Früher glaubte man einmal, die Verdammnis sei das, was einen erwartet, wenn man ein sündhaftes Leben gelebt hat und stirbt. Andererseits hatte man früher auch geglaubt, die Juden seien für die Pest verantwortlich, und Bluterlass könnte Krankheiten heilen.
Er wusste es inzwischen besser. Was er zu erdulden hatte, musste wahrlich die Verdammnis sein: Verdammt zu spüren, verdammt zu leiden, verdammt dazu, nichts dagegen unternehmen zu können. Und er lebte sogar noch.
Vielleicht, wenn er sich umgebracht hätte. Das hätte ein Ausweg sein können, aber wer konnte ihm schon sagen, ob die Leute von Damals nicht recht hatten mit ihrer Verdammnis im Jenseits? Vielleicht war es besser, diese Verdammnis auszuhalten und zu ertragen, als in einer noch schlimmeren zu landen.
Als er sich ein wenig umsah und seine Schritte langsamer wurden, konnte er besser die Konturen der schwarzen, ausgebrannten Häuser erkennen. Das Licht des Mondes schien nicht mehr so hell wie früher; schwarze Rauchschwaden verdunkelten den Himmel und würden sich womöglich nie wieder verziehen, zumindest würde er es nicht mehr erleben. Seine Finger bohrten sich in die weichen Bohnen, die er aus der Dose angelte und sich in den Mund schob.
Das war es, was ihn am meisten leiden ließ. Er wollte eigentlich sterben, aber er konnte nicht. Es gab zu viel zu Essen, zu viel zu Trinken, zu viel, das nicht konterminiert war durch Öl, Napalm und Gift. Das einzige, das es wirklich erwischt zu haben schien, waren alle anderen außer ihm.
Einmal hatte er einen gesehen, einen anderen Menschen. Er hatte sogar noch gelebt. Er war so überglücklich gewesen, und als er auf ihn zugegangen war, hatte es einen Knall gegeben, und der andere Mensch war tot zusammen gesackt, mit einem Einschussloch in seiner Brust. Er hatte den Leichnam fassungslos angestarrt, sich umgesehen und darauf gewartet, auch getötet zu werden.
Er wurde nicht erschossen. Alles Lebendige um ihn herum wurde erschossen, er aber nicht.
Das musste es sein, was seine Verdammnis so unahnbar schlimm machte.
Zu wissen, dass es jemanden gab, der wie er auch lebte.
Und dass sich dieses miese, dreckige Schwein von einem Satansanbeter einen Spaß daraus machte, ihn zu quälen.
Sein Kopf hing herunter, als er weiterschlurfte und bald darauf in einen Trab verfiel. Zumindest das würde er weiterhin versuchen: Seinem Peiniger davon zu laufen, und vielleicht doch noch irgendwann aus dieser Verdammnis zu entkommen.
Er machte sich zwar nicht viele Hoffnungen.
Aber, das sagte er sich immer wieder selbst, zumindest hatte er noch welche.