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  1. Homepage besuchen Beiträge anzeigen #181
    Mythos Avatar von Ritley
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    Ritley ist offline
    Ritley kannte die Müdigkeit, die von seinem Körper Beschlag nahm nur zu gut. Es war die selbe Müdigkeit, die ihn schon damals, als er das letzte Mal in Gorthar war, ereilt hatte. Es war die selbe Müdigkeit, die er auch in Al Shedim des Öfteren zu spüren bekommen hatte. Und es war die selbe Müdigkeit, die ihn langsam aber sicher zu nerven begann. Einher mit dieser Müdigkeit ging immer eine recht brummige Stimmung, wenn man es so nennen wollte, vor der kaum einer sicher war. Die einzige Person, die ihm diesbetreffend spontan einfiel war Elyna. Doch sie war es nicht einmal wert, auch nur einen bloßen Gedanken zu verschwenden. In den vergangenen Wochen mochte er sich geändert haben. Doch die Freude, den Krieger noch lebend zu sehen war echt – obgleich sie nur einseitig zu bleiben schien.
    Ritley, der den Launen des Mannes nicht über den Weg traute gab sich diplomatisch und ging nicht weiter auf den Kommentar ein, den er ganz genau verstanden hatte. Solaufein war ohne Zweifel ein herausragender Krieger. Doch von ihm besiegt zu werden – in einem echten Kampf auf Leben und Tod, indem nicht nur sein Stab sondern auch die Magie zum Einsatz kam – halt er für weniger vorstellbar.
    „Es freut mich auch, euch zu sehen, Solaufein. Habe ich neuerdings eine Leibgarde nötig? Dann wisst ihr mehr als ich, mein Lieber. Nun, tatsächlich handelt es sich bei diesem Mann um Andy. Ich habe ihn in der Taverne kennen gelernt und er möchte mit uns nach Al Shedim. Scheinbar hat er Interesse, sich dem Wüstenvolk Adanos' anzuschließen.
    Nun, wie auch immer. Wollt ihr uns ein lassen oder werden alte Gefährten nun vor der Türe stehen gelassen? Ich weiß, dass ich spät dran bin, Solaufein. Aber es kamen Dinge dazwischen, die nicht aufgeschoben werden konnten. Also versteht ihr das entweder und übt euch in Nachsicht oder unsere Wege werden sich dieses Mal schneller trennen, als sie wieder zusammen gefunden haben.“

  2. #182
    Solaufein
    Gast
     
    Nach diesen keineswegs diplomatischen Worten verließ er sein Versteck in der Dunkelheit und näherte sich den beiden, die ihn auch sogleich bemerkten, hach, er liebte dieses Gefühl, wenn eine kleine Lichtquelle von einem Besitz ergriff und ihn aus der Dunkelheit zerrte, es hatte etwas… imposantes. Während er noch seinem Gesicht eine mehr als tote Maske verpasst hatte und den beiden kalt in die Augen sah – und dabei trotz der Neugier über den Fremden, den der Wassermagier als „Andy“ vorgestellt hatte, mehr auf Ritley konzentriert war, der ihm zweifellos wichtiger war – ging es in seiner Abteilung für Vorstellungskraft wild her. Ein Teil von ihm wollte die beiden am liebsten tot sehen, erst recht nach dieser Provokation.
    »Wie schnell wirst du wohl deinen Stab vom Rücken kriegen, oh Unbedarfter? Selbst eine Warnung lässt dich anscheinend kalt und so rasch zum Opfer eines Überraschungsangriffs werden. Oh ja, es gibt keinen Grund dir einen Kampf anzukündigen, oh Magier der Hinterhältigkeit. Selbst mein Schwert ist schneller aus der Scheide und in deiner Brust, ehe du irgendwelche Formeln aufsagst oder Sterne vom Himmel holst. Und dein Stofffetzen könnte aus feinstem Erz sein und würde meiner Waffe nichts entgegensetzen können. Das Fleisch ist schwach, meines wie deines und sobald dein Kopf vom Rest abgetrennt wurde, werden auch deine heilenden Finger keine Macht mehr haben. Ich werde mich deines Gefährten genauso schnell entledigen wie von dir oder ihn sogar laufen lassen und dann mindestens deine Leiche im Garten vergraben, glaub mir, dort findet dich niemand. Und überhaupt? Erwähnte ich dir gegenüber schon mal, dass ich auch Dolche mit mir führe und keinesfalls untalentiert mit ihnen hantiere. Wozu dich warnen, indem ich die Hand an den Griff eines Schwertknaufs lege?...«
    Doch diesem starken Gefühl gab er sich nicht hin, nein, das war zu einfach, zu barbarisch und verstieß gegen seinen Kodex, außerdem hatte sein neuer Berater erheblich etwas dagegen. Als er die beiden dann genug gesehen hatte, grinste er nur und trieb ihnen so die Fragezeichen auf die Stirn.
    »In eurem Zustand noch so aufmüpfig, habt ihr keine Spiegel in dem Zimmer gehabt? Ihr solltet euch mal sehen, man seht ihr fertig aus! Lasst mich raten… Hafenunterkunft? Wohahahahaha…« er brach in Gelächter aus und hatte Mühe sich wieder zu fangen.
    »Ja, keine Spiegel, euer Zustand und die Tatsache, dass ich keine Gegenworte hörte. Ihr habt tatsächlich dort unten gepennt und lebt sogar noch, noch nicht mal überfallen was? Na, dann kann ich verstehen, warum ihr euch hier hintraut. Schlimmer als der Hafen bin auch ich nicht… oder doch?«

    Er beobachtete aufmerksam, wie und ob die beiden sein Schauspiel durchschauten, seine falsche Freude, seine übertriebene Freundlichkeit. Der Ansatz den die beiden ihm lieferten war wirklich komisch, aber Sol zog es vor darüber zu schmunzeln und nicht derart aus der Haut zu fahren. Im Grund genommen hatte er vor, ein ernstes Gespräch mit Ritley unter vier Augen zu führen, aber der Wassermagier kippte tatsächlich gleich um, so war er nicht nur kein würdiger Kampfgegner, sondern noch viel unwürdiger mit ihm zu reden. Da er ohnehin erst morgen nach Khorinis aufbrechen wollte, dies aber auch ein paar Stunden warten konnte, wollte er sie nicht länger draußen stehen lassen. Im Grunde seines Herzens war er ja ein guter Mensch, auch wenn dies kaum jemand beurteilen konnte, da ihn hier niemand wirklich kannte. So schloss er mit dem Schlüssel die Tür auf und bat die Gäste hinein, durchs Fenster wollte er sie ja nicht unbedingt bitten.
    »Wenn ihr was futtern wollt, in der Küche gibt’s noch etwas. Ansonsten sucht euch einfach nen bequemen Platz zum pennen.« Dann aber schnappte er sich noch den bislang eher wortkargen Begleiter des Magiers und funkelte ihn böse an.
    »Und du, Andy, denk nicht mal dran hier was mitgehen zu lassen! Zwar haben diese ganzen Sachen für mich keine Bedeutung, dennoch schätze ich Diebe noch weniger als die echten Opfer.« Für einen Moment herrschte angespannte Ruhe, die Drohung saß. Dann aber grinste er wieder gespielt und fügte hinzu: »Na, du siehst mir aber nicht aus wie ein Dieb, also viel Spaß in Sols Wunderland!«

    Mit diesen Worten entfernte er sich wieder von den beiden, sollten die doch machen was sie wollen und das einzige was sie wollten war wahrscheinlich ohnehin zu schlafen. Sein Eifer ließ keine Pausen zu und es wartete noch Arbeit, die gemacht werden wollte. Dennoch musste er diese neue Situation überdenken und für sich bewerten. Sollte Ritley ihn wirklich zum Festland mitnehmen wollen, so hatte er ein Problem, denn das Kastell war in Khorinis, jedenfalls war es das vor zwei Wintern noch und er konnte sich nicht vorstellen, dass man solch ein Gebäude trotz eines Orkangriffs mal eben von jetzt auf heute verlegen konnte… eine verdammte Zwickmühle.

  3. #183
    Solaufein
    Gast
     
    Die Nacht war genauso kurz wie er es sich ausgemalt hatte, aber die Konzentration auf die Arbeit litt unter der Anwesenheit der zwei Gäste, auch wenn diese wohl die ganze Zeit schliefen. Nichts desto trotz war seine Arbeit jetzt gemacht und er bereit aufzubrechen. Alleine deshalb schon musste er die beiden Besucher rausschmeißen, schließlich wollte er das Haus abschließen und runter zum Hafen, nur um auf eine tagelange Reise zu gehen, wenn nicht sogar noch viel länger. Allerdings war zuvor noch ein kurzes Gespräch mit dem Wassermagier angedacht, den er auch prompt im Untergeschoss antraf. Die Sonne stand an diesem Morgen schon hoch und so war es kein Wunder, dass auch der müde Magus inzwischen wieder seine Augen offen hatte. Zu viel vom Schlaf war sowieso nicht gesund.

    »Lasst uns in mein Arbeitszimmer gehen.«, deutete er dem Mann, der ihm daraufhin auch folgte. Sie gingen die knarrenden Holztreppen hinauf, vorbei an dem noch immer katastrophal aussehenden Abstellzimmer in dem der zerstörte Spiegel von seinen vergangenen Taten zeugte und als Schuldiger an den verwundeten Händen herhalten musste. Die Sonne flutete das großzügige Zimmer mit Licht und schenkte den Anwesenden Wärme, die Asche im Kamin zeugte von den vergangenen Arbeitstagen und auch sonst war hier alles andere als aufgeräumt, lagen Zettel, Bücher, Kelche, Krüge und Teller wild zerstreut. Er bat Ritley Platz zu nehmen, ließ es ihm aber frei zu stehen, sollte er doch machen was er wollte. Ihm ging es sowieso nur um eines, nämlich um das, um das er gestern Nacht noch betrogen wurde. Antworten.

    »Also«, begann er verheißungsvoll »was führt euch dieses Mal hier her?«

  4. Homepage besuchen Beiträge anzeigen #184
    Mythos Avatar von Ritley
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    Ritley ist offline
    Innerlich rollte der Magus mit den Augen, ließ sich aber nach Außen hin so wenig wie möglich anmerken. Wenn er in der Vergangenheit eines gelernt hatte dann war es die Fähigkeit, die Gefühle nicht nach Außen zur Schau zu stellen, wenn es nicht dringend erforderlich war. Und in dieser Situation konnte davon keine Rede sein.
    „Was mich hier her treibt? Nun, ihr, Solaufein. Ich habe euren Brief bekommen. Eigentlich wollte ich pünktlich wieder zurück in Gorthar sein, aber es gab Dinge, die mich aufgehalten haben. Pflichten, die ich auf mich geladen habe, ja, sogar feierlich schwor, ihrer gerecht zu werden. Diese waren es, die mich nicht eher gehen ließen.
    So schnell es ging machte ich mich dann wieder auf den Weg hierher, darauf bedacht, euch nicht noch länger warten zu lassen. Ich wusste nicht einmal, ob ihr überhaupt noch am Leben seid. Es ist ein gefährliches Gebiet, dieses Gorthar und besser werden die Zeiten auch nicht gerade. Ich konnte mir nicht sicher sein und habe die Reise dennoch gewagt.“
    Einen Moment lang suchte der Hohe Wassermagier nach Gefühlsregungen, die sich im Gesicht seines Gegenüber abzeichneten, wurde jedoch nicht fündig. Solaufein hatte sich nach wie vor gut unter Kontrolle.
    „Schneller ging es eben nicht“, sagte er noch einmal mit allem Nachdruck und wartete auf eine Reaktion des Kriegers, die mit Sicherheit nicht lange auf sich warten lassen würde.

  5. #185
    Solaufein
    Gast
     
    Nun, Ritley erzählte ihm da sicher nichts Neues, aber wirklich damit gerechnet hatte er auch nicht. Sie waren eben doch grundverschieden, für ihn gab es keine Dinge, die einer Verabredung zuvorgekommen wären, er wäre nicht erst an einem der zwei Tage dort gewesen, sondern pünktlich zur Stunde des Vollmonds, hätte den Wartenden dort nicht warten lassen, ihn nicht enttäuscht, aber so wie sie hier waren, so waren sie eben anders. Der Wassermagier diente einer Gemeinschaft und der Krieger nur sich selbst und den Göttern, von festen Bindungen an Gemeinschaften hielt er nichts. Wer wusste schon, was das für Arbeiten waren, die dem Magus so viel bedeuteten. Im Grunde genommen war es ihm auch egal, seine Gedanken waren längst woanders und hatten sich längst von der Abhängigkeit gelöst.

    »Ihr habt Glück, wirklich Glück, dass ihr mich noch so lange danach hier angetroffen habt. Als ich in meinem Brief schrieb, nach zwei Tagen wieder meine Wege zu gehen, so war dies nicht gelogen. In der Regel hält mich nichts lange hier und nur das Schicksal selbst weiß, warum es mich dieses Mal so lange an diesen Ort rasten ließ. Doch im Endeffekt… hat sich das als äußerst interessant herausgestellt.«

    Solaufein wand sich von Ritley ab und suchte etwas in seinen Aufzeichnungen, dann hatte er das Buch von der „Sage des Wunschlosglücklichen“ endlich gefunden. Wie es seinem Charakter eigen war, hatte er die vergangene Sache mit den letzten Worten wie ein ausgelesenes Buch zugeklappt und damit abgeschlossen, auch wenn sein Vertrauen zu dem Wassermagier nicht mehr das Höchste war, wenn es das überhaupt je war, gewährte sein Verstand ihm, dem Magier seine Entdeckung zu zeigen.
    »Hier! Seht dieses Buch, kennt ihr es vielleicht sogar? Die Angaben stimmen aus denen eines anderen, vollkommen unabhängig geschriebenen Buch überein. Sie sprechen beide von einem „Chromanin“, einem großen Rätsel. Es wird eine Menge Interessantes über dieses Chromanin geschrieben. Derjenige der es findet soll…« Nein, das würde er ihm nicht verraten. »Habt ihr vielleicht schon mal davon gehört? Ich würde euch gut dafür bezahlen. Ich brauche noch mehr Wissen über das Werk. Nun, da ihr sowieso schon mal da seid, werde ich euch auch gleich über meine hier beschlossenen Pläne unterrichten. Meine Reise zum Festland wird verschoben werden müssen, vielleicht sogar für immer, ich muss zunächst eine unaufschiebbare Reise ins Kastell der Dämonensekte unternehmen, also auf die Insel Khorinis. Ihre Bibliothek wird mit Sicherheit Antworten besitzen. Was sagt ihr dazu? Lust noch mal die Vergangenheit zu sehen?«

  6. Homepage besuchen Beiträge anzeigen #186
    Mythos Avatar von Ritley
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    Ritley ist offline
    Ritley schüttelte den Kopf zuerst sachte, mehr so, als wäre er sich selbst noch nicht wirklich sicher, dann aber immer bestimmter. Nein, davon hatte er mit Sicherheit noch nichts gehört. Zumindest konnte er sich an nichts Vergleichbares mit diesem Namen erinnern. Solaufein konnte ihn immer wieder überraschen. So hatte der Magus nicht gedacht, dass der Krieger ein Freund von Büchern war. Scheinbar hatte er sich diesbezüglich getäuscht.
    „Ich muss euch enttäuschen, Solaufein. Davon habe ich noch nie in meinem Leben gehört. Es ist ein recht ... eigenwilliger Name, den man normalerweise nicht so schnell vergisst. Aber ich kann mich beim besten Willen nicht daran erinnern. Tut mir leid.“
    So wenig Ahnung der Magus von besagtem 'Chromanin' hatte, so gut wusste er über das Kastell und die dazugehöhrigen Schwarzmagier und Dämonenbeschwörer Bescheid. Solaufein würde mit seinen folgenden Worten wohl enttäuscht werden.
    „Nun, es dürfte recht schwer werden, das Kastell auf der Insel Khorinis zu finden. Fakt ist nämlich, dass es nicht mehr hier steht. Dort wo es einst war ist nichts mehr von diesem eindrucksvollen Gebäude übrig. Es ist einfach nicht mehr da. Verschwunden. Weg.“
    Solaufein's Gesicht war immer noch wie versteinert. Ritley hatte gehofft, mit diesen Worten eine Gefühlsregung – und wenn es nur eine kleine war – auf das Gesicht des Mannes zaubern zu können. Nun, falsch gedacht.
    „Stattdessen befindet es sich nun auf dem Festland. In der Wüste, von der ich euch schon berichtet habe. Es hat sich samt ihrem Inhalt – ob nun Bücher oder die anderen Bewohner – dorthin auf einen Berg teleportiert. Ich selbst war noch nicht in ihm, habe aber den ein oder anderen Freund unter den Schwarzmagiern, mit denen ich engen Kontakt pflege. Auf Khorinis werdet ihr nicht finden, wonach ihr sucht.“

  7. #187
    Solaufein
    Gast
     
    »Was sagt ihr da?«, eine Spur von Entsetzen befand sich in seiner Stimme, die sich aber schnell daraus löste und mit dem angenehmen Wind durch das Fenster verschwand und wie verbrauchte Luft ausgetauscht wurde. So wie ein Wassermagier wie Ritley diese Worte sprach, gab es keinen Zweifel an ihrem Wahrheitsgehalt, auch wenn der reine Akt für ein normales Menschenhirn nur schwer verstehbar war und fast zum Verrücktwerden einlud.

    »Dieses riesige Gebilde… verschwunden? Teleportiert sagt ihr?«, er wusste von der Macht einer Teleportation, hatte selbst schon einmal eine am eigenen Leib erfahren dürfen oder müssen. Sie waren praktisch, wenn auch nicht sicher in seinen Augen. Nun, im Kastell gab es viele Magier und diese seltsam arroganten Dämonen. Das Potential war also da. Allerdings interessierten ihn diese Wirrköpfe kein bisschen, er hatte nur Interesse an ihrer Bibliothek, an ihrem Wissen. Und er wusste nur zu gut, dass die Dämonenanbeter großes Interesse an Gold hatten, sich somit selber an ihre Gier verrieten und sich so jeglichem Respekt beraubten. Nun, es mochte auch noch andere, interessantere Ziele und Absichten unter ihnen geben, aber ihre Leitlinie war klar. Ihm kam es nur gelegen und so löste er sich aus der Starre und tänzelte zum Fenster. Die Luft war mehr als milde und machte Lust auf mehr. Der Himmel war klar und nichts sagend, aber Ritleys Verspätung und sein Auftauchen jetzt, kurz vor seiner Abreise, es konnte nur Schicksal sein.

    »Nun, begleitet ihr uns zum Festland?« wollte er wissen.
    »Hm, still!«, befahl er barsch. Er musste nachdenken. Die einfachste Lösung sollte nicht immer die einfachste sein, aber sie bot sich wahrlich an. Vor einem leeren Berg konnte er nichts finden und wenn das Kastell noch existierte wie eh und je, nur an einem anderen Ort lag, so musste er eben darauf reagieren. Eigentlich konnte er so gleich zwei Fliegen mit einem Hieb schlagen, es war verlockend praktisch, aber gerade dies ließ ihn stutzen. In der Vergangenheit waren vermeintliche Geschenke der Götter eher Schattenspieler. So war es leicht möglich, dass aus einer helfenden Hand ein Dolchstoßkumpan wurde. Jedoch überstimmten sein Berater und der Zeitdruck seine Zweifel. So wie er ihnen vertraute, wollte er auch an Ritleys ehrlicher Maske glauben. Chromanin war einfach zu wichtig, allein der Gedanke daran ließ seine Augen leuchten.
    »Und ob ich das werde, da könnt ihr euch sicher sein mein alter und neuer Gefährte!«

    Er grinste und reichte ihm die von Wunden und Furchen übersäte Hand als Zeichen der Bereitschaft, es war an der Zeit ein altes Vorhaben anzugehen.

  8. Homepage besuchen Beiträge anzeigen #188
    Mythos Avatar von Ritley
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    Ritley ist offline
    Ritley hatte sich eigentlich gedacht, dass der Krieger länger brauchte, um über das Angebot nachzudenken. Freilich, bei seinem letzten Aufenthalt hier war dies ja eigentlich schon beschlossen worden. Doch seitdem hatten sich einige Dinge geändert und es war viel Zeit ins Land gezogen. Ihn nun aber in einer solchen Aufbruchsstimmung zu sehen weckte das Gefühl im Magus, dass er über etwas noch nicht Bescheid wusste – und sich dieser Umstand auch garantiert nicht mehr ändern würde.
    Die Hand befand sich immer noch vor ihm und wartete allem Anschein nur darauf, von seiner ergriffen zu werden. Narben zierten die Haut und zeugten von vielen Schmerzen. Schmerzen, die womöglich noch nicht vergessen werden konnten. Letztendlich ergriff sie der Schwarzhaarige aber dennoch kraftvoll, schüttelte sie und erhob das Wort zu einem erneuten Male, nun mit einem Unterton, der ebenfalls Aufbruchsstimmung verhieß.
    „So soll es sein. Dann werde ich wohl wieder auf eines dieser elendigen Schiffe müssen – viel früher als zuerst gedacht. Nehmt es mir nicht übel, mein Gefährte, aber danach werde ich mich einige Zeit lang nicht mehr vom Festland entfernen. Dieses ständige Hin und Her macht mich langsam wirklich verrückt.
    Andy wird uns also ebenfalls begleiten. Die Überfahrt wird einige Tage dauern, sollte aber alles in allem nicht sonderlich beschwerlich sein. Landen werden wir irgendwo in der Wüste. Die meisten Schiffe, die Gorthar verlassen steuern die Wüste oder Vengard an. Mich selbst treibt aber nichts dorthin. Andy möchte ebenfalls nach Al Shedim. Ich denke, dass ist der rechte Weg. Packt das Nötigste zusammen, aber auch nur das Nötigste. Ihr werdet sicherlich verstehen. Ich selbst habe nichts mehr bei mir, dass ich unbedingt brauche. Wir warten unten auf euch, Solaufein. Die am Abend auslaufenden Schiffe sind meist teurer, also sollten wir uns sputen.“

  9. Homepage besuchen Beiträge anzeigen #189
    Deus Avatar von Andy
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    Andy ist offline
    Der Wassermagie gab dem Krieger die Hand und dann sagten Ritley so hatte sich der Wassermagier ihm vorgestellt. Wir brechen dann in Richtung Al Shedim auf. Packt das nötigste Zusammen damit wir mit einem Schiff Gorthar verlassen können, denn die am Abend auslaufenden Schiffe sind meist Teuer. Ritley drehte sich um und wollte das schöne Haus verlassen. Andy blieb stehen und schaute den Krieger an den Ritley immer nur Solaufein nannte. Dieser schaute Andy auch an weil er dachte er sei ein Dreckiger Dieb was der Bogenschütze aber nicht ist.
    Andy stand da wie angewurzelt und brachte kein Wort heraus. Weil er nicht wusste wie der de Krieger fragen sollte. Dann fand er die richtigen Worte für seine Frage. Er räusperte sich und sagte dann "Wie du sicher schon gesehen hast bin kein normaler Mensch. Ich habe ein fast weibliches Gesicht und spitze Ohren. Dies sind die Merkmale meines Volkes.
    Mein Volk ist bekannt als Aleuba. Unser Heimatland ist Âelburin. Du denkst dir sicher warum erzählt mir dieser lang Haarige Mann seine Lebensgeschichte. Nun ich habe in der Burg im Minental einen Zettel gefunden auf dem stand das es hier in Gorthar hinweise auf den Verbleib von meinen Volk gibt. Nun wollte ich dich fragen weil du dich ja hier so gut auskennst weist du wo ich diese Hinweise finden kann? Vielleicht irgendwo in der Näheren Umgebung oder in der Bibliothek der Stadt denn ich weis nicht wo ich anfangen soll zu suchen. Ich habe jetzt beschlossen erst einmal Al Shedim erkunden und mich dann wieder auf den Weg hierher zu machen. Ich wäre dir Dankbar wenn du mir helfen könntest." Andy warte gespannt auf die Reaktion von Solaufein. Dieser schaute ihn etwas verdutz an und sagte dann.

  10. #190
    Solaufein
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    Ach ja, der war ja auch noch da. Sol hatte Ritley Begleiter schon fast wieder vergessen, obwohl der Wassermagier noch einmal absichtlich betonte, dass dieser ja mit von der Partie sein würde. Nun, das war dem Krieger eigentlich total egal. Er kannte den Kerl nicht, wusste nichts von ihm außer seinem Namen. Im Grunde genommen war er nur ein kleines Lichtlein, das in seinen Planungen keine Rolle spielte. Aber wenn sie ihre Reise gemeinsam bestreiten sollten war es ihm genauso recht wie andersherum, so würden sie vielleicht sogar noch Gold für die Überreise sparen. Und vielleicht war er sogar nützlich, jedenfalls hatte er ein Schwert und einen Bogen.
    »Na wen haben wir denn da. Ein feiger Fernkämpfer. Und dann auch noch wahrscheinlich Meister im Schwertkampf. Zu lustig.«, dachte er und grinste dabei. Es war Andys Pech, es hatte nichts mit ihm persönlich zu tun, aber solche Hampelmänner konnte er nicht leiden. Die meisten von ihnen waren Schwätzer und Angeber, die er selbst jetzt schon niederstrecken würde ohne sich anzustrengen. Und selbst wenn er nur seinen Bogen führen würde, wie es sich wohl anfühlte einen Widersacher erst mit zwei, drei, zehn Pfeilen niederzustrecken, ehe man sich ihm mal im Nahkampf stellen würde? Fast hätte er den Fremden danach gefragt, aber da war noch ein Detail, das ihn wütend werden ließ. Als ob Ritley es schon geahnt hätte, fuhr seine rechte Hand durch das Auge, aber das half dem Begleiter des Magiers auch nichts mehr.
    »Sagt mal, kennen wir uns? Wenn nicht, dann hört auf mich zu duzen. Wir sind weder Freunde noch Bekannte, hah, ihr seid nicht mal ein guter Feind von mir.« Er konnte dieses „du“ nicht leiden, es war ein Prädikat für wahre Freundschaft oder zumindest eines von den anderen Erwähnungen. Man musste sich sein Du verdienen, es war ihm egal, ob er damit Andy vor den Kopf gestoßen hatte oder nicht, die meisten hatten den Anstand dies zu wissen, es war eine Frage des Respekts. Ein Du, das war für ihn etwas Wertvolles, etwas, für das man sterben konnte. Aber seine Wut war schon bald verraucht, er wollte die Aufbruchsstimmung nicht zunichte machen, hatte andere Dinge im Kopf und außerdem schmeichelte ihm der Fremde gleichzeitig mit seiner Frage. Er wollte etwas von ihm wissen, nun gut.
    »Alles klar soweit? Gut! Dann zu eurer Frage: Gorthar ist groß und weit und wenn man dieses Land nicht kennt, werden euch die Ausmaße überraschen, sie sind nicht mit Khorinis vergleichbar, vielleicht mit diesem fremden Festland… Gorthar ist umgeben von dichten Wäldern, aber auch weiten Steppen. Außerdem gibt es eine große Bergkette, die einige Riesen beherbergt. Verschiedene Gletscher und Gebirge finden sich hier. Dort leben auch einige Stämme. Auch hinter den Gebirgen gibt es Siedlungen, Türme, große Reiche und Geheimnisse. Doch damit ist euch sicher nicht gedient. Da ich in der Tat nichts über euer Volk weiß, muss ich raten, aber wenn ich in Gorthar selbst nach Informationen suchen würde, würde ich in die Festung auf dem Hügel gehen. Allerdings ist dort schwer hineinzukommen. Ansonsten ist Gorthar eine Anlaufstelle von vielen Völkern und merkwürdigen Gestalten. Ich habe mein Leben lang gute Erfahrungen am Hafen und im… Untergrund gesammelt. Ja, ich denke so verachtenswert der Hafen auch ist, dort findet sich meistens etwas. Ansonsten kann ich euch nur einen ganz allgemeinen, simplen Tipp geben und der ist sogar vollkommen umsonst, da auch meine Reise dorthin führen wird auch kurz oder lang. Die Bibliothek im Kastell der Dämonensekte enthält oder enthielt einen enormen Wissensschatz. Sie liegt zwar nicht in Gorthar, aber davon würde ich mich nicht blenden lassen. Ansonsten muss ich euch enttäuschen, mehr kann ich euch nicht helfen.«
    Als das Gespräch schon beendet schien, fügte er noch etwas an:
    »Ihr wart in der Burg? Der Burg im Minental? Dann seid ihr entweder sehr mutig, oder es war zu einer anderen, besseren Zeit.« Den scharfen Blickkontakt zu Ritley haltend, wusste der Wassermagier, auf was Sol anspielte.

  11. Homepage besuchen Beiträge anzeigen #191
    Deus Avatar von Andy
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    Andy ist offline
    Andy war fast schon erschrocken als er das hörte was der Krieger ihm erzählte mit dem Duzen. Er war es schon fast gewohnt jeden zu Duzen aber wenn der Krieger es nicht wollte dann würde der Bogenschütze ihn auch nicht mehr duzen.
    Aber das waren Gedanken die Andy etwas verbarg der den Mann erzählte ihm nun was er wissen wollte.
    Nach dem Andys fragen zum Großen Teil beantwortet waren. Und der Braun Haarige sich sicher war das er das mit der Bibliothek im Kastell der Dämonensekte vergessen konnte, weil er dort keine Information über sein Volk gefunden. Fand er es für sind voll das er nochmals in einigen Monden hier kommen würde und das Umland der Stadt erkunden würde. Solaufein hatte ja gesagt das dass Umland riesig ist und es hier die Verschiedenstem Stämme und Völker gibt. Andy war dennoch verwundert als nun Solaufein ihm eine Frage stellte. "Ihr wart in der Burg? Der Burg im Minental? Dann seid ihr entweder sehr mutig, oder es war zu einer anderen, besseren Zeit." Andy lächelte etwas und sagte dann "Ich war sogar schon Zweimal in der Burg. In beiden Fällen war die Burg von Orks belagert oder von ihn besetz.Aber nun ist die Burg ja nicht mehr belagert von ihnen und man kann einfach so rein gehen." Andy hatte mit Absicht das Ihr immer schön betont damit sein gegenüber auch wusste das er etwas dazu gelernt hatte. Andy schaute Ritley an weil er wissen wollten was sie als nächstes machen werden.
    Geändert von Andy (17.04.2007 um 15:18 Uhr)

  12. Beiträge anzeigen #192
    Schwertmeisterin Avatar von Narya
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    Narya ist offline
    Und der Dunkle Gott hörte sie. Die Erde bebte, Fontänen von glühender Lava schossen an drei Stellen in ihrer unmittelbaren Nähe aus dem Boden und binnen Sekundenbruchteilen schien ein orkanartiger Wind über das Tote Land zu wehen. Es waren jedoch nicht die Windkinder, die sich ihrer Hilferufe erbarmten. Es waren düstere Schatten, die schnell wie Blitze zu ihrer Rettung herbeijagten, doch etwas anderes fesselte die Aufmerksamkeit der Lee noch viel mehr: Feuersturm stand lichterloh in Flammen.
    Ein Lächeln umspielte ihre aufgeplatzten, blutigen Lippen. Kämpf, hallte es in ihrem Inneren. Gehorsam krümmten sich Naryas Finger wie eine Klaue um den Griff ihres Schwertes und unter entsetzlichen Qualen und immenser Anstrengung schaffte sie es tatsächlich ihre Waffe empor zu heben, sodass sie sich einem Schutzschilde gleichend zwischen ihr und dem Dämonenlord befand. Ihr Gegner jedoch hätte auch ohne Feuersturm keine Möglichkeit gehabt die Banditin zu attackieren – die herbeigeeilten Schatten bildeten eine dunkle Mauer um sie herum und bewahrten sie vor weiteren, möglicherweise tödlichen Angriffen durch ihren Kontrahenten. Zitternd versuchte Narya sich aufzurichten. Zweimal brach sie dabei hilflos zusammen. Beim dritten Mal schaffte sie es endlich. Jede Bewegung schmerzte dabei wie tausende von Pfeilspitzen, die in einen ungeschützten Körper schlugen, und es fiel ihr unsagbar schwer sich auf den Beinen zu halten. Die Stimme in ihrem Innern schien zu applaudieren, ob dieser masochistischen Selbstfolter. Es war nichts anderes mehr als reine Willenskraft, die die Banditin stehen ließ. „Ich werde Dich töten“, zischte sie schließlich sogar dem Dämonenlord hasserfüllt entgegen, während Krämpfe ihren Körper durchschüttelten und beinahe lähmten. Der Angesprochene reagierte nicht. Die rot glühenden Augen waren starr auf die dunkle Armee der Menschenfrau gerichtet. Er kannte die Wesen, die sich ihm in den Weg stellten. Und er wusste nur zu gut, was es bedeutete.

    Wenn die Vorstellung nicht so absurd wäre, hätte man meinen können, dass er sie fürchtete. Narya allerdings war es momentan gleich, wer ihr zu Hilfe gekommen war und wieso sie solch lähmende Wirkung auf ihren Gegner ausübten. Sie schleppte sich gedankenlos vorwärts, mitten durch die dunkle Leiberwand hindurch zu ihrem Peiniger hin. Dieser rührte sich immer noch nicht. Noch zwei Meter. Der Dämonenlord zeigte keine Reaktion. Noch ein Meter. Immer noch blieb er reglos, immer noch verharrte er starr; die Augen einzig und allein auf die dunklen Schatten gerichtet – wie es schien. In Wahrheit war es Feuersturms helles Lodern, das den Dämonenlord erstarren ließ. Erst jetzt wusste er, welchem Gegner er gegenüberstand. Er blieb ruhig, als Narya ausholte. Er reagierte nicht, als ihre Arme unter der Ausholbewegung zitterten, obwohl es wahrscheinlich seine letzte Möglichkeit der Gegenwehr war. Und er wehrte sich auch dann nicht, als sie Feuersturm in seinen Körper stieß. Narya tötete den Dämonenlord mit einem einzigen Schlag. Er löste sich einfach in Luft auf.

    Als sie sich keuchend umdrehte, sah sie die schweigenden Schatten vor sich über der Erde schweben. Schweiß perlte von ihrer Stirn herab. Es waren finstere Gestalten, die sie aus leeren Augenhöhlen anstarrten. Ihr Anblick ließ sie erschaudern. Sie wusste nicht, was es für sie bedeutet, dass sie diese Diener Beliars sehen konnte, da sie sich über das Ausmaß der Angriffe des Dämonenlords nicht bewusst war.

    „Sagt eurem Herrn danke“, sprach die Kriegerin schlussendlich leise, während ihre Knie nachgaben und sie gen Boden sackte. Feuersturm fiel zu Boden. Es glomm nur noch ein wenig. Narya stützte sich stöhnend mit den Händen ab. Sie fragte sich nicht, wieso Feuersturm den Dämonenlord hatte vernichten können, obwohl all ihre anderen Waffen versagt hatten. Sie fragte sich auch nicht, warum sie die Schatten des Dunklen Gottes sah selbst als diese sich in alle Höllenrichtungen zerstreuten. Sie war zu erschöpft um sich Gedanken zu machen und zu glücklich am Leben zu sein. Als ihr Körper auf dem diamantharten Boden aufschlug, beförderte der Schmerz sie ins Reich der finsteren Träume. Sie schlief lange, ehe sie erwachte. Kein Wesen des Dunklen Reiches wagte sich in dieser Nacht in ihre Nähe. Ein Lächeln lag auf ihren Lippen, während heiße Tränen ihre blut verkrusteten Wangen herabrannen. Beliar, der Gott der Dunkelheit, hatte sich ihrer erbarmt und sie gerettet. Der Vulkan stieß einen heißen Ascheregen aus, der die Lee vollständig bedeckte. Es schien, als wollte der Berg mit diesem grauen Schleier verhindern, dass sie bewusst ins Zwielicht ging.

    Sie war verloren.

  13. Beiträge anzeigen #193
    Schwertmeisterin Avatar von Narya
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    Narya ist offline
    Müde sank sie auf einen Felsen und schloss die Augen. Schweiß rann ihr über das Gesicht und ihre Brust hob und senkte sich in raschem Abstand. Narya war am Ende ihrer Kräfte. Sie hatte den entsetzlichen Feuerwesen dieses Landes in die Augen geschaut und gegen jedes der Biester gekämpft. Sie wusste nicht, wenn sie ganz ehrlich war, wie sie es bis hierher geschafft hatte - natürlich hatten sich ihre Kampffertigkeiten in den letzten Monaten erheblich verbessert, doch das war bekanntlich nicht alles, was zum Überleben reichte. Ja, vielleicht waren der Krieg der Wüstenclans, die endlosen Kämpfe in den Arenen von Kazir und Marak und die unzähligen Bestien, denen sie auf ihrem Weg durch die Toten Lande entgegengetreten war, eine harte, aber eben auch eine lehrreiche Schule gewesen. „Du bist die beste Kriegerin der Al Scharim, der ganze Stolz Usariens“ hallten die Lobeshymnen aus ihren Arenatagen in ihrem Inneren und während sie sie noch vor Monaten mit Stolz erfüllt hatten, so riefen sie nun nicht mehr als ein höhnisches Gelächter in ihr hervor. Wie wenig waren solche Fertigkeiten, solche Anerkennung wert, wenn man gegen einen Gegner antrat, dem man nicht gewachsen war und sein Ende allein, einsam und verbittert in einem verdammten Land finden würde?

    Nun, da sie gut fünfsechstel des Aufstiegs auf den Vulkan und Drachenhort zugleich gemeistert und alle Feuergolems, Echsenmenschen und sämtliche dieser Wesen, von denen sie nicht einmal den Namen kannte, mit mehr oder weniger Geschick und jeder Menge Glück besiegt hatte, gestand sie sich die Wahrheit ein: Noch heute würde sie ihr Ende finden. All diese Auseinandersetzungen hatten ihr unzählige Qualen bereitet und ihr alles abgerungen. Sie hatte ihr Bestes gegeben und würde dennoch scheitern, denn all diese Kämpfe hatte sie nur mit Mühe überstanden: ein Kampf gegen einen Drachen zu bestreiten, war vor allem in ihrer jetzigen Verfassung mehr als töricht und würde mit Sicherheit tödlich enden.

    Schwer atmend blickte die Drachenjägerin nach vorne in den Himmel, wo die ersten Wolkenfetzen den schwarzen, gezackten Felsen sanft berührten, als wollten sie den geschunden, zerstörten Leib des Drachenhortes wohltuend umhüllen und seine Narben verdecken. Keinen Meter vor ihr öffnete sich ein gähnender Schlund - einen Sturz in diesen Abgrund würde sie nicht überleben und die Vorstellung auf diesem harten Stein zu zerschellen oder von einem der scharfkantigen Felsen aufgespießt zu werden, ließ sie schaudern. Allerdings musste sie sich eingestehen, dass sie nach mancher grauenvollen Nacht in diesen götterverlassenen Landen darüber nachgedacht hatte, sich selbst einen leichteren Tod zu schenken. Lieber nicht daran denken, lenkte sie sich selbst von solch düsteren Ideen ab und wandte den Blick wieder gen Himmel. Die Wolken hangen heute besonders tief und die Weisheiten der Alten, dass die Wolken in solchen Höhen Kühlung verschafften, stimmten nicht. Narya schwitzte entsetzlich, da der Berg eine unglaubliche Hitze ausstrahlte.
    Selbst der Stein, auf dem sie gerade saß, wurde ihr bald schon unangenehm warm am Po; nach wenigen Augenblicken begann die Hitze sogar richtig zu schmerzen. Wenn sie nicht alles täuschte, dann konnte man bei genauem Hinsehen kleine, rote Äderchen sehen, die den dunklen Stein durchzogen und wie flüssige Lava glühten. Der Vergleich des Berges mit einem Untier drängte ich in Sekundenschnelle auf, konnte jedoch rasch verdrängt werden. Trotz der Hitze blieb sie sitzen, versuchte sich durch spezielle Atemtechnik zu beruhigen und biss dann schließlich doch mit den Zähnen auf die inzwischen raue Unterlippe bis warmes Blut das Kinn heruntertröpfelte und sich ein metallischer Geschmack in ihrem Mund breitmachte. Sie hatte gelernt, dass manche Schmerzen, wie in diesem Falle die sie schier wahnsinnig machende Hitze beim Sitzen, dadurch überlagert wurden, dass man sich selbst einen anderen, erträglicheren Schmerz zufügte.

    Genau so musste sie in diesem Moment handeln, da sie, nach ihrer eigenen Einschätzung, bald nicht mehr auf dem Boden sitzen konnte und sie sich selbst diese letzte, erholsame Pause gönnen wollte- die Steine wurden nämlich mit jedem Meter, den sie den Berg weiter erklomm, noch heißer und in einiger Entfernung schien das pechschwarze Gestein förmlich zu glühen. Hoffentlich wird es nicht irgendwann flüssig, schoss es ihr durch den Kopf, doch sie verdrängte auch diesen unliebsamen Gedanken lieber rasch.

    In diesem Moment kam ein leichter Wind auf, der die dichte Wolkendecke zwar nicht aufriss, aber die tiefer hängenden Wolken vertrieb. Narya schloss die Augen, genoss die leichte Abkühlung durch den Lufthauch, und versank für ein paar Minuten in einen wohltuenden, erholsamen Schlaf, der zum ersten Mal seit langer Zeit frei von Alpträumen war.
    Als sie schließlich aufwachte, war der Himmel auf Augenhöhe frei. Erneut ließ die Banditin den Blick schweifen und sah in die Ferne- doch so weit ihr Auge reichte, so weit reichten auch die Toten Lande. Sie war sich nicht sicher, wie sie den Kampf mit dem Drachen überstehen und dann auch noch den Rückweg schaffen sollte. Wenn sie ehrlich war, dann glaubte sie sowieso nicht mehr an eine Rückkehr. Eine Hitzewelle waberte urplötzlich heran und zahlreiche kleine Aschenpartikel, die in diesem Moment auf sie herabregneten, machten ihr das Atmen schwer. Hustend presste sie sich die Hand an den Mund, um nicht noch mehr von dem Ausstoss des Vulkans zu schlucken und wischte sich mit dem blutverkrusteten Handrücken über die dreckige Stirn, als der Aschenregen aufgehört hatte. Lange brütete sie so vor sich hin.
    Es war nicht das erste Mal, dass sich beim Nachdenken ein dunkler Schatten über das Gesicht der Drachenjägerin legte. Seit sie gegen den Dämonenlord gekämpft hatte, veränderte sich ihre Wahrnehmung stark, sie versank oft in grauenhaften Welten, die sie gefangen nahmen oder sie verlor die Beherrschung und wurde zu einer gnadenlosen Mörderin. Der einzige Vorteil war, dass sie mehr Ausdauer als früher besass und empfindlicher auf ihre Umwelt ( und somit mögliche Gefahren) reagierte. Dieses Mal waren ihre Gedanken etwas klarer als sonst - aber nicht weniger euphorisierend.
    Sie war de facto mutterseelenallein, denn mitten in diesem verfluchten Land hatten sie auch die schönen Erinnerungen an ihr bisheriges Leben verlassen und waren vor den Schrecken dieser düsteren Welt in weite, unerreichbare Ferne geflohen. Es war, als hätte jeder Schritt, den sie hier getan hatte, alles Glück aus ihr abgesaugt, sodass sie nun vollkommen allein in einer schrecklichen Welt und ohne jedwede Hoffnung war.

    Vollkommen allein?

    Sie schüttelte mit müdem Lächeln den Kopf. Sie war nicht allein. Das Wesen, das seit Kazir in ihrem Innern lebte und das sie fälschlicherweise für ein Kind von Odie gehalten hatte, war gewachsen, war nun stark und trieb sie immer weiter. „Willst Du meinen Tod?“, flüsterte sie mit leiser Stimme, obwohl sie zum Reden kaum mehr in der Lage war, weil ihre Zunge aufgequollen an ihrem trockenem Gaumen klebte. Sie bekam keine Antwort, doch sie fühlte, was in dem Wesen vor sich ging. Es war erregt, vielleicht auch aufgeregt wie ein kleines Kind und mit jedem Meter, den die Banditin ihrem Ziel näher kam, wurde sein Rufen, sein Drängen, seine Lust stärker.
    Jetzt da sie allein war, begriff sie, dass das Wesen sich freute. Sie verstand, dass es glücklich war und hier und heute benutzte sie den einzig richtigen Begriff, um die Gefühle des Wesens zu charakterisieren: Wiedersehensfreude! „Du bist hier zu hause, richtig?“, fragte Narya und die durch sie wie ein Blitz hindurch schießende, elektrisierende, überschäumende und unbändige Freude des Wesens war eine eindrucksvolle Bestätigung ihrer These. „Dann willst Du mich tatsächlich umbringen“, schloss sie, doch darauf erhielt sie keine Antwort. Wieder versank sie für Minuten in der Schwärze ihrer Gedanken und tanzte mit den Geistern, die sie gerettet hatten und sie nun in ihr Verderben locken wollten. Sie widerstand der Versuchung, stand nicht auf, ging nicht zum Felsrand, sondern blieb sitzen. Vielleicht auch einfach nur, weil sie müde war.

    "Ich werde also wirklich sterben", wisperte sie nach einigen ruhigen Atemzügen und fühlte nicht Angst, sondern Erleichterung. Ihr Leid würde bald ein Ende haben. Kein schönes Ende, aber eben ein Ende. Dann würde alle Last von ihr abfallen und dann würde sie endlich frei sein. Mit leicht zitternden Händen griff sie schließlich nach ihrem Wasserschlauch, um langsam den Verschluss zu lösen und das trockene Gefühl in ihrem Mund beseitigen zu können. Vorsichtig setzte sie den Schlauch an die Lippen und begann mit gierigen Zügen zu trinken.
    Einen Moment hielt sie inne und wollte den Rest des kostbaren Nasses sparen, doch dann besann sie sich eines Besseren und entleerte den Wasserschlauch in einem weiteren Zug. Ihr Blick fiel auf ihre bisher noch unangetasteten Wasserreserven. Sie hatte noch genügend Vorrat für den Abstieg und daher verstaute sie die beiden Schläuche hinter dem Felsen auf dem sie saß, um sich den Rest des Aufstieges zumindest etwas zu erleichtern. Seufzend atmete sie tief durch, stieß die heiße Luft zwischen ihren Zähnen hindurch und raffte sich dann unter großem Kraftaufwand auf. Einen Moment kämpfte sie um ihr Gleichgewicht und gegen eine plötzliche Ohnmacht, doch dann endlich stand sie kerzengrade und die schwarzen Sterne vor ihren Augen beendeten ihren Tanz. So stapfte sie schließlich schwankend den schmalen und gewundenen Pfad entlang und fühlte, dass ihre neu gewonnen Kräfte sie sehr schnell verließen, da sie immer häufiger mit den Stiefeln gegen den ein oder anderen Stein stieß, stolperte und sich mehr als einmal im letzten Moment abfing um nicht in die Tiefe zu stürzen. Ein solches Ende war ihr nicht vergönnt.

    Das letzte Stück des Weges war eine unglaubliche Qual für die junge Frau und mit der Zeit erklang bei jedem Atemzug ein Rasseln in ihrer Luftröhre und bei jedem Schritt schmerzten ihre Muskeln mehr. Dann endlich war es soweit. Der schmale Pfad machte eine Biegung und der Hitzeschwall, der ihr entgegenschlug, verkündete, dass sie es geschafft hatte. Seit einigen Minuten türmten sich zudem hohe Felsen an den Seiten des Weges auf, die fast schon unnatürlich glatt waren und somit wie ein düsterer Korridor wirkten, der alles andere als einladend schien. Das tiefe Grollen des Berges erklang an dieser Stelle besonders Angst einflössend und mit jedem Geräusch, das entweder der Berg oder der Drache verursachte, erzitterte ihre Umgebung ein wenig. An einigen Stellen rieselte sogar Staub von den Wänden und deckte sie in einen grauen Mantel, als wollte er sie vor den Augen der Götter verbergen. Sie können mich sowieso nicht durch die Wolkendecke sehen, dachte Narya resigniert und fühlte sich zum wiederholten Male alleingelassen. Tief durchatmend lehnte sich die Lee schließlich gegen den dunklen Fels und zuckte erst nach ein paar Atemzügen mit einem leisen Schmerzensschrei zurück: Das Gestein war glühend heiß, hatte zunächst ihre Rüstung geschmolzen und ihr dann eine derbe Brandblase am Arm zugefügt, die höllisch schmerzte. Dann eben nicht, grummelte sie und wunderte sich, dass sie sich in solch einer Situation überhaupt über Kleinigkeit aufregen konnte. So stand sie also einige Minuten lang in völliger Dunkelheit und erwog, ob sie nicht doch besser umkehren sollte. Die Angst, die seit des Betretens der Toten Lande dumpf in ihr rumorte und zu einem ständigen, aber letztlich machtlosen Begleiter geworden war, erklang nun hell und klar und versuchte sie ein letztes Mal zur Umkehr zu bewegen- doch die Stimme des Wesens in ihrem Innern übertönte die warnenden Worte der Angst wie sie es schon so oft getan hatte.

    Nein, dachte die ehemalige Lehrmeisterin der Lees daher und stemmte sich energisch gegen die Furcht, während sie alle Gegenstände, die sie bei sich trug, gen Boden fallen ließ. Noch einmal überprüfte sie alle Schnallen ihrer leichten Rüstung und zurrte den feuerroten Umhang fest. Dann steckte sie sorgfältig die Waffen ein und machte ein paar Kniebeugen und Dehnübungen, um sich auf den Kampf vorzubereiten.

    Vorsichtshalber zog sie wie zur Übung Feuersturm von ihren Schultern und verstaute das Schwert sogleich wieder. Dann stand sie einige Augenblicke regungslos und lauschte in sich herein. Das unbekannte Wesen brüllte nun vor Freude. Es wusste, dass die Kriegerin nicht mehr umkehren würde. „Du hast gewonnen.“, sagte die junge Frau plötzlich leise zu dem Geschöpf in ihrem Innern und obwohl es absurd war, nahm ihre Stimme einen liebvollen fast schon zärtlichen Klang an. Sie sprach wie eine Mutter zu ihrem Kind. Ein leises Lächeln umspielte ihre Lippen bei diesem Vergleich und auch als sie laut wiederholte: „Ich werde sterben“. Obwohl sie das schon zuvor gesagt hatte, hatten ihre Worte nun etwas Endgültiges, Gefasstes. Vielleicht war das auch der Grund, warum sie nicht umdrehte, sondern ein letztes Mal tief Luft holte und dann die letzten Schritte der Wegesbiegung überwand. Und vielleicht war das Wissen über ihren bevorstehenden Tod auch der Grund, warum ihre Schritte mit einem Male schwungvoll waren, warum ihr Körper plötzlich von einer Woge aus Kraft durchflutet wurde, warum ein trauriges, aber liebevolles Lächeln ihre blutenden Lippen umspielte und warum sie aufrecht in ihr Verderben ging und mit einer faszinierenden Leichtigkeit und Geschmeidigkeit im Gang dem Tod ins Auge blickte, als hätte die Erkenntnis ihr alles Leid, alle Last und alle Sorge genommen.

    Als sie ins Freie trat, befand sie sich auf einem mächtigen Plateau, das von hohen, schroffen und gezackten Felsen umgeben war, die die Wolkendecke durchstießen. Zwei Steinwürfe weit zu ihrer Rechten, eröffnete sich ein riesiger Krater, in dessen Innern rote Lava brodelte und aus welchem heiße Dämpfe zischend in die Luft entwichen. Wie in meinem Traum, erkannte sie und erschrak dennoch nicht.
    Überall lagen große Gesteinsbrocken und der Boden war übersät mit dunkler Asche, die sich an einigen Stellen mit dem Gestein vereinigte. Zu ihrer Linken gab es einen großen, weißen Hügel. Neugierig trat die Banditin näher und zuckte entsetzt zusammen, als sie erkannte, was sie vor sich hatte. Der weiße Hügel war nämlich nichts weiter, als ein Haufen von Gebeinen. Überall lagen Knochen, Rippenbögen, Schädel (an denen man sehr schmerzhafte Verletzungen ausmachen konnte) und feines, weißes Pulver, das wohl von bereits zerfallenen Gebeinen stammte.

    Geschockt ging sie Schritt um Schritt zurück und gewahrte nicht, dass sie beobachtet wurde. Ein Fauchen ließ sie schließlich zusammenfahren und als sie herumwirbelte, sah sie ihn. Der Drache hockte am Ende des Plateaus. Er sah sie aus rotglühenden Augen an. "Komm", erklang es in ihrem Innern und obwohl sie lieber fortgerannt wäre, ging sie gehorsam auf das Ungeheuer zu, während das Rufen in ihrem Innern sich zu tosendem Jubel steigerte. Sie ging vorbei an heißen Fontänen, die ohne besondere Vorwarnung mit hohem Druck aus dem Boden schossen und eigentlich nur aus kochend heißem Wasser bestanden, das mit Sicherheit alles verbrennen würde, was ihm zu nahe kam. Vorbei an giftgrünen Wolken, die aus dem Innern des Vulkans heraustraten, und das Atmen erschwerten. Vorbei an verbranntem und vernarbtem Fels, der dann und wann rot glühte. Von all diesen Erscheinungen in ihrer Umgebung bemerkte die Drachenjägerin nichts. Sie marschierte unbeirrt, aber unendlich langsam zu dem Drachen, der sie mit einem einzigen Wort, das sie nur in ihrem Kopf gehört hatte, völlig in seinen Bann gezogen hatte. Wie lächerlich, wie töricht war die Idee gegen ihn zu kämpfen. Während sie weiterging, bemerkte sie die furchtbare Angst, die beim Anblick des legendären Wesens schließlich doch unkontrollierbar in ihr hochstieg.

    Ihr Herz hämmerte wild, ihre Hände zitterten ein wenig und ihr Mund war trotz der Menge Wasser, die sie eben getrunken hatte, wieder völlig trocken. Zwei Steinwurflängen vor dem Drachen kam sie zum Stehen und musterte das sagenhafte Tier mit großen Augen. Es war riesig. Er hatte schwere, klauenbewehrte Pranken, zwischen deren Gliedern sich kleine Lederhäutchen befanden. Die Krallen waren pechschwarz, doch wenn man näher hinsah, dann färbten sie sich zum Ende hin giftgrün. Der gesamte Körper des Drachen war mit roten und schwarzen Schuppen besetzt, die sich bei jeder noch so leichten Bewegung fließend wie hochgewachsenes Gras unter der sanften Berührung eines Windhauches bewegten und wohl doch härter als alles waren, was es auf in der ihr bekannten Welt gab. Der Schuppenkamm, der sich von Kopf bis zum Schwanz zog, war mit harten, spitzen Hörnern bewehrt, deren Enden ebenfalls mit Gift benetzt zu sein schien. Lediglich am aufgeregt hin und herzuckendem Schwanz des Ungeheuers, gab es gänzlich schwarze Stacheln, die bei jeder noch so kleinen Bewegung lautstark über die Felsenwände schrabbten. Damit konnte der Drache sicherlich einen Ochsen in Stücke schneiden und die stärksten Mauern in Gorthar und Marak mit einem einzigen Schlag einreißen.

    Narya schluckte, als ihr bei diesem Anblick bewusst wurde, worauf sie sich eingelassen hatte und ließ ihren Blick über die breiten, schwarzen Lederschwingen hin zum Kopf des Ungetüms schweifen. Der Drache sah sie aus roten, scheinbar glühenden Augen an und senkte seinen geschuppten Kopf ein wenig zu ihr herüber. Bei jedem seiner Atemzüge traten kleine, grüne Wölkchen aus seinen dunklen Nüstern, über denen jeweils ein kleines Horn thronte. "Ein Menschenkind.", fauchte er plötzlich und die junge Frau sah aus den Augenwinkeln, wie sein Schwanz aufgeregt hin und herzuckte. Sie fühlte seinen unangenehm bohrenden Blick. "Oh nein, eine Menschenfrau.“, verbesserte er sich und fuhr mitnachdenklicher Stimme fort. „Das ist etwas besonderes, seltenes.“ Er schwieg einen Moment lang (genau genommen erschien Narya dieser Moment endlos lange, nur was war schon ein Moment in Drachenjahren für einen Menschen?) „Mein Name ist: Altharion. Wie heißt Du?", wollte das Tier weiter wissen und irritierte die Lee immer weiter. Seit wann sprachen Drachen und seit wann nannten sie einem Menschen ihren Namen?

    "Von Anbeginn der Zeit", erwiderte das Tier freundlich und seine Lefzen zuckten, als ob es Lachen würde. Der Banditin war allerdings gar nicht zum Lachen zumute, als sie die riesigen Hauer sah, die sich beim Lächeln des Drachens zeigten und auch die gespaltene Zunge, die mit scharfen, kleinen Hörnchen bewachsen war und mit der das Tier, das so viele längst ins Reich der Fabeln verbannten, sicherlich ohne weiteres einen Menschen aufschlitzen konnte, machte ihr nicht unbedingt Mut. Vorsichtig wich sie einen Schritt zurück und entkam dadurch eher zufällig einer der grünen Wolken, die ihr nicht recht geheuer waren.

    "Drachenatem", erklärte das Tier, als konnte es die Frage der jungen Frau erahnen. "Ihr Menschen müsst sterben, wenn ihr ihn einatmet. Ich versprühe ihn übrigens auch- bei jedem Atemzug. Also sei wachsam, kleine Menschenfrau. Aber nun sage mir, wie Du heißt!" Die Lee zuckte zusammen und antwortete ohne viel nachzudenken. "Narya. Mein Name ist Narya.", stammelte sie leicht hilflos und wollte eigentlich fortrennen, doch ihre Beine verweigerten die Flucht und schienen mit dem rotglühenden Gestein verwachsen zu sein. Einen endlosen Menschenmoment lang schwieg das gewaltige Wesen und es schien, als dächte es angestrengt nach. Dann jedoch schüttelte es seinen großen Kopf, sodass die Schuppen, die es schützten, sich wie eine Welle im Wind bewegten und sprach mit leiser Stimme. "Willkommen, Narya, in meinem Reich. Ich habe mich auf unser Treffen gefreut seit Du mit deinen winzigen Füssen den Boden der Heiligen Lande berührt hast. Es kommen selten Menschen hierher und deswegen freue ich mich. Du willst mich also herausfordern?" Sie schwieg - hatte sie jetzt noch eine andere Wahl? "Nein", erklärte der Drache mit nunmehr eindeutig süffisanten Grinsen. Genau genommen sprühte pure Bösartigkeit aus seinen aufblitzenden Augen. "Sonst würde ich Dich nämlich einfach so angreifen. Es kommt, wie gesagt, selten vor, dass sich Menschen hierher wagen. Die letzten liegen dort drüben –einfältige Magier, Narren, Abenteuerlustige, Helden. Tapfere Männer und Frauen, die sich nicht von den Gefahren Gorthars abschrecken ließen und bis hierher kamen. Wunderbar, sage ich Dir – dann habe ich mal ein bisschen Unterhaltung und muss nicht so weit fliegen, wenn ich Hunger haben. Sehr lobenswert, ihr menschlichen Helden. Doch genug geredet, kleine Menschenfrau mit Namen Narya. Ihr Menschen wisst nicht viel und seid meine Gedanken nur dann wert, wenn der Hohe Herr es befiehlt."

    Mit diesen Worten öffnete das Feuerwesen blitzschnell sein riesiges Maul, holte tief Luft und ließ einen Feuerstrahl auf sie zuschießen. Im letzten Moment warf sich die Lee gen Boden und entkam dadurch der tödlichen Attacke um Haaresbreite. Der tödliche Hauch des Drachen streifte sie zwar, doch sie bemerkte es nicht, da sie mit der Gegenwehr beschäftigt war. Im selben Augenblick des Ausweichens riss sie nämlich einen ihrer Wurfdolche hervor und schleuderte ihn mit voller Wucht ins Maul des Drachen. Dieser zögerte einen Moment und sah sie aus verdutzten Augen an, während sie selber behände auf die Beine sprang und sich ein paar Meter weit in Sicherheit brachte, um Feuersturm zu ziehen.

    Hatte diese einfache Attacke den Drachen besiegt? Als Antwort öffnete der Beworfene sein Maul erneut und spuckte ihr etwas entgegen. Diesmal donnerte keine Feuersbrunst auf sie zu, doch das, was knapp vor ihren Füssen landete, zerstörte all ihre Hoffnung: Vor ihren Stiefeln lag ein kleines Häufchen geschmolzenes Eisen - mehr war von ihrem Dolch nicht übrig. "Glückwunsch, Narya. Die meisten sind nach der ersten Attacke tot, oder aber..." Er leckte sich genüsslich das Maul mit seiner Zunge. "…oder aber sie sterben vor Schreck, wenn sie mich sehen. Lass und schauen, wie lange Du durchhältst. Ich finde das sehr nett. Es ist einsam hier oben seit meine Kinder und deren Kinder fort sind. Endlich habe ich wieder jemanden zum Spielen."

    Spielen? "Ähm, vielleicht solltest du mich leben lassen", wagte die junge Frau einzuwerfen. "Dann können wir immer spielen". Der Drache lachte grollend und strich vergnügt mit der Schwanzspitze über den Stein. "Du hältst mich für ein dummes Kind. Dabei bin ich beinahe älter als diese Welt, nur eben in Drachenjahren noch recht jung. Das, was ihr Menschen fürchtet, sind Drachen, die gerade erst geschlüpft sind. Ich bin schon ein bisschen älter und schlimmer, aber wenn ich Dich schon ängstige, dann solltest Du die sieben Ältesten sehen.“ Wenn Drachen verträumt und schwärmerische gucken könnten, dann hätte er es wohl getan. „Wir sind die mächtigsten, weisesten Wesen dieser Welt und werden noch viele Drachenjahre hier verbringen. Wir werden eure Rasse untergehen sehen und vielleicht werden sogar wir selbst der Untergang sein. Du unterschätzt mich, Narya. Das passt zu deiner überheblichen Rasse, die sich ihr eigenes Grab gräbt.“ Augenblicklich holte er tief Luft und ließ einen erneuten Angriff auf sie niedergehen. Die Lee spannte sich, stieß sich vom Boden ab und machte einen Hechtsprung nach vorne, um nicht bei lebendigem Leib zu verbrennen.
    Noch während sie sich abrollte, wurde sie von einer Druckwelle erfasst und vier Meter durch die Luft geschleudert. Der Drache hatte nämlich während ihres Ausweichmanövers seine Flügel ausgespannt und sich in die Luft erhoben. Allein sein Schwingenschlag reichte aus, um die Banditin gen Boden zu schleudern. Benommen rappelte sie sich hoch und was dann folgte, war eine wilde Verfolgungsjagd. Die junge Frau rannte Haken schlagend über das weite Plateau und wurde vom Drachen vor sich hergetrieben. Immer und immer wieder jagten alles vernichtende Feuersbrünste aus dem Drachenschlund auf sie zu, verflüssigten den Stein oder wirbelten Steinsplitter in die Luft, die sich je nach Größe in dichten, grauen Nebel oder gar tödliche Geschosse verwandelten. Jedes Mal entwischte sie dem Tod durch einen Ausweichschritt im letzten Moment, einen rettenden Sprung oder einfach puren Zufall. Einmal stolperte sie beispielsweise, als sie auf einen losen Stein trat, der unter ihrem Gewicht wegrutschte und sie zu Fall brachte, sodass die Feuersbrunst den Stein vor ihr versenkte, ein anderes Mal stieß eine der Heißwasserfontänen einen Wimpernschlag nach Naryas Passieren in die Höhe, wodurch dem Fabelwesen durch die Dampfschwaden die Sicht erschwert wurde und ein weiteres Mal begnügte sich das älteste Geschöpf aller Zeiten damit seine Beute in tödlichen Drachenatem zu hüllen.

    Kaum sog Narya die vergiftete Luft aufs den Nüstern des geschuppten Wesens ein, spürte sie unsäglichen Schmerz in den Atemwegen. Als sie sich keuchend aufrappelte, schoss der lange, stachelbewehrte Schwanz ihr entgegen und schleuderte sie in hohem Bogen auf den Haufen der Gebeine. Knackend brachen die Knochen der Gefallenen unter ihrem Gewicht und das weiße Pulver wurde in wilde Wolken aufgewirbelt, die um sie herumtanzten. Mit einer reflexartigen Bewegung fegte sie einen Totenschädel, der bei ihrem Aufprall auf ihren Bauch gerollt war und sie scheinbar höhnisch angrinste, beiseite. “Weitermachen“, erklang der Befehl in ihrem Innern und sie kam ihm ohne zu Zögern nach.

    Als sie hochsah, bemerkte sie, dass der Drache sich hoch in die Luft schraubte. Fieberhaft dachte sie über eine Möglichkeit ihn zu besiegen nach, doch sie hatte keine Idee. Stattdessen rannte sie in der Hoffnung, dass es das Ungetüm in solcher Höhe nicht weiter bemerkte, Richtung Felsenkorridor, um dort Schutz zu suchen. Doch noch ehe sie auch nur die Hälfte der Distanz überwunden hatte, wechselte der Drache seine Position, sodass er sich in der Luft zwischen Narya und dem rettendem Felsenkorridor befand und stieß auf sie herab.

    Aus Reflex rannte sie in die entgegen gesetzte Richtung. Dort jedoch gab es erst recht kein Entrinnen, weil sich der Krater öffnete, der voller glühender Lava war. Schon spürte sie einen Lufthauch hinter sich und machte einen Satz nach vorne, sodass sie unmittelbar vor dem Rand zum Halten kam. Keine halbe Sekunde später stieß eine weitere Feuersbrunst auf ihren vorherigen Standort herunter und verbrannte das Gestein, sodass es zu Schmelzen begann. Einen Herzschlag lang blickte sie ohnmächtig vor Entsetzen auf die verbrannte Stelle an der der Fels Blasen bildete und vor sich hinwaberte. Im selben Moment rauschte der Drache mit mächtigem Schwingenschlag über sie hinweg. Erst kniete sie sich gen Boden, um das Ungeheuer über sich hinwegfliegen zu lassen, doch dann blieb ihr nichts weiter als ein rettender Sprung nach hinten, da das Ungetüm sich im Tiefflug befand und seine giftigen Krallen über den Boden schleifen ließ, sodass diese sie zu zerfetzen drohten.

    Wie ein Stein fiel sie in den Abgrund des Kraters und sah schon die Lava auf sich zurasen, als sie einen heißen Felsvorsprung zu fassen bekam und sich festkrallte. Narya stieß einen markerschütternden Schmerzensschrei aus, als ihre Finger das heiße Gestein berührten, ihr Fleisch verbrannten und ein entsetzlicher Ruck durch ihren Körper ging, doch ihr Sturz war kurz vor dem Lavasee beendet. Keuchend zog sie sich nach oben, steckte Feuersturm weg und klammerte sich mit beiden Händen an das furchige Gestein, sodass ihre Handinnenflächen mehr und mehr verbrannten. Der süßliche Geruch, der ihr dabei in die Nase stieg, war vertraut und erinnerte sie an die Verbrennung Leanors auf dem Scheiterhaufen. Es war dieser Gedanke, der Wut in ihr und zugleich den Willen zum Leben weckte. Einen Moment zappelte sie scheinbar sinnlos mit den Beinen, doch dann endlich schaffte sie es auch mit ihren Stiefeln in Felsspalten Halt zu finden und sich somit in eine Position zu manövrieren, die ihr das Klettern ermöglichte.
    Genau das tat sie nun auch. Natürlich wäre es einfacher gewesen, wenn sie in die Lava gestürzt und gestorben wäre, doch die Lee wollte so nicht umkommen. Dann lieber meine Knochen auf der Schädelstätte am Eingang, sagte sie sich, biss die Zähne zusammen und kletterte Stück für Stück nach oben. Selbstverständlich war es mühsam in den Ritzen und Löchern Halt zu finden und die Schmerzen zu ertragen, die ihr das Berühren des heißen Gesteins brachte, doch ganz langsam näherte sie sich Zug um Zug dem Kraterrand. Zweimal kreiste der Drache über ihr und schien sie nicht zu entdecken, doch dann, als sie noch ungefähr ein Meter vom rettendem Rand trennte, stieß er über ihr einen schaurigen Ruf aus und flog in weitem Kreis um seinen Hort. Narya machte unterdessen den letzten Klimmzug und hatte das Plateau erreicht. Noch während sie sich aufrichtete und einen Schritt nach vorne machte, schoss der Drache erneut im Tiefflug auf sie herab. Seine Krallen donnerten abermals über den Boden und hinterließen sogar deutlich sichtbare Furchen, doch so wie es aussah, wollte er sie diesmal mit seinen Zähnen zerfetzen - wohl auch, um seine Beute nicht an die scheinbar gierig am Felsen leckende Lava zu verlieren.

    Narya wiederum riss Feuersturm hervor und rannte ihm entgegen. Das Untier fegte blitzschnell und mit einer unglaublichen Eleganz trotz des massigen Körpers über die Ebene, wobei seine Bauchschuppen bald ebenfalls über den Untergrund kratzten und er ungebremst auf sie zujagte. Schon sah sie, wie er sein Maul aufriss und tief Luft holte. Dann endlich schoss die Feuersbrunst auf sie zu. Diesmal blieb die Kriegerin lange stehen und erst im letzten Moment stieß sie sich vom Boden ab und sprang über den Feuerball. Sie konnte spüren, wie der tödliche Atem des Drachen unter ihr hindurchpfiff, ihren Stiefel berührte und die Spitzen verschmorte. Binnen eines Wimpernschlages musste sie erneut hochspringen, um nicht von den weiten Schwingen umgefegt zu werden. Sie hatte lange genug gewartet, denn das Tier konnte nicht mehr rechtzeitig reagieren. Im Glauben sein Opfer versengt zu haben, schoss er mit geöffnetem Maul auf den Feuerball zu und merkte erst in dem Moment, als Feuersturm in seine rechte Lefze schnitt, dass er die Lee verfehlt hatte. Diese war durch das erneute Hochspringen auf seinen Schwingen gelandet und klammerte sich nunmehr verzweifelt an einer seiner Schuppen fest, wobei sie Feuersturm immer wieder gegen das Maul des Tieres schlug. Das Sagentier schraubte sich derweil unter Schmerzen in den Himmel, um eine Kollision mit den Felsen des Plateaus zu vermeiden. Dabei stieß es wieder und wieder grollende Schmerzensschreie aus und musterte durch eine unglaubliche Drehung der roten Augen seine Gegnerin hasserfüllt. Er verstand nicht, wieso ein solcher Zahnstocher wie Feuersturm ihm derartige Schmerzen bereitete und Narya verstand dies ebenfalls nicht. Es kümmerte sie allerdings auch nicht und die Stimme in ihrem Innern johlte vor Freude. „Weiter“, erklang der mächtige Befehl und die Kriegerin gehorchte.

    Schon landete sie einen erneuten Schlag gegen seine Lefze, doch weiter kam sie nicht. Der Drache begann sich fauchend beim Fliegen zu drehen und hieb mit dem stacheligen Schwanz nach der Lee, die sich mit der Kraft der Verzweiflung an den Schuppen des Ungeheuers festkrallte, um nicht in die Tiefe zu stürzen. Ströme von heißem Drachenblut rannen an den Schuppen des Tieres herab und benetzten ihre Kleidung.

    Das mächtige Wesen trudelte derweil wie besessen in der Luft und stieß erneut in die Ebene herab. Als es dem Boden nahe genug war, ließ die Lee los. Stechender Schmerz durchzuckte ihren Körper, als sie auf dem harten, heißen Boden aufprallte und Gesteinssplitter aufwirbelte. Einige Augenblicke lang hielt sie benommen inne. Sie hatte keine Kraft mehr und atmete schwer. Aus reinem Reflex leckte sie schließlich mit der Zunge über die vermeintlich blutige Wunde auf ihrem Handrücken. Doch das, was sie da schmeckte, war nicht ihr Blut, sondern Drachenblut. Einen Moment verzog sie angewidert das Gesicht ob des nicht metallischen, sondern süßen Geschmacks, doch urplötzlich füllte sich ihr ganzer Körper mit Wärme und Kraft. Blitzartig erhob sie sich und konnte ihr Glück nicht fassen - Drachenblut schien zumindest für einen kurzen Zeitraum belebende Wirkung zu haben und so sprintete sie erfüllt von Zuversicht los. Noch während der Drache sich wieder schraubenförmig in die Luft manövrierte um eine erneute Attacke zu starten, rannte sie zu einem großen Felsbrocken auf dem Plateau und suchte Deckung. Dabei schaute sie immer und immer wieder an ihre blutverklebte Rüstung und ihre blutigen Hände: Drachenblut- sie hatte Drachenblut an den Händen, seine Wirkung entdeckt und ein Wesen, das als unbesiegbar galt, verletzt. Die Stimme in ihrem Innern schien merkwürdigerweise laut zu applaudieren und füllte sie mit unbändiger Euphorie.

    Mit glänzenden Augen duckte sie sich also hinter den Felsen und wartete den Moment ab, als der Drache wutschnaubend erneut auf sie hernieder stieß. Alle Müdigkeit, alle Angst war verflogen. Diese Wesen waren entgegen allen Legenden nicht unbesiegbar, sondern sterblich. "Ich werde Dich töten", rief sie mit kräftiger Stimme und erntete eine unglaublich mächtige Feuerwoge, die beinahe über das gesamte Plateau schwappte und alles verbrannte. Einzig und allein dem Felsen hinter dem sie kniete, war es zu verdanken, dass sie überhaupt noch lebte. Dennoch ließ sie sich nicht einschüchtern. Sie hatte nie solche Glückseligkeit verspürt und das Wesen in ihr tobte vor Freude.

    In ihrem Herzen brannte ein Feuer auf, das heißer als Drachenfeuer war und sie zu unglaublichen Leistungen anstachelte. So wich die Lee keinen Millimeter von ihrem Platz hinter dem schützenden, breiten Felsen und klammerte sich mit den Fingerkuppen an die Felsoberkante. Sie hatte einen wagemutigen und wahrscheinlich auch tödlichen Plan. Die Drachenjägerin war bereit zur entscheidenden Attacke, während der Drache auf der anderen Seite heranbrauste und mit seinem feurigen Atem den Fels noch mehr schwärzte und ihn an mehreren Stellen zischend zum Schmelzen brachte. Während die Flammen um den Fels herumzüngelten und die Banditin einschlossen, riss urplötzlich die Wolkendecke an einer Stelle auf und sandte das Licht der Sonne durch diesen Spalt auf das Felsenplateau, sodass sie den Schatten des Tieres über dem Fels heranrauschen sah. Das war der Moment auf den sie gewartet hatte. Narya drückte sich kraftvoll vom Fels ab und schnellte dadurch nach oben, als der Drache sich über ihr befand. Dabei bohrte sie Feuersturm in den Kiefer des Tieres, sodass Ströme von Drachenblut auf ihr niedergingen und das Untier hasserfüllt unter unbeschreiblichen Schmerzen aufbrüllte, während es sich vor lauter Krämpfe in der Luft zu schütteln begann. Natürlich wurde das Ungeheuer langsamer und so reagierte sie binnen Wimpernschlägen und klammerte sich mit einer Hand an eine der Drachenschwingen, um sich nach oben zu ziehen. Der Schlag, den sie dabei gegen den Drachen führte, verfehlte sein Ziel.

    In ihren Augen loderte der helle Wahnsinn und so versuchte sie sich auf die Flügel zu schwingen, doch alle Mühe war vergeblich, da das Wesen diesen Versuch mit Hilfe einer rasanten Pirouette unterband, die die Lee gehörig durchschüttelte und beinahe zu Boden warf. Sie klammerte sich an der Lederschwinge fest und musste ihre Attacken einstellen. Ihr war furchtbar schwindelig und sie hatte für Sekunden die Orientierung verloren. Was jedoch entscheidender war, war die Tatsache, dass sie sich überschätzt und – was noch viel schlimmer war- den Drachen unterschätzt hatte. Als sie wieder klar denken und sehen konnte, sah sie gerade noch etwas Dunkles auf sich zuschießen, wurde von der stachelbewehrten Schwanzspitze getroffen und in hohem Bogen gegen die Felsen geschleudert. Sie hörte das Knacken ihrer brechenden Rippen.

    Vorbei war ihr Gefühl der Unbesiegbarkeit, als der Schmerz einer lodernden Stichflamme gleichend durch ihren Körper zuckte und sie peinigte. Er lähmte sie vor einige Sekunden. Unfähig sich zu bewegen, starrte sie geradeaus in den Himmel, wo sich für einen winzigen Moment ein leichter Schatten herabzusenken schien. Vorsichtig blinzelte sie, doch bei erneutem Hinsehen stellte sich der Schatten als einfache Täuschung heraus. Benommen wand sie daher den Kopf, ließ den Blick über das glühende Plateau und die wabernden Lava, die giftigen grünen Nebel und die alles verbrennenden Fontänen schweifen und sah schließlich unmittelbar vor ihr, wie das Schuppentier im Fliegen gewendet hatte und auf sie zum Landanflug ansetzte.

    Verzweifelt griff die Lee mit schmerzenden Händen ihre Waffe und sah dem Drachen, der rasendschnell auf sie zuschoss, in die roten Augen, die Funken zu versprühen schienen. Das war ihr Ende und das wusste sie. Dann will ich mit Dir sterben, flüsterte sie leise und als der Drache nur noch zehn Meter von ihr entfernt war, sein Zähne entblößte und mit ohrenbetäubenden, triumphierenden Gebrüll auf sie zufegte, hob sie mit schmerzverzerrtem Gesicht und letzter Kraft Feuersturm vor sich, während sie die Augen schloss und ein leichtes Lächeln über ihre Lippen spielte. Am Ende bin ich frei, dachte sie, als alles um sie herum in ewiger Schwärze und Dunkelheit versank und traurig grüßend die klagende Melodie des Todes erklang.
    Geändert von Narya (01.05.2007 um 19:02 Uhr)

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    Krieger Avatar von Sheyra
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    Der Weg zurück nach Gorthar verlor sich in der Ewigkeit. Obwohl sie selten alleine auf der Straße waren, fühlte sich Sheyra verloren und alleingelassen. Selbst als sie einen Bauern überredeten, ein Stück weit auf seinem Karren mitzufahren, änderte sich nichts daran. Sie saßen auf der leeren Ladefläche, Vater und Tochter, nebeneinander und doch jeder für sich allein. Sie sprachen kaum miteinander.
    Straße und Landschaft zogen langsam an ihr vorbei. Längst hatten sie die Laubwälder und sanften Hänge Rynthals hinter sich gelassen. Hier prägten flache Hügel und weite Steppen ein Bild, das in der Ferne vom Felswall der Luzkanzacken abgeschnitten wurde. Zwischen den Gipfeln lagen die Gletscher wie ausgerollte Zungen. Die Sonne stand tief und versank in einem grauen Schleier. Das trübe Licht machte Sheyra müde und ihre Gedanken schwammen in der Müdigkeit wie große Fische zurück zu vergangenen Ereignissen.
    Sie schwebten vor ihnen, mit offenen Mündern, immer auf und zu, auf und zu, die starren Augen stets nach vorn gerichtet. Sie sahen ihrem Vater zu, wie er vor einem Loch im Boden kniete, die Hände wie ein Bettler zu einer Schale geformt. Sein Mund öffnete und schloss sich wie bei den Fischen in Sheyras Gedanken, auf und zu, auf und zu. Der Unterschied war ein klagender Laut, der je nach Öffnungsgrad mal lauter, mal leiser wurde. Auf der linken Wange funkelten Tränen. Rechts loderte eine weißblaue Flamme in der Höhle, in der einst ein Auge gesessen hatte.
    Sheyra wusste nicht, welche Gefühle in ihm arbeiteten. Aber sie konnte es erahnen. Als seine Stimme versagte, ballten sich seine Hände, widerwillig, geradezu krampfhaft. Gleichzeitig verhärteten sich seine Züge, die Tränen versiegten, die Augen wurden schmal und verbargen sich in Schatten. Dann, mit knirschenden Zähnen, stand er auf, packte seine Schwerter und tat etwas, das er vor Sheyras Augen noch nie zuvor getan hatte. Er wandte sich ab und ging. Nach Westen, weg von Rynthal, mit hängendem Kopf und ohne einen letzten Blick. Er lief davon. Gewährte Arjak seinen Sieg.
    „Wozu?“, fragte er einmal, als sie abends am Lagerfeuer saßen. Es waren seine ersten Worte seit Tagen. „Nur für ein verdammtes Auge?“
    Es war keine Frage. Zumindest keine, für die Sheyra eine Antwort gekannt hätte.

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    Drachentöter Avatar von kire
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    Sein Atem brodelte und rasselte, als er die von Menschen nahezu überfüllte Gasse herablief, ständig die stechenden Blicke seiner Verfolger im Rücken, die er sich nur zu allem Überfluss nur einbildete.
    Mit einem flüchtigen Blick leitete Martinos ihn in eine Nebenstraße, die allmählich vom Treiben des Marktviertels abführte. Dreckige, schneebeschwerte Tücher hingen über dem schmalen Gang und ließen kein Sonnenlicht auf den trockenen und vereisten Boden, auf dem jeglicher Halt schwer fiel. Hektisch schaute Kire zurück, fasste sich dabei vor Schmerz ans in seinem Brustkorb hämmernde Herz und hoffte inständig, dass die Wachen ihnen nicht länger auf der Spur waren.
    Ihre Schritte verlangsamten sich, als endlich ein Gefühl von Sicherheit Einzug hielt. Doch die vor Qualen aufschreienden Beine konnten sie noch immer nicht entlasten, denn längst war die Gefahr nicht gebannt und schon hinter der nächsten Ecke konnte sich das Blatt wieder wenden. Martinos und Kire hatten zum ersten Mal diese Stadt betreten und es war ohnehin fast lächerlich, anzunehmen, dass sie den Männern, die Heimvorteil hatten, auf Anhieb entkommen könnten.
    Seine Gedanken waren nicht einmal ausgesprochen, da erblickten sie hinter der Ecke einen ihrer Verfolger, der sie wohl erst im letzten Moment gesehen und nun völlig aufgelöst mit dem Finger hinter die Häuser deutend auf sie zuhastete. Wie vom Blitz getroffen machten die Fremden kehrt, und das obwohl sie schon jetzt kaum noch die Kraft hatten, ihre Augen offen zu halten.
    Der Drachenjäger bildete sich ein, schon einige Hundert Schritt zurückgelegt zu haben, als ihn etwas ungeahnt stark am Arm ergriff und die Angst ihn packte, wieder geschnappt worden zu sein. In Windeseile wurde es tappenduster um ihn herum. Wie durch eine dicke Wand hörte er stolpernde Schritte an ihm vorbeihasten. „Kire?“, ächzte eine vertraute Stimme und für einen Moment war der Späher versucht, etwas zu erwidern. Erst eine raue Hand, die sich bedacht, doch zugleich befehlend um seinen geöffneten Mund legte, ließ ihn begreifen, was genau hier vor sich ging.
    Sein verschwommener Blick klärte sich allmählich, während Kire noch immer von Panik ergriffen aus dem in der Dunkelheit blendenen Fenster schielte, um sich nach seinen Verfolgern umzusehen. Die Frage, ob Martinos es überstanden hatte, drängte sich ihm nicht in den Kopf, vielmehr zweifelte sein Verstand, ob die Person in seinem Rücken sein Vertrauen verdient hatte. Noch immer hatte die starke, fast männliche Hand den Drachenjäger fest im Griff. An dem warmen Atem und dem unscheinbaren Geruch erkannte er, dass es sich tatsächlich jedoch um eine Frau handeln musste. Sie drückte ihn fest an sich. Obwohl er ihr so fremd sein musste, ließ sie seine Nähe zu. Kire hatte aber andere Sorgen.
    Als die Luft rein war, nahm die Frau ihre Hand zurück und Kire erhaschte einen Blick auf die Gestalt, die ihn gerettet hatte. Sie erhob sich und schielte durch den Vorhang, der ihre kalte Stube nur kläglich vor Unwetter schützte. Dann erst zog sie ihn auf und ließ Sonnenlicht hinein. Kire hatte kein Auge für seine Umgebung, bei der es sich lediglich um einen einzigen kleinen Raum, mit spärlicher Einrichtung handelte. Mit stummen Blicken verfolgte er die langsamen Bewegung der beleibten Frau. Sie waren sicher und stark, ihre Handbewegungen wirkten grob, doch gleichzeitig geschickt. Sie hatte langes blondes Haar, das sie wie eine alte Frau zu einem Dutt zusammengebunden hatte. Sie war eine alte Frau, aber ließ es sich nicht weiter anmerken. Während seine Augen ihr wortlos folgten, ließ ihn ein blutiges Beil, das auf einem silbernen Tablett wie auf dem Präsentierteller lag, aufschrecken.
    Die fremde Retterin trat auf ihn zu und legte den Finger auf ihre Lippen, um ihm zu bedeuten zu schweigen. Wieder trat sie äußerst nahe an ihn heran. Erneut spürte er sachte ihren warmen Atem.
    „Was willst du hier und was hast du angestellt?“, wollte sie wissen und dabei ging ihm ein Schauer über den Rücken, als ihre harten und eisblauen Augen die seinen trafen.

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    Cheshire Cat  Avatar von Superluemmel
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    Superluemmel ist offline
    Sie erreichten Gorthar lange nach Einbruch der Dunkelheit. Wobei "Dunkelheit" in dieser Nacht relativ war, denn es war Vollmond. Er stand tief, war von käsegelber Farbe und jagte Frost zum ersten Mal einen Schauer über den Rücken. Sein Licht war so grell, dass die Krater und Narben darin untergingen. Vielleicht war es Paranoia. Vielleicht eine Erinnerung an jene schicksalsschwangere Nacht, als der Mond zu bluten begonnen hatte. Es war ein übles Gefühl, wie durch einen dunklen Korridor zu laufen und dabei zu wissen, dass jemand in den Schatten stand und zusah.
    Er ertappte sich dabei, immer wieder über die Schulter in Richtung des Gestirns zu blicken, nur um sich zu versichern, dass es weiterhin seinem natürlichen Lauf folgte. Bei jedem Blick spürte er sein Herz pochen, stets in der Erwartung, eine blutige Träne fallen zu sehen. Manchmal schien es auszusetzen, wenn die Träne auf einmal da war. Erst ein Blinzeln zerstörte die Illusion. Er musste damit aufhören. Sheyras Seitenblicke wurden immer misstrauischer.
    Die großen Tore waren längst geschlossen. Einzig eine schmale Seitentür versprach noch Einlass, allerdings auch das Risiko lästiger Fragen durch die Wache. Sie konnten sich keinen Ärger leisten, besonders nicht mit der gorthanischen Garde. Das Problem war, dass er in der Stadt kein Unbekannter war. Hinter den Mauern lauerte die Frage, warum Frost, der ach so große Feldherr aus der Rimmersmark, eine Augenklappe trug, an jeder Ecke. Sobald ein einzelner Name von einer ausreichend großen Anzahl von Menschen widergekaut worden war, wurde die eigentliche Person dahinter unsichtbar. Frost hasste Leute, die zu dumm waren, sich eine eigene Meinung zu bilden.
    Andererseits: Vermutlich brauchten die Leute einfach jemanden, zu dem sie aufblicken konnten. Selbst wenn dieser Jemand nichts weiter als ein bis zur Unendlichkeit aufgeblasener Mythos war. Es ging längst nicht mehr um ihn selbst. Hier ging es um das mythische Konstrukt in den Köpfen der Menschen. Eine Bühnengestalt, die ihnen den Weg zur Katharsis eröffnete. Beim Schauspiel mit den Avataren längst verstorbener Helden war das schön und gut. Frost war jedoch noch nicht tot, dafür aber langsam reichlich genervt.
    "Alles in Ordnung?", fragte Sheyra, als Frost keinerlei Anstalten machte, an der Tür zu klopfen.
    Er schüttelte den Kopf. Ein kurzer Blick zum Mond. Das gelbe Zyklopenauge war ein Stück weitergewandert. Keine Träne in Sicht.
    "Nur leichte Kopfschmerzen."
    Eine seiner neuen Lieblingsausreden. Wann immer er einer Frage ausweichen wollte, berief er sich auf Phantomschmerzen, hervorgerufen durch das Dämonenauge. Sheyra schien es zumindest in den meisten Fällen zu schlucken.
    Er klopfte an. Etwas rumpelte auf der anderen Seite der Tür, dann wurde eine schmale Luke auf Kopfhöhe geöffnet. Zu sehen waren zwei nussbraune Augen, die Wurzel einer knorrigen Nase und gebrochenes Fackellicht auf den Ringen einer Kettenhaube.
    „'er Begehr?“
    Jetzt kam ein Hauch von Schnaps hinzu.
    „Wir sind Reisende aus Rynthal und bitten um Einlass.“
    Die Augen wanderten von rechts nach links, offenbar auf der Suche nach weiteren Personen. Dann blieb ihr Blick an Frosts Augenklappe hängen und die Augen wurden schmal.
    „Un' Ihr seid?“
    Bevor Frost antworten konnte, schob sich Sheyra vor ihn.
    „Bitte, guter Herr, mein Vater und ich sind müde von der langen Reise und sehnen uns nichts mehr als endlich wieder eine richtige Herberge. Nehmt Euch doch ein Herz und öffnet die Tür.“
    „Huh, na guhd.“
    Die Luke fiel zu und kurz darauf wurde ein Riegel zurückgeschoben und die Tür schwang auf. Sheyra zwinkerte ihrem Vater zu und trat als Erste ein. Die Wache war so besoffen, dass ihr Denken von Pflichterfüllung längst auf die Basisinstinkte männlicher Wesen umgeschaltet hatte.
    „Hübbsche Dochter habd Ihr da“, bemerkte der Wächter, als er hinter Frost gegen die Tür fiel und versuchte, den Riegel vorzuschieben.
    Frost beschränkte sich auf ein Nicken und folgte Sheyra. Der kurze Gang mündete in eine kleine Wachstube, in der drei Gardisten um einen Tisch saßen und Karten spielten. Ein viertes Blatt lag umgedreht auf einem vierten Schemel. In der Mitte des Tisches stand ein Tonkrug und unter dem Tisch drei weitere, wobei einer umgefallen war. Die ganze Stube roch nach Pfeifenkraut und Schnaps. Als Sheyra und Frost eintraten, schlug einer der Gardisten auf den Tisch.
    „Da schau her, Besuch!“
    Frost rang sich ein Lächeln ab.
    „Nur auf der Durchreise.“
    „Ha!“, lachte der Gardist, „Der war gut!“
    Er klopfte dem Mann neben sich, ein breitschultriger, gedrungener Kerl mit einem beachtlichen Bart, auf die Schulter.
    „Das hat der Humm auch gesagt, als seine Frau ihn fragte, was er bei der kleinen Rothaarigen vom Markt getrieben hat.“
    „Hmm“, sagte der andere Gardist und fuhr sich durch den Bart.
    Gerade als Frost Sheyra weiterschieben wollte, sprang der dritte Gardist auf und rief:
    „He, Ihr seid doch Frost!“
    „Da schau her!“, sagte der erste Gardist.
    „Hmm!“, sagte der andere und fuhr sich noch aufgeregter durch den Bart.
    Frosts Zähne knirschten leise.
    „Ja“, sagte er beherrscht, „Das ist mein Name.“
    „Telaron sucht Euch“, meinte der dritte Gardist, schwankte leicht und fiel auf den Schemel zurück.
    „Wir haben Anweisung, Euch zu ihm zu schicken.“
    Frost sah seine Hoffnung auf ein warmes Bad und weiches Bett in weite Ferne rücken.
    „Muss das noch heute sein?“
    „Er meinte, es sei dringend.“
    Eigentlich hatte er gute Lust, Telaron zum Beliar zu wünschen, doch da spürte er wie Sheyra seine Hand drückte.
    „Na gut“, seufzte er schließlich.
    „Unser Hauptmann wird sich sicher erkenntlich zeigen. Da ich zu besoffen zum Laufen bin, werden Humm und Buck Euch zu ihm führen.“
    Die beiden wirkten zwar nicht weniger nüchtern, aber immerhin schienen sie ihre motorischen Fähigkeiten noch nicht vollständig verloren zu haben.
    „Ist das nicht toll?“, fragte Buck seinen Freund. „Endlich wieder eine große Aufgabe für uns. Hab dir doch gesagt, dass sich unser Kampf gegen die Khorisianer früher oder später bezahlt machen würde.“
    „Hmm“, sagte Humm und fuhr sich durch den Bart.

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    Krieger Avatar von Sheyra
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    Sheyra ist offline
    Für Sheyra war es der erste Besuch beim Hauptmann der gorthanischen Garde. Obwohl die beiden Wachen sturzbetrunken waren, führten sie ihre Gäste zuerst durch die verwinkelten Gassen der Hauptstadt hinauf zur im Fackellicht unheimlich glühenden Festung und dann durch kalte Steinkorridore und über unzählige Wendeltreppen bis zu einer massiven, eisenbeschlagenen Tür. An ihrer Zielstrebigkeit ließ sich erkennen, dass hinter der Fassade der lallenden Trottel zwei mit allen Wassern gewaschene Veteranen steckten. Auch wenn Sheyra keinen Schimmer hatte, was es mit ihrem heldenhaften Kampf gegen die Khorisianer auf sich hatte.
    „Hauptmann“, begann Buck, als Erster eintretend, „Wir haben Frost gefunden und wie Ihr befohlen habt, sofort zu Euch geführt.“
    Die Brüste der beiden Soldaten waren aufgeblasen wie die Hauptsegel einer Fregatte vor dem Wind.
    „Danke Buck, danke Humm. Ihr könnt abtreten. Nehmt Euch den Rest des Abends frei.“
    Das ließen sich die Gardisten nicht zweimal sagen.
    „Wenn wir das Koppers erzählen. Der wird Augen machen, sag ich dir.“
    „Unser erster freier Abend!“
    „Ich weiß gar nicht, was ich mit der ganzen Zeit anfangen soll. Können wir das überhaupt mit unserem Gewissen vereinbaren? Die Khorisianer schlafen nie.“
    „Wir können nicht einfach so vor unserer Pflicht davonlaufen.“
    „Auf in den Kampf!“
    „...“
    „...“
    „... andererseits...“
    „... es ist unser erster freier Abend...“
    „... und Ahmiyad wollte heute die Premiere seiner sorilyanischen Pfefferkrautsoße feiern.“
    „Freie Fleischfladen für alle!“
    Frost schloss die Tür. Der Raum war nicht sonderlich groß, zwar lang, aber nicht sonderlich breit und die großen Bücherregale und Schränke an den Wänden verstärkten den Eindruck der Enge. Ein wuchtiger Schreibtisch aus dunklem Holz beanspruchte fast das komplette, hintere Viertel des Zimmers. Halb hinter einem Stapel aus Büchern und Dokumenten verborgen, saß dort ein Mann über ein Stück Pergament gebeugt. Ein großes Fenster mit einem kunstvollen Muster aus Buntglas verteilte Mondlicht in den unterschiedlichsten Blautönen über Tisch und Regale.
    „Ihr kommt gerade recht“, sagte Telaron und schob Tintenfass, Feder und Pergament an die Seite seines Schreibtisches. Er nahm sich einen Moment Zeit, um seine Augen zu reiben, dann stand er auf und reichte Frost die Hand.
    „Schön Euch wiederzusehen. Ich geb nicht viel auf Aberglaube, aber wenn ich mir die Umstände unserer Treffen vor Augen führe, mag ich fast an Schicksal denken.“
    „Komm schon, Telaron – hatten wir das Korsett der Höflichkeit nicht abgelegt? Ich bin müde von der Reise und zu solch später Stunde sollten wir uns nicht mehr mit Floskeln aufhalten.“
    Der Hauptmann lächelte. Für Sheyra war es eine seltsame Situation. Obwohl sich die beiden Männer äußerlich kaum ähnelten, hätte Telaron eine jüngere Version ihres Vaters sein können. Es war schwer zu sagen, wo die Gemeinsamkeiten lagen. Mit Sicherheit ein wenig in ihrer Art, zu lächeln: Ein seltenes Bild, das nur hinter verschlossenen Türen und vor guten Freunden gezeigt wurde. Aber da war noch etwas anderes; etwas, das schwer zu greifen war; etwas, das wie eine unsichtbare Wolke zwischen ihnen lag und von dem sie gleichermaßen atmeten.
    Als ob Telaron ihren Blick bemerkt hätte, wandte er seine Aufmerksamkeit auf einmal Sheyra zu.
    „Sheyra, nehme ich an?“
    Er deutete eine Verbeugung an.
    „Es ist mir eine Ehre. Da ich mich noch nicht vorgestellt habe: Ich bin Telaron und ich mühe mich seit Jahren mit der Aufgabe, in die Fußstapfen des großen Kaszan Toras zu treten.“
    Sein Lächeln nahm den Worten die Dramatik. Er wies auf zwei Sessel, die vor dem Schreibtisch standen.
    „Bitte, setzt euch.“
    Während sich Frost und Sheyra setzten, trat der Hauptmann an einen Schrank und holte eine Flasche sowie drei Gläser hervor, die er dann, bei Sheyra beginnend, mit rotem Wein füllte. Als er sich dann setzte, blieb sein Blick an Frosts Augenklappe hängen. Sheyra beobachtete, wie sich Telarons Brauen näherten, dann begann sich die rechte langsam zu heben. Sekunden lang schien er abzuwägen, ob er nachfragen sollte. Sheyra fielen die Strähnen auf, die Telarons sonst rabenschwarze Haare an den Schläfen grau färbten.
    „Was ist mit deinem Auge passiert?“
    Frost zog eine Grimasse.
    „Lange Geschichte...“, begann Frost.
    Er erzählte ihm die Kurzfassung. Sheyra hörte schweigend zu und nippte ab und zu, hauptsächlich um nicht einzuschlafen, an dem Wein. Schließlich, als Frost geendet hatte, nickte Telaron.
    „Ich werde Zimmer und alles Notwendige herrichten lassen. Danke, dass du dein Wissen mit mir geteilt hast. Kaum auszudenken, was geschehen wäre, wenn Arjak das Auge in seine Finger bekommen hätte. Er ist Gorthar schon seit Jahrzehnten ein Dorn im Auge. Wenn seine Macht noch weiter wächst, wird er zu einer ernstzunehmenden Bedrohung.“
    „Das ist er längst“, sagte Sheyra leise.
    „Sie hat Recht“, bestätigte Frost. „Arjaks Macht ist beachtlich. Jetzt, da die Schwarze Rose in alle Winde zerstreut ist, kann er seinen Einfluss ungestört weiter ausbauen. Was ihm an Truppen fehlt, macht er durch seine Magie wieder wett.“
    Telarons Finger spielten mit dem Weinglas.
    „Ich werde den Rat unterrichten. Doch im Moment haben wir andere Sorgen.“
    „Bitte nicht wieder irgendwelche Fanatiker“, meinte Frost trocken.
    Telaron lachte humorlos.
    „Du wirst lachen. Wir haben Probleme mit einem gewöhnlichen Dieb.“
    „Einem Dieb?“, fragte Sheyra verwundert.
    „Da steckt doch mehr dahinter.“
    Telaron griff nach dem Dokument, an dem er zuvor gearbeitet hatte.
    „Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich um eine Frau. Ursprünglich keine große Sache: Sie hat klein angefangen, mit Einbrüchen in der Hafengegend. In den letzten Jahren stieg die Zahl an Diebstählen mit ihrer Handschrift jedoch rapide an. Zusätzlich begann sie Handlanger unter ihrer Führung zu sammeln. Das ging weit genug, dass ihr die alten Diebesgilden der Stadt den Krieg erklärten. Wir dachten damals, dass sich die Angelegenheit früher oder später von selbst regeln würde, doch wider Erwarten nahm ihre Anhängerschaft weiterhin zu. Sie geht so weit, dass sie inzwischen öffentlich bekanntgibt, wann und wo sie zuschlagen wird. In den Gassen spricht man bereits von der „Königin von Gorthar“.“
    Frost legte die Stirn in Falten.
    „Klingt für mich stark nach einem Mythos.“
    „Was wisst ihr über die Identität dieser Diebin?“, fragte Sheyra.
    „Nur das, was wir von Augenzeugen oder dem Verhör von Bandenmitgliedern wissen. Wenn die Informationen stimmen, ist sie nach dem Fall der Barriere von Khorinis aus nach Gorthar gekommen. Scheinbar war sie schon in Khorinis in einer Diebesgilde tätig, doch deren Mitglieder sind beim Orkangriff ums Leben gekommen oder untergetaucht. Die Zeugen haben mehrfach bestätigt, dass es sich um eine Frau handelt. Leider sind die Beschreibungen äußerst vage: Nicht sonderlich groß, vermutlich blond, trägt meist einen Mantel und die Maske einer Elster. Ihre Leute scheinen ihr Gesicht entweder nicht zu kennen, oder sie verfügen über eine übermenschliche Selbstbeherrschung.“
    Eine nette Umschreibung dafür, dass Folter nichts gebracht hatte.
    „Sie nennt sich selbst „Mondträne“.“
    Sheyra sah, wie Frost die Zähne zusammenbiss und einen gehetzten Blick zum Fenster warf. Manchmal machte sie sich ernsthafte Sorgen um ihn.
    „Warum könnt ihr sie nicht erwischen?“, fragte Frost. Von Unsicherheit keine Spur mehr.
    Telaron rieb sich erneut die Augen und deutete auf das Dokument.
    „Nun, so ganz gewöhnlich scheint diese Mondträne doch nicht zu sein. Glaub mir, ich hatte anfangs auch meine Probleme, die Geschichten zu glauben. Die ganze Geschichte begann mich erst wirklich zu interessieren, als vor vier Monaten ein Diener von Magister Mandragus zu mir kam. Mondträne hatte dem Magister eine Nachricht zukommen lassen, in der sie ankündigte, den Garyastein zu stehlen.“
    „Was ist das für ein Stein?“, wollte Sheyra wissen.
    „Ein Fokuskristall, ähnlich denen, mit deren Hilfe die Barriere erschaffen wurde. Deutlich kleiner; dafür aber nicht minder wertvoll“, erklärte Frost.
    „Wir sicherten den Turm des Magisters natürlich ab“, fuhr Telaron fort. „Sechs Stockwerke, jedes einzelne von meinen besten Männern abgesichert. Ich war selbst dort, zusammen mit dem Magister. Sie hat den Stein geradezu unter unserer Nase weggestohlen. Der Raum war abgesichert, ich persönlich habe die Wachen eingeteilt und regelmäßig kontrolliert. Dann, von einer Minute auf die andere, ist die Tür offen und die Wachen liegen bewusstlos am Boden. Ich hab sie auf der Turmspitze gestellt. Kein Fluchtweg, nur zwanzig Schritt Sturz in den Tod. Dieses Miststück hat sich verbeugt und ist gesprungen.“
    „Zwanzig Meter?“
    Telaron nickte.
    „Ich sah sie abfedern und davonrennen. Als wäre nichts weiter gewesen.“
    Frost rieb sich das Kinn.
    „Kann sich nur um Magie handeln.“
    „Dachte ich mir auch“, stimmte Telaron zu, „Aber Mandragus stand neben mir. Er ist ein Meister im Stören oder Unterbrechen von Zaubern. Wenn es ein Zauber gewesen wäre, hätte sich das Problem von selbst erledigt.“
    „Und wenn Mandragus den Zauber nicht kennt?“, gab Sheyra zu bedenken.
    „Möglich, aber dann bleibt die Frage, wie eine gewöhnliche Diebin ohne Ausbildung an einer Akademie an solche Magie gelangen konnte. Ich habe mir dieselbe Frage gestellt, doch Mandragus versicherte mir, dass er zumindest eine magische Aura hätte erkennen müssen.“
    „Und du willst also, dass wir den Garyastein zurückholen?“, schlussfolgerte Frost nach einer Pause.
    Telaron schüttelte den Kopf.
    „Die Sache ist etwas verzwickter.“
    Er stand auf und starrte mit hinter dem Rücken verschränkten Armen zum Fenster hinaus.
    „Derzeit befindet sich der Prototyp eines neuen Schiffes unmittelbar vor der Fertigstellung in unserem Kriegshafen. Das Schiff wurde von den Gebrüdern Weihtkopf entworfen und wenn sie ihre Versprechen halten, wird es nicht nur eine Wende für die Schifffahrt an sich, sondern für den gesamten Krieg einleiten. Allerdings fehlt dazu der Garyastein als Energiequelle.“
    Sheyra verschluckte sich beinahe an ihrem Wein.
    „Ein Schiff mit Energiequelle? Was soll das denn wieder bedeuten?“
    „Im Moment ist es mir nicht möglich, weitere Auskünfte über das Schiff zu geben. Lasst es bitte dabei beruhen. Gestern jedenfalls hat Mondträne angekündigt, das Schiff zu stehlen.“
    „Ein komplettes Schiff?“
    „In zwei Tagen soll das Schiff erstmalig auf Seetauglichkeit geprüft werden. Es kann auch ohne den Stein fahren, doch fehlt es ihm dann an seinem entscheidenden Vorteil.“
    Frost schien zu verstehen.
    „Du glaubst also, dass diese Mondträne bei der Jungfernfahrt zuschlagen wird?“
    Der Hauptmann bestätigte mit einen Nicken.
    „Sie hat es bereits angekündigt. Die halbe Stadt spricht davon.“

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    Krieger Avatar von Sheyra
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    Sheyra ist offline
    Es tat gut, nach der langen Reise endlich aus all dem Dreck raus zu sein. Erdreste und Straßenstaub vermischten sich mit den Strapazen und Erinnerungen zu einem einzigen Element, das Sheyra zusammen mit dem Schmutzwasser im Badezuber zurückgelassen hatte. Zum ersten Mal seit Wochen kam sie wieder wirklich zur Ruhe.
    Frisch gewaschen, frische Kleidung und ein weiches Bett. Seit sie Khorinis verlassen hatte, waren diese Dinge zu absolutem Luxus und Wunschdenken verkommen. Dinge, die sie weit von sich weggeschoben hatte, um sich auf die vorliegende Aufgabe konzentrieren zu können. Jetzt, als sie vor dem Spiegel saß und sich das noch feuchte Haar kämmte, purzelten die Fragen in ihrem Kopf wie eine Lawine auf sie nieder. Sie hatte gehört, dass Khorinis gefallen war. Ob ihre Waffengefährten noch am Leben waren? Hatten sie sich rechtzeitig in Sicherheit bringen können? Oder waren sie bei der Verteidigung der Stadt gefallen, stur wie sie waren, bis zum bitteren Ende? Schwer vorzustellen. Ferox hätte das kaum zugelassen. Er war ein Sturkopf, ja, genau wie der Rest (und sie selbst wohl eingeschlossen), aber so stur? Pflichterfüllung schön und gut, aber Selbstmord?
    Der Gedanke beschäftigte sie eine ganze Weile. Sie stellte sich vor, in der Stadt geblieben zu sein. Stellte sich vor wie die Orks kamen. Die ersten Wellen gegen die Mauern, dann die Geschosse von Katapulten, Bögen und Armbrüsten. Schwarzer Rauch über den Häusern, in den Gassen Familien, die zu den Schiffen zu kommen versuchten. Erste Orks auf den Mauern, Leitern, die umgestoßen wurden, der verzweifelte Versuch, die Tore zu verstärken. Wo würde sie stehen? Oben, auf den Mauern, schon in den ersten Minuten blutbefleckt und verwundet? Oder weiter hinten in der Verteidigung, zusammen mit den anderen Paladinen, um Lord Hagen zu schützen? Vielleicht sogar eine der wenigen Glücklichen, die den Schiffen beim Entkommen helfen sollten.
    Eine Gedankenspielerei der düsteren Art. Sie musste sich irgendwie ablenken.
    Die Türklinke klickte und ihr Vater kam herein. Sie sah im Spiegel, wie er Gesicht und Haare mit einem Tuch abtrocknete. Hatte sie ihn zuvor schon einmal nackt gesehen? Es war selten genug, dass sie ihn ohne Rüstung traf. Fast hätte sie ihn nicht wiedererkannt. Absurd, immerhin war er ihr Vater.
    Frost sah auf und Sheyra schnell weg. Sie spürte seinen Blick in ihrem Rücken. Aus dem Augenwinkel konnte sie ihn noch immer im Spiegel sehen. Irrte sie sich, oder lag tatsächlich so etwas wie Stolz in seinem Auge?
    „Bist du nicht müde?“, hörte sie ihn fragen.
    „Ich leg mich gleich hin“, antwortete sie, das Haar weiterkämmend.
    Er griff nach seiner Hose. Ohne Rüstung sah er richtig verwundbar aus. Auch kleiner, obwohl er immer noch ein gutes Stück größer war als sie selbst. Wenn er in voller Montur auftrat, standen sein Ruf und Name neben ihm wie ein ganzes Bataillon. Sie machten ihn größer, stärker, unnahbarer – kurz: Zu dem, was die Menschen in ihm sehen wollten.
    Doch jetzt sah sie ihn so, wie er wirklich war: Hochgewachsen, aber hager, kräftig, aber Meilen entfernt von einem Trollheber wie Tarwulf. Durchschnittlich, das war vielleicht das richtige Wort. Vielleicht auch einfach nur menschlich.
    Da waren eine Menge Narben auf Brust und Rücken. Sie zeigten die Stellen, die von den Panzerplatten nicht vollständig geschützt wurden. Handrücken und Unterarme erzählten eigene Geschichten. Eine größere Narbe zog sich von Halsansatz über das gesamte rechte Schlüsselbein. An der Schulter hatte sich die Haut dunkel verfärbt. Beinahe violett. Die Wunde stammte von einem Dämon. Mutter hatte davon erzählt.
    Sie legte den Kamm beiseite. Ihr Vater hatte sich inzwischen hingelegt.
    „Frost?“, fragte sie nach einigen Minuten. Es war so still, dass sie sich nicht einmal sicher war, ob er noch wach war.
    „Was ist los?“
    Seine Stimme war leise und ruhig, frei von Anspannung. Sheyra zögerte. Die Frage lag schwer auf ihrer Zunge. Sie lag schon lange dort und die Zeit hatte sie nur noch schwerer werden lassen. Sie trug sie mit sich, seit sie ihren Vater zum ersten Mal nach sechzehn Jahren wieder getroffen hatte.
    „Warum wolltest du nicht, dass ich Kämpfen lerne?“
    Sie hörte ihn schwer ausatmen. Dann, nach einer guten Minute:
    „Ich hatte Angst, du könntest so werden wie ich. Vielleicht fürchtet das jeder Vater.“
    Sheyra suchte ihre eigenen Augen im Spiegel. Sie erschrak, als sie für einen Moment ihren Vater erkannte.
    „Ich habe dich gehasst“, sagte sie leise. „Dafür, dass du Mutter und mich allein gelassen hast. Ich habe nie verstanden, warum du fortgegangen bist.“
    Wieder langes Schweigen.
    „Verstehst du es jetzt?“
    „Ja.“ Sie schluckte. „Vielleicht. Ich... weiß es nicht.“
    Der Atem ihres Vaters ging langsam und gleichmäßig. Die Kerze auf dem Tisch flackerte. Ihre Flamme fand kaum noch Wachs zum Verbrennen.
    „Ich wünschte mir, ich hätte es nie getan.“
    Sheyra blickte auf.
    „Manchmal frage ich mich, wie mein Leben ausgesehen hätte. Ob das Schicksal, wenn es ein solches gibt, einen anderen Weg gefunden hätte, mich zu bestrafen. Es fällt nicht schwer, die Schuld auf eine höhere Macht zu schieben. Einfacher, als seine Fehler einzugestehen.“
    In diesem Moment erkannte Sheyra, dass sie ihrem Vater schon lange vergeben hatte. Es war etwas anderes, das ihren Zorn aufrecht hielt.
    „Ich... ich habe immer versucht, dich zu übertreffen. Jeder hat immer nur davon erzählt, was für ein großer Krieger du doch gewesen bist. Ich konnte nicht verstehen, wie du deine Pflicht über deine Familie stellen konntest. Ich stellte mir vor wie du zurückkommst und wir gegeneinander kämpfen. Ich wollte dich besiegen, egal um welchen Preis. Deshalb war ich damals so wütend auf dich.“
    „Ich war blind vor Ehrgeiz“, antwortete ihr Vater.
    Er klang ruhig und ausgeglichen, ohne die geringste Spur von Selbstmitleid, vielleicht ein wenig bedauernd. Ein Mann, der mit seinen Entscheidungen abgeschlossen hatte.
    „Lorkar hatte nicht ganz Unrecht. Damals ging es wirklich nur um mich. Mein Egoismus hat vielen Menschen das Leben gekostet.“
    „Wenn wir weiterkämpfen, werden noch viel mehr Menschen sterben.“
    Sie hatte die Worte fast geflüstert.
    „Wir tun, was wir tun müssen“, erwiderte Frost. „Niemand kann vorhersagen, wie es weitergehen wird. Aber wir dürfen nicht aufgeben. Es ist meine Schuld, dass die Jäger gerufen wurden. Sturm und Shilendra haben sich geopfert, damit wir einen Hauch von einer Chance gegen sie haben. Ich bin es ihnen schuldig.“
    Sheyra sah zu, wie die Kerzenflamme stärker flackerte, sich auf der Suche nach neuem Nährboden nach rechts und links wandte. Gleich würde sie verglimmen.
    „Ich frage mich, ob ich die richtige Wahl getroffen habe...“
    „Denk nicht zu viel darüber nach. An der Vergangenheit kannst du nichts mehr ändern. Konzentriere dich auf das, was vor uns liegt.“
    Sheyra seufzte, dann warf sie das Haar zurück und krabbelte in ihr Bett. Sekunden, nachdem sie die Decke über die Schultern gezogen hatte, glühte die Kerze ein letztes Mal auf und ging aus.
    „Sheyra...?“
    „Ja?“
    Es vergingen einige Atemzüge.
    „Ich bin stolz, dass du es so weit gebracht hast.“

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    Schwertmeisterin Avatar von Narya
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    Narya ist offline
    Die traurige Melodie des Todes sollte nicht zu Ende gehen. Sie strich liebevoll über die Haut der Drachenjägerin und drang in sie ein, flutete jede Faser ihres Körpers mit einer Woge aus Wärme und zauberte inmitten von Dunkelheit, Finsternis, stechendem Schmerz und Verzweiflung die Illusion einer gnädigen Hand, die Narya in ihre Mitte aufnahm und vor allem Leid beschütze. Nie in ihrem ganzen Leben hatte sie sich geborgener und sicherer gefühlt. Zum ersten Mal hatte sie das Gefühl bedingungslos geliebt zu werden.

    Bedingungslose Liebe, die sie in ein Meer von Glückseligkeit eintauchen ließ und sie dennoch von tiefer Traurigkeit erfüllte.

    Als diese Empfindung sie grüßend in die Arme schloss und sie sich fallen ließ, rannen Tränen über die Wangen. Heiße Tränen, die sich durch den Staub und das Blut auf ihren Wangen kämpften, sich am Kinn sammelten, Tropfen bildeten und dann auf ihr Schlüsselbein und ihre bebende Brust herabregneten, als wollten sie die Lee von allen Schmerzen, allem Leid und all ihren Sünden reinwaschen.

    Der Tod war wunderschön.

    Es dauerte einige Zeit bis Narya begriff, welche Bedeutung ihre heißen Tränen inmitten eines Ozeans von kühlender Linderung und Glückseligkeit hatten. Sie war nicht tot. Sie lebte. Wer tot war, der weinte schließlich nicht.

    Warum hatte der Drache sie also noch nicht verspeist? Diese Frage ließ die wunderbare Perle der Illusion, die sie umgab, in tausend Teile zersplittern. Der Schmerz kehrte erbarmungslos in ihren Körper zurück. Jede noch so kleine Bewegung tat ihr weh und bei jedem Atemzug hatte sie das Gefühl, als zerschlitzten ihre Rippen ihre Lungenflügel. Lediglich die Neugier verschaffte ihr etwas Ablenkung von der Qual ihres geschundenen Körpers. Verwundert öffnete sie mühsam die Augen, um ihrer Frage auf den Grund zu gehen.

    Der Drache, der eben noch mit weit aufgerissenem Maul auf sie zugestürmt war und sie eigentlich hätte verbrennen und dann verschlingen sollen, stand eine Steinwurflänge weit entfernt von ihr auf dem felsigen Grund seines Hortes und beäugte sie kritisch. Sein stachelbewehrter Schwanz zuckte aufgeregt hin und her, während die kleinen Hörnchen über seinen Nüstern sich sachte bewegten und dabei jedes Mal eine kleine grüne Wolke aus ihnen hervortrat. Die ledrigen Schwingen hatte er immer noch ausgebreitet und bei jeder noch so kleinen Bewegung wiederholte sich das faszinierende Spiel seines Schuppenpanzers. Eigentlich deutete an seinem Erscheinungsbild nichts mehr auf den Kampf mit der Drachenjägerin hin. Die klaffenden Wunden an seinem Schlund waren größtenteils verheilt und nur wenn sie ganz genau hinschaute, dann konnte sie noch ein dünnes, rotes Rinnsal süßen Drachenbluts erkennen, das von dem mächtigen Fabelwesen herab auf den diamantharten und verbrannten Boden rann, wo es sich in einer beachtlichen Lache sammelte.

    „Sie ist wach“, stellte er fest und stieß eine kleine Flamme aus. „Willkommen unter den Lebenden, Narya, Drachenjägerin“, sagte eine zweite Stimme und veranlasste die junge Frau trotz Schmerzen sofort den Kopf zu drehen. Auf dem Felsen, der ihr während des Kampfes als Schutz vor den Flammen gedient hatte, thronte ein weiteres imposantes Wesen. Es wirkte wie ein sehr großer Vogel, dessen golden leuchtendes Federkleid, das zu seinen Enden hin immer mehr ins Rot überging, zu brennen schien. Der lange, schlanke Hals in feurigem Rot war ihr zugewandt und die roten Augen, die von kleinen, weichen und schwarzen Federn umrahmt waren, musterten die Lee. Die großen, goldenen Federn auf dem Kopf des Wesens bewegten sich leicht in einem lauen Lufthauch. „Ein Phönix“, flüsterte sie voller Bewunderung und konnte den Blick vom Feuervogel nicht wenden. Nie zuvor hatte sie ein schöneres Lebewesen erblickt.

    „Ganz recht, Narya. Mein Name ist Ilthas. Altharion hat sich Euch schon vorgestellt.“ Bei diesen Worten zuckte der Schwanz des Drachens ein bisschen stärker hin und her. Er warf dem Phönix einen feindseligen Blick zu, denn der spottende Unterton in dessen Worten war kaum zu überhören gewesen. „Hast Du mich gerettet?“, wollte die Kriegerin wissen und versuchte sich aufzurichten. Doch sie scheiterte. Der Schmerz durchzuckte wie ein Blitz ihren Körper. „Bleibt sitzen, ruht Euch aus und kommt wieder zu Kräften.“, herrschte Altharion sie recht barsch an und schnaubte zweimal schnell hintereinander, sodass sein Kopf in eine Wolke aus Drachenatem gehüllt wurde. Die Anspannung, die zwischen den Wesen herrschte, war zum Greifen nah. Narya wunderte sich gehörig. Ilthas setzte mit betont ruhiger Stimme zur Erklärung an. „Nun, sagen wir, dass ich rechtzeitig kam um ihn abzulenken. Er hat dann allerdings freiwillig auf Euch verzichtet. Der alte Drache braucht ein wenig, um Feuersturm zu erkennen. Euer Schwert stand lichterloh in Flammen, als er endlich verstand, wen er vor sich hatte.“

    Der Kritisierte schnaubte verächtlich und warf dem erhaben auf seinem Fels thronenden Phönix einen nunmehr hasserfüllten Blick zu. Seine giftbesetzte Krallen gruben sich deutlich hörbar in den Boden ein. Altharion schien nicht sonderlich erfreut über diesen Gast der Lüfte zu sein und musste sich zusammennehmen. Den Grund kannte Narya freilich nicht – momentan beschäftigten sie nämlich ganz andere Fragen „ Wieso sollte er Feuersturm erkennen? Was.. was hat es mit dem Schwert auf sich?“, wollte sie wissen und unterdrückte ein leises Wimmern, als sie beim Sprechen von Krämpfen geschüttelt wurde. Es schien, als erreichte sie das eigentliche Ziel ihrer Reise – die Wahrheit über Feuersturms Ursprung – nun doch noch. Liebevoll strich sie der blutverklebten Hand über ihre Waffe. Ihr Schwert pulsierte unter ihrer Berührung.

    „Es ist wohl an der Zeit, Euch die Geschichte vom Schwert des Feuers zu erzählen“, sprach der Phönix langsam und sah auffordernd zu Altharion. Narya wandte den Blick zu dem Drachen, der mehr als eindeutig ob der geschwollenen Verhaltensweise seines Gegenübers mit den Augen rollte.

    „Ilthas und ich sind beide Wesen des Feuers.“, begann er in recht einfachen Worten zu erklären und spielte angriffslustig mit seinem feurigen Atem, sodass Narya die Hitzewallungen mehrere Wimpernschläge lang deutlich spüren konnte, während er weiter sprach. „Als die Welt noch jung war, erwählten Innos“, er machte eine kurze Pause und schnaubte erneut verächtlich grüne Giftwölkchen aus. Man merkte, dass er vom Gott des Lichts nicht viel hielt. „erwählten Innos und der Hohe Herr sich das Feuer als ihr Element. Adanos hingegen erwählte das Wasser. Doch während Innos die Phönixe zu seinen Geschöpfen und Gesandten auf Erden machte, entschied Beliar sich für die weisen und starken Drachen als seine gefolgsamen Geschöpfe im Zeichen des Feuers. Seit jener Zeit stehen unsere Arten im direkten Kampf. Wir ringen seit dem Beginn der Zeit um die Vorherrschaft unserer Götter auf Erden.“ Er machte eine kurze Pause und sah zu Narya. „Verstanden“, beeilte diese sich einzuwerfen– wohl zum Erstaunen des Drachens – und ließ das mächtige Wesen fortfahren.

    „Alle Drachen und meine Wenigkeit vertreten also Beliar, den Dunklen Herrn, auf Erden, während die Phönixe ihre Flügel in den Dienst des Lichtgottes stellten. Vor langer Zeit also kämpften der Älteste Drache und der Oberste Phönix auf diesem Berg gegeneinander. Der Kampf war erbittert, blutig und erbarmungslos. Als sich das Feuer Innos mit dem Feuer Beliars traf, geschah etwas jedoch etwas Merkwürdiges. Die Flammen verbanden sich, stiegen in den Himmel auf und als sie sich lösten, war ein Schwert entstanden, das lichterloh brannte. Ihr haltet es in den Händen, Narya.“ Ergriffen schaute die Lee auf ihre Waffe. Wie kam ein Schwert mir solcher Vergangenheit in ihren Besitz? Der Drache überging diese Frage und fasste – aus Rücksichtsnahme auf den einfachen Geist der Menschen – die Ereignisse noch einmal zusammen. „In eurem Feuersturm ist also das Feuer Beliars mit den Flammen Innos verbunden. Gut und Böse sind in dieser Waffe verschmolzen und kämpfen auf ewig gegeneinander.“ Diese Wahrheit elektrisierte Narya unheimlich. Es war ein seltsames Gefühl eine solche Waffe zu führen.

    „Was geschah dann? Wie habe ich es bekommen?“, fragte Narya aufgeregt und vergaß allen Schmerz für eine Weile. Ilthas gurrte einmal kräftig und meldete sich zu Wort. „Nun, wie Ihr euch sicher denken könnt, wollte ein jeder das Schwert in seinen Reihen wissen. Zwischen Beliar und Innos entbrannte ein heftiger Streit darüber. Als sie sich nicht einigen konnten, ergriff Adanos das Wort. Er sprach: „Brüder, was nützt Euch ein Schwert? Ihr habt andere Waffen. Ich sage Euch: Überlasst es den Menschen, wenn ihre Zeit gekommen ist. Möge das Schwert des Feuers an fähige Krieger und Kriegerinnen auf Erden gegeben werden und möge ihr Herz und ihr Glaube allein darüber entscheiden, ob sie es für Licht oder Dunkelheit einsetzen.“

    Darauf konnten sich unsere Herren einigen.“ Einen Moment herrschte Schweigen. Die Lee begann zu erahnen, wohin diese Geschichte führte. Es war Altharion, der das lange Schweigen brach und die Erzählung seines Feindes aufgriff. „Als die Zeit der menschlichen Rasse kam, übernahm Zeros das Schwert. Er setzte es im Dienste Beliars ein und fand ein heldenhaftes Ende gegen eine Übermacht von fünfzig Innosstreitern. Nach seinem Tode wanderte das Schwert des Feuers in den Besitz der Lichtkrieger. So wechselten die Träger dieser Waffe über die Jahrhunderte hinweg – ein jeder für seine Seite ein wertvoller Streiter und ein jeder für die Seite der anderen ein Leid, Qual, Tod und Verderben bringender Rächer des jeweiligen Gottes. Eines Tages jedoch, als Arkan, der Lichtstreiter, zum wiederholten Male ein friedliches Dorf der Diener Beliars auslöschte, hatte Adanos Erbarmen mit den Menschen. Er beauftragte Ruhin und Ordin, die Herren der Winde, die Waffe zu suchen und diese wiederum sandten die Windkinder in alle Himmelsrichtungen. Obwohl Arkan bald bemerkte, dass man ihn verfolgte, gelang es ihm nicht seinen Häschern, den Windkindern, zu entkommen. Sie spürten ihn auf und benachrichtigten ihre Herren. Ruhin und Ordin entführten dann gemeinsam das Schwert des Feuers zu Adanos. Dieser sprach: „Lange Zeit sollst Du ruhen und die Menschheit nicht unter Dir und deinen Trägern leiden. Ich schenke der Menschheit ihren Frieden solange ich es kann. Bis zu der Zeit, in der die Welt ins Wanken gerät und eine Kriegerin erscheint, die das Licht und das Dunkle in sich trägt. Sie wird glorreiche Siege für die einen und erneut Elend und Verderben für die anderen bringen. Und doch wird es dann vollkommen anders sein und sie, die wir die Zerrissene nennen, wird einen hohen Preis für ihre Werke entrichten müssen und genauso wie ihre Opfer leiden.“ Seine weiteren Worte sind nicht niemandem mehr bekannt, doch er sprach lange über die Zerrissene. Zum Schluss übergab er das Schwert des Feuers einem mächtigen Hüter zur Verwahrung an einen Ort, wo Adanos Element vorherrscht und die Feuer Beliars und Innos selten zu brennen vermögen.“

    Bei diesen Worten stiegen unwillkürlich Erinnerungen an die eisigen Ebenen in der Lee auf, die sie damals mit Troan und den anderen aufgesucht hatte, um den letzten Schatz zu finden. Erneut machte sich Schweigen breit. Lediglich das Zischen der heißen Fontänen und das leise Brodeln der Lava im Krater erklang.

    Ilthas girrte. „Narya, Ihr habt es geschafft. Ihr habt das Schwert des Feuers seinem eisigen Gefängnis entrissen. Die Zeit der Veränderung ist gekommen, Ihr werdet es merken. Die Kreaturen Beliars überrennen die Länder der Menschen und bringen die treuen Diener Innos an den Rand der Vernichtung. Ihr werdet es mit eigenen Augen sehen, wenn Ihr dieses dunkle Reich verlässt. Innos braucht nun wertvolle Streiter und Streiterinnen. Die Menschen, deine Freunde brauchen Euch. In Euch steckt das Gutes – setzt es für das Licht ein.“

    Narya hob den Kopf. Sie sah das wunderschöne Tier lange an und lächelte dann ergeben. Sie wusste, welchen weg sie einschlagen würde. Trotz einem sanften Stechen in ihrem Innern meinte sie: „Ja, Herr. Ich werde dieses Schwert in die Dienste des Lichtgottes stellen und alles in meiner Macht stehende tun, um das Böse zu vernichten.“, erwiderte sie und obwohl es eigentlich Worte waren, die sie mit Euphorie erfüllen sollten, fühlte sich dabei merkwürdig leer. Ilthas bemerkte es nicht, gurrte zufrieden und raschelte mit den Federn. „Gute Wahl. Mein Gott hat Euch viel gegeben. Es ist an der Zeit sein Vertrauen zurück zu zahlen.“, entgegnete er und erntete dafür ein tiefes Grollen Altharions.

    Der Drache reckte sich, beugte den geschuppten Kopf nahe an die Lee heran und schaute seiner Jägerin tief in die Augen. Die junge Frau sah das Funkeln allzu gut.

    „Narya, wartet erst einmal mit Eurer Entscheidung. Hat Innos Euch wirklich so viel gegeben?“, in seinen Worten lag etwas lauerndes und doch klang seine Stimme samtweich. Die Banditin wollte den Blick von ihm und seinen Augen wenden, die sich bohrend in sie herein fraßen, doch sie vermochte es nicht. Das Geschöpf hatte mit einer einzigen gezielten Frage ihre Überzeugung ins Wanken gebracht. Oder war sie gar nicht so überzeugt gewesen, wie sie gedacht hatte? Die Frage des Drachen frass sich in ihren Kopf, ihre Gedanken und tief in ihr Bewusstsein, dorthin, wo nun schon seit Monaten die Zweifel nagten und wo bei ihren vorherigen Worten ein schmerzhaftes Stechen aufgeflammt war.

    „Hör nicht auf ihn“, warf Ilthas ein und raschelte aufgeregt mit den Flügeln. Wenn sie nicht alles täuschte, dann loderten die Flammen seines Federkleides ein wenig heller. „Innos ist immer bei Euch gewesen.“ Dieses Mal grollte Altharion noch ein wenig lauter. Zeitgleich brodelte die Lava des Vulkans unüberhörbar laut auf. „Wirklich, Feuerkriegerin? Dann sage mir: Wo war Innos, als die Piraten Euch auf dem Fjord verfolgten? Wo war Innos in den brutalen Kämpfen auf Deck? Und wieso hat Innos Euch nicht geholfen? Warum hat er zugelassen, dass Ihr einen kleinen, unschuldigen Jungen getötet habt, als ihr das Schiff versenktet?“, die Fragen des Drachen prasselten auf sie hernieder wie ein tödlicher Pfeilregen in einer Schlacht, vor dem man sich mit seinem Schild beschützte. Naryas Schild war der Glaube an Innos und seine Gnade. Doch er bröckelte. „Innos hat…“. Setzte Ilthas an, doch er wurde von dem wütenden Drachen sofort unterbrochen. „Er war nicht da“, sprach dieser die Wahrheit aus und stieß eine Feuerattacke gen Himmel. „Stattdessen wird er Euch wegen dieser Tat richten. Mein Herr hingegen hat Verständnis für Eure Situation.“ „Das kann man so noch nicht abklären“, wagte Ilthas einzuwerfen und Narya schenkte ihm einen hoffnungsvollen Blick. In ihrem Innern jedoch lehnte sich der Zweifel gegen den Glauben an die Gnade Innos auf. Altharion wusste das. Er hatte ins Herz der Drachenjägerin gesehen und kannte ihren Zweifel und er hatte das erblickt, das vor einigen Monaten erwacht war. Er wandte sich an den Phönix. „Ist es nicht so, dass der Mensch seine Taten selbst verantworten muss? Ist es nicht so, dass Narya einen Unschuldigen ermordet hat? Ist es nicht Innos, der sie für diese Tat zur Rechenschaft ziehen wird – dem es lieber gewesen wäre, sie wäre gestorben als etwas unrechtes zu tun?“ Der Gesandte des Lichtgottes schwieg. Sein Schweigen brachte den Drachen erst recht in Fahrt.

    „Das Federvieh hier“. Er deutete mit dem stachelbewehrten Schwanzende auf den Phönix. „behauptet, dass Innos für Dich da gewesen wäre. Wo aber war Innos in Gorthar, als die Wahnsinnigen deine Freundin der Hurerei mit einem Dämonen anklagten? Wo war Innos, als ihr Todesurteil gefällt wurde? Wo war Innos, als man sie folterte? Wenn er Dich schon wegen einem einzigen unschuldigen Toten aus seinem Schutz verstossen hat, mit welchem Recht verstieß er dann Leanor, die die Menschen liebte und sich für ihr Leben einsetzte? Ist das nicht nichts anderes als Indifferenz gegenüber den Menschen? Ist es nicht Lieblosigkeit, wenn nicht gar Willkür, die den Höchsten handeln lässt?“ Narya sah in seine glimmenden Augen. Sie wollte ihm widerstehen, doch wie sollte sie der Wahrheit widerstehen? „Hör nicht auf ihn. Er verdreht die Wahrheit. Seine Worte sind schändliche Lügen.“, bat Ilthas derweil inständig und versuchte den Blick der jungen Frau zu fangen. Er scheiterte. Ihr Schutzschild hatte schon einen Großteil seines Materials eingebüßt und der erste Pfeil der Wahrheit steckte tief in ihr. Narya blickte in das flammende Rot von Altharions Augen. Sie vermochte keine Lüge in ihnen zu erkennen. Der Drache war sicherlich in Rage, doch er sprach die Wahrheit. Die Erinnerung an den gewaltsamen Tod Leanors schmerzte mehr als ihre gebrochenen Rippen.

    Altharion war noch lange nicht fertig. Er nutzte seine Chance. „Wo war Innos als man Leanor durch die geifernde Masse schleifte? Wo war Innos, als man sie auf den Scheiterhaufen zerrte? Und wo, Narya, wo war der Lichtgott, als ihre Schreie gen Himmel gellten? Wo war er, mit seiner vielbesungenen Herrlichkeit und Gnade?“ Er machte eine kurze Pause. In Ilthas Augen stand maßloses Entsetzen. „Die Wege meines Herrn sind unergründlich, Narya. Du wirst es nicht nachvollziehen können. Aber er hat einen Plan und handelt stets gerecht. Nun, schweig, du Ausgeburt der Hölle mit der gespaltenen Zunge.“, herrschte er schließlich noch Altharion an, doch dieses Mal schüttelte Narya den Kopf. Der Phönix sah in ihre blitzenden Augen. „Nein, rede Altharion. Deine Worte sind wahr und ich will die Wahrheit hören.“, erwiderte sie. Der Schutzschild des Glaubens an Innos Gerechtigkeit war nun endgültig zerbrochen und die Worte des Drachen schlugen ähnlich wie die Bolzen einer Armbrust mit großer Wucht in ihren Verstand und ihrem Herzen ein.

    „Gut“, kam der Drache genüsslich schmauchend ihrer Bitte nach. „ Willst Du dein Leben wirklich in den Dienst eines solchen Gottes stellen? Waren es nicht sogar Anhänger Innos, die deine Freundin bespuckten, bewarfen und schlugen, als sie durch die Gassen einem Schweine gleichend gehetzt wurde? Willst Du dein Schwert wirklich in ihren Dienst stellen? Waren die Geißler, Anhänger des Lichtgottes, nicht diejenigen, die deine Freundin töteten? Erfüllen sie nicht letztlich nur den Willen ihres Gottes?“

    „Das stimmt nicht“, brauste Ilthas nunmehr erbost auf. „Die Geißler sind fanatisch. Innos schätzt niemanden, der derart handelt.“ Narya sah zu ihm hin, doch Altharion fing ihre Aufmerksamkeit wieder ein. „Es geht doch weiter!“ warf er ein und setzte seine Rede ohne Umschweife fort. „Wo war Innos bei der blutigen Schlacht der Wüstenclans? Wo war er, als man Euch gefangen nahm und Sahir hingerichtet wurde? Hat er Euch geholfen, als man euch durch die Massen Kazirs jagte? Hat er Euch nur ein einziges Zeichen seiner Unterstützung gesandt, als ihr vor Gericht um ein Leben als Gladiatorin oder den Tode kämpfen musstet? Hat er Euch in der Arena beigestanden? Wo war Innos in all euren Kämpfen? Wenn er Euch liebt, wieso hat er Euch überhaupt in solche einer Situation leben lassen? Ist es gerecht, dass er Euch für eure Taten richten wird? Habt Ihr es nicht vielmehr allein geschafft, euer Leben zu retten? Habt Ihr nicht einen hohen Preis für eure Freiheit gezahlt?“ Narya schloss erschöpft die Augen. Der Drache sprach nichts als die Wahrheit. Jede einzelne Wunde, die ihr in den letzten Monaten zugefügt worden war, schmerzte brennend. Am schlimmsten brannte jedoch ihre Seele. Lediglich eine einzige Empfindung in ihr brannte heller, als alle bösen Erinnerungen, die ihre Seele peinigten und zu Asche werden ließen: Hass.

    Ilthas unterbrach den Gesandten des Dunklen Gottes. „Es war ein Hohe Priester Hustrans oder Beliars, der Euch seinem Gotte opfern wollte und euer Schicksal auf ewig an Kazir knüpfte.“, warf er ein. Dann setzte er inständig flehend fort. „Narya, in Euch steckt das Gute. Kämpft gegen die Versuchung an. Stellt Euch auf die Seite des Lichtes.“ Altharion lachte grollend und höhnisch über die Einwände des Phönix. „Genau in diesem Punkte, gefiederter Freund, liegt euer Fehler. Die Worte Adanos weisen auf die ganze Wahrheit genauer hin, als wir annehmen. Während alle vorherigen Träger des Schwertes entweder stärker zum Guten oder eben zu Beliar tendierten, trägt Narya das Dunkle und das Licht in sich. Doch verrate mir, Kriegerin des Feuers, waren Innos Taten bzw. die Taten seiner Helfer gut? Kann man nicht eher sagen, dass sie Euch Leid brachten und somit das eigentlich Böse waren? Ist die Frage nach dem Guten oder Bösen nicht vielmehr vom Auge des Betrachters abhängig? Nehmt Leanor: In den Augen der Gorthaner und Innos habt ihr böses getan, als ihr Leanor unterstütztet. Doch waren es nicht Freundschaft, Treue und das Gute, das Euch handeln ließ? Ist es nicht falsch zu sagen, dass Beliar das Böse ist? Hat nicht vielmehr Innos Euch Böses angetan?“

    Die Lee gab dem Wesen Recht und nickte. Ilthas gab allerdings den Kampf noch nicht verloren. „Es war ein Dämonenlord, eine Kreatur Beliars, der Euch auf eurem Weg hierher angriff.“ Auch das stimmte. Narya nickte abermals. In ihrem Innern tobte endlich ganz offen ein erbitterter Kampf. Altharion donnerte seinen Schwanz gegen einen Felsen in der Nähe. „Mag sein. Doch stand Innos Euch bei? Wer ist Euch denn zu Hilfe gekommen, Narya? Die Schatten des Hohen Herrn selbst retteten Euch vor dem sicheren Tod. Der Lichtgott aber blieb untätig.“

    „Er konnte Euch nicht helfen“, warf Ilthas ein, stieß sich von seinem Felsenthron ab und flog in elegantem Bogen zur Erde. „Dies ist das Vortor zum Reiche Beliars. In diesem Teil der Erde hat Innos keine Macht. Er konnte Euch hier nicht beistehen. Aber fragt Euch, wieso ihr soweit gekommen seid. Ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass Beliar Euch in seinem Reich haben wollte und Euch deswegen die Pforten öffnete?“ Diese Frage leuchtete der Lee ein. Ilthas sah es mit Zufriedenheit. „Dann fragt Euch auch, ob es nicht vielleicht die Intention des Dunklen Herrn ist, euren Geist zu vergiften und Euch auf seine Seite zu drängen.“

    Eine lange Pause trat ein. Altharion hatte diesem Argument nichts entgegen zu setzen. Narya erkannte, dass der Phönix die Wahrheit sprach und dass sie ihren Eintritt in dieses Dunkle Reich nur überlebt hatte, weil Beliar selbst es wollte. Er hatte sie hierher gelotst. Dennoch ließen die Worte des Drachen sie nicht kalt. Sie umklammerten sie innig und ließen zahlreiche Gedanken in ihrem Innern aufkommen. All ihre Werte und all ihre Erziehung sprachen für Innos, doch die Stimme in ihrem Innern forderte wild brüllend die Unterstützung Beliars. Es war das Böse, das in Kazir geweckt worden war und bis dahin ruhig geschlafen hatte. Und eben dieses Böse war auch ein Teil von ihr. Lange blieb sie also wortlos sitzen und wog beide Seiten gegeneinander ab. Schweigend richtete sie sich irgendwann unter Schmerzen auf, stolperte zu ihrem kleinen Gepäck, beförderte drei kleine leere Amphoren zum Vorschein, ging zu Altharion, kniete sich neben dem großen Drachen nunmehr furchtlos nieder und tauchte sie in die große Lache des Drachenbluts. Glucksend nahmen die Amphoren den süßen Lebenssaft auf. Narya trank einen Schluck.

    „Ich muss zu Kräften kommen, damit ich zurück zu den Menschen gehen kann“, erklärte sie den beiden Wesen, die sie unentwegt musterten. Ihnen entging der Schmerz der Lee bei jedem ihrer Schritte keineswegs. Als das süße Drachenblut in ihrem Innern herabrann, wurde sie wohliger Wärme und neuen Kräften erfüllt.

    „Nun“, sagte Ilthas. „Für welche Seite habt Ihr euch entschieden, Narya.“ Mit dieser Frage hatte sie gerechnet. Lange schaute sie stumm zwischen den beiden einher, ehe sie sprach: „Ich habe mich für keine der Seiten entschieden.“

    Altharion hustete kleine Giftwölkchen aus. „Ihr müsst, Feuerkriegerin. Es ist das Schicksal eines jeden Träger des Schwert des Feuers sich entweder für Beliar oder für Innos zu entscheiden. Ihr müsst wählen. Es ist euer Schicksal.“ Ilthas raschelte zustimmend mit seinen Federn. Narya lächelte.

    „Es gibt kein Licht ohne Schatten und keinen Schatten ohne Licht. Was ist schon gut und was ist schon böse? Ich weiß es nicht und will mich nicht als fähige Richterin aufspielen. Innos und Beliar können ohne den anderen nicht sein und ein jeder von ihnen ist gut und zugleich böse. Ich halte mich an Adanos Worte – ich werde eine andere Trägerin dieses Schwertes sein. Ich glaube nicht an Schicksal und wenn es es doch gibt, dann will ich mich ihm widersetzen. Ich will nicht Werkzeug eurer Götter sein ohne zu wissen, ob ich das Richtige tue. Welche Qual, welches Leid haben die Höchsten uns Menschen gebracht? Die Gefolgschaft und der Gehorsam der Menschen den Göttern gegenüber ist der Ursprung allen Leids, die Geißel der Menschheit. Ich werde diesen Dunklen Ort verlassen und mein Ziel wird es sein meine Freiheit in diesen Zeiten zu bewahren. Ich werde Feuersturm zur Verteidigung meiner Freiheit einsetzen. Jeder Ordensmensch des Lichtgottes soll mein Feind sein und jeder fanatische Gläubige Innos soll Feuersturm spüren. Ich werde jedoch auch jeden Ork zur Strecke bringen und ich werde tapfere Krieger und Kriegerinnen um mich sammeln, alle Drachen dieser Welt finden und töten. In der Hoffnung nicht länger von den Göttern beherrscht zu werden.“

    Schwankend wandte Narya sich zum Gehen. Keines der Wesen hielt sie auf. Als sie den Felsenkorridor passierte, hörte sie Ilthas klare Stimme rufen:„Es ist dein Schicksal, dich zu entscheiden. Glaube uns – Du wirst dich für eine Seite entscheiden, ohne es zu merken. Denn Du bist verdammt und den Fängen des Schicksals vermagst du selbst mit diesem Schwert nicht zu entkommen. Dein Weg mag nicht den Gesetzen der Götter gehorchen und doch wirst Du Leid und Elend über die Menschen bringen so wie es Dir bestimmt ist. Geh nur, Narya. Gehe schnell. Deinem Schicksal wirst Du doch nicht entrinnen.“

    Sie lachte grimmig bei diesen Worten, schulterte ihr Gepäck und begann ihre Heimreise durch die Dunklen Lande – allein und trotz allem Erfahrenen mit Zuversicht. Sie schmiedete Zukunftspläne. Bei dem Gedanken an den bevorstehenden Tod der Geißler in Gorthar und Bund der Drachenjäger umspielte ein Lächeln ihre Lippen. Sie wusste, wo sie solche Männer und Frauen suchen musste. Sie wusste auch, dass sie sterben würde, denn dem Willen der Götter und dem Plan des Schicksals wiedersetze man sich nicht. Doch der Gedanke an ihren derzeitigen Widerstand gegen alles Göttliche war ungemein aufbauend.

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    Drachentöter Avatar von kire
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    »Und nur für dieses Schwert hast du die lange Reise auf dich genommen?«
    Die Frau, die sich selbst immer nur als „die Alte“ bezeichnete, nahm den Kessel mit dem brodelnden Wasser vom Feuer und schüttete den Inhalt vorsichtig durch ein mit Kräutern gefülltes Sieb in einen hohen Krug.
    Kire beobachtete sie dabei müde und entspannt. Die letzten Tage hatte er in der Hütte Ronjas verbracht, die ihn aus der Sichtweite der Wachen gerettet und in den letzten Tagen versorgt hatte. Der Drachenjäger war nun wieder zu kräften gekommen, hatte in den letzten Tagen wenig von seiner Umgebung mitbekommen und wurde ständig von der Frage geplagt, wo Martinos stecken könnte. Er hatte ihn seitdem nicht auftreiben können, doch war es auch zu gefährlich gewesen, in seinem Zustand die Unterkunft zu verlassen und damit den Verfolgern in offene Arme zu laufen.
    Kire antwortete zunächst nicht auf Ronjas Feststellung. Erst als sie auf seinen Tisch zuschritt und ihm den dampfenden Tee vor die Nase stellte, schüttelte er benommen den Kopf. »Es war nicht einmal dieses Schwert. Mich rief die Freiheit und ich wollte meinem alten Leben entfliehen.«
    Ronja runzelte die Stirn. »Und dann hast du dir gedacht, dass du mal einen Ausflug in den Gletscher unternehmen könntest und bist dann hier im höchsten Punkt des Gletschers gelandet?«
    Kire schmunzelte in sich hinein und musste an die Amulette denken, die nun im Besitz der Orks waren. Er sagte jedoch nichts. Die Alte setzte selbst in warmer und mütterlicher Stimme fort. »Ich sehe schon. Bald wirst du auch wieder verschwinden. Der Krieg mit den Orks wird nie ein Ende finden, solange König Norman dort oben auf seinem Sessel sitzt und sich von Dienern die Füße massieren lässt.« Ein Funkeln trat in ihre Augen, als sie Kire erzählte, was ihr auf dem Herzen lag. »Ich bin schon alt, habe drei Regentschaften erlebt, doch keiner der Könige war so engstirnig wie Norman. Man mag es sich kaum vorstellen, aber die Orks und die Menschen haben einst friedlich miteinander gelebt. Nicht miteinander, aber immerhin akzeptierten sich die Völker gegenseitig. Die Orks lebten in der Natur, doch der König wollte nicht mit ansehen, wie sie allmählich ihre prunkvollen Tempel errichteten und dem Königreich den Rang ablaufen sollten.«
    »Ich werde heute losziehen«, erwiderte ihr Gast und erhob sich entschlossen, ohne auch nur ansatzweise auf ihre Sorgen einzugehen.
    Als wenn die Alte es bereits erwartet hatte, blieb sie völlig gefasst und öffnete einen der massiven und dunklen Holzschränke, aus dem sie eine Fellrüstung hervorzog. »Nimm sie. Die gehörte meinem Mann, damit wirst du vorerst unerkannt bleiben.«
    Während der Drachenjäger aus dem Fenster ins Licht hinausschielte, entkleidete er sich und legte die Rüstung an, die ihm Ronja gegeben hatte. Ihm war jede Hilfe recht, doch er wollte aus dem Haus sein, bevor die Wachen zu ihrem täglichen Durchsuchungsgang anrückten. Er hatte auch eine Karte bei sich, die er mit Hilfe der Alten gezeichnet hatte und die ihm Aufschluss über mögliche Schlüsselstellen in Richtung Palast gab. Kire hatte sich entschlossen, einen Weg durch das Sklavenviertel einzuschlagen, um von dort durch die anliegenden Wachkasernen in den Palast zu gelangen. Die Kasernen wären zwar schwerer bewacht, allerdings hatte er dort weit mehr taktische Möglichkeiten, als an der völlig freiliegenden langen Brücke, von der man ihn mit einigen Pfeilsalven schnell herunter befördern würde.
    Kire nickte seiner Rettung ein letztes Mal zu, ehe er die Tür der Unterkunft hinter sich schloss und unauffällig die schmale Gasse entlang schlenderte.

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