-
Ronsen ging also, obwohl es ihn in keinster Weise behagte, da er von dem Auftreten des Mannes nicht sonderlich angetan war, in seiner Frühstückspause zu Kratos' Rüstgewerbe. Der Bengel schien tatsächlich nur mit Leder zu arbeiten, was den ehemaligen Paladin einerseits störte, da er selbst dereinst immer ein paar Stahlplatten in seine Rüstungen eingenäht hatte und sich darin sicherer fühlte, andererseits war das wohl auch ein Zeichen, dass er auch in Zukunft nicht mehr in die Schlacht kehrte. Genug vom ewigen Kämpfen und bei der Jagd waren Metallteile meist eher hinderlich als hilfsam.
Genau so brachte er dem seltsamen Kerl auch sein Anliegen vor. Dass er eine anständige Lederrüstung und passende Schuhe brauchte, gab ihm die Maße an und erwähnte noch, dass er aktuell noch kein Geld hatte, um das Zeug zu kaufen, er es aber in einer oder zwei Wochen hätte. Wenn Kratos also bis dahin fertig war, und eine ordentliche Rüstung brauchte ihre Zeit, würde er kommen und den entsprechenden Betrag bezahlen.
-
"Und mehr noch.", fuhr Hathon fort nach einer Pause, die zuerst erschrockene Stille, danach aufgeregt überraschte Gesichter zur Folge hatte und letztlich von Unruhe im Saal abgelöst wurde, während der er sich endgültig dazu entschloss, nicht auf das Eintreffen Tinquilius' zu warten. Worum es ging, das wusste der Oberste Al Shedims ohnehin schon. Mit seinen Worten nahmen die Anwesenden sich wieder zurück. "Oktavian ist Vielen in dieser Stadt ein Dorn im Auge, nicht nur mir, nicht nur vielen Hofmagiern, denen ein gepflegtes Zusammensein zwischen den Kriegern und Magiern am Herzen liegt, sondern auch einem Teil des gemeinen Volks. So groß die Zahl der Zweifler aber auch ist, er hat zu großen Rückhalt. Die Zahl seiner Anhänger ist groß und viele schrecken vor unrechtmäßigen Mitteln nicht zurück. Sie sind wie Oktavian selbst."
Besorgt blickte er in Richtung Tür. Inständig hoffte Hathon, dass die Suche von Silvie und Hindrun von Erfolg gekrönt war. Tinquilius stellte eine Persönlichkeit dar, die selbst unter einigen Setarrifern Respekt genoss, so kurz sein bisheriger Aufenthalt auch war. Er hatte sich von Anfang an nicht davor gescheut, Oktavian die Meinung zu sagen. Hoffentlich war ihm das nicht zum Verhängnis geworden.
"Was die Sache jedoch erheblich erschwert", fuhr er ernst fort, "ist sein Rückhalt seitens des Königs. In einem gewissen Maße hat Ethorn VI. dieses Unheil selbst verursacht, indem er Oktavian mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet hat, die ihn über jeden in dieser Stadt stellen. Über mich als obersten Hofmagier, selbst der Rat kann ihm keine zwingenden Weisungen erteilen, ganz im Gegenteil nutzt er jede Gelegenheit aus, durch sein Veto Beschlüsse zu verhindern, die ihm nicht passen. Er demonstriert seine Macht nach Belieben und lässt sie jeden spüren, der sich offen gegen ihn wendet."
Kurz hielt er inne, um das Gesagte setzen zu lassen.
"Deswegen halten wir dieses Treffen im Geheimen ab, deswegen muss auch jedes gesagte Wort hier bleiben. Wer damit ein Problem hat, möge den Saal bitte umgehend verlassen."
Natürlich hoffte Hathon, dass nicht einer von ihnen ging. Es war die Einheit dieser Gruppe Magier, die sie stark machte und die seinen Zwecken erheblich dienen konnte. Und nicht zuletzt war es auch die Anwesenheit der drei mitgereisten Ratsmitglieder Al Shedims, Cronos, Myxir und Merdarion, die nicht nur unter den Anwesenden waren, sondern auch wissentlich hinter seinem Vorhaben standen.
Solveg
-
Nicht abgeneigt war die Sjadu dem Gedanken gegenüber, diejenige von beiden zu sein, welche den Ring überbrachte und so nahm sie das unscheinbare Diebesgut auch ohne jeglichen Widerspruch entgegen. Die Frucht ihrer beider Arbeit jedoch ganz offensichtlich, ja geradezu fahrlässig am eigenen Finger zu tragen, behagte ihr weniger und stand nicht in ihrem Sinn.
Genauso schnell wie Estefania ihn übergestriffen hatte, verschwand der Siegelring auch wieder in einem angemessenen Versteck, das zu durchsuchen wohl nicht so schnell jemand wagen würde.
Sie zwinkerte ihrer Begleiterin freundlich zu, als diese sie mit einem fragenden Blick bedachte.
"Wir wissen nicht, inwiefern das hier alles nur ein Spiel oder tatsächlich Ernst war. Möglicherweise reiten wir uns direkt in die Scheiße hinein, wen irgendjemand sonst außer Jerowen von dem Diebstahl und vor allem uns als Diebe erfährt."
Ein zustimmendes Nicken der Gaunerin signalisierte Shei, dass auch sie damit einverstanden war, zumindest vorerst nicht mit ihrem neuen Schmuckstück zu prahlen.
In der Tat dauerte es nicht lang und man gewährte den beiden Frauen zutritt zur Akademie. Allein Flankierung von zwei Wächtern lies ahnen, dass man sich nicht nur allein deswegen die Mühe machte sie zu begleiten, um sie zum Büro des Leiters zu führen, nein, diese Tatsache erinnerte auch an die Vorkommnisse der jüngsten Vergangenheit.
Und wenn schon, scheint er langsam zu begreifen, dass unsere Qualifikation nicht von der hand zu weisen ist. Dachte Schattenlied im Stillen und musste unwillkürlich schmunzeln.
Kaum merklich stupste Sheila Este in die Seite und leise aber durchaus vernehmbar gab sie mit einem Kopfnicken in Richtung der beiden betont ernstblickenden Gesellen zum Besten: "Jetzt spendiert er uns sogar schon eine eigene Ehrengarde, hm?"
Beide grinsten sie einander an und setzten ihren Gang weiter fort.
-
"Ein bis zwei Wochen? Ich unterschätzt mich. Ich werde dafür keine vier Tage benötigen.", antwortete der Wahnsinnige auf die Anfrage des Kriegers. Die Maße, die ihn zwar nicht überraschten, jedoch darauf schließen ließen, dass er deutlich mehr Leder benötigen würde, als die wenigen Decken von Leder, die hier noch verweilten. Hoffentlich konnte er Daymen auftreiben.
"Doch wenn ihr dem Golde knapp seit, könnte ich mir vielleicht auch einige andere Dinge ausdenken, die ihr in eurer Stellung für mich erledigen könntet.", ein bösartiges Schmunzeln überzog sein Gesicht, die Worte verließen seinen Mund wie klares Wasser, die "Flüssigkeit" hatte seinen Dienst getan.
"Ich werde euch morgen nochmals benachrichtigen, ob und wie hohen Rabatt ich euch für eure Dienste entlohnen werde. Jetzt muss ich mich erst um einen anderen Kunden kümmern."
Mit diesen Worten drehte er sich wieder der Lederrüstung zu, die er nun säuberte. Sie sollte dem Kunden doch gefallen und seinen Wünschen entsprechen - Eine dreckige Rüstung würde genau das Gegenteil erreichen.
-
Der Jüngling passierte das Stadttor von Setarrif um Kratos aufzusuchen. Ein Passant hatte ihm gesagt, er hätte den Wahnsinnigen dort gesehen.
Des gebrochenen Fußes wegen, humpelte Damyen die Straße entlang und ließ seinen Blick links und rechts durch den Wald schweifen.
Jedoch war nirgendwo der nackte Oberkörper mit den roten Tättowierungen zu sehen.
"Kratos?", rief er. Jedoch keine Antwort.
"Kratos?!", ertönte seine Stimme wieder, diesmal aber etwas lauter. Nichts rührte sich. Er war schon dabei, die Hoffnung aufzugeben, den Rüstungsbauer zu finden.
"KRATOS!" Ein letztes Mal. Und dieses Mal erhielt er seine Antwort.
-
Er sprang von der hohen Eiche, die hier ihren Schatten auf ihn warf. Direkt hinter dem Jüngling trat er mit beiden Füßen fest auf, trotzdem war dieses beinahe lautlos. Er hatte nicht alles vergessen, während seiner Zeit als Dieb.
Kratos tippte nun auf die rechte Schulter Daymen's, zog die Augenbrauen zusammen und verschränkte die Arme.
"Dir ist doch bewusst, dass man Wahnsinnige ausschlafen lassen sollte - Oder nicht?", meinte er drohend. Während er eher mürrisch die Worte auf seinen Opponenten eingehen ließ zog sich ein leichtes Lächeln über das tätowierte Gesicht.
Wie klein dieses Land doch war.
-
Erschrocken stolperte der Jüngling nach vorne, wäre beinahe mit dem kaputten Fuß aufgetreten.
"Scheiße! Erschreck mich doch nicht so!", sagte er zu seinem Gegenüber, während er das Gleichgewicht wieder gewann.
"Verzeih, dass ich dich geweckt habe, aber ich wollte dir mitteilen, dass ich einen Standort hier für meine Gerberei gefunden habe. Sobald es meinem Fuß wieder besser geht", er klopfte mit der sporadischen Krücke gegen eben jenen, gebrochenen, "gehen die Umbauarbeiten im Lagerhaus, wo sich die Bootsbauerei befindet, los. Wie lange hattest du denn vor, noch in Setarrif zu bleiben, mein Freund?"
Kratos wollte gerade zur Rede ansetzen, doch Damyen winkte sofort wieder ab.
"Warte, bevor du sprichst...", er setzte seinen Rucksack auf dem Boden ab, saß sich daneben, um seinen Fuß zu entlasten und kramte darin herum.
"Ich habe hier noch etwas....hier irgendwo muss es doch...ah! Da ist sie ja!"
Er zog eine große Flasche von einer braunen Brühe hervor, die aussah...nunja, jedenfalls sah sie nicht sehr bekömmlich aus.
"Setz dich zu mir und lass uns trinken, erst dann lass uns reden.", sagte der Gerber.
"Das hier", Daymen wackelte mit der Flasche, sodass die bräunliche Brühe in der Flasche hin und herschwappte, "ist feinster Nussschnaps. Ich hoffe du trinkst so etwas?!"
Schmunzelnd wartete der Jüngling die Reaktion des Wahnsinnigen ab.
-
"Nun," begann er, während er einen kleinen Schluck von dem angebotenem Schnaps kostete,"Ich habe bereits einen weiteren Auftrag erhalten, es scheint ganz so, als ob das restliche Leder nicht reichen wird. Ich benötige die selbe Ladung wie letztes Mal, am besten eher dünnes Fell. Der Kerl, für die die Rüstung sein soll, ist recht breit gebaut, der sollte darin nicht noch mehr schwitzen."
Der Alkohol erzeugte Hitze in seinem Rachen, also unterließ er es schnell, weiter davon zu kosten und stellte die Flasche auf der Erde ab.
Als er seinen Gegenüber genauer betrachtete, fiel ihm zunächst wieder einmal der seltsame Kinnbart auf - Der seinem vielleicht gar nicht so unähnlich war - Im Verlauf seiner Gedanken, fiel sein Blick auf die Verletzung am Bein.
Nur knapp, schaffte er es sich einen Spruch zu verkneifen.
-
"Schmeckt dir der Schnaps nicht?", fragte Damyen, als Kratos die Flasche wieder auf der Erde absetzte.
Nun schnappte er sich selbst die Flasche, nahm einen großen Schluck und ließ ihn kurz in seinem Mund, damit das angenehme Brennen sich darin ausbreiten konnte. Dann schluckte er den Hochprozentigen runter und fühlte wie sich die Wärme in seinem Körper ausbreitete.
"Naja, sagen wir doch einfach, der Kerl ist fett. Wir sind unter uns, warum also die wahren Gedanken zurück halten?", sagte der Gerber lächelnd.
"Ich werde Berek, dem Jäger, mit dem ich zusammen arbeite, Bescheid geben. Und ich werde bei meinem alten Lehrmeister anfragen, ob er vielleicht noch Leder für mich hat."
Ihm fiel auf, dass Kratos seinen Fuß anstarrte. Dessen Mundwinkel bewegten sich für den Bruchteil einer Sekunde nur minimal nach oben.
"Na? Hast wohl 'nen Fußfetisch, wie?", fragte Damyen und fing an laut zu lachen.
Er nahm einen weiteren Schluck aus der Flasche und bot sie dann seinem Gegenüber an.
-
Sein Gegenüber war ehrlich, sagte die Dinge die er dachte geradewegs aus. Er war aufmüpfig und nicht unbedingt Höflich. Das machte ihn durchaus sympathisch.
"Nein danke, ich trinke normalerweise keinen Alkohol. Was euren Fuß anbelangt - Meine Vorlieben beziehen sich auf andere Gebiete.", nun grinste er hämisch, in der Hoffnung die Zweideutigkeit seiner Worte ließ sich entziffern.
Der Vorschlag noch einige Felle bei Zeiten besorgen zu könne, gefiel Kratos. Er war sicher schon bald in seine Heimat zurückzukehren und den Geruch des verwesten Todes einatmen zu können.
-
Der Schlag auf den Hinterkopf holte ihn wieder in die Realität zurück - jedenfalls im Ansatz, und der junge Mann blickte etwas verwirrt auf. "R-Ravenne?", murmelte er leise - und dann war es beinahe unheimlich anzusehen, wie er sich in einem Zug komplett zusammenriss. Sein Gesichtsausdruck wurde weicher, seine Augen drifteten etwas ab, sein Mund fand sein typisches Grinsen wieder, die Körperhaltung wieder normal, entspannt, die Verletzlichkeit und Verwirrtheit von eben verschwand - zumindest oberflächlich - komplett. Schmunzelnd trat er einen Schritt zurück. "Ich gebe zu, dich hätte ich hier auf Argaan am allerwenigsten erwartet.", meinte er, im vollen Bewusstsein, das sie genau das gleiche hätte sagen können - wenn sie denn überhaupt etwas hätte sagen können. Der junge Mann legte den Kopf leicht schief, sah zu dem Pferd, schüttelte dann den Kopf. Er verstand nicht genau, was hier gespielt wurde. Träumte er etwa doch? Warum sollte ihm Ravenne hier über den Weg laufen? Das war so unwahrscheinlich, das es beinahe schon wieder witzig war. Azil beschloss - in sich einig - das ganze hier einfach wie einen Traum zu behandeln... weil er sich beinahe sicher war, das es einer war. Wenn auch ein ziemlich realer. Vielleicht hatte Calintz ihn ja einfach ausgeknockt, und den Rest hatte sich dann einfach eingebildet.
"Und weil ich glaube, dass das hier alles nur ein Traum ist...", stellte er fest, und sah relativ zufrieden aus, und betrachtete Ravenne eingehend. "Wette ich, dass du gleich irgendetwas machen wirst, was ich überhaupt nicht erwarte. Oder sogar ja vielleicht weil ich es erwarte, wirst du es tun, weil ich es nicht erwarte. Oder so." Etwas verwirrt von seinen eigenen Worten drehte sich der Schwarzhaarige um, schüttelte noch einmal den Kopf. "Was für ein seltsamer Traum. Wie kann ich von etwas träumen, was ich überhaupt nicht kenne, und wieso tauchst du darin auf?", fragte er Ravenne, auf eine Antwort hoffend.
-
Ein ... Traum? Hatte der Schlag etwa doch nichts geholfen? Seine Miene wirkte weniger verwirrt, das Grinsen war zurückgekehrt, aber seine Worte zeugten vom Gegenteil, von absoluter Verwirrung. Ratlos stand Ravenne vor ihm, dem Irren, wusste nicht, was sie tun solte. Mit seiner seltsamen Wette beschäftigte sie sich gar nicht erst, so durcheinander waren die Worte. Was erwartete er jetzt? Dass sie anfinge, ihm ein Gutenachtlied zu singen? Ihm eine Rede darüber hielt, wie schändlich es war, anderer Leute Worte in den Mund zu nehmen, ohne das kenntlich zu machen? Ihm erklärte, dass er erwählt worden war, Adanos' Sphäre innerhalb von 23 Stunden, 59 Minuten und 59 Sekunden vor Dienern Beliars zu retten, die sich aus ihren Gräbern erhoben, sich als Vegetarier entpuppen sollten und Blumenbeete verwüsteten? Gut, hier half rohe Gewalt anscheinend nicht mehr. Der war besoffen, bekifft oder heftig auf den Kopf gefallen. Für die ersten beiden Ursachen wusste sie aber wenigstens eine Art Kur.
Sie winkte ihm, ihr zu folgen, doch als er sie immer noch veriwrrt anstarrte, verlor sie die Geduld, seufzte stumm, packte seinen Arm und Zog ihn hinter sich her, während sie Scáthach an den Zügeln führte. Hier musste doch irgendwo ... ah! Das eignete sich doch prima. Ein wenig selbstgefällig grinsend, eigentlich jedoch zutiefst besorgt um den Geisteszustand des ehemaligen Söldners, führte sie ihn zu diesem Fass, das an der Seite einer Taverne stand und Regenwasser fangen sollte. Ohne ihm irgendwas zu erklären, band sie das Pferd fest, führte ihn zum gefüllten Fass und drückte seinen Kopf hinunter, rein ins kühle Nass. Also, wenn das nicht half ...
Sie wollte kein Risiko eingehen, sie zog ihn am Schopf wieder aus dem Wasser, sobald er begann, panisch nach dem Rand des Fasses zu tasten. Dann nahm sie die Tafel heraus, schrieb und gab sie ihm zum Lesen, während das Wasser von seinem Haar den Schriftzug teilweise wegwusch.
Wieder wach? Siehst du jetzt, dass das hier nicht ein Traum ist?
Und falls deine Frage ist, wie ich hergekommen bin ... ich bin mit meinem Vater, Faren und Keala gekommen, zu einem "kulturellen Austausch" der Wassermagier Al Shedims mit den Wassermagiern Setarrifs.
-
Im Thronsaal
Der König sass noch immer auf dem Thron als Moryn und einige Männer von der Wache die Tore des Thronsaals schon längst geschlossen hatten. Verbissen hielt er sich an den Armlehnen seines Thrones, als würde es helfen, die schwindende Macht zu festigen. Er hatte die Audienz nicht einmal persönlich für beendet erklärt. Moryn, der Hauptmann der Schwerter, war es gewesen, der die Gesichtsausdrücke seines Königs gelesen und es für besser befunden hatte, das verbliebene Volk wegzuscheuchen. Nun standen sie vor ihm, blickten ihn an und warteten.
"Wartet hier eigentlich jeder auf meine persönliche Bitte?", brummte er, die schwere Stirn nun auf die Hand gestützt. Dann schoss er plötzlich hoch und brüllte: "Erlasset dies, ändert jenes! Jeder Bauer meint, mir Ratschläge erteilen zu müssen." Dabei warf er seine Hände so wütend durch die Luft, dass ihm beinahe die Krone vom Kopf gefallen wäre. Er nahm das altehrwürdige Stück in die Hand. "Mein Vater, dessen Vater und alle Väter zuvor haben dieses Geschmeide mit Stolz getragen. Keiner hätte sich all diese Jammerlappen angehört." Er setzte sie wieder auf und äffte dann den letzten Bürger nach, der vorgesprochen hatte: "Herr, euer Vasall breitet sich ungeniert im Bluttal aus."
"Rhobar tastet seine Grenzen ab. Doch er greift mich nicht offen an. Soll ich ihm etwa den Krieg erklären? Was ist denn aus dem Bürger von Argaan geworden? Weiss er sich nicht mehr selbst zu helfen?" Schnaubend setzte er sich wieder auf seinen Thron. Moryn war vorgetreten, um seinen König zu beschwichtigen. Da hob jener die Hand und sprach: "Und doch hat jeder einzelne dieser Bauern Recht. Ich darf Rhobar nicht alles durchgehen lassen. Ich muss mich für einen offenen Schlagabtausch wappnen. General Lee und seine Leute sind eine willkommene Unterstützung. Doch den Kern meiner Armee bildet ihr, Moryn. Ritter und Bogenschützen führt auch Rhobar in die Schlacht."
Seine Stimme war geradezu ruhig geworden, als er die Krone erneut von seinem Haupt nahm und über die fein eingearbeiteten Edelsteine strich. Er sah seine Männer nicht an während er erklärte: "Moryn, ich will dass du deinen Mann aus dem Bluttal hierher berufst. Sag ihm, der König erinnere sich an eine Geschichte, die ihm sein Grossvater einst erzählt hatte." Dann schaute er dem Hauptmann seiner Schwerter in die Augen, setzte seine Krone erneut auf und verliess den Thronsaal. Die Krone würde er so schnell nicht mehr ablegen. Wer weiss, wer alles danach greifen würde, kaum hätte er sie vom Haupt genommen?
Candaal
-
Bei der Sitzung der Magier
Immernoch saß Hyperius in der Sitzung, die sich von einem Moment zum anderen in ihrer Brisanz und Wichtigkeit zu übertreffen schien, wenn sich ihm immerfort neue Informationen über ihren Aufenthalt hier in der Stadt, die Probleme im Kreise des Wassers und die Rolle der Magier Al Shedims in diesem ganzen Spiel der Macht offenbarten. Im Gegensatz zu den meisten Menschen hatte er selbst ein eher geringes Interesse an Macht und hatte bislang immer die Position vertreten, dass das Gefüge der Macht zumindest durch ihn nicht verschoben werden musste, solange sich die Machthaber dazu verleiten ließen den Zielen zu folgen, die der Pazifist selbst als gut und richtig erachtete.
Dass nun der Kreis des Wassers einen Umsturz herbeiführen sollte, schien ihm da etwas zu missfallen, handelte es sich dabei ja allem Anschein nach nicht um irgendeinen grausamen Unterdrücker, sondern vielleicht bloß um einen vom richtigen Weg abgekommenen Wassermagier, dessen Verfehlungen klar mit seiner Position zu begründen waren, so zumindest die Meinung des jungen Kartographs. Er selbst hatte zwar noch nicht sein angefangenes Werk zur korrumpierenden Wirkung der Macht vollendet, aber spätestens der erste und zweite Krieg Myrtanas, den er selbst Vorort miterlebt hatte, stärkten seine Thesen, dass die Bosheit des Einzelnen nur durch die Versuchungen erwuchsen, denen sie aufgrund der Macht ausgesetzt waren.
Schweigend einen Schluck Tee trinkend, intervenierte der Baumeister jedoch nicht, denn er besaß nicht das Recht und seine Meinung in allen Ehren, befand er sich auch nicht in der Position die Thesen der anderen zu kritisieren, die durchaus das Recht hatten eine Veränderung zu fordern, wenn Oktavian dem Kreis und den Menschen mehr schadete, als dass er ihnen nützte, obschon es nicht der Weg gewesen wäre, den der Varanter eingeschlagen hätte.
"Nun jetzt hör mir mal gut zu, Hyppo", meldete sich plötzlich wieder die Stimme Satarorius in seinem Kopf zu Wort, "wir sprachen ja bereits darüber, dass eine Veränderung des Ganzen nur möglich ist, wenn sich alle Teile dieser Veränderung hingeben. Bewegt ein Schiff sich samt aller Teile, doch hängt der Anker noch draußen, so kommt es net vorwärts. Es wird nun also Zeit den Anker einzuholen, oder die Verbindung zu trennen, wenn er sich im Boden verkeilt hat und sich nicht mehr einholen lässt. Ich will damit sagen, dass die Gesamtheit, die es zu verändern gilt, vielleicht auf einen kleineren Bereich beschränkt werden sollte, indem man ein Hindernis aus der Gesamtheit entfernt. Du kannst nicht alles verändern, denn es gibt Elemente, die sind wie unberechenbare Variablen und diese lassen sich bloß Ausschalten oder Ausgrenzen, um die Gleichung als solche aufzulösen.", woraufhin der Teeliebhaber zunächst stumm nickte und einen weiteren Schluck Tee zu sich nahm, denn er verstand den Einwand des Elementargeistes und es war wohl nun Zeit sich auch unter diesem Aspekt noch einmal die Gedanken zu machen.
-
Die Luft war kühl und der Wind peitschte ihm ins Gesicht. Der Wind kam vom Meer her, weshalb er noch kühler als sonst war und noch feucht, sodass es stark an Regen erinnerte. Er zog seinen Mantel höher ins Gesicht, den er extra für dieses Wetter gekauft hatte, und wickelte ihn stärker um den Körper, damit ihm wenigstens ein wenig warm wurde.
Die Straßen waren menschenleer, da die Dunkelheit und der nasse Wind viele in ihre warmen Häuser oder Gastwirtschaften getrieben hatten.
San Daran war zwar solches Wetter gewohnt, sogar noch schlimmeres, doch die letzte Zeit hatte er immer an der warmen Schmiede verbracht und war schlechteres Wetter einfach nicht mehr so gewohnt.
Deshalb eilte er auch in die Sturzkampfmöve, um dem Wetter zu entfliehen und sich bei einem Krug Rum zu wärmen.
Er kam schließlich bei der Tür an, stieß sie auf und stand somit einen Moment zwischen Helle und Wärme auf der einen Seite und Dunkelheit und Nässe auf der anderen. Schnell schloss er die Tür hinter sich und atmete die schwere Luft ein, die in der Taverne vorherrschte. Dann ging er an die Theke und bestellte sich Rum. Den Mantel zog er nicht aus, auch wenn ihm jetzt schon warm wurde. Aber es gab genug Diebe hier, die einen Mantel einfach mitnehmen würden.
Nachdem er seinen Rum bekommen hatte, setzte er sich an einen freien Tisch und lehnte sich zurück, genoss den Geschmack des Rums und die Wärme um sich herum.
Dann setzte sich plötzlich ein Mann an seinen Tisch, der einen langen schwarzen Mantel und einen Dreispitz trug, den er tief ins Gesicht gezogen hatte. So konnte San zuerst dessen Gesicht nicht gesehen, doch als dieser aufblickte, sah er genauso verblüfft aus, wie San Daran es war.
Vor ihm saß Reyn, der ehemalige erste Offizier, auf dem Piratenschiff, auf dem San Daran der Zweite gewesen war. Er war nicht bei dem Brand ums Leben gekommen, bei dem die anderen gestorben sind, weil er davor in Bakaresh von Bord geworfen worden war, weil er Rum gestohlen hatte.
Der Schmied brachte einfach kein Wort heraus, der andere dagegen schon.
"Verräter.", murmelte dieser.
Zuerst war San Daran sprachlos, doch schließlich brachte er eine Erwiderung hervor.
"Nein, du bist der Verräter, du hast den Rum gestohlen. Ich habe lediglich dem Kapitän geholfen den Dieb zu finden."
"Als ob es dir um den Rum gegangen wäre! Du wusstest genau, dass wenn ich weg bin, du der erste Offizier wirst. Du warst doch nur auf meinen Posten eifersüchtig!"
Das war absurd, so war es gar nicht gewesen. San Daran antwortete wütend.
"Nein, Diebstahl auf dem Deck wird hart bestraft und das wusstest du genau. Du hättest einfach nie stehlen sollen!"
"Dass ich nicht lache. Piraten!? Als ob es jemanden weiter gestört hätte, wenn einmal was fehlt. Jeder hat doch gestohlen und ich wette, du auch!"
"Das stimmt nicht.", verteidigte sich San. "Ich habe nie etwas gegen die Regeln an Deck gemacht."
"Und wo ist das Schiff jetzt?", fragte Reyn plötzlich.
Zuerst schweigte San Daran. Mit diesem Kapitel seines Lebens hatte er eigentlich abgeschlossen.
"Es ist verbrannt.", murmelte San Daran.
"Was? Wie hatte das denn geschehen können?"
"Ich war da gar nicht an Deck. Ich sollte da per Beiboot schonmal vorfahren, um das Geld zu verstauen."
"Und davor hast du nicht die Lichter überprüft, oder? Du hast nicht geschaut, ob die Lampen alle Dicht sind oder ob jemand raucht oder ähnliches?"
Der Schmied war perplex. Das hatte er wirklich nicht gemacht. Aber das war doch auch Aufgabe der Wachte, nicht die des Offiziers. Hätte er das machen sollen? Nein es war tatsächlich nicht seine Aufgabe gewesen.
Die Zeit, in der San Daran nachgedacht hatte, hatte Reyn offensichtlich als schuldbewusstes Schweigen wahrgenommen.
"Soll ich dir was sagen?", fragte Reyn, um das wütende Gespräch weiterzuführen. "Du bist an allem Schuld. Wegen dir habe ich meinen Posten verloren, wegen deiner Eifersucht auf meinen Posten. Und wegen dir ist das Schiff abgebrannt, mir wäre das gar nicht passiert. Ohne dich könnte ich noch auf dem Schiff arbeiten, das noch existieren würde. Doch nun muss ich Tagelohnarbeiten machen um irgendwie leben zu können. Ich werde dir das heimzahlen."
San Daran knöpfte seinen Mantel, auf, weil ihm langsam wirklich zu warm wurde. Dabei kamen all die Waffen zum Vorschein, die er bei sich trug. Merkwürdig beäugte Reyn sie.
"Du bist verrückt!", meinte San Daran plötzlich. "Das ist alles unwahr! Du hättest den Brand auch nicht verhindern können. Du hättest nicht stehlen brauchen, dann hättest du deinen Posten auch noch!"
Einen Moment schauten die beiden sich wutentbrannt an. Doch San Daran wollte sich das nicht weiter antun. Er wollte gerade aufstehen, als Reyn plötzlich aufstand und schrie.
"Pirat! Der Kerl hier ist Pirat! Er ist hier um sich neue Opfer auszusuchen und um mich anzuwerben, doch ich möchte das nicht! Ich will kein Pirat sein!"
Schon wieder war San Daran verwirrt. Was sollte das alles? Doch dann fiel ihm etwas auf.
Einige der Leute schauten ihn komisch an, viele davon bereits betrunken. Reyn wollte sie gegen San auhetzen.
Vielleicht hätte San Daran etwas erwidern sollen, doch er wollte einfach hier raus, er würde sonst alles nur noch schlimmer machen. Trotzdem zuckte er nur die Schultern und rief, sodass die Umstehenden es verstehen konnten.
"Das ist eine Lüge. Mein Freund hier hat einfach zu viel getrunken. Hört einfach nicht auf ihn!"
Doch Reyn stand still und gerade da, weshalb niemang glaubte, er sein betrunken. Außerdem trug San Daran einen Mantel, viele Waffen und hatte ein wettergegerbtes Gesicht. So wie sich viele einen Piraten vorstellten.
Und die Meisten waren besoffen, sodass sie sowieso leicht reizbar waren.
Das registrierte der Schmied schnell und wollte die Taverne verlassen, doch ein Mann mit langen, schwarzen Haaren hielt ihn fest. Dieser stank so sehr nach Alkohol, dass er wohl schon ziemlich lange hier gessesen hatte und getrunken.
"Mein Cousin ist von Piraten getötet worden!", rief er und immer mehr Leute schauten zu San Daran herüber.
Einige brüllten wütend auf und schienen schon aggressiv zu werden. San Daran schlug die Hand von dem Schwarzhaarigen weg, doch dieser schlug ihm unmittelbar ins Gesicht. San Daran torkelte zu Boden, doch er stand schnell auf.
Ein anderer, vom Alkohol bereits übermütiger Mann kam auf San Daran zu.
Doch dieser wollte nicht, dass es zu einer Schlägerei kam. Er zog seine Axt und haute dem vor sich auf den Schädel, mit der flachen Seite. Der Schwarzhaarige fiel um wie ein Stein.
Schnell ging San durch die Menschenreihen, doch die Axt in seiner Hand hielt diese davon ab, ihn anzugreifen.
Er verließ die Taverne und rannte sofort los, zur Bautelle.
Die Situation gerade war völlig außer Kontrolle geraten. Die Männer mussten denken, dass er ein Pirat war. Er hätte es selber geglaubt, wenn er nur ein Zuschauer gewesen wäre. Und er konnte den Zorn auf Piraten verstehen, das war ein schwarzes Kapitel in seinem Leben.
Er rannte und hinter sich hörte er ein paar Rufe, von Leuten, die die Taverne verließen. Offenbar hatten sich vier oder fünf zusammengeschlossen, denen der Alkohol zu Kopfe gestiegen war.
San Daran lief schneller. Er erreichte das Geländer und betrat die Schmiede, die er sich dort aufgebaut hatte. Dort hockte er sich auf den Boden und lehnte sich gegen die Wand.
Er schalt sich, dass er so reagiert hatte. Doch auch im Nachhinein wusste er nicht, was er hätte anders machen sollen. San Daran lauschte in die Nacht hinein, aber er hörte zum Glück keine Betrunkenen auf der Baustelle.
Sein Zorn auf Reyn wuchs. Er würde ihn morgen suchen gehen. Zwar wusste San Daran nicht, was er machen würde, aber es würde Reyn auf keinen Fall gefallen.
-
Auf dem Gang, der als einziger zu Tinquilius' Gemach führte, hatten sie sich getrennt. Während Hindrun an der letzten Abzweigung möglichst unauffällig einige Wandverzierungen mit einem gespielt verärgerten Gesicht zu reinigen versuchte, war Sivlie weiter gegangen. Sie war deutlich begabter darin, unbemerkt mal eben eine Tür zu öffnen. Ihr Gefährte sollte einzig darauf achten, dass sie niemand dabei erwischte. Hathon hatte zwar von 'nötigen Befugnissen' gesprochen, übermäßig auffallen wollten die beiden dennoch nicht.
„Ich hab's!“, zischte Silvie. Entgegen des konventionellen Dietrichs hatte sie ihre magischen Fähigkeiten vorgezogen, um die Wand soweit zu bearbeiten, dass der Schließmechanismus ins Leere griff und die Tür sich gewaltlos öffnen ließ.
In dem Glauben, von irgendwo Schritte zu vernehmen, eilte Hindrun zu ihr, rasch verschwanden sie in der Kammer und verschlossen die Tür hinter sich wieder notdürftig. Ungebetene Gäste konnten sie hier nicht gebrauchen.
„So viel Ordnung hätte ich ihm gar nicht zugetraut...“, schmunzelte die Magierin und blätterte einen Packen Pergamente durch, der säuberlich auf dem Schreibtisch aufeinander gestapelt war. Doch sie wurde in ihrer Vorfreude getrübt: „Pflanzen...“
„Schlechte Luft hier drinnen, oder? Scheint so, als war länger niemand mehr hier.“
Sie stimmte ihm nickend zu, während sie einen Blick in die Schreibtischschublade warf. Sie war zu ihrer Überraschung leer. Vielleicht hatte Tinquilius nichts mit hier hergenommen, das es sich darin aufzubewahren lohnte...
„Sieh mal!“, rief Hindrun sie dann zu sich. „Die Bettdecke ist ordentlich zusammengelegt und glatt gestrichen, aber das Kissen ist total durcheinander und zerknittert.“
„Meinst du, das hat was zu bedeuten?“
Verlegenes Grinsen auf Hindruns Zügen, ehe er antwortete.
„Bei mir ist nicht einmal die Decke ordentlich.“
Plötzlich drangen laute Schritte vom Gang herein, die offenbar von mehr als nur einer Person stammten.
„Bitte nicht...“, betete Silvie und postierte sich so hinter der Tür, dass man sie beim Öffnen nicht sofort bemerken konnte. Ihr Gefährte blieb im Dunkel der Schlafkammer zurück.
Die Türklinke wurde betätigt, danach daran gerüttelt. Zum Glück vergebens, wobei gröbere Gewalt garantiert zum Öffnen genügen würde, allzu sorgfältig hatte sie sie nicht wieder verschlossen.
„Wie soll jemand in diesem Gemach sein, wenn die Tür verschlossen ist? Kannst du mir das mal erklären?!“
Irgendwoher kannte die Magierin die dumpf klingende Stimme.
„Aber ich bin mir sicher, dass...!“
„Können Diebe neuerdings aufgebrochene Türen wieder verschließen?!“
„Aber...“
„Sei still! Hier ist keiner...“
Die Schritte entfernten sich wieder.
„Puh...“, murmelte Silvie, die Nervosität stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben. „Sehen wir zu, dass wir hier weg kommen. Ich glaube, das waren welche von Oktavians Leuten.“
„Sprach der eine nicht von Dieben? Ich habe nicht alles verstanden.“
„Hat er. Vielleicht Tarnung, vielleicht Täuschung. Ich weiß es nicht.“
„Also über den Balkon?“, schlug Hindrun vor und blickte angetan von der eigenen Idee aus dem Fenster. Mit etwas Geschick würde man eines der Nachbarhäuser erreichen können, das zur Straße zeigte.
„Nein, ich denke nicht, dass sie nach dieser Kontrolle die Tür und den Gang weiter bewachen.“
„Hoffentlich...“
Solveg
-
Prustend kam der junge Mann wieder aus der Tonne hervor, seine Haare klebten ihm am Kopf, seine langen, schwarzen Haare, die so gerne das Wasser aufnahmen und jetzt entsprechend tropften. Stark tropften. Im Prinzip konnte man es auch so beschreiben: Sein gesamter Kopf und Oberkörper war nass, und entsprechend fror er. "Verdammt!", machte er, schüttelte sich, dass das Wasser nur so spritzte. "Warum hättest du das nicht anders machen können?", fragte er mürrisch, und ließ sich erst einmal ein wenig abtropfen. "Aber ja, ich bin jetzt wach... wach, im Prinzip. Ändert zwar nichts an der Situation, aber schön, dich zu sehen, Kleine.", meinte er, kicherte leise, und versuchte, sich seine nassen Haare aus dem Gesicht zu streichen - mit mäßigem Erfolg. Mit einer schnellen Bewegung zog er sich sein Oberteil aus - jedenfalls das eine Oberteil. Bei der Kälte trug man natürlich nicht nur eins - und trocknete sich damit die Haare ab.
"Auch wenn ich natürlich nicht ganz verstehe, warum du mich gleich hier eintunkst. Habe ich dir etwas getan?" Grinsend schielte er zu der jungen Frau. "Ich hoffe, du hast mir meine 'Flucht' damals nicht übel genommen. Glaub' mir... es hat mir das Herz zerrissen, die Schmiede zurückzulassen, und nie mehr nach Faring zurückzukehren, sozusagen." Seine Augen zeigten wohl,d as er nicht log. Hoffte er. Denn das tat er nicht - und noch dazu hatte der Krieg anscheinend doch eine deutlichere Prägung hinterlassen, als er es erwartet hatte.
Als er noch einmal auf die Tafel blickte, sah er Farens Namen, und rümpfte leicht die Nase. "Ach was. Hat er gar nicht erwähnt. Gut, ich habe auch nicht wirklich mit ihm gesprochen...", murmelte er in seinen nicht vorhandenen Bart, schüttelte dann den Kopf. "Danke, du hast mir eben geholfen, wenn auch auf eine Weise, die mich bei einer Lungenentzündung das Leben kosten würde. Kann ich dir irgendetwas gutes tun?"
-
Manchmal gab es so Tage, die zogen einfach vorbei.
Ungefähr das war es in letzter Zeit gewesen, einfach ein Vorbeiziehen der Tage, denn auf der Baustelle waren die Arbeiten am Dach immer stetig vorran gegagen, bis es irgendwann vor Kurzem fast fertig geworden waren - fast, weil noch der Segen Hyperius fehlte, aber der war zur Zeit mal wieder irgendwo... Nunja, er würde wieder aufkreuzen.
Auf alle Fälle war es so ein richtiger Trott geworden, in dem sich der junge Bootsbauer befand, und irgendwie ging ihm das ziemlich gegen den Strich, denn so ein Leben wollte er einfach nicht haben, wenn jeder Tag mehr oder weniger wie der davor war... Manche Leute nannten soetwas Routine, manche Alltag, manche Normalität, aber für Gath war ds absolut nichts. Er brauchte nicht das, was andere als Abenteuer bezeichnen würden - kämpfen, hinaus in die Wildniss gehen oder vor irgendetwas fliehen. Das hatte er letztes Jahr schon zur Genüge getan, aber er wollte soetwas wie ein unregelmäßiges Leben, eines, bei dem immer irgendwas geboten war...
Wenn man was ändern will, sollte man eigentlich bei sich selbst anfangen...
Ein weiser Gedanke, doch den musste man erstmal umsetzten...
Das Problem war mal wieder das altbewärte: Im Lagerhaus war niemand da oder die Bewohner erweckten zumindest den Eindruck, als seien sie nicht da, und auch sonst war herzlich wenig geboten...
Da gab es eingentlich nur einen Ort, der sich halbwegs lohnen würde: Die Taverne, in der er früher eigentlich immer gewesen war, etliche Wochen lang. Das Problem an der Sache war nur, dass die anderen dabei fehlten, Rekhyt, Dennik, Illdor... San war zwar noch da, aber am Arbeiten und von daher auch erstaunlich schwer aufzutreiben.
Egal... Es wird sich schon jemand finden lassen, den ich kenne.
Also hieß es einmal durch die Straßen Setarrifs laufen, die Gath mittlerweile gar nicht mal mehr so fremd vorkamen. Am Anfang hatte ihm diese Stadt überhaupt nicht gefallen, weil alles so sauber war, die glatten Steinwände überall, die goldenen Kuppeln... Mittlerweile sah er das mit ganz anderen Augen, so, wie er damals in Khorinis einfach die Stadt gesehen hatte: Als etwas normales, so, wie es halt nunmal war. Nur ganz das selbe war es dann doch nicht, denn in der Hafenstadt mischte sich noch ein Gefühl von Heimat zu diesem normalen und das fehlte dem jungen Bootsbauer in Setarrif noch.
Doch wie er da so durch die Gegend schlenderte, gelankte er relativ schnell zur Taverne, was ihn dann doch sehr verwunderte. Ja, er war in einem Trott gefangen, dass er nicht einmal mehr bewusst mitbekam, wo er eigentlich gerade herumlief.
Wesentlich bewusster war ihm dann das Eintreten, denn urplötzlich wurde es laut, warm und die Luft roch nicht mehr nach Salz, so wie eigentlich überall, wo er sich im Normalfall herumtrieb, sondern nach Rauch, Bier und Schweiß.
Wie man nur dieses Bier hier trinken konnte... Gath fand es absolut scheußlich aber nunja, das war Geschmakssache und er bevorzugte ganz klar Met.
Fehlte nur noch ein Sitzplatz - vorzugweise bei jemandem den er kannte, doch auch das war nicht so einfach, denn erstens war es voll und zweitens kannte Gath eigentlich so ziemlich niemanden...
Wobei...
Doch, an einem Tisch, sogar mit einem weiteren freien Platz saß der Typ, den er spontan für den Transport seines Bootes engagiert hatte und dem er noch Geld schuldete.
"Guten Abend, der Herr." begrüßte der junge Bootsbauer den anderen, dessen Namen er noch nicht einmal wusste, in einem übertrieben höflichen Tonfall, wenn auch nicht ohne etwas Spott darin.
"Ich hoffe doch, Ihr verwehrt mir nicht den Sitzplatz an eurem Tisch?"
-
Und es hatte doch geholfen! Wenngleich Azil nicht fürchterlich erfreut war darüber. Er redete jetzt allerdings wieder normal, das war ein Anfang. An welcher Situation es nichts ändern sollte, konnte sie jedoch nur raten. Aber doch, sein geistiger Zustand schien sich zu bessern, er erinnerte sich sogar an die Zeit in Faring ... auch wenn Ravenne nie mitbekommen hatte, dass er nie in seine Schmiede zurückgekehrt war. Letzten Endes hatten sie zu Beginn des Krieges dagesessen, diese fremde Frau, die sofort wieder gegangen war, Meister Hephas, Jes und Ravenne. Auch Ravenne war bald schon abgereist, hatte im Krieg nicht auf der falschen Seite landen wollen, während Bardasch in Vengard gewesen war. Außerdem wäre der Schiffsweg nach Al Shedim einfacher gewesen, falls sie Bardasch verpasst hätte. Aber das war ja anders gekommen. Die Stumme strich über die Nüstern Scáthachs, überlegte, bevor sie sich daran machen würde, zu schreiben. Was konnte Azil ihr schon "Gutes tun", wie er sich ausdrückte? Sie hatte, was sie benötigte. Sie hatte Arbeit, eine Unterkunft, einen Geliebten, ein Pferd, Werkzeug, und zuletzt schien sogar Bardasch ruhig zu sein. Was also blieb noch zu wünschen?
Schließlich nahm sie die Hände wieder vom Fell des Tieres, nahm ein neues Stück Kreide und schrieb nachdenklich, malte ihre Gedanken auf den Schiefer.
Oh, es hing nicht mit der Flucht zusammen ... Ich habe übrigens den Krieg nicht in Faring abgewartet, sondern bin bald nach deiner Abreise nach Vengard aufgebrochen, um notfalls noch nach Al Shedim zurückzukommen. Nein, mit deiner Flucht hat es nichts zu tun, und du hast mir nichts getan ... Du standest lediglich mitten auf der Straße und hast ein Gespräch mit meinem Pferd angefangen. Wirktest, als hättest du gesoffen oder geraucht. Und ich konnte mir vor unserer Abreise aus Al Shedim bei Faren eine gute Technik abschauen, einen Stockbesoffenen wieder ansprechbar zu machen. Nur hatte ich keine Lust, erst ein Gefäß zu holen und das Wasser abzuschöpfen, bevor es in dein Gesicht kommt. Das Regenwasser kam mir gerade Recht.
Du hast Faren getroffen? Er hat bald nach unserer Ankunft bei Nacht und Nebel Setarrif verlassen, zusammen mit Keala vermutlich. Seine närrischen Blicke waren ja kaum auszuhalten, und sie sind zeitgleich verschwunden.
Oh, und nein, es gibt nichts, was du für mich tun könntest. Außer vielleicht, du weißt, wie man einen Speer handhabt und könntest es mir beibringen? Ich hasse es, auf Dauer waffenlos zu bleiben.
-
» Oha. Na aber niemals doch. Nehmt nur Platz. Dafür ist er ja schließlich da. «
antwortete Nigel genauso überschwinglich.
Er saß wieder einmal an einem leeren Tisch in einer sehr vollen Taverne. Unddann kam wieder jemand rein und setzte sich zu ihm.
Ob Nigel es irgendwann mal bei seinen zwei Bier bleiben lassen konnte? Wohl kaum...
» Alles in Ordnung mit dem Kahn? « fragte er seinen neuen Tischnachbarn.
Doch ehe dieser antworten konnte, stolzierte die junge Bedienung an ihm vorbei.
» Ich hätte gern noch eins... Und der junge Mann hier sicherlich auch, oder? «
Berechtigungen
- Neue Themen erstellen: Nein
- Themen beantworten: Nein
- Anhänge hochladen: Nein
- Beiträge bearbeiten: Nein
|