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Silden - Die Angst, Alleine zu sein
Tränen rannen still über seine Wangen. Kraftlos, Lustlos trottete er weiter. Immer weiter, wie das Leben spielte. Eine Aufeinanderfolge von Augenblicken, nichts weiter. Und irgendwann wäre für ihn der letzte Augenblick gekommen, dann wäre er tot – und dann? Nichts weiter, er würde einfach nicht mehr mitkriegen, dass auch weiterhin ein Augenblick auf den Anderen folgte und sich nichts änderte. Nichts änderte sich. Das war es. Nichts würde sich ändern, nicht durch ihn. Wer war er schon? Hatte er Einfluss, hatte er Macht? Nein, er würde nie etwas ändern, etwas bewegen können. Er war schwach, ein einfaches Leben, an ein trauriges Schicksal gebunden wie ein Sündern an den Pranger...
Er war ein Versager, die Stimmen hatten Recht. Ein ewiger Versager. Deshalb hatte er sie verloren. Nur deshalb. Eine Träne löste sich von seiner Nasenspitze und tropfte leise in die Nebel.
Er konnte sie vor sich sehen, ihr Haar, ihre Augen, ihren Körper. Als wäre sie dort, würde dort liegen und an einer Rose riechen. Einer roten Rose. Doch die Rose welkte in ihren Händen und die Vorstellung verpuffte. Sie war weg. Und er? Er war noch da, aber allein. So allein wie er immer gewesen war. Einen Moment, so schien es, hatte das Schicksal ihm diese Bürde genommen und nun traf sie ihn wieder mit voller Wucht. Er war allein...
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Gotha
"Bald ist die Nacht da...ich glaube sie kommen heute.", sprach Gupek, ein Hladak-Krieger und Übungspartner von Tat'ank'Ka. Seit ein paar Tagen war er und ein paar Urkmas hier schon an der Front. Gorbag sollte sich hier auch herumtreiben, doch war er mit den Shaks auf Jagd im Umland Monteras.
Langweilig war es aber hier durchweg nicht. Auch Tat unternahm 'Ausflüge' hinter feindliche Linien. Mit Rasaff zogen sie bei Nacht los um bei Morgengrauen auf ihre Zile zu lauern. Es mochte etwas leicht gehen, aber es war Zweckmäßig wie Tat'ank'Kas Orkarmbrust zu Einsatz kam. Als Fernschütze bewies er sich und hatte mit dem heutigen Ziel schon sechs Turmwachen und Späher Monteras ausgeschaltet. Zu schade dass die Feuerbolzen noch nicht kamen, da der Teer in faring fehlte, sonst hätte Tat schon Feuer gemacht.
Doch zurück nach Gotha, wo die Hladak sich schon am rüsten waren. Rasaff organisierte die Urkmas unter denen sich auch Gargo befand, während Tat weiterhin mit Gupek übte.
Nicht das gewöhnliche Kampftraining. Viel mehr ein anderes. Eines das Brosh dem Urkma auftrug. Tat machte im Lager alles mit seiner linken Pranke. Essen, kämpfen, armdrücken, Kisten heben - im Grunde alles. Sein Alltag bestand daraus sich die rechte Pranke hinter den Rücken zu binden und mit der anderen alles zu machen er gewöhnlich mit der anderen Tat. Selbst als Schmied versuchte er sich dabei, auch wenn er nur kleine arbeiten daran machte. Eine gewisse Filigranität ließ sich hierbei bei Tat nicht abstreiten, je öfter er alles was er konnte mit links machte. Trotzdem bedurfte es noch einiger Zeit bis beide Arme nahezu angeglichen waren.
Ein Schlagabtausch erfolgte unter den übenden Orks. Tats Kriegsschwert schwang mit links geführt wuchtig herum, doch war die Klinge noch lange nicht so elegant für einen Ork geführt, wie mit der rechten Pranke. Für Tat war dieser Schritt dahin das Ziel. Waffenklirren, Ork drükte gegen ork, bevor man sich mit großer Kraft gegenseitig wegdrückte.
"Das wird schon. Hören wir auf und stärken uns, Krieger der Hladak!", meinte der Urkma. Gupek nickte und sie gingen zum Kochork Gothas, der wie täglich an sich in einem großen Kessel etwas anrichtete.
"So lang kämpft ihr um Gotha und so lang kommen immer wieder die Toten. Als würden sie sich fortpflanzen...", meinte Tat als er den Orkwurzeleintopf mit Ripperstücken löffelte.
"Hehe...können sie gar nicht Orak...einmal stolperte ich und da stand dann ein Zombie ohne Kleider. Ich packte sein Ding und riss es ab, als wäre es ein Wurm an dem man zieht...nein Orak sicher nicht das...ausser diese Morras sind so. - Der Dämon ruft die Toten und sie kommen durch die Erde. Vielleicht wandern sie gerade unter uns.", meinte der Hladak.
"Hmmm...vielleicht...", brummte der Schwarzork und lehnte sich rülpsend zurück. Bis zum Kampf wollte er ruhen.
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Nach einer kurzen Schlafpause hatte sich Bartimäus wieder so an den See gestellt wie am Tag zuvor. Er war gespannt welches Resultat er aus dieser Geduldübung ziehen würde und welches Athron erwartete. Und so stand er da, alleine, verlassen, in der Stille. Nein, still war es ganz und gar nicht! Wenn man nichts Besseres zu tun hatte, als auf die Geräusche um einen herum zu achten, fiel einem auf, dass der Wald nie völlig ruhig war.
Anfangs hatte er die Umgebung mehr mit seinen Augen wahrgenommen. Hatte zu dem Fisch geblickt, der die Wasseroberfläche berührte, hatte den ringförmigen Wellen nachgeschaut, die dieser ausgelöst hatte und hatte die Steine beobachtet, die am Ufer von Wasser umspült wurden. Und jedes Mal erinnerte er sich daran, dass er seinen Blick auf die Weidenrute gerichtet halten sollte.
Immer wieder schweifte sein Blick in die Umgebung, über das Wasser, zu den Wäldern oder zum Himmel empor. Bis der Moment kam an dem seine Gedanken die Eintönigkeit durchkreuzten, die ihn erfasst hatte. Schau auf die Rute! Und schon schnellten seine Augen wieder auf das Objekt seiner Aufgabe.
Mit der Zeit wurde er besser darin die optischen Reize auszublenden und ihnen nicht nachzugehen. Stur auf das Stück Holz starrend erfasste er stattdessen mit seinen Ohren die Umwelt. Auch mit diesem Sinn gab es einiges zu erfassen. Sie Singvögel lieferten eine Hintergrundmusik, die nicht verstummen wollte, solange die Sonne am Himmel stand. Manchmal hörte man viele auf einmal, manchmal weniger, manchmal waren sie weiter weg und manchmal näher, aber irgendwo gab es immer einen zu hören. Unterschiedlich klangen die Töne, doch Bartimäus kannte sich zu wenig mit Vögeln aus, als dass er sie hätte zuordnen können.
Abgesehen war auch das Rauschen des Wasser zu hören. Nicht so auffällig und wesentlich leiser, weil es kein großen Gewässer war und der Wind keine großen Wellen aufwarf, aber dennoch gut hörbar, besonders wenn man genau am Ufer stand.
Im Gegensatz zum Wind waren diese Geräusche immer zu hören und nichts und niemand hätte sie dazu bringen können zu verstummen. Die Bewegungen der Luft hingegen waren wechselhaft. Auch wenn es am heutigen Tag nicht der Fall war, wusste Bartimäus, dass sie bis zu einem Getose anschwellen konnten, dass alles andere übertönte. Heute aber blieb der Wind dezent, ein leises Säuseln durch die Blätter, ein leichter Hauch, der durch seine Haare wehte und ab und an blieb er komplett aus. In manchem Momenten fegten stärkere Windböen über den See und prallten raschelnd auf die Bäume hinter des Wächters.
Als er auf all diese Geräusche achtete, lernte besser zu unterscheiden aus welcher Richtung etwas kam, wo der Wind durch das Laub blies und in welcher Entfernung etwas durch das Dickicht raschelte.
Hin und wieder, wenn sich etwas durch das Gebüsch bewegte und der Neugierige nicht einschätzen konnte, ob es sich eher um eine Maus oder ein Reh handelte, erwischte er sich dabei, wie seine Augen zum Ursprung des Tons wanderten und dann befahl er sich erneut, sich auf die Weidenrute zu konzentrieren.
Er erfasste das Alltägliche, wurde mit den Geräuschen vertrauter, bemühte sich seine Augen unter Kontrolle zu haben und wandte sich schließlich auch Gerüchen zu. Auf diesen Sinn hatte er erst selten vertraut. Meistens war er einfach da gewesen oder hatte ihm gemeldet, dass er Hunger hatte, wenn gerade etwas besonders köstlich geduftet hatte. Doch auch hier konnte er etwas riechen, Gerüche auf die er noch nie geachtet hatte. Sie waren abhängig vom Wind, doch oft bleib ein Geruch nicht lang genug, als dass Bartimäus erkennen hätte können, woher er stammte. Zu selten hatte er auf seine Nase geachtet und zu sehr hatte er auf Augen und Ohren vertraut und keine weiteren Sinne gebraucht. Jetzt aber hatte er genug Zeit und genügend Eindrücke um alle Sinne auszukosten und die ganze Natur wahrzunehmen.
Die Zeit verging, Stunde um Stunde zog die Sonne ein Stück weiter und Bartimäus empfand noch nicht das Gefühl der Langeweile. Eigentlich war er zufrieden und genoss die Ruhe, die Möglichkeit dazustehen und einfach nichts zu tun und gleichzeitig das Wissen etwas zu lernen und neue Erfahrungen zu machen.
Hätte er sich in eine Hängematte gelegt, die Augen geschlossen und relaxt, wäre das wesentlich komfortabler gewesen, doch er wusste genau, dass er dann nicht so genau auf die Natur geachtet hätte, selbst wenn er es gewollt hätte. Es wäre dann einfach noch viel schwieriger nicht in Tagträumen zu versinken.
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Grenzgebiet Montera-Gotha
Mit dem Wind und nach Knoblauch und Angst stinkende Morras, die ungeschickt durch den Wald schlichen. Lauernde, nach Kampf und Blut gierende Orks. Gorbag, der den beiden links und rechts neben sich hockenden Kriegern ein kurzes Handzeichen gab.
Bereits noch bevor Gorbag die nahenden Feinde sehen konnte, hatte er bereits ihren Geruch in der Nase und hörte sie durch das Unterholz brechen. Wie einfältig Morras sein konnten!
Die Sonne war bereits vom Himmel verschwunden und der Tag hatte der dunklen Nacht Platz gemacht. Stille herrschte im Wald, da kein Tier, nicht einmal ein Wolf oder Vogel, einen Ruf ausstieß. Die Kämpfe und der Schlachtenlärm hatten das Wild aus der Gegend vertrieben.
Gorbag gab den beiden Orks neben sich ein eindeutiges Handzeichen, das diese nicht einmal im Dunkeln missverstehen konnten. Mit der flachen Pranke deutete er zu Boden. Er gab Befehl zu warten. Ohne, dass eine weitere Anordnung nötig gewesen wäre, gaben die beiden Krieger den Befehl des Elitekriegers an die Orks neben sich, und diese wiederum an ihre Nebenmänner, weiter. So wurde der gesamte, in einer langen Linie im dichten Wald lauernde Trupp ohne ein verräterisches Wort schnell verständigt.
Als das Knacken der Äste und das Rascheln der Blätter immer lauter wurde und Gorbag so bereits die Positionen von drei verschiedenen Morras erahnen konnte, umfasste der Knochenjäger den Griff seines Krush Varoks fester. Sein weitaus größeres und schwereres Kriegsschwert ruhte in der Halterung auf seinem Rücken. Für den überraschenden Angriff auf die auf die Stellung der Shak-Bogenschützen vorrückenden Söldner hatte sich Gorbag erst einmal für sein leichteres Schwert entschieden. Eine Waffe, die schneller zu führen war, würde ihm in den ersten Augenblicken des Scharmützels mehr nützen, als die größere Wumme.
Plötzlich tauchte nur wenige Schritte vor Gorbags Position der dunkle Umriss eines Morras auf. Bisher hatte der Elitekrieger nur schwarze Bäume und Blätter und einen dunklen Himmel mit einzelnen Sternen gesehen. Nun verdeckte ganz in seiner Nähe ein Morra den Glanz der Sterne...Es ging los.
Mit einem lauten Brüllen sprang der Elitekrieger auf die Beine. Sein Varok hielt er seitlich zum Boden. Seinen Kriegsschrei ausstoßend stürzte sich Gorbag auf den ersten Feind.
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Trelis
Der Geruch nach Schnee hatte sich in die Luft gemischt. Es wurde kälter, der Winter hielt Einzug in Mittelland. Eine passende Zeit für einen Winterkrieger, dachte Waylander, während er sich von Stoffel treiben ließ wie ein Stück Vieh. Die Zeiten hatten sich geändert, dachte der Krieger. Einst hatten sie sich versteckt und auf die Beute gelauert. Jetzt war es umgekehrt. Sie sollten nicht enttäuscht werden. Die beiden Männer näherten sich einer Weggabelung. Ideal. Weit genug von der Stadt, um nicht die Aufmerksamkeit der Wachen auf sich zu ziehen. Doch immer noch so nahe, um das Tor im Blick zu haben. Erfolg und Misserfolg hingen davon ab, wie viele Assassinen auf sie warteten. Waylander befürchtete sechs, hoffte auf fünf und freute sich auf vier. Hoffnung ist manchmal trügerisch.
„He, Ihr da. Haltet eure Hände so, dass ich sie sehen kann“, brummte ein Busch am Wegesrand. Stoffel hob die Arme, zeigte sein Schwert. Waylander verharrte. Der Busch begann erneut zu sprechen: „Wer seid Ihr?“ Stoffel räusperte sich. „Mein Name ist Stoffel, ich bin Händler aus Trelis. Das hier ist mein Gefangener. Ich habe ihn aus der Kerkerhaft freigekauft. Ich hörte, er ist mehr wert, als die 200 Gold, die ich bezahlt habe.“ Der Busch schwieg.
Ein Rabe krächzte im Flug und ließ sich auf einem nahen Baum nieder. Waylander blickte dem Tier in die Augen. Das Tier hielt dem Blick stand. Es schien, als beobachtete er die Szene. Der Busch sprach: „Das kann schon sein. Wir sind interessiert. Wie viel verlangst du?“ Stoffel zögerte nicht lange: „500!“ Der Busch hustete.
„Du spinnst wohl. So viel haben wir nicht, zahlen wir auch nicht.“
Waylander überlegte. Der Plan lag auf des Meesers Schneide. Die Assassinen waren clever. Sie hatten noch nichts über ihre Stärke preisgegeben. „Dann gehen wir wieder. Auf dem Sklavenmarkt bekomme ich sicher mein Gold wieder“, antwortete Stoffel. Der Busch räusperte sich. „Ich sollte dich vielleicht warnen, es sind einige Pfeilspitzen auf dich gerichtet. Wenn wir wollen, nehmen wir uns den Gefangenen einfach.“ Stoffel grinste. „Nun, wie ich schon sagte. Ich bin Händler in Trelis. Und kein unbekannter. Ich biete meine Waren nicht am Burgtor feil. Ich habe ein Geschäft, und ich sollte dich vielleicht warnen. Die Wachen werden sich sehr dafür interessieren, wenn ich nicht wieder auftauche.“
Stoffel spielte seine Rolle sehr gut. „Darüber hinaus, weiß ich, wenn ich hier gefesselt vor mir habe. Es ist euer Glück, dass es die Stadtwachen nicht wussten. Wenn sie es gewusst hätten, wäre er nicht hier, dann wäre ich nicht hier. Ich bin mir sicher, dass Farring ein gewisses Interesse an diesem Mann hat. Schließlich waren es er und seine Bande, die monatelang die Handelsrouten unsicher gemacht haben. Ich hätte 1000 Goldstücke verlangen sollen, wenn ich recht drüber nachdenke. Vergesst es. Ich schaue mal, ob ich bei den Orks nicht bessere Geschäfte machen kann.“ Stoffel machte kehrt und zog Waylander mit sich. Der Busch ergriff das Wort: „Warte!“ Flüstern. „Gut. 500, wir sind einverstanden.“ Stoffel sagte nichts, dennoch genoss er sichtlich seinen Triumph. Er hatte es immer noch drauf. Waylander hoffte, dass dies für seine Kampfkünste auch noch galt.
Der Busch bewegte sich, ein Mann mittleren Alters trat daraus hervor. Nicht sonderlich groß, Waylander überragte ihn um mindestens zwei Handbreit. Ein weiterer Assassine sprang von einem Baum. Waylander hatte ihn zuvor nicht gesehene. Hinter dem Busch kamen drei weitere Diener Beliars hervor. Sie alle scharrten sich um sie, durchbohrten Waylander mit ihren Blicken. Stoffel und der Busch sprachen, der Assassine holte einen Beutel aus seinem Rucksack und überreichte ihm den Händler. „Nun, da ist er also. Endlich. Waylander, der Anführer dieser kleinen Rebellengruppe. Ich habe viel über dich gehört. Du sollst in der Arena sehr gut gewesen sein. Da wo wir dich hinbringen, wirst du erneut die Chance haben, dein Können unter Beweis zu stellen, Sohn des Verrats.“ Waylander hasste diesen Akzent. „Wo ist seine Waffe, die berühmte Snaga“, fragte der Busch den Händler.
„Ich weiß es nicht“, antwortete Stoffel. „Er hatte die Axt nicht bei sich, als die Wachen ihn aus dem Kerker geholt haben. Vielleicht hat er sie verloren.“ Der Busch spie aus. „Verloren, das ist schade.“ Er drehte sich um, machte einen Schritt auf Waylander zu, so dass sich die beiden Männer Aug in Aug gegenüberstanden. „Sag mir, du Schwein, wie viele meiner Brüder hast du mit dem Todbringer erschlagen?“ Waylander antwortete nicht. Der Busch holte aus und schlug ihm die Faust ins Gesicht. Waylander ging auf die Knie. „Wie viele, du Schwein?“ Waylander schmeckte Blut. „100!“, antwortete er. Dann stand er auf. „Plus fünf!“ Der Rabe flog weg. Krächzte.
Ehe der Busch wusste, wie ihm geschah, versetzte ihm der Krieger einen Kopfstoß. Der Busch stürzte. Stoffel rammte einem Assassinen sein Schwert in den Bauch, die übrigen zogen ihre Waffen. Waylander sprengte das Seil, bevor er jedoch Snaga ziehen konnte, hatte sich ein Assassine von hinten auf ihn geworfen, die Arme um seinen Hals geschlungen. Waylander ließ sich nach hinten gegen einen Baum fallen. Er hörte, wie etwas knackte. Der Angreifer lockerte seinen Griff, Waylander hieb mit dem Kopf nach hinten aus, traf. Der Mann ließ los, sackte zu Boden. Der Krieger zog die Axt. Ein Pfeil traf ihm am Arm, blieb aber nicht stecken. Stoffel war unter dem Schützen, musste sich aber nunmehr verbissen gegen zwei Assassinen verteidigen. Waylander rannte hin, Snaga kreiste und enthauptete den Bogenschützen. Dann war der Busch wieder da. Waylander und er umkreisten sich, der Assassine machte einen Ausfall, zielte auf Waylanders Lenden, der Krieger sprang zur Seite, ließ die Axt singen. Blut spratzte, als Snaga die Schulter des Busches traf. Der Mann stöhnte, ließ sein Schwert fallen. Waylanders Blick suchte Stoffel. Der hatte unterdessen den letzten Assassinen schwer in den Bauch getroffen und entwaffnet. Jetzt hielt er ihm das Schwert an den Hals. Der Busch röchelte, das Schwert in der Hand wollte er aufstehen. Der Krieger schlug zu. Waylander fuhr herum. „Nun zu dir, sag mir, wer hat euch geschickt?“ Stoffels Gefangener antwortete nicht. „Gut, wie du willst. Ich frage noch einmal, dann wirst du deinen Brüdern Gesellschaft leisten. Wer hat euch geschickt?“ Stoffel blickte Waylander in die Augen. Sein Gesicht verriet, was er dachte. Und er hatte Recht. Der blonde Krieger blickte sich um, und stiefelte zu dem Assassinen, der ihm zu Beginn auf den Rücken gesprungen war.
Er zog ihn auf die Beine, stelle ihn gegen einen Baum, nahm ihm ein Messer ab. „Dein Freund will nicht reden, vielleicht willst du mir ja etwas sagen?“ Stoffel und der gefangene Assassine konnten nichts sehen. Sie standen hinter dem Baum. Sie sahen nur Waylander, der den Mann am Kragen gepackt hatte. „Also, wie sieht es aus? Wer hat euch geschickt? Ich scherze nicht, ich schneide dir die Kehle durch, wenn du nicht antwortest.“ Doch der Mann schwieg. Waylander stach das Messer in den Hals des Assassinen. Der Mann fiel zu Boden. Stoffel stöhnte, sein Gefangener tat es ihm gleich. „So, jetzt zu dir.“ Waylander war mit drei Schritten bei dem Assassinen. „Waylander!“, Stoffels Stimme klang mehr nach einem Keuchen. „Es ist mir scheißegal, was du denkst. Die hätten weit Schlimmeres mit mir angestellt.“ Er packte sich den Gefangenen und donnerte ihm die Faust ins Gesicht. „Rede, du Sohn einer einbeinigen Hure. Wer hat euch geschickt?“ Der Mann röchelte. Waylander roch Exkremente. Leblos sank der Assassine in seinen Händen zusammen. Waylander fluchte lästerlich. „Waylander“, es war Stoffel, der ihn ansprach. „Du hast dich verändert. Der Söldner, den ich kannte, hätte nie gefoltert, hätte nie grundlos gemordet.“ Waylander ignorierte das Gezeter und fing an, die Toten zu durchsuchen. Er nahm das Gold, Tränke – alles, was er rauchen konnte. „Rede mit mir, was sollte das?“, fragte Stoffel.
Waylander untersuchte seinen Arm. Die Wunde war nicht weiter schlimm, ein Kratzer. Sie würde eine Narbe hinterlassen. Auf Waylanders Körper war sie in guter Gesellschaft. Snaga säuberte er von dem Blut an einem Kleidungsstück der Leichen. „Wir sollten sie hier wegschaffen“, sagte er zu Stoffel. „Die Wachen werden über tote Assassinen vor dem Stadttor wenig erfreut sein. Und wir haben schon genug Leute, die uns auf den Fersen sind.“ Stoffel schnaubte. „Ich gehe nirgends mit dir hin, bevor du mir nicht erklärst, was mit dir nicht stimmt. Der Waylander, den ich …“ „Ach, halt’s Maul“, entfuhr es dem Banditenhauptmann. Er stand auf, blickte Stoffel in die Augen. „Ich bin immer noch Waylander, Söldner Lees, Winterkrieger und ein Manne Nandoreans, Krieger des Windes. Wenn du dir den Typ am Baum da anschaust, wirst du feststellen, dass er schon lange tot war, bevor ich ihm das Messer in den Hals gerammt habe. Ich muss herausfinden, wer scharf auf meinen Kopf ist. Und dann, mein lieber Stoffel, werde ich diese Hetzjagd beenden. Ich weiß nicht, wo mich mein Weg hinführt. Ich gehe ihn auch alleine. Aber du hast dich heute als das entpuppt, was ich von dir erwartet habe. Als Freund.“ Waylander sog die Luft tief durch die Nase ein. „Ich verzeihe dir deinen Diebstahl. Du hast ihn wettgemacht, indem du mich aus dem Kerker und aus der Hand meiner Verfolger gerettet hast. Ich gebe dir die Hand.“ Er tat es. Stoffel ergriff sie im Kriegergruß. „Es ist mir egal, warum du es getan hast. Du schuldest mir nichts mehr, aber du schuldest den Winterkriegern etwas. Daher schlage ich vor, wir gehen nach Khorinis. Ich weiß, wo sie sind. Und vielleicht finde ich dort einen Anhaltspunkt. Es ist jedenfalls besser, als durch die Wüste zu wandern auf der Suche nach einem Mann, der bereit ist, eine Summe für meinen Kopf zu zahlen.“ Stoffel grinste: „Davon gibt es dort einige.“ „Eben“, entgegnete der Krieger. „Also, lass uns hier aufräumen und dann verschwinden.“ Sie packten die Leichen und schmissen sie in die Büsche. Dann wandten sie sich nach Osten. „Weißt du“, begann Stoffel, „ich schulde dir noch einer Erklärung.“ Waylander winkte ab. „Doch, doch. Dann ist es gesagt. Ich muss dir noch sagen, warum ich das Gold genommen habe.“ Die Nacht legte sich über die beiden Wanderer wie ein Mantel. Hinter ihnen glommen die Lichter der Stadt. Wölfe heulten. Sie hatten die Witterung aufgenommen. Kurz vor Trelis, an einer Weggabelung gut versteckt hinter Büschen wartete eine Mahlzeit.
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Den Söldnerhof hatten sie hinter sich gelassen. Iwein verkrampfte sich der Magen, sooft er daran zurückdachte. Wenn er eines mehr verachtete als Orks, so waren es Menschen, die ihr eigenes Volk verrieten um des schnöden Mammons Willen. Ausgerechnet einer von denen sollte die Helmsucher nun an das Ziel ihrer Mission führen.
»Wenn es nach mir gegangen wäre, hätten wir den Helm aus dir rausgeprügelt«, zischte Iwein während einer kurzen Rast, den Söldnerboss böse anfunkelnd. »Abschaum wie du gehört mit ausgestochenen Augen in den nächsten Fluss geworfen. Versuch nicht, hier irgendeine Scheiße abzuziehen, sonst werde ich persönlich doch noch dafür sorgen.«
»Abwarten«, brummte Gach-Lug, wie ihn Ouzo genannt hatte, und spuckte aus. Er wirkte seltsam gleichgültig und abwesend. Ein Ork unter Söldnern, hatte Ouzo gesagt. Insgeheim beschloss Iwein, das Schwein so oder so abzustechen, sobald sie den Helm in ihrem Besitz hatten.
Als Iwein von der Seite Ulrichs strengen Blick bemerkte, machte er seinem Ärger Luft. »Ganz Mittelland quillt über von verräterischem Gesocks. Bauer, Hirte, Söldner - alle gleich! Aber statt hier eine Blutspur zu hinterlassen, kleiden wir Paladine uns selbst in die Gewänder der Verräter. Keine Arbeit für unsere Klingen, verdammt.«
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Gothaberge vor Faring
Sein Weg war ein ungewöhnlicher gewesen. Vorbei an den Fronten die nach baldigen Blutvergießen rochen. Im Süden die Königstreuen die gar nicht so fern von Beria eine Brücke bewachten. Gen Montera ein größerer Vorposten der eben gegen jene die aus der Küstenregion kommen würden gegenhalten musste. Montera wo auch Nachts die Wachen mit Fackeln entlang der Mauern patrouillierten. Gotha über das der Druide von hoch oben herab blickte und zusah wie sich seit seinem letzten Besuch die Besatzung verdoppelt hatte.
Es stimmte also, dass sich Faring und Montera bekriegten und eine große Schlacht unausweichlich war.
Ornlu blickte nun mehr fast am Fusse der Gothabrge gen Faring. Eine Bastion für wahr und sein Ziel. Ewig war es her, dass er dort lediglich vor den Mauern stand. Und nun wartete der Druide darauf, dass sein Bote jenen holt den er suchte.
Ornlu hatte Wroc dank seiner Kräfte entsandt. Der Schildrabe sollte Lugdrub suchen, finden und hierher führen. Einfach war es dem Schildraben zu vermitteln wen er da suchte, hatte auch der Rabenvogel einen Ork noch nie so nah bei Ornlu wahrgenommen.
Der Hetzer setzte sich auf einen Baumstamm in Erwartung baldigen Besuches.
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Déjà Vu
Ohne weiter über seine Taten nachzudenken stürmte Orthego mit erhobenem Schwert auf einen der orkischen Besatzer zu, der Geistergestalt direkt in die leeren Augen blickend. Auch der Ork hatte den Menschen bereits erfasst und raste brüllend auf ihn zu. Die Klingen kreuzten sich beinahe, doch an Stelle eines klirrenden Aufpralls, löste sich der Ork bei Berührung in nebligen Schwaden auf und war verschwunden. Doch Orthego überraschte in dieser Welt nun nichts mehr. Als wäre nichts geschehen, setzte der Waldläufer seinen Weg fort, rannte auf’s brennende Silden zu, obgleich ein Teil von ihm zu wissen schien, dass dies alles nicht real war. Nur ein Traum, nur eine Illusion, erschaffen von den Mächten, die die Eiche freigesetzt hatte…
Ein weiteres Ungetüm stürzte sich begleitet von wildem Kampfgeschrei, das im Dschungel widerhallte, auf Orthego, doch kaum bekam der Ork die Runenklinge zu spüren, verschwand auch er im Nichts. Die Masse der Angreifer schien unendlich, ohne Unterlass stürmte aus irgendeiner Gasse ein weiteres Monster auf den Waldläufer, um ihn zu Fall zu bringen, als ahnten die Orks nicht, dass all‘ ihre Anstrengungen umsonst waren. Als wüssten sie nicht, dass sie nur Phantome waren. Doch auch Orthego hatte sich in dieser Geisterwelt verloren, besessen von nur einem Ziel. Wutentbrannt kämpfte sich der Krieger durch die Straßen Sildens, auf der Suche nach einer besonderen, kleinen Hütte mit wackeligem Vorbau. Auf der Suche nach seinem Elternhaus. Vor Jahren hatte er bereits zugelassen, dass Mutter und Vater dem Chaos des Kampfgetümmels zum Opfer fielen. Doch heute nicht. Er würde sie retten. Er musste sie retten.
Deswegen bin ich hier. Das ist mein Schicksal. Man gab mir eine zweite Chance! Eine Chance, alles zu ändern! Ein anderes Leben zu führen!
Doch es war nur ein Hirngespinst. Eine Wahnvorstellung, entstanden in dieser Parallelwelt, die für den menschlichen Geist eine große Herausforderung sein konnte. Wer nicht Acht gab, verlor sich schnell zwischen Geistern und Phantomen und gab sich einer Lüge hin, wie schön sie auch war.
Doch da war sie nun endlich, diese baufällige Hütte und sie stand in Flammen. Erfüllt von Entschlossenheit und wilder Einsatzbereitschaft stürmte Orthego hinein, doch er fand nichts vor. Nur die Spuren von Chaos und Verwüstung verunstalteten das einst gemütliche Heim. Panisch hetzte Orthego hinaus… Und da standen sie. Inmitten von sich bekriegenden Orks und Waldläufern stand da einfach ein älteres Ehepaar, und als wäre nichts gewesen, als merkten sie nichts um sich herum standen sie einfach da, Hand in Hand, und lächelten und winkten ihrem Sohn zu. Mit offenem Munde blieb Orthego stehen und verharrte in diesem Augenblick. Der Lärm der Schlacht wurde dumpfer, die Figuren verschwammen zu bleichen Silhouetten. Doch was war das? Hinter seiner Mutter und seinem Vater tauchte eine weitere Gestalt auf. Schon aus der Ferne erkannte Orthego das brutale Grinsen des orkischen Kriegers, wie er mit erhobener Klinge auf die Eltern des Waldläufers zustürmte. Orthego schrie, versuchte zu warnen, rief ihnen zu, sie sollen sich gefälligst umsehen und aus dem Weg gehen, doch sie schienen ihn nicht wahrzunehmen. Sie standen einfach nur da, winkten und lächelten. Die Frau lehnte an die Schulter des Mannes.
Orthego rannte los. Der Lärm des Schlachtfeldes war nun ganz verstummt, nur die schweren Stiefel des Orks waren dumpf zu hören. Nur noch wenige Schritte, dann könnte er sie retten! Dann wäre all‘ dies vorbei! Doch es sollte nicht sein. Ranken und Wurzeln schossen plötzlich aus dem Boden, wickelten sich um Orthegos Knöchel und ketteten seine Arme an den Boden. Wie er auch zerrte und riss, er kam nicht vom Fleck, konnte sich nicht loslösen. Er wollte schreien, doch er brachte keinen Ton heraus, als hätte er es verlernt. Tatenlos sah er zu, wie sich der Ork seinen Eltern immer weiter näherte, wie er ausholte, wie er zuschlug. Doch sie lösten sich nicht einfach so im Nebel auf, wie es die anderen Figuren getan hatten, nein, sie litten am Schmerz. Langsam erstickte der Vater am eigenen Blut. Um Orthego herum wurde es erneut schwarz.
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Silden - Astralebene Eichenhain
Langsam, fast zögerlich öffnete Gwydion die Augen, nachdem der Schatten ihn irgendwo hatte fallen lassen. Er wandte den Kopf zur einen, dann zur anderen Seite. Was er sah, waren Trümmer. Der Geruch von verbranntem Holz... und verbranntem Fleisch lag in der Luft. Der Geruch von Blut. Irgendwo hörte er das Klirren von Klingen, die aufeinander schlugen. Das Grölen von Orks. Er blinzelte. Vor ihm sah er eine junge Frau in einer Lache aus Blut liegen. Sie hatte blondes Haar und trug die Kleidung einer Initiantin des Wassers... Isabel. Jharkendar...
Mit zitternden Beinen richtete Gwydion sich auf und sah sich um. Dies war, was er einst sein Heim genannt hatte. Dies war die Zuflucht, die er nach seiner langen, rastlosen Reise gefunden hatte. Dies war der erste Ort gewesen, an dem sein Geist endlich einmal zur Ruhe gekommen war. Und er war zerstört worden. Er blickte wieder zu Boden, wo er erwartete, dass Isabel liegen würde, doch sie war verschwunden. Gwydion blickte wieder auf und ging weiter.
Die Trümmer veränderten sich. Für einen Augenblick wurde ihm wieder eine heile Welt vorgegaukelt. Silden, als kleines Dorf, friedlich, im Begriff zu wachsen. Er sah den Mann, der vor vielen Leben sein Vater gewesen war... er erblickte die Mutter, die er einst gehabt hatte. Und wie er weiter ging durch diese seltsame Traumwelt, umso größer wurde Silden, die Gesichter veränderten sich, die Zeit, die Silden durchlebt hatten rauschte vorbei, er beobachtete die Entwicklung, die es in vielen Generationen durchgemacht hatte im Zeitraffer, schließlich stand er in jenem Silden, dass er in diesem Leben gekannt hatte, eine blühende Gemeinschaft.
Mit dem nächsten Schritt kam wieder der Geruch nach Rauch. Schmerzensschreie drangen an sein Ohr, Jammern, Weinen. Ein dunkler Schatten legte sich über das Dorf. Über seine eigentliche Heimat. Der Ursprung seiner Seele und seines Blutes. Schweigend stand er in einer Menge aus Menschen, Traumgestalten, Phantome nur, die versuchten zu fliehen, Kinder an den Händen, die weinten. Er erlebte den Untergang Sildens, zu dem er selbst nicht dabei gewesen war, noch einmal mit. Tränen rannen an seiner Wange hinunter.
„Du hast kein Heim...“, flüsterte eine Stimme leise, „...du bist nirgends zuhause...“
Gwydion senkte den Blick auf den Boden, der getränkt war von Blut. Schweigend stapfte er weiter und stieß auf eine kleine Hand. Er folgte ihr den dazugehörigen Arm hinauf, bis zu dem Gesicht eines kleinen Jungen. Seine Haare waren dunkel und zerzaust, die Augen starrten leer und gebrochen ins Blätterdach. In seiner Hand hielt er ein Stofftier... ein kleiner, weißer Hirsch.
„NEIN!“, Gwydion fiel neben dem Kind auf die Knie und hob den Kleinen hoch.
Er betrachtete sein bleiches Gesicht, als er ihn in den Armen hielt und drückte ihn fest an sich.
„Nein!“, Gwydion blickte auf, „Das ist eine Lüge! Er ist nicht tot!“
Ein grauenhaftes Lachen hallte im Wald wider. Grausam, schadenfroh, durchdringend. Es ließ Gwydion das Blut in den Adern gefrieren.
„Du hast kein Heim! Keine Familie!“, höhnte die Stimme, „Keine echten Freunde. Nirgends mehr, wo du hin gehörst! Dein Schicksal ist es einsam zu leben und zu sterben. Dein Frau ist verschwunden. Dein geliebtes Silden ist verblüht. Deinen Sohn wirst du nie finden. Und der Herr des Waldes...“
Die Stimme beendete den Satz nicht, brach nur wieder in höhnisches Lachen aus.
Der kleine Junge in Gwydions Armen schien plötzlich zu zerfließen, wandelte sich in weißes Asche und Staub, die ein plötzlich aufkommender Windhauch weg trug in die Dunkelheit. Der junge Druide blieb auf dem Boden knien, in sich gesunken, die Hände zu Fäusten geballt. Nein, er durfte der Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit, die ihm diese Stimme ins Ohr träufeln wollte, nicht nachgeben. Wenn er das tat, war er verloren. Er rappelte sich wieder auf und stapfte weiter. Seine Ohren versuchten die Stimme zu ignorieren, die immer weiter gehässig auf ihn ein redete.
Schließlich tat er das einzige, das ihm spontan dagegen einfiel: er sang gegen sie an.
Mit lauter, kräftiger Stimme, wie er es damals gelernt hatte, als er rastlos umher wanderte und als Barde sich sein Brot verdiente, sang er gegen die Dunkelheit an, gegen die Schatten, gegen die Stimme, die ihm böse zuflüsterte. Immer lauter wurde seine Stimme, bis er schließlich fast grölte, in der Hoffnung die anderen würden ihn hören, wenn sie selbst gegen die Einflüsterungen der Schatten ankämpfen mussten und erwachen aus dem Alptraum, um seiner Stimme zu folgen.
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Wie ein gleißend heller Sonnenstrahl Licht ins Dunkel bringt, durchdrang diese Melodie alles. Sie brachte die Lichtschwaden durcheinander, die sich in ihren Bewegungen nun in Chaos und Synchronie und Ordnung abwechselten, sie brachte Leben dorthin, wo man keins mehr vermuten würde. Die Melodie war alles. Sie bekämpfte die Hoffnungslosigkeit, sie vertrieb Alptraum und Tod, doch war sie ebenfalls voller Verzweiflung und voller Wut. Gleich einer tödlich geschärften Klinge schnitt sie durch die Gesamte Welt und verjagte jeden Schatten, während sie einen Ruf ausstieß. Sie rief nach dem Leben, sie rief nach der Hoffnung sie brachte einen zurück in die Wirklichkeit und sie war wie ein Schild gegen Mächte, die einem den Verstand rauben mochten.
Und Orthego hörte diese Melodie und sie erfüllte ihn. In der Dunkelheit zeichneten sich plötzlich wieder Konturen ab, die klar erkennbar waren. Nichts war mehr übrig vom Wirrwarr, das ihm die Eiche vorgegaukelt hatte. Da erkannte Orthego seinen Fehler. Wie hatte er sich nur so täuschen lassen können? Wie hat diese Macht an seine so tief schlummernden Gefühle herankommen können? Er wusste es nicht. Doch umso mehr Respekt hatte er nun vor diesem unbekannten Feind.
Immer noch ausgelaugt von den Ereignissen richtete sich der Waldläufer schwer atmend auf, griff nach dem Schwert und stolperte vorwärts, stets der Melodie entgegen, stets der kraft spendenden Musik folgend.
Da plötzlich kam einer der leuchtenden Fäden herangeflogen. Er umkreiste Orthego, schien mit ihm zu spielen, ehe er vor ihm anhielt und verpuffte, nur um Augenblicke später in Gestalt der Nymphe aufzutauchen. Manadh.
„Na, hast du mich vermisst?“
Vor Erstaunen verlor Orthego kurzzeitig die Sprache.
„Was..Wie kommst du hierhin?“
„Du weißt doch, ich bin ein Teil dieser Welt. Ich bin hier daheim, auch wenn es nicht mehr das gleiche ist, nachdem die Eiche außer Kontrolle geraten ist. Hier werden mich auch deine Gefährten sehen können, überleg dir schon mal, was du ihnen erzählst.“ Und sie blinzelte ihm zu.
„Manadh, was habe ich eben erlebt? Es war… So real, und obwohl ich wusste, dass es nicht sein kann, gab ich mich hin…“
„Hier sind Kräfte am Werk, vor denen selbst ich mich fürchte, Orthego. Kräfte, die den Geist eines Mannes so verwirren und zerstören können, dass er den Verstand verliert und nicht mehr zwischen Gut und Böse, zwischen Traum und Wirklichkeit unterscheiden kann. Deine tiefsten Ängste werden ausgegraben und dir auf die schlimmste Art und Weise vor Augen geführt. Aber du hast dich gut geschlagen, hast nicht aufgegeben. Hoffen wir, dass es deinen Freunden nicht schlimmer ergangen ist.“
„Hoffen wir es…“
Mit der Nymphe an der Seite setzte Orthego seinen Weg fort, immer tiefer in den Dschungel hinein, begleitet von der magischen Melodie.
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Gothaberge vor Faring
Es raschelte. Kalter Wind kam auf und Wrocs Flügelschläge erklangen. Krächzend schien er wie ein Bote zu berichten, als er vor Ornlu landete der mittlerweile jemand weiteren getroffen hatte. Zwei Warge von denen der Druide heraus fand wo deren Rudel sich zurück gezogen hatte, seitdem die Orks aggressiver vorgingen. Ornlus magische Geste mit der Hand minderte das Knurren der beiden Warge und brachte sie dazu sich hin zu setzen.
Ornlu erhob sich, drückte sein Sumpfkraut aus und steckte es wieder in den Beutel und blickte in die Büsche, die den großen, massigen Gestalten weichen mussten.
Lugdrub erschien. Unverwechselbar waren diese goldenen Augen des Orks. In Begleitung hatte er aber scheinbar ein Orkweib, das Ornlu für ein paar Augenblicke genauer anstarrte. Ein Orkweib hatte er noch nie so aus der Nähe betrachten können, geschweige ihr in die Augen blicken. Ob sie da unten auch so gebaut waren? Was verstanden Orks unter Liebe und Zärtlichkeit? Und wie fühlten sich Orkweibbrüste an? Hart wie Muskelfleisch? - Fragen die momentan nicht beantwortet werden konnten.
Des Hetzers Blick fuhr zu Lugdrub, als auch das Orkweib mit zischenden Fluch zu ihm sprach. Ob sie etwas missverstand?
Ornlu ergriff die Initiative.
"Bewahre! Der Hetzer hat Beute gemacht und ist bereit für das was du versprochen hast, Lugdrub.", grüßte er und hielt den ledernen Sack hoch, bevor er diesen Lugdrub zuwarf.
"Prüfe es...jede Trophäe habe ich mir verdient...", meinte der Druide und knurrte einen Warg an, als dieser sich knurrend erhob. Der Warg nahm wieder Platz.
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„Bewahre, Hetzer“, antwortete Lugdrub und benutzte dabei jenes Wort, welches für das Waldvolk eine Art Begrüßungsformel darstellte. Er verbeugte sich leicht, nicht zu überschwänglich, nicht zu lässig, war es doch eine bedeutende Sache, in die sie so langsam gerieten.
„Zeig mir die Trophäen, Jadewolf“, ordnete der Schamane an. Der Druide nickte nur, breitete die Bestandteile der Standarte aus, legte sie vorsichtig auf den felsigen Boden dieser Gegend, sah den Diener des Schöpfers fragend an.
„Das Horn eines Schattenläufers“, sprach er langsam, „Die Zunge einer Feuerechse, die bei euch Menschen Waran genannt wird. Die Hauer eines Trolles, angeblich Artverwandte meiner Rasse. Und die Zähne des Sumpfhais, des Wahrzeichens alter Sekten und Religionen.“
Der Ork lächelte, fuhr mit dem Finger über das Horn des Schattenläufers, erinnerte sich lebhaft an die Jagd zurück, die vor knapp einem Jahr in Nordmar stattgefunden hatte, an deren Ende ein weißer Schattenläufer erlegt worden war.
Das waren noch Zeiten. Kushluk mein Meister, ich sein ergebener Schüler.
„Erzähl’ mir, wie hast du es bewerkstelligt?“
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Auch in der Nacht war Bartimäus noch am See gestanden. In der Dunkelheit fiel es ihm leichter seinen Blick auf der Weidenrute ruhen zu lassen, gab es ja viel weniger zu sehen. Den Sternenhimmel hätte er betrachten können oder die Umrisse der Wälder, doch übte beides viel weniger Versuchung aus, als am Tag.
Für die Ohren gab es aber selbst in der Nacht einiges wahrzunehmen. Es waren andere Geräusche als untertags, was dazu führte, dass es nicht weniger interessant war, wie die Stunden zuvor. Die Singvögel hatten ihre Lieder zwar beendet, doch stattdessen konnte man das Geschrei von Eulen und anderen nachtaktiven Vögeln hören, die in größeren Abständen durch den Wald schallten. Somit war es zwar insgesamt ruhiger, aber Wind und See waren natürlich zu jeder Tageszeit zu hören. Einmal hatte man, zu Bartimäus Beruhigung, in einiger Entfernung das Geheul eines Wolfes gehört und kurz danach die Antwort eines anderen, aber zu seiner Position am See hatte es kein wildes Tier verschlagen.
Nach einiger Zeit wurde der Wächter dann aber doch von der Müdigkeit erfasst und er legte sich schlafen um am nächsten Tag, das ganze zu wiederholen.
Sein zweiter Morgen war es jetzt schon am See und langsam merkte er die Unruhe in ihm aufkeimen und damit gelangen auch Fragen in seinen Kopf. Wie lange würde er das noch machen müssen? Was würde Athron sagen? Was würde er als nächstes von ihm verlangen? Und dann auch noch allgemeine Fragen, die mit seiner aktuellen Situation wenig bis gar nichts zu tun hatten. Warum täuschte Dekker seinen eigenen Tod vor? Wofür brauchte er all diese Sachen, die Bartimäus für ihn besorgen sollte? Und schließlich drifteten seine Gedanken komplett ab. Er dachte an Alon, den er schon so lange nicht mehr gesehen hatte, an Cécilia, mit der er längere Zeit auch schon keinen Kontakt mehr hatte und an seine Mitbewohner. Ob sie sich wundern würden, wo er die ganze Zeit war? Oder ob sie etwas in der Höhle veränderten?
Zwischendurch konzentrierte er sich auch wieder auf seine Eindrücke, musste aber feststellen, dass sie nicht sehr unterschiedlich waren wie am Tag zuvor, aber immerhin hatte er jetzt keine Probleme seine Augen auf der Rute zu belassen.
Und so verfolgte er abwechselnd Geschehnisse in seiner Umgebung, oder grübelte über Fragen in seinem inneren, stellte sich vor, wie es seinen Freunden gerade ergehen könnte und wusste gleichzeitig, dass seine Vorstellungen nichts mit der Realität zu tun haben mussten.
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Den ganzen Weg über hatte Proya Mühe gehabt mit ihrem Lehrmeister Schritt zu halten, da er einen forschen Gang angeschlagen hatte. Der Rabe hatte sich wieder entfernt, noch ehe sie die Tore Farings erreicht hatten.
Alsbald hatte die junge Orkin bemerkt, wo genau Lugdrub sie hinführte: Gotha. Die verfluchte Burgruine war zum neuen Stützpunkt ihres Clans geworden und wurde nach wie vor von den Hladak bewacht – bis in den Tod.
Der vernarbte Schamane eilte voraus und sein Blick verriet, dass etwas äußerst Wichtiges bevorstand. Die Wälder, welche den Beginn des Gebietes von Gotha bildeten, ragten zu ihren Seiten auf und warfen Schatten über den ansonsten sonnigen Tag. Angenehm strich die Kühle über das Gesicht der angehenden Schamanin und ihre Instinkte erwachten bei den wilden Geräuschen, welche aus dem Dickicht drangen. Gänsehaut zog sich unter ihrem Fell entlang und die Magie wehte durch ihren Körper.
Gerüche drangen in ihre Nase, bekannte, unbekannte, ähnliche und unterschiedliche. Sie differenzierte, schmeckte heraus, welche zu den Orks gehörten, die in Gotha stationiert waren, filterte die Gerüche der Bäume und Blätter, entdeckte die Vielzahl der hier lebenden Tiere und stieß überraschender Weise auf einen ihr bekannten Geruch. Der schwarze Vogel aus Faring war hier lang gekommen. Sie konnte nicht sagen, ob er in der Nähe, doch war er sicher diese Route geflogen. Doch ein anderer Geruch drang sich ihr auf, der alle anderen beißend zu vertreiben schien. Es war ein seltsamer Eindruck, unmissverständlich menschlich und doch animalisch, wie der eines Wolfes. Aber gemischt mit den Düften des Waldes, vereinte sich diese Kreatur zu einer Note, die Proya nicht genau zu beschreiben vermochte.
Normalerweise fiel es ihr leicht Gerüche zu beschreiben, da sie als Köchin nicht nur auf das äußere der Zutaten achten musste. Aber in diesem Fall blieb ihr nichts anderes übrig, als abzuwarten.
Die beiden Orks bogen um eine der letzten Kurve, bevor sie Gotha erreichen würden.
Schlagartig blieb die junge Lernende stehen, duckte sich kampfbereit und fletschte die Zähne wie ein wildes Tier.
„Naga Morra! Was hat dieser Wurm hier verloren?“, fluchte die junge Orkin.
Doch Lugdrub beachtete sie nicht und ließ sich stattdessen einen Beutel von dem Menschen geben, den er öffnete und verschiedene Dinge hervorholte. Erst, als alles vor ihr ausgebreitet lag, erkannte Proya den Zweck dieser Tiertrophäen und wurde zornig.
„Was im Namen des Schöpfers soll das hier werden, Lugdrub?“, verlangte sie zischend zu wissen.
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"Nicht über den Pfad der den Narren vorbehalten ist.", antwortete Ornlu trocken und setzte sich, um sich sein Sumpfkraut zu entzünden.
"...sondern den Pfad des Schicksals. Ich jagte nicht bewusst jene Wesen. Ich wäre unwürdig als Erwählter der Natur und Jäger von Ehre, nur der Trophäen halber und der Gunst der Orks wegen zu töten...", meinte der Druide und zeigte auf die Flammenzunge des Warans.
"Varant vor einem Winter. Im Süden dieses Landes. Es war eine Nacht in der sich die Geister der Natur stritten. Die große Echse rief und sie kamen. Sie jagten den Vater der Raben, doch sie scheiterten an mir und meinen Begleitern. Ich erlegte die Feuerechse mit der Kraft der Natur. Holz vernichtet Feuer - seltsam nicht wahr? Wroc ist seither mein treuer Begleiter...sein Vater entsandte ihn zu mir, um mir zu danken.", erzählte Ornlu und zeigte auf den Schildraben. Dann wandte sich sein Blick zu den Trollhauern.
"Das Schicksal meinte es gut mit mir. Und diese Welt ist so groß, dass wir niemals ergründen können welch Geheimnisse sich in ihr noch verbergen. Es war in diesem Winter. Trommelklänge im Norden der Sildenwälder. Keine Orks, sondern Gobbos. Die Nacht wurde zum Tage. Blaue Flammen fackelten angeheizt durch ihre Schamanen. Hunderte waren sie. Und sie sangen, sie tanzten, sie beteten und sie trieben es wild und unbekümmert. Sie geleiteten einen alten Troll und schienen ihn zu lenken, bevor er durch die Schamane starb. In blauen Flammen starb er und wurde als großes Opfer der Gobbos gefeiert. Es war ein Anblick den man im Leben nicht vergisst oder gar nur einmal mit Glück zu Gesicht bekommt. Die Umstände erforderten dann, dass ich den Kampf gegen jene Hunderte aufnehme, denn sie hatten meine Schülerin in ihrer Gewalt. Auf den Knochen des Trolls erwachten die Mächte der Natur und gaben dem Troll ein zweites Leben. Die Gobbos erschauerten und erzitterten, als der Troll sich von grünen Ranken erhob und seine Fäuste wüteten... - irritiert und voller Angst liefen sie davon und was blieb war meine Schülerin, ich und jenes Trollskelett das du finden wirst, wenn du nach einem Baum suchst aus dem ein Troll ragt. Die Hauer nahm ich an mich...", erinnerte sich der Jäger und gönnte sich einen Zug vom Sumpfkraut.
"Das Horn des Schattenläufers... - im Hain des Blutes hatten sich Spinnen eingenistet. Von dunkler Herkunft waren sie und ihre Mutter hatte meinem Volk schon sehr geschadet. Überall waren sie. Waren groß wie Ratten, wie Ziegen wie Rinder. Mit meinem Rudel bekämpfte ich sie und erlöste den Hain des Blutes, den Hain der Wölfe von der Spinnenbrut..." - Ornlu krempelte seinen Ärmel hoch und zeigte die Bisswunde einer Spinne. - "...ich besiegte jene die einen jungen Schattenläufer bezwungen hatten und noch viele mehr so schöne Wesen. Sein Horn war mir bestimmt als ich über das Skelett im Hain fiel.", meinte Ornlu schulterzuckend und lächelte leicht.
"Der Zahn des Sumpfhais - es war vor zwei Nächten. Mein Rudel und ich suchten die Brüder aus den Sildenwäldern und fanden sie gefangen im Moor in den südwestlichen Wäldern Sildens. Auf Bäumen waren sie und unter ihnen viele Sumpfhaie. Wir griffen an, lockten die Sumpfhaie weg, damit unsere Brüder entkommen konnten. Jener der mich dann in das tiefere Moor verfolgte, fand auch durch mich sein Ende. Ein einfacher Jagddolch und das Wissen des Jägers waren mein Glück. Denn in selber Nacht hätte ich auch in einem Augenblick den Tod finden können. - Du hörst meine Trophäen waren mir durch die Götter bestimmt. Mein Schicksal führte eins zum anderen. Wohin es mich noch führen wird weiß ich nicht, aber dieses Leben ist noch lang - das spüre ich. Ein Narr ist der, der denkt alleine jene Wesen zu jagen. Einen Troll, einen Schattenläufer, einen Feuerwaran, einen Sumpfhai - jene fordert man nicht einfach so zum Kampf. Sie machen es und nur der wahre Jäger besteht sie.", sinnierte der Druide und hatte sein Sumpfkaut fertig geraucht, ehe er einen der Warge über das schwarz-grau getigerte Fell streichelte.
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Posten vor Gotha
Mit lautem Gebrüll und Jubel passierten die Knochenjäger die Palisade und betraten das Lager um den Wachturm vor Gotha. Gorbag stapfte gemeinsam mit den anderen Elitekriegern an der Spitze des feiernden Trupps. In beiden Pranken hielt der über und über mit Blut beschmierte Gorbag je den Schädel eines Morras und streckte sie hoch in die Luft. Jeder im Lager sollte sehen, wie erfolgreich der Streifzug der Shaks gewesen war.
Das Aufeinandertreffen mit den Söldnern aus Montera war zu einem großen Sieg der Knochenjäger geworden und ein weiteres Scharmützel war zu Gunsten des Krushak-Clans entschieden worden. Vareks Horde war wieder um einige Hampelmänner ärmer geworden. Die Schädel der besiegten Feinde würden im Lager aufgestellt werden und zumindest schon einmal einen kleinen Stapel ergeben. Kein schlechter Anfang...
" Gut gekämpft, Shaks! Schürrt die Feuer, holt die Trommeln und holt den Schnaps raus! Heute Abend wird der Sieg gefeiert. Wir singen die ganze Nacht, sodass Varek in seiner Kammer in Montera kein Auge zukriegt!" Rief Gorbag aus voller Kehle und warf die beiden Morraschädel in die Luft, sodass die Krieger vor ihm mit nassem Blut bespritzt wurden. Freudig und mit größter Inbrunst erwiderten die Shaks das Gebrüll. Wie von Gorbag angeordnet wurden Trommeln hergeschleppt. Die Knochenjäger entzündeten Lagerfeuer nahe dem Palisadenabschnitt zwischen dem Eingang, der nach Montera zeigte, und dem Pfad hoch zur Untotenburg. Auch die Toten sollten hören, wie die Shaks ihre Siege feierten!
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„Schweig, Proya“
Lugdrub drehte sich um, funkelte die Orkin an, sprach rasch einige, orkische Worte, deren Inhalt kurz und klar war. „Was hier vorgeht, hat dich erst zu interessieren, wenn ich es dir erlaube. Solange ich dich also nicht auffordere zu sprechen, hältst du den Mund!“
Die Lernende zog den Kopf ein, sah noch einmal auf, funkelte ihn an, schwieg aber. Lugdrub lauschte indes der Erzählung des Druiden. Interessiert, Einzelheiten aufnehmend, hoffend, ein Bild von diesem Waldvolk machen zu können.
„Wahrlich, Jadewolf, in deiner Brust schlägt das Herz eines Kriegers, selbst wenn du nicht mit dem Pach sondern mit der Kraft der Natur kämpfst. Ich wiederhole zwar, sage aber gerne wieder, dass du in einen falschen Körper geboren wurdest. Als Ork wärest du … einer der Mächtigsten der Mächtigen, ein Schamanenmeister, ein grash-varrag.“
Der Ork setzte sich dar nieder in den Schneidersitz, es schien als wollte er meditieren. Eher noch wollte er die Stimmung auflockern, griff in die Tasche seiner Robe und zog einen kleinen aber ansehnlichen Knochen hervor, hielt ihn einem der Warge hin. Das Tier trat einen Schritt näher, schnüffelte an daran, schnappte ihn sich weg und brachte ihn auf Distanz zwischen dem Mensch und den Orks. Lugdrub lächelte.
„Wunderbare Tiere. Keine Frage, warum mein Volk sie zähmt.“ Das Lächeln verschwand, das Narbengesicht wurde ernster. „Aber nun, Ornlu vom Waldvolk, kümmern wir uns um wichtigere Angelegenheiten. Das Ulu-Mulu. Weißt du, wir brauchen einen Ort spiritueller Kraft. Und damit meine ich keinen Ort, an dem sich die Magier der Menschen herumtreiben, die das Wasser oder Feuer bändigen, sondern einen, an dem Seelen zusammenfließen, die unseren Völkern entstammen, ein Ort der Geister und der Natur, ein Ort, der die einzige Verbindung zwischen Druiden und Schamanen ist.“
Der Schamane beugte sich vor.
„Sag’, Jadewolf, kennst du die Sage von Gashlan dem Einsiedler?“
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Silden - Astralebene
Wo Licht ist, ist auch Schatten, so hieß es. Doch wo war das Licht? Seltsamerweise spürte der Seher das Licht in Form einer Stimme. Eine, die leise zu ihm wehte, doch kraftvoll, so wie ein geflüstertes Wort manchmal einen Haufen Goblins zur Ruhe bringen konnte. Woher kam dieser Gesang, der Hoffnung in sein Herz brachte und dem traurigen Gesicht ein Lächeln entlocken konnte? Er erinnerte ihn an jene Nacht, als Gwydion, Rhys und Vivian am See sangen und die Herrin einluden. Ja, dieser Gesang war eben jenem so ähnlich. War es Gwydion, der da sang, oder Rhys? Einerlei, er musste der Stimme folgen!
Ein Laut durchschnitt die Luft, übertönte für eine Sekunde den Gesang und ebbte wieder ab, nur um kurz darauf wieder zu ertönen. Es klang wie das Zerreisen von Papier, als würde eine Klinge schnell durch die Luft geschwungen werden oder viel mehr wie das kraftvolle Schlagen von riesig anmutenden Flügeln. Es wurde schnell lauter, bis Geräusch verklang.
Du bist nicht alleine. Du hast nicht versagt. Es war eine Stimme, die nun zu ihm sprach, und doch wieder keine. Keine Worte, sondern Empfindungen. Adrastos wusste, wer das war, auch wenn er die Gestalt nicht sehen konnte. „Ynnead.“ flüsterte er und senkte leicht den Kopf. Dabei merkte er, wie unter seiner Tunika der Druidenstein schwach leuchtete.
Ich bin gekommen um dich an dein Schicksal zu erinnern, Druide. Das deine ist an das unsere gebunden, mit den Ketten der Ehre aneinander geschmiedet, unser Schicksal ist eins. Du musst der Stimme folgen und wieder in die Wirklichkeit zurückkehren, ehe es zu spät ist. Du musst deinen Pfad finden und akzeptieren, was du bist. Ein Druide und Sohn der Falken. Ich gab dir diesen Druidenstab und doch nennst du dich selbst ‚Seher’, nicht erkennend, was du bist. Höre meine Worte. Erkenne sie. Und folge der Stimme.
Ohne ein weiteres Wort schwoll der Lärm der schlagenden Flügel wieder ab und ließen Adrastos überwältigt allein. Eine Weile blieb er stehen, dann folgte er dem Gesang, während er über die Worte Ynneads nachdachte.
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Gothaberge vor Faring
"Sowas habe ich mir gedacht...", meinte Ornlu trocken und erhob sich.
"Dann werden wir so einen Ort aufsuchen müssen, nicht wahr?", fragte er und blickte gen Gothaberge.
"Dort oben, thronend über Myrtana und Gotha befindet sich ein alter Steinkreis. Auf meiner Reise hierher kam ich vorbei und oh Wunder - ich dachte mir schon was dazu. Nun wir haben wohl einen Weg, hmm?", meinte der Druide und ging vor. Als er die Hand hob und seine Augen magisch aufflackerten, erhoben sich die Warge und folgten.
"Erzählt mir von der Sage dieses Gashlans? Und wer ist diese...Orkin bei dir? Sie blickt mich an wie ein wildes Tier, dass gejagt werden möchte...", meinte der Druide und funkelte die Orkin kurz an, bevor er neben Lugdrub lief und die Warge vor ihnen.
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Irgendwo zwschen Silden und Beria
»Du hast mir immer noch nicht verraten was in diesem Buch drin steht und warum es so wichtig war dass wir uns dafür in den Unterschlupf der Banditen begeben mussten.« Fragte Samorin lauernd Remus. Er hatte einige blaue Flecken und ein Dolch hatte seinen linken Arm erwischt. Remus hatte die Wunde bereits gereinigt und versorgt, doch es tat immer noch höllisch weh. Über zwei Monate hatten sie diese Banditen verfolgt. Eine Zeit in der es wie Samorin eben erfahren hatte, Silden zerstört wurde und die Waldläufer weiter ins Innland gezogen waren.
Jetzt wanderten sie ruhig, nur flüsternd eine Straße entlang.
»Tut mir leid aber ich darf es dir nicht verraten. Sie haben es untersagt.« wehrte Remus ab. » Wer zum Teufel sind >sie< ? du hast mir immer wieder von ihnen erzählt aber nie wer sie sind oder was sie tun. Ich habe inzwischen einiges für sie getan habe ich dann nicht das Recht darauf zu erfahren wer sie sind? « fragte Samorin fordernd. » Tut mir leid. Ich habe dir eigentlich schon zu viel über sie verraten. Vielleicht hast du es nicht gemerkt aber du weißt mehr als ihnen und mir lieb ist. Wenn du noch mehr wüsstest ohne dass du bereits zu uns gehört müsste ich dich umbringen.« Samorin sah dem Grauhaarigen in die Augen, darin war kein Zeichen einer Lüge zu erkennen. Obwohl Samorin sich selbst nicht mehr traute seit Schatten ihn verraten hatte, nahm er an dass Remus die Wahrheit sprach. »Und wenn ich beitreten wollte?« »Willst du nicht!« erwiderte Remus in einem Strengen Ton. So dass er mehr nach einem Vater denn einem Mentor klang .Den nach alledem was passiert war betrachtete Samorin den Grauhaarigen als solchen. »Du willst nicht beitreten, glaube mir. Du könntest es nicht mit dir vereinbaren für sie zu arbeiten. Noch nicht. Ich gebe dir einen Rat. Übe ich in geduld und eines Tages wirst du die Antworten finden. zu viel Information ist momentan lebensgefährlich für dich. Was auch immer kommt erzähle niemandem von ihnen und was wir für sie tun mussten.« Drang Remus weiter auf ihn ein. »Ja ja. Lass mich raten du bist gleich wieder weg und ich muss allein sehen wie ich die anderen Waldläufer finde.« Doch das ging ins Leere, denn von Remus war nirgends etwas zu sehen. »Verdammt noch mal, mir stehts bis hier. Kannst du nicht wenigstens, sagen dass du gehst. Früher kam immerhin ne Vorwarnung! « Brüllte der Pirscher in Rage. Doch als Antwort kam nur das seltsam beruhigende Rascheln der Blätter die vom kalten Wind durchgeschüttelt wurden. Samorin atmete Tief ein und marschierte vom Weg in den Wald. Wo er hoffte bald jemanden zu finden der ihn zu den anderen Waldläufern führen konnte.
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