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    Deus Avatar von Sir Ewek Emelot
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    Post [Story]Im Zeichen der Venus

    Venusfalle



    Sie sog die Luft ein, als seine Hand ihren Bauch berührte, erbebte leicht, und die glatte Haut wich vor der Berührung zurück: Seine Hände waren noch kalt. Langsam glitten die kühlen Finger nach oben, strichen sanft über ihren Körper, und entlockten ihm Schauer der Kälte wie auch der Lust. Sie öffnete die Augen, betrachtete das Gesicht, das auf sie herabblickte: Die strahlend grünen Augen, den Schwung seiner Brauen, das sanfte Lächeln, das sie mit leicht geöffneten Lippen erwiderte. Während seine Finger höher glitten, um ihre Rippenbögen, ihre Brust und ihren Hals zu liebkosen, wanderte ihr Blick tiefer, den Hals entlang, über die Schultern und die kraftvolle Brust, den flachen und festen Bauch.
    Seine Finger kreisten nun um eine ihrer Brüste, strichen sachte über eine der Warzen, und sie seufzte vor Wonne, als seine Berührung fester wurde.
    Nun nahm er die zweite Hand hinzu, um über ihr Bein zu streichen, und die Innenseite ihrer Oberschenkel. Er beugte sich herab, sog den Duft ihrer Haare ein, und küsste sie auf Stirn und Nase, dann auf den Mund. Sie schloss die Augen wieder, als seine Zunge ihren Mundwinkel berührte, und die Konturen ihrer Lippen entlang glitt. Ein weiteres Seufzen, nein, diesmal ein Stöhnen. Seine Hand wich von ihrer Brust, bewegte sich stattdessen zum Schlüsselbein und zum Hals, zeichnete die Form ihrer Achselhöhle nach, und glitt den Arm entlang zu ihrem Handgelenk, welches mit weichem Leinen an das Bettgestell gefesselt war.
    Das Weiß ihrer Zähne, das durch ihr Lächeln aufblitzte, der versonnene Blick ihrer Augen, der schnelle Rhythmus, in dem sich ihre Brust hob und senkte, und auch die heiße Feuchtigkeit, die er mit der anderen Hand ertastete, verrieten ihm, dass sie bereit war.
    Ihr Leib wand sich unter seinem, ihre Hüften erwiderten seine Bewegungen, die immer schneller wurden. Immer lauter wurde ihr Keuchen und Stöhnen, bis es schließlich zu einem tiefen, lustvollen Schrei anschwoll.
    Am Ende schrie auch er.

    Nun waren seine Hände nicht mehr kalt. Ihr Körper bebte nicht mehr unter der sanften Berührung, dem zärtlichen Streicheln. Seine Hände waren warm. Sie blickten einander an. Er bewunderte den Glanz ihrer schwarzen Augen, den ihrer gelockten, schwarzen Haare, die sich über das Kissen ergossen, und das Schimmern der Zähne. Er betrachtete entzückt die gerade Linie ihrer Nase.
    Dann zog er sich von ihr zurück.
    Gelassen ging er durch das Zimmer und sammelte seine Kleidungsstücke ein, setzte sich auf einen der Hocker, und begann, sich anzuziehen.
    “Was machst Du da?”, fragte sie. “Das siehst Du doch: Ich ziehe mich an.” “Hm…”, machte sie, und betrachtete das schöne Gesicht mit den schelmisch aufblitzenden Augen. Er erwiderte ihren Blick, und lächelte sie spöttisch an, wobei sich kleine Grübchen um seine Mundwinkel bildeten.
    “Dann nehme ich an, dass Du jetzt zu gehen gedenkst?” Es war eher eine Feststellung denn eine Frage. “Sicherlich.” “Hm…”
    Er schnürte sich das Hemd zu, zog sich Strümpfe und Stiefel an. Dann stand er auf, und schritt auf sie zu, bis er die Stirnseite des Bettes erreicht hatte. Doch beugte er sich nicht herab, um sie zu küssen. Vielmehr zog er eine der Schubladen der Kommode auf, welche neben dem Bett stand, und kramte darin herum.
    “Was tust Du denn da?”, fragte sie, und erneut antwortete er gelassen, ebenso heiter wie zuvor, und mit demselben spöttischen Tonfall. Nur, das sein Grinsen diesmal ziemlich unverschämt wurde: “Ich suche.” “Hm…” Sie veränderte ihre Position im Bett, um ihn bequemer anschauen zu können. “Darf ich davon ausgehen, dass es Dir um Wertgegenstände geht?” Sein Grinsen wurde eine Spur unverschämter, doch machte ihn dies nicht minder anziehend. “Aber ja”, sagte er, während er ein Schmuckkästchen aus einer Schublade holte, und sich den wertvollen Inhalt beschaute.
    Sie schwieg, während er das Zimmer durchsuchte. Goldene Ohrringe mit Rubinen, silberne Kettchen und Armreifen, allerlei fein gearbeitetes Geschmeide aus den kostbarsten Materialien wanderten in seine Tasche. Er summte dabei vergnügt, sie jedoch schaute sich alles seelenruhig an.
    “Dann kann ich wohl davon ausgehen”, meinte sie gelassen, “dass Du mich nicht losbinden wirst?” Er lachte warm und freundlich: “Aber nein, wo denkst Du hin?” “Du weißt schon, dass ich schreien könnte?” Er lachte erneut: “Ja, das könntest Du wohl. So, wie gerade eben. Vielleicht würde das die Nachbarn dazu bringen, sich zu beschweren.” Sie lächelte milde: “Du bist schlau. Sehr schlau. Aber ist es nicht unklug, Deinen Opfern Dein Gesicht zu zeigen? Ich würde es wieder erkennen. Das weißt Du doch?”
    Er lachte nur, während er sich der Zimmertür näherte, dabei seinen Mantel auflas. In der Tür drehte er sich noch einmal um. “Ich danke Dir. Es war wirklich phantastisch. Du bist eine wunderschöne Frau.” Er überlegte kurz, dann nahm er eines ihrer Medaillons aus der Tasche. Das fein ziselierte, edelsteingeschmückte Gold schimmerte im Licht des Kamins und der Kerzen.
    Er ging wieder auf sie zu.
    Erneut eine kalte Berührung auf ihrem Bauch. An dem geöffneten Kettchen zog er das goldene Kleinod ein Stück ihren Bauch hinauf, legte dann die Kette auf ihren Brüsten ab, in einer sicheren, fließenden Bewegung, dass die Enden die Rundungen umschmeichelten, sanft über die Warzenhöfe fielen.
    Er trat zurück. Sie wusste, dass es schön aussehen musste.
    Dann wandte er sich endgültig zum Gehen.

    Es war eine grandiose Ausbeute! Diese Dame war wirklich wohlhabend. Und schön. Selten hatte ihm ein Abend so viel Vergnügen bereitet. Und wie angenehm zurückhaltend sie bis zum Ende doch geblieben war! Erneut summend näherte er sich der Haustüre, und öffnete diese. Als er die Tür hinter sich schließen wollte, wanderte sein Blick noch einmal zu dem beleuchteten Fenster, hinter dem sie noch immer auf dem Bett liegen musste. Dann schaute er wieder nach vorne.
    Und erschrak.
    “Woher?”
    Er konnte es nicht fassen: Dort stand sie, direkt vor ihm. Nackt, bis auf das Medaillon, welches er ihr auf den Bauch gelegt hatte, und das nun von ihrem Hals baumelte. Mit den bloßen Füßen stand sie im Schnee, der die Straße zentimeterhoch bedeckte. Doch zu frieren schien sie nicht. Sie lächelte milde, und nun waren es ihre Augen, die schalkhaft blitzten.
    “Du wirst doch nicht etwa so schnell schon wieder gehen wollen, wo es gerade so schön war?” Ihre Stimme ein Säuseln. Wie hatte sie das geschafft? Wie war sie den Fesseln entkommen, wie hatte sie die Straße vor ihm erreichen können? War sie etwa…? Nein, ein erneuter Blick zum Fenster bestätigte, dass es geschlossen war. Wie also war sie nach draußen gelangt?
    Ihr Hand legte sich auf seine Brust, sanft, wie eine Liebkosung. Er wollte an ihr vorbei hasten, doch ihre Augen fingen seinen Blick. Diese schwarzen Augen, die wie tiefe Seen waren, in denen er zu ertrinken drohte. Langsam machten seine Beine einen Schritt zurück. Wieso zurück, er wollte doch nach vorne! Aber er machte einen erneuten Schritt in Richtung Inneres. Sie folgte ihm, ebenso langsam. Er überquerte die Schwelle, und kurz darauf stand er in der Mitte des luxuriösen Entrées. Ihre nackten Füße patschten leicht auf dem Parkett. Sie ließ die Türe ins Schloss fallen. Die Hand, mit der er die Tasche mit dem Beutegut hielt, erschlaffte. Mit lautem scheppern schlug die Tasche auf, und öffnete sich. Ein Kleinod sprang heraus, und klirrte auf den Boden. Es war ein Ring. Woher wusste er, dass es ein Ring war, er sah doch nur sie an, ihre Augen?
    Sie lächelte, und ihre Zähne blitzen heller denn je.
    Konnte es ein, dass…? Aber er hatte sie doch atmen sehen, die Wärme ihres Körpers gespürt!
    Er wollte den Blick senken, nicht mehr in diese Augen schauen. Ein eisiger Schauer lief über seinen Rücken, doch kein Muskel bewegte sich. Steif stand er da, unfähig, sich zu rühren.
    Er musste sich vergewissern, ob…
    Sie lachte. Warm und vergnügt. Das Lächeln. Es war das selbe wie zuvor. Die Lippen waren in derselben Weise geöffnet. Doch diesmal drückte es keine Entrückung aus, keine Ekstase, es war nicht warm und anziehend. Waren das Hauer, spitze lange Eckzähne?
    Schließlich brach der Bann. Seine Hände schnellten vor: Die eine fasste das Gelenk der Hand, die noch immer auf seiner Brust lag, die andere krallte sich in ihren Nacken. Nun konnte er den Blick senken, ihr Lächeln fokussieren.
    Sie lachte, das Gebiss gut sichtbar: Ganz normale Zähne. “Hast Du wirklich geglaubt, ich sei ein Vampir?”, fragte sie vergnügt.
    Dann wurde er von einer unsichtbaren Macht nach hinten geschleudert. Die Luft wich ihm aus der Lunge, als er hart auf den Boden schlug. Das Letzte, was er hörte, war ihr Lachen. Dann wurde es schwarz um ihn.

    Alzhara betrachtete den bewusstlosen Schönling. Selbst jetzt zog er sie noch an. Selten hatte ihr jemand ein solches Vergnügen bereitet, vor allem kein Mensch. Er war gut, geradezu grandios. Als Liebhaber, und womöglich auch als Dieb. Und wie angenehm zärtlich er bis zuletzt geblieben war! Wie viele ebenso reiche wie liebesbedürftige Städterinnen mochte er in dieser Weise bestohlen haben? Sicherlich gab es nicht viele Frauen, welche dies weiterverfolgten oder zur Anzeige brachten. Zu groß wäre die Scham vor dem Ehemann oder Vater. Auf diese Weise ausgeraubt worden zu sein wäre eine zu große Schmach, um der Stadtwache davon zu berichten. Selbst wenn ihn seine Opfer wieder erkannten, so würden sie ihn kaum weiter behelligen. Er war schlau. Sehr schlau.
    Dumm nur, dass er ausgerechnet an sie geraten war.
    Sie bewunderte das Spiel des Lichts der Öllampen auf seinem Gesicht, während sie überlegte, was mit ihm zu tun sei.
    Dann kam ihr der Einfall.

    Er stöhnte, als er aufwachte. Das Licht um ihn herum war gedämpft. Es drang von den Spalten eines Holzladens herein, der das Fenster des Raumes von außen verschloss, in dem er sich befand. An einer Seite stand ein Kamin, in dem noch einige Holzscheite glommen. Links von ihm konnte er die dunkle Kontur eines Himmelbettes ausmachen. Hinter den Vorhängen zeichnete sich eine dunkle Bewegung ab, als er sich stöhnend aufrichtete.
    Er spürte ein ungewohntes Gewicht um seinen Hals. Er taste danach: Ein Kettchen. Ein Kettchen, an dem ein Medaillon hing. DAS Medaillon. Was war nur geschehen?
    Dies war nicht das Zimmer der Dame, die er am Vorabend ausgeraubt hatte. Wo war er hier bloß?
    Die Vorhänge des Himmelbettes wurden zur Seite geschoben, und im Zwielicht wurde das verschlafene Gesicht eines jungen, vielleicht sechzehnjährigen, hübschen Mädchens sichtbar.
    “Wer…?”, begann sie, bevor sich ihre Augen weiteten.
    Dann schrie sie. Laut, schrill und panisch.

    Alzhara hörte den Schrei, als sie gerade die Tasse angesetzt hatte, um an dem Tee zu nippen. Ihr Gegenüber sprang auf. “Habt Ihr das gehört? Das…das ist die Stimme meiner Tochter! Herrje, was ist da nur los?” Der kostbar gekleidete Mann eilte der Tür entgegen. “Wache! Was ist da los?” Er stürzte zum Flur heraus. Alzhara legte die Tasse wieder auf die Untertasse ab, die sie in der linken Hand hielt, und folgte ihm.
    Draußen konnte sie sehen, wie ein junger, gut aussehender Mann von einigen Wachen die Treppe des ersten Stocks heruntergezerrt wurde, die Arme auf dem Rücken zusammengebunden. “Wir haben ihn im Zimmer Eurer Tochter gefunden. Offenbar ein Einbrecher.”, sagte eine der Wachen.
    Alzhara schnalzte missbilligend mit der Zunge: “Was für eine Dreistigkeit. Dass das Gesindel es auf unseren Wohlstand abgesehen hat, das ist nicht neu. Aber dass sie unseren Kindern die Unschuld rauben wollen? Das arme Mädchen muss ganz verstört sein. Sie wird sicherlich Euren väterlichen Beistand brauchen. Soll ich im Geschäftszimmer warten, Herr Stadtrat?” Dieser nickte nur, starrte den Einbrecher an. Dann straffte er sich: “Ins Verlies mit ihm! Sollen die Richter sich mit ihm befassen!” Dann eilte er die Treppe hinauf.
    Der Einbrecher hing völlig kraftlos in den Armen der Wächter, die ihn zur Haustür zerrten. Seine Augen trafen die von Alzhara. Sie lächelte leicht, als sie die Tasse erneut zum Mund führte.
    Es schien, als wolle er noch etwas sagen.
    Doch Alzhara wandte sich ohne ein weiteres Wort ab.



    Nachbemerkung: Die Figur Alzhara kommt auch hier und hier vor und hat zudem einen Auftritt in "Theodizee", das über meine Signatur erreichbar ist.
    Geändert von MiMo (30.03.2017 um 22:20 Uhr)

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    Deus Avatar von Sir Ewek Emelot
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    "Das Reich ist saturiert."




    Es war ein wunderschöner, sonniger Tag im Frühsommer des Jahres 1845, als Seine Majestät Grerog Granimor, König von Biblur, Herzog von Trafen, aus dem Leben geschieden waren. Nach 16 glücklichen Jahren Ehe mit der Monarchin, Sabatha II., nach der Zeugung dreier Kinder und einem erfolgreichen Leben an der Seite der Regentin, war der Tod ebenso jäh, wie tragisch über den König hereingebrochen: Begonnen hatte der Tag wie jeder andere, seit Sabatha mit den ihren die königliche Sommerresidenz an der bithanischen Küste bezogen hatte: Man war spät aufgestanden, hatte noch später gefrühstückt, den Vormittag in sehr familiärer und informeller Atmosphäre verbracht, um sich sodann, am Nachmittage, den Vergnügungen zu widmen, welche das Umland hergab. An diesem Tage hatte man sich zu einem Ausritt in den nahe gelegenen Forst entschieden, mit anschließendem Picknick auf einer wohlbekannten, friedlichen Lichtung.
    Die Vorbereitungen waren ebenso vergnüglich, wie reibungslos verlaufen, und bald schon machte man sich mit kleinem Hofstaat, auf den keckernden und hoppelnden Ziegen reitend, auf den Weg.
    So schön der Tag bis dahin aber auch verlaufen war, so schrecklich sollte er enden. Niemand hatte den schlimmen Reitunfall voraussehen können, der den armen Grerog ereilen sollte, als seine Ziege plötzlich - wer weiß wovon? - aufschreckte und durchging.
    Die Trauer über den Tod des Königs war groß gewesen, in der Familie ebenso wie im ganzen Volke von Biblur, und ein jeder Goblin nahm am Schmerz der Königsfamilie Anteil. Am meisten jedoch hatte die Königin selbst getrauert: War Grerog doch Spross aus altem, herzoglichem Adelshause, und somit eine von wenigen standesgemäßen Partien für die Thronerbin Sabatha gewesen, so war er doch zugleich auch einer ihrer ältesten Jugendfreunde, und ihr von Herzen und in innigster Liebe zugetan. Und so hatten diese beiden das ungeheure Glück erlebt, in Erfüllung aller politischen Pflicht zugleich auch dem eigenen Herzenswunsche nachzukommen.
    Umso größer war das Unglück, welches Sabatha nach dem Tod ihres Gemahls befiel.

    Die Herrscherin hatte ihren Schmerz in Arbeit zu ertränken versucht, und sich voll und ganz den Staatsgeschäften zu widmen begonnen, sowie der Erziehung ihrer drei Kinder, insbesondere des Thronerben. Weiterhin hatte sie sich vermehrt der Förderung gemeinnütziger Projekte und Institutionen verschrieben, auch Kunst und Wissenschaft nach Kräften gefördert, und überhaupt allerlei Betätigungsfelder gefunden, die ihr die Einsamkeit im Herzen vergessen machen sollten.
    Zwei Jahre waren dergestalt ins Land gegangen. Zwei Jahre, in denen Biblur wohl gedieh, die Königin jedoch zusehends dahinwelkte. Ihre einstmals füllige Gestalt nahm zunehmend ab, das glänzende, grüne Fell erstumpfte, und die einst lebensfrohe Monarchin war nunmehr traurig und ernst.
    Sabatha hätte diese schlimme, finstere Zeit womöglich nicht überstanden, hätte es da nicht doch einen Lichtblick gegeben, der ihr grames Herz mit Freude zu erfüllen vermocht hätte: Graf Anrig zu Westemünde, Cousin und Jugendfreund des verstorbenen Gatten, der die Trauer um den zu früh Verstorbenen mit Sabatha teilte, und viele Stunden mit ihr verbrachte. Hatten sich diese beiden doch immer schon geschätzt, so entwickelte sich in der gemeinsamen Trauer doch nun eine tiefe Freundschaft, und bald schon war Anrig das einzige, was Sabatha aus ihrer Schwermut erretten konnte: Seine ruhige und freundliche Art, sein einfühlsames und sensibles Wesen, seine vollendeten und doch herzlichen Umgangsformen waren Balsam für Sabathas Seele.
    Es wunderte in der Tat niemanden, als die Königin verkündete, dass sie erneut zu heiraten gedenke, und erst recht nicht, als es hieß, dass Anrig ihr neuer König werden solle: Eine Liaison, die allgemeine Zustimmung erweckte, sowie die Hoffnung auf Ihrer Majestät baldiger Genesung und der Rückkehr des Hofes zur Normalität.

    Die Hochzeit wurde denn auch mit allem Prunk und Brimborium gefeiert, Anrig feierlich gekrönt, und ganz Biblur beglückwünschte das herrschaftliche Paar. Mit großem “Vivat” prozessierte die Hochzeitsgesellschaft durch die Stadt, Parlament wie Kronrat machten den Brautleuten ihre Aufwartung, und endlich, nach langer und ausgelassener Feier, begaben sich König und Königin ins Brautgemach: Anrig von einer feurigen und sichtlich erregten Sabatha an der pelzigen Hand mitgerissen.

    “Oh, endlich sind wir die los!”, seufzte die Königin, als die Tür ins Schloss fiel. Sie drückte Anrig gegen die Tür, und küsste ihn inniglich. “Komm jetzt endlich, mein König!” Und weiter zerrte sie ihn, zum Bett.
    Bald schon tauschten Königin und König allerlei Zärtlichkeiten aus, und immer heftiger und inniger wurde Sabathas Erregung. Schnell entledigte sie sich ihres Brautkleids, Schleier und Unterrocks, und auch Anrig gingen Frack und Hemd, Stiefel und Hose verlustig. Und es war in diesem Augenblicke, da Sabathas Erregung einen allzu plötzlichen Dämpfer widerfuhr:
    “Was ist denn?”, fragte sie, als sie Anrigs Unpässlichkeit gewahr geworden war. Der indes druckste schüchtern, ob der Peinlichkeit seiner Lage, suchte nach Worten der Entschuldigung, dass es gewiss nicht an ihr liege, da sie ja doch eine famose und wunderschöne Frau sei. Sabatha, obzwar ein wenig enttäuscht, beschied ihm, dass es nichts ausmache, und sie durchaus darauf warten könne, dass er mehr Vertrauen fasse; er werde seine Lust an den ehelichen Pflichten schon noch finden, es gebe keinen Grund, sich unter irgendeinen Druck zu setzen.
    Doch auch an den folgenden Tagen und Nächten veränderte sich an der Situation des Paares nichts: Äußerer Zärtlichkeiten befleißigte sich Anrig noch in zufrieden stellender Weise, sollte es aber tiefer gehen, so versagte seine Anatomie, ganz plötzlich. Anrig wurde von mal zu mal von wachsender Nervosität ergriffen, Sabatha indes von stetig größerer Enttäuschung ob der unbefriedigten Erregung.
    Schließlich, eines Abends, stellte sie ihren Gemahl zur Rede.

    Mehrmals musste er neu ansetzen, eher er schließlich die rechten Worte fand, die sowohl seine tief empfundene Liebe zu Sabtha ausdrückten, wie auch die Einschränkung derselben: Adanos, so teilte er mit, habe ihn gewissermaßen am andern Ufer seines großen Ozeans zu platzieren beliebt.
    Sabathas Enttäuschung war groß. Nicht nur der erhofften Hochzeitsnacht, sondern überhaupt aller in Aussicht stehenden Liebesnächte beraubt, gekränkt und unbefriedigt, lag sie an jenem Abend noch lange wach, selbst, nachdem die immer verzagter gewordenen Entschuldigungen Anrigs verklungen waren.

    Am nächsten Morgen überraschte Sabatha ihre Umgebung mit einer außerordentlich schlechten Laune: Die sonst so sanftmütige Herrscherin war ganz entschieden unleidlich, schimpfte mit Zofen und Kammerdiener, brüskierte den Reichskanzler, schalt Bittsteller, sie sollten sich größerer Eigenverantwortung und Eigeninitiative befleißigen, und bis zum Nachmittage hatte sich allgemein herumgesprochen, dass Ihr Majestät “nicht vergnügt” sei.
    An jenem Nachmittag stand eine wichtige Sitzung des Parlaments an, an der, als Königin und Vorsitzende, auch Sabatha teilzunehmen hatte. Mit grimmer Miene und forschem Schritt, bei dem sich das ausladende, elegante Kleid bauschte, eilte sie in den altehrwürdigen Saal, und nahm auf ihrem Thron inmitten der Plätze des Kronrates, gleich gegenüber des Plenums der Abgeordneten, Platz. Adelige und klerikale Lords, Amtsadel und gewählte Vertreter des Bürgerstandes strömten nach und nach herein, warfen besorgte Blicke auf die sichtlich unzufriedene Königin, und nahmen ihre Plätze ein.
    “Was der wohl für eine Schabe ins Gesicht gespuckt haben mag?”, sinnierte Graf von Halbrig, an seinen Sitznachbarn, den alten Henselt, gewandt. “Es heißt, sie sei schon seit Wochen unleidlich”, antwortete der, “seit der Hochzeit. Und dabei schien Anrig ihr doch so gut zu tun!” “Ich kann mir schon denken, was unsrer Monarchin fehlt”, warf von hinten Herzog Kunigald Granimor ein, mit ebenso wissendem, wie süffisantem Lächeln: Wie der verstorbene Onkel Grerog war auch ihm Anrig von Kindesbeinen an vertraut, und so wusste er nur allzu gut von dessen amourösen Präferenzen. Doch heftigster Nachfragen zum Trotz schwieg sich Kunigald im weiteren aus, ließ nur sein Lächeln sehen, was die ihn umgebenden nur weiter dazu drängte, ihn in der Hoffnung auf Antwort zu bestürmen.

    Da das Gemurmel sich nicht abzuebben anschickte, umwölkte Sabatha ihre Stirn mit weiteren, ärgerlichen Falten, und machte von dem Glöckchen gebrauch, welches ihr als Vorsitzender anheim gegeben war, um sich im Falle allzu schlimmer Eskalation Gehör und der Sitzung die angemessene, würdige Ordnung verschaffen zu können.
    Schließlich kehrte Ruhe ein, und die Sitzung begann.
    Es handelte sich um eine wichtige und überaus staatstragende Angelegenheit, bei welcher die Opposition der Regierungspartei üblen Wahlbetrug vorwarf. Zudem seien die getroffenen Maßnahmen das genaue Gegenteil dessen, was in Anbetracht der äußert schwierigen Lage (ging man nach den Diskussionen im Parlament, so war die Lage der Nation IMMER äußerst schwierig) erforderlich sei. Die Regierungspartei indes warf der Opposition destruktives und hohles Gerede vor, und zudem habe sie es in der vergangenen Legislaturperiode, als sie noch an der Regierung gewesen sei, gar nicht anders gemacht, vielmehr sogar noch wesentlich schlechter, und nun habe man eben mit den Folgen dieser garstigen Politik zu kämpfen. So einige Redner kamen zu Wort, darunter auch alte und ehrwürdige Abgeordnete, und es wurden viele wohlgeratene und kluge Dinge gesagt.
    Als aber nach einigen Stunden der Debatte sich kein Ergebnis einstellen wollte, und auch eine zweite und gar dritte Abstimmung nurmehr zu einem Unentschieden führte, beschloss Sabatha, die Sitzung für eine Stunde zu unterbrechen. Erleichtert zerstreuten sich die Staatsmänner in die Pause hinein, strebten den Ausgängen zu, in die angrenzen Zimmer, in welchen sich wahlweise an vorbereiteten Speisen gütlich getan oder geraucht werden konnte, oder beides.
    Sabatha eilte in Richtung ihres privaten Kabinetts, wo ihr Speis und Trank aufgetragen werden sollten.

    “Euer Majestät”, sprach sie, mit angenehmer Stimme, ein geschmackvoll und nach neuester Mode gekleideter, junger Abgeordneter an, trat aus dem Schatten einer Säule ihr in den Weg, und verbeugte sich ebenso anmutig, wie respektvoll. “Oh, Kunigald”, sagte Sabatha, die Stirn zu ihrem missvergnügten Runzeln gefurcht, “es ist mir eine Freude, Sie zu sehen.” Sie sagte dies in einem Tone, der keinen Zweifel daran ließ, dass sie ganz und gar nicht darüber erfreut war: “Aber wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden…”, und damit wollte sie den jungen Herzog stehen lassen. Der aber wich geschickt einige Schritte zurück, und zwar in einer Weise, die durchaus keinen Eindruck von Unwürde erweckte, blieb somit freilich der Königin vor der Nase, und hob erneut an: “Euer Majestät wirken überaus besorgt, gewiss der äußerst schwierigen Lage wegen, in der das Reich sich ja allenthalben, und gerade jetzt, befindet. Ja, die Okkupation durch die hohe und wichtige Politik müssen Ihrer Majestät wahrlich alle Ruhe rauben. Ich nehme ja noch nicht so lange Anteil an der Politik, und bin darin sicherlich allzu unbedarft. Mein unerfahrenes Gemüt ist offensichtlich unfähig, sich in die Substanz des aktuellen Problems einzufühlen.”
    “Das aktuelle Problem”, erwiderte Sabatha, “hat keine Substanz.” Sie war notgedrungen stehen geblieben, da sie ansonsten mit dem Herzog zusammengestoßen wäre. Dieser tat, als dächte er über ihre Worte nach: “Tatsächlich, ohne Substanz. Umso schlimmer: Ich nehme an, folglich auch ohne Lösung?” “Wo kein Problem, da keine Lösung”, meinte Sabatha trocken. “Richtig. Das einzige Problem, vor das wir gestellt sind, scheint eher ein pädagogisches, denn ein politisches zu sein.” Sabatha ließ, zum ersten mal an diesem Tage, ein Lächeln blicken. Ein kleines, kaum merkliches, Kunigald jedoch bemerkte es sofort, und zwar mit ziemlichem Vergnügen. “Und natürlich der Umstand, dass diese misslichen Dinge Ihre Majestät von angenehmeren Dingen abhalten." Die Art, in der Kunigald 'angenehmeren Dingen' aussprach, hatte in Sabathas Ohren etwas Abgründiges. Er fuhr fort: "Vielleicht sollte man die Damen und Herren Abgeordneten mit einer entsprechend angemessenen Entschiedenheit behandeln?” “Entschiedenheit, mein lieber Herzog, würde bei solcherlei Kindern nur weiteren Trotz wecken und kaum zu einem wünschenswerten Ergebnis führen.” “Wenn dem so ist”, sinnierte Kunigald, “wäre eine völlige Missachtung die womöglich bessere Strafe?” “Oh, keine Lust mehr auf Politik?”, fragte Sabatha mit ironischem Tonfall. "Lust?", antwortete Kunigald, "ich kann mir wahrlich lustvolleres als Politik vorstellen." Das Lächeln, das er Sabatha schenkte, ließ es sie unwillkürlich erwidern, und eine angenehme Wärme ergriff von ihrem Körper Besitz, "Tatsächlich ist der Vergleich aber durchaus nicht schlecht: Die Staatskunst scheint tatsächlich erhebliche Ähnlichkeit mit der Pädagogik zu haben: In beiden Fällen geht es darum, Menschen, die zu dumm sind, zu begreifen, was für sie gut ist, ebendies so unterzujubeln, dass sie glauben, es von sich aus zu wollen.” Sabatha jedoch widersprach: "Oh, von der Politik weiß ich so viel gar nicht zu sagen. Ihre Beschreibung scheint mir ja eher die Verführungskunst zu charakterisieren", sie blickte Kunigald in die Augen, "Als Mutter jedoch weiß ich, dass es nicht die Kinder sind, welche die größten Sorgen bereiten: Lehrer, Pädagogen, Ammen, Kinderärzte… sie alle wollen ihren Teil beitragen, sie alle meinen, genau das richtige zu wollen, und dass ihr Wissen alleine unabdingbar und vor allem andern zu erwägen sei.”
    “Und was tut nun die gute Mutter, wenn sie von allen diesen wichtigen Experten bedrängt wird, die ein jeder für sich nur das Beste für das Kind im Sinne haben, aber doch alle gemeinsam das Gegenteil dessen wollen, was den anderen vorschwebt?” “Man lässt einen jeden von ihnen glauben, seinem Rat zu entsprechen. Oder aber...", sie hielt inne. "Oder?", Kunigalds Augen glänzten, als wisse er, was nun käme. "Oder aber man bringt sie dazu, das von einem zu wollen, was man eigentlich selbst tun wollte. Wie..." Kunigald vollendete den Satz für sie: "...in der Verführungskunst..."

    Die zuvor noch so frostige und auf ein möglichst rasches Ende des Gespräches bedachte Königin begann, daran zunehmend Gefallen zu finden. Statt den jungen Herzog stehen zu lassen, lud sie ihn zu sich ins Kabinett ein, mit ihr zu speisen. Kunigald bot ihr artig den Arm, dass sie sich unterhaken könne, und so legten sie den Weg gemeinsam, schwatzend zurück.

    Die Aufregung, als Ihre Majestät, Sabatha II., Königin von Biblur, nicht wie erwartet nach einer Stunde Frist die Sitzung wiedereröffnete, war überaus groß. Nachdem die Abgeordneten eine dreiviertel Stunde auf die Ankunft der Königin gewartet hatten, erschien ein livrierter Diener im Parlament, begab sich flugs zum Kanzler, und überreichte diesem ein Billet mit Siegel und Unterschrift Ihrer Majestät: Sabatha fühle sich plötzlich unwohl, sei unpässlich, und könne dem zweiten Teil der Sitzung nicht mehr vorstehen, das solle er, der Kanzler, an ihrer Statt tun.
    Die Abwesenheit des Herzogs Kunigald fiel bei all der Aufregung nicht weiter auf.

    Als König Anrig das königliche Gemacht betrat, tat er dies, wie immer, mit gemischten Gefühlen: Auf der einen Seite liebte er Sabatha aufrichtig und war ihr zugetan, wie niemandem sonst. Auf der andere Seite wusste er doch, dass er sie nicht so liebte, wie sie ihn, und dass er ihr das, was sie von ihm wünschte, nicht geben konnte, und darum fühlte er sich schuldig. Aus diesem Grunde versuchte Anrig, besonders zuvorkommend und liebevoll zu sein, wusste aber auch, dass er die enttäuschten Erwartungen Sabathas dadurch nicht ausgleichen könnte.
    Leise und etwas schüchtern klopfte er an die Schlafzimmertür und betrat das Zimmer, wobei er versuchte, möglichst wenige Geräusche zu machen, als betrete er das Zimmer einer Kranken. Sabatha saß, wie er wusste, bereits im ehelichen Bett. Auf große, weiche Kissen gestützt saß sie aufrecht unter der Bettdecke, ein Buch auf dem Schoß, ein Büchermesser in der einen Hand und ihre Augengläser auf der Nase. Als er hereinkam blickte sie auf, nahm sich die Gläser von den Augen, und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. Anrig vermutete in diesem Lächeln einen weiteren Versuch, ihn zu ermutigen, und seine Körperkräfte zu erwecken, einen Versuch, ihm doch noch zu entlocken, was sie von ihm wünschte. Seine Verlegenheit wuchs. Er näherte sich dem Bette, gab ihr einen Kuss, und wollte schon, sich überwindend, zu weiteren Zärtlichkeiten übergehen, da drückte sie ihn sanft, aber bestimmt von sich.
    Anrig war überrascht: “Wünschst Du heute etwa nicht…?”, er stockte, unschlüssig, ob er die Sache explizit beim Namen nennen solle. Sabatha jedoch wandte sich wieder ihrer Lektüre zu. “Heute nicht, mein Lieber”, sagte sie gelassen. Anrig war verwirrt. "Wie das...?"
    Sabatha schaute zu ihm auf. "Ich will heute nicht", meinte sie lapidar.
    Anrig fühlte sich traurig und schlecht, sah er in Sabathas Verhalten doch nur ein weiteres Symptom ihrer Unzufriedenheit mit ihm. Als sie sein hängendes Haupt und sein betrübtes Gesicht sah, lächelte sie erneut, ebenso warm wie zuvor. So legte sie sanft ihre Hand auf sein Gesicht, worauf er den Blick hob, ihr in die Augen schaute. "Mach Dir keine Sorgen, es ist alles in Ordnung. Ich habe eine Lösung gefunden." Anrigs Augen quollen schier über, vor Verwunderung: "Was? Heißt das etwa, dass...", sie nickte, als er erneut vor Verlegenheit stockte. "Ja", sagte sie, "Das Reich ist saturiert."


    Weite Informationen zu Biblur und den Goblins finden sich "Die Jahrkendarverschwörung", dass ich - wer weiß? - vielleicht eines Tages fortsetzen mag.
    Geändert von Sir Ewek Emelot (30.07.2013 um 21:12 Uhr)

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