollen dann Abendessen!“, drang die vertraute Stimme Feens zu dem jungen Seher hinauf, der auf dem Dach ihres Hauses saß und die Beine baumeln ließ.
„Ich bin unterwegs!“, erwiderte er fröhlich.
„Aber nicht…“, fing Feen an, doch da hatte Gwydion bereits einen Satz vom Dach gemacht, überschlug sich einmal in der Luft und landete ein wenig unsanft, aber immerhin sicher auf beiden Füßen, neben ihr auf dem Boden, „…indem du springst…“, Feen blickte ihre Gatten kurz wütend an, drückte ihm wortlos ihren Marktkorb in die Hand und verschwand ins Haus.
„Feen… sei doch nicht böse deswegen…“, versuchte der Seher sie zu beschwichtigen, während er ihr hinterher eilte.
„Du weißt genau, dass ich das nicht mag. Du könntest dir den Hals brechen!“, die junge Frau stemmte die Hände in die Hüften, die Augenbrauen waren gefährlich zusammen gezogen.
„Feen… deswegen übe ich doch… dass ich mir eben nicht den Hals breche, wenn ich wirklich einmal irgendwo hinunter springen muss, weil mir Orks auf den Versen sind oder so…“
„Fein… aber in diesem Fall musst du doch keinen Salto machen! Oder willst du die Grünhäute beeindrucken?“
„Nein… das“, Gwydion musste sich selbst eingestehen, dass die Saltos nur Spielerei waren, die unnötig und auch ein bisschen gefährlich waren, „…also… das hat mit Körperbeherrschung zu tun. Wenn ich einen schwierigen Sprung schaffe, dann erst recht einen einfachen, verstehst du?“
Feen antwortete nicht. Sie schnaubte nur kurz und schob sich eine Haarsträhne hinter das Ohr.
„Hilf mir lieber den Tisch decken…“, murmelte sie schließlich und nahm Gwydion den Korb wieder ab und packte ein paar Sachen daraus aus, während der Seher brav den Tisch deckte mit Tellern, Messern und Bechern.
Da fiel ihm siedend heiß ein, dass er ja komplett vergessen hatte Feen gestern nach der Pilgerreise zu fragen. Ein wenig unsicher schielte er zu ihr hinüber. War jetzt ein guter Zeitpunkt danach zu fragen? Kurz kratzte er sich am Kinn. Ein anderer Zeitpunkt würde kaum kommen, immerhin musste er so langsam anfangen die Reise vorzubereiten.
„Feen… uhm… die Sildener wurden vom Wüstenvolk eingeladen zu einer Pilgerreise…“, begann er also, während er sich mit Feen am Tisch niederließ, „…und zwar zur Lichtung des Zwielichts. Wir müssten in drei Tagen etwa aufbrechen nach Al Shedim, von dort geht die Reise los.“
„Und wo liegt diese Lichtung?“, fragte Feen nach einer kurzen Pause und schnitt derweil eine Scheibe Brot vom Brotlaib.
„In… uhm… Khorinis…“, erwiderte Gwydion und blickte zu ihr hinüber, „…ja, in Khorinis, im Minental, um genau zu sein. Ich… war schon einmal dort. Es ist ein Ort des Gleichgewichts, denn dort ist eine Art Höhle, in der Licht und Dunkel gleichermaßen herrschen. Wir fahren mit dem Schiff des Wüstenvolkes nach Khorinis. Was sagst du dazu?“
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Wieder hockte Siana im Schneidersitz unter demselben Baum, unter dem sie sich seit nunmehr zwei Tagen aufhielt, während ihr Schüler einen anderen Baum, der ein paar Schritte entfernt zu ihr stand, mehr oder weniger erfolgreich unter Beschuss nahm, aber er hatte ja auch am voherigen Abend erst mit dem Einsatz des Bauchatmens beim Schießen angefangen. Das Ergebnis war, das inzwischen einige Pfeile mehr in der Rinde stecken blieben anstatt vorbeizufliegen. Zum einen ein Fortschritt für Miracoli in der Kunst des Bogens, zum anderen musste er nicht mehr so oft laufen, um seine Projektile auf dem Waldboden zu suchen, wie er es jetzt gerade tat. Bei seiner Größe sah es eigenartig aus, wenn er in gebückter Haltung zwischen den Bäumen umherhuschte. Aber die Pfeile kamen nunmal nicht von allein zurück.
Allmählich kam es der Sildenerin eintönig vor. Das einzige, was sie zu tun hatte, war rumzusitzen, den Hünen bei seinen Übungen im Auge zu behalten, die Treffer zu betrachten und ihn ab und zu auf Irgendetwas bezüglich seiner Haltung hinwies. Zumindest konnte die Adanosgläubige so ihren Gedanken nachgehen, Miracoli machte alles praktisch allein. Zu zweit einen Bogen zu spannen machte auch nicht allzu viel Sinn.
Die Braunhaarige sann darüber nach, was sie nach der Lehre machen würde. Es gab auch mehr als genug zu tun, vielleicht wäre ein Besuch bei Char mal wieder fällig. Wie er wohl reagieren wird? Das er unberechenbar sein konnte, wenn er wollte, hatte er damals als übergroßer Goblin schon unter Beweis gestellt. Oder er war nicht unberechenbar, sondern Siana verstand ihn nur nicht ganz. So oder so, damals war ein seltsames, freundschaftliches Band zwischen ihr und dem Lagermeister geknüpft worden.
Ein leichter Windzug ließ die Adanosgläubige kurz frösteln. Am Morgen war die Temperatur ein wenig umgeschlagen, oder es kam ihr seit Varant nur so vor. Jedenfalls empfand sie es als kälter als vorher, aber das war auch noch lange kein Grund, das Training abzubrechen.
Die Lehrmeisterin konzentrierte sich wieder auf ihren Schüler, der die ganze Zeit unablässig weiterübte. Gerade anvisierte dieser wieder sein Ziel und bemühte sich immerhin um die richtige Haltung. Die Arme machten auch einen vergleichsweise ruhigen Eindruck, dass er sich Mühe gab, konnte man ihm nicht abstreiten. Nur sein Gesichtsausdruck ließ noch vermuten, dass sich der große Mann noch nicht ganz mit der Bauchatmung angefreundet hatte, dennoch wurde es besser.
Der Schüler ließ die Sehne los und das übliche Zischen des Pfeiles erklang einen Lidschlag lang, ehe er sich tief in das angezielte Holz bohrte und die Adanosgläubige den Treffer begutachtete. Den Grundsatz schien er soweit verstanden zu haben und mehr oder minder ernst zu nehmen. Dann könnten sie auch bald mit der nächsten Übung beginnen; Das Schießen aus verschiedenen Abständen. Vielleicht schon morgen, damit es nicht zu langweilig wurde, aber das kam auf Miracolis Fortschritt an.
"Halte den Kopf noch ein wenig gerader", empfahl Siana dem Hünen, der den Rat berücksichtigte, als er das nächste Geschoss an die Sehne legte.
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Der Wille des jungen Mannes war absolut und unter keinen Umständen zu brechen. Sein rechter Arm musste brennen wie flüssiges Gestein, sein Knie schmerzen und der Rücken kurz vor dem Explodieren sein, so lange, wie der Bursche gestern Abend bis heute Morgen still da gestanden hatte. Auch die Niederlage, die im Grunde vorhersehbar gewesen war, kümmerte den Bogenschützen in spe kaum bis gar nicht. Zumindest nicht äußerlich erkennbar. Sein Wille schien unzerbrechlich und noch härter als das härteste Eisen, das jemals entstanden ist. Wahrscheinlich würde dieser Kerl den Bogen mit dem Bauch halten und die Sehne mit den Zähnen spannen, wenn es nötig wäre. Der Bogenmeister wollte es nicht testen, aber interessant wäre es aber alle Male.
Nachdem der junge Bursche auch den zweiten Schuss mehr oder weniger…verpatzt hatte, da der Pfeil von der Rinde abgeprallt war und er die zwanzig Straf-Liegestützen gemacht hatte, unterbrach sein Lehrmeister ihn kurz. »Du bist Mann, mein Kleiner…«, erkannte der Krieger mit tödlicher Präzision. »Stimmt.«, sagte Dekker kurz und schaute ernst zu seinem Lehrmeister. »Du hast Muskeln und du hast Kraft, so wie es sich für einen Bogenschützen gehört.«, fuhr Griffin unbeirrt in einem ruhigen, sachlichen Ton fort und schaute dabei sehnsüchtig in den Himmel. Beobachtete kurz einen vorbeifliegenden Vogel und eine einzelne Wolke. »Du kannst zielen, deswegen triffst du auch den Baum nach so kurzer Zeit. Das ist keineswegs normal. Du bist weiter, als ich vermutet hatte.«, verkündete der Hauptmann und senkte langsam seinen Blick wieder auf Dekker. »Wieso zur Hölle also ziehst du die Sehne nicht so weit zurück, wie du kannst? Hast du Angst, dass der Bogen kaputt geht? Keine Sorge! Ich hab meinen schon seit einem guten Jahr. Ich habe damit schon so einige Pfeile abgeschossen und er ist so gut wie eh und je.«, erklärte Griffin weiter. »Zieh also die gottverdammte Sehne so weit zurück, wie du kannst, Jungchen. Sonst kannst du nicht mal einer Nacktschnecke gefährlich werden…«
Mit einem dumpfen ’Plopp’ ließ Griffin sich rückwärts auf den Hosenboden fallen und beobachtete Dekker bei seinem Tagewerk. Ohne Probleme zog er die Sehne ein Stück. Zog sie weiter. Noch ein Stückchen. Und schließlich bis an seine Wange. Sein rechter Arm blieb während der gesamten Zeit starr ausgestreckt und parallel zum Boden, sein Rücken absolut gerade und der Blick klar aufs Ziel gerichtet: Den Baum. Mit einem Zischen entließ Dekker den Pfeil Richtung Baum und… traf. Er traf tatsächlich den Baum. Und diesmal bohrte sich der Pfeil schätzungsweise eine handbreit in den Baum hinein. »Es klappt doch, Jungchen. Und rat mal, was du jetzt machen darfst? Richtig. Du darfst noch ein paar Pfeile versenken. Glückwunsch.«, sagte Griffin freundlich und grinste seinem stolz dreinblickenden Schüler entgegen.
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Wie von einem plötzlichen Stoß getroffen, zuckte Sheyra zurück. Sie fasste sich an die Schläfe, blinzelte verwirrt, starrte dann auf ihre Handflächen.
"Autsch", meinte sie schließlich. "Jetzt am Ende hat's doch etwas wehgetan . . ."
Sie tastete nach ihrem Bein. Zuerst zögerlich, wie in Erwartung der gewohnten Schmerzen, dann, als sie ausblieben, immer experimentierfreudiger. Fasziniert schwang sie das Bein vom Bett, zog es prüfend an den Körper, streckte es dann wieder durch.
"Beeindruckend", stellte sie lächelnd fest, "Die Schmerzen sind weg. Und es lässt sich wieder ganz normal bewegen. Ihr versteht Euch wirklich auf Euer Handwerk."
Frost hatte nur halb hingehört. Seine Aufmerksamkeit galt Leyla, die mit einer Mischung aus Verwirrung und Angst auf das Bein starrte, das sie soeben behandelt hatte. Ihr Gesicht hatte an Farbe verloren, die zuvor so ruhigen Hände zitterten, als hätte sie ein Gespenst gesehen.
"Sheyra", begann Frost mit ruhiger, aber eindringlicher Stimme, "Warte bitte draußen. Ich muss mit Leyla noch etwas besprechen."
"Was--"
"Bitte."
Zögernd kam Sheyra der Bitte nach. Als sie an der Tür war, blickte sie noch einmal zu Frost, dann zu Leyla. Dann hob sie die Schultern und ging. Frost wartete, bis die Tür vollständig geschlossen war.
Tief durchatmend setzte er zum Sprechen an, doch als sein Blick auf Leylas geweitete Pupillen fiel, biss er die Zähne zusammen. Stattdessen griff er in die Tasche und reichte ihr ein Tuch, damit sie den Schweiß abtupfen konnte.
"Was ist da soeben passiert?", fragte er nach längerem Schweigen.
Seine Stimme war ruhig, aber der Blick des verbleibenden Auges wich keine Sekunde von Leylas Gesicht.
"Seid ehrlich. Ich habe gesehen, ja, sogar gespürt, dass etwas nicht in Ordnung war. Sagt es mir bitte."
Er hatte eine Ahnung. Keine, die ihm gefiel. Die Fragen begleiteten ihn schon lange, seit Rynthal, vielleicht sogar schon länger. Irgendjemand musste ihm doch Antworten liefern können.
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Feen wäre fast das Stück Brotkanten im Hals stecken geblieben, als sie Gwydions Neuigkeit vernommen hatte. Wohin wollte er fahren? Khorinis? Die Insel, die einst von den Orks überrannt wurde? Die Insel, auf die er wochenlang zur Selbstfindung gegangen war und sie allein geblieben war? Die Insel, die fast am anderen Ende der Welt lag, wenn man den wenigen Weltkarten Glauben schenken durfte?
Feen atmete aus und musste sich den Hustkrämpf verdrücken. Mit einem weißen Tuch wischte sie sich über die Stirn, stand auf und öffnete eines der Fenster. Bevor sie sich zu irgendetwas aufraffen konnte, musste sie erst einmal wieder einen kühlen Kopf kriegen.
"Khorinis...", murmelte sie schließlich, wobei sie noch immer in die Dunkelheit hinausstarrte, als würde irgendein seltenes Tier gerade vorm Haus stehen.
"Es werden viele Druiden mitkommen...", begann Gwydion schließlich nach einer regelrechten Schweigeminute, "Durnir, Faun, vielleicht sogar Mutter Garaia..."
Doch Feen hörte nur mit einem Ohr zu, das andere lauschte den losen Gedankenfäden, die sich wieder zu einem Netz zusammenstricken mussten. Da war der elend lange Marsch durch die sengend heiße Wüste, um diese Jahreszeit! Dann eine Seefahrt, bei der man tagelang kein Land mehr sehen konnte. Und die sagenhaften Stürme, die schon so manchen kühnen Seebären in das nasse Grab gezerrt hatten. An Khorinis selbst hatte sie noch gar nicht gedacht, sie wusste auch nicht viel über die Insel, nur dass ein trostloses Räuberland sein musste. Was bei Adanos wollten sie dort?
Sie blickte auf, der Mond strahlte seinen hellen Schein im Spiegelbild des Sees. Die Antwort war doch schon gegeben, Adanos selbst wollte sie dort bei sich haben. Eine Pilgerreise wie sie schon einmal eine migemacht hatte. Und war diese nicht erst der Weg, der ihr Leben bis heute geprägt hatte?
"Al Shedim...", murmelte sie und gedachte den Tag, der ihr die Unschuld genommen hatte. Sie drehte sich zu Gwydion um, der nach Argumenten suchte, die sie nicht interessierten. Sie wusste die Antwort doch schon, schließlich war Gwydion ein Sturkopf und kein sesshafter Mensch. Er brauchte das Abenteuer fast so sehr, wie sie ihn brauchte. Man musste sich nur an ihre Hochzeit erinnern, in leichten wie in schweren Zeiten...
Sie wandte sich um und drückte ihn an sich. Seine Brust war warm, doch man konnte einen raschen Herzschlag spüren. Die Hände waren feuchtwarm.
"Ich lass dich nicht noch einmal allein ziehen...", spach sie und schloss die Augen. Endlich erwiderte er die Umarmung: "Ich würde dich auch nicht allein lassen..."
Sie schaute auf, ihre Blicke trafen sich.
"Ich hab nur eine Bedingung...", meinte Feen schließlich, "Kläre du das mit dem Bauern, ich will gar nicht wissen, wie dumm er aus der Wäsche guckt, wenn wir Melly nach einer Woche gleich wieder zu ihm bringen."
Er lächelte.
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Hoffentlich war Brad zufrieden mit Bartimäus, aber Bartimäus hoffte das Beste. Eigentlich hätte er etwas Bier ODER Schnaps besorgen sollen und er hatte beides! Brad konnte eigentlich nichts erwidern, außer das es ihm zu lange gedauert hat. Aber dafür, dass Bartimäus keine einzige Goldmünze bezahlt hatte, war er sogar schnell mit der Arbeit fertig geworden.
Die Hütte zu finden in der Brad hauste war nicht schwer, da Bartimäus sie immerhin selbst gebaut hatte und sie wahrscheinlich besser kannte als Brad selbst, was diesen allerdings nicht beeindruckte.
Er schritt zur Tür und klopfte. Nach einiger Zeit öffnete Brad die Tür.
"Ah, da bist du ja! Na dann gib mal her was du hast!"
Gehorsam übergab Bartimäus die 4 Getränke. Brad betrachtete sie, dann sagte er: "Sag mal Bursche! Wie viel hat dir der Wirth dafür abgeknöpft?"
"Gar nichts!" antwortete Bartimäus wahrheitsgemäß. "Ich habe den Preis abgearbeitet!"
Brad schien beeindruckt und dies freute Bartimäus!
"Abgearbeitet? 3 Bier und einen Schnaps in so kurzer Zeit? Entweder du lügst, oder du taugst was! Was musstest du denn machen?"
Wieder sagte Bartimäus nichts als die Wahrheit, überlegte aber, ob er, falls er danach gefragt wurde, sagen sollte, ob ihm Nero dabei geholfen hatte. Was würde Brad besser gefallen? Einen flinken Arbeiter oder jemanden der sich das Leben so leicht wie möglich machte ohne Pflichten auszulassen?
Gott sei Dank fragte Brad nicht mehr so weit nach.
"Immerhin ist er zufrieden!" dachte Bartimäus "Aber wann gibt er mir die Hütte? Und hat er noch eine Arbeit für mich?" Ohne etwas zu sagen oder wegzugehen blieb Bartimäus vor Brad stehen und wartet dass Brad den nächsten Schritt tat!
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Scatty schnüffelte, roch, stiess hier ein Häuflein Elend von einem Allzwecknovizen (c) weg, der wieder mal beim Jenga auf Zeit verloren hatte, obwohl ihn sein Meister schon oft davor gewarnt hatte, polterte dort mit dem Fuß gegen diverse Gebamseleien, aber all das konnte ihn nicht davon ablenken, was ihm gerade in die Nase gekrochen war. Oh, ein rosa Schmetterviechling! Laut dem Scattyonomicron, dass nun nach Auflage der Druidenschaft auch einen Abschnitt über Pflanzen- und Tierkunde enthalten musste, war dies eine äusserst seltene Art, und fast hätte Scatty der Versuchung nachgegeben und wäre mit kindlichem Vergnügen und diversen Schreibsklaven im Rücken mit Kescher und verrücktem Tropenhut auf Schmetterlingsjagd gegangen. Aber da war immer noch dieser Geruch, der sich in seine Nase fraß, höflich an seinem Nervensystem anklopfte, den Verantwortlichen für Wohlige-Düfte-Übermittlung am Schlaffittchen packte und ihn lautstark zu dreieinfünftel Wochen Stubenarrest mit Händen über der Bettdecke verurteilte. Und so etwas konnte man nicht ignoramisieren, meinte auch Käpn Himbeer, der wie immer gierig auf einem kaum behauenen Stein herumkaute und dabei versuchte, seine Gedanken nach Strumpfgröße zu ordnen.
So machte sich der Hüter also auf, und bereitete sich mental schon auf die Reise vor, die ihn gefährlich gefahrvollen Gefahren entgegen, und weit weg vom heimischen "50 Tips für angehende Souffleure"-Büchlein tragen würde. Er schwang sich, fast über die vielen unnötigen Nebensätze stolpernd, in den nächstgelegenen Baum, denn ein Plan keimte bereits in Scattys Kopf, und er gedachte ihn mit alten Vogelnestern und deren Reiben auf seinem Hinterkopf zu düngen und zu nähren. Wieder stach ihm der durchdringende Geruch eines ausbildungswilligen Schülers in die Nase, nur jetzt noch viel näher. Er spitzte die Ohren, heute ausnahmsweise ohne seinen treuen Metallanspitzer und hörte tatsächlich, wie sich jemand den Weg nahe seiner Lagerstatt entlangtummelte. Ohne lange zu fackeln, griff er sich seine Lieblingsliane in schickem Grüngelbmistbraun und stürzte sich wagemutig in die Tiefe, natürlich noch im Flug berechnend, wo, wie, wann, warum und mit welcher Unterwäschefarbe er aufkommen würde. Um sein Opfer wenigstens noch ein wenig auf sein Schicksal vorzubereiten, schrie er lauthals seinen altbekannten Kampfschrei "Die Banane keimt im rohen Fisch zu Butter!" heraus. Dies brachte ihm zahlreiche hochgezogene Augenbrauen bei der Leserschaft und einen äusserst verschreckten Waldbewohner ein, den er sich mal eben unter den Arm klemmte und ihn mit sich hinauf in die nächste Baumkrone nahm.
"Grüße! Ich bin Scatty! Und ihr werdet jetzt ausgebildet. Widerrede wird erst mit Formular 103-K/V oder in Begleitung von eurer Großmutter im Rollstuhl samt ihren Eltern gestattet."
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Bengar Rudolfson hatte nicht einschlafen können und war deshalb zu einem kleinen, nächtlichen Spaziergang aufgebrochen. Nichts ahnend, was da auf ihn zu kommen würde, ging er da vor sich hin, immer einen Fuß vor den anderen setzend.
»Ich glaube, ich sollte mich langsam mal um einen Lehrmeister für Körperbeherrschung, Zirkusvorführungen, Akrobatik oder wie auch immer man es nennen will, kümmern. Es ist ja teilweise nicht mehr schön, wie steif, ungelenk und unkontrolliert ich bin. Gut, wenn mich jemand angreifen würde, wäre er da sicher anderer Meinung, aber ich weiß, dass ich da noch besser werden muss. Ach, Adanos, kannst du mir nicht ein Zeichen senden, ob ich es tun soll und wo ich einen geeigneten Lehrer finde, der, im Gegensatz zu Matthew, auffindbar ist? Ja, aber es ist noch kein Lehrmeister vom Himmel und vor die Füße eines lernwilligen Schülers gefallen«,
dachte sich der Pirscher. Dummerweise hatte er seinen Wunsch wohl zu undeutlich gedacht, denn es landete kein Lehrmeister vor seinen Füßen, sondern es erschall ein lauter Ruf aus den Bäuem, der, zumindest für den Rüstungsbauer, auch nicht nur den geringsten Sinn hatte:
»Die Banane keimt im rohen Fisch zu Butter«
KUrz darauf schwang sich jener Typ, der eher einem der wild wuchernden Büsche in und um Silden ähnelte, zumindest auf dem Kopf und im Gesicht, als einem Menschen, an einer Liana herunter und direkt auf den Speermeister zu. Dummerweise konnte letzterer nicht so wirklich reagieren, er war ob dieser höchst 'normalen' und 'alltäglichen' Vorführung noch zu verstört, als dass er irgendetwas gegen die Attacke des Buschmenschen was machen könnte und so ergriff jener den Sohn des Rudolf und nahm ihn mit auf die nächste Baumkrone.
»Grüße! Ich bin Scatty! Und ihr werdet jetzt ausgebildet. Widerrede wird erst mit Formular 103-K/V oder in Begleitung von eurer Großmutter im Rollstuhl samt ihren Eltern gestattet«,
erklärte sich jener, der eindeutig nicht mehr alle Tassen im Schrank hatte, nicht ganz dicht war und dem wohl einige Murmeln abhanden gekommen waren.
»Der hat wohl von einem Troll was übergebraten bekommen, ach was, es müssen zwei gewesen sein, nein, mindestens drei«,
dachte sich der Schwarzhaarige noch, ehe er entgegnete.
»Äh, gut. Ich bin Bengar Rudolfson, Pirscher und Rüstungsbauer des Waldes. An deiner Showeinlage denke ich erkenne zu können, dass der Herr Busch mit namen Scatty sowas wie ein Akrobat ist und deiner Äußerung entnehme ich, dass du Lehrmeister dafür bist. Stimmt das so weit?«
»Ist die Eiche blau?«
»Äh, nein.«
»Gut, dann sind wir uns ja einig und nun spring vom Baum, denn runter trag ich dich bestimmt nicht, und der Fahrstuhl hier drin ist kaputt«,
meinte jener Irre, der sich selbst Scatty gennat hatte und schwang sich vom Baum runter. Ganz vorsichtig versuchte sich auch der Braunäugige auf die Erde herabzulassen, doch dummerweise kannte er sich mit dem Klettern nicht so aus, rutschte ab und landete unsanft auf dem Boden der Tatsachen.
»Tja, dass musst du noch üben, wenn du ein richtiges Affenjunges werden und nicht durch die Lüfte fliegen willst wie eines dieser Schmetterviechlinge!«
»Adanos, womit hab' ich das nur verdient.«
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Die Beschreibung aufgelöst traf es wohl ganz gut, denn das war sie. Was war passiert? Frosts Frage war berechtigt, auch wenn sie sie nicht auf der Stelle beantworten konnte, sondern erst nachdenken musste.
„Es war anders als sonst.“, begann Leyla, „Am Anfang hat alles geklappt, ich habe meine Magie wirken lassen, der Knochen wuchs wieder richtig zusammen. Dann hab ich noch einige Kleinigkeiten vorgenommen und wollte dann die Verbindung zwischen Sheyra und mir aufheben. Aber das ging nicht. Ich weiß nicht, irgendetwas hat mich daran gehindert, eine Kraft oder so etwas, ich kann es nicht sagen. Denn dafür habe ich erstens nicht genug Erfahrung auf dem Gebiet, zweitens fehlt mir aber das allgemeine magische Verständnis, um solche Dinge verstehen oder gar erklären zu können, so etwas geht nämlich weitaus tiefer in die Materie, als ich jemals dachte. Also ich verstehe schon, was ich hier mache, wenn ich Heilungsmagie wirke, aber ich kann nicht sagen, was nun zu diesen…Komplikationen geführt hat.“
Die Blonde überlegte einen Moment und saß schweigend da. Innerlich fühlte sie sich seltsam, etwas leer oder besser ausgelaugt. Kein Wunder, sie hatte deutlich mehr magische Energie aufwenden müssen, als eigentlich geplant.
„Es war, als wäre dort etwas in ihr.“, setzte sie fort, „Intuitiv hatte ich das Gefühl, dass dort eine fremde Magiequelle vorhanden war, die mich festhielt, quasi mich in Sheyra hineinziehen wollte. Aber dann habe ich selbst mehr Energie aufgewendet, ich war in Panik, wusste nicht, was vorging. Und dann ging es, wenn auch um einiges ruckartiger als es möglich ist. Aber das ist keine Krankheit oder ein Parasit, das muss etwas anderes sein, das sich nach außen hin nicht unbedingt bemerkbar macht.“
Die Ovates hielt einen weiteren Moment inne.
„Ich weiß, dass ist nicht unbedingt viel.“, meinte sie entschuldigend, „Aber ich kann es nicht anders erklären. Ich hoffe, es hilft euch dennoch weiter.“
Ohne weitere Worte schaute sie Frost in die Augen. In das Auge um genauer zu sein, denn eines war mit einer Augenklappe bedeckt. Warum auch immer, das war zum jetzigen Zeitpunkt nicht passend zu hinterfragen.
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Dekker schoss... genau auf den Baum sauste der Pfeil zu, Dekker freute sich bereits, darauf den Pfeil aus der Rinde zu entfernen, da tauchte der Baum unter seinem Schuss weg...
Unglaublich... Wieder schoss Dekker einen Pfeil ab, wieder würde der Pfeil treffen, aber wieder verflüchtigte sich der Baum im letzten Moment... Fragend schaute Dekker sich nach seinem Lehrmeister um, aber der war nicht da, er stand allein auf einer endlosen leeren Wiese, vor ihm nur der Baum, sonst nichts... Dekker wollte testen warum der Baum unter den Schüssen hinwegtauchen konnten... Er setzte sich in Bewegung, um nachzuschauen, aber egal wie schnell er rannte... er kam nicht näher an den Baum heran, dieser rannte vor ihm weg... über die scheinbar endlose Wiese... Dekker war gefangen!
Schweißgebadet erwachte der Jäger... Sein Rücken lag am Stamm der Buche, die er am letzten Abend mit Pfeilen bombardiert hatte, über ihm steckten einige davon noch in der Rinde, ein paar andere lägen neben ihm, zusammen mit seinem Bogen.
Die Sonne war schon aufgegangen, aber ihr Lauf war noch nicht weit fortgeschritten... Verkatert von der Nacht unter dem Baum erhob sich Dekker, Griffin wollte erst heute Nachmittag zu seinem Schüler stoßen, er hatte irgendeinen Kram zu erledigen... Bis dahin wollte Dekker exercieren, nach ein paar Aufwärmübungen packte er sein Equipment und begab sich an die Stelle, von der er gestern den Baum beschossen hatte... Das Ergebnis war ernüchternd gewesen, von den hundert Pfeile die er schätzungsweise auf den Baum abgegeben hatte, erreichten nur dreizehn ihr Ziel, eine Quote, die Dekker nicht besonders glücklich machte...
Heute wollte er sich daran machen seine Treffsicherheit zu verbessern, die Wucht war nun nicht mehr das Problem, die hatte ihm Griffin eingebläut... Aber seine Präzision hatte unter der Spannung der Sehne gelitten, daran musste Dekker arbeiten.
Er brachte sich in Position, den rechten Arm mit dem Bogen komplett angespannt, den linken Arm an der Sehne, auf welcher der Pfeil ruhte... In seinem Geiste lief der Bewegungsablauf Griffins bildlich ab, wie immer begann er ihn zu imitieren und brachte sich in Position. Mit der Sehne spannte sich auch Dekkers Körper, ruhig atmete der Jäger ein und während er ausatmete ließ er die Sehne frei... Diese katapultierte den Pfeil nach vorne, ein Strahl purer Energie sauste auf den Baum zu, traf die Rinde an der Seite des Baumes, riß ein riesiges Stück heraus und landete damit einige Meter weiter im Gras...
Schon gar nicht schlecht, ging es Dekker durch den Kopf, zügig legte er einen neuen Pfeil auf die Sehne, dachte wieder an den Blattschuss seines Lehrmeisters und dessen Bewegungsablauf, atmete tief ein und schickte einen weiteren Pfeil in Richtung des Baumes ab, dieser saß schon besser..
Ein knarzendes Geräusch brachte Dekker die Bestätigung, dass der Pfeil die Rinde durchbohrt und sich im Holz festgesetzt hatte...
Endorphine breiteten sich in Dekkers Körper aus, Treffer... so konnte es weitergehn... Blitzartig saß der nächste Pfeil auf der Sehne, wieder spulte er das Band Griffins ab und schoss...
Die frisch ausgeschütteten Endorphine verschwanden aus Dekkers Körper, stattdessen machte sich Ernüchterung breit, eineinhalb Meter war der Pfeil am Ziel vorbeigesaust, er hatte ihn beim Einatmen losgeschickt... ein Fehler...
Korrektur war angesagt, augenblicklich setzte er einen neuen Versuch an, wiederholte seine Prozedur und begutachtete danach das Ergebnis... Wieder vorbei, aber nicht mehr so weit...
Dekker versuchte sich zu beruhigen, Misserfolge vertrug der Jäger schlecht, seine Motivation sank in den Keller...
Er legte wieder einen Pfeil auf die ruhende Sehne, dachte allerdings überhaupt nicht nach, spannte die Sehne, visierte halbherzig an und verschoss...
Dekker war froh, dass sein Lehrmeister nicht in der Nähe war, Strafliegestützen gab es somit nicht und sein Handeln blieb ohne Konsequenzen... Trotzdem plagte Dekker sein Gewissen, er hatte Griffin versichert die Liegestützen abzuarbeiten bei verschossenen Pfeilen... Sein Gewissen duellierte sich nun in seinem Kopf mit der Faulheit, passenderweise taten sie dies in Dekkers Vorstellung mit Pfeil und Bogen...
Schließlich rang sich der Jäger dazu durch die Kraftübung auszuführen, bislang waren es drei Fehler, also sechzig Liegestützen...
Achtundfünfzig, neunundfünfzig... sechzig..., Dekker sackte für einen Moment zusammen, ehe er sich aufraffte und erneut seinen Bogen zur Hand nahm... Ehrgeiz keimte wieder hoch und Dekker sammelte seine gesamte Konzentration... Er fixierte den Baum, spulte den Bewegungsablauf ab und schickte den Pfeil ab... Ein Knarzen... Gewonnen! Der Pfeil saß zwar am Rande des Baumes, aber er saß... Hervorragend, dachte sich Dekker, so kanns weitergehen...
Es verging einiges an Zeit, Dekker versemmelte ein paar Schüsse, dann traf er wieder ein paar Mal, abundzu machte er zur Beruhigung seines Gewissens einige Liegestützen, ehe er weiter schoss...
Seine Quote verbesserte sich proportional zum Brennen seines Brustkorbs, nachdem anfangs nur jeder achte Pfeil stecken blieb, hatte Dekker sich bis zu einem 1:4 Verhältnis vorgearbeitet... Er begann sogar ein wenig herumzuexperimentieren und den Vorgang schneller auszuführen, oder den Pfeilen mehr Präzision zu geben... Allerdings meist ohne Erfolg...
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Den bisherigen Tag war Bengar Rudolfson von irren Verrückten verschont geblieben, na ja, einigermaßen und hatte etwas Zeit gehabt, um an Calintz Rüstung zu basteln und ein wenig an seiner Kampfkunst zu feilen. Denn wie sagt ein altes Sprichwort? "Lernen ist wie schwimmen gegen den Strom, wenn man aufhört, treibt man zurück". Doch nun hatte er sich in seine Hütte zurückgezogen und wollte sich ein wenig erholen, denn früher oder später würde der irre, von Bäumen springende und sinnloses zeug von sich gebende Buschmensch wiederkommen. Irgendwo war der Pirscher froh darüber, denn dieser Wahnsinnige schien doch in Sachen Akrobatik einiges auf dem Kasten zu haben, wie sonst hätte er auch so lange überleben können.
»Andererseits, will ich wirklich mit so einem kranken Irren abhängen? Schließlich will ich ja nicht unbedingt, dass zu viel seines etwas verwirrten Geistes auf mich über geht. Obwohl, ein klein wenig Chaos in dieser sonst geordneten Welt wäre eigentlich ganz gut. Halt, von was denke ich da eigentlich?«,
überlegte sich der Rüstungsbauer, während er sein Zeugs durch die Gegend räumte, um für ein Minimum an Ordnung zu sorgen. Seinen schwarzen Robenumhang für 'spezielle' Anlässe hatte er sicher vor den Augen Allzuneugieriger versteckt, es musste ja nicht jeder wissen, wer der Kerl darin war, wenn er damit auf 'Beutezug' wäre. Doch allmählich gelang er zu der Überzeugung, dass er genug aufgeräumt hatte, und begab sich vor die Tür, um nach all dem Staub ein wenig frische Luft zu schnappen. Gerade rechtzeitig, denn schon näherte sich ein älterer Mann, der vor einiger Zeit schon mal hier gewesen war.
»Bewahre!«,
grüßte der Speermeister, den Eintreffenden, als er nahe genug herangekommen war,
»du bist sicher hier, um dein Werkzeug abzuholen!?«
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Ein ehrlicher Kerl ist er also auch., dachte der Sippenkrieger, während er da so auf seinem Dach saß und Dekker bei seinem täglichen Training zusah. Drei Pfeile waren leider daneben gegangen und erst beim dritten hatte der junge Lehrling angefangen seine Liegestütze zu machen. Aber er hatte sie gemacht und das war es, was letztendlich das Positive war. Ein unehrlicher oder fauler Mensch hätte die Liegestütze wahrscheinlich nicht gemacht und genau solche Leute konnte Griffin weder besonders leiden noch in seiner Lehre gebrauchen. Wenn jemand etwas von mir will, dann soll er sich auch gefälligst dafür anstrengen und sich an eine gemachte Verabredung halten. Wie ein Mann. Der Krieger streckte sich in seiner Sitzposition einmal kurz und ließ ein leises Stöhnen von sich hören, welches Dekker allerdings nicht wahrnahm oder nicht wahrnehmen wollte. Jedenfalls reagierte er nicht erkennbar. Stattdessen hatte er sich seinen Bogen geschnappt und einen weiteren Pfeil entlassen. Ein knapper Treffer zwar, aber es war ein Treffer.
Applaudierend erhob der Krieger sich von seinem Schneidersitz und zog nun die Aufmerksamkeit seines Schülers auf sich. Dieser schien… auf jeden Fall sehr überrascht über die eigenartige Position seines Lehrmeisters. Er war es wohl nicht gewöhnt, dass Leute auf Dächern saßen bzw. standen. Noch nicht… »Schau nicht so, Jungchen.«, sprach der Krieger mit kraftvoller Stimme. »Hier oben ists eben einfach am gemütlichsten. Ist doch klar, dass ich dann hier oben sitze, oder nicht?« Mit einem großen Satz sprang der Hauptmann vom Dach und landete sicher einige Schritt von seinem Schüler entfernt. Der ungläubige Blick hatte sich mittlerweile in eine Art Erstaunen oder auch leichte Bewunderung gewandelt. »Aaaah… Wie ich sehe hast du deine Mandeln noch. Wenn du den Mund noch weiter aufmachst, dann sehe ich vielleicht noch, was es heute morgen zum Frühstück gab.«, scherzte Griffin und ließ sich im Schneidersitz auf den Boden fallen. »Ja, hopp… Jungchen.«, trieb er schließlich seinen Schüler an. »Wir… oder noch besser… du bist hier nicht einfach nur zum vergnügen. Also hopphopphopphopphopp… Ab an die Arbeit. Ich will mal was sehen.«, gab der Meisterschütze Anweisung und klatschte in die Hände, als wäre Dekker eine Art Diener, der der Belustigung diente. »Wenn du willst, dann kannst du jetzt auch mal versuchen die Zielscheibe zu treffen, Jungchen.«, beendete Griffin seine Anweisungen und wartete gespannt auf die ersten Ergebnisse seines Schülers.
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Nachdenklich stierte Siana zu den riesigen, dunklen Pfeilern hinüber, welche in der Mitte des riesigen, im Licht der Abendsonne glitzernden Sees aus dem ruhigen Wasser ragten, als wollten sie noch lange an die untergegangene Burg erinnern, die sich irgendwo auf dem Grund des Sees befinden musste. Immer, wenn die Sildenerin die Türme sah, stellte sie nur fest, dass sie dort waren, hatte sich dabei aber nie gefragt, warum sie überhaupt dort waren. Zumindest bis zu dem Moment.
Da recht wenige Bauarbeiter dazu bereit gewesen wären, die wohl gewaltige Festung unterwasser zu errichten, musste diese schon länger dort stehen, als der See hier existierte. Aber wie konnte das sein? Die Lebensader des größten Gewässers in Myrtana kam unverkennbar aus Nordwesten. Ab da wusste die Adanosgläubige nicht mehr weiter, denn sie erkannte keinen Sinn darin, dort irgendwo einen Damm zu bauen. Das konnte aber auch daran liegen, dass sich ihr der Sinn sämtlicher Dämme verschleierte. Was hatte es denn für Vorteile, Wasser aufzuhalten? Abgesehen davon, dass diese Strukturen früher oder später ohnehin brachen. Als Beispiel hielt die Burg im See Sildens her, in der nun wahrscheinlich Fische statt Paladine lebten.
Das typische Sirren eines Pfeiles brachte die Bogenschützin dazu, wieder auf ihren Lehrling zu achten. Eigentlich nicht nötig, er machte ja alles von selbst. Kurz warf sie einen Blick zum Baum, den Miracoli unter Beschuss nahm, und bemerkte, dass bereits wieder zwei Projektile im Baum steckten. Mit einem gewissen Abstand zueinander zwar, aber verfehlt hatten sie nicht. Noch bevor Siana wieder zu ihrem Schüler blicken konnte, gesellte sich ein dritter Pfeil dazu.
Drei Treffer hintereinander. Nicht schlecht, dachte sie mit Freude über den Fortschritt ihres Lehrlings. So langsam konnten sie sich der nächsten Übung zuwenden.
"Das waren, wie du bemerkt hast, drei Treffer am Stück", unterbrach die Lehrmeisterin ihren Schüler, der gerade einen neuen Pfeil zur Hand nehmen wollte, sich dann aber ihr zuwandte. "Dann können wir damit anfangen, das Schießen aus anderen Positionen zu üben. Du wechselst jetzt einfach nach jedem Schuss deinen Standort und somit den Abstand zum Baum. Du musst ein Gefühl dafür bekommen, wie hoch du den Bogen halten musst, um zu treffen." Mit diesen Worten richtete sich die Adanosgläubige auf und ging mit einem Pfeil in der Hand auf den besagten Baum zu. Dort hob sie das Projektil auf ihre Stirnhöhe und zog eine waagerecht verlaufende Einkerbung im Holz.
"Du versuchst nun, nicht nur den Baum zu treffen, sondern auch noch möglichst dicht an dieser Markierung", deutete Siana auf das neue Ziel, "und, wie gesagt, aus verschiedenen Positionen. Du musst erst einmal den Dreh rauskriegen, aber ich denke, du sürftest das schaffen. Dann fang mal an."
Nachdem die Bogenschützin geendet hatte, ging sie die paar Schritte zu dem gewohnten Baum zurück, unter dem sie sich wieder niederließ. Der Hüne ging gemäß ihren Anweisungen einige Schritte nach rechts, ehe er sich wieder an das Training machte.
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„Aidar, könntest du das in der Taverne aufhängen?“, Gwydion reichte dem Wirt der Sildener Taverne gerade ein paar Handzettel, die er im Verlauf des Tages geschrieben hatte.
„Klar…“, brummte der Wirt, nahm die Handzettel entgegen und Gwydion wandte sich wieder hinaus, um in Silden selbst noch ein paar der Zettel anzubringen.
Die letzten Paar Zettel brachte er am Marktplatz an. Die Hände in die Hüften gestemmt betrachtete er sein Werk. Schlichtes Papier, auf das mit möglichst leserlicher Schrift, da hatte er sich ausnahmsweise wirklich einmal bemüht, geschrieben stand:
Pilgerreise
Das Wüstenvolk Adanos’ bricht in neun Tagen auf zu einer Pilgerreise nach Khorinis, zur Lichtung des Zwielichts, ein Ort des Gleichgewichts zwischen Licht und Schatten und den Adanosgläubigen heilig. Es ergeht Einladung für alle adanosgläubigen Brüder und Schwestern des Waldvolkes sich dieser Reise anzuschließen.
Die Reise nach Al Shedim dauert etwa vier bis fünf Tage, von dort aus geht es mit dem Schiff nach Khorinis, ins ehemalige Minental.
Wer sich anschließen möchte, möge sich in drei Tagen bei Sonnenaufgang an der alten Eiche einfinden.
Leichtes Reisegepäck wird empfohlen, Proviant für fünf Tage etwa, vor allem Wasserschläuche und -flaschen für die Reise durch die Wüste.
Waffenfähige Pilger mögen ihre Waffen mitnehmen, es können sich auch Schwestern und Brüder anschließen, die nicht den Weg der Druiden gewählt haben.
Die Gruppe wird von einigen Druiden und Sippenkriegern begleitet.
Bei Fragen dienen die Druiden der Kavernen als Ansprechpartner.
Nun, das sollte ausreichend sein. Gwydion nickte leicht zu sich selbst.
Indem er die Hände wieder in seine Hosentaschen schob, machte er sich pfeifend wieder auf den Weg nach Hause, um Feen zu berichten, dass alle Zettel verteilt waren und dass er sich darum gekümmert hatte, dass ein Bauer auf ihre Kuh Melly aufpassen würde in der Zeit, in der die beiden nicht da waren. Wenn es nach ihm ginge, könnte die Reise schon morgen losgehen, aber wenn sie zu früh in Al Shedim ankamen, saßen sie da auch nur faul herum.
Da übte er eben bis es losging noch ein wenig an seinen akrobatischen Fähigkeiten. Es konnte ja nicht schaden.
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Scheinbar war sein Lehrmeister auch noch ein hervorragender Artist, eine weitere Fähigkeit um welche Dekker Griffin beneidete...
Inzwischen spulte er seinen Bewegungsvorgang fließend ab, Pfeil aufnehmen, auf die Sehne legen, spannen, konzentrieren, ausatmen und 'Feuer frei!'... Wieder begutachtete Dekker seinen Schuss und wieder bückte er sich zu seinen Strafliegestützen... Griffin amüsierte sich über den Schüler, der so pflichtbewusst vor seinem Lehrer schwitzte... Dekker schaffte die Übung kaum mehr... So durfte er eben nicht mehr vorbeischießen...
Mit noch größerer Konzentration als bisher ging er an seinen nächsten Schuss... er zog den Pfeil aus dem Köcher, der sich langsam leerte, sammelte seine Gedanken in dem Punkt, den er an der Rinde des Baumes anvisierte... Oberschenkel anspannen, Hintern zusammenkneifen... Sehne spannen, bis an die Wange zurückziehen... Einmal noch die Lungen gefüllt... Ausatmen und los... Der Pfeil katapultierte sich in Richtung des Stammes...
Klong... Knarzen... Treffer versenkt...
Faustbreit steckte der Pfeil im Holz, excellenter Schuss fand Dekker, auch war müder Applaus vom Hausdach zu vernehmen... Übertrieben gekünstelt drehte Dekker sich um und verbeugte sich vor seinem Lehrmeister... Der daraufhin mit gebieterischer Geste die Fortsetzung der Übung verlangte...
Drei Pfeile hatte Dekker noch im Köcher, sein Ziel war zumindest einen davon noch zu versenken und sich dann die vierzig Liegestütze runterzuschrauben...
Hochkonzentriert ging er wieder zum Schuss über... wieder fixierte er seinen Geist auf einen Punkt am Baumstamm, sein Atmen verlief ruhig, für einen Bruchteil einer Sekunde hörte alles um ihn herum zu Existieren auf, alles schien auf seinen Schuss zu warten... FFFiiiuuuu ab ging die Post für den Pfeil...
Dekker behielt die Hand an der Wange, bis er den Aufprall hörte...
Klonk... vergeblich wartete Dekker auf ein Knarzen... Pumpen hieß es deshalb für den Jäger... Der Pfeil war wie so oft abgeprallt und hinterließ lediglich einen dicken Kratzer im Holz...
Nach der zwanzigsten Liegestütz ließ Dekker sich auf den Boden fallen... Für einen Moment verharrte er in dieser Position und ruhte sich aus, ehe er stühnend aufstand... Sein Brustkorb glich einem Flammenmeer...
Zwei noch..., zwei Treffer wollte Dekker aus den letzten beiden Pfeilen machen...
Kurz beruhigte er seinen Atem und seinen Puls, ehe er das gewohnte Bogenschieß-Ritual vollbrachte... Ganz ruhig brachte er den Bewegungsablauf hinter sich, langsam atmete er aus und ließ die Bogensehne aus seiner Hand gleiten... Diese schleuderte den Pfeil nach vorne, zielgerichtet auf die Buche zu... Diesmal kam das Knarzen... der Pfeil saß...
Nach ein wenig Applaus von den billigen Plätzen, sowie einer kurzen Ausruhphase, wollte Dekker auch den letzten Pfeil aus seinem Köcher versenken...
Alles lief wie gehabt ab... Der abgeschossene Pfeil schien wie auf einer Linie Dekkers Konzentration zu folgen, für einen Moment überlegte er, ob er den Pfeil sogar ablenken konnte, verwarf aber den Gedanken wieder, er war ein Kreiger und kein Druide...
Die Buche stöhnte unter dem erneuten Treffer des Bogen auf und Dekker vernahm ihren Schrei... Des einen Freud, des andern Leid, ging Dekker durch den Kopf... Drei von Vier... eine Quote die er bislang nie geschafft hatte... Griffin sank federleich von seinem Hausdach herab und schritt auf Dekker zu...
'Gut gemacht, gar nicht schlecht... Du gefällst mir, sehr diszipliniert... Du hast heute wieder Fortschritte gemacht... Wirklich stark... Du wirst sicher mal ein guter Schütze...'
Dekker errötete von dem Lob seines Lehrers und machte sich sofort daran die Pfeile einzusammeln... Vor einer Woche wäre er jetzt sofort in die Taverne gegangen und hätte sich hemmungslos betrunken, heute aber dachte er nur daran, dass er vielleicht noch einen Köcher auf den Baum abschießen konnte...
Griffin beobachtete Dekkers Fleiß lächelnd und erließ seinem Schüler aufgrund dessen die Strafliegestützen, die er heute Abend noch durch Fehlschüsse anhäufen würde...
Geändert von Dekker (19.05.2008 um 19:56 Uhr)
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"Bewahre!", schallte es dem Greis entgegen, als er die Werkstätte des Rüstungsschmiedes betrat. Mit einem freundlichen "Zum Gruße!" antwortete er und schritt an Bengar heran.
"Du bist sicher hier, um dein Werkzeug abzuholen!?"
Fu Jin Lee nickte bedächtig.
"In der Tat, deshalb bin ich hier."
Bengar kramte kurz in dem geordneten Durcheinander, wenn man den Ordnungszustand der Werkstatt als solches Beschreiben wollte, herum und zog die Waffen hervor, die der Alte bei ihm bestellt hatte.
"Einmal Hammer, Beil und Hohlbeitel zum Mitnehmen."
Mit einem Lächeln auf den rissigen, alten Lippen nahm der Greis die Werkzeuge entgegen.
"Ich danke Euch vielmals. Ohne Euch hätte ich wohl keine Möglichkeit, mein Handwerk zu ergreifen. Ich werde Euch das Geld, das ich Euch schule, alsbald zurück zahlen, wenn die erste Honigernte ansteht."
Der Rüstungsbauer wank nur ab.
"Ach, das ist kein Problem!"
"Dann werde ich mich am besten sofort ans Werk machen. Habt nochmals Dank."
Mit freundlichen Worten, die ihm in selbiger Art erwidert wurden, verabschiedete sich der Greis und verließ Bengars Werkstatt.
Nun hatte er alles beisammen, was er benötigte, um sein Handwerk erneut zu ergreifen. Lächelnd blickte Fu Jin Lee im Gehen auf die Werkzeuge, mit denen er noch heute Abend beginnen würde, die Holzstämme auszuhöhlen und den Bienen so ein geeignetes Nest zu bereiten. Zuerst würde er mit der Axt ein grobes Loch hinein schlagen, um mit Beitel und Hammer die Feinarbeit zu erledigen.
Zufrieden betrat er nach einigen Minuten des Fußweges sein Haus, das wohl eher einem wüsten Bretterverschlag glich als dem, als das er es bezeichnete. Für die Bedürfnisse des greisen Mannes jedoch, der vierzig Jahre seines Lebens in einer Höhle in Askese verbracht hatte, waren die Umstände bezüglich des Komforts gänzlich ausreichend, und außerdem hatte die Hütte einen unschlagbaren Vorteil: dahinter befand sich ein durch mannshohe Hecken abgeschirmter, verwilderter Garten, in dem seine Bienenstämme in Ruhe würden aufwachsen können. Vor wenigen Tagen erst hatte er die Holzstämme mit Hilfe des Schwebezaubers in den Garten befördert, und nun würde die Bearbeitung folgen.
Zunächst jedoch ließ sich Lee nieder im Lotussitz, um eine Weile zu meditieren. Der Tag hatte seinen Geist zu sehr aufgewühlt.
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