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Das kleine Schreibstübchen - #2

  1. #141 Zitieren
    Mies drauf  Avatar von Mr Sulak
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    Früher glaubte man einmal, die Verdammnis sei das, was einen erwartet, wenn man ein sündhaftes Leben gelebt hat und stirbt. Andererseits hatte man früher auch geglaubt, die Juden seien für die Pest verantwortlich, und Bluterlass könnte Krankheiten heilen.
    Er wusste es inzwischen besser. Was er zu erdulden hatte, musste wahrlich die Verdammnis sein: Verdammt zu spüren, verdammt zu leiden, verdammt dazu, nichts dagegen unternehmen zu können. Und er lebte sogar noch.
    Vielleicht, wenn er sich umgebracht hätte. Das hätte ein Ausweg sein können, aber wer konnte ihm schon sagen, ob die Leute von Damals nicht recht hatten mit ihrer Verdammnis im Jenseits? Vielleicht war es besser, diese Verdammnis auszuhalten und zu ertragen, als in einer noch schlimmeren zu landen.
    Als er sich ein wenig umsah und seine Schritte langsamer wurden, konnte er besser die Konturen der schwarzen, ausgebrannten Häuser erkennen. Das Licht des Mondes schien nicht mehr so hell wie früher; schwarze Rauchschwaden verdunkelten den Himmel und würden sich womöglich nie wieder verziehen, zumindest würde er es nicht mehr erleben. Seine Finger bohrten sich in die weichen Bohnen, die er aus der Dose angelte und sich in den Mund schob.
    Das war es, was ihn am meisten leiden ließ. Er wollte eigentlich sterben, aber er konnte nicht. Es gab zu viel zu Essen, zu viel zu Trinken, zu viel, das nicht konterminiert war durch Öl, Napalm und Gift. Das einzige, das es wirklich erwischt zu haben schien, waren alle anderen außer ihm.
    Einmal hatte er einen gesehen, einen anderen Menschen. Er hatte sogar noch gelebt. Er war so überglücklich gewesen, und als er auf ihn zugegangen war, hatte es einen Knall gegeben, und der andere Mensch war tot zusammen gesackt, mit einem Einschussloch in seiner Brust. Er hatte den Leichnam fassungslos angestarrt, sich umgesehen und darauf gewartet, auch getötet zu werden.
    Er wurde nicht erschossen. Alles Lebendige um ihn herum wurde erschossen, er aber nicht.
    Das musste es sein, was seine Verdammnis so unahnbar schlimm machte.
    Zu wissen, dass es jemanden gab, der wie er auch lebte.
    Und dass sich dieses miese, dreckige Schwein von einem Satansanbeter einen Spaß daraus machte, ihn zu quälen.
    Sein Kopf hing herunter, als er weiterschlurfte und bald darauf in einen Trab verfiel. Zumindest das würde er weiterhin versuchen: Seinem Peiniger davon zu laufen, und vielleicht doch noch irgendwann aus dieser Verdammnis zu entkommen.
    Er machte sich zwar nicht viele Hoffnungen.
    Aber, das sagte er sich immer wieder selbst, zumindest hatte er noch welche.
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  2. #142 Zitieren
    Truhe  Avatar von Salieri
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  3. #143 Zitieren
    Truhe  Avatar von Salieri
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    Heimat

    (Zum alten Thema kann noch eine Woche lang geschrieben werden; die Geschichten sind für diese Zeit mit dem entsprechenden Thema zu kennzeichnen.)
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  4. #144 Zitieren
    Schwertmeister Avatar von Miras
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    Heimat

    ------------------------------------------------------------------------------------------

    Seufzend setzte er sich an den Rand und ließ die Beine über den Sims baumeln. Der Vermieter hatte über das Dach kein Wort verloren, also erschien es ihm entweder nicht wichtig oder es war ihm egal. Die versiffte Tür war nicht abgeschlossen gewesen.

    Romantische Gedanken versprachen einen schöneren Ausblick, aber wie so oft wichen sie stark von der Realität ab. Es war längst Nacht geworden und die Dunkelheit versuchte sich wie ein Schleier über die Stadt zu legen. Die grellen Neonlichter und Lampen fochten einen verzweifelten Kampf gegen die Schwärze. Zusammen vereinten sie sich zu dem bizarren Schauspiel einer schwarzgoldenen Kaskade, die irgendwo am Horizont mit der Unendlichkeit verschmolz.
    Nachdenklich zog er an seiner Zigarette und atmete den Rauch aus. Der Umzug war soweit glatt über die Bühne gegangen. Natürlich, irgendwas geht immer zu Bruch. Und mit den Kratzern an den Möbeln hatte er sich auch schon arrangiert. Der Krempel war eh nicht so wichtig.
    Trotzdem war da etwas, dass an ihm nagte, seitdem er diese Stadt betreten hatte. Es war die Art, wie die Leute ihn ansahen. Diese... Leere im Blick. Der gebeugte Gang. Die überhasteten Gesten. Und die Gleichgültigkeit in ihren Stimmen. Er hatte den ganzen Tag über noch kein ehrliches, herzhaftes Lachen gehört. Am Nachmittag wollte er sich eigentlich bei den anderen Parteien im Haus vorstellen, aber niemand hatte ihm geöffnet.

    Und nun saß er hier oben, an diesem höchsten Punkt und blickte auf den Hexenkessel herab. Das Sirenengeheul verstummte langsam in der Ferne, vielleicht nahm er es auch einfach nicht mehr wahr. Das gegenüberliegende Haus war von oben bis unten mit Graffiti beschmiert. "Lauf", lautete die größte, in giftgrün aufgetragene Schmähschrift. Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem falschen Lächeln.
    Am Montag erst würde er seine neue Stelle antreten. Zwei Tage hatte er noch Zeit sich einzugewöhnen. Nicht, dass sie einen Unterschied machen würden.
    Er schnippte die Zigarette über den Rand hinab in den Abgrund. Eine Weile lang glaubte er ihren Fall in das Lichtermeer verfolgen zu können, dann verschwand sie in der Gleichgültigkeit. Langsam stand er auf und warf einen letzten Blick auf seine neue Heimat. Dann drehte er sich in Richtung Treppenhaus um und ging auf die Tür zu. Er sah nicht zurück. In einem der Umzugskartons hatte er eine Flasche Whiskey verstaut. Die wäre jetzt gut. Zum Eingewöhnen.
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  5. #145 Zitieren
    Kämpfer Avatar von Viso
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    Heimat

    Heimat. Ein Wort, welches so viel bedeuten kann und doch für viele unbedeutend ist. Zumindest bis sie ihren wahren Wert erkennen. Wie verloren man doch ist, wenn man nicht weiß wohin man soll, woher man kommt und welche Bindungen einen noch halten. Einsamkeit, Trostlosigkeit, das Bild eines kleinen Staubkorns in der Unenlichkeit eines Zimmers. Die einzelne Ameise, die ihre Kolonie nicht mehr findet.
    Was sind wir,w enn wir keine Heimat haben? Was sind wir, wenn wir nichts haben, dass uns am Leben hält? Sind wir überhaupt etwas, wenn wir kein Gefühl der Heimat verspüren?
    Was verstehen wir als Heimat? Einen Ort? Eine sichere Zuflucht? Doch wie zeichnet sie sich aus? Nur aus einem statischen Gebäude oder gar aus mehr? Aus einer Bindung, die über das physische hinweg existiert? Erinnerungen? Freundschaften? Partnerschaften? Sie alle zeichnen uns aus und sie definieren uns. Unsere Basis. Der Boden wahre Boden unter unseren Füßen. Der Weg der uns vorantreibt und der es uns ermöglicht ein schönes Leben zu führen, wenn wir ihm nur folgen und ihn nicht vor lauter Misstrauen und Unsicherheit übersehen.
    Was ist also unsere Heimat? Kann es sich bei ihr nur um einen einzigen Ort in diesem Universum handeln? Ja, aber auch nein. Die Heimat kann überall sein. So lange dieser Ort einen besonderen Platz in unserem Herzen eingenommen hat und so kann die Heimat überall sein, überall wo jemand ist der uns wichtig ist und auch überall wo etwas ist, dass uns am Herzen liegt. Also überall da, wo uns unser Weg hinführt.
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  6. #146 Zitieren
    Truhe  Avatar von Salieri
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    Vorahnung
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  7. #147 Zitieren
    Truhe  Avatar von Salieri
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    Strand

    Wie gehabt kann noch eine Woche lang zum vorherhigen Thema geschrieben werden, allerdings bitte mit Themenangabe.
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  8. #148 Zitieren
    Kind des Zorns  Avatar von Dares
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    Der Wind streift über die karge Landschaft. Unter dem leichten Luftstrom wirbelt Sand leise auf und fällt wieder zu Boden. Das Meer klatscht immer wieder fast lautlos auf die Küste. Das zumindest stellt er sich vor. Er sitzt alleine an einem ganz anderen Ort. Er ist auch nicht allein. Um ihn herum sitzt eine Gruppe anderer Jugendlicher. Es gibt auch einen Strand. Und auf diesem brennt ein Lagerfeuer und darauf werden Würste gegrillt. Im Hintergrund läuft Musik, Musik die irgendwie nicht so recht zum Ort passt. Aber sie passt zu den Herzen der jungen Menschen, die hier feiern und sich frei fühlen. Gar nicht so weit weg läuft eine Bahnstrecke in die Stadt. Aber hier ist der Strand, an dem das Grau der Straßen nicht zählt.
    "Guck ma der da, der is woanders" Zwei seiner Freunde klatschen ab und grinsen ihn an. "Komm"
    "Kay" Er steht auf und geht zum Feuer und nimmt mit der Zange das Würstchen vom Grill und legt es in ein Brot.
    Drei Stunden später ist die Sonne untergegangen und die Gruppe zerstreut sich. Nur er bleibt wie schon oft mit seiner Musik zurück.
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  9. #149 Zitieren
    Mies drauf  Avatar von Mr Sulak
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    Zum Thema Vorahnung

    Er hatte es schon ein paar Mal erlebt. Wahrscheinlich war er auch nicht der Einzige, wahrscheinlich passierte es jedem ein paar Mal im Leben, ihm aber eben in letzter Zeit sehr viel öfters. Und immer wieder fragte er sich, wieso und überhaupt, wie?
    Zu träumen war eine Sache, aber irgendwann zu verstehen, dass das, was man vor einigen Tagen geträumt hatte, gerade passierte, eine ganz andere.
    Es waren außerdem immer nur kleine Momente, die er so vorher sah: Fünf Sekunden vielleicht, die, nachdem sie verstrichen waren, in seinem Kopf von Neuem auftauchten, und schlagartig wurde er sich bewusst, dass er diese kurze Szene schon einmal geträumt hatte; und die nächsten fünf Sekunden verliefen dann genauso wie in seinem Traum, auch wenn nach diesen zweiten fünf Sekunden seine Erinnerung an den Traum versagte. Er konnte unmöglich wissen, ob er noch mehr geträumt hatte und ob das, was er womöglich geträumt hatte, gerade passierte.
    Manche Menschen hätten sich in diesen Momenten - die letzte Woche war es ihm zwei Mal passiert, und die Woche davor auch einmal! - wahrscheinlich andere Dinge gewünscht, etwa, die Lottozahlen der nächsten Ziehung im Traum zu sehen. Aber er wusste, dass es so nicht klappte, dass die Erinnerung an den Traum just in diesem Moment zu ihm zurück kam, da er das Geträumte gerade erlebte.
    Aber deswegen war er keineswegs enttäuscht. Nein, das komplette Gegenteil war der Fall. Er glaubte nicht an Gott, nicht an das fliegende Spaghetti-Monster, nicht an die Götter des Hinduismus und auch nicht an eine ungeklärte Macht, die irgendwo im Weltall das Leben regelte. Seine Welt war die der Mathematik, der Physik, des Sehens, Hörens, Fühlens. Er schrieb zwar gerne fantastische Werke mit Untoten, Zwergen, Orks und Elfen, auch Drachen darin, aber natürlich glaubte er nicht an diese Dinge.

    Umso mehr sammelte und verwahrte er die Erinnerungen an die wahr gewordenen Träume in seinem Herzen, auch wenn sie noch so kurz und unbedeutend waren. Denn sie waren das magische Etwas, das seine rationale Welt so dringend nötig hatte.
    _____

    Zum Thema Strand

    "Du bist ein verrückter Mensch", sage ich zu mir selbst.
    "Das fällt dir aber schnell auf."
    Mit einem breiten Grinsen sitze ich in Badehose, oben nackt, mitten in der Fußgängerzone. Ich muss ziemlich fehl am Platz wirken; fast so, als hätte ich das harte Kopfsteinpflaster mit dem weißen Sand und den verheißungsvollen Wellen des Mittelmeers verwechselt. Die meisten der Passanten, die an mir vorbei gehen, schauen mich auch entsprechend schräg an. Manche Mädchen kichern leise, als sie an mir vorüber schreiten, und ich kann nicht sagen, ob sie mich dabei bewundern oder auslachen, aber das ist mir egal. Ich lache einfach mit.
    Ein junger Mann, vielleicht 25 Jahre alt und somit immerhin 5 Jahre älter als ich, kann sich doch nicht halten, bleibt vor mir stehen und fragt mich schließlich: "Entschuldigen Sie, aber protestieren sie für irgend etwas?"
    Ich reckele mich ein wenig in meinem Liegestuhl und erwidere nur: "Nein, ich genieße meinen freien Tag."
    "Aber sollten Sie mit diesem Aufzug nicht eher im Freibad sitzen?"
    "Ach, wissen Sie... mir ist der Stadtstrand lieber."
    Er schaut mich verblüfft an, bis er über den Schwachsinn, den ich von mir gebe, lachen muss. "Na, dann viel Spaß."
    "Danke", rufe ich ihm hinterher. "Ihnen auch!"
    Mr Sulak ist offline

  10. #150 Zitieren
    Ehrengarde Avatar von Bastercall
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    Dort wo die Hoffnung der Allianz zerbricht
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    Zum Thema Strand

    Sie waren gelandet. Hunderte, Nein! Tausende, ach was rede ich, Hunderttausende maschierten in Richtung Landesinnere. Jack schaute zu während die Reketenwerfer entladen wurde...Er schwelgte in Erinnerungen an früher, an sein "normales" Leben, indem noch alles gutgewesen wahr.
    Von seinem Gürtel her kam ein Piepsen.
    Das war das Zeichen! Er wandte sich um und gab den Befehl zum Abmarsch. Während er so vor seiner Truppe hintrottete musste er unweigerlich an das denken was in wenigen Stunden auf sie zukommen würde, die erste Schlacht, die ihm das Leben kosten könnte. Nunja was solls dan bin ich bald bei meiner Familie, dachte er sich, aber da kam ihm ein anderer Gedanke, wenn wir noch weiter über den Strand latschen müssen, dann krieg ich einen Anfall... Ich hasse Sand!, dachte er noch bei sich als er nach Vorne schaute...
    Aufeinmal hörte er von hinten Rufe, er drehte sich um un folgte mit seinem Blick den ausgestrckten Fingern der Soldaten. Er schauderte als er am Himmel schwarze Punkte auf seien Trupp zukommen sah, die waren schnell, dachte er bei sich, zu schnell für freundlich gesinte Einheiten seiner Fraktion. Jack schrie Befehle und warf sich in den Sand, gleich wären die Dinger über ihn, es waren Bomber wie er zu seiner Bestürzung feststellte, noch bevor er sich erneut regen konnte, verwandelte sich die Welt um ihn herum in ein Feuermeer.
    "Charlen ich kommen früher nach Hause", dachte er noch, während sein Körper von den Flammen verzehrt wurde.
    Bastercall ist offline

  11. #151 Zitieren
    Truhe  Avatar von Salieri
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    Harmonie
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  12. #152 Zitieren
    Truhe  Avatar von Salieri
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    Wie versprochen diesmal ein Bild (etwas früher da ich die nächsten Tage ohne Internet sein werde); der Titel zählt nicht dazu, er sollte also für die zu schreibenden Werke nicht beachtet werden.

    [Bild: Environment__POST_APOCALYPSE_by_I_NetGraFX.jpg]
    Q: http://browse.deviantart.com/?qh=&se...alypse#/dbzd80
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  13. #153 Zitieren
    Veteran Avatar von Rygaroth
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    Zitternd, langsam und unregelmäßig hoben und senkten sich seine Schultern. Seine Tränen waren versiegt, doch sein Schmerz und seine Trauer verebbten nicht. Sein Blick schweifte durch seine Heimatstadt, vielmehr das, was von ihr übrig geblieben war. Wieder und wieder tasteten seine Augen die Gebäude und Straßen ab, die Leichen, die verbeulten Autos.
    Niemand der wenigen verbliebenden in der Stadt wussten, was es gewesen war. Die einen munkelten über eine Bombe, die anderen über einen Vulkanausbruch oder andere Naturkatastrophen. Für alles fehlten die Beweise.
    Was bedeutete Zusammenhalt noch, wenn es nur um das eigene Überleben ging, ohne ein sicheres Morgen? Für Menschen, die Appelle an die Menschlichkeit hielten, war das Rednerpult meist nur wenige Minuten von einer Straßenecke oder einer Mülltonne entfernt. Und welchen Unterschied würde ein Toter mehr machen? Überall verfaulten die Kadaver auf den Straßen. Egal, wo man hinblickte siechte ein Verwundeter langsam dahin.
    Die Regierung der Stadt hatte sich nicht halten können. Keinen Tag hatte es gedauert bis zu gewaltsamen Ausschreitungen, keine Woche bis zur totalen Anarchie. Nach Hilfe schrien die Überlebenden, doch vernahmen sie nichts als ihr eigenes Echo.
    So saß er da, auf den Stufen des ehemaligen Rathauses in einem Meer von Ruinen. Er umklammerte die Pistole in seiner Hand etwas fester und biss sich leicht auf die Unterlippe, als er sich erhob. Anfangs hatte er versucht, die Regierung bei der Wiederübernahme der Macht zu unterstützen. Aber niemand war in der Lage, so viel zu bieten wie der Kopf einer Untergrundorganisation, die aus besseren Tagen stammte. Obwohl Tage, in denen es Verbrecherbanden gab, nicht wirklich gut waren.
    Auch wenn ihm die Methoden dieses Mannes nicht zusagten, waren seine Angebote verlockend. Zumindest waren sie vielversprechender als die der lokalen Regierung. Nahrungsversorgung bis zur Überwindung der Krise (von diesem Teil der Abmachung hatte er sich schon reichlich überzeugen können), ein intaktes Haus, auch wenn es nicht mehr als eine Baracke war, und ein guter Platz in der Organisation waren ihm zugesagt worden.
    Langsam und immer wachsam setzte er sich in Bewegung, die geladene Waffe in der Hand. Der heutige Tag hielt eine Aufgabe für ihn bereit: Außer seinem Arbeitgeber gab es noch jemanden, der die Menschen mit Nahrung versorgte. Der Händler war kein großer Fisch, doch war es besser vorzusorgen, wenn man das eigene Monopol beibehalten wollte.
    Die Sonne neigte sich langsam dem Horizont zu, als er den Laden erreicht hatte. Angsterfüllt stoben die Menschen vor ihm auseinander. Einen einigermaßen gepflegten Mann im Anzug sah man dieser Tage selten. Als sie die Pistole erblickten, begaben sich die mit Knüppeln bewaffneten Schläger des Hauses drohend in Position. Vielleicht war dieser Mann doch ein größerer Fisch, als er gedacht hatte.
    „Das ist die erste Konkurrenz, auf die wir treffen“, hatte sein Boss ihm gesagt, „also sollten wir eine eindeutige Sprache sprechen lassen.“
    Mit anderen Worten: Bring sie alle um und setze damit ein Mahnmal für jeden, dem es in den Fingern kribbelt, Nahrung zu verkaufen.
    Dann fiel der erste Schuss. Er ging dem Schläger links von der Tür direkt durch den Schädel und ließ ihn auf der Stelle erschlafft auf den Boden sinken. Sein Kollege auf der rechten Seite folgte in nur einem Wimpernschlag.
    Ohne ein einziges Wort ging er gemächlich in den Laden hinein, als die Menschen um ihn herum in alle Richtungen davonliefen. Neben dem Händler, dem er nun gegenüberstand, wartete noch ein Schläger auf ihn. Noch bevor er seinen ersten Schritt tun konnte traf ihn eine Kugel in seine Brust. Er rutschte langsam mit dem Rücken an der Wand hinter ihm hinab, wobei sich ein langer, schmieriger Blutfleck hinter ihm herzog.
    Dem Verbliebenen blieb nur, erschrocken zu staunen, bevor auch seine Stirn durchlöchert wurde. Ohne ein einziges Wort oder ein Zeichen von Emotion zog er sich im schnellen Schritt wieder zurück. Wie so viele in der Stadt hatte er an diesem Tag erfolgreich für ein wenig mehr Ungerechtigkeit und Tod gesorgt. Denn was bedeutete der Zusammenhalt noch, wenn es nur um das eigene Überleben ging?
    Rygaroth ist offline

  14. #154 Zitieren
    Kind des Zorns  Avatar von Dares
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    Die Stadt brannte, aber nicht wirklich, sondern es sah nur so aus, weil in der Stadt Stahl produziert wurde. Die Menschen auf einem bewaldeten Hügel sahen zu der Stadt hinüber, die ihre Heimat war und in der sie auch eigentlich für immer leben wollten. Aber für immer war für sie ein recht unbekannter Begriff. Ihr Alter war etwa um die achtzehn und sie hatten noch nicht so viel Lebenserfahrung, obwohl sie schon mehr gesehen oder gemacht hatten, als andere Menschen ihres Alters. In der Gruppe herrschte eine Vertrautheit, die Außenstehende kaum verstehen, geschweige den bemerken konnten. Aber es ist nun mal so, dass jeder in der Gruppe dem Anderen sein Leben anvertraut hatte und auch die Familie. "Komisch" sagte einer der Gruppe und sah in den Himmel, Dann als die ersten Explosionen über der Stadt erschienen und dann wieder zusammenbrachen, ging einer von der Gruppe weg, zog ein Handy, wählte eine Nummer, wartete und sagte dann "Dieses Jahr gehört uns" Dieser Ruf erscholl dann wenig später auch von der ganzen Gruppe und sie stießen, wie jedes Neujahr, mit Bier an und tranken. Von Sekt hielten sie nicht viel und anstelle von ABBA hörten sie einfach die Hip Hop CD weiter. "Es ändert sich sowieso nichts" dachte einer und sah mit seinem Handy in der Hand auf den Rest der Gruppe. Diesen Gedanken hatte wohl jeder in der Gruppe schon mal gehabt, aber die meisten dachten in dem Moment gar nicht daran sondern hofften. Der Einsame kam wieder zu der Gruppe zurück und umarmte jeden, und bedauerte wieder einmal nicht mehr machen zu können, als Witze zu reißen um seinen Freunden zu helfen. Aber irgendwie wusste er, dass er damit mehr half als mit Geld.
    Dares ist offline

  15. #155 Zitieren
    Ritter Avatar von Alon
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    McKingsley stand in den Trümmern seiner ehemaligen Heimat. Um ihn herum nur Asche, Überreste der Wolkenkratzer und sogar einige Teile eines Speeders. Dieser Bild erstreckte sich bis zum Horizont, bis es im Horizont kaum merklich in den schwarzen Himmel überging; und das, obwohl es Nachmittag war. Nur die leuchtenden Waffen und blutroten Rüstungen seiner Brüder waren deutlich zu erkennen.
    Der Marine schaute mit erhobenem Haupt in die Dunkelheit hinein. Und obwohl er wusste, dass hinter ihm eine ganze Festung, bestückt mit den schwersten Waffen und voll einsatzbereit war, hatte er doch längst eingesehen, dass es hier enden würde. Seine dicke Rüstung war zerkratzt und zerbeult. In der einen Hand hielt er schlaff sein Energieschwert, das schon sie vielen Kreaturen, die inbegriff waren, diese letzten menschlichen Überreste zu zerstümmeln, den Tod brachte. Seinen Helm hatte der Hüne, der dank seiner Rüstung noch grösser schien, längst abgelegt, wie auch seine Brüder, alles kampferprobte Marines, die Eliteeinheit der Menschheit.

    Ein heller Streifen war in der Ferne zu erkennen, der sich immer weiter zog, bis die Rauchwolken gänzlich verschwunden waren. Der violette Himmel beschien die Stadt unter ihnen, und selbst Mc Kingsley stockte der Atem: Ein gigantisches Trümmerfeld, sich so weit in die Lande hinziehend, dass das Auge nichts anderes wahrnahm. Die ehemals riesigen Wolkenkratzer der Stadt in sich zusammengefallen und häuften sich nun als weitläufige Trümmerhaufen zusammen. Die Milliarden Häuser gab es nicht mehr, von Explosionen einfach umgekippt oder einige Strassenschluchten weiter katapultiert.

    Ein dumpfes Grollen kündigte das Verderben an. McKingsleys Brüder griffen nach den Plasmawerfern – und Kanonen, doch der Marine sagt – ohne den Blick von der Stadt abzuwenden -:
    „Nein. Brüder – nehmt eure Schwerter, die ihr vom Imperator übergeben bekamt. Erweisen wir ihm einen letzten Dank, indem wir mit den Relikten seiner Kriege untergehen – mögen auch noch so wenige hier sein.“
    Er machte eine lange Pause. Fussgetrappel hunderter Wesen waren zu vernehmen, dazu Rufe und irre Schreie. Die Kreaturen brachen zwischen den zerstörten Gebäuden und den haushohen Trümmerhaufen hindurch – grässliche Kreaturen, die ihre ganze Brutalität und Verdorbenheit wiederspiegelten.
    „Und jetzt – endet es.“
    Der Marine hob sein Schwert und es flackerte grün auf. Dann stürzte er sich mit seinen Brüdern mitten in die Horde. Die letzten Menschen – zusammen.
    Alon ist offline

  16. #156 Zitieren
    Schmetterling  Avatar von Redsonja
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    „Gestern...“

    Sagte er und seufzte. Dann schloss er sich dem allgemeinen Schweigen wieder an, nur um es später mit innerem Amüsement zu durchbrechen.

    „Gestern war alles anders.“


    Sprach er nach einer gefühlten Ewigkeit das Offensichtliche aus. Alle blickten zu Boden, wichen seinen Augen aus. Keiner hatte den Mut der Wahrheit zu begegnen. Dachte er, leicht überlegen. Nicht heute und nicht morgen. Er war der erste, der die Stille zu zerreissen versuchte. Sie wollten es nicht hören. Sie wollten es nicht sehen. Nicht einmal in den Nachrichten wurden Bilder gezeigt. Es gab keine Nachrichten mehr, keine Talkshows, keine Schuldigen. Sie würden wieder kommen, alle. Auch die Schuldigen.

    Dann werdet ihr vielleicht auf mich zeigen.


    Stellte der nüchtern, für sich alleine, fest.

    Wer wird wann seinen Kopf fallen sehen? Wer hat mehr Angst? Sie oder ich...

    Fragte er sich ruhig und wartete auf Übermorgen.
    Redsonja ist offline Geändert von Redsonja (02.10.2011 um 20:37 Uhr)

  17. #157 Zitieren
    Ehrengarde Avatar von Spike Spiegel
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    In der Stille liegt sie. Es ist ruhig, also kann ich sie hören. Sie durchtränkt die Stille mit Wut, Hass, Verzweiflung, Angst, Trauer. Ich spüre was diese Worte bedeuten, fühle warum sie über mich und all die andern wie ein zu heißes Bad, eine eiskalte Injektion, eine Welle die...
    Dennoch, ich frage mich warum.
    Deshalb, deswegen, darum sind sie mit mir gekommen um zu sehen, was keiner anzuschauen vermag. Mehr ein Erkennen, als eine visuelle Bestätigung dessen, was man bereits vermutet, zu wissen meint, zu glauben scheint.
    Sie sind alleine. Gemeinsam einsam. Verirrt in den Trümmern. Noch gehen sie weiter, bleiben kaum stehen. Wie lange noch, ehe sie sich zur Vergangenheit gesellen und ihr Erbe antreten. Vergessen, Verschwunden, Vergangen.
    Sie weiß es. Vergebens ertränkt sie uns in der Wahrheit. Wir sind schon längst ertrunken, haben vergessen zu atmen, vergessen es jemals getan zu haben. Dies ist das Bild dass ich vor meinen Augen sehe, dass meine Freunde leben. Es ist so real und doch nicht wahr.
    Verstehen...wie?
    Wenn es nicht bald passiert dann...was?
    Spike Spiegel ist offline

  18. #158 Zitieren
    Ehrengarde Avatar von Spike Spiegel
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    "Schweigt!"
    Es ist zu laut um ihn zu hören. Er, unser Retter, der einst der einzige war der zu sprechen wagte geht verloren. Sein Erscheinen brachte den Wandel.
    In Erstaunen versetzte, verstummte Münder öffneten sich. Taube Ohren erwachten, neugierig, um altes Vergessenes erneut zu vernehmen. Und es zerbarst.
    Stimmen wurden laut, Menschen hörig. Sie lebten auf, ein weiteres Mal. Und mit der Zeit überstimmten sie ihn. Der Urschrei verwaschen von abermillionen Seufzer und Jauchzer.
    Es ist Morgen.
    Was nun?
    "Hört!
    Er brummt, er tollt und wir singen, tanzen, schreien. Verloren in der Glückseeligkeit, die er uns schenkte. Keine Vorsicht, keine Angst mehr. Die Ruhe vor dem Entflohenen ist es, die wir uns erkämpften und ewiglich wollen wir die Boten ihrer Wiederkehr übertönen. Bis auch er verstummt.
    Und dann...was?
    Spike Spiegel ist offline

  19. #159 Zitieren
    Truhe  Avatar von Salieri
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    Sieben Sünden: Habgier
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  20. #160 Zitieren
    Ehrengarde Avatar von Spike Spiegel
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    Gib es mirrr, nicht ihrrr.
    Sage ihrrr, nicht mit mirrr.
    Nimm es dirrr und bring es mirrr.

    Feige Zungen spötteln leise,
    Ich sei allein in meiner Gier.
    Doch auf die eine oder andre Weise,
    Wollen sie immer mehr von mir.

    Ich der alles haben will,
    Soll nun geben wonach sie schrein.
    Mehr, mehr, mehr - seid still!
    Es ist meins, meins ganz allein!

    Haben wollen ist nicht falsch!
    Haben sollen ist verrückt!
    Bin ich auch reichlich bestückt,
    Ich fühl mich nicht entrückt,
    Viel eher bin ich entzückt -
    Um all die schönen Dinge,
    Schrei ich auf und singe:
    Ich hab viel und ihr habt wenig!
    Ich weiß viel und ihr nur wenig!
    Ich fresse, wo ihr nur zu fasten wisst.
    Ich stresse den, den die Faulheit frisst.
    Ich nehme statt zu geben,
    Ich kenne kein Benehmen!

    Weinend, schreiend, voll' Wut und Tollheit,
    Kamen, kommen, werden sterben,
    Solche die es wagen mich zu enterben,
    Gar zu berauben, ja, abzustauben,
    Was ich Dank harter Faust erworben.

    Aus den Gerechten sprüht die Feigheit!
    Schwanden, schwinden, werden finden,
    Solche die sich als "gut" befinden,
    Deren Augen, klein und am erblinden,
    Sie sich eigenhändig selbst zerschinden.

    Zu Haben ist verrucht, zu Nehmen eine Sucht.
    Zu Geben sei mir nie Vergeben!
    Nichts zu Haben, ha, werd ich nie erleben!
    Ich hab' Gier um nicht zu sterben...

    Soll ich, fragst du dich.
    Du sollst, ewiglich,
    dir immer reichlich nehmen.
    Spike Spiegel ist offline

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