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  1. #61
    Solaufein
    Gast
     
    Der Einmaster schob das Wasser sanft von sich hinfort, die Schneise war friedlich und nicht mehr so brutal, das Wippen hatte abgenommen und die Spritzer der Gischt blieben so gut wie aus. Kein Zweifel, das Boot des Fischers hatte ruhiges Gewässer erreicht. Nicht auf dem Meer, nicht bei Windstille auf offener See, nein, in den Hafengewässern Drakias, die seltsam gespannt darauf warteten, wie die seltsamen Gäste weiter bestehen wollten. Die Fackeln hatten den Weg zum Pier gewiesen, doch der Fischer kannte sich aus. Das Gepäck lag bereit zur Schulterung und ohne große Worte und Gesten verließ der Leichnam als Erster das Schiff.
    »Er zahlt.«, war sein trockener Kommentar zur Lage, begleitet vom auf Ritley zeigenden Daumen. Er brauchte das Gesicht des Gefährten nicht sehen, um zu wissen, wie sich für Augenblicke eine empörte Miene darauf festigte, ehe auch sie wieder in die Gleichgültigkeit verfiel. Ein schelmisches Grinsen blieb aus, einen von vielen Zeichen des Leichnams, das er zurzeit keine Muse mehr für Freude oder Schalk hatte. Total unaufgeregt und keinerlei Nervosität erkennen lassend, lagen doch fast schon sichtbar die Tonnen der Anspannung auf den Schultern, von denen der Leichnam den größeren Teil der beiden schulterte. Drakias ursprüngliche Bestimmung und der Einfluss davon wurde ferngehalten, isoliert und doch konnte man ihn nicht vollkommen loswerden, er begleitete die beiden.

    Für eine Nacht nur wollten sie hier bleiben, der Proviant würde schon in wenigen Stunden in ihren Taschen liegen, sie brauchten nicht viel, sechs, sieben Pfund, mehr Gewicht sollte keiner durch Nahrung und Wasser zunehmen, ihre Beweglichkeit und Kondition sollte nicht belastet werden, das Ziel lag nah, das Flimmern um den Ort war fast schon wahrnehmbar, so nah waren sie. Zwei, drei Tage hielten sie es ohne Nahrung aus, vor allem der Todesengel, zur Not konnten sie sich versuchen an der Natur zu bedienen oder zurückkehren, aber ein Scheitern aufgrund Proviantmangels schien unwahrscheinlich, nein, so gut wie unmöglich. Zwei, drei Tage nur brauchten sie, der Knochen hatte alles akribisch geplant, die Hinweise und Beschreibungen genau notiert und entschlüsselt, was leicht war, da sie kaum einer Entschlüsselung bedurften.

    Die Tür zum Gasthaus öffnete sich und sie traten herein. Es war vermeintlich voll, kaum freie Tische, viel Lärm, viel Geselligkeit. Das Schöne daran war, dass es laut und gesellig blieb, keiner schenkte den zwei unauffällig Auffälligen mehr Beachtung als nötig und berechtig war. Die Einwohner Drakias hatten genug fremde Gäste gesehen und sahen sie noch immer, die Gäste selber erkannten sie sowieso nicht. Vielleicht mochte die Mehrzahl der Drakianer ihn schon einmal gesehen haben, aber kennen tat man sie nicht oder es interessierte sie einfach nicht. Eine Ausnahme war der Wirt, der den Knochen sehr wohl kannte und dem sein Gesicht mehr als nur bekannt war.

    Von einem lässigen Werfen konnte nicht die Rede sein, als Sol den Goldbeutel dem Wirt präsentierte, es waren seine letzten Reserven, die letzten Stücke vom Kampf in der Todesarena und seinen Wettgewinnen, dreihundert, vielleicht zweihundertvierzig Münzen waren es noch, er zählte sie nicht, sondern schätzte bloß grob.
    »Wir brauchen leichten Proviant, nicht viel, zwei, drei Tage.«, gab er zu verstehen, was jedoch im Verborgenen, Stillen ablief war viel bedeutender als der Proviant. Mit dem Goldbatzen waren die angehäuften Schulden, die sich aus zwei oder gar drei zahlungslosen Besuchen ansammelten, beglichen. Den Pfand, den er dem Wirt freiwillig überlassen hatte, war bestimmt um einiges wertvoller, ihn wollte er nun zurückhaben. Es ging ihm dabei nicht um den materiellen, sondern viel mehr um den ideellen Wert. Es war ein schöner Stein, der ihn an das Abenteuer erinnerte, vielleicht sogar ein Glücksbringer, auch wenn er daran nicht ernsthaft glaubte, vielleicht war es aber nur nützlich diesen Stein zu besitzen, um ihn irgendwann einmal einer aufrichtigen, wertvollen Person schenken zu können, die es wert war ihn zu bekommen. Stillschweigend, dies sei noch einmal betont, ohne Worte und großes Aufsehen, übergab der Wirt zuverlässig und unspektakulär den sicher aufbewahrten Pfand, den ungeschliffenen Diamanten, an seinen Besitzer und nahm das Gold – ebenfalls nur mit dem Auge schätzend und nicht zählend – unter den Tresen.

    Ihre Henkersmahlzeit war schon gegessen, nun wollten sie nur noch einfach aber kräftig speisen und ins Bett gehen, um noch einmal die Kräfte zu sammeln, die sie brauchten.

  2. Beiträge anzeigen #62
    Fighter Avatar von Saraliel
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    Die Gilde Innos' im Forenrollenspiel
    Saraliel ist offline
    Es half und half nichts. So sehr Saraliel auch zurrte und zerrte. Der Bann lies sich nicht auf physische Art brechen. Es schien als könne keine Kraft dieser Welt brechen, was dieses Buch versiegelt hatte. Der Hüne lies das Buch fallen und hockte sich wieder in das Gras, wo er schon den letzten Tag gehockt hatte. Irgendetwas war sehr wichtig an diesem Buch, wichtig für ihn selbst. Er selbst war es gewesen der es versiegelt hatte. Soviel war klar. Doch die Runen waren verschwunden und doch den Fluch des Schamanen auch der Rest seiner magischen Kraft. Das Buch sollte geschützt werden für jedweder Gefahr, auf dass er es einst wieder lesen konnte und nun hatte er es auch vor sich selbst geschützt. Welch Ironie. Den Klauen seines Feindes war er entkommen, doch die Antworten die er erhofft hatte, hatte er noch immer noch vollends erhalten. Fast schon mochte man meinen das Schicksal spielte ihm einen bösen Streich. Leicht legte sich die Hand auf die goldene Flamme auf dem Buch. Er spürte etwas, etwas das nicht wirklich greifbar war und doch war es da. Es machte ihn wahnsinnig. Was sollte er nun tun? Hier sitzen bleiben und hoffen, dass die Magie wiederkommen würde und offenbaren würde was verborgen lag? Kein besonders kluger Vorschlag und kein besonders aussichtsreicher. Er musste fort von hier und Hilfe suchen. Jemand der ihm helfen konnte die Magie wieder durch seine Venen fließen zu lassen. Er hatte sein Leben auf’s Spiel gesetzt nur um einsehen zu müssen, dass Vengard wohl doch der richtige Ort war. Dort wo er wohl am Besten aufgehoben war. Ja einer der Magier musste sich seiner annehmen. Musste einfach. Sie würden keinen abweisen, der Hilfe brauchte. Außerdem war er selbst Novize Innos’ gewesen. Auch wenn er sich daran nur Bruchstückhaft erinnerte.
    In einem Anflug von Tatendrang sprang der Riese auf, packte das Buch und rannte los. Lief so schnell ihn seine Füße trugen in Richtung der Stadt Khorinis. Dort wo es hoffentlich ein Boot gab, was ihn zurückbrachte. Zurück in sein Heim. Sein Heim? War es noch sein Heim?

  3. Homepage besuchen Beiträge anzeigen #63
    Mythos Avatar von Ritley
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    Ritley ist offline
    „Beschissenes Wetter“, stieß der Schwarzhaarige erneut zähneknirschend aus, sich die Strähnen mit Müh und Not aus dem Gesicht streichend.
    Und so war es tatsächlich. Das Wetter hätte sich bei den Göttern in einem besseren Licht präsentieren können. Wolkenverhangen, kühl und windig war es hier in der ehemaligen Sträflingskolonie, deren tote Bäume trauernd und trist über den Köpfen der beiden Männer ihr Dasein fristeten. In ein kleines Waldstück hatte es sie verschlagen, unweit von Drakia entfernt, das sie vor nicht allzu langer Zeit an diesem Tag hinter sich gelassen hatten. Trotzdem erschien es dem Gildenlosen wie mindestens eine halbe Woche. Hier draußen in der Wildnis waren die Beiden auf sich allein gestellt. Auf die Fähigkeiten des jeweils anderen, vor allem aber auf die eigenen, die man einschätzen und -setzen konnte. Solaufein stellte sich ein weiteres Mal als erfahrener Wandersmann und unredseliger Weggefährte heraus – zumindest zum derzeitigen Zeitpunkt.
    Seitdem sie mit Sack und Pack aus Drakia geschritten waren hatten sie kaum mehr als eine handvoll Worte gewechselt. Wozu auch? Nötiges wurde zur Sprache gebracht, alles andere war uninteressant und lenkte nur von Dingen auf, die die eigentliche Aufmerksamkeit beanspruchen sollten. Die von verschiedensten Gefahren durchtränkte Umgebung, die Witterung, der zu bestreitende Weg und nicht zuletzt die Gedanken, die einen jeden von ihnen umgaben. Nichts desto trotz war beiden klar, das die vor ihnen liegenden Tage auch anderes beanspruchen würden. Angefangen von den Fähigkeiten im Kampf, die Aufmerksamkeit gegenüber harmlos erscheinenden Kleinigkeiten und der bloßen Intelligenz. Jedoch in Ausmaßen, die beachtlicher Natur waren.
    Gerade war der ehemalige Magus dabei, seine Stiefel auf Löcher zu untersuchen. Ihm war, als würde schon den ganzen Tag über Feuchtigkeit durch das edle Leder durchdringen, was eigentlich zu diesem Zeitpunkt noch nicht passieren durfte. Der Verdacht bestätigte sich nicht und dennoch wurde er das störende Gefühl nicht los. Womöglich froren ihm noch seine Zehen ab, weil er es sich einbildete...
    „Das Wetter wird heute nicht mehr besser“, stellte Ritley fest, womöglich unnötigerweise, sah Solaufein doch nicht im mindesten überrascht aus, „aber ich denke, wir sollten unseren Weg dennoch fortsetzen. Solange es nicht schlimmer wird, haben wir wenig zu befürchten.“
    Außer Zehen, die durch Einbildung abfallen können, fügte er in Gedanken hinzu und runzelte die Stirn für einen kurzen Moment, der ausrechte, um Solaufein´s Aufmerksamkeit zu wecken.
    „Nichts“, wehrte Ritley sogleich mit einer wegwischenden Handbewegung ab und lenkte das Gespräch zur Weiterreise, „Marschieren wir weiter, ehe die Dunkelheit uns die Sicht nimmt. Es sei denn natürlich, du hast auch dafür eine bessere Lösung als die Fackeln.“
    Wusste man es? Vielleicht gehörten zu den so vielzahligen Fähigkeiten des Solaufein auch welche, die mit einer Nachtsicht zu vergleichen waren. Überraschend wäre es nun wirklich nicht gewesen...

  4. Beiträge anzeigen #64
    Deus
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    Humpaaa ist offline
    Humpaaa erwachte, sein Schädel dröhnte, und auch ansonsten war sein Körper in keiner guten Verfassung. Kein Wunder nach einem zusammenstoss mit einem riesigen braunbefelltem Ungetüm. Der Troll war plötzlich dagewesen, Humpaaa hatte ihn nicht bemerkt, und das obwohl er ein eigentlich recht umsichtiger Jäger war.
    Er blickte sich, immer noch am Boden liegend, um. Keine Spur vond em Monstrum, nur abgeknickte Bäume und seine verletzungen zeugten von der unsanften Begegnung. Langsam und vorsichtig richtete er sich auf, und prüfte das Vorhandensein sowie die Funktinstüchtigkeit seiner Gliedmaßen, wie durch ein Wunder schien nichts gebrochen zu sein.
    Plötzlich bemerkte er dass ihm kalt war. Wie lange mochte er ohnmächtig gewesen sein, nachdem er mit dem Kopf gegen einen Stein geschleudert war?
    Es war später Abend, der Kampf, wenn man einen "Ein-Schlag-KO" Sieg für einen Troll gegen winen Menschen denn überhaupt als "Kampf" bezeichnen mag, war in den morgenstunden vonstatten gegangen.

    Von seiner Ausrüstung war nicht viel übrig, alles war zerstört und verstreut, seine Kleidung zerfetzt. So rette er was zu retten war, und das war nicht gerade viel mehr als sein Leben und die Kleidung an seinem Leib, und bewegte sich langsam und vorsichtig durch den Wald, bis er an den Waldesrand kam.
    In einiger Entfernung brannte das Licht eines kleinen Bauernhofes, diesen, so dachte er sich, galt es zu erreichen, um die nacht in Sicherheit zu verbringen, und sich zu erholen, dann wollte er versuchen nach Khorinis zu gelangen. Die Stadt konte nicht weit entfernt sein, soviel wusste er noch, auch wenn er viels anderes Vergessen hatte.
    Also ging er weiter, in Richtung des Hofes...

  5. Beiträge anzeigen #65
    Deus
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    Humpaaa ist offline
    Humpaaa näherte sich langsam und leise dem Hof, ein kleines Haus, ein paar Felder und eine Scheune, mehr war es nicht, ein Hof wie es sie in der Umgebung von Khorinis zuhauf gab...
    Er lugte durch ein Fenster, die Lichtquelle, ein Feuer, war unbewacht, in einem Bett unweit der glimmenden Glut lag ein schlafender Mann, er schien vom Gesicht her, so gut wie amn es auf diese Entfernung einschätzen konnte, noch recht jung zu sein. Humpaaa glaubte kaum dass dies der Bauer des Hofes war, eher dessen Sohn oder eine Hilfskraft.
    Nicht gewillt den Mann zu wecken, beschloss Humpaaa die Nacht in der Scheune zu verbringen, dort würde es mit Sicherheit Stroh geben, dass ihm zum Schlafen genügen würde.
    Leise öfnete er das Scheunentor einen Spalt und betrat einen dunklen Raum. Kurz geblendet, nach den helleren Schein der Glut, blinzelte er, doch schnell hatten sich seine Augen wieder an die Dunkelheit gewöhnt. Im hinteren Teil der Scheune befanden sich tatsächlich einige Heuballen, auf denen er sich ausbreitete. Kurze Zeit später war er Eingeschlafen...

    Ein Sonnenstrahl kitzelte Humpaaa's Nase, und er erwachte, sich einen lauten Nieser verkneifend. Kurz blickte er sich orientierungslos um, dann errinnerte ihn ein drücken seines Kopfes wieder an die gestrigen Ereignisse. Behende sprang er von dem Heuballen auf dem er genächtigt hatte, und sah sich etwas in der, mit ausnahme einiger Arbeitsgeräte ziemlich leeren, Scheune um. Die Tür war nur angelehnt, hatte er gestern vergessen sie ordentlich zu verschliessen? Oder war er schon entdeckt worden?
    Wied em auch sei, in seiner Situation würde ihm kaum etwas anderes übrig bleiben als sich zu offenbaen, sein Magen knurrte, und er würde wohl neue Kleidung brauchen, wenn er in die Stadt wollte. Und in diese wollte er, er brauchte neue Ausrüstung.

    Also verliess er die Scheune, malwieder blendete ihn das Sonnenlicht kurz. Plötzlich, jedoch nicht besonders überraschend, vernahm er eine Stimme: "He, du! Was hast du in meiner Scheune zu suchen?"
    Diese Worte kamen aus dem Mund eines etwas älteren Mannes, wohl des Bauern dieses Hofes.
    Humpaaa wendete sich dem Mann zu, der mit eiligen Schritten auf ihn zukam.
    Geändert von Humpaaa (10.08.2007 um 07:21 Uhr)

  6. Homepage besuchen Beiträge anzeigen #66
    Mythos Avatar von Ritley
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    Ritley ist offline
    „Eichenfässer unversehrt, werden diese Nacht geleert“, gab Ritley inmitten der sie umschließenden Stille auf einmal von sich – ohne jeden Anlass, einfach aus einem Bauchgefühl, höchstenfalls eines vorbeiziehenden Gedankens wegen.
    Sol blickte ihn fragend an, mit nicht einmal halber Aufmerksamkeit, den bestimmenden Rest auf die Umgebung der beiden Reisenden gerichtet. Es war Nacht, stockdüstere Nacht und sie befanden sich ihrer Meinung nach unweit von der ehemaligen Burg der Garde Innos' entfernt, also selbstverständlich auch noch im Minental. Sternenklar konnte man den Himmel nicht nennen, wohl aber in einem ausreichenden Maße von Wolken befreit, um das fahle Licht des Mondes auf den Krieger aus Gorthar und seinen Begleiter scheinen lassen zu können. Wie Schatten ihrer selbst bewegten sie die beiden, darauf bedacht, nicht gesehen, gehört oder gewittert zu werden. Ritley wandte hierfür einen einfachen aber dennoch wirkungsvollen Trick an: eine Salbe aus verschiedensten Zutaten, die der ehemalige Heiler nicht mehr genauer benennen konnte, wurde auf die Haut aufgetragen. Wölfe, Snapper – und was sonst noch so kreuchte und fleuchte – konnten ihre Witterung nur schwerlich aufnehmen. Ein nützliches Überbleibsel aus seiner Magierzeit, das seinen Nutzen nun erstmals beweisen konnte.
    „Ich hab ´nen verdammten Durst, Solaufein“, flüsterte der Schwarzhaarige weiter, den Bogen gespannt in den Händen haltend, dieses mal absichtlich. „Bist du dir sicher, dass es in diese Richtung zur Burg geht? Du weißt es, freilich, wirst es auch nicht vergessen haben. Aber ich erinner dich lieber nochmal dran: ich bin kein Magier und falls das Gitter immer noch dort ist, könnte es schwierig werden, geräuschlos in den Vorhof der Burg einzudringen. Falls es da nicht ohnehin von Orks wimmelt...“
    Die zu Schlitzen verengten Augen suchten die nahe und fernere Umgebung aufmerksam auf mögliche Gefahren hin ab, während der Krieger Ritley die Antwort immer noch schuldig blieb. Dessen Adleraugen wurden nicht fündig, starrten nun vom Mond gebannt gen Himmel. Glücklicherweise schienen sie keiner direkten Gefahr ausgesetzt, da der Körper des Schützen sich nach einer großen Mütze Schlaf sehnte. Solaufein wollte er es nicht eingestehen, schien der wandelnde Tote doch noch verhältnismäßig bei Kräften zu sein.
    Wenn wir wirklich auf dem richtigen Weg sind, ist der gemütliche, blutdurchtränkte Boden der Burg nicht mehr weit entfernt... WENN wir auf dem richtigen Weg sind.

  7. #67
    Solaufein
    Gast
     
    Sie waren durch den Pass gegangen, die dichten Felsen des Minentals, die Drakia und das Umland von der ehemaligen Sträflingskolonie im Süden, Osten und Westen getrennt hatte. Es fühlte sich schaurig an, wenn man sich ganz genau bewusst wurde, wie ein aufmerksamer Beobachter von weiter oben die beiden Gefährten wahrnehmen musste. Eingekeilt zwischen den unzerstörbaren Felsen, nur auf einem dünnen, hügligen, anstrengenden und nicht immer ungefährlichen Weg. Wenigstens konnten sich Feinde nicht leicht nähern, ihr Rücken war ohnehin gesichert, blieb also nur der Blick nach vorne… nach vorne war es auch, wohin Sols Augen jetzt spähten, hatten sie diesen Pass doch bereits gestern passiert und waren schon am Morgen mit den ersten Sonnenstrahlen aufgestanden. Das Adrenalin und die Anspannung hielten die Körper wach und aufmerksam, eine geringe, einstündige Schlafenszeit reichte dem Leichnam aus, um auch jetzt noch nahezu unbeeinträchtigt seinen Aufgaben nachzugehen.

    Von einer schillernden Nacht konnte jedoch keine Rede sein, der Mond war praktisch nicht existent, auch die Wolkendecke klarte nur immer mal wieder unregelmäßig auf und kalt war es zu allem Überfluss auch noch geworden. Kalt im Sinne von erfrischender Kühle, jedenfalls für den Nordmann. Diese zuckenden Luftwirbel auf der Haut hatten etwas Belebendes, Erfrischendes und der Atem wurde durch sie klar und rein. Dass es so kalt war ließ sich leicht erklären, denn es hatte die letzten Tage fast ohne Unterbrechungen geregnet und die beiden Schatten waren froh, dass es nun für eine Weile keine Niederschläge mehr zu geben schien. So stieg vom feuchten Gras und der feuchten Erde das kühle Nass wieder auf, ließ es in der Ferne neblig werden und so wurde es dann auch kühl.

    »Hast du immer noch nicht genug?«, fragte er scherzhaft in die Nacht hinein, dabei lief Ritley doch seitlich hinter ihm, bekam es aber dennoch mit. Wassermangel war wirklich sein geringstes Problem, er hätte dem Schützen sofort aushelfen können, doch er ging einmal schwer davon aus, dass auch die Vorräte des Todgeweihten noch nicht komplett leer waren. Überhaupt war die Luft feucht und seine Lippen ebenso, selbst an den Haarspitzen sammelte sich das Wasser.

    Noch vor einigen Stunden hatte er sich gespannt von seinem Kompagnon erklären lassen, was das für eine Salbe sei, die er sich aufgeschmiert hatte und die abscheulich stank, nur um sich gleichzeitig über Ritley zu wundern wie auch zu staunen. Einfallsreich war es wohl, ja, aber wozu der Aufwand? Die meisten Tiere schliefen um diese Uhrzeit, viele hatten auch viel mehr Angst vor ihnen als andersherum. Doch der entscheidende Punkt war wohl, dass sie jedes Raubtier mit Leichtigkeit hätten besiegen können, ausgerechnet der feige Schütze musste das doch zu gut wissen. Selbst die Angst vor den Orks empfand der Knochen als unbegründet. Auch Orks schliefen gerne bei Nacht und außerdem hatten sie letztes Mal kaum welche gesehen. Das wahre Orkproblem würde sie erst erwarten, wenn sie in jenes Gebiet eindrangen, was man "Orkgebiet" nannte, denn genau dort lag auch der so genannte Turm im Nebel oder Nebelturm. Ihr Ziel.

    »Gut, wir rasten.«, hielt Sol trocken fest und blieb stehen. Nun hatte sein Gefährte genug Zeit, etwas zu trinken. Der Leichnam indes ging in die Hocke und kramte die Karte heraus, die er vom Wirt bekommen hatte. Khorinis kannte er wie seine Westentasche, das Minental gehörte jedoch nur bedingt dazu, erst recht das Orkgebiet. Man konnte kaum etwas erkennen, Licht war Mangelware und der Aufwand eine Fackel zu entzünden, die ohnehin sofort wieder gelöscht worden wäre, war zu hoch. Es musste also so gehen. Er ließ seinen Finger über die Karte fahren und bestätigte seine eigenen Vermutungen noch einmal, nickte und schloss die Augen. Der Geruch der nassen Erde stieg in seine Nase und vor seinem geistigen Auge erschienen Bilder des letzten Burgaufenthalts, von Kämpfen, Kämpfen in denen er noch Morgendämmerung geschwungen hatte und siegreich war. Visionen, die neuen Mut machten, neue Kraft freisetzten und den Knochen antrieben, immer weiter, immer nach vorne…

    »Wer braucht schon ein Tor, hm? Wozu gaben uns die Götter Hände und Hirn? Komm, lass uns weiter gehen, die Burg ist nicht mehr weit.«

    Und wieder setzten sich die Füße in Bewegung, leicht schabend auf dem Untergrund, wabernde Silhouetten der Finsternis, unscheinbar und harmlos aussehend, aber in Wahrheit doch gefährlicher und geladener als jedes Raubtier im Minental je sein könnte.

  8. Homepage besuchen Beiträge anzeigen #68
    Mythos Avatar von Ritley
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    Ritley ist offline
    „Ich dachte bei meinem Durst auch nicht unbedingt an Wasser“, murrte der Schwarzhaarige, in Gedanken bei einer guten Flasche Wein, hin.
    Zum Glück und der Aussage seines Begleiters nach konnte es nun nicht mehr allzu weit bis zum ehemaligen Hauptsitz der Paladine im Minental sein, welcher wahrscheinlich so manchem lebensmüden Reisenden als Zufluchtsort diente. Für Ritley und Solaufein stellte die Burg ein halbwegs sicheres Quartier für die Nacht, sowie einen Ausgangspunkt für ihre weiteren Unternehmen dar. Der Nebelturm lag tief im Orkgebiet und obgleich sich die Grünhäute vor einer Weile in großen Zahlen gen Festland bewegt hatten, hielten sich dort vielleicht immer noch einige auf. Alte Khorinisorks, die von der gefährlichen Sorte. Keine klugscheissenden Möchtegernorks, wie sie auf dem Festland anzutreffen waren. Hier wussten die dunklen Gestalten noch, wie man einem kleinen Menschen Schmerzen zufügte und wahrlich: die Menschen waren verglichen mit ihnen nahezu unbedeutend klein!
    „Hast du dir eigentlich schon einen Plan zurecht gelegt?“, fragte Ritley den schräg vor ihm laufenden Mann.
    Statt einer Antwort fing er sich nur einen ebenso fragenden Blick ein.
    Präzisere Fragen... Ist schon klar, erinnerte er sich an die Worte des Leichnams, holte einen Zug der frischen, kühlen Luft um dann sich erklärend fortzufahren.
    „Für die Orks, den Nebelturm – unser ganzes Vorgehen, wenn wir im Gebiet der Grünhäute sind. Ich weiß, dass du nicht einfach guten Willens reinmarschieren wirst. Also raus mit der Sprache, oder bedarf es noch einer Nacht, in der du darüber schlafen kannst?“
    Während die beiden Gildenlosen nun Seite an Seite weiter schritten, Ritley auf seine Antwort wartete und Solaufein wie öfters zuerst schwieg, veränderte sich etwas in ihrer Umgebung. Kurz war zu meinen, dass ein großer Schatten vor ihnen auftauchte, ehe sich der Nebel wieder um ihn hüllte. Hatte Solaufein ihn bemerkt, ließ er sich zumindest nichts anmerken. Ritley schwebte vollkommen im Ahnungslosen. Wieder tauchte der Schatten auf, nahm langsam eine Form an. Nicht die eines Tieres, auch nicht die eines Menschen. Nur ein Gebilde der ehemaligen Sträflingskolonie warf einen derartigen Schatten: die alte Burg, die nach und nach zu einer Ruine verfallen würde – der Prozess war von einiger Zeit in Gang gesetzt worden und schien ausgezeichnet zu funktionieren. Wenn sie in einem, vielleicht zwei Jahren noch einmal hier vorbei kommen würden, würden nicht mehr als ein paar Mauerreste von der einst so stolzen Burg mit ihren einst so stolzen Männern zeugen. Der Lauf der Zeit machte auch hierfür nicht Halt.
    Es scheint, als hätten wir das Ziel für die heutige Nacht erreicht.

  9. #69
    Solaufein
    Gast
     
    Vorerst blieb es beim Schweigen auf die Frage des Ritley, denn im Moment gab es Wichtigeres, als sich um Fragen und Antworten zu bemühen. Ruhe war Trumpf, denn man wusste nie, was für schräge Typen oder gefährliche Vögel die noch immer nach etwas aussehende Burg für ihre Zwecke nutzten. Sie lag so zentral und war noch immer so verhältnismäßig leicht zu verteidigen beziehungsweise zu bewachen, dass man es kaum glauben konnte, dass sie nun einfach zerfallen sollte. Ein paar gesuchte Banditen, Vogelfreie und Steckbriefhalunken hätten es sich hier gut gemütlich machen können, oder vielleicht doch eher der neue Besitzer des Minentals, der noch mal an alte, große Zeiten anknüpfen wollte, mit welchem Plan auch immer? Oder waren es doch eher Orks oder andere Fieslinge, die jeden Besucher anstatt mit Gastfreundschaft mit mindestens zehn Messern zwischen den Zähnen begrüßten? Dann schon lieber ein Mädchencorps aus Khorinis, der praktischerweise gleich Wandertag, Nachtwanderung, Abenteuerreise und Pfadfindergroßübung hierher verlegte. Sehr praktisch wären auch die Vertreter eines geballten Handelkartells gewesen, die die Burg als regionalen Marktplatz nutzen wollten, um von dort aus erst Khorinis und dann global ihre Waren zu verkaufen. Am Ende fanden sie wohl das, was sie mehr oder weniger auch erwartet, erhofft und erdacht hatten. Nein, nicht den Schatz der Drachen, auch kein Huhn das goldene Eier legte, erst recht keine holde Maid, die schön, hilflos und rettungsbedürftig war und zum Glück – oder doch eher "leider"? – keine bis an die Zähne bewaffneten Irren. Also weniger Orks, sondern Menschen und das ganze Gesocks. Man sollte ja in Übung bleiben... Sie fanden… einen Zwerg, der gerade ein mysteriöses Pulver in einem Kessel füllte, eine Fackel hinein warf und… eine alte Frau, die seltsame Samen auf die Erde warf, einen Eimer Wasser holte, die Samen goss und… einen ulkigen Greis mit seltsamen Kopfschmuck, der einen Hebel an seiner Apparatur bediente, die daraufhin selbstständig zum Tor raste und… das Ende der Geschichte war jedes Mal das Gleiche, das Tor ging zu Bruch. Einmal gewaltiger als beim anderen. Das einzige Problem: Nichts davon fanden sie wirklich, denn Sols Phantasie war noch nicht dem Nichts gewichen, wohl aber seine Erwartungen.

    Das Tor rührte sich natürlich nicht, wie sollte es auch, die Gitter waren fest wie Steine, die wie Bäume wuchsen und wer war daran schuld? Böse Blicke zu Ritley waren nicht nötig, denn der Leichnam hatte damit gerechnet und es war ihm auch recht. Im Grunde genommen war es umso besser. Gemeinsam schielten sie durch die Gitterschlitze, lugten in die Dunkelheit, spitzten die Ohren, doch das Nichts ließ sich nicht so schnell vertreiben. Das wollten sie jedoch ändern und zwar schnell.
    Sol wies Ritley an ihm zu folgen und so umrundeten sie das gerade dort am Burggraben schlimm zerfallene Ruinenstück bis zu dem Teil, an dem die Mauer deutliche Risse und Löcher bekommen hatte und von wo man sehr gut in die Burg klettern konnte. Natürlich nicht, ohne zuvor ordentlich in die Hände gespuckt und die Muskeln gespannt hätte. Klettern bei Nacht, nicht ungefährlich, aber Sol hatte keine Angst, erst recht nicht vor einem Weg, den er schon einmal gegangen war… während sie so stillschweigend und unter dem Kullern und Bröckeln kleinerer Kiesel nach oben gelangten, hatte der Nordmann noch immer die Puste, um Ritleys Frage nachzukommen. Für jemand wie ihn war dies genau der richtige Moment, man hatte ja sowieso nichts anderes zu tun, außer zu klettern und aufzupassen.

    »Wir sind unsichtbar, schnell und tödlich. Brauch es da noch einen Plan?«, fragte er den unter ihm Kletternden, der mit einem harschen »Ja!« antwortete. Weiter oben grinste er lang und breit und sog die kühle Luft genüsslich dabei ein.
    »Ich habe keine Ahnung, wie es da drüben – Vorsicht -« und wieder flogen größere Brocken der Steine nach unten. »…aussieht. Im Grunde genommen ist es auch egal. Ich hoffe mal, nicht zu viele Orks anzutreffen, aber – Achtung.« Nun hatte es ihn wieder erwischt und er klopfte die Steine vom Körper, während er mühelos mit der anderen Hand an einem sicheren Stein und mit einem Fuß ebenfalls hing. »…es ändert nichts am Vorgehen. Ich will sowenig Aufmerksamkeit wie möglich, wir töten nichts, was sich nicht vermeiden lässt getötet zu werden. Wir greifen auch sonst nicht an, wenn es nicht nötig ist. Zur Not warten wir auf die Nacht, ehe wir zum Turm schleichen. Sobald wir drin sind, geht die Suche los. Es wird wohl in den Katakomben sein, denn ich schätze, oberirdisch hätten es die Orks längst bemerkt.«
    »Und wie finden wir es?«, gab Ritley zu bedenken.
    »Na wir suchen danach. Aber wahrscheinlich wird das gar nicht nötig sein…«
    »Hm? Wieso?«
    »Warts ab und sei einfach gewarnt. Sobald wir im Turm sind, sind wir in einem Gefängnis auf engen Raum. Wir müssen trotzdem vor den Orks unsichtbar bleiben und gleichzeitig die lauernden Wächter früher bemerken als sie uns.«
    Genau das war der Plan, simpel und schwierig zugleich. Was Ritley so gerne gewusst hätte, war mehr eine Ahnung als ein wirklicher Fakt, doch noch immer trug Sol das Buch des Unaussprechlichen bei sich und deutete den Hinweis, dass "sie alle, Gegenstand und Persona, stammen von selber Herkunft" die Magie des Buches die Wächter schon anlocken würde. Sie brauchten sie nicht zu suchen, man würde s i e finden…

  10. Homepage besuchen Beiträge anzeigen #70
    Mythos Avatar von Ritley
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    Ritley ist offline
    Geschafft lehnte sich der Schwarzhaarige einen Moment gegen die die brüchige Mauer, die sich hinter seinem Rücken befand, verschnaufte, kehrte sich den Dreck und die Gesteinsbröckel aus den Haaren und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Es war kühl und die Anstrengung beim Heraufklettern hielt sich in Grenzen. War es Angstschweiß? Nein, bestimmt nicht. NOCH nicht.
    Heilfroh, endlich halbwegs sicheren Boden unter den Füßen zu haben ließ der Schwarzhaarige seinen Blick über den kleinen, unscheinbaren Platz schweifen und war in Gedanken noch bei den Worten seines Gefährten.
    „Keinen richtigen Plan zu haben ist auch ein Plan“, entgegnete er Solaufein vollen Ernstes, erhob sich und schritt langsam, gefolgt von ihm, in Richtung des Mittelpunkts des Platzes.
    Vorsichtig, darauf bedacht, keinen unnötigen Laut zu erzeugen und vor allem darauf, keine allzu gute Zielscheibe zu bieten. Man musste nicht, wer einen beobachtete. Niemals.
    „Wie beim letzten Mal?“
    „Wie beim letzten Mal.“
    Die beiden teilten sich auf, sodass jeweils einer nach links und einer nach rechts lief. Sie verloren sich im Schatten und tauchten einige Augenblicke später wieder nebeneinander auf. Einen fragenden Blick des Schwarzhaarigen später schüttelte der Leichnam seinen Kopf leicht und entspannte sich merklich.
    „Dann würde ich vorschlagen, sofort Quartier zu beziehen, bevor doch noch jemand kommt um uns unseren Platz streitig zu machen.“
    Es gab keinen Widerspruch und so waren beide Männer kurze Zeit später damit beschäftigt, sich ein provisorisches Lager im übrig gebliebenen Inneren der Burg zu errichten. Hier hatten sich Solaufein und der Schütze einst kennen gelernt und seitdem schien es, als würden sie sich gegenseitig einfach nicht loswerden – egal, was passierte oder nicht passierte. Und so drängte sich einem unweigerlich der Verdacht auf, dass sie gemeinsame Wege gehen sollten, sich gegenseitig von Nutzen waren und alles einen tieferen Sinn aufweisen konnte. Natürlich keinen, der sich ihm aufzeigen wollte, wäre ja noch schöner gewesen. Aber wenigstens konnte er sich mit diesen Ausreden vom Gedanken ablenken, dass es sich hierbei tatsächlich um eine Fügung des Schicksals handelte. Nun gut...
    „Ich hau mich auf´s Ohr, Solaufein. Die nächsten Tage werden wir auf einen Komfort wie diesen höchstwahrscheinlich verzichten müssen, also genieße es. Schlaf gut“, wünschte er dem Leichnam noch eine Gute Nacht, ehe er den Docht aufzischen ließ und das Kerzenlicht erlosch.
    Die nächsten Tage würden wahrlich anstrengend werden.

  11. #71
    Solaufein
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    Während Ritley schon seelenruhig schlief, bekam der Leichnam kein Auge zu. Gepeinigt von Erschöpfung war auch er, der Körper müde und gequält, die Muskeln kaum entspannt und der Rücken schmerzte. Gesegnet war der Gefährte, dessen innere Ruhe immerhin noch so groß war, dass er schlafen konnte. Ob er wohl gerade träumte? Sol tat es, jedenfalls sah er mit offenen Augen an die schwarze Decke der Burgkammer in der sie lagen und konnte Bilder wahrnehmen, Bilder die zueinander passten, keine Schemen mehr, keine wabernden Umrisse, kein abstruses Zeug wie man es sonst aus den Träumen kannte, sondern klare Bilder, die zu einer Geschichte passten. Seiner Geschichte. Es waren die Zeugnisse eines Lebens, jedoch schien es nicht sein Leben zu sein, sondern das Leben eines einfachen, leblosen Schwertes. Doch war nicht gerade dieses Schwert er, war es nicht gerade Morgendämmerung, durch das er sich definierte, durch das er zu dem ward, was er nun war. War diese Klinge wirklich so leblos wie alle Schwerter und Waffen, die geschmiedet wurden?

    Um eine Antwort auf die Frage zu bekommen, stand er auf, schnappte sich das griffbereite Schwert und schlich sich leise nach draußen, raus in den zerstörten Burghof, hin zu der eingestürzten Mauer, von wo man einen hervorragenden Blick hatte und auch gut einen Platz fand. Der Schwertmeister begutachtete die Waffe des Gunos, der ebenso ein wahrer Meister in seiner Zunft war, er sah eine Waffe, die so wunderbar ausbalanciert und so schnörkellos gearbeitet und erschaffen wurde, dass man kaum dabei herum kam sie perfekt zu nennen. Oberflächlich war es auch ein Schwert, wie es nur Ausnahmeschmiede herzustellen vermochten und das mit Sicherheit in der Hand von großen Kriegsherren ebenso einen Platz gefunden hätte, wie unter der Hand eines Freigeistes, doch es fehlte ihm die Seele. Und wieder stellte er sich die Frage: Kann in einer Waffe so etwas wie Leben stecken?

    Für diese Nacht blieb die Antwort fern, die versteckten Sterne schwiegen sich aus, die Götter wollten diese Nacht nicht mit ihm reden und so akzeptierte er ihre Entscheidung ebenso wortlos und ging tief in sich. Diese ganze Reise, diese ganze Fassade, diese vielen Leiden und Strapazen, das alles auf sich zu nehmen eines einfachen, einzigen Stück Metalls wegen, es war schon ein unbegreifbares Stück für den menschlichen Verstand, auch für den seinen. Vielleicht musste es ja deswegen unbedingt sein, vielleicht musste deswegen dieses Schwert eine Seele haben und wenn es bloß seine eigene war, die durch die Gedanken auf die Waffe übersprangen. Doch so gut und schlüssig ihm diese Antwort gefiel, war sie nicht perfekt ausgedacht. Der Leichnam spürte das ihm typische Kribbeln und wusste, dass es eine andere, ihm unbekannte Antwort geben musste. Wieder einmal waren höhere Mächte im Spiel, die sich ungern in die Karten schauen ließen, doch er spürte sie und er war bereit für ihre Antworten auf diesem Weg dorthin zu sterben und wenn es nur eine einfache Illusion war.

    Zurück in der Kammer, griff er zielstrebig nach dem Buch des Unaussprechlichen, dessen Macht kein bisschen gewichen war, im Gegenteil, die magische Aura schien zuzunehmen, seitdem sie sich im Minental befanden. Er war kein Magier und sicher auch nicht magisch versiert, deswegen war es möglich, dass er sich irrte, aber das bloße Gefühl bestätigte ihn in seinen Ahnungen, Prognosen und Berechnungen. Mit einem mutigen Ruck öffnete er das Buch willkürlich auf einer zufälligen Seite, worauf sich der Magieschwall entlud und erneut versuchte seine Gedanken zu beeinflussen. Der Drang war so stark, dass selbst Ritley für einen Moment aufzuwachen schien, murmelte, nach Luft schnappte und wieder weiterschlief. Für den Knochen war diese Magie eine gute Ablenkung, verordnet von seinem obersten Berater. Er durfte keine Fragen stellen und nicht zu viel nachdenken, er musste dieses Schwert wieder bekommen und noch mehr Unwege durften einfach nicht sein. Er musste sich auf das Buch konzentrieren, auch wenn es ihm dafür viel abverlangte.

    Erst als die großen Kämpfe zwischen der Magie und ihm ausgefochten war und er die Stimme in seinem Kopf wieder hörte, schloss er das Buch wieder und legte es weg. Nun endlich brach auch über ihn die Erschöpfung hernieder und er konnte endlich den wichtigen Schlaf finden, wenn es auch nicht lange währen sollte.

  12. Beiträge anzeigen #72
    Drachentöter Avatar von Lopadas
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    Lopadas ist offline
    Geordnet aber durcheinander lagen viele Blätter auf dem Arbeitstisch des Feuermagiers. Er hatte alle seine Notizbücher herausgeholt und suchte nach einem bestimmten Abschnitt in einem dieser Bücher. Die Papiere lagen unordentlich übereinander, aber der Diener Innos' wusste noch ganz genau, welche zu einem Buch gehörten. Ebenfalls auf dem Tisch stand eine kleine Puppe mit schneeweißen Haaren. Doch sahen diese Haare nicht gepflegt aus, sondern waren durch die lange Zeit im Meer struppig und glitischig geworden, sie erinnerten mehr an Maden als an weißes Haar einer älteren Frau. Ich kenne diese Puppe, aber woher?, fragte sich der Barbier in Gedanken selbst und suchte weiter in einem verstaubten Notizbuch. Er hatte das Gefühl als würde ihn die kleine Person auf dem Tisch anschauen, als würden ihre Augen seinen Fingern folgen, so neugierig wie ein kleines Mädchen, welches seinem Vater bei der Arbeit zu sieht. Das seltsam daran war nur, dass diese Puppe keine Augen mehr hatte. Sie schienen herausgerissen zu sein. Genau aus diesem Grund kam dieses Spielzeug dem Hohen Feuermagier auch so bekannt war. Eher schwach erinnerte er sich an einen Vorfall vor einiger Zeit und zu diesem Vorfall suchte er nun seine Notizen. Lopadas hatte zu allem, was ihm in den letzten Jahren wiederfuhr Aufzeichnungen gemacht und nun zahlte es sich auch einmal für ihn aus, jedenfalls hoffte er das.

    Wegen dieser Puppe, welche er vor zwei Wochen gefunden hatte, unterbrach der Klosterling seine Studien über die Magie, aber er hoffte, dass ihm dieses Spielzeug weiterhelfen konnte, denn er wusste, dass sich in dieser Puppe noch ein Funken magischer Energie festgesetzt hatte, als würde dieser nur darauf warten wieder heller zu werden und der Wirtin Magie zu überlassen, aber scheinbar hielt es der Funke oder das magische Gefüge an sich, es noch nicht für nötig einen solchen Schritt zu gehen, denn das kleine Mädchen stand noch immer regungslos vor dem Magier und das schon seit vielen Tagen. Der Barbier hatte schon versucht das dreckige und gerissene Kleid abzustreifen, um die Puppe näher untersuchen zu können, doch das Spielzeug wehrte sich auf eine Art und Weise dagegen, die er nicht verstand. Im ersten Moment wollte er noch das Kleid ausziehen und drohte gedanklich die Kleidung zu zerschneiden, aber wenn er Hand anlegte, zuckte er immer wieder zurück. Er wusste nicht, ob sich dabei um eine Art Schutzzauber handelte, der sich auf die Psyche des Menschen auswirkte oder ob es noch eine Schutzfunktion seines Körpers war, der sich noch stark an die Ereignisse vor einiger Zeit erinnern konnte. Aber wenn sein Körper es konnte, warum konnte es dann der Barbier nicht?

    Während er schon langsam lustlos mit dem Finger über die Seiten seines Notizbuches striff, las er kurzer Hand das Wort "Gorthar". Sein Forscherdrang war sofort wieder geweckt und kein Anzeichen von Müdigkeit war mehr im Feuermagier zu spüren. Lopadas war nur einmal in Gorthar und dies war seines Erachtens auch der Ort an dem sich die Ereignisse mit der Puppe zu getragen hatten. Gespannt las der Diener Innos' Wort für Wort und mit jeder Zeile wurden die Erinnerungen aus den hintersten Ecken seines Gehirns hervorgekramt und fein säuberlich weiter vorn abgelegt. Jetzt weiß ich, warum diese Puppe mir so bekannt vorkommt, dachte er sich und las weiter. Damals, als er mit der jetztigen Obersten Feuermagierin, wegen seiner Heilungskunstausbildung nach Gorthar gegangen war, hatte es einen Vorfall mit einem Puppenmacher gegeben, denn dessen Kunstwerke waren lebendig geworden und hatten aus einem unerfindlichen Grund die Stadt angegriffen. Zusammen mit anderen Abenteurern hatte er versucht diese Puppen aufzuhalten, da alle Menschen, die von ihnen berührt worden waren, erstarrt waren und einen Zustand zwischen Leben und Tod eingenommen hatten. Der Barbier kramte weiter in seinen Erinnerung und fand heraus, dass die Gruppe das Heer der Puppen nur besiegen konnte, weil sie es geschafft hatten der Anführerin die magisch veränderten Augen herauszureißen und somit der Zauber aufgehoben wurde.

    Vor mir steht demnach die Anführerin, die wir nur mit viel Mühe hatten besiegen können Fast wäre der Hohe Feuermagier aufgestanden und einen Schritt zurückgegangen, denn mit den lebendig gewordenen Spielzeugen war nicht zu spaßen. Keine Waffe und keine Magie hatte starke Wirkung gegen sie, nur die Auflösung des Zaubers brachte den Sieg. Aber nun war sie zurückgekehrt. Lopadas hoffte nur, dass sie nicht auf ihn gewartet hatte, sondern nur zufällig an den Kai gespült wurde. Er wollte seinen Studien nachgehen und sich nicht wieder mit einer Meute von lebendigen Puppen herumschlagen, die ganze Armeen auslöschen könnten. Doch einfach zurück ins Meer werfen konnte der Magier dieses kleine Kunstwerk nicht, denn es ging immer noch Gefahr von dieser Puppe aus und außerdem brachte er es nicht wirklich über das Herz. Er wusste, dass die Anführerin am gefährlichsten war, aber trotz ihrer fehlenden Augen und dem schlechten Zustand strahlte diese Puppe eine Besonderheit aus, wahrscheinlich hatte der Puppenmacher diese mit viel Sorgfalt gemacht oder es war noch die verbleibende Magie, welche auf den Diener Innos' wirkte. Eins war aber sicher, er musste sich irgendwie vor dieser Puppe schützen und aufpassen, dass diese mit keiner magischen Quelle in Berührung kam, denn sonst wäre es eventuell um die kleine Hafenstadt Drakia geschehen.

    Der Barbier dachte über eine Bannung der Restmagie in ein Gefäß nach, wie er es auch schon mit einem Dämon gemacht hatte, aber er war sich nicht sicher, ob dies auch helfen würde, denn um etwas zu bannen benötigte man Magie und diese magische Kraft könnte der Indikator dafür sein, dass der kleine Funken magische Energie im Inneren des Spielzeuges sich um ein vielfaches vergrößert und der Anführerin Leben einhaucht. Dann wäre es enorm schwer den Zauber zu brechen, da keine direkten magischen Gegenstände sich mehr an der Puppe befanden, sondern die Magie aus dem Inneren kam. Ist vielleicht der Mensch auf die gleiche Weise entstanden? Haben die Götter einer leblosen Hülle Magie eingehaucht? Die Fragen hallten Lopadas durch den Kopf und versuchten Chaos in seine geordneten Gedankengänge zu bringen, doch dank seiner Selbstbeherrschung schaffte er es bald wieder für die richtige Ordung zu suchen und ging seinen Fragen der Reihe nach nach und suchte auch Lösungsansätze für das Problem: Puppe.

  13. Homepage besuchen Beiträge anzeigen #73
    Mythos Avatar von Ritley
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    Ritley ist offline
    Aufbruchsstimmung lag über den Köpfen der beiden Männer, die zu allem entschlossen und zu noch mehr bereit waren. Ritley fühlte sich willkürlich in die Rolle eines Romantikers hinein versetzt. Diese Gattung Menschen gehörte nicht unbedingt zu seinen liebsten, obgleich er selbst ein Reisender war, der sich ungern an einen Ort band – oder einfach nie die Chance dazu bekommen hatte. Wie auch immer...
    Romantik hin oder her, sie befanden sich mitten im Aufbruch, packten die letzten Ausrüstungsgegenstände zusammen, kontrollierten, ob die schon gepackten auch alle noch dort waren, wo sie sein sollten und beschäftigten sich im Allgemeinen mit all den Dingen, die man vor einer solch gefährlichen Mission lieber nicht außer Acht ließ.
    „Soweit fertig?“, fragte der Schwarzhaarige den Krieger und bekam es sogleich mit einem antwortenden „Soweit fertig“, bestätigt.
    Ihre schlicht gehaltene Ausrüstung war gepackt, mit einer kleinen Mahlzeit – genug um satt zu sein und dennoch so wenig, um der Beweglichkeit nicht zu schaden – hatten sie sich für den Abend gestärkt und mit den letzten Tagen, die sie der Erholung gewidmet hatten waren auch ihre Köpfe gestählt.
    Solaufein hatte keinen festen Plan, wie er in der Zwischenzeit auf die Fragen des Schützen hin mehrfach beteuert hat. Also mussten sie improvisieren, was dem schwarzhaarigen Gildenlosen nicht einmal missfallen wollte. Improvisationsvermögen war eine Eigenschaft von hohem Wert, überall auf der Welt, von äußerlichen, politischen oder beliebigen anderen Unterschieden nicht betroffen. Der Krieger aus Gorthar schien diese Fähigkeit immerzu zu fördern, ob bewusst oder unbewusst und allein deshalb war es für Ritley eine bereichernde Erfahrung, mit ihm unterwegs zu sein.

    Nachdem der Abstieg über die zur Hälfte eingefallene Burgmauer geschafft war – seiner Meinung nach eine komplizierte Angelegenheit als das Klettern nach oben – warf er einen orietierungssuchenden Blick in die nähere Umgebung, gleichzeitig nach Spähern und sonstigen Feinden Ausschau haltend, wartend, in welche Richtung Solaufein nun voran gehen würde und noch viel gespannter, welche bösen Überraschungen dort auf Schwertkämpfer und Schützen warteten.

  14. #74
    Solaufein
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    Es war schon langer kein Mittag mehr, auch die Zeit zwischen den Abschnitten näherte sich längst ihrem Ende, ja, war bereits darüber. Der Abend herrschte, doch was für ein Abend eigentlich? Die Sommersonne strahlte, wie sie es selten in den letzten Tagen getan hatte. Noch von einer verbliebenen Burgzinne aus hatte er ihre gewaltige Schönheit gesehen, nur um festzustellen, dass auch dieser Ort nicht der richtige war, um die volle Macht der Sonne wirklich sehen zu können. Auch hier blieben ihm nur Bruchstücke der Wirklichkeit, Fragmente, die jedoch schon für einen kleinen Menschen ausreichend erschienen. Nicht, dass es eine Wahl gab… einen Wind suchte man vergebens, beständiger Zug war nicht zu haben, hin und wieder kam eine launige Böe vorbei, doch sie ging und kam wie sie wollte und ihre Herkunft lag weit fern von seiner Heimat. Gorthar war nicht hier, der Geschmack und der Duft waren eindeutig.

    Wieder unten, war Ritley vor ihm, leucht keuchend, die Muskeln im Rückenbereich auflockernd, das Gepäck unruhig hin und her schiebend, dann ging er in die Hocke und fummelte an seinem rechten Stiefel herum.
    Der Knochen beobachtete ihn wie immer aufmerksam, blickte aber in Wahrheit nicht auf Ritley, sondern auf die schwarzen Flecken hinter ihm, die in Wahrheit gar keine schwarzen Flecken waren, sondern Gras, Steppe, Steine und Holz. Es war ein äußerliches Auge, er nahm die Dinge wahr, dachte aber an etwas völlig anderes in jenem Moment. Der Plan… wie war doch gleich der Plan. Genau… er griff instinktiv in die Tasche und rollte das solide, aber an den Enden schon geknickte und eingerissene Pergamentgut heraus. Khorinis… der Plan… wie war doch gleich der Plan. Moment. Sie waren hier, er deutete mit dem Zeigefinger auf einen komischen Punkt auf der nicht sehr einfach gezeichneten Karte hin. Und noch einmal ratterten die Zahnräder in seinem Hirn, das Wörtchen "Plan" kam darin erneut vor. Natürlich brauchten sie einen Plan, keinen Stadtplan natürlich, keinen Plan der khorinischen Mädchenheime, falls es so was überhaupt gab, sie brauchten eine Strategie. Aber zunächst mal brauchten sie ein genaues Ziel, er wollte keine unnötige Zeit verschenken und nur sinnlos im gefährlichen Orkgebiet herumlaufen. Der Hinweis aus dem Buch des Unaussprechlichen war eindeutig zweideutig, nämlich schwammig und doch nützlich. Der Turm sollte am Wasser liegen, an einem großen Wasser. Das Meer bot sich dankend an, also mussten sie ins Orkgebiet und an die Küste. Plötzlich fiel ihm etwas ein, ein Detail, welches schon vorher in seinen grauen Windungen lag, aber vor kurzem wieder neu erweckt wurde, nun hatte er es auch parat.
    Der Leichnam fuhr sich über den Schädel, feine Haare und etwas gröbere, aber alle schon wieder gewohnt verklebt und verschmutzt senkten sich nieder und wieder auf. Die Hitze, die selbst jetzt noch nicht nachgeben wollte, tat ihr übriges dazu, der Stirnschweiß ging glatt als sehender Passagier mit.
    Der Gefährte war mittlerweile mit dem Stiefel fertig, auch er hatte noch dem Sonnenschein, der Umgebung und seinem Rachen Aufmerksamkeit zugewendet, aber davon hatte er nichts mehr mitbekommen, das hieß, doch, den Rachen hatte man "gehört". Nun aber starrte er wieder, oder sah, oder blickte, oder erwartete, jedenfalls auf ihn. Sollte es jetzt losgehen? Ja? Nein? Vielleicht? Da endlich passierte was, eine Antwort, aber auf welche Frage?

    »Da oben gibt es einen kleinen Fluss, der sollte unser Anhaltspunkt sein, wenn wir ihm folgen, könnte es uns rasch ans Ziel bringen.«

    Ritley nickte, er verzog eine Grimasse ohne Bedeutung, zog eine Schnute und wickelte währenddessen das Pergamentgut wieder ein. Sie gingen los, hoch den Hügel, ein Fluss wartete…

    Und außerdem der Plan, der noch immer nicht gefunden wurde. Auch er wartete. Irgendwo…

  15. Homepage besuchen Beiträge anzeigen #75
    Mythos Avatar von Ritley
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    Ritley ist offline
    Ritley konnte sich des Gefühls, dass Solaufein immer noch keinen handfesten Plan parat hatte, einfach nicht erwehren. Um´s Verrecken nicht, wie er es immer zu sagen pflegte. Doch wenn er gerade dabei war, dem Krieger zu vertrauen, konnte er es auch gleich richtig. Leben hin oder her. Der Weg ins Orkgebiet an sich war schon von derart vielen Gefahren durchtränkt, dass Solaufein es ruhig als Willen irgendeines Gottes und Ritley es als reine Glücksache halten konnten, immer noch am Leben zu sein. Und wenn ihnen Gott und Glück schon bis dorthin hold waren stellte es doch mit an Wahrscheinlichkeit grenzender Sicherheit kein großes oder nicht zu verwirklichendes Problem dar, auch den Rest des Unternehmens damit zu begleiten.

    Doch wie der Bogenschütze beide Dinge aus jahrelanger, nicht selten schmerzhafter Erfahrung kennen gelernt hatte, stellten sie sich so quer wie die Katze, wenn man sie in einen Topf mit kochendem Wasser tunken wollte. Er konnte beides gleichermaßen wenig leiden...

    „Ich hoffe, wir finden den Plan bevor wir den Weg ins Orkgebiet gefunden haben. Ich selbst war noch nie dort, kenne aber genügend Leute, die dorthin gegangen und nie mehr wieder gekommen sind. Nicht gerade wahrscheinlich, dass sie seit Jahr und Tag ein nie enden wollendes Gelage mit ihnen abhalten. Sie sind wohl eher tot... Und genau dieser Tod wird auch uns erwarten.“
    Kein Bedauern, keine Angst, keine Zweifel. Nichts von alldem konnte man aus den letzten ausgesprochenen Worten entnehmen.

    Nein, höchsten ein klein wenig Vorfreude. Aber nur ein klein wenig.

  16. #76
    Solaufein
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    »Aye!«, gab er nur kühl von sich und ging weiter, überlegte aber währenddessen und dachte über die Worte nach. Unnötig, denn diese Gedanken begleiteten ihn seit Wochen, aber nur, wenn man die Erwartung eines Kampfes und des eigenen Todes auf diese Suche reduzierte, die Quintessenz aus den Worten lag schon seit vielen Monden Jahr und Tag auf ihm. Kein Grund also, sich Sorgen zu machen. Im Gegenteil.
    »Ausgezeichnet. Welch vortrefflicher Lohn, dann hätte sich unsere Suche ja gelohnt.«, fügte er noch hinzu, ehe er stumm den Satz fortsetzte und meinte: »Ich habe Durst, je eher sie kommen, umso besser…« Tatsächlich hatte er seit vielen Zehntagen nicht mehr getrunken, nein, kein Wasser, von Blut war natürlich die Rede. Der Drang nach dem roten Lebenssaft war nicht intensiv, es war keine Sucht, keine Droge und keine Lebensnotwendigkeit für ihn, so lange hatte er den Drang erfolgreich vergessend machen können, doch nun, wo es dauernd nur um dieses eine Thema ging und die Blicke immer mehr auf die schaukelnde Klinge forciert waren, stieg auch die Lust und das Verlangen nach Blut immer mehr. Der Rachen wurde kratziger und der bloße Gedanke an Blut ließ die Muskeln zucken. Noch war es auszuhalten und unterdrückbar, aber das Gefühl bedurfte keiner großen Analyse, er musste trinken, bald und erstmals spürte er auch das Blut in seiner Nähe, die einfachste aber vielleicht doch schwerste aller Lösungen, das Blut des Gefährten. Der Geruch war furchtbar, er kämpfte dagegen an, aber für den kurzen Moment sah er Ritley mit gierigen Augen an und verharrte, ehe er sich wieder im Griff hatte. Dann endlich ließen die Triebe nach und er konnte sich wieder besinnen, ein kurzer Moment bloß, aber es reichte aus.

    Es ging rasend schnell weiter, die Beine waren frisch, die Ausrüstung leicht und der Wille nach der entscheidenden Entdeckung, dem Ziel der Ziele, dem Turm des Nebels grenzenlos. Als sie am Fluss angekommen waren, was nicht lange dauerte, hatten sie eine Anhöhe passiert und eine gute Aussicht auf die Umgebung. Eine nahe gelegene Felsenkette versprach noch besseren Ausblick, doch sie sahen den riesigen Zaun auch so schon. Sprachlos war zwar anders, aber beeindruckend war das Ding trotzdem noch, trotz seines rüstigen Alters, weswegen auch schon einige Löcher in das Bauwerk gekommen waren. Dennoch ließen die beiden den Zaun und den Fluss vorerst mal links liegen und bestiegen vorsichtig die felsige Kantenanhöhe, die fast schon auf Stufe der Burgzinnen lag. Zwar kam ihnen eine Bergkette in die Quere, dazu die herannahende Dunkelheit, die dem Abend endlich alle Ehre verleihen sollte, aber der Blick reichte noch immer aus, um einen fantastischen Ausblick zu bekommen, sie konnten hinter den Zaun sehen, ja, aber eigentlich auch nicht, eigentlich sahen sie nur die Burg…

    »Verdammter Mist…«, murmelte er leise und drehte sich im Kreis. Irgendwas musste doch hier… ahhhh, genau das war es!
    »Lust auf eine kleine Kletterpartie?«, fragte er hämisch grinsend seinen noch immer ausschweifenden Begleiter und war doch schon längst weg. Mit einem gewagten Sprung an einer sicheren Stelle des Berges hatte er sich geradezu an die Wand geklatscht und nun Fels um Fels im Visier. Lange sollte es nicht so einfach bleiben, aber der Aufstieg war auch endlich, der Gipfel der Ebenenkante war schon in Sicht und somit motivierend und machbar. Außerdem war diese Kraxelei wunderbar, so entging man gleich möglichen Gefahren, wer rechnete schon mit dem Angriff aus der Tiefe und wer wusste schon, ob es da oben nicht doch noch etwas zu "trinken" gab. Jedenfalls würden sie von dort sicher einen besseren Ausblick haben, auf dem Berg musste man über den ganzen Zaun sehen können, ein erspähtes Ziel war besser, als ein Gefundenes, man umging dabei nämlich die Suche. Langsam aber sicher schien es, als ob sich in seinen Hirnwindungen ein Plan heraus kristallisierte…

  17. Homepage besuchen Beiträge anzeigen #77
    Mythos Avatar von Ritley
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    Ritley ist offline
    Klettern, klettern und nochmals klettern. Langsam aber sicher quälte den Schwarzhaarigen Frage, ob sie es einem gewissen Meinhold Ressner nach machen wollten, der – in den entsprechenden Kreisen – als bester Besteiger von Bergen, Hügeln, weitläufigen Graslandschaften und der ein oder anderen Dirne galt.
    „Hach ja“, stoß er nun seufzend, immer noch in Gedanken an letztgenanntes, aus, fuhr sich durch das sich schon wieder verfilzende Haar und musterte Solaufein.
    Der Krieger schien ruhig, tief in Gedanken versunken, sodass er nicht von seinem Gefährten gestört werden würde. Manchmal wusste Ritley wirklich nicht, was er eigentlich von ihm halten sollte, wurde aber jedes Mal aufs Neue darauf gebracht, dass es auch ohne ging. Ohne, damit meinte er eben jenes Wissen über den ansonsten so schweigsamen Krieger aus Gorthar, welches er nicht besaß. Die Vergangenheit des Schwertkämpfers war ihm bisher noch nicht offenbart worden, die wenigen, von Zeit zu Zeit an die Oberfläche und zur Sprache kommenden Hinweise vermochte er noch nicht zu einem Gesamten zusammen zu setzen. Letztendlich also war auch dies ein weiterer Punkt, noch ein Weilchen in der Gesellschaft des Leichnams zu verbringen, der sich – zumindest dem äußeren Schein nach – langsam wieder aus seinen Gedanken in die Realität, in das Hier und Jetzt begab und Ritley einen fragenden Blick auf dessen allzu offensichtliche Musterung zuwarf. Der davon Getroffene schüttelte nur abwehrend den Kopf und deutete stattdessen auf die sich unter ihnen erstreckte Landschaft. Der sich ihnen bietende Anblick lenkte ein anderes, tatsächlich auch viel helleres Licht auf das Minental, wie sie es kannten – oder in diesem Fall nicht kannten. Dieser von Grund auf lebensfreundliche Ort war nicht zuletzt durch König und Orks in einem lebensfeindlichen verwandelt worden. In diesen wenigen Augenblicken jedoch, in denen sich die Sonne auf den Weg zu ihrem Platz weit oben am Himmel machte, das Tal in ein rot-orange schimmerndes Licht getaucht wurde und die Sonnenstrahlen die beiden entschlossenen, harten Gesichter kitzelte... war es einfach ganz anders. Eine neue Erfahrung, die sich in das Gedächtnis des Schützen brannte, zeigte sie ihm doch nun endlich auch die lang herbeigesehnte Kehrseite der Medaille Minental.
    „Jetzt sag bloß, der Plan in deinem Durcheinander, das man auch Kopf nennen mag, hat Gestalt angenommen?“
    Ritley starrte noch immer erstaunt auf das schwache Lächeln des Leichnams. Es war eines von der wissenden Lächeln, welches zeigte, dass sein Besitzer Anderen augenscheinlich etwas voraus hatte.
    „Komm schon. Man sieht es dir an, Solaufein. Raus damit, sonst schlagen wir hier oben noch Wurzeln. Die Höhenluft bekommt mir so oder so nicht... Umso schneller wir hier runter kommen, umso früher kommen wir zum Nebelturm und umso früher können wir auch dein Was-auch-immer schnappen...“
    ... Und ich mir hoffentlich den ein oder anderen Wertgegenstand, der sich in einem Turm dieser Geschichte finden lässt..., beendete der gildenlose Reisende seinen Satz mit Hoffnung geladen in Gedanken.

  18. #78
    Solaufein
    Gast
     
    »Es ist kein Wasauchimmer…«, hielt er trocken fest. »Es ist ein Hinweis für die Suchenden, die auf der Flucht sind, ein Köder für die Jäger, die zu Gejagten werden, eine Kerze im Schattenmeer unter Schatten, ein flüsterndes Wort für einen Tauben mit Wahnsinn, ein Finger unter den Händen die gierig geifern, eine Falle für die Legendensucher. Kurz, es ist ein Funken Hoffnung, für diejenigen, die blöd genug sind ihr Leben dafür zu geben. Blöd genug wie wir…«

    Das Schwert lag auf seinen Knien, die auf dem Gipfel der Bergplatte geradewegs nach Osten zeigten. Über den großen Wall herüber, Richtung Meer, Orks und einem Turm… er war angespannt aber nicht verkrampft, souverän und doch nicht ruhig. Seine Finger zitterten und ließen dennoch keinen Zweifel am festen Griff um den Knauf. Er stand unendlich langsam auf, wirbelte mit der Klinge einige schöne Formen in der Luft und streckte den Schwertarm schließlich so weit es ging in die eine Richtung, Richtung Osten…

    »Sind wir mutig, im Minental, im "Tal des Todes" zu sein? Nein. Sind wir naiv und sorglos angereist, wussten wir etwa nicht, auf was wir uns einlassen? Niemals. Waren wir arrogant und hielten uns für unbesiegbar? Auch dies nicht. Aber sind wir deswegen auch blöd? Wohl kaum… und doch, wir haben hier nichts zu suchen. Es geht uns nichts an… ich sehe unsere Feinde, doch ich sagen ihnen, Ritley, ich sage ihnen, "Wir kommen als Gäste. Dies ist nicht euer Land, doch auch unsere Heimat liegt nicht hier. Wir stellen keine Forderungen, wollen euch nichts stehlen. Wir kommen nicht um zu kämpfen, kommen nicht als Feind. Unser Ziel ist das Geheimnis, welches ihr auf eurem Boden hütet. Hütet euch vor uns und lasst uns gewähren, oder wir werden beide verlieren." Und so bete ich zu den Göttern, dass sie uns, aber auch unsere Feinde mit Vorsicht segnen und uns beschützen. Kein Ork soll an diesem Tag durch unsere Hände sterben…«

    Das Buch des Unaussprechlichen wanderte zwischen die Finger der Linken und schien wie ein lebendiges Herz zu pumpen. Sie waren seiner Herkunft nahe, kein Zweifel, dass sie auf der richtigen Insel, am richtigen Ort waren. Die Zeichen bewahrheiteten sich, die Schreie und Rufe kamen aus so unterschiedlichen Ecken und Enden und wurden doch alle an einem Ort konzentriert, ein Ort, den sie als Turm des Nebels kannten. Und nun, von dem hoch gelegenen Aussichtspunkt, wusste der Leichnam auch, wie sie gehen mussten. Er hatte einen Plan.

    »Siehst du diesen Wald, auf der anderen Seite des Flusses? Siehst du den Wasserfall an der Bergkette? Die Küste ist schon in Sicht, wir haben es so gut wie geschafft. Doch nun beginnt es erst. Du wolltest einen Plan, nun, ich habe einen Plan. Wir halten uns direkt an den Wall, dort endet der Fluss in einer Höhle, aber dort drüben scheint er wieder hochzukommen. Dort brechen wir durch den Zaun. Es sieht nicht danach aus, als ob die Orks noch dahinter stationiert wären, aber vielleicht im Hinterland. Also müssen wir uns hüten, wenn wir den Zaun durchbrochen haben. Von da an geht es immer Richtung Osten, bis wir die Küste erreicht haben. Wir werden den Turm sehr schnell sehen, er liegt auf einer Klippe. Also komm, folge mir, aber bleib dicht hinter mir und trödel nicht, wir werden ein hohes Tempo einschlagen, eine Pause machen wir erst am Zaun und danach an der Küste.«

    Und so steckte er sein Schwert zurück, verstaute das Buch, schnappte sich die Ausrüstung und spurtete los, halb geduckt, um durch die Größe nicht zu sehr aufzufallen. Beim Abstieg sprang er die meisten Passagen, immer dann, wenn es nicht zu hoch war. Wuchtig ging der Körper dann zu Boden, federte oder rollte ab und sprang gleich wieder. Ritley blieb dicht hinter ihm, aber das Schwerste stand dem Gefährten noch bevor. Er würde nicht auf ihn warten, sie mussten so schnell sein.

    »Komm schon, komm schon!«, hetzte der Knochen nach hinten, fand noch Kraft für klare Worte und sprintete weiter. »Und achte mehr auf die Umgebung als auf dich selbst. Unsere Waffen brauchen wir hier nicht, wenn uns ein Ork entdeckt, wäre es wertvoller für uns zu wissen, ob wir in den Fluss oder den Wasserfall hinab springen können, oder ob die Strömung zu stark oder der Wasserfall zu hoch ist. Wenn wir die Gefahren als Erste sehen, können wir auch als Erste reagieren.«

    Es spielte überhaupt keine Rolle, ob die beiden Rastlosen mit einem oder mehreren Orks mühelos alleine fertig geworden wären, sicher, sie verstanden was vom Kämpfen, aber einen Kampf mit Orks wollte der Leichnam um jeden Preis vermeiden. Es war nicht ihr Ziel, ihr Kampf, es hätte bloß das Gebiet aufgebracht und ihnen das Leben erschwert. Auch einen Ork tötete man nicht umsonst. Es hatte alles seinen Preis, alles seine Bedeutung. Genau daran und nicht an den Turm musste er jetzt denken, während sich schlagartig Schweiß auf der Stirn bildete und die Muskeln anfingen zu brennen. Das Tempo war mörderisch, die Stiefel berührten den staubigen Boden, Kiesel und Steine flogen durch die Luft und ehe sie wieder zur Ruhe kamen, waren die beiden Krieger schon längst weit entfernt. Schnell war der Wall erreicht, der Fluss überquert, nun hatten sie ihren Anhaltspunkt, einfach nur weiter, immer weiter, vorbei an den morschen Brettern zahlloser gefällter Bäume…

  19. Homepage besuchen Beiträge anzeigen #79
    Mythos Avatar von Ritley
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    Ritley ist offline
    Brennende Füße, ohnehin schon geplagt von den Strapazen der letzten Tage, durch schmerzende Blasen zu einem Höhepunkt des Schmerzes geführt, erschwerten dem Schwarzhaarigen das Rennen bedeutend. Solaufein kannte keine Gnade, spurtete weiter als würde sein Atem nicht rasen, als würde er nicht die gleichen Schmerzen verspüren wie sein etwas zurück liegender Begleiter. Auf ihn würde nicht gewartet werden, keinen Augenblick nach ihm umgedreht. Wer im Minental überleben wollte, musste auf sich selbst schauen, stark sein und erkennen, dass der Starke am stärksten alleine war. Sein Atem beschleunigte sich, raste war so laut, dass er glaubte die Orks würden ihn alleine daran schon von Weitem hören. Jeder Atemzug- und stoß brannte in der Lunge, die Kehle war nach kürzester Zeit trocken, sehnte sich nach einem Schluck Wasser, einem kleinen Schluck, ja, würde sich sogar mit einem Tropfen zufrieden geben. Und dennoch hatten die Rennenden Glück gehabt mit dem Wetter. Regnerisch die Woche darauf, diese Tage warm, aber dennoch nicht mörderisch heiß. Ein Umstand, den sie in diesen von Hast und Schmerz geprägten Momenten zu schätzen lernten.
    Der große, nicht enden wollenden Wall raste in den Boden gespitzten Baumstamm für Baumstamm an ihrer Seite vorbei. Große Beachtung wurde ihm nicht zuteil, konzentrierte man sich doch auf die Umgebung, von der tatsächliche Gefahr drohte. Die einzige vom Wall ausgehende Gefahr für Solaufein und den Schützen bestand nach Meinung des Letzteren daran, dass er einfach auf sie drauf fiel. Dann wäre ihnen, sprichwörtlich, der Himmel auf den Kopf gefallen.
    Mittlerweile waren die Bewegungen automatisch. Das gesamte Rennen, um sich blicken, immer weiter nach vorne preschen hatte einen Automatismus angenommen, der gleichzeitig befreiend und gefährlich wirken konnte. Befreiend, weil man sich nicht mehr mit aller Willenskraft zum Weiterrennen zwingen musste, gefährlich deshalb, weil man die vom Körper ausgestoßenen Signale nur allzu leicht nicht wahrnahm.
    So schweiften die Gedanken des Gildenlosen zu den Aussagen seines Gefährten ab. Was meinte er damit, wenn er sagte, dass kein Ork sterben würde? Kamen sie in eine entsprechende Situation, würde er nicht einmal einen Wimpernschlag zögern um einen Pfeil zwischen die Augen des Feindes zu platzieren? Dass die Verwirrung für Ritley damit noch nicht den Höhepunkt gefunden hatte, kam nun nicht überraschend. Weiter sagte Solaufein nämlich – was der Schwarzhaarige beim besten Willen nicht nachvollziehen, geschweige denn verstehen konnte – dass sie, er und Ritley, ohne Weiteres an den gesuchten Wasauchimmer kommen würden. Ohne Kampf, ohne Auseinandersetzungen irgendwelcher anderer Art. Zumindest, wenn er ihn richtig verstanden hatte, was er doch glaubte.
    „Sol!“, flüsterte er keuchend und nach Atem ringend dem sich in ein paar Schritten Entfernung vor ihm befindenden Angesprochenen zu, „wie weit...“, die Stimme versagte ihm, so trocken war die Kehle, „ist... es noch?“
    Diese verdammte Rennerei bin ich einfach nicht mehr gewohnt...

  20. #80
    Solaufein
    Gast
     
    Wie der Kopf eines jagenden Wolfes schwenkte das Haupt des Leichnams umher, spähte kritisch Richtung Fluss und Wall, aber auch auf den Boden und die Hügel, um mögliche Spuren zu entdecken. Während dem Laufen ließ er den Mund weit offen und die Zunge heraushängen, um so mehr Luft in die Lunge zu pressen, die Oberfläche des Geschmacksorgans bekam so den kühlen Gegenwind ab und kühlte sich ebenfalls herunter. Gegen die drohenden Seitenstechen presste er seine Bauchmuskulatur zusammen, das nahm ihm zusätzliche Luft, bekämpfte aber wirkungsvoll die Schmerzen. Dennoch war sein Atem verhältnismäßig ruhig, ganz im Gegenteil zum zurückfallenden Ritley. Das Hecheln hielt sich noch immer unter Kontrolle, war gleichmäßig und wirkungsvoll.

    Die Strecke sah von dem Felsenplateau aus so kurz aus, doch in Wahrheit war das Stück für einen Dauerlauf verdammt lang gewesen. Aber eine Pause gab es nicht, sie mussten durchhalten. Die Orks selber hatten ihnen den Weg bereitet, dort, wo einst prächtiges Gras und wilde Pflanzen, ja, Bäume und Sträucher wuchsen, war nun nur noch platt gedrücktes Ödland, Staub und Steine. Diese wirbelten, hielten sie jedoch nicht auf. Es war das perfekte Gelände, hügelig aber doch ohne zu große Schwankungen. Aber die Landschaft veränderte sich, wurde noch öder, noch mehr Leben entwich aus dieser Erde, die fast schwarz war wie auch Büsche, Bäume und Pflanzen. Ein Grün suchte man hier vergebens, wie auch jede andere satte Farbe. Selbst das Wasser des Flusses wirkte grau und bleich, aber diese Verderbtheit kümmerte ihn nicht. Er wollte hier ja kein Haus bauen, sondern nur vorbei.

    »Mach die Augen auf oder wenigstens die Ohren.« Sie waren endlich an der Endstelle angekommen und noch als Ritley ankam, war Solaufein schon auf dem Sprung. Das Holz war dick, mit ihren Fäusten würden sie da nichts anrichten können und sein Schwert war ebenfalls nicht die richtige Waffe dafür. Es blieb nur ein Weg, ein gefährlicher Weg, aber diese Gefahr war ihm lieber als die brachiale Gewalt, führte die Intelligenz doch oftmals eher zum Ziel. Sie wollten einen Plan? Der Leichnam brauchte keinen Plan, sein Plan entwickelte sich fortwährend. Im Moment der Anspannung musste man noch immer wissen, wo der Himmel war und wo die Erde. Ein bebender Brustkorb durfte keinen Schimmer vor die Augen legen.
    »Schnapp dir deine Sachen und pack zusammen, wir werfen sie über den Zaun. Leg alles ab, was du nicht brauchst, dein Leben hängt davon ab.«

    Schweren Herzens band er sein Schwert um die Ausrüstung, in der auch das Buch verstaut war, von dem er sich sonst nie trennte. Dann wickelte er alles zusammen und warf es tollkühn über die große Wand. Mit einem dumpfen Knall kam es auf der anderen Seite wieder auf, die Sachen waren so nah und doch unendlich weit fern und er somit wehrlos. Doch sie mussten es tun, die Strömung des Flusses war viel zu stark.
    Etwas Zeit zum Verschnaufen blieb, aber die gesammelte Kraft wurde schon beim bloßen Anblick in den reißenden Fluss aus den Zellen gesaugt. Der Wasserfall toste, er war wohl zu hoch, um den Sturz zu überleben. Aber was kümmerte sie der Wasserfall, vor ihnen lag bloß ein lächerlich kleines Stück, wenn sie den Wall überlisten wollten. Der tosende Fluss war ein starkes Element in der Verteidigung des Zauns gewesen, den selbst die Orks nicht bezwingen konnten. Sie erkannten die Macht des Wassers an und verzichten so auf weitere Sicherungsmaßnahmen an den Seitenlinien, ein fataler Fehler, wie sich herausstellen sollte.

    Der Knochen sog die Luft in die Lungen, entfernte sich jedoch von dem Fluss und ging wieder einige Schritte zurück in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Aber dann drehte er sich um und sah zu Ritley.
    »Wenn du dich stark genug fühlst, dann folge mir, ansonsten halte dich am seitlichen Ufer und am Wall und lass bloß nicht los… und wirf endlich den verdammten Bogen rüber, er wird dir hier nichts nutzen!«
    Dann war es soweit und er nahm Anlauf, ehe er kurz vor Ende der Landmasse absprang, direkt über die tosenden Wassermassen hinweg, bis… ans andere Ende. Das andere Ende? Wie schon an der Bergkette klatschte er an eine ähnliche Felswand, die dort das andere Ufer des Flusses bildete und krallte sich mit Fingern und Füßen an dem letzten Halt fest. Es war nass, es war glitschig, es war glatt. Das rettende Ufer war auf der anderen Seite, wo auch ihre Sachen lagen, aber dazwischen lag der reißende Flusslauf und eine Entfernung von gut zwölf Fuß. Und nun gab es keinen Anlauf mehr, keinen Punkt zum Abspringen, keine Dynamik. Aber war das wirklich so, war diese glitschige Wand alles, was ihn noch vor dem Wasser rettete? Zunächst musste auch Sol den Halt finden, die Wand kennen lernen, um sein Leben fürchten, aber als er die rauen Stellen erst mal gefunden hatte, begann er sich konsequent nach oben zu hangeln, Stück für Stück, ganz langsam, um ja nicht abzurutschen. Der Leichnam hatte einen Plan. Natürlich. Und er war gut. Lebensmüde, aber gut. Das war wichtig, denn man riskierte sein Leben lieber für gute, als für schlechte Pläne. Natürlich konnten auch diese schief gehen…

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