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Stewark
Die Kopfgeldjägerin seufzte gelangweilt. Warten war etwas, das sie auf den Tod nicht ausstehen konnte. Obwohl es eigentlich zu ihrem Beruf gehörte. Andererseits war das noch lange kein Grund, sich damit anzufreunden.
»Dann warten wir halt.«, erwiderte Vicious und fläzte sich so gut es ging an die Hausmauer. Während die Marmo so dasaß, betrachte sie Candaals Hinterkopf und den aufsteigenden Rauch. Dabei kam ihr in den Sinn, dass DraconiZ ihr viel Gold dafür geboten hatte, wenn sie ihm Candaal ausliefern würde. Ganz fair wäre es nicht, jetzt zuzuschlagen. Vor allem weil Candaal ihr manchmal recht hilfreich war. Der ausschlaggebende Grund war allerdings, dass Vicious einerseits nicht den blassesten Schimmer hatte, wo sich DraconiZ im Augenblick aufhielt, und andererseits so gut wie feststand, dass er seine Machtposition in Bakaresh eingebüßt hatte. Jedenfalls legte die Anwesenheit der Myrtaner auf dieser entlegenen Insel diese Vermutung nahe. Eine vergeudete Gelegenheit.
»Wir müssen den Wassermagier trotzdem aus der Stadt bekommen.«
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Nachdenklich betrachtete Calintz den Boten, welcher ihnen von Alika gesandt worden war. Der Hüne mit der eindrucksvollen Maske gab sich wie immer ausgesprochen wortkarg und war weder gewillt ihnen weitere Informationen über die derzeitige Lage im Orden, noch über irgendwelche geplanten Aktivitäten seiner Auftraggeberin zu geben. Alles was aus seinem hinter der eisernen Maske liegenden Mund kam, war die knappe Nachricht der jungen Frau. Sie enthielt nicht wirklich relevante Informationen. Vielmehr handelte es sich um einen Statusbericht der aufstrebenden Rebellin. Anscheinend hatte sie es tatsächlich geschafft eine der Stimmen zu bezirzen, war jedoch noch nicht soweit ein Treffen mit den beiden Hashashinen zu vereinbaren. Sie bat Azil und Calintz um Geduld und versprach sich wieder zu melden, sobald sich etwas veränderte.
Unruhig wartete nun der namenlose Bote auf eine Botschaft die ihm als Antwort mitgegeben werden sollte. Allerdings ließ sich der Weißhaarige nicht hetzen und so verstrich einige Zeit, bis er sich dazu herabließ dem Hünen eine Nachricht mit auf den Weg zu geben:
"Sag dem Weib, dass sie ihre Arbeit fortsetzen soll, aber unter keinen Umständen irgendwelche voreiligen Aktionen ausführen soll. Ein kleiner Fehler kann die ganze Aktion zunichte machen und das würde sie in jedem Fall den Kopf kosten. Sei es nun durch den Orden oder durch meine Hand."
Stumm nickte der Halbriese und wandte sich zum Gehen. Als der Namenlose langsam zwischen den Bäumen verschwand, tauchte plötzlich Azil an der Seite seines Meisters auf und flüsterte geheimnisvoll:
"Wetten, dass sie dem Zwerg eine magische Landkarte auf den Bauch tätowiert haben?"
Leicht verwirrt sah das Schwarzauge seinen grinsenden Begleiter an.
"Naja...wie sonst hätte er uns hier, mitten in der Wildnis finden können?"
Das Grinsen des Harlekins wurde noch um ein Stück breiter. Calintz hingegen schüttelte seufzend den Kopf. Die eigentümlichen Späße des Schwarzhaarigen weckten in ihm stets den unwillkürlichen Drang irgendetwas zu töten oder zu zerstören...
"Komm...lass uns weitermachen.", forderte der Hashashin seinen Schüler auf und ließ dessen dumme Bemerkung unbeantwortet. Stattdessen trat er erneut in die Mitte der kleinen Lichtung und ließ die Dolche in seinen Händen einmal durch die Luft wirbeln. Auch Azil zog seine Klingen hervor und stellte sich dem blassen Attentäter gegenüber. Das Dauergrinsen des einstigen Schmiedes wich einem konzentrierten Gesichtsausdruck.
"Na los, Kleiner. Wird Zeit, dass du endlich einmal zeigst, was du wirklich kannst. Was ich bisher gesehen habe, war ja beinahe schon deprimierend...langsam frage ich mich ob du tatsächlich das Zeug zu einem halbwegs brauchbaren Attentäter hast...
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Abseits von Stewark
Sein Plan wirkte wasserdicht. Es machte ihm einzig Sorgen, ob Ashim sich so leicht verarschen ließ. Beim letzten Mal hatte es geklappt, aber der Glatzkopf musste mit allem rechnen.
Er hatte nur so viel geschlafen, dass er bei Kräften war und sich konzentrieren konnte. Nichtsdestotrotz musste er auch abwägen, ob genau in dieser Zeitspanne jemand nach Setarrif aufgebrochen war. Sollte dies geschehen sein, musste Rethus seinen Plan noch schneller in Thorniara ausführen, um dann zu verschwinden, denn dann war seine Tarnung aufgeflogen. Im Grunde musste er sowieso so schnell handeln. Ashim würde ihm sowieso nicht verraten, dass jemand nach Setarrif geschickt wurde.
Der Mantelträger beobachtete nachwievor das Treiben am Tor bei Stewark. Alles schien nach Gewohnheit zu verlaufen. Bis auf den Schichtwechsel der Torwachen gab es keine Auffälligkeiten. Okay, hier da schlenderte mal eine Person durch das Tor, aber von Elsters Männern gab es keine Spur. Rethus war bei seiner letzten Mission aufgefallen, dass die Typen eine relativ identische Ausrüstung trugen. Sie nutzten einen ledernen Brustpanzer, eine blaue Hose mit Beinschienen und sehr oft ein Kopftuch. Auf keine Person stimmten diese Merkmale bis jetzt…
Es wurde bereits Mittag. Rethus hatte gerade seine Mahlzeit eingenommen, da tat sich zum ersten Mal etwas am Tor. Es erschien eine kleine Gruppe – vielleicht um die fünf Männer. Rethus betrachte genau ihre Rüstungen. Sie schlurften die Brücke in Richtung des Glatzkopfes hinunter. Als sie fast die Brücke überquert hatten, wurde Rethus tatsächlich aufmerksam auf die Rüstungen… es waren Elsters Männer. Allen vorne weg schritt Ashim.
Rethus kam aus seinem Versteck. Er tauchte aus diesem aber so hervor, dass es nicht so aussah, als würde er sich dort verstecken.
„Ashim!“ rief der Schwarzgekleidete.
„Hey! Was machst du hier?“ entgegnete der Gruppenführer etwas herablassend. „Habt ihr den Auftrag ausgeführt?“
Sie traten nun direkt gegenüber.
„Ja, Dennik ist tot“, log Rethus, wirkte aber völlig ernst.
„Endlich“, seufzte Ashim. „Wo ist sein Kopf?“
„Den haben eure Leute, sie sind allerdings nicht hier.“
„Aber wäre das nicht der Grund, weshalb du hier bist?“ fragte sein Gegenüber ernst.
„Deine Männer haben mir gesagt, dass ich großartig kooperiert habe und vielleicht ist bei Elster doch eine kleine Entlohnung für mich drin.“
„Verständlich, aber du hast deine Chance gehabt. Außerdem fehlt der Beweis, dass Dennik tatsächlich tot ist.“ Ashims Männer gingen um den Glatzkopf herum.
„Ja klar, ich bin auch nicht gekommen, um direkt das Geld in Empfang zu nehmen. Bevor das überhaupt möglich ist, soll ich euch erst einmal mein Vertrauen beweisen und Elster und dir etwas ausrichten. Deshalb komme ich auch allein.“
„Und das wäre?“ Ashim formte seine Augen zu Schlitzen.
„Dennik hat einen Freund, der noch viel besser kämpfen kann als er. Wir sind ihm in seinem Versteck bei Setarrif begegnet. Er löschte die Hälfte eurer Männer dort aus, entkam aber schlussendlich mit dem Sinnen auf Rache. Daraufhin verfolgten eure Leute den Typen in Richtung Thorniara. Es wird eine Verstärkung verlangt, um die Agenten dort zu warnen, falls der Typ nicht bis in Thorniara hinein flüchtet. Sie sollen sich dort bereithalten, nichts weiter.“
„Hm… eine seltsame Vorgehensweise. So kenne ich den Teamführer gar nicht. Aber gut, ich schicke zwei Agenten von Stewark hin.“ Ashim machte einen Wink, womit zwei Typen aus der Gruppe verschwanden. „Was dich angeht, Rethus, ich will dir nicht wirklich ganz vertrauen. Vielleicht hast du tatsächlich gerade dein Vertrauen bewiesen, vielleicht aber auch nicht. Einst ist allerdings Fakt: Du hattest deine Chance und solltest nach der Beseitigung von Dennik verschwinden. Du hast die Warnung nicht angenommen. Ich glaube, hier mit wirst du am besten bestraft. Okyl!“ Einer der Agenten trat nach vorne. „Kümmere dich um ihn. Der Rest folgt mir zurück in die Burg.“
Verdammter Mist, damit hatte der Glatzkopf überhaupt nicht gerechnet…
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Normalerweise grinste Azil immer. Vor allen Dingen im Kampf - es verwirrte den Gegner, beziehungsweise reizte ihn oftmals. Nur wusste der Varanter, dass es bei seinem ehemaligen Lehrmeister sicherlich nicht helfen würde. Dieser Mann hasste es zwar, wenn er so grinste, aber das würde seine Zerstörungskraft nur steigern, und unvorsichtig wurde Calintz nicht. Dafür hatte der Weißhaarige zuviel Erfahrung in seinen alten Knochen. Trotzdem rang sich Azil noch ein letztes Grinsen ab - dieser Gedanke war einfach zu wahr, als das er es für sich behalten könnte. "Wer weiß, vielleicht hast du ja auch einfach nicht richtig hingesehen?", fragte der junge Mann, kicherte leise, ließ die beiden Dolche - von denen nur noch einer ein Original war - um seine Zeigefinger rotieren, um sie dann fest am Griff zu packen, dem Boden entgegen gerichtet. "Deine Augen sind auch nicht mehr das, was sie einmal waren. Wirst du etwa alt, Calintz, Mörderprinz?" Zu voll wollte er den Mund aber nicht nehmen, denn wenn er verlieren würde wäre das dann wohl noch übler von ihm... erst kämpfen, dann das Maul aufreißen, so herum wäre es richtig.
Kurz fixierten sich die Kontrahenten, schienen abzuschätzen, wer wann, wie und wo den ersten Schritt machen würde... was sich Azil nicht nehmen ließ. Mit einem schnellen Sprung in Richtung von Calintz griff er an, hieb nach dem Schwarzauge, der den Angriff ebenso schnell wie präzise blockierte und in der gleichen Bewegung zum Gegenangriff mit dem anderen Dolch ausholte. Doch das hatte Azil erwartet, ein feines Klingen ertönte, als er seinen Meister mit zwei, drei wilden Schlägen ein Stück zurückdrängte. Immer wieder traf Stahl auf Stahl, Klinge auf Klinge, und keiner der beiden schien müde zu werden. Zwar war Calintz erfahrener, aber das hier war das Metier, in dem sich Azil bereits sein ganzes Lebens als Söldner und Mörder bewegt hatte: Der Kampf mit dem Körper, mit Dolchen, höchstens. Es gab in seinem Leben kein Schwert, kein Schild. Er war eine Speerspitze, der Holzstab fehlte. Calintz war mehr ein Schwert. Schnell wirbelte Azil herum, fegte mit einem Bein über den Boden und holte seinen Lehrmeister so von den Füßen - doch sofort war der - wie hatte er das gemacht? - wieder auf den Beinen, und der Varanter sah einen Fuß seinem Gesicht näherkommen.
Schnell konzentrierte er seine Kraft, genau auf einen Augenblick abgepasst, dann sprang er zurück, weiter, als er je gesprungen war, holte tief Luft, versuchte, seinen Puls unter Kontrolle zu bekommen. Das war kein Trainingskampf mehr. Sie waren selbst eben schon genau siebenmal kurz davor gewesen, das Leben des Anderen zu beenden. Aber... irgendwo ehrte das Azil auch. Calintz nahm ihn für voll. Grinsend ging der Varanter wieder in Position. Oh nein, heute würde keiner sterben... aber er würde sicherlich auch nicht nachgeben. Konzentriert atmete der ehemalige Söldner durch, sog Luft durch seine Nase und ließ sie durch den Mund wieder nach draußen strömen. Langsam beruhigte sich sein Körper, und er war wieder voll einsatzbereit.
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Das hier war schon lange kein einfacher Kampf mehr. Vielmehr glich es einer Art Tanz, welchen die beiden Männer hier vollführten. Ein tödlicher Klingentanz, der keinen Fehler erlaubte. Perfektion war das Maß aller Dinge, denn das hier war keine Show...keine Übung...das hier war todernst. Ihre Klinge waren scharf und ihre Schläge zielten darauf ab das Gegenüber zu töten. Es gab keine Gnade, kein Pardon, denn in dieser Welt dort draußen gab es ebenso keine Gnade. Lediglich die Illusion einer zweiten Chance und die fatale Schwäche der Barmherzigkeit. Solche Dinge hatte Calintz schon vor langer Zeit aus seinem Geist und seinem Herz gebannt. Das Leben war herzlos, kalt und grausam...so wie er.
Die erste "Figur" war vorbei. Man nahm wieder die Ausgangsposition ein und dieses Mal war Calintz an der Reihe den ersten Schritt zu machen. Gleich einem Wirbelwind schnellte er nach vorne und vollführte eine tödliche Drehbewegung, die Azil beinahe Kopf und Kragen gekostet hätte, wäre dieser nicht im letzten Augenblick in die Hocke gegangen. Es erfolgte ein blitzschneller Seitenwechsel und schon warf sich Cal todesmutig auf seinen Gegner. Schlag um Schlag trieb er den Schwarzhaarigen zurück, konnte jedoch keinen Treffer landen. Plötzlich spürte er, wie sein rechtes Bein nach hinten getrieben wurde und ihm beinahe das Gleichgewicht gekostet hätte. Reflexartig vollführte er erneut eine Drehbewegung um nicht zu Boden zu stürzen. Dies gelang ihm gerade so, doch schon sah er die Sohlen seines Gegners auf sich zufliegen. Überrumpelt kreuzte der Hashashin im letzten Moment die Arme vor der Brust, dann traf ihn die volle Wucht des Akrobaten auf der Brust. Der schlanke Attentäter wurde durch die Luft gewirbelt und auf den Boden geschleudert, doch auch der Harlekin landete rücklings am Boden.
Keuchend rang der Weißhaarige nach Luft und versuchte sich so schnell wie möglich wieder aufzurichten. Diesen Versuch unterließ er jedoch kurz darauf, da ihm gewahr wurde, dass Azil sich erneut auf ihn stürzen wollte. Also rollte er sich geschickt zur Seite und entging so dem tödlichen Angriff. Kaum lag das Schwarzauge wieder auf dem Rücken, ließ er seine Beine gegen die seines Gegners schnellen, was diesen ins Straucheln brachte. Zeit genug für den Dieb sich aufzurichten und einen seiner Dolche nach dem Akrobaten zu schleudert. Das Geschoss verfehlte sein Ziel um Haaresbreite und landete stattdessen in einem massiven Baum einige Schritte hinter ihm. Einen leisen Fluch auf den Lippen stürzte Cal nun mit einer Klinge weniger nach vorne, packte Azil am Hemd und sprang ihm anschließend mit beiden Beinen gegen die Brust. Sein geringes Gewicht und seine Größe erlaubten ihm diese ungewöhnliche Handlung, wurden ihm jedoch auch gleichzeitig zum Verhängnis, da Azil aus diesem Grund nicht wie geplant zu Boden ging sondern nur ein paar Schritte zurückstolperte. Ein letztes Mal warf sich der Weißhaarige nun nach vorne, tauchte unter dem Abwehrschlag seines Gegenübers hinweg und legte ihm nach einem verwirrenden Handgemenge schließlich die Klinge an die Kehle. Siegessicher grinste Calintz.
"War das alles?", fragte er hämisch den vermeintlichen Besiegten, doch nun zeichnete sich auch auf dessen Gesicht ein Grinsen ab.
"Nein.", entgegnete dieser knapp und deutete mit den Augen nach unten. Calitnz folgte dem Blick des einstigen Schmieds und musste feststellen, dass ihm der Akrobat einen Dolch an das Gemächt hielt. Cal schüttelte grinsend den Kopf.
"Du steckst voller Überraschungen, Kind des Wahnsinns."
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Lachend wich Azil zurück. Oh, ja, das war eine Niederlage gewesen, aber gleichzeitig auch ein Sieg. Also lief es darauf hinaus, das sein Meister und er im direktem Zweikampf auf ein Patt hinauskämpfen würden, wenn nicht einer durch ein Wunder Glück hatte oder von außen auf die Beiden eingewirkt wurde. Mit einer eleganten Bewegung ließ er seine Dolche in ihre nach oben offenen Scheiden gleiten, jederzeit griffbereit, strich sich seine Haare zurück und rückte die vom Kampf ein wenig verrutschte Kleidung zur Seite. "Ich nehme an, der Schüler kann dem Meister noch immer nicht das Wasser reichen, aber... ein Söldner, der im Kampf stirbt, ist immer noch besser als einer, der seine Kronjuwelen verloren hat, nicht wahr? Ähnlich verhält es sich bei Attentätern und bei Räubern." Schmunzelnd legte der junge Mann den Kopf schief, und das Grinsen fiel von seinem Gesicht, als hätte er eine Maske abgelegt. Er schien müde zu sein, und irgendwie gezeichnet.
"Sag mal, Calintz...", meinte er leiser, seufzte. "Ist es richtig...", fing er an, atmete dann aber tief durch und brach ab.
"Schon gut. Gehen wir wieder nach Setarrif? Ich glaube, wir haben noch einiges zu tun dort. Auch der Orden wartet. Im Prinzip ist es mir nicht einmal mehr egal, was damit geschieht, aber..." Kurz schwieg der junge Mann. Wie konnte er das Gefühl, was in ihm im Moment vorherrschte, ausdrücken?
"Mir ist furchtbar langweilig. Ich habe nichts zu tun. Glaube ich.", ließ der Varanter dann verlauten. "Ich weiß ja nicht, wie es dir geht, aber es scheint mir fast, als würde diese Welt im Moment auch ohne unsere Hilfe weiterrotten. Trilo scheint erst einmal in sich selbst versunken zu sein, zu viel, als dass er sich seinen Plänen widmen könnte."
Nachdenklich holte Azil seine Maske aus der Tasche, strich über sie, sah mehr besorgt als liebevoll oder ähnliches aus. "Ist es ein Privileg der Verrückten, sich zu langweilen, weil sie kein Ziel im Leben sehen, oder..." Er setzte ein irres Grinsen auf. "Muss ich nur mehr Chaos veranstalten?" Das Grinsen verflog so schnell, wie es gekommen waren. "Sag du mir, was ich tun soll."
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"Ich hoffe, du bist dir nicht zu schade zum Rudern", murmelte Candaal. Nach einigen konzentrisch geblasenen Rauchringen, wurde schliesslich ein Fenster im ersten Stock entriegelt und heraus lugte der Kopf des Burschen. In der Hand hielt der Bursche einen kleinen Beutel. "So spät noch unterwegs?", fragte Candaal halblaut, um nicht gleich die ganze Strasse zu wecken. Der Junge zuckte vor Schreck zusammen und konnte sich gerade noch am Fensterrahmen halten. "Wirf mir den Beutel runter, dann hast du die Hände frei. Na los, ich klau ihn dir schon nicht. Wie oft meinst du, bin ich in meiner Jugend so aus dem Haus verschwunden?", fragte der Ganove mit vertrauenserweckendem Grinsen.
Zögerlich warf ihm der Bursche den Beutel runter. "Löblich von dir, dein Essen mit den Bedürftigen zu teilen", murmelte Candaal dem Jungen zu und reichte ihm seine Hand, um ihm den Abstieg zu erleichtern. Dies interessierte den Jungen jedoch wenig. Er kletterte ohne die Hilfe des Diebes runter und schnappte sich unten angekommen wortlos den Beutel. Candaal sah zu wie der Junge davonschlich und nickte schliesslich Vicious zu. Lautlos und ungesehen, so wollte er dem Burschen bis zu seinem Ziel folgen. Dabei kreuzte er fieberhaft die Finger und hoffte, nicht schlussendlich auf die kleine, obdachlose Freundin des Jungen zu treffen.
Es ging durch finstere Gassen, über leere Plätze bis zu einem alten, heruntergekommenen Haus, in welchem der Bursche verschwunden war. Candaal wartete, bis er drinnen Stimmen hörte und machte sich dann daran, die Fassade von aussen zu erklimmen. Er wählte dafür die Meerseite, nicht dass ihn noch ein Wachmann auf Patrouille runterschiessen würde. Während der Ganove an der Hauswand hing, begann drinnen eine heitere Geschichtenstunde. Eine ruhige Männerstimme erzählte von den alten Tages des Königsreichs und die Stimme des Knabens fragte stets nach Details, die der Mann nicht ausgeführt hatte. Candaal wollte auf jeden Fall warten bis der Junge wieder verschwunden war.
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Die Klingen trafen sich abermals. Jetzt dauerte der Kampf schon viel zu lange. Scheinbar hatte es der Schwarzgekleidete hier mit einem ziemlich starken Gegner zu tun. Vielleicht handelte es sich sogar um den besten Agenten. Sein Name hieß Okyl. Klang fast nach einem Nordmann. Gerade gegen diese Bastarde musste sich Rethus in Acht nehmen. Er kannte keine robusteren und stärkeren Gegner aus den Menschenvölkern.
Rethus‘ erstes Schwert stak einige Meter weit weg in der Erde. Das zweite umklammerte er nach wie vor mit der linken Hand. Sein Gegenüber hatte ihm bereits so sehr zu gesetzt, dass Blut an seinem linken Arm herunter rann. Auch an der Hüfte war er leicht verletzt. Von der Erschöpfung ganz zu schweigen. Hingegen schien sich sein Gegner höchstens einen Kratzer zugezogen zu haben und etwas dreckig geworden zu sein, auch wenn sein Atem schwerer klang.
Rethus hatte zwischen durch so seine Zweifel bekommen. Aber es gab noch eine Möglichkeit, diesen Typen zu besiegen. Er könnte es mit zwei Schwertern schaffen. Allerdings hatte er Null Erfahrung im Kampf zwei Schwertern. Er trug beide, um diese Technik mal zu erlernen, und nicht um mit ihnen sofort zu kämpfen.
Der Glatzkopf musste improvisieren.
Abermals stürmte Okyl auf den Glatzkopf zu und schwang seinen Zweihänder nach ihm. Schnell wich Rethus aus. Er drehte sich und feuerte seine Klinge in die Richtung des Mannes. Dieser nutzte sein Schwert, das im Boden steckte, um am Griff im Uhrzeigersinn herum zu wirbeln, um dem Angriff auszuweichen. Auf der anderen Seite des Schwertes angekommen machte er einen Satz nach vorne. Dabei traf er den Mantelträger mit einem Tritt. So nutzte er auch den Schwung, um sein Schwert aus dem Boden zu ziehen und direkt einen neuen Angriff damit zu verbinden. Auch jetzt gelang es Rethus dem Angriff auszuweichen.
Selbst mit dem riesigen Zweihänder war der Kerl viel zu schnell. Wie sollte es der Glatzkopf nur schaffen?
Der Schwarzgekleidete sprang einige Meter weit zu rück. Er war seinem zweiten Schwert schon etwas näher gekommen. Doch was nützte ihm dieses, wenn er nur mit einem Kämpfen konnte? Abermals rannte Okyl auf seinen Kontrahenten zu. Jetzt schwang er seine Waffe mehrere Male von links und von rechts. Rethus nutzte sein Schwert nur, um die Klinge seines Gegenübers möglichst abzulenken. Aber viel nützte das auch nichts. Einzig das Ausweichen rettete ihn vor den Angriffen. Am Ende drehte der Typ komplett um die eigene Achse. Dabei entwaffnete er Rethus ein zweites Mal.
Verdammter Mist, was sollte Rethus jetzt tun? Wie sollte er diesen Bastard bekämpfen. Normalerweise müsste er schneller sein als Okyl. Er war der Einhänder. Aber um ihn zu kriegen, musste er doppelt so schnell sein. Das ging nur mit beiden Klingen. Jetzt standen sie sich abermals ruhig gegenüber. Okyl zeigte nur leichte Anzeichen von Schwäche. Der Glatzkopf hingegen konnte auf der Stelle ausgeschaltet werden. Was nun?
Geistesabwesend wanderte der Blick des Schwarzgekleideten an Okyl vorbei auf das Schwert, das er sich zurückholen wollte. Es befand sich jetzt einige Meter hinter seinem Gegner. Rethus schüttelte den Kopf. Es nützte sowieso nichts. Zwei Schwerter konnte er nicht auf einmal führen. Sein anderes befand sich viel näher.
„Langsam nervt es“, begann der Typ das erste Mal zu reden. „Ich habe nicht unendlich viel Zeit, um dich zu töten. Wahrscheinlich machen sich Elster und Ashim bereits Sorgen um mich. Es wird Zeit das ganze hier zu beenden.“
Gerade traf Rethus‘ Blick ein Baum, da kam ihm ein Gedankenblitz. Aber natürlich, das war es.
Der Schwarzgekleidete wich dem nächsten Angriff nur knapp aus. Dabei säbelte der Typ fast die Hälfte seines schwarzen Ledermantels in Stücke.
„Du Mistkerl!“ schimpfte der Glatzkopf, während er sich sein Schwert zurück geholt hatte. „Weißt du wie viel Geld das Teil gekostet hat? Das ist schwarzes Snapperleder!“
Diese Wut hatte noch gefehlt, um noch aggressiver gegen seinen Gegner vorzugehen. Er sprintete zu seinem anderen Schwert, denn ohne dieses konnte er seinen Plan nicht umsetzen. Okyl schwang seinen Zweihänder abermals nach dem Schwarzgekleideten. Jetzt traf er Rethus‘ Mantel unterhalb seiner rechten Schulter, womit das Leder völlig lose an diesem herumflatterte. Rethus unterdrückte seinen Zorn und rannte auf den Baum zu. Dort wirbelte er wieder um und entging dem nächsten Angriff. Sein Adrenalin ließ es zu, ihn schneller werden zu lassen. Er wich jedem Angriff aus. Nach einer weiteren Drehung rammte er das Schwert in seiner linken Hand in den Baumstamm. Die Klinge kam noch weit auf der anderen Seite wieder heraus. Mit der anderen Gruftklinge wehrte er nun einige Angriff ab, um diesen besser ausweichen zu können. Als sie wieder einmal bis zur anderen Seite um den Baum herum gekommen waren, stellte sich Rethus so, dass Okyl sich genau zwischen ihm und dem Baum befand. Dann raste er auf seinen Gegner zu. Dieser parierte siegessicher jeden Angriff, den Rethus ausführte. Allerdings wurde der Glatzkopf jetzt schneller, um Okyl keine Chance zu lassen.
„Willst du mich mit diesem gleichen Albern aufhalten? Es wird langweilig!“ heuchelte sein Feind.
Sein Lachen verging aber, als er Rethus grinsen sah.
Okyl stand direkt mit dem Rücken zum Baum, da umgriff Rethus sein Schwert mit beiden Händen, um den Zweihänder seines Gegners mit einem gezielten Schlag wegzulenken. Kurz darauf verpasste er seinem Gegenüber einen satten Tritt, sodass er nach hinten stürzte und Rethus‘ zweites Schwert ihn am Baum fixierte. Die Gruftklinge hatte Okyl an der Hüfte durchstoßen.
„Man muss kreativ sein, wenn man zwei Schwerter hat, aber sie nicht gleichzeitig im Kampf führen kann“, erklärte Rethus schwächelnd, aber mit einem Grinsen. „Ich glaube nicht, dass das jetzt mein Ende sein wird.“
Okyl ließ seine Waffe fallen. Das Blut rann an seinem rechten Bein hinunter. Er versuchte sich vom Baum weg zu schieben, um sich von dem Schwert zu befreien, aber Rethus ließ ihm keine Chance mehr. Die Gruftklinge, die er in der Hand hielt, versetzte dem Bastard den Gnadenstoß.
Okyl war besiegt. Der Glatzkopf stürzte vor seinem besiegten Gegner nieder – stützte sich mit seinem Schwert ab, das völlig blutbenetzt war. Erst jetzt bemerkte er, was für ein schöner Abend heute war. Blauer Himmel, eine wohltuende Wärme und das Zwitschern der Vögel ließ in ihm Euphorie aufkeimen. Sie brach allerdings nicht aus. Die Schmerzen waren zu groß. Zwei Dinge zeigte ihm dieser Kampf: Er war verdammt gut geworden, aber er musste noch besser werden.
„Ich muss sie einholen“, sprach er zu sich selbst. „Aber so werde ich es nicht schaffen.“ Er war zwar kein Barbier, aber er wusste aus Erfahrung bei den Rebellen, dass er dringend die Wunden verbinden musste. Ein paar Bänder hatte er noch in seinem Gepäck. Vorsichtig stand er auf, ging auf die andere Seite des Baumes, um dort sein zweites Schwert aus dem Stamm zu ziehen. Damit stürzte der tote Körper von Okyl auf den Boden.
So gut der Glatzkopf noch konnte schaffte er sich ins Dickicht näher an Stewark heran. Dabei gabelte er auch sein Gepäck wieder auf. Jetzt musste er erst einmal seine Wunden reinigen und sie verbinden, aber kämpfen konnte er vorerst nicht mehr. Sein Plan musste geändert werden…
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Stewark
Zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus. Vicious' Interesse an der Geschichte des Königreiches hielt sich sehr in Grenzen. Zumindest ließ die Märchenstunde stark vermuten, dass sich in dem heruntergekommenen Haus der gesuchte Wassermagier aufhielt. Obdachlose Herumtreiber, die bewandert in Geschichte waren, kannte Vicious jedenfalls keine.
Zu allem Überfluss musste Setarrif eine sehr lange Vergangenheit besitzen, denn während die Kopfgeldjägerin an der Vorderseite des Hauses wartete, verging jede Menge Zeit. Vicious gähnte ausgiebig und lehnte sich an die Hausmauer, immer die Tür im Auge behaltend, durch die der Junge hineingeschlüpft war.
Sie wusste nicht, viel lange es tatsächlich dauerte, als plötzlich die Geschichte ein Ende fand. Inständig hoffte Vicious darauf, dass es sich wirklich um das Ende handelte und nicht nur um eine kleine Verschnaufpause. Doch die ruhige Männerstimme schwieg und statt dessen pries der Junge die gelungene Erzählung. Und dann hieß es endlich für den Burschen nach Hause zu gehen. Eine seltsame Sache, dass ausgerechnet ein entlaufener Magier einen entlaufenen Jungen wieder nach Hause zurückschickte.
Kurz bevor die Tür aufging, drückte sich Vicious tiefer in den Schatten und entzog sich den Blicken des Jungen. Der rannte von dannen. Nun war es an Candaal und Vicious, dem Geschichtenerzähler einen Besuch abzustatten. Und die Marmo hoffte, dass es tatsächlich der Magier war, denn sonst wäre die ganze Warterei umsonst gewesen.
Ihre zweite Hoffnung war, dass Candaal auf der anderen Seite des Hauses nicht pennte, sondern ebenfalls mitbekommen hatte, dass der Junge fort war. Wenn überhaupt, dann mussten sie jetzt zuschlagen. Kurzerhand ging Vicious zur Tür und legte die Hand auf das Schwertheft. Menschen neigten dazu, dumme Dinge zu tun, wenn man mit einer gezogenen Klinge auf sie zuging. Da Vicious niemanden kannte, der so schnell wie sie die Waffe zog, konnte sie ihr Schwert getrost in der Scheide lassen und sich trotzdem sicher fühlen. Sie öffnete sie Tür und trat ein.
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Candaal pries das zügige Ende der letzten Schlacht um Stewark und atmete erlöst durch, als er unten das zweite Knarren der Türe hörte. Den Mann schien es nicht aus der Ruhe zu bringen, denn er seufzte nur und blickte gen Treppenaufgang. Als dort jedoch Vicious anstatt der halben Portion erschien, machte er sofort einen Satz rückwärts und wirbelte die Arme durch die Luft. Seltsame Inkarnationen murmelnd ging er rückwärts, ohne sich auch nur ein einziges Wort der Kopfgeldjägerin anhören zu wollen. Prinzipiell keine schlechte Entscheidung, fand Candaal, der sich mittlerweile durch das scheibenlose Fenster gezwängt hatte und sich ungesehen von hinten dem Manne näherte.
Er wollte ja eigentlich sein Stilett aus dem Stiefel zaubern, doch die Ausführungen über die familiären Verstrickungen des Barons von Stewark hatten ihn zumindest vorübergehend die Feinfühligkeit in seinen Fingern gekostet, sodass er auf den Einsatz der Hände verzichten musste. Der Magier realisierte zwar noch, dass hinter ihm jemand war, doch da hatte jener ihm bereits eine Ohrfeige von Links verpasst, kurz gefolgt von einem Ellbogenstoss gegen seine rechte Schläfe. Candaal hielt den in sich zusammensackenden Mann beim Kinn und legte ihn so sanft auf den Boden. "Mit Magiern sollte man tatsächlich erst reden, nachdem man zugeschlagen hat", erklärte er Vicious. "Hat er dir was eingefroren?"
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Bei Stewark
Seine Verbände waren angelegt. Zum Glück war er jetzt nicht so ernsthaft verletzt, dass er ein leichtes Opfer war, aber Kämpfe sollte er vorerst möglichst meiden. Er brauchte seine Kräfte noch in Ernstfällen.
Die Abendvögel zwitscherten, die Sonne ging unter. Langsam wurden die Temperaturen sehr angenehm, ja sie wirkten fast heilend… zumindest seelisch. Rethus nahm seinen schwarzen Ledermantel, oder das was noch davon übrig war. Der Kampf hatte dafür gesorgt, dass dieser nur noch ein einziger Fetzen war.
„Schwarzes Snapperleder“, dachte er laut. „Das Ding war teuer. Und es gehörte mit zu meinem Kleidungsstil. Ich liebe Mäntel. Aber irgendwie hat es etwas für sich. Ich habe mich hinter dieser schwarzen Hülle immer versteckt. Ich wirkte kalt und falsch. Vielleicht sollte ich den Grufti hinter mir lassen.“ Ja, das war wohl die richtige Entscheidung. Er packte etwas eingearbeiteten Stoff und riss ihn aus dem Mantel heraus, um damit seine Schwerter zu reinigen.
Der Glatzkopf sollte nun die Zeit nutzen, um seinen Plan zu überarbeiten. Er hätte sich beinahe bei dieser Mission bisher zweimal töten lassen. Seine Vorgehensweise war viel zu riskant. Zumal er nur das geringere Problem hatte. Dennik stand auf der Suchliste ganz oben. Sobald Elsters Männer herausfanden, dass Rethus sämtliche Agenten in Setarrif getötet hat, rutschte er noch über den Bengel.
Der Glatzkopf legte das erste saubere Schwert beiseite, um mit dem nächsten weiter zu machen.
Diese Mission war längst keine mehr, die von einem Mann ausgeführt werden konnte. Im Grunde war sie es von Anfang an nicht. Rethus hätte nur nie gedacht, dass diese Typen wirklich so viel drauf hatten. Er sollte zunächst dafür sorgen, dass Dennik mit seinen Kumpels hier auftauchte. Auch wenn Elster die Agenten in Setarrif wieder aufstocken konnte, wurden seine Ressourcen in Stewark dadurch geringer. Also umsonst war diese Sache nicht; zumal Rethus einen der besten Agenten getötet hatte.
Er steckte beide Schwerter in den Rückenwaffengurt. Nachdem er seinen Brustpanzer neu angelegt hatte, zog er sich auch den Waffengurt über. Anschließend machte er noch den Rest seiner Rüstung fest. Danach wollte er sofort nach Tooshoo aufbrechen. Er musste unbedingt von diesem Ort verschwinden.
Als er sein Versteck unter den Bäumen verließ, wurde er allerdings bemerkt.
„Rethus!“ brüllte jemand. „Halt!“
Ein Schrecken durchfuhr den Glatzkopf. Sofort bemerkte er, dass er von Elsters Agenten umzingelt war. Es handelte sich um genau Neun an der Zahl. Abseits standen noch vier weitere. Einer von ihnen trat nach vorne, als sich ein paar Schritte der Gruppe näherten.
„Ashim“, grüßte der Typ den anderen Ankömmling. Dieser ging auf den Gruppenführer gar nicht erst ein.
„Wie konntest du…“, stotterte dieser verblüfft. „Du hast es geschafft Okyl zu töten. Er war unser bester Agent.“
„Scheinbar war er nicht gut genug“, entgegnete Rethus.
Ashim setzte ein Grinsen auf. „Also so fertig wie du aussiehst, scheinst du aber trotzdem keine große Bedrohung mehr für uns zu sein.“
„Ich will ja nicht stören, Ashim“, unterbrach ihn nun der Gruppenführer, „aber aus Setarrif kam nie eine Gruppe aus Setarrif an.“
„Was? Ich habe bis eben noch befürchtet, dass die Gefahr gebannt sei. Seid ihr nur wegen dieser Nachricht zurückgekehrt.“ Abermals wurde Ashim sauer.
„Das ist ja noch nicht alles. Sie kamen aus einem bestimmten Grund nicht an. Wir haben gestern jemanden nach Setarrif vorgeschickt und dieser berichtete uns heute Morgen, es sei niemand mehr am Leben.“
„Was?” schimpfte Ashim Rethus an. „Du bist ein Verräter! Was ist mit Dennik?“
„Er lebt und ich arbeite gemeinsam mit ihm gegen Elster“, entgegnete er kühl. Allerdings spürte er im Inneren, dass er improvisieren musste. Am besten war es, nach Stewark zu flüchten. In der Nähe der Wachen würden sie die Verfolgung nach ihm abbrechen.
„Du hast uns von Anfang an belogen.“
„Nein, erst seit unserer letzten Begegnung im Bluttal.“
„Halt den Rand! Tötet ihn!“
„Feuer!“
Pfeile sausten durch die Luft. Drei Agenten stürzten zu Boden. Sie waren sofort tot. Der Rest von ihnen wurde in Nahkämpfe verwickelt. Das war ja Rettung in letzter Minute. Der Glatzkopf nahm an, dass die Wachen aus Stewark dem Treiben auf den Grund gegangen waren, aber diese Typen sahen anders aus. Sie mussten vom Festland sein… vielleicht Männer aus Thorniara?
„Rethus! Folge mir!“
Das war Handor…
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»Nein. Alles noch heil. Zumindest wissen wir jetzt, dass er tatsächlich Wassermagier ist.«, antwortete die Kopfgeldjägerin und rieb sich über die Hand. Ein wenig kühl war es schon, doch es war zum Glück vorbei, bevor es überhaupt richtig angefangen hatte. Einen Magier griff man auch nicht von vorne an. Dass er dermaßen schreckhaft war, überraschte allerdings auch Vicious. Ohne viel Federlesens griff sie zum Gürtel und zog einen zweiten darunter hervor, mit dem sie den Wassermagier die Hände fesselte.
»Es wird das beste sein, wenn er nach dem Aufwachen nicht mehr so viel rumfuchteln kann. Hoffentlich kann er keine Fesseln eineisen. Das Ding ist nämlich nicht gefrierfest.«
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Etwas verwundert sah Calintz seinen Begleiter an...und verstand dessen Besorgnis. Er selbst kannte das Gefühl der Untätigkeit nur zu gut.
"Weißt du...als Attentäter hat man nicht immer Arbeit. Chaos stiften schön und gut, aber man kann schlicht und ergreifend nicht ständig irgendwelche unbedeutenden Individuen töten. Zwar bin ich kein Befürworter des natürlichen Gleichgewichts, aber ich schätze durchaus mein eigenes Leben...wieder. Zu viele Tote führen nur zu Problemen. Probleme, denen man alleine nicht mehr Herr werden kann und irgendwann...endet man am Strick. Ich bin zwar immer noch der festen Überzeugung, dass ich eines Tages tatsächlich dort enden werden, doch im Augenblick möchte ich diesen Tag noch so lange wie nur irgend möglich hinauszögern."
"Und was schlägst du stattdessen vor?"
"Nun ja, es gibt viele Möglichkeiten um dem schwarzen Loch der Lethargie zu entgehen. Du selbst hast früher das Schmiedehandwerk ausgeführt. Ich habe Masken hergestellt und mit Personen, die ich für würdig erachtet habe, mein Wissen geteilt. Es gibt so viele Dinge da draußen, die einem das Gefühl vermitteln können, etwas geleistet zu haben, aber...danach suchst du nicht."
"Nein?"
"Nein. Denn kein Beruf...keine Tätigkeit gibt dir dieses Gefühl von Macht, welches in deinem Leib aufkeimt, wenn das Blut eines Sterbenden durch deine Finger rinnt..."
Ein furchteinflössendes Funkeln ließ die schwarzen Augen des Hashashin bei diesen Worten erstrahlen.
"...Nichts wird dich mit der Zufriedenheit erfüllen, die du empfindest, wenn du deine Klinge in den Leib enes Mannes treibst. Du und ich, so ungleich wir auch scheinen mögen...wir sind aus dem selben Holz geschnitzt. Für uns gibt es keinen anderen...Beruf...als das Töten. Langeweile gibt es für uns nicht...denn unser Geist wird immer beschäftigt sein. Seien es nun Erinnerungen an Morde, die uns ein Lächeln auf die Lippen zaubern, oder Strategien für einen neuen Auftrag...wir nützen die freie Zeit, die uns gegeben wird um uns vorzubereiten. Die Kunst des Tötens erfordert nicht nur körperliche, sondern auch geistige Fitness. Immer auf alles vorbereitet sein. Stets das Schlimmste erwarten. Und das Beste leisten. WIR sind Kinder Beliars. WIR sind seine kalten, dürren Finger. WIR sind der Alptraum jedes Kindes."
Calintz verstummte für einen kurzen Augenblick und sah seinen einstigen Schüler eindringlich in die Augen.
"Für uns gibt es keine Langeweile..."
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Nachdenklich starrte Azil zurück in diese unergründlichen, tiefschwarzen Augen, in denen man so schwer lesen konnte, was dieser Mann eigentlich meinte. Und doch wusste der Varanter irgenwie, dass Calintz Recht hatte. Leise lachte er, drehte sich einmal um die eigene Achse, strich über seine Maske. "Die Frage ist nur, ob es für uns so bestimmt war, oder ob uns das ganze Blut, das an unseren Händen klebt, nicht zu dem gemacht hat, zu dem wir geworden sind." Kurz schwieg er. "Zu dem, was du mich gemacht hast, könnte man wohl sagen." Seufzend steckte er die knöchernde Maske wieder an ihren Platz zurück, an dem sie ruhte, so lange, bis sie gebraucht wurde. Bis zu dem Zeitpunkt, in dem ein zweites Ego gebraucht wurde, weil das andere es nicht mehr aushielt. Weil es die Last nicht mehr schultern konnte.
"Macht...", murmelte er, sah in Richtung der aufgehenden Sonne, die sich am Horizont zeigte. Natürlich hatte sein Lehrmeister Recht. Aber Azil hatte nicht vor, ein Mörder zu werden, der sinnlos Menschen ermordete. Azil fühlte keine Befriedigung, wenn er Menschenleben nahm. Nichtmal im Ansatz. Ihm war bewusst, dass er damit etwas zerstörte, was niemals zurückgebracht werden konnte; Etwas nahm, was ihm zu nehmen ursprünglich nicht zustand. Aber in diesem Stadium kam es nicht mehr darauf an, was einem Menschen erlaubt war und was nicht. Natürlich, er war bereits zu dem Dämon geworden, den seine Maske darstellte. Ein Scherge Beliars, eine Klaue des Todes, ein Alptraum und gleichzeitig vielleicht auch einfach nur schwach. Dem erlegen, gegen das er sich am Anfang gewehrt hatte.
"Du hast Recht.", meinte er dann, lachte leise. "Wie immer. Langeweile ist etwas, was sich nur Menschen leisten können, richtig? Was ist aus mir geworden? Etwas geringeres, etwas minderes, als ein normaler Mensch... aber auch etwas mehr." Ein breites Grinsen breitete sich auf dem Gesicht des ehemaligen Schmiedes aus, der diesen Titel für sich jetzt endgültig abgelegt hatte. Ruhig hob er seinen Beutel auf, zurrte ihn sich um und sah zu Calintz. "Worauf wartest du dann noch, Alter? Lass uns weiter."
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"Hände binden scheint mir eine gute Idee. Noch lieber würd ich aber verhindern, dass er Magie sprechen kann", murmelte Candaal und knöpfte aus dem Taschentuch des Magiers einen Knebel. "Schneidet man ihnen nicht auch gerne die Zunge raus?", fragte er amüsiert, ehe er den Kerl unter den Achseln anhob. "Sieh du mal nach einem Fischerboot während ich ihn die Treppe runterschleife. Dann verladen wir ihn schnurstracks und ehe ihm der Morgen dämmert, sind wir schon fernab der Küste."
Just als Vicious verschwunden war, machte Candaal sich daran, die Taschen des Mannes zu leeren. Nicht, weil er ihr den Gewinn vorenthalten wollte. Es waren vielmehr die Informationen, die ihn interessierten. Als sie schliesslich zurückkam, warf er ihr den Geldbeutel des Mannes zu und erklärte, nun müsse er sie wenigstens nicht mehr durchfüttern.
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Lehrling
Msimba hatte das Wirtshaus verlassen und erstmal orientierungslos in der Gegend herum gestanden. Die Natur sah so ungewohnt aus. Grau, kantig, weitläufig. Der Jäger war nur den Dschungel gewöhnt.
Aber schließlich setzte Msimba seine Arbeit fort.
Da niemand die Diebe gesehen hatte, auch nicht, in welche Richtung sie gegangen waren, musste der Dunkelhäutige selbst erstmal nach Spuren suchen. Und das gestaltete sich als schwieriger als gewohnt.
Im Dschungel war der Boden immer schön weich, so dass Spuren lange blieben. Hier allerdings war der Boden sehr hart und die Spuren kaum tief genug, einen Regenschauer zu überstehen.
Aber ihm zu Gute kam, dass er sich zwischen zwei Wegen entscheiden musste.
So, wie Msimba die Gegend einschätzt, gab es zwei Richtungen, die in Frage kämen. Er müsse sich nur entscheiden. Aber vielleicht würde er ja doch noch ein Indiz finden, welches ihm seine Entscheidung leichter machen würde.
Doch so sehr er sich auch umsah, fand er nichts, was darauf schließen könnte. Spuren führten ín beide Richtungen.
Das führte den nackten Jäger, der immer noch vor dem Wirtshaus in der Gegend herumstand, nicht weiter.
Aber was hatte die Wirtin gesagt? Man hatte ihn am Strand gefunden?
Also ließ er die Diebe Diebe sein und ging zum Wasser. Er wurde unruhig, als er Sand unter seinen Sohlen spürte und das Wasser anspülen sah.
Hier also wurde er gefunden. Doch wieso? Wie ist er hier her gekommen? Wo war das Floß und wo war Kichaa, der kleine Mistkerl?
Doch während er so am Strand stand und in die Wellen sah, wurde ihm etwas bewusst. Etwas, was er nicht glauben wollten. Aber es lag auf der Hand. Es durfte aber nicht so sein.
Msimba schüttelte mit dem Kopf und sah zu, dass er schleunigst wieder verschwand.
Er hatte eine Aufgabe, die es galt, zu lösen. Er musste zwei Diebe finden, zumindest eine Fährte der beiden...
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Bluttal
Er hätte auch ins Jägerlager gehen können. Die Menschen dort sind freundlich, sagte man sich, besitzen zwar einen trockenen Humor, dennoch haben sie das Herz an der rechten Stelle.
Irgendetwas hielt ihn jedoch davon ab. Wahrscheinlich war es einfach nur die Sorge, dort wie im Sumpf wieder zu lange zu verweilen. Schon die Tage in Schwarzwasser waren nicht rumgegangen. Hier würde sie es noch weniger. So gab sich der Reisende nur mit dem Anblick der Lichter und Fackeln zufrieden, blickte minutenlang ins ferne Lagerfeuer, welches zwischen den Hütten brannte.
In Gedanken ging er die Route ab, die er auf Khorinis wählen würde. Irgendwo ins Hinterland, das war ihm klar. Natürlich würde er sich dafür bewaffnen müssen, gleichwohl es Monate her war, dass er auch nur einen Bogen oder eine Klinge in der Hand hielt, aber er wusste auch ohne Bewaffnung zu überleben. Das hatte er schon immer getan.
So wurden ihm zwei Ziele klar. Das Minental und Jharkendar, eine Gegend, die den Gerüchten nach noch gefährlicher als die alte Kolonie sein sollte. Was er sich dort erhoffte? Nichts Konkretes. Vielleicht Schätze, Abenteuer … oder den Tod.
Aber das war immerhin besser, als tatenlos herum zu sitzen.
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Stewarker Umland
Onyx hatte irgendwie kein gutes Gefühl. Statt wie vereinbart bei diesem Bauernhof das Treffen stattfinden zu lassen, traf man sich nur da und dann führten sie Onyx einen Schleichpfad entlang in ihr angebliches Lager. Für seine Erfahrungen als Bandit doch etwas verräterisch, vor allem da sie nur zu Dritt kamen. Wo waren dann die anderen Drei und wieso so Aufwand um Erz zu zeigen?
Mit jedem Schritt mehr, roch Onyx auch den Braten mehr. Nur was hatten sie vor?
"Halt! Ich mir anders überlegt. Müssen noch Boss fragen.", warf er dann ein und stoppte.
"Unsinn, wir sind fast da. Dein Boss wird doch Ergebnisse haben wollen! Lass uns doch jetzt nicht stehen, Freund.", meinte der Rädelsführer und gab Onyx einen Schubs. Der brummte auf und spielte mit. Ins Spiel kam jedoch nun auch seine Gobbokeule die er kurzerhand griff und in seinen Ärmel soweit schob, während er in der anderen Hand die Fackel hielt.
Der Pfad wurde breiter und flacher und abermals meinte der Rädelsführer, dass es nicht mehr weit wäre. Noch bevor es aber um eine Wegbiegung ging, hielten sie, da es plötzlich raschelte. Gobbos oder ein Tier? Weder noch! Und Onyx hatte es doch gerochen, denn als er einen harten Schritt in seine Richtung vernahm, drückte er sich selbst nach vorne und entging einem Knüppelhieb, bevor aus den Büschen die anderen drei Typen kamen. Sechs gegen einen war mehr als Unfair, aber was hatte man von so Ratten und Abschaum auch zu erwarten?
Doch es wurden keine Dolche gezückt, um Onyx abzustechen. Alle hatten Knüppel und die ersten Knüppelhiebe bekam der Hüne nun ab. Diese nahm er hin und wehrte sich so gut er konnte. Die Fackel lag am Boden und sein Gobboknüppel wurde einfach nach vorne geschlagen. Ein Treffer saß und ließ das Blut aus einer blutigen Nase und aufgeplatzten Lippe seines Gegenübers nur so runterlaufen, bevor die Knüppelhiebe auf den Kopf Onyx mit blutiger Kopfwunde ausschalteten.
Das Letzte was er dann im trüber werdenden Fackelschein erblickte, war eine Art Abzeichen. Ein rundes, amulettartiges Holzstück, welches ein eingebranntes Hasenemblem besaß. Dann wurde es dunkel...
Geändert von Onyx (02.07.2011 um 03:04 Uhr)
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Ausgang Orkwald / Südwest-Argaan
Die Sonne war bereits dabei ihre Schritte hinter den Horizont zu lenken, als Jengar und Vareesa den Orkwald verlassen hatten. "Ich hab dir doch gesagt, ich kenne den Weg!" brüstete sich Jengar stolz, aber Vareesa ging nur kurz angebunden weiter zwischen dem kleinen Pass hindurch. "Du sagtest zur Nachmittagszeit... Nicht zum Abend, Käuzchen." klugscheißerte sie herum und warf dabei einige Blicke in die nähere Umgebung. "Trotzdem hast du das gut gemacht... Zufrieden?" die beiden kamen an einem Fluss an über den eine Brücke führte. Nach Jengars Worten würden sie bald an ein Holzfällerlager kommen, wenn sie sich ranhielten. "Und du glaubst die werden irgendwann nach Sonnenuntergang noch Leute reinlassen? Das glaubst du wohl selbst nicht..." stattdessen ließ sich die Waldläuferin vorsichtig am Hang hinab zum Ufer des Flusses rutschen. Sie hatte tierischen Hunger und vergessen, sich etwas mitzunehmen. Also musste wohl etwas erjagt werden und wo ließen sich besser Spuren und Fährten nehmen, als an einer Wasserstelle? "Komm mal runter, Käuzchen!"
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Auf dem ganzen Weg hatten sie höchstens ein, zwei Worte gewechselt. Doch sobald sie den Rand des Orkwaldes erreicht hatten und man sich wieder in normaler Lautstärke unterhalten konnte, ohne dass man gleich befürchten musste den Ork hinterm nächsten Baum zu wecken, begann das Gezeter. Jengar hatte Durst, und so ließ er sich nicht zweimal sagen, dass er zum Fluss hinunter kommen sollte. Dank seiner trockenen Kehle blieben Vareesa Kommentare zu ihrer Marschgeschwindigkeit, die zumindest der Meinung ihres Schülers nach ein gutes Stück Zeit gekostet hatte, erspart.
Unten angekommen warf er sich zuallererst eine Hand Wasser ins Gesicht, das doch etwas kühler als erwartet war, weshalb er kurz nach Luft schnappte, als es seine Brust herunter lief.
“Was gibt’s?“, fragte er anschließend. Die Bognerin erklärte ihm den Plan und wurde zum Dank nach vorne, in das etwas mehr als hüfttiefe Wasser gestoßen. Bevor sie Schimpftiraden loswerden, oder handgreiflich werden konnte, erklärte Jengar: “Wir müssen sowieso auf die andere Seite, eine Brücke gibt es nicht. Ich hab dir nur geholfen.“ Das wurde dann noch schön mit einem halb unschuldigen, halb fiesen Lächeln unterstrichen, bevor auch er sich in den Fluss stürzte, um auf die andere Seite zu schwimmen. Mit Barti und Adrastos war die Sache bequemer gewesen, da sie einfach auf den Rücken ihrer Pferde durch den verdammt kalten Strom hatten reiten können.
Als er auf der anderen Seite angekommen war, drehte sich der ehemalige Pirat um, da Vareesa noch nicht auf seinem Ufer angekommen war. Zuerst erschrak er, da er gar nicht in Betracht gezogen hatte, dass bei weitem nicht jeder schwimmen konnte. Dann aber sah er die Bognerin sich durch den Fluss kämpfen. Es sah wirklich nicht sehr elegant aus, weshalb der Blonde beschloss, ersteinmal im Wasser zu bleiben und ihr die Hand zu reichen, sobald sie in Griffweite war.
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